Freitag, 29. November 1918

  

Ausstellung von Verwundeten-Arbeiten. Am 2., 3. und 4 Dezember wird in Bonn zum letzten Mal eine Ausstellung nebst Verkauf von Arbeiten unserer Verwundeten stattfinden, und zwar im Saal der Cohenschen Buchhandlung, am Hof 30, 1. Stock, Die Bonner Bürgerschaft, die den bisherigen Ausstellungen stets lebhafte werktätige Teilnahme entgegenbrachte, wird ihr Interesse auch dieses Mal hoffentlich betätigen, namentlich da wieder eine reiche Auswahl von hübschen und praktischen Sachen für den Weihnachtstisch vorhanden ist. Der Erlös soll diesmal, da er zur Neuanschaffung von Rohstoffen nicht mehr nötig ist, nach Abzug der Unkosten einem Kriegsbeschädigtenheim oder ähnlichen Einrichtung für unsere tapferen Feldgrauen, die ihre Gesundheit für uns hingaben, zur Verfügung gestellt werden, mit der besonderen Anweisung, den Insassen dafür hin und wieder eine besondere Freude zu bereiten.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)

  

Die Wehrpflichtigen im besetzten Gebiet.
Die Bekanntmachung in der Presse vom 27. November 1918, daß alle Wehrpflichtigen, die vor dem 1. August 1914 ihren Wohnsitz nicht im linksrheinischen Gebiet hatten, und diesen Wohnsitz verlassen müßten, um nicht interniert zu werden, ist weder vom stellv Generalkommando 8. A.-K. noch vom Soldatenrat Koblenz erlassen worden. Das Ministerium des Inneren teilt vielmehr unterm 22. November 1918 mit, daß wehrpflichtige deutsche Arbeiter und Beamte in den zu räumenden Gebieten des Rheins nicht zurückzuziehen sind. Arbeitskräfte haben auf ihren Arbeitsstellen zu bleiben. [...]

Arbeiter- und Bürgerrat. Wie der Vorsitzende Dr. Krantz in der gestrigen Sitzung mitteilte, ist der Soldatenrat aus dem ABS.-Rat ausgeschieden, da die militärischen Formationen aufgelöst sind und deshalb eine Vertretung dafür nicht mehr erforderlich ist. Hauptmann Strübb [in den anderen Zeitungen: Strich] wird in der Folge als Vertreter der militärischen Vertrauensleute an den Sitzungen teilnehmen. Der Rat wird nunmehr unter dem Namen „Arbeiter- und Bürgerrat“ tagen. Er wird nach wie vor die militärischen Interessen der entlassenen Mannschaften aufs beste vertreten. An die Ausschussmitglieder wurden neue Armbinden in den Farben schwarz-rot-gold ausgegeben.
    Oberbürgermeister Spiritus verlas einen schriftlichen Gruß der Stadt Bonn an die durchziehenden Fronttruppen, der an anderer Stelle unseres Blattes zum Abdruck gelangt. Der Vorsitzende teilte mit, daß ein Vertreter des Kriegsministers gestern hier war, um Erkundungen darüber einzuziehen, ob der Durchzug der Truppen glatt vonstatten ginge und wie die Stimmung der Bevölkerung sei. Mit der Auskunft, die ihm der Vorsitzende geben konnte, war der militärische Berater sehr befriedigt.
[...]
Wie der Vorsitzende mitteilte, hat ihm der Kapellmeister der 59er die Erklärung abgegeben, daß entgegen der Behauptung eines Mitglieds des Arbeiterrats seine Kapelle auf dem Kaiserplatz am vorigen Samstag „Heil dir im Siegerkranz“ nicht gespielt habe.
    Auf die Anfrage, welche Besatzung hierher nach Bonn komme, bemerkte der Vorsitzende, daß nach den neueren Mitteilungen wahrscheinlich Engländer kommen würden; Bestimmtes könne man natürlich noch nicht sagen. Wer aber auch komme, die Hauptsache sei, daß die Bevölkerung sittlichen Ernst und Nationalstolz bewahre. Namentlich die Weiblichkeit müsse gewarnt werden. Man solle keine feindliche Haltung äußern, aber Nachlaufen brauche man ihnen nicht. Er schlage vor, daß nach dem Rezept der Belgier allen weiblichen Personen, die mit dem Feind kokettieren, der Kopf kahl geschoren werde. Der Vorschlag rief große Heiterkeit hervor. (Wir empfehlen eine vollständige Rasur. Die Schriftl.)
   Es wurde nochmals darauf hingewiesen, die vier Bonner Kasernen so bald wie möglich für die Besatzung instand zu setzen, da es sonst wie in Trier gehen könne, wo die feindlichen Soldaten einfach bei Bürgern Quartier bezogen hätten.
   Bezüglich der Verpflegung der Truppen berichtete Baurat Piehl, daß die Verpflegung der Soldaten gut geregelt sei. Man habe auch Vorkehrungen getroffen, daß die Nahrungsmittelversorgung der Bürgerschaft nicht unter der Fahrtbehinderung, die durch die Truppendurchzüge hervorgerufen werde, zu leiden habe. In der Milchversorgung seien aber kleine Störungen nicht zu vermeiden. In der Frage der Versorgung der Soldaten mit Entlassungs-Anzügen bemerkte Baurat Piehl, daß das Städtische Bekleidungsamt augenblicklich nicht in der Lage sei, Zivilkleidung zu liefern. Für jetzt müsse jeder sehen, bei Verwandten oder Bekannten Zivilkleidungsstücke zu erhalten, da die Franzosen in anderen Städten die abgeänderten Uniformen nicht als Zivilkleidung anerkannt hätten. [...]
    Herr Schmock fand es an der Zeit, daß man jetzt, da der Krieg doch sozusagen zu Ende sei, ganz energisch gegen den Wucher und den Schleichhandel vorgehe, damit endlich wieder ein ehrliches Geschäftsgebaren Platz greife.
[...]
Die nächste Sitzung findet am Samstag statt.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

   

Deutsche Demokratische Partei. Eine stark besuchte Mitgliederversammlung der Fortschrittlichen Volkspartei und der demokratischen Vereinigung beschloß gestern abend die sofortige Gründung der Deutschen Demokratischen Partei in Bonn, da keine Stunde zu verlieren sei, wenn man die neue Partei vor dem Eintreffen der feindlichen Besatzung noch unter Dach und Fach bringen wolle. Es wurde ein geschäftsführender Auschuß unter dem Vorsitz von Dr. Brüggemann gewählt zur Werbung weiterer Mitglieder, zur Vorbereitung einer großen Werbeversammlung und der ersten Hauptversammlung.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)