Donnerstag, 1. Oktober 1914
Danksagung. Für die am 25. September bei dem Regiment 160 eingetroffenen, von allen Seiten gespendeten Liebesgaben spricht das Regiment seinen allerherzlichsten Dank aus. Wer gesehen hat, mit welcher Freude die Liebesgaben von unserem Bonner Regiment draußen in Empfang genommen worden sind, weiß, welche große Wohltat damit unseren im Felde stehenden Soldaten erwiesen wurde. Leider mußte bei der großen Zahl der Bedürftigen trotz der bewiesenen Gebefreudigkeit mancher unbedacht bleiben. Die Sorge, in Zukunft auch diese Lücke auszufüllen, legt das Regiment vertrauensvoll in die Hände der mit ihm so eng verknüpften Garnisonsstadt.
I.A.: Von Stuckrad, Hauptm.
Eine beherzte Mahnung. Die Rhein. Westf. Zeitung entnimmt einem Soldatenbrief die folgende, beherzigenswerte Mahnung:
Die Granate, von der ich getroffen wurde, schlug hinter mir in die vierte Kompanie ein und hat großen Schaden angerichtet. Das Gefecht, vielmehr die Schlacht, dauert schon seit sieben Tagen und ist das Ende noch nicht zu schätzen. Die Verluste auf beiden Seiten sind gar nicht zu beschreiben. Eine Bitte hätte ich: Sagt doch mal den größeren Zeitungen, man möge bekannt geben, daß die Ulk-Karten über den Krieg nicht auf die Kriegsschauplätze versandt werden, denn hier den Leuten steht bei diesem Jammer der Verwundeten, bei diesem Schlachtgetöse, Elend und Verzweifelung nicht der Sinn nach – teilweise recht faden – Witzen. Im Gegenteil, wie ich die Post in der vergangenen Nacht (denn das kann nur des Nachts gemacht werden) austeilte, da habe ich verschiedentlich Klagen darüber gehört. Man soll doch einfache Postkarten oder Briefe nehmen und die Groschen, welche für Ulk-Karten ausgegeben werden, für die Liebeskarten verwerten, denn die tun uns besser gut. Auch hat man allgemein mehr das Verlangen nach Tabak, Zigarren, als nach Schokolade und dergleichen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Die Beteiligung der Militärvereine an der Beerdigung hier verstorbener Krieger ist am Dienstag abend, nachdem der stellv. Vorsitzende, Kamerad Jansen, die Angelegenheit entsprechend erläutert hatte, einstimmig vom Vorstand des Kreiskrieger-Verbandes Bonn (Stadt) beschlossen worden. Der Vorsitzende des Kavallerie-Vereins, Kamerad Klukmann, hat sich bereit erklärt, beim Garnison-Lazarett Tag und Stunde der Beerdigung zu erfahren und das weitere zu veranlassen. Es wird erwartet, daß die Beteiligung bei den Beerdigungen immer recht zahlreich sein wird.
Abschied der Garde-Train. Reserve-Mannschaften der Garde-Train [Nachschub-Einheit] aus Tempelhof bei Berlin, die 21 Tage hier in Quartier lagen, haben gestern unsere Stadt verlassen. Auf der Riesstraße waren die Soldaten angetreten, und ein Oberleutnant hielt dort eine Ansprache, in der er der Stadt Bonn und den Quartiergebern in herzlichster Weise dankte. Die Verpflegung in Bonn sei derartig gewesen, daß er sich unbedingt verpflichtet fühle, namens seiner Kameraden öffentlich Dank auszusprechen. Sie würden Bonn niemals vergessen. Zum Schluß brachten die Mannschaften auf Bonn und seine wackere Bürgerschaft ein dreifaches Hurra aus. Unter fröhlichem Gesang zogen sodann die Mannschaften, die von ihren Quartiergebern mit Blumen und Fähnchen geschmückt waren, zum Güterbahnhof. Sogar die Pferde der Offiziere waren mit Blumen dekoriert.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Ehrhardt’sches Konservatorium. In der am Montag, den 28. September, stattgefundenen Prüfung erlangte Frl. E. Schoeneberger aus Bonn das Reifezeugnis als Klavierlehrerin. Prüfungskommissar war Herr Dr. E. Reitzel, Köln.
Englische Versicherungsgesellschaften. Bei dem unendlichen Schaden, welchen man von englischer Seite unserm Erwerbsleben zuzufügen sucht, dürfte es angebracht erscheinen, auf die in Deutschland lebhaft tätigen englischen Feuerversicherungen hinzuweisen. Es gibt doch, wie jeder zu Genüge weiß, in Deutschland solide und kulant regulierende Feuerversicherungen genug, so daß wir englische Gesellschaften gewiß nicht zu unterstützen brauchen. Es sind mehrere englische Gesellschaften bei uns tätig, North British merkantile z.B. und andere mehr. Es wird oft dem Publikum, um die englische Firma nicht zu sehr hervorzuheben, gesagt, der Name sei freilich englisch, allein alles werde in Deutschland geleitet und auch das Kapital sei deutsch. Dieses ist aber meistens nicht wahr, sämtliche Dividenden, und darauf kommt es ja an, gehen nach England. Es wird ja meistens irgend ein Manöver angewandt, um den Michel beim guten Glauben zu halten, es sei alles deutsches Kapital, aber die Dividenden, die gehen nach England. Ein Bürger
Aus einem Feldpostbrief eines Bornheimer Kriegers. …9.9.14. Jetzt komme ich wieder mal dazu, Euch nochmal zu schreiben. In den letzten Tagen sind wir immer hin und her gefahren, einen Weg haben wir dreimal gemacht. Wir sollten zur Belagerung bis vor … rücken und waren noch 80 Kilometer davon entfernt. Aber bei … wollten 5 französische Armeekorps durchbrechen nach … zu, weil fast die ganze französische Armee umzingelt ist. In den letzten 10 Tagen waren wir dem Reserve-Armeekorps zugeteilt, weil unseres schon zu viel gelitten hat, es hat nämlich den ganzen Zug über Belgien mitgemacht und wir haben auf unserem Wege viele Gefechte gehabt. Nun mußten wir wieder Tag und Nacht fahren, um zu helfen. Wie immer, hatt’s hier wieder großartig geklappt. Das Gefecht hat auch 2 Tage gedauert. Von morgens früh bis abends geschossen. Am Abend des ersten Tages liefen Hunderte und wieder Hunderte Verwundete durch das Dorf und wollten wenigstens verbunden werden. Auf französischer Seite lagen die Zuaven wieder ganz vorne, dahinter liegen die Franzosen. Die Rothosen werden von den Offizieren ins Gefecht getrieben. Zuaven aus Afrika haben alle schmutzige, weiße Hosen an. Jetzt gings wieder los gegen Engländer. 2 Englische Korps hatten den linken Flügel unserer … Armee angegriffen, wir, die … Division, mußten wieder helfen. Sind wieder 1½ Tage gefahren. Da kam die Kunde, die Engländer seien schon geschlagen. Jetzt sind wir in der großen Weingegend von E…. So weit wie man sehen kann, alles Weinberge. … ist die größte Sektstadt. Die roten Trauben schmecken sehr gut. Ich möchte gerne wissen, wo die Liebesgaben aus Deutschland bleiben. Das Gardekorps ist auch jetzt bei uns, den Riedecker von Sechtem habe ich dabei getroffen. Die haben auch schon viel verloren. In deutschen Zeitungen lasen wir, daß die französischen Verwundeten bei uns eine gute Verpflegung hätten. Wenn ihr hier in einem Gefechte sehen könntet, wie sie unsere Verwundeten behandeln, die sie finden, dann würden die zu Haus anders denken. Es sind die größten Lumpen. Guckt nur mal einem französischen Soldaten ins Gesicht, in die Augen, dann wißt ihr schon genug. Heute haben wir eine französische Brotfabrik ausgeräumt. Eins bald vergessen; in dem letzten Gefecht flogen die Schrapnells nur so zwischen uns. Ich lief was ich laufen konnte, und auf paar Schritte schlug eines neben mir ein. Da bin ich wieder glücklich durchgekommen. Ihr braucht keine Angst zu haben um mich, bin noch immer da, denn der schöne wahre Spruch: Eine jede Kugel die trifft ja nicht, ist wahr, denn träfe jeder Kugel apart ihren Mann, so lebte keiner mehr. Hoffentlich habt ihr meinen letzten Brief erhalten. Die Zigaretten sind doch unterwegs. Bei uns dauert es oft eine Woche, ehe wir die Post-Autos treffen. In der Hoffnung, daß Euch der Brief so gesund antrifft, wie er mich verläßt, grüßt Euch alle recht herzlich Johann. Bis Wiedersehn.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Bonner Kriegsfreiwillige im Thüringerwald.
Man spürte den Mißklang, als mitten in die Sommerherrlichkeit wie eine Bombe der Krieg platzte. Man spürte ihn fast physisch. Die Bäder an der See und im Gebirge waren gefüllt von Sommerfrischlern, die Städte am Rhein warben in Zeitschriften und Prospekten für ihre landschaftlichen und klimatischen Vorzüge, alle Gewerbe, die vom Fremdenverkehr irgendwie profitieren, hatten ,,Hochsaison“, wenn dieser Wortbestand noch einmal gebraucht werden darf, und jeder, der es sich halbwegs leisten konnte, machte Reisepläne, schnürte sein Bündel und zog hinaus.
Und draußen stand der Sommer. Goldgelb wogten die Kornfelder, der Pirol sang, die Erde war Pracht und Glanz.
Da kam die Mordtat von Sarajevo. Und wenige Tage später stand die Welt in Flammen. Am Balkan loderte das Feuer auf. Schneller als ein Pfeil fliegen kann, dehnte es sich nach Norden, nach Westen und nach Osten aus, durchzog Länder und sprang mit einem Riesenschritt über Meere, fraß wie ein nimmersattes Tier den Frieden der Völker und zerstörte mit Titanenfaust die ganze Pracht des Sommers. War es uns nicht, als ob die Vögel nicht mehr so hell und froh ihre Lieder sangen, meinten wir nicht, der rote Mohn leuchte nicht mehr so feurig aus den Aehren, waren die Bienen noch so emsig, wie früher, schwammen im Bach die Forellen jetzt nicht langsam und träge? Und ging die Natur nicht schneller als sonst in den Vorherbst über?
Wir meinten ja.
In Wirklichkeit ging draußen alles seinen jahrtausendealten, gewohnten Gang. Nur sahen wir nun alles mit anderen Augen an. Denn wir waren mit anderen Gedanken erfüllt. Unsere nationale Existenz und Ehre stand auf dem Spiele. Täglich, stündlich rasten Militärzüge an die Grenze, aus jedem Hause wurde wenigstens einer von Weib und Kind, von Vater und Mutter zur Fahne gerufen.
Das Volk stand auf.
Wie bei dem großen Befreiungskrieg vor hundert Jahren brachten Männer und Frauen, Greise und Kinder große materielle und ideelle Opfer. Millionen junge Männer stellten sich dem Vaterlande freiwillig zur Verfügung. Am dritten oder vierten Tage der Mobilmachung teilten die Zeitungen mit, daß die erste Million Kriegsfreiwilliger schon überschritten sei. Diese Tatsache wird der Geschichtshistoriker der Zukunft aus den vielen Großtaten dieser Zeit besonders hervorheben müssen.
Ich glaube , daß dieser Krieg uns einen gewaltigen Schritt einem Ziele näher bringen wird, an dem alle politischen Parteien bisher nur mit relativen Erfolgen gearbeitet haben: nämlich, der Ueberbrückung der Klassengegensätze. Ich sage nicht, der Krieg wird dieses Ziel ganz erreichen. Das kann er nicht. Wer aber jetzt sieht, wie in den Reihen der Bonner Kriegsfreiwilligen ( und nicht nur der Bonner) der Doktor der Philosophie neben dem Handwerker, der Kaufmann neben dem Tagelöhner, der Student neben dem bayerischen Mälzer, der Beamte neben dem Handlanger steht und wie kameradschaftlich das Du und Du sie verbindet, der weiß, diese Freundschaft ist keine konventionelle Höflichkeit. Sie ertragen gemeinsam die Strapazen der Militärzeit, sie sitzen zusammen in ihren Quartieren an den derben Tischen der Bauern und essen Pellkartoffel mit Hering oder ein Stück von dem eben geschlachteten Schwein, ja – sie teilen nicht selten das Nachtlager miteinander. Sie reden zusammen, lernen sich gegenseitig kennen und – (das ist das Wichtigste) – verstehen. Und ein solches Verstehenlernen ist besser als ein noch so fleißig betriebenes theoretisches Studium der Soziologie.
Als wir Bonner Kriegsfreiwillige des Königs Rock anzogen und in den ersten Tagen morgens vor 6 Uhr zum Exzerzieren auf den Venusberg marschierten, meinten wir schon, das ist etwas. Manche spürten nach den Uebungen Gliederschmerzen hier und da, einige verloren auch ein paar Pfund am Körpergewicht, andere konnten sich nur allmählich an die kleinen Unannehmlichkeiten der militärischen Ausbildungszeit gewöhnen, waren von Hause aus verzärtelt und standen dem robusten neuen Leben hilflos gegenüber. Ihr Bonner Eltern solltet Eure Jungens jetzt im Thüringerwald sehen. Unser 3. Bataillon vom Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 235 ist in den Orten Georgenthal, Hohenkirchen und Petriroda einquartiert. Unsere größten Uebungen finden täglich vormittags auf dem Truppen-Uebungsplatz bei Ohrdruf, einem Ort in der Nähe von Gotha statt. Morgens in aller Frühe marschieren wir den gepackten Rucksack auf dem Rücken, den Brotbeutel an der Seite, kurz gesagt, feldmarschmäßig ausgerüstet, dorthin. Da seht Ihr keinen, der nicht den Ehrgeiz hätte, es dem anderen gleich zu tun. Es wird, unserem Ziel geradewegs entgegen, über Sturzäcker marschiert, über Bäche gesprungen, kein Abhang ist uns zu hoch und zu steil. Straßen benutzen wir meist nur dann, wenn sie kein Umweg für uns sind. Der Uebungsplatz liegt auf einem langsam ansteigenden Berge, von dem aus man eine prachtvolle Fernsicht über die Orte, Berge und Täler des Thüringerwaldes hat, bis zu den Türmen von Gotha und noch weiter darüber hinaus bis zu den Burgen der Grafen von Gleichen. Eine Bergkette hat eine ähnliche Gruppierung wie das Siebengebirge, wenn man es von Ittenbach aus sieht. Wir haben den Bergen die Namen unserer heimatlichen sieben Bergen gegeben und meinen nun, ein Stückchen Heimat in unserer Nähe zu haben.
Freilich ermüden uns die ungewohnten kriegsmäßigen Uebungen noch immer, aber wir leisten doch schon erheblich mehr, als in den allerersten Wochen unserer Dienstzeit. Wie schmeckt dann das Butterbrot, das uns die sorgsame Quartierswirtin am Morgen mitgegeben hat, wenn eine Frühstückspause von 10 bis 15 Minuten die Uebungen ablöst. Die meisten verzehren ein Stück Thüringer Bauernbrot mit einem Stück Thüringer Knoblauchwurst. Wie herzhaft wird da hineingebissen. Und wenn nach der Pause wieder ,,Angetreten“ wird zum Schwärmen in Schützenlinien – Sprung auf, Marsch, Marsch, jeder Soldat kennt das – und wenn die Anstrengungen so groß waren, daß man es feucht den Rücken hinunterlaufen fühlt, auf dem Heimweg wird dann gesungen (und alle singen es laut und ehrlich mit) ,,Es ist so schön, es ist so schön, Soldat zu sein.“ – Ja, es ist wirklich schön, Soldat sein, wenn man die Uebergangszeit; aus dem Zivilleben überwunden hat. Jeder von uns fühlt, daß eine Erneuerung des Blutes in ihm stattgefunden hat. Man ist elastischer, froher, jünger. Die Stubenluft hatte uns bleich und empfänglich für Erkältungen gemacht. Jetzt mag der Wind uns noch so unfreundlich Regenschauern ins Gesicht blasen, die Morgenluft kann noch so kalt sein, nur wenige tragen in einem Schnupfen unbedeutende Folgen daran. Niemand von uns ist ernstlich krank. Und das will unter diesen Verhältnissen doch schon etwas heißen, zumal es hier im hohen Thüringerwald schon anfängt, winterlich kalt zu werden.
Ich könnte noch manches erzählen von den Erlebnissen der Bonner Kriegsfreiwilligen. Lustige Episoden von einer 28stündigen Fahrt im Güterzug vom Rhein bis hierhin. Beobachtungen bei dem großen Barackenlager bei Ohrdruf, in dem sich gegen 20.000 gefangene Franzosen befinden, und allerlei heitere Geschichten aus unseren Quartieren bei den Thüringer Bauern. Ich möchte jedoch den Raum dieser Zeitung nicht allzu sehr in Anspruch nehmen. Wenn wir in kurzer Zeit an unsere Ost- oder Westgrenzen geschickt werden, um zu beweisen, daß wir in diesen Wochen nicht gefaulenzt haben, dann, denke ich, gibt es über ernstere Dinge zu schreiben.
Emil Schwippert.
(Deutsche Reichs-Zeitung)
Jetzt ist schon 2 Monate Krieg, wenn es so weiter geht wie bisher, ist in 1 guten Monat alles vorüber. Viele Siege können wir verzeichnen. Gott war mit uns.
Anna Kohns, Tagebucheintrag unter dem 1. Oktober 1914)
Freitag, 2. Oktober 1914
Strickarbeiten für die Soldaten. Ein Hauptmann, der an der Front steht, schreibt uns: Das Wertvollste und Begehrenswerteste von allen sind wollenen Unterjacken. Unsere Leute sind zum Teil 18 Tage nicht unter Dach gekommen. Dabei herrschte Kälte und Regen. Da halten doch die wollenen Unterjacken etwas warm.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Rückführung Gefallener betreffend. Dem Wolffbureau wird amtlich mitgeteilt: In letzter Zeit wurden zahlreiche Gesuche um Rückführung Gefallener gestellt. Das Aufsuchen, Ausgraben und Ueberführen Gefallener aus dem Bereich der vordersten Linie ist überhaupt unausführbar. Aber auch sonst wird die Rückführung auf so große Schwierigkeiten, wie z.B. Mangel an Transportmitteln, stoßen, daß nur dringend davon abgeraten werden kann. Für Soldaten ist das Schlachtfeld das schönste und ehrenvollste Grab.
Warnung vor einer Schwindlerin. Aus Aerztekreisen werden wir darauf aufmerksam gemacht, das eine Schwindlerin als Rote Kreuz-Schwester für die angeblich schlecht eingerichteten Bonner Lazarette bettelt. Also Vorsicht.
Unsere Marktfrauen haben immer ein mitleidiges Herz gehabt. Das hat sich des öfteren bei Anlässen gezeigt, wo es galt, Gutes zu tun. Ganz besonders jetzt, wo die vielen Verwundeten auf ihren Spaziergängen den Marktplatz passieren, kann man dies in ausgiebiger Weise beobachten. Als gestern morgen ein verwundeter Soldat, der außer einer Kopfwunde auch noch schwere Beinverletzungen hatte und an zwei Stöcken langsam dahinschritt, den Wochenmarkt betrat, wurde er von Marktfrauen umringt und jede griff in ihre Körbe und füllte dem Soldaten die Taschen mit Obst. Eine der Frauen steckte ihm mehrere Eier zu und eine andere, die nur Gemüse feilhielt, drückte ihm ein Geldstück für „Tubak“ in die Hände. Als sich der überreich beschenkte Soldat dankend entfernte, blickten ihm die Frauen mit Tränen in den Augen nach.
Ein Weltreisender durchfuhr vorgestern morgen mit einer Riesenkugel, die mit Fähnchen reich geschmückt war, die Straßen unserer Stadt. Die Kugel, die etwa 1½ Meter Durchmesser hat, wird von einem russischen Steppenpony gezogen. Das erste Pferd ging in Russland ein. Der Führer, ein Mechaniker Willy Hormann aus Hannover, hatte sich infolge einer Wette von 15.000 Mk. verpflichtet, innerhalb drei Jahren – vom 1. Januar 1912 bis 1. Januar 1915 – ganz Europa zu durchqueren. Die Wette wurde in Düsseldorf abgeschlossen und Hormann muß am 1. Januar kommenden Jahres wieder in Düsseldorf sein. Er gedenkt bereits Ende dieser Woche dort anzulangen und hat somit seine Wette glänzend gewonnen. Seinen Unterhalt hat er mit dem Verkauf von Ansichtskarten bestritten; ein Geschäft will er aber bei der ganzen Geschichte nicht gemacht haben, denn die dreijährige Einnahme, etwa 25.000 Mk., hat er teils für seinen Unterhalt, teils für die vielen Reparaturen an der Riesenkugel verbraucht. Sehr oft musste er in unwirklichen Gegenden in seiner Kugel übernachten. Dies war ihm jedoch in letzter Zeit nicht mehr möglich, da die mit Eisenblech beschlagene Lauffläche wieder über und über mit Löchern und Rissen bedeckt ist. Daß die Reise nicht immer glatt abgegangen ist, kann man sich denken. Bei Ausbruch des Krieges befand H. sich in Sachsen-Meiningen; dort wurde er wegen Spionageverdachts verhaftet und acht Tage festgehalten. Die von ihm verkauften Karten zeigten u.a. die Bildnisse Kaiser Wilhelms, Kaiser Franz Josefs und das des Zaren. Da er auch selbst mit seinem weißen Kittel und der in Schaftstiefeln gesteckten Hose das Aussehen eines Russen hatte, wurde er als russischer Spion eingesperrt. Bei seiner Freilassung wurde ihm der Verkauf der Karten wegen des Zarenbildnisses verboten. Die achttägige Haft kam ihm jedoch nicht ungelegen, denn die Bevölkerung von Sachsen-Meiningen hatte wiederholt nicht übel Lust gezeigt, „dem Russen“ das Fell zu gerben. Hormann führt ein dickes Buch mit Bescheinigungen von Behörden aller Länder bei sich. Die gewonnenen 15.000 Mk. will er zur Ausnutzung eines Patents zum Bau eines Flugapparates verwenden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Ihre Kgl. Hoheit Frau Prinzessin zu Schaumburg-Lippe besuchte gestern unter Führung des leitenden Arztes Dr. Rademann die Verwundeten im Franziskus-Hospital in Kessenich. Ihre Königl. Hoheit fragte jeden Verwundeten nach seinem Regiment, seiner Heimat und seinen Familienverhältnissen. Jeder Verwundete erhielt eine Liebesgabe Alle waren aufs tiefste bewegt und erfreut über die Leutseligkeit der hohen Dame. Diese äußerte große Befriedigung über die vorzüglichen Einrichtungen des Franziskus-Hospitals, die gärtnerischen Anlagen sowie die herrliche Lage und stellte ihren baldigen Wiederbesuch in Aussicht.
Beförderung von Briefen und Geldsendungen an Angehörige in London. Briefe und Geldsendungen an in England lebende Angehörige werden am besten der Kaiserlich Deutschen Gesandtschaft in den Niederlanden in Haag übersandt. Die Gesandtschaft übergibt die Sendung der amerikanischen Gesandtschaft in Haag zur Weiterbeförderung nach London. Es ist hierbei zu beachten, daß Briefe unverschlossen und in englischer Sprache abgefaßt sein müssen.
Fußball. Am Sonntag, den 4. Oktober, punkt 3 Uhr nachmittags treffen sich auf dem Adolfsplatze die erste Mannschaft des Fußballklubs „Borussia“ und die gleiche Mannschaft des Godesberger Fußballklubs „Germania“. Da beide Vereine über gute Mannschaften verfügen, steht ein spannendes Spiel bevor. Gelegentlich des Spieles soll wiederum eine freiwillige Sammlung zu Gunsten des Roten Kreuzes veranstaltet werden.
Schutz den wirtschaftlich Schwächeren. Um die Schwierigkeiten zu mildern, die der Kriegsausbruch für die wirtschaftliche schwächeren Kreise herbeigeführt hat, hat der Bundesrat drei wichtige Verordnungen erlassen über die gerichtliche Bewilligung von Zahlungsfristen, über die Anordnung einer Geschäftsaufsicht zur Abwendung des Konkursverfahrens und über die Folgen der nicht rechtzeitigen Zahlung einer Geldforderung. Eine Reihe von Gesetzen oder Verordnungen will ferner den Mißständen entgegenwirken, die nicht einer durch den Krieg herbeigeführten wirtschaftlichen Notlage entspringen, sondern darauf zurückzuführen sind, daß der Krieg die Möglichkeit, gewissen notwendige Rechtshandlungen vorzunehmen, erschwert oder gar abschneidet. Dahin gehören folgende Bestimmungen: 1. Gegen alle zur Fahne Einberufenen ist, soweit sie nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten sind, die Durchführung eines Zivilprozesses unzulässig. Das Verfahren wird für die Dauer des Krieges unterbrochen. Ebenso sind Zwangsvollstreckungen und Konkurse auf Antrag eines Gläubigers gegen solche Personen, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, ausgeschlossen. 2. Die Fristen für die Vornahme einer Handlung (Protest usw.) deren es zur Ausübung oder Erhaltung des Wechselrechts oder Regreßrechts aus einem Scheck bedarf, sind bis auf weiteres um 30 Tage verlängert worden (…). 3. Forderungen aus dem Ausland, die vor dem 31. Juli ds. Jahres entstanden sind, dürfen vor dem 31. Oktober überhaupt nicht vor inländischen Gerichten geltend gemacht werden. 4. Ebenso ist die Fälligkeit aller Wechsel, die im Auslande ausgestellt worden und im Inlande zahlbar sind, um 3 Monate hinausgeschoben, falls die Wechsel nicht schon am 31. Juli ds. Js. verfallen waren.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Samstag, 3. Oktober 1914
Kriegsdienst der gebildeten Frau.
Es ist viel davon die Rede gewesen, daß die Frau der besitzenden und gebildeten Stände durch ihre Liebestätigkeit nicht den Erwerb der notleidenden Frauen beeinträchtigen möge.
Zu der Tätigkeit, welche sie ausüben kann, ohne diese Gefahr, gehört der persönliche Liebesdienst und die Hilfeleistung an den Familien der im Feld Stehenden, wie dies hier auch schon einmal angeregt worden ist.
Wer die Gabe hat (und das ist nötig), mit den Familien der Arbeiterkreise zu verkehren und ihr Vertrauen zu gewinnen, wird (und das wird jede tüchtige Armenpflegerin bestätigen) bald die Beobachtung machen, daß viele der jungen Frauen einen Mangel an häuslichen Kenntnissen haben, der in dieser bedrängten Zeit doppelt fühlbar wird.
Das sind die Frauen, welche in der Fabrik arbeiten und in der Mädchenzeit keine häusliche Tätigkeit ausübten. So wenig gegen die Arbeit in einer gut geführten Fabrik einzuwenden ist – sie nimmt in der Wirtschaft ihren ganz berechtigten Platz ein –, so sehr muß doch immer wieder nach der Schulzeit ein Jahr häuslicher Arbeit betont werden. (...) Bei diesen Frauen nun, welche weder kochen noch nähen können, müsste die persönliche Hilfe der gebildeten Frau (oder des jungen Mädchens) in die freundliche Unterweisung einsetzen, falls die Frauen empfänglich und lernbereit sich zeigen. Es müsste gezeigt werden, wie ein einfaches und preiswertes Mittagessen bereitet wird, und es müsste gezeigt werden, wie aus alten, oft geschenkten Sachen für die Kinder etwas Nützliches hergestellt wird. Das würde freilich so schnell nicht gehen, das würde mehrere Wochen, täglich ein paar Stunden, in Anspruch nehmen. (...) Eine solche Arbeit würde auch in segensreicher Weise eine neue Brücke zu den Familien des Volkes schlagen. Nicht schenken! Zur Arbeit erziehen! Das ist das Richtige. (...)
(Bonner Zeitung)
Rheinuferbahn. Im Einverständnis mit der Militärbehörde hat die Direktion der Rheinuferbahn das Fahrpersonal angewiesen, alle Militärpersonen, die sich nicht durch Urlaubspaß oder bei Verwundeten durch eine vom behandelnden Arzt ausgestellte Bescheinigung ausweisen können, von der Fahrt auszuschließen.
Die Söhne des Kaisers und die Barmherzigen Schwestern. Einem vom 12. September datierten Privatbriefe einer Barmherzigen Schwester, die in Frankreich die Verwundeten pflegt, entstammen nachstehende Stellen, die wir nach der „Köln. Volksztg.“ wiedergeben.
Von Bonn aus fuhren wir zunächst nach Lüttich, blieben dort nur einige Tage, dann ging’s weiter. In N. sahen wir die ersten deutschen Verwundeten auf dem Bahnhof. Pflegen dort durften wir nicht, weil wir weiter mussten. Auf offener Straße war für uns der Tisch gedeckt: es gab Regimentssuppe mit Speck. Fürst S. war so liebenswürdig und zerschnitt mit seinem Taschenmesser die größten Stücke. Weiter ging’s nach N., wo wir die Nacht im Eisenbahnwagen verbrachten. Die Soldaten kochten uns auf dem Bahnhof ein schlichtes Abendessen zwischen den Schienen. Am anderen Morgen sahen wir die ersten 6.000 gefangenen Franzosen. Wir waren zu 30 Schwestern, wurden aber hier in drei Abteilungen geteilt: die erste bestand aus 5 Schwestern, die zweite aus 10. Ich blieb mit 15 Schwestern zusammen. Im Auto ging’s 30 Kilometer weit nach R., wo wir zwei Tage blieben, um in zwei Lazaretten zu pflegen. Dann aber 90 Kilometer nach St. Q., wo wir heute noch sind. Gegen 5 Uhr abends am 30. August langten wir hier an, um die Pflege zu übernehmen. Den Kanonendonner hören wir rings um uns her, viele Verwundete werden uns zugetragen. Prinz Adalbert und Prinz August, unseres Kaisers Söhne, besuchten dieser Tage unser Lazarett. Wir wurden den hohen Herren als die ersten deutschen Schwestern vorgestellt. Sie waren äußerst liebenswürdig gegen uns und besonders auch gegen die armen Verwundeten Sie halfen uns die Kranken betten, Strohkissen machen, Matratzen tragen usw. Neben den Sterbenden knieten sie nieder, schrieben ihnen Karten und halfen, wo sie nur konnten. Gottes reichsten Segen diesen edlen Kaiser-Söhnen sowie dem ganzen Kaiserlichen Hause.
Stadttheater. „Prinz von Homburg“. Schauspiel von Heinrich v. Kleist.
Man hat so ziemlich allerorts gebangt, gefragt und auch ein wenig gestritten darum, ob man in einer solchen Zeit die Theater eröffnen solle oder nicht. Es lag ja auch in der Tat recht nahe, den Brettern ihre frühere Weltbedeutung abzusprechen, wo da draußen ein Schauspiel in Szene steht, so ernst und so blutig, wie kaum zuvor. Aber – wie man in diesen Tagen überall „ernste Reden“ hält „in schwerer Zeit“, so soll und muß auch der Wert ernster Spiele in schwerer Zeit recht bemessen werden: die Tat nämlich, sie ist sinnfälliger, darum noch eindringlicher als das Wort und gerade auf der Bühne gilt die Handlung, wird der Gedanke Tat. Handgreifliche Gleichnisse zu dieser Zeit zu geben, das wird die ideelle, ins Volk rückwirkende Aufgabe der Bühnen sein. Damit das aber möglich werde, müssen in dieser auch wirtschaftlich schweren Zeit die Eintrittspreise ganz bedeutend ermäßigt werden. In anderen Städten geschah dies bis beinahe herunter auf die Hälfte, und der Erfolg waren ausverkaufte Häuser. In Bonn hielt man sich an den sogenannten kleinen Preisen von früher, und der Erfolg war dementsprechend, nämlich mäßig.
Dem deutschesten aller Dichter, Heinrich v. Kleist, gab man zuerst das Wort. Als er lebte, als er in sich die Sehnsucht trug, ein germanisches Kunstwerk sondergleichen zu schaffen – und wahrhaftig, er wäre der Mann dazu gewesen –, da hatte er es nicht. (...) So gemischt sind die Gefühle im Menschen – und sicher im deutschen Menschen. Diese Mischung des Zarten und des Harten, der Entrücktheit und der Tatkräftigkeit in ihm macht es, daß er eine Kultur zwiefacher Art schaffen konnte: sowohl ein Deutschland Goethes und ein Deutschland Bismarcks. (...)
Ein schwarzer Lehm op. Unsere Königshusaren haben von jeher etwas für sich apart gehabt. Vor Jahren waren die Mannschaften der Sterntorkaserne im Besitz eines Schwadronsbocks, der eine solche Anhänglichkeit an die Husaren bekundete, daß der Zottelbart die Soldaten beim Ausrücken nach dem „Sand“ am Tannenbusch immer ein Stück Wegs begleitete. Einmal hatte er sogar der Vereidigung der Rekruten in der Münsterkirche beigewohnt, wurde jedoch bald entdeckt und an die frische Luft befördert. Einzelne Schwadronen waren auch zeitweilig im Besitz von Hunden, die auf dem Nachhauseweg sich den Soldaten angeschlossen hatten und hernach nicht mehr aus den Ställen wegzukriegen waren. Kein Wunder, denn die Lehm ops wussten mit Tieren umzugehen, und Not hat noch keines bei ihnen leiden müssen. Die neueste Eroberung der Husaren ist aber „Joseph“, ein waschechter Neger aus Deutsch-Südwest-Afrika, der im Ersatz-Regiment der Kaiser Wilhelmkaserne seiner Militärpflicht genügt. Kurz nach Ausbruch des Krieges kam Joseph, der mit seinem Familiennamen Seworu heißt, aus Hamburg hier an, da es ihm nicht mehr möglich war, in seine Heimat zurückzukehren. Drei Jahre war er in Hamburg als Kaufmann tätig; er spricht fließend deutsch und versteht heute sogar ausgezeichnet Bonner Platt. Joseph, wie er allgemein genannt wird, ist sehr intelligent und auch ein guter Soldat; er hat schon als junger Bursche in seiner Heimat zwei Jahre lang des Königs Rock getragen. Was werden die Franzosen und Engländer Beine machen, wenn demnächst auf dem Schlachtfeld plötzlich ein pechschwarzer Lehm op vor ihnen auftaucht! Vor unsern weißen Reitern haben sie bekanntlich schon einen ganz gewaltigen Respekt.
Der Ruf unserer Soldaten nach „Rauchbaren Gegenständen“ will immer noch nicht verstummen. „Im Schützengraben, 800 Meter vor dem Feind, bei dem Donner der Geschütze“, schreiben sechs Bonner, daß ihnen nicht der Mut, aber der Tabak ausgegangen sei. Sie appellieren an den erprobten Wohltätigkeitssinn der Bonner Bürgerschaft und bitten um „Ersatz“ an das 8. Res.-Korps, (...). – Auch die Bonner Besatzung der Stube 14 (...) in Bitsch in Lothr. teilt uns ganz ergebenst mit, daß sie nichts mehr zu rauchen haben.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Liebesgaben für die Front!
Die am 24. September abgefahrenen 9 Kraftwagen mit Bonner Liebesgaben für die Front unserer kämpfenden Truppen sind wohlbehalten zurückgekehrt. Die Veranstaltung ist glänzend verlaufen. Die Liebesgaben konnten bis in die Reihen der kämpfenden Truppen gebracht werden und allein 5 Kraftwagen sind an unser Bonner 160. Infanterie-Regiment verteilt worden. Die Behörden haben auf Grund der vom Generalkommando und dem Herrn Oberpräsidenten verabfolgten Pässe die Fahrt überall aufs beste unterstützt und welche Freunde die Gaben bei den braven Truppen selbst hervorgerufen haben, das geht aus dem Dank der 160er hervor, der vor einigen Tagen an dieser Stelle veröffentlicht wurde. Nun heißt es aber nicht nachlassen und bereits in nächster Woche soll eine neue Sendung erfolgen, an der voraussichtlich über 15 Kraftwagen teilnehmen werden. Die Leitung dieser Fahrt liegt auch wieder in den bewährten Händen der Herren Hauptmann v. Stuckrad und Dr. Kranz. Obgleich die Liebesgaben andauernd reichlich der Sammelstelle in der Rheinisch-Westfälischen Diskonto-Gesellschaft, Münsterplatz 1-3, zufließen, so ergeht doch noch einmal die Aufforderung an alle Bürger, die Lieferung von Liebesgaben aufs lebhafteste zu unterstützen. Besonders notwendig sind: Tabak aller Art, auch Kautabak, Zigarrentaschen, Geldtaschen, Schokolade, Lebkuchen, Dauerwurst, auch frische Wurst, wollene Strümpfe, Unterjacken, Hosenträger, Taschentücher, Ohrenschützer, Briefpapier, Postkarten, Kerzen, Zahnpulver, Glyzerin, Luntenfeuerzeug, Handlaternen, Streichhölzer, Sicherheitsnadeln und Rotwein. Auch Fliegenfänger sind namentlich für die Lazarette ein außerordentlich begehrter Artikel. Bei dem Herannahen der kälteren Jahreszeit muß vor allen Dingen die Fürsorge für warme Sachen als eine besonders dringliche Aufgabe betrachtet werden. Wir vertrauen fest auf den Opfersinn der Bonner Bürger, daß jedermann aus seinem eigenen Besitz gern zur Erreichung dieses Zweckes beisteuern wird. Für alle, die im sichern Schutze unserer Wehrmacht daheim am warmen Herd geblieben sind, ist es nichts als Pflicht und Schuldigkeit, durch eine, wenn auch noch so kleine Gabe, die Not derer, die da draußen in Wind und Wetter Gesundheit und Leben opfern, um das Vaterland zu verteidigen, lindern zu helfen. Die diesmalige Fahrt soll eingerichtet werden, daß in erster Linie alle in Bonn garnisonierenden Truppen, auch die Reserve-Formationen berücksichtigt werden. Leider muß von der Ueberbringung persönlich adressierter Sendungen zunächst abgesehen werden, da unter den obwaltenden Umständen ihre Aushändigung auf Schwierigkeiten stößt und die Gefahr besteht, daß bei Unauffindbarkeit des Betreffenden die Liebesgaben an die Truppen verteilt werden. Wenn jemand diese Gefahr tragen will, so steht auch jetzt der Uebersendung persönlicher Pakete nichts im Wege; es muß dann jedoch auf dem Paket ausdrücklich vermerkt werden, daß der Inhalt verteilt werden darf.
Bügel-, Näh- und Servierkurse läßt der Interkonfessionelle Hausfrauenbund auf vielseitigen Wunsch wieder in der Fortbildungsschule geben. Den jetzt so zahlreich unbeschäftigten Frauen und Mädchen werden diese Kurse zur Weiterbildung sehr anzuempfehlen sein.
Katholischer Gesellenverein. Der Krieg ist gewiß eine Gottesgeißel für die Völker. Auf der anderen Seite aber weckt der Krieg die besten Kräfte im Volke und wird dadurch geradezu zu einem Erzieher des Volkes. Inwiefern er das ist, wird ein Vortrag dartun, den Herr Subdiakon Landmesser am nächsten Sonntag, den 4. Oktober, abends 9 Uhr, im Gesellenverein halten wird. Dazu sind alle Ehrenmitglieder, Mitglieder und Freunde des Vereins eingeladen. Es können dabei auch wieder eine Reihe Briefe und Karten verlesen werden, die unsere im Felde stehenden Mitglieder uns geschrieben haben.
Tot – zurück! Daß man sich auf Mitteilungen der Feldpost nicht immer verlassen kann, zeigen klar vier Feldpostbriefumschläge, die der Redaktion einer auswärtigen Zeitung vorliegen. Sie sind vom 31. August, 1., 4. und 9. September in Köln abgestempelt und an einen im Felde stehenden Reservisten eines Kölner Regiments gerichtet. Die drei ersten sind der Reihe nach zurückgekommen mit dem Vermerk „tot, zurück“; nur der letzte, zurückgesandte am 22. September, meldete: „Verwundet, Lazarett unbekannt.“ Ein paar Tage später aber traf der Reservist bei seiner Familie in Nippes ein und wurde natürlich mit unendlichem Jubel empfangen. Er war nur leicht verwundet worden, hatte einen Streifschuß erhalten und war zu dessen Heilung in die Heimat geschickt worden. Nach seiner Verwundung hatte er nicht mehr zur Kompagnie zurückgefunden und war erst nach vierzehn Tagen wieder bei dieser erschienen. Er hofft bald wieder zur Front zurückkehren zu können.
Aus diesem Vorfall, der natürlich bei den Beteiligten großes Aufsehen erregte, können die Familien anderer Feldzugsteilnehmer die Lehre ziehen, sich durch solche Nachrichten, selbst bei Wiederholung, nicht in Schrecken versetzen zu lassen, sondern erst die amtliche Bestätigung abzuwarten. Selbst dann noch ist ein Irrtum nicht ausgeschlossen, da in allen Kriegen es vorgekommen ist, daß Totgesagte, auch wenn sie in den amtlichen Verlustlisten gestanden haben, zurückgekehrt sind. Ein Mißstand aber hat sich bei diesen Vermerken herausgestellt: alle tragen keine Unterschrift! Man weiß also nicht, von wem sie stammen: ob von der Feldkompagnie oder der Post oder von wem. Diese Sache bedürfte schleuniger Ordnung. Die Angehörigen können verlangen, daß solche schwerwiegenden Nachrichten auch äußerlich durch die Autorität der zuständigen Behörde getragen und als solche erkennbar sind. Dann wird es weniger häufig vorkommen, als es auch anderen Berichten zufolge jetzt geschieht, daß durch falsche Nachrichten Familien eine Zeitlang in große Unruhe, ja sogar Trauer gestürzt werden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Sonntag, 4. Oktober 1914
In dem „Aufruf an die Kulturwelt“ solidarisieren sich die unterzeichnenden 93 deutschen Wissenschaftler, Künstler und Schriftsteller mit der deutschen Armee und weisen alle Kritik an der Kriegsführung, insbesondere am Vorgehen gegen Belgien, zurück.
Kriegsunterstützungen an Nichtbedürftige. Der Oberbürgermeister gibt folgendes bekannt: „Sowohl die reichgesetzliche Familienunterstützung der in den Dienst eingetretenen Mannschaften, wie auch die hierzu gewährten städtischen Zuschüsse dürfen nur bei nachgewiesener Bedürftigkeit gewährt werden. Es ist wiederholt vorgekommen, daß Unterstützungen verlangt worden sind durch Verschweigung des vorhandenen Einkommens. Namentlich haben mehrfach Frauen, die durch eigene Arbeit auskömmlichen Verdienst hatten, die Reichsfamilienunterstützung und den städtischen Zuschuss aus Anlaß der Einberufung beantragt und erhalten. Für die Folge werden derartige Betrugsversuche unnachsichtlich staatsrechtlich verfolgt.“
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Ausübung der Jagd in den Grenzkreisen. Das stellv. General-Kommando des 8. Armeekorps macht bekannt, daß, nachdem die militärischen Rücksichten nunmehr keine Einschränkung mehr bedingen, die Jagd auch in den Grenzkreisen Kempen, Heinsberg, Erkelenz, Geilenkirchen, Aachen-Land, Eupen und Malmedy freigegeben ist. Alles Nähere ist aus einer Bekanntmachung in der heutigen Nummer unseres Blattes zu ersehen.
Es wird davor gewarnt, Nachrichten aus Feldpostbriefen von dem Tode oder schwerer Verwundung irgend eines Kriegers weiter zu erzählen, da diese Nachrichten meistens unzutreffend sind. Die Hiobsbotschaften kommen übrigens für die Angehörigen noch früh genug.
Zur Warnung! Auf Grund verschiedener Vorkommnisse ist es angebracht, das Publikum auf folgendes aufmerksam zu machen: In den Zeitungen erscheinen jetzt vielfach Erkundigungen nach Deutschen, die beim Kriegsausbruch im Ausland waren. Den Umstand, daß dabei die genaue Adresse der Suchenden und die letzte genaue Adresse der gesuchten Personen angegeben sind, machen sich Schwindler zunutze, die unter dem Namen der Vermißten an deren Angehörige telegraphieren und um Geld bitten. In diesen Telegrammen wird meistens gesagt, daß der Absender ohne Mittel und Papiere sei, weshalb das Geld in gewöhnlichem Briefe postlagernd geschickt werden soll. Mitunter wird auch eine Wohnung angegeben, wo dann der Schwindler oder dessen Spießgeselle für kurze Zeit, nämlich bis zum Eintreffen des durch telegraphische Postanweisung erbetenen Geldes ein Zimmer gemietet hat. Es kann daher allen Personen, die solche telegraphischen Bitten um Geld erhalten, nur dringend empfohlen werden, sich an die Polizeibehörde des Absendeortes des Telegramms zu wenden, zur Feststellung, ob der Bittsteller tatsächlich der Vermißte ist, vorausgesetzt, daß ihnen das nicht als zweifellos bekannt ist.
Nach Art der Straßenräuber hatte ein 12jähriger Schüler von hier vor einiger Zeit einer Dame, die am Rhein spazieren ging, ein Handtäschchen entrissen. Die Dame hatte die Geistesgegenwart, das Bürschlein so lange festzuhalten, bis die Polizei hinzukam und den jugendlichen Uebeltäter festnahm. Die Strafkammer verurteilte den Angeklagten am Samstag zu einer Gefängnisstrafe von sechs Wochen. In Anbetracht seiner Jugend soll dem Angeklagten bei guter Führung Strafaufschub gewährt werden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Kriegszeit und Stadttheater. In Anbetracht der Kriegszeit sind die Preise für das Kölner Stadttheater wie folgt festgesetzt worden: Für große Oper 1. Parkett 2 Mk., 2. Parkett 1,50 Mk., für Schauspiel 1. Parkett 1,50 Mk., 3. Parkett 1 Mk. Wie verhält es sich in Bonn? Wir zahlen für das Schauspiel für das 1. Parkett 2,85 Mk. Und für das 2. Parkett 2,10 Mk. Vergleicht man diese Preise, so leuchtet es ein, daß das Stadttheater in Bonn nur von bessergestelltem Publikum besucht werden kann. Die meisten Bürger können sich den Luxus dieser Preise nicht erlauben. Der Wunsch ist also berechtigt, daß die Preise für das Stadttheater wenigstens für die Kriegszeit noch erheblich heruntergesetzt werden. Ein Theaterfreund für Viele.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Volksheim. Die Bonner Soziale Wohlfahrtsvereinigung eröffnet am Montag, den 5. Oktober in der Thomastraße 1b ein Volksheim, in welchem Milch und Kaffee zu sehr billigem Preise ausgeschänkt, sowie Obst und Brot, das mit Pflaumenmus bestrichen ist, zum Selbstkostenpreis abgegeben wird. In den freundlich hergerichteten unteren Räumen erfolgt der Ausschank von Milch, während in dem oberen geräumigen und hellen Saal der Kaffeeausschank stattfindet. Brot und Obst wird in beiden Räumen abgegeben. Für Unterhaltung durch Zeitungen und Brettspiele ist gesorgt. Auch sind gelegentliche Unterhaltungsabende in Aussicht genommen. Das Volksheim wird gut geheizt und wird besonders in den kalten Wintertagen für viele einen willkommenen Aufenthalt bilden. Die Preise sind wie folgt festgesetzt: ¼ Liter Milch 6 Pfg., eine große Tasse Kaffee 7 Pfg., eine große Tasse Kaffee mit Milch 8 Pfg., eine große Tasse Kaffee mit Milch und Zucker 10 Pfg., ein geschmiertes Brot (Röggelchen) 5 Pfg., ein halbes geschmiertes Brot 3 Pfg., ein Teller Obst zu 5 und 10 Pfg. Die vorhandene Obstprobierstube soll gleichzeitig den Zweck erfüllen, den Verkauf von Obst in größeren Mengen an das Publikum zu erleichtern. Das Volksheim ist von morgens 6 bis abends 10 Uhr geöffnet.
Wehrbund. Die Abteilung Poppelsdorf des Wehrbundes tritt von jetzt ab wegen der vorschreitenden Jahreszeit des Sonntags nachmittags eine halbe Stunde früher als bisher, nämlich um ½3 Uhr an der Endhaltestelle der Kleinbahn in der Argelanderstraße am Fuße des Venusberges zum Exerzieren an. Nach den Uebungen auf dem Exerzierplatz findet mit den anderen Abteilungen des Wehrbundes ein gemeinsames Kriegsspiel statt. Neuanmeldungen von Teilnehmern zwischen 16 und 45 Jahren können beim Antreten zum Exerzieren oder Montags und Donnerstags abends um 9 Uhr vor dem gemeinsamen Turnen in dem Gasthof von Vianden in der Klemens-August-Straße erfolgen.
Die französische Zensur. Ein deutscher Soldat, der in einer französischen Stadt als Verwundeter liegt, schrieb an einen hiesigen Bekannten eine Postkarte, die der französischen Zensur vorgelegt wurde. Der Absender schrieb u.a. : „In der Hoffnung auf einen guten Kriegsausgang usw.“ Der französische Beamte, welcher die Zensurbemerkung machte, unterstrich diese Stelle und schrieb darüber: „sehr unwahrscheinlig“. In einigen Wochen dürften sich vielleicht die Ansichten geändert haben.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Montag, 5. Oktober 1914
Festgenommen wurde ein früherer Fürsorgezögling, der in ein Ziegelhäuschen an der Kölner Chaussee eingebrochen war und einige hundert Mark, zwei Uhren und sonstige Gegenstände stahl. Auf dem Weg nach Köln wurde er in Brühl verhaftet.
Erbrochen wurde ein Schaufenster der Buchhandlung Plaß auf dem Münsterplatz und der Inhalt gestohlen. Die Täter, zwei zwölfjährige Knaben, wurden festgenommen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Ein Kriegsgefangener schreibt aus York in England, daß er und noch eine ganze Anzahl Bekannte im Lager von York-Castle untergebracht seien. Die Behandlung und das Essen seien gut. Er habe fünf Pfund an Körpergewicht zugenommen. Die Gefangenen könnten sich alles aus der Stadt besorgen und spielten Schach und Skat von früh bis spät.
Keine „internationalen“ Schlafwagen mehr. Die seitherige Internationale Schlafwagengesellschaft lässt eben an ihren Wagen das Wort „Internationale“ durch „Deutsche“ ersetzen.
Warnung. Die Verunglückungen oder gar Todesfälle, hervorgerufen durch Flaschenmissbrauch und Flaschenverwechslung häufen sich. Die Ursache ist wohl darin zu suchen, daß Flaschen, die nur zur Aufnahme von Wein, Bier, Spirituosen, Selterswasser usw. dienen sollen, mit gesundheitsschädlichen Flüssigkeiten gefüllt werden. Zur Verhütung solcher Unglücksfälle wird daher das Publikum dringen davor gewarnt, Flaschen, die nur zur Aufnahme von flüssigen Nahrungs- und Genußmitteln bestimmt sind, mit anderen Flüssigkeiten zu füllen.
Kriegshumor. Ein Bonner Sänger, der bei einem der letzten Gefechte in Frankreich verwundet wurde und hier seine Genesung abwartet, wird von einigen Sangesbrüdern mit Beschlag belegt und zu einem Glas Bier eingeladen. Von allen Seiten wird er gefragt, wie und wo er zu seiner Verwundung gekommen sei. „Ja,“ meinte er, „was ist da viel zu erzählen; wir liegen nachts im Schützengraben, mein Hauptmann liegt neben mir. Es war noch zwischen Tag und Dunkel, da gings auf einmal Bum, Bum! „Donnerletsch, was sinn die Franzose avve hück pünktlich,“ sage ich, on lure ens op de Uhr. Et wore grad halleve Sechs! Minge Hauptmann laach us vollem Hals. Ich lure ens üvve de Grave, ön ze senn, woher die Schöß komme, on paaf, do hann ich ene setze! Dat es alles.“
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Sendungen von Liebesgaben. Täglich findet man den Notschrei um Zusendung von Tabak, Wollsachen, Zeitungen usw. an unsere Truppen im Felde. Jeder tut was er kann, um der Not unserer Soldaten zu steuern. Aber wo bleiben denn viele dieser Liebesgaben? Hunderte derartige Klagen hört man. Schreiberin hat seit Ausbruch des Krieges 120 Zigaretten, sechs mal Schokolade, eine Taschenlampe und vier Ersatz-Batterien gesandt, alles sehr gut verpackt und vorschriftsmäßig frankiert, aber noch nichts von alledem ist angekommen. Fast mit jeder Post kommen Anfragen aus dem Felde, geschrieben im schwersten Granat- und Schrapnellfeuer: Warum schreibt Ihr nicht? Ich bat Euch doch, schickt mir etwas zum Rauchen, sendet mir eine Taschenlampe, etwas Schokolade usw. Habt Ihr mich denn schon ganz vergessen? Gerne will ich Euch alles wieder gut machen, wenn ich nach Hause kommen sollte usw. Das tut weh, wenn man alles gemacht hat, um die Seinen im Felde zufrieden zu stellen. Unter diesen Umständen wird wohl bald eine Entmutigung zum Geben die Folge sein. Hoffentlich wird diesem Uebelstande bald gesteuert, denn unsere Soldaten im Westen wie im Osten werden mit größerem Mut kämpfen, wenn sie wissen, daß die Verbindungen mit ihren zurückgelassenen Lieben nicht abgeschnitten sind. Eine traurige Mutter.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Auf der Wahner Heide.
Jahraus, jahrein, das ganze Jahr hindurch herrscht auf der Wahner Heide, richtiger im Barackenlager Wahner Heide, reges militärisches Leben und Treiben. Ein großer Teil der Artillerie, die im westlichen Deutschland in Garnison steht, hält hier ihre Schießübungen; zieht das eine Regiment ab, rückt ein anderes auf dem Fuße nach. In endloser Kette reicht eine Truppe der anderen kameradschaftlich die Bruderhand. Seit 40 und mehr Jahren ist dies so.
Da dröhnt auf einmal in diese festgefügte, jahrzehntelange Regel der gellende Ton der Kriegstrompete. Der Krieg, auf den alle die vielen Jahrgänge sich hier vorbereitet, ruft zu ernstem blutigem Streit. Auch der Krieg leerte das Lager nicht: in ununterbrochenem Strome sind hier Truppen ein- und ausgezogen in diesen wenigen Wochen. Aber er brachte etwas neues: die Früchte unserer siegreichen Kämpfe in Feindesland, Gefangene. Schon die ersten Kriegswochen brachten sie; jetzt liegen tausende hier, Belgier, Engländer und Franzosen.
Das Lager wird in seiner ganzen Länge von dem uralten Verkehrswege, dem rechtsrheinischen Mauspfade durchzogen, den die Lagerverwaltung zu einer breiten, mit mehreren Baumreihen bestandenen prächtigen Straße ausgebaut hat. Westlich dieser Straße liegen die Mannschaftsbaracken, die jetzt bis zum letzten Platz mit jungen Soldaten, die hier noch zum Krieg vorbereitet werden, und mit Landwehr und Landsturm belegt sind, die „Schildwach stehen und Patrouille gehen“. Nördlich der Lagerstraße erheben sich die Dienstgebäude, die Offizierswohnungen, die Post und das Lazarett, und hinter dieser Gebäudereihe liegen die Unterkunftsräume der Gefangenen. Durch die Gatter und Zäune sieht man die Rothosen hin- und hergehen. Doppelte und dreifache Posten stehen mit geladenen Gewehren umher und Patrouillen gehen zu dreien die breite Lagergasse auf und ab, im Arm das scharf geladene Gewehr. Niemand darf stehen bleiben.
Hin und wieder zieht ein Trupp Gefangener, die von Soldaten und Bürgern, auch vielen Frauen, die ihre hier liegenden Männer besuchten, stark belebte Straße hinab. Hier ihrer acht, die zum Arbeitsdienst bei irgend einem Bauer der Nachbarschaft geführt werden. Mittelgroße Leute sinds; an den dunkelblauen Hosen tragen sie breite rote Streifen, kurze blaue Jacken und die blauen Käppis kennzeichnen sie als französische Artilleristen. Einer von ihnen hat sicher die Fünfzig überschritten; sein Käppi sitzt auf eisgrauen Haaren. – Dort kommen ihrer drei gezogen; zwei Rothosen in kurzen Arbeitsjacken und rotem Käppi: Infanteristen. Zwischen ihnen marschiert ein baumlanger Araber in schmutzigem Leinenanzug; die Beine sind bis zu den Knien mit Wickelgamaschen umzogen; auf dem Kopfe sitzt keck eine hellblaue bootartige Mütze. – Da rollt eine Art Geschäftswagen vorbei; er kommt aus dem Lazarett. Auf dem Bocke sitzt ein schuhloser Franzos im langen Mantel, roten Hosen und seinen weißen Strümpfen. Den Arm trägt in der Binde und Schmerz durchzuckt sein dunkles bartumrahmtes Gesicht. An ihn lehnt sich ein dunkel gekleideter Artillerist mit verbundenem Kopfe. Auf dem Boden des Wagens sitzen, angelehnt an die niederen Wagenwände, wohl zwanzig verwundete Belgier, deren Köpfe derart verbunden sind, daß nur Augen und Nasen zu sehen sind. Dunkle Mäntel verdecken die Glieder. Kaum ist der traurige Transport vorüber, so zieht aus einer Nebengasse ein Trupp von einigen hundert Franzosen heraus. Infanterie und Artillerie, Turkos und Spahis und einige Zivilgefangene in bunter Reihe. Unter nicht zu starker Eskorte wandern sie den Mauspfad hinauf; in den Händen, auf den Schultern Aexte, Beile und Spaten, auf die Heide und in den Wald zur Arbeit. Der Sand des Weges wirbelt unter ihren Tritten auf und zieht als lange Fahne hinter ihnen her. Wie roter Mohn leuchten die Hosen der Infanteristen aus der Staubwolke und zwischen den grünen Kiefernwänden des Weges noch weithin, als die grau montierten Begleitmannschaften schon längst dem Auge unsichtbar geworden.
Eine eigentümliche Rolle spielen die gefangenen Engländer hier. Sie werden gewissermaßen als Burschen unserer Leute verwendet; morgens reinigen sie deren Baracken und den Tag über sieht man sie in allen Ecken und Winkeln mit dem Besen in der Hand die Gassen und Straßen des Lagers kehren. Die man zu Gesicht bekommt, sind bartlose Menschen von Mittelgröße und unbestimmbaren Alter. Ihre Monturen sind sehr vorzüglich von Stoff und von einer Farbe, die man mit froschgrün-gelb bezeichnen möchte. Mit den kurzen Schoßjacken, ohne jeden sichtbaren Knopf oder Abzeichen und den alltäglichen Schirmmützen hielt man sie für Touristen, wenn ihnen nicht die geladene Flinte auf dem Fuße folgte. Sitzen sie am Straßenrand, oder fegen in einer Straße, so übersieht man sie vielfach, so gut passen sich ihre Uniformen der Umgebung an. Die Burschen treten sehr keck und selbstbewusst auf und sind von unseren Leuten nicht so gelitten wie die Franzosen.
Kurz vor Forsthaus Grengel liegt die Arbeitsstätte der Gefangenen, die sich bis zur alten Kölnerstraße erstreckt, die hier den Mauspfad kreuzt. Hier arbeiten sie nach Anweisungen von Beamten und ihrer Vorgesetzten, und diese Arbeit ist in mehr denn einer Hinsicht sehr interessant. Die Leute arbeiten vor allen Dingen ganz gemächlich, genau so, wie unsere zum Arbeitsdienst kommandierten Soldaten. Die einen fällen die beindicken Kiefern, andere hauen die Aeste ab und wieder andere schleppen das Holz auf Haufen. Die Säger sind meist Artilleristen; man sieht, es schlägt so etwas in ihr Handwerk, den Batterie- und Schanzbau. Und hier fallen die vielen alten Leute, besonders bei der Artillerie auf; es sind nicht wenige Fünfzigjährige darunter. Sie sollten nur zur Besetzung der eingenommenen Festungen herangezogen werden, wurden dann aber vom Schicksal ereilt, in die wie ein Donnerwetter über sie hereingebrochenen Schlachten verwickelt und gefangen. Bei der Infanterie sind die Leute durchweg jünger.
Mit gemächlicher Gleichgültigkeit arbeiten die Gefangenen; mit weiten langsamen Schritten schleppen sie Stämme und Aeste bei Seite, wie Leute, die noch viele, viele Zeit vor sich haben. Unter ihnen tragen einige rote Armbinden; es sind Dolmetscher, die unsere Sprache verstehen. Die Ordnung wird von einigen Korporalen, einem von der Artillerie und einem Infanteristen und einem Sergeant-Major der Artillerie aufrecht gehalten und man muß sagen, diese Vorgesetzten haben ihre Leute in der Hand. Besonders der alte Sergeant-Major, ein Rang, der unserem Feldwebel entspricht. In der Hand hat er ein kleines Stöckchen, wohl nur um etwas in der Hand zu haben; damit winkt und dazwischen schreit er seine Kommandoworte unter die bunte Gesellschaft, und die folgt lautlos den Anweisungen. Die Korporale zeichnet eine schmale Goldtresse am Käppi und eine breite Quertrsse am linken Unterärmel aus. Der Sergeant-Major trägt neben der Käppitresse einen mächtigen Goldtressenwinkel auf dem Unterarm.
Die Gefangenen machen den Eindruck von Menschen, die sich nach großer Not geborgen fühlen. Die einen rauchen ihr kurzes Pfeifchen, andere drehen sich gemütlich eine Zigarette und brennen sie bei einem Kameraden an. Die meisten sind im Besitze von Uhren, die im Lederarmband oder in der Hosentasche an dünner Kette getragen werden. Die Monturen sind bei allen hier arbeitenden Leuten noch in vorzüglichem Zustande; man sieht, daß sehr gute Stoffe, gute Wolle und dauerhafte Farbe dazu verwandt worden sind. Auch das empfindliche rote Tuch der Hosen und Käppis hat sich recht gut gehalten. Zu bedenken ist allerdings, daß die Gefangenen aus der Festung Maubeuge stammen und die Uniformen vom eigentlichen Felddienst wenig mitgenommen wurden. Viele tragen unter der Hose auf dem Hemde die bei den Franzosen herkömmliche Leibbinde gegen Erkältungen des Unterleibes. Wie auch unsere Soldaten tragen alle eine Halsbinde, hier von dünnen blauen Stoff. Wenige haben den weiten schweren Mantel an; die meisten arbeiten in kurzen Jacken oder eigentümlichen Schoßröcken, ähnlich unseren Waffenröcken. Keinem fehlen die Ledergamaschen; bei dem einen sind sie hoch und steif, bei anderen kurz und schmiegsam.
Ein eigentümliches buntes Gewimmel herrscht auf dieser Gefangenen-Arbeitsstätte. Mit dem Halbdunkel des Waldes mischt sich die leuchtende Farbe der seltsamen Uniformen, dem Rotbraun der Kiefern, und dem grauen Sandboden. Die Sägen kreischen, Axtschlag hallt und fremde Laute schwirren daher. Da blitzt es von fernher den Waldweg herauf; Helme und Büchsen funkeln im Sonnenlicht. Ein Bataillon Jungmannschaften zieht vorbei. Da verhalten die Fremdlinge die Arbeit und schauen und staunen und schütteln die Köpfe. Die ferne Heimat voller Feinde, das Land, das sie in endlos scheinender Bahnfahrt durchzogen, noch voller Soldaten und unzählig wie der Sand der Heide auch hier die Krieger der Deutschen! Seufzend bücken sie sich zur Arbeit nieder.
Auf der Höhe des abgeholzten Hügels aber reckt bald hier bald dort sich einer der Gefangenen und wirft bange sehnsüchtige Blicke über die weiten Wälder, das weite flache Land, über den Strom nach der Abendsonne, die im Westen hinter großen Stadt mit den Riesentürmen ihres Domes versinkt. Dort liegt die Heimat. Rot malt die Sonne den Abendhimmel; blutrot. Ein Sinnbild! Ahnung! Werden noch Ströme von Blut fließen, bevor die Sehnsucht gestillt werden kann!
Abenddunkel überzieht die Wald- und Heidehügel des großen Schießplatzes. Da schallen Kommandos; die Gefangenen richten sich auf, recken die müden Glieder und ordnen sich zum Zuge. Mit hängenden Köpfen, müden langen Schritten ziehen sie den Baracken zu.
In den Lagergasse schreiten die Schildwachen auf und ab. Vor den Baracken stehen unsere Soldaten, alt und jung zu Hauf und besprechen leis und ernst den fernen Krieg.
(Bonner General-Anzeiger)
Dienstag, 6. Oktober 1914
Feldgrau – die Kriegsmode.
Feldgrau ist jetzt, wie man auf Plakaten an verschiedenen Schaufenstern liest, die neuste Mode. Kleiderstoffe für Damen namentlich in der recht praktischen grauen Farbe hergestellt, daneben sieht man Hutfedern, die das Grau in verschiedenen Schattierungen zeigen. Für die Jugend sind feldgraue Mützen hergestellt worden, die auch den roten militärischen Streifen haben.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Vermischtes")
Frau Prinzessin Adolf zu Schaumburg-Lippe beehrte gestern Nachmittag die Privatklinik von Geh.-Rat Prof. Dr. Rumpf und die Verwundetenstation im Studienhaus der Benediktiner mit ihrem Besuch, die beide als als Teile des Reservelazaretts IV dem Krankenhaus der barmherzigen Brüder angegliedert sind. Die hohe Frau unterhielt sich in liebenswürdigster Weise mit jedem Verwundeten und erkundigte sich nach Ort und Zeit der Verwundung, sowie der Heimat der Patienten. Mit dem Wunsche baldiger Genesung überreichte Ihre Kgl. Hoheit jedem Einzelnen ihr Bild und eine Zigarrenspende.
Stadttheater. Die heutige Theatervorstellung erhält dadurch erhöhten Reiz, daß der szenische Prolog von Kleist: „Germania an ihre Kinder“ einen musikalischen Abschluß durch die Bühnenmusik findet und das lebende Bild durch das Flötensolo begleitet wird, wobei Herr Kapellmeister Sauer die obligate Spinettpartie freundlichst übernommen hat.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Verwundete in der Frauenklinik. Es scheint wenig bekannt zu sein, daß in der Frauenklinik auch Verwundete untergebracht sind. Wenigstens erscheinen dort sehr wenig Besucher und die Liebesgaben, die einigen Lazaretten reichlich zugehen, fallen dort recht stiefmütterlich aus. Vielleicht ist es in anderen kleineren oder entlegeneren Lazaretten ebenso. Es wäre daher gut, wenn man auch diese besser mit Besuchen bedenken wollte. Th.
Die Wachmannschaften auf der Realschule. An alles wird in dieser schlimmen Zeit gedacht, sogar an die Wachmannschaften, die hoch oben auf dem Gebäude des Städt. Gymnasiums Posten stehen. Nachbarn versorgen sie sowohl wie auch die Brückenwache mit Kaffee, Essen usw. Leider scheint man bisher übersehen zu haben, daß auf dem Dache der benachbarten Realschule auch Wachmannschaften sind, denen auch ein warmer Trunk und was so drum und dran ist, gut tun würde. Bei diesen Mannschaften handelt es sich größtenteils um ältere Landwehrleute, die bereits im Felde gewesen sind und mehr oder weniger Verwundungen davongetragen haben. Also, liebe Bürgerschaft, auch dort sind Liebesgaben angebracht. Mehrere Bonner Bürger.
Unterkunft für Verwundeten-Besucher. Um minderbemittelten Leuten, die von auswärts kommen, um Verwundete aufzusuchen, und nicht am gleichen Tag zurückkönnen, zu helfen, werden Familien und Pensionen, die zu möglichst niedrigen Preisen Unterkunft für eine Nacht zur Verfügung zu stellen bereit sind, gebeten, ihre Adressen schriftlich an Thomastraße 10, 2. Etage, zu senden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Der Bonner Spiel- und Sportverein veranstaltete am vergangenen Sonntag zu Gunsten des Roten Kreuzes in Hangelar gegen den Fußballklub „Adler“ ein Freundschaftsspiel und gewann dasselbe mit 5:3. Der Ertrag wurde dem Roten Kreuz überwiesen.
Freilassung von Gefangenen. Es sollen gemeinsame Schritte unternommen werden, um die Freilassung der vom neutralen Holland-Amerika-Dampfer „Potsdam“ am 25. August in Falmouth von den Engländern in Gefangenschaft weggeführten 375 Männer, deutscher und österreichisch-ungarischer Nationalität zu erwirken. Es werden alle Angehörigen, die sich dafür interessieren, ersucht, unter genauer Angabe ihrer Adressen, sowie Einzelheiten, namentlich der verwandtschaftlichen oder anderen Beziehungen zu den Gefangenen auch deren Alter, sich zu wenden an den freigebliebenen Mitpassagier E.F. Eccardt Senior, Weingutbesitzer, Kreuznach, Rheinland.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Mittwoch, 7. Oktober 1914
In der Stadtverordnetenversammlung am kommenden Freitag wird folgende Tagesordnung besprochen werden: 1. Nachtrag zur Satzung der Allgemeinen Ortskrankenkasse Bonn, betreffend der Versicherung der Hausgewerbetreibenden. 2. Verlängerung des Vertrags über die Schulzahnklinik. 3. Weitervermietung des Hauses Coblenzer Straße 90. 4. Beihilfen für die Angehörigen der städtischen Arbeiter. 5. Bewilligung einer Beihilfe für Elsaß-Lothringen. 6. Gesuch um Erlaß der Miete. 7. Verpachtung von Grundstücken. 8. Zuwahl von Mitgliedern in den Unterstützungsausschuß. 9. Neuwahl von Schiedsmännern.
Der Verkehr mit Holland. Wie die Holländische Eisenbahn-Gesellschaft bekannt gibt, ist der Personen- und Gepäckverkehr von und nach Holland über Kleve – Kranenburg – Nymegen seit gestern wieder aufgenommen worden. (...)
Ein junges Schweinchen ist bei der Polizeiverwaltung als gefunden gemeldet. Der Eigentümer kann seine Rechte bei der Polizeiverwaltung geltend machen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Stadttheater. Aus der Theaterkanzlei wird uns geschrieben: Als erste Volksvorstellung zu ganz billigen Eintrittspreisen wird heute „Colberg“ von Paul Heyse aufgeführt. Sowohl dieses zeitgemäße Stück selbst, wie seine vorzügliche Wiedergabe, welche am vorigen Sonntag das Publikum entzückte, werden bestätigen, daß bei Ansetzung dieser Vorstellung der Grundsatz maßgebend war, daß für das Volk das Beste gerade gut genug sei.
Von morgen ab sollen für alle Vorstellungen klassischer und vaterländischer Werke Schülerkarten zu außerordentlich ermäßigten Preisen (25 Pfg. bis 1,20 Mk. einschl. Garderobe und Steuer) ausgegeben werden.
Einige wackere Schwaben, die verwundet in der hiesigen Medizinischen Klinik untergebracht sind, sprechen hierdurch herzlichen Dank aus für die liebenswürdige Behandlung sowie reichliche Verpflegung, die sie hier gefunden haben. Besondere Freude habe es ihnen gemacht, daß die „Liedertafel“ sie am Sonntag durch herrliche Liederspenden erfreute. Die Krieger versichern, sie würden das „liebe Bonn“ in freundlichem Angedenken behalten.
Beihilfen für die Angehörigen der städtischen Arbeiter. Den Angehörigen der zum Kriegsdienst einberufenen städtischen Arbeiter werden bis auf weiteres folgende Beihilfen gewährt: der Ehefrau 25%, den ehelichen und den ehelichen gesetzlich gleichstehenden Kindern unter 15 Jahren 6%, zusammen höchstens 50% des zuletzt bezogenen Lohnes ohne Zulagen und Ueberstunden. (...) Die Beihilfe und die reichsgesetzliche Familienunterstützung sollen zusammen 2/3 des zuletzt bezogenen Lohnes nicht übersteigen. (...) Die am Freitag zusammenkommende Stadtverordnetenversammlung wird um nachträgliche Zustimmung dieser Bestimmungen gebeten.
Sammlung der Beamten der Güterabfertigung. Man schreibt uns: Es ist vielen unserer Mitbürger noch nicht bekannt, daß von den Beamten der hiesigen Güterabfertigung eine Sammlung von Hausrat, Kleidern, Wäsche und Lebensmitteln für die Notleidenden in Ostpreußen veranstaltet worden ist. Diese Sammlung hat bisher dank der allseitigen Opferwilligkeit einen Umfang angenommen, daß bereits zwei vollständig gefüllte Waggons nach Ostpreußen abgesandt werden konnten. Die Beamten sind recht erfreut über die reichen und zweckdienlichen Gaben, die ihnen aus der Bürgerschaft und den Geschäftshäusern aus Bonn und Umgebung zugeflossen sind. Gerade die Beamten der Güterabfertigung erscheinen vermöge ihrer Beziehungen zum Fracht- und Abfuhrwesen berufen, eine solche Sammlung segensreich in die Wege zu leiten, zumal auch irgendwelche Kosten für Beförderung usw. nicht entstehen. In entgegenkommender Weise hat die Stadtverwaltung durch Herrn Beigeordneten Piehl und die Firma A. Lüttger Fuhrwerk zum Einholen der Gegenstände zur Verfügung gestellt. Von vielen Seiten ist der Vorwurf aufgekommen, daß diese Veranstaltung nicht genügend bekannt geworden ist, denn viele, recht viele Wohltäter aus allen Schichten unsere Bürgerschaft wollen noch gerne geben. Es wird deshalb nochmals auf diese segensreiche und mit herzlicher Freude ins Leben gerufene Einrichtung aufmerksam gemacht und zuversichtlich gebeten, weitere Gaben der Güterabfertigung, gegebenenfalls durch Fernsprecher Nr. 18 und 596, zum Abholen anzumelden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Jüngster Leutnant in der Armee. Zu unserem Bericht über den jüngsten Leutnant in der Armee, dem 71jährigen Konsul Heinrich Rieth aus Antwerpen, bemerken wir noch, daß derselbe einer alten angesehenen Bonner Familie angehört, welche schon hunderte von Jahren in Bonn ansässig ist. Der Bruder des Herrn Konsul Rieth, der Professor Dr. Josef Rieth, welcher im 69. Lebensjahre steht, hat sich am 4. Oktober zur Front nach Galizien begeben, um dort bei unseren Truppen als freiwilliger Krankenpfleger, Priester und Seelsorger tätig zu sein. Der Vater der beiden genannten Herren, Michael Rieth, hat die Freiheitskriege 1813/15 als Freiwilliger mitgemacht.
Den Verwundeten in der Beethovenhalle hielt gestern abend Hans Eschelbach einen Vortrag seiner Dichtungen. Seine Balladen aus dem gegenwärtigen Kriege hielten die Zuhörer in atemloser Spannung und seine humoristischen Kriegsgedichte lösten manch heiteres Lachen aus, so daß sein Zweck, die Verwundeten ihre Schmerzen vergessen zu machen, vollkommen erreicht war. Der Dichter, der seine Werke allen Lazaretten in Bonn und Köln schenkte und der manchen Verwundeten durch seine ausgedehnten Vortragsreisen persönlich bekannt war, versprach, bei stets wechselndem Programm alle drei Wochen einen Vortrag zu halten. Auf Wunsch der Franziskanerinnen hält er nächsten Sonntag den Verwundeten auf Nonnenwerth einen Vortrag. Da der Dichter gerne bereit ist, seine zündenden Kriegsballaden in allen Lazaretten von Bonn und Umgegend vorzutragen, wende man sich an seine Adresse, Bonn, Göbenstraße 3.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Donnerstag, 8. Oktober 1914
Kriegsballaden aus dem jetzigen Weltkriege von Hans Eschelbach las der Dichter am Dienstag den Verwundeten im Lazarett in der Beethovenhalle vor. Auch humoristische Kriegsgedichte trug er zur Erheiterung der Verwundeten Krieger vor. Die Zuhörer zollten ihm lauten Beifall. Der Dichter hat allen Lazaretten in Bonn und Köln seine Werke geschenkt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Stricken zum Zahnschmerzleiden. In Halle, so schreibt man in der Frankf. Ztg. – hat ein Zahnarzt ein gutes Mittel gefunden, die Interessen seiner Praxis mit den Zwecken der Kriegsfürsorge zu verbinden: Er hat in seinem Wartezimmer statt der bisher zur Unterhaltung der Patienten dienenden Zeitungen Strickzeuge ausgelegt, an denen die wartenden Frauen denn auch fleißig stricken, bis sie „drankommen“. Nach der Versicherung einer auf dem Gebiete der Zahnschmerzen viel erfahrenen Kundin, soll das Stricken von Soldatenstrümpfen auf die Schmerzen eine geradezu betäubende Wirkung ausüben, so daß die schreckliche Zeit des Wartens jetzt viel besser überstanden wird, als früher.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Vermischtes")
Frau Prinzessin zu Schaumburg-Lippe besuchte vorgestern das Lazarett des Mutterhauses vom Roten Kreuz in der Koblenzer Straße, sprach in huldvoller Weise mit allen Verwundeten und verteilte die stets so willkommenen Liebesgaben in Gestalt von Zigarren und Zigaretten. Unter Führung des Vorstandes, dessen Ehrenmitglied sie ist, und der vertreten war durch die Vorsitzende Frau Landrat von Nell, Frau von Joest und Frau Oberin von Stramberg sowie des leitenden Arztes Dr. Heinrich Cramer besichtigte die Frau Prinzessin das Lazarett und äußerte sich sehr befriedigt über das schöne Haus, das die Bavaren dem Mutterhaus zur Einrichtung eines Lazaretts freundlichst zur Verfügung gestellt haben.
Verwundete Kriegsteilnehmer auf der Straßenbahn. Verwundete Kriegsteilnehmer, die aus dem Felde oder einem auswärtigen Lazarett in Bonn eintreffen und sich nach ihrer Angabe auf dem Weg zur Aufnahme in ein hiesiges Lazarett oder Privatpflege befinden, werden auf den städtischen Straßenbahnen frei befördert. Für die übrigen Verwundeten hat die Straßenbahn kürzlich eine größere Anzahl Freikarten dem Direktor der Reservelazarette für die einzelnen Lazarette übersandt.
Fünfzehn schwerbepackte Automobile sind gestern für unsere Krieger an die Westgrenze abgegangen. Dank der eifrigen Arbeit des hiesigen freiwilligen Hilfsausschusses sind große Mengen von warmen Unterzeugen, nützlichen Gebrauchsgegenständen, Nahrungsmitteln, eine erhebliche Zahl Zigarren, Zigaretten und Tabak zusammengekommen, die unsern Soldaten in Frankreich gute Dienste leisten werden. An dem Unterstützungswerk haben sich verschiedene Gemeinden aus der Umgebung bestens beteiligt. Das Sammelwerk wird mit Eifer fortgesetzt, da demnächst wiederum ein größerer Transport an die Truppen abgehen soll. Der freiwillige Hilfsausschuß nimmt nach wie vor mit herzlichem Dank weitere Spenden entgegen.
Das Elektrizitätswerk Berggeist macht darauf aufmerksam, daß die Anlage von elektrischen Stromleitungen sich augenblicklich sehr empfehle. Das elektrische Licht sei jetzt schon billiger als Petroleumlicht und der Preis des Petroleums werde wahrscheinlich im Winter noch steigen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Kissenspende. Womit wir unseren verwundeten Soldaten in den Eisenbahnwagen zur Zeit eine große Erleichterung verschaffen könnten, sind Kissen! Kissen jeglicher Art! Vielleicht ist doch in jedem Haushalt irgendein Rückenkissen oder dergl. entbehrlich, das zur Zeit große Schmerzen lindern könnte. Auch Kissen, mit Seegras gefüllt, sind hochwillkommen. Alle müssen den Vermerk „Bonn“ tragen. Annahme: Hauptbahnhof, „Handgepäck“. E.
Stricken. Stricken ist ein Wort, daß seit Jahren verpönt, von unsern jungen Mädchen gern als veraltet ins Lächerliche gezogen wurde. Einige Wochen genügten, darin eine große Aenderung hervorzubringen. Heute strickt die Mutter, stricken die Töchter. Aber ob auch Millionen Hände stricken, es reicht immer noch nicht. Ich
meine, es könnte einen Menge Geld und Arbeitskraft, die ja jetzt überall so nötig, dadurch gespart werden, daß die Autos, die mit Liebesgaben zur Front fahren, alles mitbrächten, was an schmutziger Wäsche aufzutreiben wäre. Wir Frauen und Mütter würden sie gern waschen und ausbessern und wieder abliefern, damit sie mit der nächsten Fahrt wieder zu unseren Truppen gebracht würde. Außerdem könnten aber auch arbeitslose Frauen mit dieser Wäsche beschäftigt werden. Vor allem müßte darauf geachtet werden, daß die Strümpfe mit größter Sorgfalt gestopft würden, damit unsere Krieger nicht fußkrank werden.
Ich bitte, diesen Vorschlag an zuständiger Stelle zu prüfen und das Erforderliche zu veranlassen. Frau H.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Stadttheater. So kann der Besuch unseres Theaters nicht weiter gehen. Vor leeren Bänken zu spielen, kann den Schauspielern auch keine Freude machen und dem Unternehmen ist wenig gedient. Besserung hoffen wir nur davon, daß wie in Köln jetzt zu Kriegszeiten, wenn denn schon Theater gespielt werden soll, die Preise auf die Hälfte ermäßigt werden, damit es jedem Stande möglich ist, sich an der Stätte der ernsten Kunst auch in ernsten Zeiten zu erbauen. Wir hören, daß zu dem Donnerstag abend alle Plätze ausverkauft sind (Volksvorstellung). Wir sehen auch hierin einen Beweis für das eben Gesagte; im übrigen sind die Stücke so gewählt, daß jeder, der von deutschen patriotischem Geiste beseelt ist, nicht unzufrieden das Theater verlassen wird und darum möchten wir wünschen und hoffen, daß der Besuch sich steigern möge, um nicht von einem Schließen des Theaters sprechen zu müssen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Freitag, 9. Oktober 1914
Am Vortag hatten britische Kampfflugzeuge eine Luftschiffhalle in Düsseldorf bombardiert.
Die Kriegsnot der Lehrerinnen. Über die Beschäftigung weiblicher Lehrkräfte während des Krieges im Schuldienst hat der Unterrichtsminister soeben eine Verfügung erlassen, in der es heißt: „An öffentlichen Schulen und Lehranstalten sind weibliche Lehrkräfte ohne Vergütung angenommen worden, die sich freiwillig und unter Verzicht auf Entschädigung zur Verfügung gestellt haben. So warm die vaterländische Gesinnung anzuerkennen ist, die sich aus dem selbstlosen Eintreten für das Wohl der Schule ergibt, so bedenklich erscheint es andererseits, daß dadurch mittellosen Lehrerinnen, die auf ihren Lebensunterhalt angewiesen sind, die Erlangung einer bezahlten Beschäftigung erschwert wird. (...) [Es] ist in geeigneter Weise darauf hinzuwirken, daß an öffentlichen Schulen nur bezahlte Lehrkräfte zur Vertretung der einberufenen Lehrer angestellt und dabei vorzugsweise und in erster Linie solche jungen Mädchen und Frauen berücksichtigt werden, die durch Arbeit ihren Lebensunterhalt gewinnen müssen.“ (...)
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Englische Spionenfurcht. Die Spionenfurcht treibt in London derartige Blüten, daß selbst die englischen Zeitungen darüber zu spotten beginnen. Der Evening Standard veröffentlicht folgenden Dialog: „Was machen Sie hier? Sie wollen doch sicher spionieren!“ fragt ein Schutzmann ein verdächtiges Individuum. „Nein, ich wollte nur einbrechen!“ – „Dann entschuldigen Sie bitte!“
(Bonner Zeitung, Rubrik „Vermischtes")
Frau Prinzessin Adolf zu Schaumburg-Lippe besuchte am Mittwoch nachmittag die verwundeten Krieger, die sich in der Augenklinik in der Wilhelmstraße befinden. Die Prinzessin unterhielt sich in liebenswürdigster Weise mit den Soldaten, fragte nach der Art ihrer Verletzung und überbrachte Liebesgaben, die von den Soldaten mit freudigem Dank entgegengenommen wurden. Nach anderthalb Stunden verabschiedete sich die hohe Frau von den Verwundeten.
Keinen Alkohol an Verwundete. Der stellvertretende kommandierende General v. Pfötz macht folgendes bekannt: Bei fortschreitender Genesung erkrankter und verwundeter Soldaten habe ich genehmigt, sie auf einige Stunden des Tages aus den Lazaretten zu beurlauben. Streng verboten ist ihnen jedoch der Besuch von Wirtschaften und der Genuß alkoholischer Getränke jeder Art. Ich spreche daher die dringende Bitte aus, im eigenen Interesse dieser Verwundeten, sie nicht zu beeinflussen und zu verführen, dieses Verbot in irgendeiner Form zu umgehen. Abgesehen davon, daß diese Soldaten, die auf dem Schlachtfeld ihre Schuldigkeit getan und ihre Pflicht erfüllt haben, alsdann hier in der Heimat wegen Ungehorsam bestraft werden müßten, werden auch ihre Heilung und Wiederherstellung durch den Genuß alkoholischer Getränke erfahrungsgemäß nachteilig beeinflußt werden. Die dem Genesenden zugedachte Wohltat würde ins direkte Gegenteil, in eine Schädigung derselben, umschlagen.
Einstellung von Kriegsfreiwilligen. Das Infanterie-Regiment Nr. 143 in Straßburg i. Els. stellt wieder Kriegsfreiwillige ein. Junge Leute, die gewillt sind, dem Vaterlande in dieser erhebenden und schweren Zeit zu dienen, wollen sich baldmöglichst bei dem zuständigen Bezirkskommando melden, wo sie nähere Anweisung erhalten.
Dank der 29er. Drei Bonner Landwehrleute des 3. Bat., Inf.-Reg. 29, sprechen den Bonner Damen für den ihnen gesandten Tabak mit Begleitschreiben den herzlichsten Dank aus. Die Sendung habe ihnen große Freude bereitet. – Auf einer zweiten Karte teilt die „Küche 11/29“ einiges über den „Arbeitstag“ des Bonner Reserve-Bataillons Nr. 29 mit und schildert mit Begeisterung die Freude der Soldaten, als die Liebesgaben dort anlangten.
Die Maschinengewehr-Kompagnie Inf.-Regt. Nr. 160 dankt ebenfalls den Stiftern von Liebesgaben.
Ein Landwehrmann der Armeegruppe Falkenhausen, 8. Division, Brigade-Ersatz-Bat. Nr. 80, ein Bonner, schreibt, daß er zu seiner größten Freude lese, daß in Bonn so tüchtig Liebesgaben gesammelt würden. Er finde es ja für richtig, daß die Bonner zuerst für ihre Husaren und 160er sorgten. Da aber das Ersatz-Bataillon Nr. 80 auch in Bonn zusammengestellt sei und meist aus älteren verheirateten Männern aus Bonn und Umgebung bestehe, so möchten die „alten Bonner“ bitten, daß auch sie bei nächster Gelegenheit berücksichtigt würden.
Zerstörungswut. Auf dem Spielplatz an der Theaterstraße wurden in den letzten Tagen verschiedene junge Bäumchen abgeknickt und mehrere Sträucher ausgerissen. An einem Zugangstor, das von der Polizei wegen dieser Roheiten abgeschlossen wurde, zertrümmerte ein unbekannter Täter das schwere Vorhangschloß.
In Kriegsgefangenschaft gekommen ist ein Sohn des hiesigen Reisenden B. Bachmann. Sein Sohn befand sich auf dem Transportdampfer „Czar Nicolai II.“, der Anfang August von feindlichen Torpedobooten angehalten und nach der tunesischen Küste (Afrika) geschleppt wurde. Die Besatzung wurde in Gafsa (Tunis) als kriegsgefangen zurückbehalten. Der Sohn teilt seinen Eltern brieflich mit, daß er am 4. August abends 8 Uhr mit der gesamten Besatzung das Schiff verlassen mußte. Sie wurden nach Biserta [Bizerta] geschafft und von Zuaven eingesperrt. Später seien noch Besatzungen von zwei anderen deutschen Schiffen, zusammen 90 Mann hinzugekommen. Kurze Zeit darauf seien sie mit der Bahn nach Sfaks [Sfax] und von da nach Gafsa in eine Festung gebracht worden. Der Briefschreiber teilt ferner mit, daß sich sein Freund Michael Hecker aus Bonn ebenfalls in Gefangenschaft befinde. Am Tage sei es sehr heiß und in der Nacht empfindlich kalt. Im ganzen sei es sehr langweilig dort. Vom Kriege werde man nicht gewahr.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Unsere Brüder in Amerika. Einem Briefe aus Omaha, 13.September, den ein Unkeler an seine Eltern schreibt, entnehmen wir folgendes: Was ist eigentlich mit Euch los drüben in Unkel. Ich habe am 2. August eine Karte und am 9. August einen Brief an Euch abgeschickt. Euer letztes Schreiben erhielt ich am 17. Juli. (…) Ich habe in dem Briefe geschrieben, daß ich nach Deutschland kommen will, sobald sich eine Gelegenheit bietet. Habe meinen Militärpaß gleich nach dem deutschen Konsul in Chicago geschickt und teilte ihm mit, daß ich bereit bin, nach Deutschland zu gehen, um in der Marine zu kämpfen. Er sandte meinen Paß zurück mit der Antwort, daß es jetzt unmöglich sei uns Reservisten nach Deutschland zu schicken, da die Engländer und Franzosen die Schiffe durchsuchen und die Reservisten als Gefangene wegschleppen. Er würde mich benachrichtigen, sobald sich eine Gelegenheit bieten würde zum Hinüberfahren. So bin ich dann hier in Omaha, während alle meine Kameraden im Kriege stehen. Ich denke Tag und Nacht an den Krieg und die schwere Aufgabe Deutschlands. Lese die Zeitungen bis Mitternacht. Wir bekommen die Nachrichten fast ebenso schnell wie ihr in Unkel. Die hiesigen Zeitungen bringen jeden Tag die großen Niederlagen der Deutschen Armee. Nach den hiesigen Berichten sind die Deutschen andauernd am Verlieren. Ich begreife das gar nicht. Die deutsche Armee und verlieren – gegen solche Drecksäcke wie die Franzosen. Ist die deutsche Armee vielleicht nicht zahlreich genug? (…) Ich weiß doch ganz bestimmt, daß die Deutschen gewinnen würden, falls sie in der Zahl dem Feinde ebenbürtig wären. 10 Minuten zurück las ich in der Zeitung, daß der Kronprinz, Prinz Eitel und Prinz Adalbert in Belgien gefallen sind. Ist das wahr? Wie kommt der Adalbert denn da hin? Er ist doch Seeoffizier. Aber ich denke, dies ist alles gelogen. Der Kronprinz stirbt nun schon das achte Mal. Die Leute hier fangen nun halb an zu lachen über diese schauderhaften Nachrichten. (…) Die englische Flotte hat die deutsche schon 3 Mal geschlagen. (…) Die ganze österreichische Armee wurde von den Russen geschlagen. Ganze böhmische Regimenter sind zu den Russen übergetreten. (…) Die hiesigen deutschen Zeitungen schreiben allerdings nicht solchen Humbug, geben aber zu, daß die Deutschen, nachdem sie so schnell bis nach Paris rasten, zum Stillstand kamen und nun nach Nordosten auf dem Rückzuge, besser gesagt, Flucht begriffen sind. Wenn dies nun wahr ist und die Deutschen sich nach ihrer eigenen Grenze zurückziehen müssen, dann sehe ich nicht ein, weshalb der Kaiser nicht der ganzen Geschichte ein schnelles Ende bereitet. Er hat doch die Luftschiffe, diese herrlichen Zeppeline. Oder sind sie nichts wert? Wenn sie aber das sind, für was ich sie halte, weshalb wird Paris und London nicht in ein und derselben Nacht zerstört? Will der Kaiser vielleicht noch Nachsicht üben? Pah, es ist Krieg, der Feind wird allerdings kein Mittel unversucht lassen Deutschland zu vernichten.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Samstag, 10. Oktober 1914
Die Festung Antwerpen kapituliert vor dem deutschen Belagerungsheer, nachdem sich der Großteil der Verteidiger aus der Stadt zurückgezogen hat. Diese schon seit längerem erwartete Nachricht entfacht in Deutschland erneut die Hoffnung auf einen baldigen Sieg.
Die Zigarrenhandlung von Heinrich Brinck hat weitere 376 Mk. für Zigaretten, Zigarren und Tabak für unsere Bonner Regimenter gesammelt und dem Garnisonskommando zur Verfügung gestellt.
Dank dem 160ern. Dem freiwilligen Hilfsausschuß sind mehrere Feldpostkarten von Offizieren zugegangen, worin diese im Namen des Regimentes den Bonnern für die großen Sendungen von Liebesgaben ihren herzlichen Dank aussprechen.
Ferngläser für Bonner Husaren. Wir erhalten folgende Zuschrift: „Zu meinem Truppenteil, der 29. gem. Ersatzbrigade, gehört eine Kavallerieabteilung von 55 Bonner Husaren. Dieselben sind ohne ein einziges Fernglas ausgerückt. Der Wert eines solchen bei den oft gefährlichen Patruillenritten (sic!) ist ohne weiteres klar. Ich spreche daher die Bitte aus, uns von den in manchen Familien vorhandenen, aber nie gebrauchten Gläsern (Operngläsern) in Futteralen etwa ein Dutzend überlassen zu wollen. (...)“
Wir möchten unseren Lesern die vorstehende Bitte recht sehr ans Herz legen. Ihre Erfüllung würde unseren Husaren nicht nur eine bessere Erkundung ermöglichen, sie würde unsere Leute auch vor dem Abgeschossenwerden einigermaßen sichern.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Der Fall von Antwerpen hat in Bonn eine Begeisterung ausgelöst, die an die erhebenden Zeiten der ersten Tage des Kriegsausbruchs erinnert. Die Glocken läuteten in der stillen Nacht und verkündeten weithin das erfreuliche Ereignis. In Erwartung der Einnahme der Stadt herrschte schon in den frühen Abendstunden auf den Straßen starkes Leben, und vor unserem Geschäftshause stauten sich die Menschenmengen zu fast undurchdringlichen Massen. Als nun die Glocken die Bürger aus den Häusern und den Betten riefen, herrschte um Mitternacht auf Straßen und Plätzen ein Leben wie am Tage. Vom Kaiserplatz an standen die Bürger dann wie Mauern die ganze Bahnhofstraße entlang vor dem General-Anzeiger und verlangten und erhielten die Bestätigung des Gerüchts, daß Antwerpen in unserem Besitz sei. Jeder aber wollte diese frohe Nachricht auch gedruckt sehen und die Sonderausgabe unserer Zeitung wurde stürmisch verlangt. Dann wurde das frohe Ereignis besprochen – und gefeiert in den Gasthäusern und auch am Denkmal Kaiser Wilhelms I. Tausende Bürger und Bürgerinnen hielten den Kaiserplatz besetzt und in die verhallenden Glockentöne klang der markige Chorus: „Es braust ein Ruf wie Donnerhall“. Zwischendurch donnerten die Züge über die Poppelsdorfer Allee und aus ihnen erschollen begeisterte Hurras der zur Grenze abrückenden Truppen. Es war eine Nacht, die man so leicht nicht vergißt.
„Hier wird Antwerpen bezahlt“. Gute Geschäfte machte gestern abend, als die Nachricht von dem Fall Antwerpens bekannt wurde, auf der Bahnhofstraße ein „Rote Kreuzmann“, der die günstige Lage benutzte und in den dicht gedrängten Menschenmengen mit einem Sammelfaß erschien. Mit lauter Stimme rief er: „Hier wird Antwerpen bezahlt“ und zog damit das Publikum zu seiner Soldatensparkasse. Alles drängte zu ihm hin und lachend gab jeder sein Scherflein. Als Resultat der Sammlung, die von den Pfadfindern veranstaltet wurde, ergab sich das nette Sümmchen von 268,95 Mark.
Dank der 160er. Ein 160er von der Maschinengewehr-Kompagnie teilt in einem Feldpostbrief an seine Mutter mit, daß sie Liebesgaben aus Bonn erhalten hätten. Die Freude sei groß gewesen. Jeder hätte u.a. 15 Zigarren und 30 Zigaretten bekommen. (…) Die Maschinengewehr-Kompagnie werde sich nicht lumpen lassen und später alles wieder gut machen. Sie hätten zwei französische Maschinengewehre erbeutet, die würden sie mit nach Bonn bringen.
Beim Proviantamt Bonn werden noch große Mengen an Hafer, Roggen, Weizen, Heu und Roggenstroh angekauft. Recht baldige Anlieferung ist erwünscht. Für magazinmäßige Ware frei Magazin wird gezahlt: für die Tonne Hafer 230 Mk., Roggen 230 Mk., Weizen 250 Mk., Heu 67 Mk., Roggenstroh 39 Mk.
Die landwirtschaftlichen Arbeiterinnen aus Ostpreußen, Polen und von der russischen Grenze, die in der Umgegend in Diensten stehen, können meist nicht oder doch nur unter großen Schwierigkeiten nach erledigter Zuckerrübenernte in ihre Heimat zurückkehren. Deshalb haben sie sich ihren Dienstherren gegenüber auch für den Winter gegen freie Kost und Wohnung verpflichtet.
Ausstellung im Obernier-Museum: Rheinische Bauweisen. Frohe Wandertage mit lustigen Gesellen werden wieder wach, durchgeht man die Ausstellung, die auf Veranlassung der Gesellschaft für Literatur und Kunst durch den Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Heimatschutz eingerichtet wurde. Hübsch sauber zwischen Glas und Rahmen sieht man Photographien, Federzeichnungen und Aquarelle von alten prächtigen Bauwerken aus verschiedenen Gegenden unserer Provinz. (…) Hat man die Ausstellung, die mit viel Mühe und Fleiß zusammengestellt ist, durchwandert, so überkommt den Besucher eine tiefe Freude, wenn man sieht, wie viel Schönes und Liebes unsere Heimat birgt, und diese Freude steigert sich zu heißem Dankgefühl, denkt man weiter daran, daß uns all das Schöne in unserer Heimat erhalten bleibt, während die Kriegsfurie in Feindesland Werte, die kaum ersetzt werden können, mit unbarmherziger Hand zerstört.
Eine Anregung: Man sollte unsere Soldaten, die verwundet in den hiesigen Lazaretten liegen, soweit sie gehfähig sind, in die Ausstellung führen und ihnen zeigen: Seht, all das Schöne ist durch deutsche Tapferkeit erhalten und von wüsten Eingriffen der Feinde verschont geblieben. Auch dadurch stärkt man Heimatgefühl.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Ein Lazarettzug, der von der Firma Schütte-Lanz in Mannheim eingerichtet worden ist, traf gestern nacht mit Schwerverwundeten hier ein. Ihre Königliche Hoheit Prinzessin Adolf von Schaumburg-Lippe nahm die Einrichtungen des Zuges in Augenschein.
Für Ostpreußen. Die Beamten der hiesigen Güterabfertigung teilen mit, daß nur noch diese Woche Gaben für Ostpreußen angenommen werden. Da es sich um eine Sammelsendung handelt, werden die gütigen Spender gebeten, die Gaben bis heute abend abzugeben.
Dem freiwilligen Hilfsausschuß sind mehrere Karten zugegangen, auf denen der Dank der Truppen unserer Garnison für die übermittelten Liebesgaben ausgesprochen wird. Eine Karte ist vom Obersten von der Heyden [Heyde], dem Kommandeur des Infanterie-Regiments Nr. 160.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Sonntag, 11. Oktober 1914
In Galizien musste die russische Armee die Belagerung der österreichischen Festung Przemysl vorläufig abbrechen.
In der Stadthalle ist heute das 5. Konzert des städtischen Orchesters unter Leitung des Herrn Kapellmeisters Sauer.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Freitag kamen durch die Königstraße Knaben, die angeblich im Auftrage des Friedrich-Wilhelm-Stiftes Stöcke für Verwundete sammelten. Ein Stock wurde ihnen auch in unserem Hause verabfolgt. – Da uns die Sache nicht ganz vertrauenserweckend erschien, zogen wir sofort Erkundigungen im Friedrich-Wilhelm-Stift ein. Dort wurde uns die Antwort zuteil, daß das Friedrich-Wilhelm-Stift keineswegs einen solchen Auftrag erteilt habe, die Sache also Schwindelei sei. Auch gestern früh kamen wieder Knaben an unsere Haustüre, baten im Auftrage ihres Lehrers an der Remigiusschule um Stöcke, die sie für die Verwundeten in der Beethovenhallen sammeln wollten. Einer der Knaben hatte eine schwarz-weiß-rote Schleife vorgesteckt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Eingesandt ")
Der Fall Antwerpens ist, wie wir schon Samstag schrieben, in Bonn mit großer Begeisterung aufgenommen worden. Nachdem nunmehr die Meldung kam, daß sämtliche Forts von Antwerpen gefallen sind, wehen in den Straßen Fahnen bei Fahnen und die Bürger gehen nach dieser gelösten Spannung mit größerer Freude an ihre tägliche Arbeit. Seit gestern ist wiederum einmal die warme Welle der Begeisterung und das vaterländische Glücksgefühl, heller als sonst, über uns gekommen, und mit noch größerer Zuversicht und auch mit noch größerer Geduld wollen wir den Dingen, die mit eiserner Notwendigkeit ihren Gang gehen, entgegensehen. Jedem Schwätzer aber und Besserwisser und auch der erbärmlichen Sorte der Flaumacher wollen wir ernst entgegentreten, wenn dunkle Gerüchte und Mutmaßungen unbestimmter Herkunft unser Ohr treffen. – Die Fahnen wehen von Haus zu Haus, und wiederum hatten wir einen festlich frohen Tag.
Wie der Fall Antwerpens aufgenommen wurde, darüber geht uns folgendes Stimmungsbild zu:
Ich suchte gerade meinen dunklen Garten mit der Lampe nach gefallenen Birnen ab, als durch die Stille meines Hausfriedens (ich wohne ziemlich „da draußen“) mit einem Male die Glocken erklangen. Die Luft war voll Brausen erfüllt, so festlich volltönend, wie man das nur von Weihnachten her in Erinnerung hat. Wie ich noch überrascht dem ungewohnten Geläute zu dieser Stunde lausche, höre ich gleichzeitig ein weit über die Stadt kommendes vielhundertstimmiges Geschrei. Soll Antwerpen…? Schon sitze ich auf dem Rad, durchsause die stillen Straßen, die sich, je mehr ich auf die Stadt zukomme, mit immer größeren Menschenmassen beleben, die ebenso hastig wie ich dem „General-Anzeiger“ zueilen. Roter Dunst liegt über der Stadt. Der Scheinwerfer läßt über das Dächergewirr seine grellweiße Suchspur im schwarzen Himmel spielen. Feiner Taunebel spritzt ins Gesicht. Immer mehr Menschen füllen die Straßen, eilen der Zeitung zu und im Weitereilen hört man Fragenrufe: Stimmt’s? Ist Antwerpen gefallen? Und hastige Antwort der Entgegenkommenden und Vorwärtsstürmenden: „Jawohl, jawohl, Antwerpen ist unser.“ Je näher der Zeitung, um so größer das Menschengewoge und ein Brausen und ein Hurrarufen über die dunklen Häuser hinweg. Auf der Bahnhofstraße, vor dem General-Anzeiger: Köpfe, nichts als Köpfe, von den elektrischen Bogenlampen rot beleuchtet. Und über dieser wogenden Menschenmenge lautes Rufen, Hurraschreien und abgerissene Gesangsworte: Heil Dir im Siegerkranz, Die Wacht am Rhein. Die Sonderausgabe der Zeitung wird den Verteilern fast entrissen und ein lebensgefährliches Gedränge ist vor der Eingangstür der Zeitung. Dazu donnert ein Zug nach dem andern mit
Truppentransporten durch die Bahnhofshalle. Unsere Feldgrauen, die in Feindesland ziehen. Einer fängt den Ruf auf: Antwerpen ist gefallen! und der Krieger wirft mit einem jubelnden Ruf die Meldung wie einen Spielball weiter den Zug entlang und dann erdröhnt ein vielhundertstimmiges Hurrageschrei durch den Bahnhof und fauchend schnaubt der Zug in die dunkle Nacht. Ueber dem Jubel und Brausen der erregten Menschenmauer aber schwingen und dröhnen die Glocken mit ehernem Klang die frohe Siegesbotschaft von dem ersten glücklich beendeten Kapitel dieses gewaltigen Völkerringens über die Dächer und Giebel der Stadt und tragen sie weiter und wecken die Schläfer in ihren Stuben.
Unsere Schuljugend hatte am Samstag morgen aus Anlaß der Eroberung von Antwerpen einen schulfreien Tag. Nach einer kurzen patriotischen Feier, bei der die Lehrerschaft auf die Bedeutung des Tages hinwies, wurden die Kinder entlassen. Mit lautem Hurra stürmten Knaben und Mädchen, ihre Schulsachen über dem Kopf schwingend, aus dem Schulgebäude.
Ein Sonderzug der Straßenbahn von drei Wagen beförderte gestern nachmittag eine Anzahl Verwundeter nach Godesberg.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Dum-Dum-Patronen. Die amtlich beglaubigen Aussagen zweier englischer Offiziere über die Lieferung von Dum-Dum-Patronen an die englischen Truppen sind vervielfältigt worden. Ein Abdruck der Schriftstücke ist im Schaufenster unserer Geschäftsstelle ausgehängt.
In den 9 Sammelfässern von Holz wurden bis jetzt vorgefunden 7065 Zigarren, 6252 Zigaretten und Mark 1308,90 bar. Abgeliefert sind bis heute 33 065 Zigarren und 15639 Zigaretten, außerdem Kautabak, Pulswärmer, Strümpfe, Pfefferminz und Kleinigkeiten. Von siebenjährigen Buben und Mädchen der Karlsschule wurden Mark 8,50 und aus Hanna’s Sparbüchse 80 Pfg. gestiftet. Diese schönen Beispiele verdienen Nachfolger. Ein Labsal für die im Felde stehenden Truppen ist eine Zigarre, Zigarette oder etwas Tabak. Wer wüßte das besser, als Männer, die an’s Rauchen gewöhnt sind. An alle Raucher ergeht deshalb die ernste Bitte, sich in jeder Woche zum Besten unserer Helden im Felde das kleine Opfer eines rauchfreien Tages aufzuerlegen. Dieser rauchfreie Tag soll während der ganzen Kriegszeit der Montag jeder Woche sein. Möge es jeder Raucher als Ehrensache ansehen, an diesem Tage das Rauchen zu unterlassen und den gesparten Verbrauch den Sammelfässern zuzuführen. Allen Gebern herzlichen Dank.
Schulfrei. Der Unterricht in den Schulen fiel gestern aus Anlaß der Eroberung Antwerpens aus. Die Kinder hatten daher um so mehr Anlaß und Gelegenheit, sich mit den Erwachsenen des Sieges zu freuen. Daß auch in ihnen ein echtes deutsches opferwilliges Herz sitzt, bewiesen sie gestern am Vormittag, als sie von der Schule nach Hause geschickt wurden. In ganzen Scharen eilten sie nach dem Bahnhof und boten ihre Butterbrote den durchfahrenden Soldaten an, die mit besonderer Freude und Anerkennung von dem Anerbieten der Kinder dankbar Gebrauch machten.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Montag, 12. Oktober 1914
Auszeichnung. Ein Sohn des hiesigen, um die Sache der Militär- und Kriegervereine hoch verdienten Rittmeisters Weyermann, Leutnant Weyermann im Fußart.-Rgt. Nr. 50 hat den badischen Zähringer Löwenorden mit Eichenlaub und Schwertern erhalten.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Das neueste Soldatenlied. Neben dem poetischen Widerhall, den die Ereignissen bei uns im Lande selbst finden, (...) entsteht noch eine andere, neue Dichtung, von der wir zu Hause noch nichts wissen, weil ihre Wiege draußen im Felde ist. Und ebenso wie die besten volkstümlichen Klänge 1870 geboren wurden, wenn unsere Truppen über französische Landstraßen zogen und in den Schützengräben vor Paris lagen, so schafft der heitere Kampfesmut unserer Helden sich auch 1914 zwischen dem Donner der Kanonen eine eigene farbige Poesie. Wie wir Feldbriefen entnehmen macht jetzt im deutschen Heere ein neues Soldatenlied die Runde, dessen Verfasser niemand kennt, das aber alle begeistert mitsingen. Es ist um einen Kehrreim umgedichtet, der lautet „Ja, wenn das der Bismarck wüsste!“. Die Melodie ist dem bekannten Gilbertschen Schlager „Ja, wenn das der Petrus wüsste“ entnommen, der nun nachträglich durch unsere Truppen geweiht wird. Von dem Text gibt es verschiedene Variationen, wie immer, wenn ein Lied vom Volksmunde selber geschaffen wird. Wenn unsere Truppen heimkehren, werden wir sie hoffentlich alle kennen lernen und nach ihren Siegen froh mit ihnen singen: Ja, wenn das der Bismarck wüsste!“
(Bonner Zeitung, Rubrik „Vermischtes")
† Hans Egon Freiherr von Gottberg, Leutnant im Infanterie-Regiment 160, ist im Alter von 23 Jahren von einer im Felde erlittenen Verwundung durch ein Dum-Dumgeschoß gestorben. Mit dem Tode dieses jugendlichen Offiziers, der erst kürzlich mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet wurde, ist ein tüchtiger, liebenswerter Mensch dahingegangen, der sich insbesondere mit Rieseneifer der Pfadfindersache angenommen hat. Leutnant Freiherr v. Gottberg war Mitbegründer des Bonner Pfadfinderkorps und dessen Hauptfeldmeister. Er war tätig im Verein für Körperpflege und im Ausschuß der Vaterländischen Festspiele und Leiter des Militärsportvereins im 2. Bataillon des hiesigen Infanterie-Regiments. Sein Hauptinteresse bekundete er doch der ihm ans Herz gewachsenen Pfadfindersache. Ueberall zog er an der Spitze seiner Jungen mit hinaus und stählte ihr Pflicht- und Kraftbewußtsein. Als Führer war er vorbildlich für die gesamten Pfadfinder.
„Geben ist seliger …“ Die Spendung von Liebesgaben, richtiger Pflichtgaben der Daheimgebliebenen für unsere braven Truppen nimmt erfreulicherweise in steigendem Maße die Form der Selbstbesteuerung an. Ihr kann nur nachdrücklich das Wort geredet werden. Wir haben uns mit erstaunlicher Elastizität in den Kriegszustand eingelebt, für die Veränderungen im privaten Wirtschaftsleben ist ein fester Maßstab jetzt erkennbar. Wir finden, daß wir uns recht wohl mancherlei versagen können, was uns in üppiger Friedenszeit zur lieben Gewohnheit geworden war. Wir fühlen uns stillbeglückt durch den Gewinn neuer, ungeahnter seelischer Werte. Bei solch‘ innerer Verfassung erfolgte die Auslösung des Entschlusses in vielen Fällen fast automatisch, einen bestimmten Teilbetrag des Einkommens laufend abzusondern für Zuwendungen an unsere Braven im Felde bzw. an die Mannschaft, die frisch hinauszieht, auch ihrerseits Gesundheit und Leben einsetzend für die große vaterländische Sache, für Sicherheit und Wohlfahrt der Zurückbleibenden in Gegenwart und Zukunft.
Militärisch zeigt sich Deutschland allen voran – es soll auch in Fürsorge für die waffentragenden Brüder von niemanden erreicht, geschweige denn übertroffen werden: dies der unvergleichlich schöne Gedanke, der von den Herzen mehr und mehr Besitz ergreift. Und staunend wird man gewahr, was ein gebefreundliches Herz möglich macht. So ziehe er denn weiter beglückende Kreise, der edle Wille, freiwillig ständig zu steuern zur Erleichterung der Strapazen unserer Vaterlandsverteidiger – der Besten, die wir haben in der Volksgemeinschaft. Es stehe jedem das ergreifende Wort eines in den „Hamb. Nachr.“ veröffentlichten Gedichtes „Zu Hause“, von Anton Frahm ständig vor der Seele: „Sie gehen für dich in die Kugeln hinein – du liest es abends beim Lampenschein. Du weißt deine Liebsten zum Greifen dicht – Sie sehen beim Sterben ein fremdes Gesicht …“
Daß auch in unserer Vaterstadt edle Herzen schlagen, die unseren Soldaten im Felde Zuwendungen aller Art übersenden, beweisen die vielen Dankschreiben, die unserer Redaktion fast täglich zugehen. In Reim und Prosa sprechen die Krieger ihren warmen Dank für die Liebesgaben aus und man fühlt, daß es nicht nur Worte sind, die aus dem Felde zu uns dringen. Hauptmann und Komp.-Chef 6/160 von Kaminser dankt im Namen seiner braven und tapferen 6. Kompagnie für die freundlichen Gaben und bemerkt, wenn die Geber die Freude und Dankbarkeit der braven Jungens sehen könnten, würden sie sich tausendfach belohnt fühlen.
Die Flugmaschinen verloren. Ueber den Fliegerangriff auf die Düsseldorfer Luftschiffhalle berichtet die englische Admiralität, daß es einem der Fliegeroffiziere gelungen sei, die Halle aus 500 Meter Höhe zu treffen. Alle drei Offiziere seien in Sicherheit. Die Flugmaschinen seien jedoch verloren gegangen.
Wohltätigkeits-Aufführung. Die gestern nachmittag zum Besten des Vaterländischen Fürsorgevereins im Bonner Bürgerverein veranstaltete Wohltätigkeits-Aufführung hatte sich einer großen Teilnahme zu erfreuen. Die Mitwirkenden rekrutierten sich aus Helfern und Helferinnen des Hilfsausschusses für durchfahrende Truppen und des Bonner Instrumental-Vereins. Die Darbietungen begannen mit der Ouvertüre zu „Rosamunde“ von Schubert. Das Zusammenspiel, auch bei den folgenden Orchesternummern, Fantasie aus Lohengrin und des deutschen Kriegers Traum vor der Schlacht, verdient mit Rücksicht auf rhythmische Uebereinstimmung und wahrlich lebensvollen Ausdruck Anerkennung und Dank. Fräulein Marg. Keese vermochte mit ihrem Vortrag der Lieder „Ave Maria“ von Schubert und „Das Grab der Heide“ von Heiser sowie den beiden Zugaben die Herzen sehr zu erwärmen. In den zwei Theaterstücken „Josef Heiderich“ von Körner und „Der Feldzugsfreiwillige“ fanden die Auftretenden dankbare Aufgaben, die ihnen reichen Beifall eintrugen. Ernst und eindringlich äußerte sich Herr Dr. Vulker in seiner Rede zu Anfang des Abends, in der er einen Rückblick auf den Krieg gab. Ein Hoch auf Kaiser Wilhelm und Kaiser Franz Josef, das Dr. Vulker ausbrachte, wurde stürmisch aufgenommen.
Verhafteter Einbrecher. In der Nacht zum Sonntag drang ein junger Mensch in ein Haus an der Kaiserstraße ein und durchsuchte das ganze Haus. Sogar das Schlafzimmer, in dem die Einwohner schliefen, durchsuchte der Spitzbube mit der brennenden Kerze. Man benachrichtigte die Polizei, bei deren Erscheinen der Dieb die Flucht ergriff. Dabei fiel er durch ein Glasdach und verletzte sich so schwer, daß seine Ueberführung zur Klinik in einem Wagen notwendig wurde. In seinem Besitz fand man mehrere Uhren und verschiedene Portemonaies mit Inhalt. Der Verhaftete gibt an, aus Düren zu stammen, will bis jetzt in Belgien gewesen sein.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Den Heldentod starb der in allen Kreisen der Bonner Bevölkerung gekannte und verehrte Leutnant Hans Egon von Gottberg, vom Inf. Reg. Nr. 160 in Bonn. Er war wegen seiner bewiesenen Tapferkeit mit dem Eisernen Kreuze ausgezeichnet worden. Am 19. September wurde er schwer verwundet. An den Folgen dieser Verwundung ist er gestorben. Er leitete und organisierte in Bonn das Pfadfinderwesen. Die Bonner Pfadfinder haben durch sein Hinscheiden einen unersetzlichen Verlust zu beklagen.
Aus fernen Landen. An seine Bonner Angehörigen schreibt der zweite Offizier eines deutschen Handelsdampfers, der von den englischen Behörden beschlagnahmt und nach Singapore gebracht worden ist, Herr G. Falckenberg, den viele unserer Leser von seinen Seereiseschilderungen in der Deutsch. Reichszeitung wohl kennen, folgenden Brief, der in der gegenwärtigen Zeit aktuelles Interesse haben dürfte:
Da uns Erlaubnis gegeben worden ist, zu schreiben, so möchte ich Euch hierdurch beruhigen. Es geht mir soweit ganz gut. Mein Schiff ist von der englischen Regierung beschlagnahmt worden. Wir sind mit der europäischen Besatzung zusammen auf eine einsame Insel bei Singapore gebracht worden samt unseren Effekten. Außer uns befinden sich noch 10 Deutsche hier. Dieselben werden strenger bewacht als wir, da sie nicht unterschreiben wollten, an diesem Krieg teilzunehmen. Wir liegen in einer Baracke mit zehn Mann. Unsere Kapitäne wohnen in Singapore. Das Essen bekommen wir von der englischen Regierung geliefert und zwar täglich. Es ist sehr gut, und wir werden sehr gut von den Engländern behandelt. Nur müssen wir selbst kochen und haben kein Geld, da unsere Heuer verloren gegangen sind, weil unser Schiff aufgebracht wurde. Wir dürfen die Insel nicht verlassen und wissen nicht, was in Europa vorgeht. Wir bleiben solange auf der Insel als der Krieg dauert.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Dienstag, 13. Oktober 1914
Liebesgaben für unsere Blaujacken. „Für die mir bisher in reichem Maße zugegangenen Geldbeträge und warme Sachen für unsere Männer sage ich vielen innigen Dank. (...) Nässe und Kälte sind heimtückische Feinde, die die Gesundheit und den zuversichtlichen Geist unserer Marine zu untergraben suchen. Laßt uns, wenn auch in noch so bescheidenem Maße, unseren Blaujacken das geduldige Ausharren an den ungemütlichen Stellungen bis zum Augenblick des Losschlagens zu erleichtern suchen.
Charlotte Utke, p.A. Herrn Prof. Dr. A. Pflüger, Joachimstr. 5.”
Brieftauben. Leider werden auch jetzt noch immer wertvolle Brieftauben auf den Feldern abgeschossen. Wir machen nochmals darauf aufmerksam, daß die Heeresverwaltung der Brieftauben bedarf und daß diese deshalb nicht abgeschossen werden dürfen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Ein Kriegsbegräbnis. Nachmittags 3 Uhr. Das Glöckchen der Grabkapelle auf dem Nordfriedhof läutet bang über den Gottesacker. Herbststimmung liegt über ihm. Gelbe Blätter fallen zur Erde und die blasse Oktobersonne will noch einmal, ehe sie scheidet, Glanz und Schein vergangener Sommertage vortäuschen. Es gelingt ihr nicht mehr recht. Aus Büschen und Gräsern kriecht feuchte Kühle und Marienfäden fliegen durch die silbrige Nebelluft. Es ist still auf dem weiten Friedhof und die Herbststimmung mahnt an Tod und Vergänglichkeit. Aus dem Dunkel der Friedhofskapelle naht ein ernster Zug. Der Sarg, in dem ein junger Krieger, den in Feindesland die Kugel gar zu tief traf, den letzten Schlaf schläft, wird herausgetragen. Der Geistliche geht betend voran, und hinter dem Sarge geht die Abordnung eines Militärvereins mit umflorter Fahne. Etwa 20 Soldaten flankieren den Zug, dem zum Schluß einige Rote Kreuz-Schwestern und einige verwundete Soldaten folgen. Der Zug geht an den Gräbern vorbei bis zu einem frisch aufgeworfenen Stück, wo bereits viele Krieger den Heldentod schlafen. Der Geistliche spricht ein Gebet. Ein Kommando „Still gestanden: Präsentiert das Gewehr!“ und der Sarg knarrt in die offene Gruft, wo vor einer Viertelstunde erst ein Sarg hinabgelassen wurde. Sarg neben Sarg. Kamerad neben Kamerad. Und wieder spricht der Geistliche ein Gebet. Die Umstehenden sprechen das Gebet mit. Die umflorte Fahne senkt sich tief in die offene Gruft.
Wieder ein Kommando und aus den hochgelegten Gewehren donnert eine dreimalige Salve echoweckend über den Kirchhofsfrieden. Wie die Schollen auf den Sarg poltern, preßt mancher den Mund zusammen. Abseits schluchzen einige Frauen. In den Augen eines jungen Kriegers, der mit verbundenem Arm und Kopf eine Schaufel Erde auf den Sarg wirft, stehen zwei dicke Tränen. Von den Umstehenden denkt mancher an seine Lieben, die im Felde stehen und das Wort „Krieg“ nimmt grauenhaft deutliche schmerzliche Gestalt an. Wie von selbst gehen einem die Liedstrophen durch den Sinn: „Gestern noch auf stolzen Rossen, heute durch die Brust geschossen, morgen in ein kühles Grab.“ –
Drei Blumenkränze legt man dem Toten, ein wackerer Junge aus dem Lande Rübezahls, auf den frischen Erdhügel. Die Soldaten präsentieren noch einmal das Gewehr, dann wird der Friedhof leer und nur eine alte Frau, der Not und Sorge die Haare frühzeitig bleichten, spricht unter Schluchzen ein letztes Gebet. …
Sänger der Bonner Liedertafel erfreuten am Sonntag abend die Verwundeten in der Augenklinik durch Vortrag einer Anzahl Chöre und Volkslieder. Die Verwundeten waren hellauf begeistert und dankten mit warmen Worten. Das Mitglied Ohlenhardt trug zwei seiner gelungenen Kuplets vor. Die verwundeten Offiziere baten den Vorstand um eine baldige Wiederholung der Liederspende.
Hodler, Shaw, Maeterlinck und Konsorten. Die Leitung des Wallraf-Richartz-Museum in Köln schreibt uns: „In der modernen Abteilung der Gemäldegalerie fand eine neue Sehenswürdigkeit viel Beachtung. Mitten zwischen den Bildern hängt dort eine Tafel, auf der zu lesen steht:
„An dieser Stelle hing ein Bild von Ferdinand Hodler, der sich nicht gescheut hat, einen Genfer Protest mit zu unterzeichnen, in dem die Rede ist von einem ungerechtfertigten Attentat der Vernichtung der Kathedrale zu Reims, das nach der beabsichtigten Zerstörung historischer und wissenschaftlicher Schätze in Löwen einen neuen Akt der Barbarei bedeute und die ganze Menschheit herausfordert.“ Auch Jaques Dalecroze, der zu den Unterzeichnern des Protestes gegen die deutsche „Barbarei“ gehört, empfängt aus dem Kreise seiner Berufsgenossen eine wohlverdiente Abfertigung. Ebenso werden Shaw, Maeterlinck, d’Annunzio und Konsorten, die Deutschland des Barbarentums beschuldigen, in der Presse gebührend abgefertigt. Hoffentlich besitzen wir im Reiche wie auch im Rheinland nach dem Kriege die Charakterfestigkeit, diese Namen dauernd zu boykottieren.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Brockensammlung. Alljährlich wenn der Winter herannaht, läßt die „Brockensammlung“ ihre Bitte um abgelegte Kleidungsstücke, Wäsche und Hausrat jeder Art erschallen. Doppelt dringend ertönt in dieser Kriegszeit ihr Ruf, denn groß ist die Not, sind doch Hunderte von Familien nicht in der Lage die Sachen neu zu kaufen, deren sie für den Winter so dringend bedürfen. Gewiß, es wird von allen Seiten die Opferwilligkeit der Wohlhabenden angerufen, aber auch noch nie zeigte sich dieser Opfergeist in so schönem Lichte wie in dieser schweren Zeit. Wieviel überflüssiger Hausrat noch in den Häusern steckt, hörte man in letzten Tagen, als die Liebesgaben nach Ostpreußen abgingen, aber gewiß ist noch so manches Stück zurückgeblieben. Da gedenkt unserer armen notleidenden Bonner Familien, deren Väter, Gatten und Söhne auch für Euch kämpfen und bluten. Eine Karte an die Brockensammlung, Paulstraße 25, genügt, die Sachen werden sofort abgeholt und es wird dem Vorstand durch reichliche Gaben ermöglicht, die so segensreiche caritative Einrichtung auch in der Kriegszeit aufrecht zu erhalten.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Mit Liebesgaben zur Front. Heute erhielt ich die Nummern der Deutschen Reichs-Zeitung vom 27., 28. und 29. September. In der Nr. vom 27. finde ich auch den Artikel des Herrn Hans Heinrich aus Mehlem a. Rh. Leider ist mir als alter Mehlemer der Herr nicht bekannt, trotzdem habe ich den Artikel mit Spannung gelesen. Ich möchte den Herrn bitten, wenn er nochmals zu uns in die Front kommt keine Fliegenfänger mitzubringen; denn 1. haben wir uns hier schon an die Tierchen ziemlich gewöhnt, 2. gibt es dieselben hier in solcher Unmenge, daß ihnen mit Fliegenfängern nicht beizukommen ist. Wir räuchern die Buden meistens aus, es würde uns daher 3. eine Beladung des Autos mit Tabak und Zigarren genehmer sein und 4. was der Herr überhaupt übersehen zu haben scheint, gibt es in den Schützengräben überhaupt keine Aufhängevorrichtung für Fliegenfänger.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Mittwoch, 14. Oktober 1914
Eine größere Anzahl französischer Verwundeter wurde gestern nachmittag in Automobilen und Straßenbahnwagen von hier nach der rechten Rheinseite gebracht.
Beerdigung des Leutnants von Gottberg. Tiefe Wunden schlägt die Eisenhand des Krieges. Wunden, die schwer vernarben und um die sich für immer schmerzhaftes Erinnern rankt. Ein Erinnern aber auch voll demütigen Stolzes, da wir wissen, daß all das junge Blut, das die Schlachtfelder rötet, nicht umsonst fließt. Und so wird der Soldat, der für sein Vaterland den Tod der Helden stirbt, nie und nimmer vergessen. – Auch Hans Egon von Gottberg, Leutnant im 9. Rhein. Inf.-Reg. 160, starb den Heldentod. Kurz vorher ward ihm für sein tapferes Verhalten das Eiserne Kreuz verliehen. Er durfte sich nicht lange über die Auszeichnung freuen. Das tödliche Blei traf auch ihn. Gestern nachmittag wurde er zu Grabe getragen.
Wer den Verstorbenen und sein Wirken nicht nur als Soldat, sondern auch als Hauptfeldmeister des Pfadfinder-Korps in Bonn gekannt, wußte, daß seinem Sarge viele Freunde folgen würden. Im Trauerhause Goebenstraße war eine kleine Trauerfeier, die für die Hinterbliebenen und die engeren Freunde einen erhebenden Eindruck hinterließ. Pfarrer Lorenz hatte für die Hinterbliebenen herzliche Trostworte. Er sprach vom Ernst des Krieges, der in manchem Familienkreise Lücken reißt und viel Schmerz und Weh bereitet. Dieses Weh aber werde versüßt durch den Gedanken an unser gemeinsames großes Vaterland, für das auch der Verstorbene gefallen sei.
Unter Vorantritt der Musik setzte sich der Leichenzug nach dem Poppelsdorfer Friedhof in Bewegung. Abteilungen Husaren und Infanterie, Wehrleute und verwundete Krieges aller Waffengattungen, eine Abordnung des Vereins ehem. Artilleristen mit umflorter Fahne und die junge Schar der Pfadfinder schritten dem Leichenwagen voran. Ein Soldat trug auf schwarzem Kissen das Eiserne Kreuz, das die Brust des Verstorbenen geziert hatte. Der offene Leichenwagen war flankiert von Soldaten des hiesigen Infanterie-Regiments, dann folgten die nächsten Angehörigen, viele höhere Offiziere und eine große Schar Freunde.
Der Sarg wurde auf dem Poppelsdorfer Friedhof beigesetzt. Die Musik spielte „Wir beten an die Macht der Liebe“ und die Soldaten präsentierten das Gewehr. Dann krachte eine dreimalige Salve über den Friedhof. Pfarrer Lorenz richtete nochmals Trostworte an die Leidtragenden und rief den Lenker der Schlachten über den Wolken an, damit er unseren Waffen den Sieg verleihe und unser schönes deutsches Vaterland schütze. Ein junger Pfadfinder legte im Namen des Pfadfinder-Korps einen Kranz mit herzlichen Widmungsworten am Sarge nieder. Viele dieser jungen Gestalten streuten mit feuchten Augen Erde in die offene Gruft. Nachdem prächtige Kränze am Grabe niederlegt waren, zerstreute sich der Leichenzug. Ueber den Gottesacker trug der Wind die Klänge der abziehenden Musik. Ich hat einen Kameraden …
Liebesgaben erbittet das 3. mobile Landsturm-Inf.-Bataillon Nr. 69, 2. Komp., Trier. Der „Bonner General“ soll helfen und ein sehr längliches Gedicht abdrucken. Aber derartige Wünsche treten jetzt so häufig an uns heran, daß wir nicht mehr in der Lage sind, alle gereimten Liebesgabenforderungen wörtlich zur Kenntnis zu bringen. Die Landstürmer, die jetzt in Libramont stehen, lassen ihren Bonner Mitbürgern durch das Dichtersprachrohr ihres Mitstreiters Aug. Esser u.a. Folgendes zututen:
Feldwach wär sonst wirklich fein,
Fehlet bloß „Schabau“ und Wein.
Kämen holde Mägdelein,
Sollte das ein Leben sein. (?!!)
Unser Feldwachkommandant
Ist den Bonnern auch bekannt:
Kofferath wird er genannt;
Kastellan sein Bürgerstand.
Feldwebel ist er als Soldat,
Revidiert uns früh und spat.
Ist ein echt Gardistenblut,
Handelt stets gerecht und gut.
Immer voll Humor und Witz,
Nebenmann, Schöpwinkels Fritz.
Pralinés und Schokolad‘
Er sonst zu verkaufen hat,
Dieses Männchen, jeder schau,
handelt jetzt mit Bohnen, blau.
Uns rasieren Luxus ist,
Bärte steh’n bei Jud und Christ.
Wie Banditen sieht, o Graus,
Jetzt der Bonner Landsturm aus.
Liebesgaben sind recht knapp,
schicket deshalb tüchtig ab.
Darum wir bitten inniglich:
Laßt den Landsturm nicht im Stich,
Der für Deutschlands Ehr und Macht
Hält in Welschland treue Wacht.
Ist es nicht ein Schabernack:
Gänzlich fehlet der Tabak,
Ebenso der Zigarrenschmach
Fehlet dem Bönnchen Landsturm auch.
Deshalb lieber „General“,
Hilf uns lindern uns’re Qual.
Wer könnte diesem Aufruf unserer wackeren Landstürmler widerstehen.
Der Bonner Liederkranz erfreute am Sonntag die verwundeten Krieger im Friedrich-Wilhelm-Stift mit einigen unter Leitung des Dirigenten Herrn Theo Kurscheidt sehr gut vorgetragenen Liedern. Ein dankbareres Publikum als die Verwundeten kann man sich nicht denken. Mit Genugtuung konnten die Sänger feststellen, daß sie erreicht hatten, was sie wollten, nämlich die Kranken aufzuheitern und kurze Zeit ihre Schmerzen vergessen zu machen. Herr E. Nestler richtete an die aufmerksamen Zuhörer eine tiefempfundene Ansprache, und einer der verwundeten Krieger dankte den Sängern für ihre Liederspenden und die Liebesgaben.
Der erste Deutsche Polizeihund-Verein, Zweigverein Bonn bittet um Unterstützungsbeiträge zur Ausbildung von Sanitätshunden. In allernächster Zeit sollen wieder 200 Führer und Hunde zur Front abgehen. Nach Berichten aus dem Felde bewähren sich die Sanitätshunde ausgezeichnet. Ein Hund fand in kurzer Zeit fünf Schwer- und zwei Leichtverwundete, die sich verkrochen hatten und schon seit eineinhalb Tagen auf dem Schlachtfeld lagen. Drei andere Hunde fanden zwölf Schwerverwundete im schwierigsten Gelände. Da staatliche Mittel nicht zur Verfügung stehen, ist der Verein auf die Unterstützung von Privatpersonen angewiesen, um die er von Herzen bittet. Polizeikommissar Flaccus, Bonn, Kirchallee 23, nimmt Spenden gern entgegen.
Von der Mädchenschule an der Heerstraße wurden heute wieder zwei Kisten mit Liebesgaben an der Diskonto-Bank abgegeben: Dieselben enthalten für etwa 50 Mark Tabak, Zigarren, Zigaretten, Streichhölzer, Kerzen, dann Socken, Pulswärmer, wollene Hemden, Fußlappen, eine Leibbinde, zuletzt Schokolade, Pfefferminz usw. Die Schülerinnen haben den selbstgestrickten Sachen kleine Herzensergüsse in Form von Paarreimen beigefügt. Einige davon mögen hier folgen:
Für Dich strick‘ ich so gern,
Hältst ja den Feind mir fern.
(…)
Ich habe fleißig für Dich gestrickt;
Du hast dem Feind am Zeug geflickt.
(…)
In den neuen Socken munter voran,
Du braver, treuer Landwehrmann!
Mit Freud‘ hab‘ ich für Dich gestrickt,
Du bist für mich ins Feld gerückt.
(…)
Nun hört einmal, Ihr lieben Bonner Kinder. Macht es auch so! Von jetzt an dürft Ihr keinen Pfennig mehr vernaschen. Bringt das Geld den Lehrern und Lehrerinnen! Die kaufen nützliche Sachen dafür, wodurch unsere braven Vaterlandsverteidiger erwärmt, gestärkt, erquickt, erfreut werden. Ich hoffe, daß ich mich nicht umsonst an Euch gewandt habe.
Tante Maria
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Der M.-G.-V. „Sanatoria“ Bonn, dessen Mitglieder größtenteils zur Fahne einberufen wurden, diente am verflossenen Sonntag wiederum seinem schönsten Zweck, indem er vereint mit dem „Gesangverein Bonner Bäckermeister“, der sich für die Dauer des Krieges mit der „Sanatoria“ verbunden hat, den verwundeten Mannschaften und Offizieren im „Hospital der barmherzigen Brüder“ unter dem gemeinsamen Dirigenten, Herrn Konzertmeister J. Postma, mit hübschen Liederspenden einige frohe Stunden bereitete. Die Vereinigung trug zunächst im Garten des Krankenhauses einige Chöre vor und erfreute dann die wunden Krieger auf fast allen Krankensälen durch besondere Liederspenden. Die dankbaren und leuchtenden Augen der Pfleglinge und besonders der lebhafte Beifall derselben waren den Sängern der schönste Lohn für ihre geringe Mühe und wurde der Wunsch baldiger Wiederkehr des Vereins sowohl von der Hospitalleitung wie auch von den Verwundeten ausgesprochen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Beuel 13. Okt. Die Bürgermeisterei Vilich-Beuel hat am verflossenen Samstag und Sonntag allen ihren im Felde stehenden Angehörigen einen herzlichen Gruß aus der Heimat übersandt und jedem dieser Grüße eine Anzahl notwendiger Sachen in 500 Gr. schweren Feldbriefen beigefügt und zwar: 1 warmes und dabei leichtes Woll- oder Flanellhemd, ein Paar Socken, 1 Paar Pulswärmer, eine gute Pfeife mit einem Paket „Sorgenbrecher“, eine Anzahl Zigarren sowie Chokolade. Die Gegenstände wurden in Abschnitte von neuen Bonner, Beueler und Kölner Zeitungen eingewickelt, da die Soldaten im Felde sehr wenig über die deutschen Erfolge erfahren und sich daher nach dementsprechenden Mitteilungen sehnen. Infolgedessen sind annähernd 600 Pakete, nach Armeekorps usw. geordnet, von dem Bürgermeisteramte der Postverwaltung übergeben worden. Bei dem Einsammeln der Adressen hat sich ergeben, daß dieselben vielfach nur recht mangelhaft angegeben wurden, sodaß weitere Erhebungen über Armeekorps, Regiment und Kompagnie (Schwadron bezw. Batterie) erforderlich werden. Daraus kann mit Sicherheit geschlossen werden, daß viele Klagen wegen Nichteintreffens von Militärpostsendungen auf mangelhafte Adressierung zurückzuführen sind. Im vorliegenden Falle darf bestimmt erwartet werden, daß der Versuch der Reichspostverwaltung, 500 Gr. schwere Feldbriefe zu befördern, für die gleichmäßig und sorgfältig verpackten und adressierten Liebessendungen der Gemeinde Vilich vollen Erfolg haben wird. Ob der demnächstige Versuch, auch bis 5 Pfund schwere Postsendungen an die Front gelangen zu lassen, gelingen wird, dürfte vielleicht weniger sicher sein, wenn große Mengen solcher Pakete aufgegeben werden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Umgegend“)
Bis zum 1. d. Mts. hatten unsere Verwundeten auf der städtischen Straßenbahn freie Fahrt. Weil nun mit dieser Vergünstigung Missbrauch war getrieben worden, entzog die Stadt den Verwundeten die Berechtigung der freien Fahrt und sandte in jedes Lazarett Freifahrtscheine, aber in so ungenügender Zahl, daß beispielsweise einem Reservelazarett, in welchem annähernd 46 Leichtverwundete gepflegt werden, nur 5 Freifahrtscheine überwiesen wurden. Ist das der Dank der Stadt Bonn an unsere Krieger, die Gut und Blut für das Vaterland geopfert haben? Müssen denn nun, weil in einzelnen Fällen mit der Freifahrt Mißbrauch getrieben wurde, alle die Verwundeten dafür büßen? Die reiche Stadt Bonn wird wahrhaftig nicht ärmer dadurch, wenn sie die Verwundeten, hier in pflege befindlichen Krieger frei fahren lässt.
Und unsere Pflegeschwestern, die bereitwilligst Tag und Nacht, ohne jeden Anspruch auf Entschädigung, freiwillig die Verwundeten pflegen, auch ihnen ist die Vergünstigung der freien Fahrt entzogen worden. Man sollte so etwas nicht für möglich halten.
Und den freiwilligen Krankenträgern, die so oft aus den Vororten und aus Beuel eiligst berufen werden, Verwundete zu transportieren, die sofort dazu bereit sind und um schnell am Güterbahnhof zur Stelle zu sein, die elektrische Straßenbahn benutzen. Auch sie haben keine freie Fahrt mehr. Ist das recht? Hoffentlich nimmt sich der Stadtrat der Sache an. Ein Veteran von 1870.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Wie dankbar unsere braven Truppen den Spendern von Liebesgaben sind, davon zeugt unter anderem eine der Firma Radermacher u. Comp., Siegburg, zugegangene Feldpostkarte. Dieselbe lautet:
(...) Schon lange wollte ich mich für die mir überlassenen 2 Dosen Preservativ-Cream bedanken, jedoch nie Zeit. Jetzt liege ich hier im Lazarett mit Schuß durch Rücken und Lunge und habe Zeit. Also ich habe bei täglichem Gebrauche, und was ich nicht vergessen will, bei Märschen bis zu 60 Kilometer pro Tag stets tadellose weiche Füße gehabt, nie eine Blase gelaufen oder sonst etwas. Auch wenn ich mir am Körper etwas aufgescheuert hatte, benutzte ich die Salbe mit gutem Erfolg. Ich kann derselben nur meine höchste Anerkennung aussprechen.
Mit freundlichem Gruß und nochm. Dank!
Res. Thiel, R. I.R. 65, 3. Komp.
Der erwähnte „Rademachers Preservativ-Cream“ leistet auch bei der jetzigen Jahreszeit den Truppen gute Dienste. Gegen Erkältungskrankheiten, verursacht durch kalte Füße, schützt sich der Soldat am besten durch Einreibung mit „Rademachers Preservativ-Cream“, welcher in Apotheken und Drogenhandlungen feilgehalten wird, und sich den Feldpostbriefen leicht beifügen lässt. Man achte jedoch beim Einkauf darauf, daß die Dose die volle Firma: Rademacher u. Co., Siegburg, trägt, da viele wertlose Fabrikate im handel sind.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Geschäftliches“)
Im Auto mit Liebesgaben bis zur Front
von W. Kappert, Mehlem
Am 4. Oktober, morgens um 8.15, gings von Mehlem mit drei strammgefüllten Autos nach Frankreich, um unsre tapferen Soldaten durch Liebesgaben zu erfreuen. Herr Rentner Henkels aus Mehlem hatte in selbstloser Weise seine beiden Autos zur Verfügung gestellt und außerdem noch den größten Teil der Liebesgaben aus seinen privaten Mitteln gestiftet, um diese längst vorbereitete Fahrt endlich auszuführen, das dritte Auto stellte Herr Fabrikant Berger, welcher vorher schon einmal zur Front gefahren war. Unser Führer war Leutnant Jansen, z.Zt. Godesberg, welchen wir als genesen zur Front zurückbrachten. Bei unserer Anfahrt war das Wetter feucht-neblig, der Himmel düster und grau bewölkt und drohte jeden Augenblick seine Schauern herabzusenden, doch erfreulicher Weise hatte der Himmel ein Einsehen, und so konnten wir, ohne die Verdecke unserer Autos aufziehen zu müssen, unsere Reise vollenden. Die Fahrt ging über Meckenheim durchs liebliche Ahrtal, überall von den Einwohnern durch Tücherschwenken freundlichst begrüßt, eilig weiter durch die friedlichen Eifeldörfer, bis uns vor Adenau die erste kleine Panne zu einer kurzen Rast zwang, dieselbe benutzend zur Einnahme unseres ersten Frühstücks. Hinter Bittburg die zweite Panne, und nun kamen wir ohne weitere Störung glücklich um 1.15 in Trier an. In Trier aßen wir zu Mittag und traten nach einer fast einstündigen Rast um 2 Uhr unsere Weiterreise an. Um 7½ Uhr erreichten wir Diedenhofen, machten wiederum Pause, nahmen von D. einen Oberarzt sowie einen ostpreußischen Landwehrmann mit und erreichten Metz um 6½ Uhr. In Metz wurde übernachtet und am anderen Morgen nach Erhalt von Benzol aus dem Militär-Depot die Weiterreise um 11.20 Uhr angetreten.
Das erste französische zerstörte Dorf T. erreichten wir mittags um 1 Uhr. Hier machten wir Halt, um die Rückkehr eines unserer Autos, welches eine andere Richtung eingeschlagen hatte, abzuwarten. In einer Wirtschaft, dessen Inneres durch drei Granaten arg mitgenommen war und dessen Inhaber, sowie der dort zu Besuch weilende Neffe als Franktireurs erschossen waren, warteten wir auf das verirrte Auto. In dieser Pause erzähle mir ein Neuwieder Landwehrmann, daß der Schmied von I. einen bayerischen Feldwebel mit dem schweren Hammer den Schädel eingeschlagen, die wohlverdiente Strafe war denn auch an dem Orte vollzogen worden. Von I. gings um 2.10 Uhr weiter nach B., wo gerade ein verwundeter und verstorbener deutscher Soldat beerdigt wurde. In Br. hatten unsere Soldaten die dortige Pulverfabrik in die Luft gesprengt, sodann machten wir Halt in B., wo unser begleitender Leutnant das erste Gefecht mitgemacht und uns den Verlauf des Kampfes beschrieb. Hier muß ein heftiges, wütendes Gefecht stattgefunden haben, denn der Ort selbst war vollständig in Grund geschossen, dort sah ich auch die ersten Einzelgräber, hinter einem Gehöft im Baumgarten waren drei Gräber von deutschen Soldaten, gleich hinter der Mauer des Gartens befand sich das Grab eines Leutnants Marx, der Helm des tapferen Offiziers lag auf dem Grabe, im Helm war deutlich die Eingangsmündung des Geschosses zu sehen, ein Schuß in den Vorderkopf hatte den unglücklichen Offizier dahingestreckt, etwas weiter querfeldein in der Nähe von aufgeworfenen Schützengräben waren nebeneinander die Gräber von drei Offizieren: Hauptmann Keihl, Hauptmann Passauer und Leutnant Gröber. Wir ehrten die toten, tapferen Offiziere, indem wir frische Blumen auf ihre Gräber steckten, und nachdem wir noch für dieselben ein kurzes Gebet verrichtet hatten, verließen wir den Ort des Grauens, um in C., wo unser begleitender Leutnant verwundet worden war, wiederum zu halten. Alsdann ging's mit rasender Geschwindigkeit weiter, 5½ Uhr trafen wir in M., ein, hier lag viel Militär, unsere Wagen wurden umringt und hundert bittende Hände erhoben sich, um vielleicht eine Zigarre oder sonst etwas zu erhaschen, aber das Kistchen, welches ich zur Verfügung hatte, war bald leer, zudem hatten wir unser Ziel auch noch nicht erreicht.
Wir waren etwas zu weit rechts abgebogen und mußten seitwärts zurück über B., L. und S., alles total zerstörte Ortschaften, bis wir endlich um 7½ Uhr abends glücklich die Kompagnie unseres Leutnants in A. erreichten. Bei der Nachricht an die Mannschaft, daß wir Liebesgaben mitgebracht hätten, sahen wir zu unserer eigenen Freude, die glückstrahlenden Gesichter der Soldaten, doch leider konnte wegen der bereits eingetretenen Dunkelheit die Austeilung der Liebesgaben nicht mehr erfolgen, unsere Autos wurden in einer Scheune untergebracht, bewacht von einem Posten mit aufgepflanztem Gewehr. Hierauf lud uns der Oberleutnant Schön in liebenswürdiger Weise zu einem Glase Wein ein, bei welcher Gelegenheit wir unsere mitgebrachten Vorräte mit den andren inzwischen eingetroffenen Offizieren redlich teilten. Wir wünschten uns alsdann gute Nacht, strebten unserem Nachtlager in der alten Scheune zu, wo unsere Autos untergebracht waren; doch die Ruhe, die ich suchte, fand ich nicht. Ich stattete daher nochmals dem Kantinenmeister, welchen ich vorher kennen gelernt hatte, einen Besuch ab, der gute Feldwebel kredenzte mir noch einige Gläser französischen Kognak, sowie alten Madeira, um 11 Uhr lagen wir dann friedlich auf unserem Lager in dem Heuschober. Doch meine innere Unruhe ließ mich nicht einschlafen, ich beneidete neben mir zwei Grenadiere, welche alle zwei Stunden die Wache ablösend, sofort nach dem Hinlegen wieder in den tiefsten Schlaf fielen. Die Bemerkung des Hauptmanns, daß der Dienstag immer ein kritischer Tag erster Ordnung sei, erhöhte nur noch mehr meine Unruhe, lagen wir doch nur 3 Kilometer von den Schützengräben und nur 12 Kilometer von der Festung entfernt, so daß die Beschießung des Ortes recht wohl möglich war.
Am Morgen des 5. erhoben wir uns um 7 Uhr vom Lager, und nachdem wir notdürftig an dem Pferdetränkebrunnen Toilette gemacht, nahmen wir unseren Kaffee bei dem freundlichen Kantinenfeldwebel ein. Um 10½ Uhr verließen wir wieder A., nachdem uns der Hauptmann im Namen seines Bataillons für die erhaltenen Liebesgaben seinen herzlichsten Dank ausgesprochen hatte. Dann gings weiter über M. nach D., wo eine große Fliegerstation war, ein Flugzeug stand gerade zur Abfahrt bereit, weiter brachte uns unser Auto über B. nach B., wo in den Gräben mehrere verendete Pferde lagen, gegen 2 Uhr mittags war wir in St., hier wollten wir abbiegen nach B. Leider brach in St. an einem Auto die Kurbelwelle, so daß wir uns gezwungen sahen, den defekten Wagen zum Verladen nach der nächsten Eisenbahnstation ins Schlepptau zu nehmen, das dritte Auto trennte sich von uns und trat die beabsichtigte Weiterreise nach B. an. In der Festungsstadt M. verluden wir unseren Wagen, dortselbst waren französische Kriegsgefangene in Uniform mit Wegebau beschäftigt. Die Festung hatte sich ohne Kampf ergeben, nachdem die Franzosen den unter der Festung herführenden Tunnel in die Luft gesprengt und sich der Kommandant erschossen hatte. Sodann gings mit dem einen Auto um 5½ Uhr abends weiter und kamen wir sodann um 6½ Uhr in L. an. In L. erhielten wir unsere Nachtquartiere bei der Proviantkolonne, meistens Kölner Metzger und Bäcker. Dieselben luden uns auch zu einem ganz vorzüglichen Abendessen ein. Zu 11 Mann schliefen wir in einem Zimmer.
Am folgenden Morgen standen wir um 6½ Uhr auf, tranken Kaffee und unternahmen hierauf in Begleitung unseres Leutnants einen Spaziergang zu den Höhen von L. Zunächst nahmen wir dort die neue zum Teil noch im Bau begriffenen Kasernenanlagen in Augenschein. Hier oben auf der Höhe muß ein fürchterlicher Kampf stattgefunden haben. Ihre eigenen Kasernen haben die Franzosen teilweise zerstört, da sie in denselben wohl unsere Truppen vermuteten. Weiter hinter den Kasernen fand ich noch an den Waldesrändern deutsche Tornister, Helme, Waffenröcke usw., ein Bild des Entsetzens, dann kamen wir weiter an ein Massengrab, wo ungefähr 2.000 Franzosen, sowie 1.000 deutsche Soldaten beerdigt lagen, unten am Ausgange der Stadt waren 10 Gräber von Franktireurs, ein Bouquet frischer Blumen war wohl anscheinend in der Nacht auf das gemeinsame Grab der Franktireurs gesetzt, keine 5 Schritte davon ab lag einsam das Grab eines deutschen Infanteristen. Um 11.15 Uhr vormittags verließen wir L., fuhren in größter Eile durch Luxemburg und kamen um 1.30 Uhr in der Stadt Luxemburg an. Von dort fuhren wir nach kurzer Rast um 1.50 Uhr weiter, erreichten Trier um 4 Uhr, weiter gings durch die Eifel über Euskirchen, Meckenheim und erreichten glücklich und wohlbehalten gegen 11 Uhr abends Mehlem. Es war eine gefahrvolle Reise. Vor allen Dingen galt sie doch einem idealen Zwecke, nämlich unseren braven tapferen Soldaten eine Freude zu bereiten, welche Aufgabe wir auch freudig erfüllt haben.
(Bonner General-Anzeiger)
Kriegserlebnisse eines Friesdorfers
Ein Reservist aus Friesdorf, der schon am 24. August verwundet wurde, schreibt uns über seine Erlebnisse folgendes: Wir kamen am 22. August früh näher an den Feind. Heulend durchzogen französische Schrapnells die Luft. Plötzlich bildete sich ein weißes Wölkchen, und prasselnd ergoß sich die Schrapnell-Ladung zur Erde. Uns schadeten die Kugeln nichts, unserer Artillerie recht wenig, denn die meisten Schüsse gingen zu kurz. Wir schwärmten aus, und plötzlich verließen die Franzosen unter unserem schrecklichen Artilleriefeuer ihre Stellung und liefen in voller Unordnung dem nahen Walde zu. Manchem gelang es nicht mehr, ihn zu erreichen, denn sie boten uns ein gutes Ziel dar. Der Kanonendonner schwieg nach und nach, und jeder warf sich in einem naheliegenden Kornfeld auf ein Bündel Stroh. Die meisten schliefen nach kurzer Zeit.
Andern Morgen marschierten wir um 3 Uhr ab, durchschritten ein Wäldchen und kamen auf ein großes Kornfeld. Gleich vornan lagen eine Anzahl gefallener Franzosen, aber auch zwei deutsche Jungen in ihren feldgrauen Uniformen. Weiter lagen viele Franzosen auf dem Feld in allen Stellungen, wie der Tod sie überraschte. Einer saß noch an einem Kornhaufen, wie ausruhend, der Kopf fehlte vollständig. Eine Granate hatte ihn weggerissen. Wir warfen Schützengräben aus und erwarteten jeden Augenblick den Feind. Aus einigen neben mir liegenden Tornistern waren französische Briefe an die Eltern und an eine Braut entfallen.
Nach einigem Warten teilte unser Hauptmann mit, daß die Franzosen in der Richtung auf die Grenze geflohen seien. Wir durchzogen den Wald, wo tags vorher das Hauptgefecht stattgefunden hatte. 24 Geschütze der Franzosen lagen da und wohl die meisten Bedienungsmannschaften mit den Pferden tot daneben. Der Tod muß sie geradezu überrascht haben, denn sie waren nicht mehr zum Abprotzen gekommen. Ein abgeschossenes Bein mit kunstvoll umwickelter Gamasche und eine feine schmale Hand mit goldenem Siegelring ruhen friedlich nebeneinander. Der Wald ging zu Ende und das grausige Bild war vorbei.
In einem naheliegenden Dörfchen war die Kirche voll gefangener Franzosen. Weggeworfene französische Tornister lagen überall, ebenso unzählige scharfe Patronen rechts und links von der Straße. Das nächste Dorf erreichten wir abends 8 Uhr. Es brannte vollständig mit Ausnahme der Kirche. In Zivil umgekleidete Soldaten hatten dort unsere Truppen beschossen. Ihre Erkennungsmarke machten ein Leugnen unmöglich. Sie wurden als Kriegsgefangene abgeführt. Der Schein des brennenden Dorfes beleuchtete geisterhaft unseren Biwakplatz. Wir erbeuteten ein Huhn, und bald schmeckte uns die Hühnersuppe nebst Kartoffeln ausgezeichnet. In kurzer Zeit lag alles wieder in tiefem Schlaf.
Am folgenden Tage marschierten wir um 6 Uhr morgens ab. Unterwegs wieder, wie Tags vorher, das trostlose Bild fliehender Dorfbewohner, die das Notdürftigste mitschleppten. Wir marschierten mit einer kurzen Pause bis 3 Uhr nachmittags. Dann kamen wir wieder ins Gefecht. Wir schwärmten aus, aber von dem Feinde war noch nichts zu sehen. Erst durch das Glas meines Gruppenführers sah ich deutlich auf etwa 2 Kilometer vor uns die feindlichen Schützengräben. Die Franzosen hatten eine hohe Bergkuppe besetzt. Der ausgeworfene graugelbe Erdwall war ein gutes Ziel für unsere Artillerie. Dann durchquerten wir in der Schützenlinie einen Wald. Plötzlich sagte unser Hauptmann: „Nun draufgehalten Leute, heute gilt es!“ Im Marsch – Marsch ging es über ebenes Gelände begrüßt von einem furchtbaren Schrapnellfeuer. Auf Befehl unseres Zugführers warf sich alles zu Boden. Plötzlich setzte unsere Artillerie ein. Es dröhnte, prasselte und knatterte ohrenbetäubend von hüben und drüben.
Jetzt ging es durch unsere Reihen: „Sprung auf – Marsch – Marsch!“ Einer brüllts dem andern zu, kaum hörte man des Nebenmannes Stimme, nur immer vorwärts eilten wir. Nur noch 800 Meter waren wir bis zu den feindlichen Schützengräben, da wurde es da drinnen auch auf einmal lebendig. Es prasselte und zischte um uns herum, doch weiter, nur weiter, Sprung auf, Marsch – Marsch! Wir sprangen über eine kleine Anhöhe, da plötzlich ein furchtbarer Knall über mir. Dann wurde es mir schwarz vor den Augen und ich sank hin.
Als ich zu mir kam, war ich schon mit meinem Verbandspäckchen verbunden, aber lange kann ich nicht bewußtlos gelegen haben, denn der Kampf war noch nicht beendet. Immer neue Schützenlinien stürzten an mir vorbei. Schrapnells platzten recht und links von mir. Ich raffte mich mit aller Kraft auf und kam glücklich aus dem Feuer. In einem Hohlweg traf ich Kameraden bei einigen Munitionswagen, die mich mit Milch labten. Kurz vor dem nächsten Dörfchen gesellte sich ein Unteroffizier mit durchschossenem Arm zu mir.
Einige Batterien Artillerie, die rasend schnell durch den Ort fuhren, wurden von Zivilisten heftig beschossen. Wir beschlossen daher, um den Ort zu gehen, aber der Blutverlust hatte mich so sehr geschwächt, daß ich nicht mehr weiter konnte und mich hinlegen mußte. Der Unteroffizier ging weiter und versprach mir, Hilfe zu schicken. Bald erschienen auch zwei Krankenträger mit einer Tragbahre und brachten mich zurück. Einer der Krankenträger aus Kessenich war mir bekannt und bemühte sich sehr um mich. Ein Arzt sah unsere Verwundungen nach und am nächsten Tage kamen wir in das nahegelegene Lazarett, von wo ich über Neufchateau-Luxemburg-Trier nach der Heimat zurückgelangt bin.
(Bonner General-Anzeiger)
Donnerstag, 15. Oktober 1914
Stadttheater. Man schreibt uns: „Als erste Neuheit der diesjährigen Spielzeit wird morgen „Die heilige Not“ von Johannes Wiegand und Wilhelm Scharrelmann gegeben. Über dieses Schauspiel aus den Tagen der deutschen Mobilmachung schreibt die Frankfurter Zeitung: Doch ist es mehr als ein ungewöhnlich geschicktes, aktuelles und patriotisches Rühtstück; es hat eine sozial-ethische Richtung: uns, die wir zu Hause geblieben sind, besonders den Reichen, predigt es, nicht nur für die verlassenen Mütter und Kinder zu sorgen, sondern vor allem, daß Arbeit vorhanden sei, jetzt und besonders nachher. „Das deutsche Volk muß das große Volk sein, dessen Arbeitsräder zuerst wieder laufen in der Welt. Dann ist die Zukunft unser!“
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
„Die Nachricht von meinem Tode ist stark übertrieben“, schrieb einmal der amerikanische Humorist Mark Twain. An diese Aeußerung erinnert uns das folgende Schreiben:
„Berlin N.W. 23, Brückenallee 2, L 13./10.14 In Ihrem Auszug aus der 48. Verlustliste ist der Lt. D. R. im Hus.-Regt. Nr. 7 Rinkel als tot aufgeführt. Dies ist unrichtig. Ich bin nicht tot, sondern auf einem Patrouillenritt bei Sémuy an der Aisne verwundet und mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden. Da aus Bonn zahlreiche Beileidsschreiben an meine Eltern infolgedessen eingehen, bitte ich um eine berichtigende Notiz in Ihrer Zeitung. Hochachtungsvoll Rinkel, Lt. d. R. H.R.“
Wir kommen dieser Aufforderung mit Freuden nach, bemerken aber, daß Leutnant d. R. Rinkel in der amtlichen Verlustliste als tot aufgeführt ist, ebenso Leutnant Graf Westerholt-Eysenberg und Leutnant d. R. von Schnitzler vom hiesigen Husaren-Regiment, die gleichfalls in der Lage sind, die amtliche Liste im Sinne Mark Twain’s zu berichtigen. Graf Westerholt ist kriegsgefangen und von Schnitzler leicht verwundet.
Wolle zum Stricken. Von Lessingstraße 38 wird uns mitgeteilt, daß die dort gespendete Wolle dauernd vergeben ist. Außerordentlich wertvoll wäre es, wenn sich weitere Spenderinnen fänden, da sonst viele fleißige Hände ruhen müssen. Denn die Zahl derer, die nicht die Mittel haben, die Wolle zu kaufen, aber gerne ihre freie Zeit hergeben, um für die Soldaten zu arbeiten, ist recht groß.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Vaterländische Reden und Vorträge. Am Mittwoch abend sprach in der Aula des städtischen Gymnasiums, vor einer überaus zahlreichen Zuhörerschaft, Herr Dechant Böhmer über Krieg und Caritas. Einleitend schilderte Redner kurz die Schrecknisse des Krieges. Ihm sei jedoch im Gegensatz zu den verderblichen Ausbrüchen menschlicher Leidenschaften, die dieser Krieg vielfach hervorgerufen, ein erfreuliches Thema zugewiesen, nämlich die Lichtseiten des menschlichen Herzens zu schildern, wie sie gerade zur Zeit des Krieges in dem opferwilligen Bestreben, die durch den Krieg hervorgerufene Not wirksam zu bekämpfen und zu beseitigen, in so überaus wohltuender und sieghafter Weise in die Erscheinung treten. Die tröstende und helfende Caritas sei eine der edelsten Blüten der durch die Erlösung wiedergeborenen Menschheit. Die selbstlose Opferwilligkeit aller Schichten unseres Volkes sei ein erhabenes Schauspiel und ein Zeugnis dafür, wie viel gesunde Keime in unserem Vaterlande schlummerten. Redner wandte sich dann den einzelnen Veranstaltungen zu und schilderte die Geschäfte, Bedeutung und Organisation des Roten Kreuzes und des Vaterländischen Frauenvereins. (…) Wie wir uns eins fühlen mit unsern Kriegern im Felde, so erstreckt sich auch die teilnehmende Fürsorge unserer Caritas auf die Frauen und Kinder unserer Krieger. Sie sollen nicht das Gefühl haben, als ob die Hilfe den Charakter von Almosen habe, diese Unterstützung ist nur eine kleine pflichtmäßige Vergeltung für das große Opfer, das sie dem Vaterland bringen müssen. Unsere Soldaten im Felde müssen es ebenfalls wissen, daß sie sich um ihre Lieben zu Hause keine Sorgen zu machen brauchen. Unser Volk verbindet den Stolz der Tapferkeit mit dem Heldentum der Caritas. Darum dürfen wir mit unerschütterlichem Vertrauen der Zukunft entgegensehen. Der Vortrag wurde mit größter Aufmerksamkeit und reichem Beifall entgegengenommen. Eine Wiederholung findet am kommenden Freitag statt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Freitag, 16. Oktober 1914
Fast alle deutschen Hochschullehrer – insgesamt mehr als 3.000 Dozenten – unterzeichnen eine Erklärung, in der sie sich zum deutschen Militarismus bekennen und den Krieg als Kampf zur Verteidigung deutscher Kultur bezeichnen.
Anspruch der Hinterbliebenen der im Kriege Gefallenen. Von den Hinterbliebenen der im Kriege gefallenen Militärpersonen der Unterklasse erhalten: Die Witwe eines Feldwebels, Vizefeldwebels, Sergeanten mit der Löhnung eines Vizefeldwebels jährlich 600 Mark. Die Witwe eines Sergeanten, Unteroffiziers, Zugführerstellvertreters jährlich 500 Mark. Die Witwe eines Gemeinen oder einer anderen Person der Unterklassejährlich 400 Mark, jeder vaterlose Waise von Militärpersonen der Unterklasse jährlich 240 Mark. Außerdem kann Eltern und Großeltern eines Gefallenen, die bisher ganz oder überwiegend unterstützt wurden, im Falle der Bedürftigkeit ein Kriegselterngeld von jährlich höchstens 250 Mark für die Person gewährt werden.
Zu dem Eingesandt vom 10. Oktober schreibt man uns: Die Stöcke sammelnden Knaben waren auch bei uns und erhielten bei uns und in der Nachbarschaft eine ganze Anzahl. Daß diese Sammlung auf Schwindel beruhen sollte, beunruhigte uns natürlich, und ich ging der Sache weiter nach und erfuhr in der Remigius-Schule von einem Lehrer, daß die Kinder allerdings von der Schule ausgesandt worden waren und daß über 100 Stöcke zusammengekommen sind, auch Lesestoff, und daß alles von den Verwundeten in den Lazaretten sehr erwünscht war. So hat sich einmal wohl ein Junge irrtümlich auf das Friedrich-Wilhelm-Stift berufen. Es wäre aber doch zu empfehlen, daß die Schulen, die solche Sammlungen veranlassen, den Kindern einen Berechtigungsschein ausstellen, um Missbrauch auszuschließen. Daß Kinder in den Dienst der Verwundeten-Fürsorge gestellt werden, ist gewiß durchaus berechtigt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Fremdenverkehr. Der Großherzog und die Großherzogin von Mecklenburg-Schwerin, sowie einige Mitglieder der herzoglichen Familie sind gestern im Hotel Königshof abgestiegen. Die hohen Herrschaften machten im Laufe des Tages Besuche in hiesigen Familien und in Lazaretten.
Mit Liebesgaben fuhren in Begleitung eines zur Front zurückkehrenden Generals einige Bonner Herren nach Frankreich. Im Hauptquartier des Kronprinzen gerieten die Automobilfahrer dadurch in eine mißliche Lage, daß es ihnen trotz aller Bemühungen nicht gelingen konnte, das zur Weiterfahrt erforderliche Benzin zu erhalten. Als sie beratschlagend auf dem Hofe des Generalkommandos standen, erschien dort der Kronprinz in Begleitung seiner Adjutanten. Er sah vorzüglich aus. Schon von weitem erkannte der Kronprinz den ihm noch aus Bonner Studienzeit bekannten Herrn Jakob Bachem. Er rief ihn zu sich heran und begrüßte ihn mit herzlichen Worten und kräftigem Händedruck. Es freue ihn sehr, zu erfahren, daß die Bonner Bürgerschaft so eifrig Liebesgaben sammle. Bachem möge allen Spendern hierfür bestens danken sowie alle Bonner bestens grüßen. Nachdem der Kronprinz noch angeordnet hatte, daß das erforderliche Benzin aus seinem eigenen Wagenpark verabfolgt werde, verabschiedete er sich mit nochmaligem Händedruck und freundlichem Zuwinken.
Die erste deutsche Kriegszeitung in Frankreich wird von Landsturmleuten in Vouziers hergestellt. Sie haben dort eine Druckerei entdeckt, sie gründlich gereinigt und wieder in Stand gesetzt. Zwei Abdrucke sind in unserem Schaufenster ausgestellt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Tierquälerei. Der Transport eines schwerbeladenen Möbelwagens gab am Mittwoch abend Anlaß zu großem Aergernis. Dem überlasteten Möbelwagen, der einem Fuhrwerksbesitzer aus einem eingemeindeten Vorort gehört, waren zwei Pferde vorgespannt, die der Last in keiner Weise gewachsen waren. An der Brückenstraße stürzte das eine Pferd und kurze Zeit darauf auf dem Friedrichsplatz das zweite. Das Fuhrwerk blieb auf dem Gleise der Straßenbahn stehen, wodurch der Verkehr fast eine Viertelstunde ins Stocken geriet. Unter größten Anstrengungen wurde das Fuhrwerk wieder flott gemacht und dann gings weiter bis zur Meckenheimerstraße, wo beide Pferde zugleich aufs Pflaster stürzten. Da wäre es doch wirklich an der Zeit, daß sich der Tierschutzverein ins Mittel legte, um derartigen groben Unfug zu steuern. K.
Sammelfässer. Dem freundlichen Poppelsdorfer die Nachricht, daß das Sammelfaß gar zu wenig benutzt und deshalb weggenommen wurde. Es erhielt deshalb einen verkehrreicheren Platz, wo die Vorbeikommenden hoffentlich opferfreudiger für unsere Helden im Felde sind. M.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Allzu hohe Kartoffelpreise. Wir brachten gestern eine Zuschrift aus Mörs (…) über ein ungerechtfertigtes Anziehen der Kartoffelpreise. Daraufhin sind uns aus allen Kreisen der hiesigen Bevölkerung ähnliche Beschwerden geäußert worden für die hiesige Gegend. In früheren Jahren mit gleich reichlicher Ernte wie in diesem Jahre zahlte man für gute Speisekartoffeln höchstens 2,50 Mark bis 2,80 Mark; heute verlangen die Landwirte, welche die Kartoffeln in großen Mengen herbringen, schon 3,80 Mark und behaupten, sie täten damit den Käufern noch einen Gefallen, da die Händler ihnen schon 4 Mark böten. Wir können diese Behauptung nicht auf ihre Richtigkeit prüfen (…), auf jeden Fall ist ein derart unverschämt hoher Kartoffelpreis in diesem Jahre nur eine Ausnutzung der Kriegslage, die durch nichts gerechtfertigt ist. In unserer Gegend ist die Kartoffel das gesuchteste Nahrungsmittel der ärmeren Leute. Dieses darf unter keinen Umständen verteuert werden, da zu den armen Leuten während des Krieges auch die unterstützungsbedürftigen Angehörigen der Kriegsteilnehmer gerechnet werden müssen. (…) Es kann hier nicht anderes mehr helfen als ein Eingreifen der Behörden, wie es bereits in der Mosel- und Saargegend erfolgt ist. Dort hat die Behörde die Kartoffelpreise festgesetzt und angedroht, alle Kartoffeln zu beschlagnahmen und sie zu verkaufen, wenn nicht geliefert wird. Sollte dies Mittel nicht ergriffen werden, so empfehlen wir den Einwohnern, nur die allernotwendigsten Kartoffeln stets nur für einige Tage zu kaufen. Dann werden die Preise sicherlich heruntergehen und die beinahe wucherische Ausnutzung der Kriegslage (…) hört auf.
Verwundete in der Straßenbahn. Nachdem in letzter Zeit Klagen laut geworden sind, als gewähre die Straßenbahn den Verwundeten keine freie Fahrt oder nur in beschränkter Anzahl Freikarten, haben wir an zuständiger Stelle Erkundigungen eingezogen und können in der Angelegenheit folgendes mitteilen: Zwischen der Oberleitung der hiesigen Lazarette und der Verwaltung der städtischen Straßenbahn haben Verhandlungen über die Gewährung von Freikarten für die verwundeten Krieger in Bonn stattgefunden. Die Aerzte waren der Ansicht, daß es für die Gesundung der Verwundeten im allgemeinen besser sei, wenn sie sich in der frischen Luft bewegten, daß selbst bei Bein- und Fußwunden eine Bewegung besser sei, als das Fahren. Nur in bestimmten Fällen sei daher den Verwundeten eine Fahrt dienlicher. Die Personen, denen freie Fahrt daher gewährt werden solle, müßten von den Aerzten bestimmt werden. Die Straßenbahn stellte der Leitung die gewünschte Anzahl – 250 – Freikarten zur Verfügung und ist bereit, wenn die Lazarettleitung es wünscht, weitere Karten zu gewähren. Solchen Verwundeten, die mit der Bahn ankommen und denen das Gehen schwer fällt, wird, wenn sie zu einem hiesigen Lazarett fahren wollen, freie Fahrt auf der Straßenbahn gewährt. Ueber die Gewährung der Frei-Karten für die Pflegeschwestern ist mit dem Vaterländischen Frauenverein verhandelt worden. Für diejenigen, die einen weiten Weg zurückzulegen haben, gewährt der Vaterländische Frauenverein freie Fahrt. Auch für die freiwilligen Krankenträger wurde nach Vereinbarung mit Herrn Rittmeister Weyermann diesen die gewünschte Anzahl Freifahrtscheine gegeben. Den Beueler Krankenträgern wird das vorgelegte Fahrgeld am Schlusse des Monats zurückgewährt.
Wir glauben, daß die Verwaltung der Straßenbahn damit hinreichend Entgegenkommen bewiesen hat und daß sie bereit ist, im Bedürfnisfalle noch weiter zu gehen. Auch für die Verwaltung muß der Gesichtspunkt maßgebend sein, daß die Leitung der Lazarette und der freiwilligen Krankenpflege die Bedürfnisse in dieser Beziehung eher richtig beurteilen, als sie selbst oder das Publikum, das in falschem, wenn auch begreiflichem Mitgefühl glaubt, den Verwundeten komme man nicht genug entgegen. Zuletzt darf auch die Rentabilität unseres Straßenbahnunternehmens nicht durch die Gewährung schrankenloser Freifahrten, wie es in den beiden ersten Monaten nach der Mobilmachung der Fall war, in Frage gestellt werden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Brieftauben-Liebhaber-Verein „Kriegspost“, Bonn. In einer hiesigen Zeitung stand vor kurzem eine Notiz, daß feldernde Tauben abgeschossen und den Verwundeten gebracht werden sollten. Die Notiz wurde am folgenden Tage auf das Ersuchen der hiesigen Brieftauben-Liebhaber-Vereine widerrufen. Es war vorauszusehen, daß durch die erste Notiz sehr viele unserer Brieftauben mit abgeschossen würden. Wir brauchen nicht besonders darauf aufmerksam zu machen, daß unsere Tauben ebenfalls im jetzigen Kriege, und zwar massenhaft zu Meldezwecken verwendet worden sind, und noch verwendet werden. Ueber die Tätigkeit der Tauben und die Handhabe darf aus bekannten Gründen nicht verlautet werden. Wir haben nun leider die Erfahrung gemacht, daß fortwährend unsere wertvollen Tauben abgeschossen werden. Wir bitten im vaterländischen Interesse , doch keine Brieftauben abzuschießen.
Godesberg, 13. Oktober. In Ihrer Nr. 557 vom 13. Oktober 1914 lese ich unter „Stimmen aus dem Leserkreis“ den Artikel „Mit Liebesgaben zur Front“. In diesem Artikel muß ich dem Herrn Hans Heinrichs aus Mehlem nur dankbar sein, daß er es nicht verschmähte, auch Fliegenfänger mitzunehmen und möchte ich dem Herrn Einsender die Augen öffnen, wozu diese Fliegenfänger vorzüglich geeignet sind. Als wir Verwundeten uns mit unseren notdürftigen Verbänden an die Sammelstellen der Feldlazarette (ungefähr einige Kilometer vor den Schützengräben) abliefern ließen, wurden wir natürlich neu verbunden, aber trotzdem drang das Blut immer wieder durch. Nun lagen wir ungefähr zu 40 Verwundeten auf einem großen Speicher. Hier hatten sich aber auch unzählige Fliegen eingefunden, und wenn ich meinen verwundeten Fuß erhob, so summte es mir gleichsam wie ein Bienenschwarm um meinen Körper. Gab es dann etwas zu Essen, so setzten sich die Fliegen wieder auf diese Sachen, was natürlich keines Menschen Appetit anregen kann. Wie oft ist da der Ruf nach Fliegenfängern laut geworden, leider vergeblich. Was ich hier jetzt von dem Lazarett geschrieben habe, findet auch Anwendung auf den Bahntransport. Also der Herr Einsender ist sehr im Unrecht, wenn er auf diese Weise die lobende freie Beteiligung eines Herrn kritisieren will, der es nicht scheut, immer wieder zu unseren Kameraden zu fahren und ihnen die eingegangenen Liebesgaben zu übermitteln, während vielleicht unser Herr Einsender gemütlich in seinen vier Wänden sitzt, denn aus der Front ist diese Einsendung sicher nicht gekommen. (Doch. Die Red.) Achtungsvoll Heinrich Katz, zur Zeit Viktoria-Hospital Godesberg
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Samstag, 17. Oktober 1914
Mit der Schlacht an der Yser im äußersten Nordwesten Belgiens findet der „Wettlauf zu Meer“ seinen Abschluss.
Volkshochschulkurse: Im Hinblick auf die Kriegszeit hat der Ausschuß beschlossen, eine Ermäßigung der mit 3 Mk und 4 Mk festgelegten Preise für Hörerkarten insofern eintreten zu lassen, als die nächsten Familienangehörigen der Inhaber von Hauptkarten das Recht haben, eine billige Karte von 1 Mk bzw. 1,80 Mk zu benutzen. Wenn von einer Familie bereits mehrere Hauptkarten gelöst worden sind, kann ein Umtausch bei den Verkaufsstellen unter Vergütung des zuviel gezahlten Beitrages erfolgen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
In Spionageverdacht kam am Donnerstag nachmittag ein auswärtiger Landschaftsmaler, der sich am Flodeling in Endenich häuslich niedergelassen hatte, um eine interessante Partie auf die Leinwand zu bannen. Einem Ackerer, der dem Maler in einiger Entfernung zugesehen hatte, kam die Geschichte verdächtig vor und eiligst lief er zur Polizei und machte dort von seinem Verdacht Mitteilung. Um ein Entweichen zu verhindern, pürschten (sic!) sich zwei Polizeibeamte aus verschiedenen Richtungen an den Ahnungslosen heran, der natürlich große Augen machte, als er plötzlich die beiden Vertreter der öffentlichen Ordnung neben sich auftauchen sah. Gar bald hatten die Beamten die völlig ungefährliche Tätigkeit des Malers festgestellt, und da auch seine „Papiere“ in Ordnung waren, zogen sie in Begleitung des Ackerers, der ebenfalls mitgekommen war, um den Ausgang der Sache mitzuerleben, wieder von dannen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Warnung. Es wird davor gewarnt, Kindern, die angeblich im Auftrag der Schule Geld, Bücher, Spazierstöcke und andere Sachen für die Verwundeten sammeln, etwas zu verabreichen. Da Unehrlichkeiten vorgekommen sind, mögen die Leute die Spenden selbst an den bekannten Sammelstellen abgeben.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Allerseelen naht. Mehr denn je sind dieses Jahr unsere Gedanken bei den Toten. Der Krieg rückt Sterben und Verlieren in unsern täglichen Gedankenkreis, und die Erinnerung an liebe Verstorbene, die wir in Friedenszeiten oder durch den Krieg verloren, ist lebendiger denn je. – Unsern auf dem Schlachtfeld gefallenen und begrabenen Helden können wir keine Kränze aufs Grab niederlegen, keine Lichter anzünden. (...) Aber unseren in heimatlicher Erde ruhenden Angehörigen wollen wir, wie jedes Jahr, einen Kranz, ein paar Blumen aufs Grab legen. (...) Und indem wir der Toten gedenken – helfen wir den Lebenden, helfen all den durch den Krieg schwer geschädigten großen und kleinen Gärtnereien. (...) Zwar werden viele Menschen diesmal nicht in der Lage sein, Kränze und Blumen zu kaufen. (...) Allen andern aber möchte ich zurufen: Gedenkt der Gärtner! Bestellt bei ihnen Eure Kränze, die dem Ernst der Zeit entsprechend schlicht und einfach sein sollen. (...) Wir müssen einem Stand, der ganz besonders unter dem Krieg leidet, bei dieser Gelegenheit helfen und dürfen diese Gelegenheit nicht versäumen. So lasst uns den Lebenden helfen, indem wir der Toten gedenken zu Allerseelen. E.H.
Helfet dem notleidenden Winzer durch Weintrinken! In letzter Zeit habe ich mit Aufmerksamkeit die verschiedenen Artikel in Tageszeitungen gelesen, die vor übergroßer und berechtigter Sparsamkeit warnen und diese als vollständig unpatriotisch hinstellen. Die angeführten Gründe finden meinen vollen Beifall. Nirgends wird jedoch mehr Sparsamkeit geübt, als in Bezug auf das Weintrinken. Men bedenkt nicht, wie sehr durch diese Enthaltsamkeit der Winzer und der Weinhändler geschädigt wird. Die Winzer an Rhein und Mosel sehen einer wirklich traurigen Zukunft entgegen. Der Weinverbrauch hat beinahe ganz aufgehört. Festlichkeiten, bei welchen Wein getrunken wird, finden in diesen ernsten Zeiten nicht statt. Im Haushalt spart jeder am direkt entbehrlichsten zuerst. Den zur West- und Ostfront durchreisenden Soldaten, welchen ein Glas Wein zur Stärkung nicht schaden könnte, ist aus übrigens
begreiflichen Gründen der Weingenuß verboten, trotzdem man hört, daß Liebesgaben in Gestalt von Wein für Verwundete stets willkommene
Gaben sind. Was sollen die armen Winzer und Weinhändler mit ihren
Weinvorräten anfangen, wer kauft dem Winzer die jetzt reifende Ernte ab, wenn der Weingenuß immer mehr eingeschränkt wird? (...) Darum, Ihr gutbesoldeten Beamten, Ihr tüchtigen Geschäftsleute und wackeren Bürger, gönnt Euch in der jetzigen Zeit den Genuß eines guten Glases Wein in vermehrten Maße. Ihr leistet damit dem Vaterlande, dessen herrliche Siege auch zahlreiche Winzer und Winzersöhne mit erstreiten helfen, einen großen Dienst. Ein Winzer von der Mosel.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Sonntag, 18. Oktober 1914
Der 3. Vaterländische Volksabend, der gleichzeitig eine Gedächtnisfeier bedeutet für die heute vor 101 Jahren stattgefundene Völkerschlacht bei Leipzig, und neben einer Ansprache des Herrn Dr. Brüggemann ein reichhaltiges musikalisches Programm aufweist, findet heute abend 8 ¼ Uhr in den Sälen des Bonner Bürgervereins statt.
Von den Bonner Landsturmleuten in Libramont erhalten wir folgendes Gedicht:
Wißt ihr Bonner, was uns träumt hat,
In Libramont, in Feindesland?
Da standen wir zu Schutz und Trutze
Treu Wacht an der Ardennen Rand.
Wir sah'n im Traum die sieben Berge,
Rheinbrücke und den Alten Zoll,
Bonner geschäftig wie die Zwerge,
Sie packen grad ein Auto voll.
Und viele brachten Liebesgaben,
Die Frauen und die Mägdlein hold,
Der Bonner Landsturm soll sie haben,
So haben alle es gewollt.
Tabak, Zigarren und Zigaretten,
Seif', Schokolad' und Dauerwurst,
Und warmes Zeug für sich zu betten,
Likör und Bier noch für den Durst.
Handtücher bracht' man in Paketen,
Von Libramont ein Jammerschrei,
Drum, recht herzlich hat gebeten,
weil darin großer Mangel sei.
Mit Freuden kamen Landsturmkinder
Mit Pulswärmern und Pfeifen viel,
Ein Enkelkind freut sich nicht minder,
Bracht Großvater ein Kartenspiel.
Die Trommel rasselt durch die Straßen,
Es ist erwacht ein Landsturmmann,
Verwundert sich jetzt übermaßen,
Daß er kein Auto sehen kann.
Nur Libramont im Morgenschlummer,
Das bietet sich dem Blicke dar.
Der Landsturmmann hat großen Kummer,
Weil alles nur ein Traumbild war.
Auf Bonner, lasst es Wahrheit werden,
Sorgt für den alten Landsturm gut,
Das Beste, was Ihr habt auf Erden,
Ist Euer eigen Fleisch und Blut.
Es bleibt nicht ewig Krieg hienieden,
Drum rufen wir begeistert aus:
Gott schenke ehrenvollen Frieden,
Beschütz Familie uns und Haus.
Aug. Esser, 2.Komp. 3. mobiles Landsturmbatallion, Libramont
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Friedrich-Wilhelm-Stift. Eine angenehme Abendunterhaltung wurde am Freitag den verwundeten Kriegern im Friedrich-Wilhelm-Stift dargebracht. Herr Jos. Schröder führte in großen Lichtbildern Szenen aus der großen Zeit des Krieges 1870/71 vor. – Die Bilder wurden von einem Vortrag und Gedichtrezitationen und Harmonium-Darbietungen einer musikgeübten Schwester begleitet. Mit einer Kaiserhuldigung und dem gemeinsamen Gesang „Deutschland über alles“ endete die Abendunterhaltung, die von den Soldaten mit Dank und Händeklatschen aufgenommen wurde. Der Vortrag kann auf Wunsch auch in den übrigen Kranken- und Erholungshäusern wiederholt werden.
Für die Notleidenden in Elsaß-Lothringen werden freiwillig gespendete Gaben aller Art an Behörden, Ausschüsse und Sammelstellen frachtfrei auf der Eisenbahn befördert.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
„Im Auto Pakete an die Front.“ So hieß es Ende vorigen Monats. – Auch ich dachte so meinen drei Söhnen das Notwendigste an Wollsachen usw. ins Feld schicken zu können und übergab der Diskonto-Bank drei Pakete sorgfältigst verpackt und mit genauer Adresse mehrfach versehen. Von diesen drei Paketen ist nur eines an die richtige Adresse gekommen. Von einem anderen erfuhr durch einen Stabsarzt mein Sohn, daß es verteilt worden sei, weil das Auto ihn nicht gefunden habe. Der Stabsarzt schickte zugleich den dem Pakete beiliegenden Brief an meinen Sohn. Wenn nun der Brief des Stabsarztes meinen Sohn erreichte, warum muß nun der arme Kerl vorlieb nehmen mit dem Brief, worin angeben war, was wir ihm geschickt hatten? Das Paket hätte er wahrlich gut gebrauchen können, zudem ist es sonderbar, da die Autos schon den Ort, in welchem mein Sohn einige Zeit liegt, passierten und dort Liebesgaben abgegeben haben. Mit etwas mehr Mühe hätte das Paket, welches einen sehr teuren Inhalt trug, wohl an die richtige Adresse gelangen können. F.L.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Fußball zum Besten des Roten Kreuzes. Das in Sportskreisen stets mit Interesse verfolgte Wettspiel zwischen den beiden Lokalvereinen Germania-Borussia findet heute nachmittag ½4 Uhr statt. Die Reineinnahme soll dem Roten Kreuze überwiesen werden. Das Spiel ist auf dem neuen Germania-Sportplatze an der Kölnstraße (Lievelingsweg). Eintrittspreis 25 Pfg. Militär hat freien Zutritt.
Katholischer Gesellenverein. Am Sonntag, den 18. Oktober findet wieder abends um 9 Uhr unsere Vereinsversammlung statt. Herr Kaplan Fuhrmans wird einen Vortrag halten über das Thema: Das Uebel des Krieges und der allgütige Gott. Außerdem ist für reiche Unterhaltung gesorgt durch Verlesung der Kriegsberichte unserer Kameraden im Felde, Deklamationen usw. Zugleich machen wir aufmerksam auf die am Sonntag, den 26. Okt., morgens 8 Uhr in der Stiftskirche stattfindende gemeinschaftliche hl. Kommunion.
Wegen Gotteslästerung hatte sich der Tagelöhner Jakob Cremerius aus Bonn an der Strafkammer zu verantworten. Am Morgen des 15. August hatte er sich in Dottendorf vor die Kirche, aus der gerade die Leute kamen, gestellt, eine Schnapsflasche aus der Tasche genommen und damit Bewegungen ausgeführt, als wollte er den Segen erteilen. Das Gericht verurteilte den Angeklagten nur wegen groben Unfuges zu sechs Wochen Haft; wegen Bettelei wurde Cremerius ebenfalls zu sechs Wochen Haft und zur Ueberweisung an die Landespolizeibehörde verurteilt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Montag, 19. Oktober 1914
Universitätsfeier. Der feierliche Akt der Rektoratsübergabe fand gestern um 12 Uhr in der Aula statt. Zu der Feier, die ja in diesem Winterhalbjahre des großen Krieges wegen eine besondere Bedeutung gewinnt, hatten sich zahlreiche Gäste eingefunden. Die Chargierten unserer Studentenverbindungen stellten diesmal allerdings nur einen einzigen Vertreter. Die meisten unsere Studenten sind ja draußen im Felde oder sie harren der Erlaubnis zum Einrücken. Auch die sonst übliche Musik fehlte diesmal. (...) Mit besonderer Feierlichkeit und starker innerer Bewegung gedachte der Rektor der Universitätsmitglieder die im Felde stehen: „Der große Krieg – der gewaltigste der Weltgeschichte – war ausgebrochen. Dozenten und Studenten eilten zu den Fahnen oder stellten sich freiwillig dem Vaterlande. In dem Jubel der Begeisterung und dem Ernste der Gesinnung, in der Willenskraft und in dem Opfermute zeigen sich, daß Deutschland seine Söhne wohl erzogen hat zu der hehrsten staatlichen Gesinnung, der unbedingten Hingabe an den Staat, das Vaterland und den Kaiser und König.“ Nach den bisher einlaufenden Nachrichten haben sich von den 4013 Studenten 2436 gestellt, davon sind 1541 unter den Waffen, die anderen beim Roten Kreuz usw. „Bei der langen Dauer des Krieges werden sicher zwei Drittel der Studenten ausziehen. Mit Stolz dürfen wir solche Ziffern verkünden! Sie gehen weit über die Beteiligten von 1870 hinaus. Um das deutsche Volk und seine Zukunft kann uns nicht bange sein, denn derselbe Geist, der unsere Studenten ergriffen hat, lebt auch in allen Schichten des Volkes.“ (...)
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Haussammlungen zur Beschaffung warmer Unterkleidung für die Truppen sollen demnächst allgemein veranstaltet werden. Wolle soll künftig nur für Strümpfe, Pulswärmer, Kopfhüllen und Ohrenwärmer verwendet werden, weil Leibbinden, Halstücher und Unterjacken ebensogut aus Flanell oder Biber hergestellt werden können. (…)
Dritter Vaterländischer Volks-Abend. Ein schöner Abend war’s; würdig schloß er sich den vorangegangenen an. Vieles brachte er und Vielerlei, um so einen jeden der übervielen Besucher etwas zu bringen. – Einleitend sang der Frauenchor Elma Axenfelds den dreizehnten Psalm von Brahms. (…) Die Ansprache darauf hielt Dr. F. Brüggemann. Er erinnerte an den 19. Oktober 1813, den letzten Tag der Leipziger Schlacht. Gedachte der Gedenkfeier des Vorjahres, und bemerkte, daß wir heute ein viel tieferes Einsehen in die Bedeutung jener Volkserhebung hätten, denn im verflossenen Jahre, da unwillkürlich – für die Deutschen war ein Krieg fast ein überwundenes Ereignis der Geschichte geworden – eben jene Feiern den Charakter von rein akademischen angenommen hätten. Heute aber verstehen wir, das ganze Volk, die Erhebung des ganzen, einmütigen Volkes von damals, wir, die wir zwar nicht das Joch eines Tyrannen zu tragen hatten, die zu einem Existenzkampf bis aufs Blut durch der Feinde Niedertracht gezwungen sind, eine Tatsache, die jedem Deutschen, der nur irgendwie die letzten acht Tage vor der Mobilmachung miterlebte, in seiner ganzen Tragweite offenbar wurde. Diese Tage aber waren es auch, die das Herz des Letzten unseres Vaterlandes, und mochte er bis dahin noch so abseits gestanden oder gar einigen Groll in der Seele genährt haben, unserm geliebten Kaiser gewannen; auch der Letzte fühlte sich eins mit dem Kaiser … Ein besonderes Wort widmete er der englischen Politik, für deren moralische Minderwertigkeit die deutsche Sprache leider keinen entsprechenden Ausdruck hat. Das irregeleitete Volk der Franzosen, das aus völkischen Gründen nur in und durch den Rachegedanken lebt, einigermaßen zu bemitleiden, ist kaum eine Schande. Rußland, dieses Gemengsel von Kultur und Unkultur – fast schlimmer noch als Barbarentum – hat, gleichwohl wir der Tage Ostpreußens nicht vergessen und vergeben können, beinahe ein Recht auf mildere Beurteilung. Aber England, das sich stets übergroß maulhaft als den Hort der modernen Zivilisation gefiel, wurde der gemeine Verräter der weißen Rasse, hetzte Braune, Schwarze, Gelbe auf Europa, um daran die ekelhaften Judaspfennige zu profitieren. Und soviel steht fest: wo eine Notwendigkeit besteht, da findet sich ein Weg … naturnotwendig!! - - Daß diesen Worten, die allen aus der Seele gesprochen waren, die gebührende allseitige Zustimmung zuteil wurde, bedarf wohl kaum besonderer Bemerkung!
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Gesellschaft für Literatur und Kunst. (…) Am Samstag abend trug Emanuel Stockhausen-Hamburg in der Gesellschaft für Literatur und Kunst den prachtvollen Zyklus „1813“vor, den Ernst Lissauer im vorigen Jahre anläßlich der Jahrhundert-Gedenkfeier an die Erhebung Preußens gedichtet hat. Eine starke, wundervoll geschlossene Darstellung der Stimmungen und Kräfte, die damals in unserem Volke lebendig waren und die uns alle bei dem heutigen zweiten Befreiungskriege wieder erfüllen. Stockhausen sprach die Verse in seiner echten, miterlebenden Art, die wir Bonner von früheren Vortragsabenden an ihm kennen und schätzen gelernt haben. Wie er das, in den Vortrag eingefügte sogenannte Haßgedicht auf England von Lissauer beendet hatte, brach ein begeisterter Beifallssturm los. Man darf ihn als Bekenntnis zu dem Schlußvers des Gedichtes auffassen: Wir lieben vereint – wir hassen vereint, - wir haben alle nur einen Feind: England!
Bonner Autos im Biwak der 160er. Im Schaufenster unserer Geschäfsstelle ist eine Photographie ausgehängt, die Bonner Liebesgaben-Autos im Biwak der 160er zeigt. Das Bild wurde uns von Herrn Prof. Dr. A. Pflüger in liebenswürdiger Weise zur Verfügung gestellt.
Aus den hiesigen Lazaretten wurden eine größere Anzahl Verwundeter, welche auf der Genesung waren, nach den Lazaretten in Oberkassel, Dollendorf und Königswinter gebracht. Ein Sonderzug der elektrischen Siebengebirgsbahn, vier Wagen stark, welche bis zum letzten Platz gefüllt waren, brachte diese Braven dorthin. Die Leute waren recht munter und rauchten während der Fahrt gemütlich ihr Pfeifchen, Zigarre oder Zigarette.
Ein Verkauf von Beutepferden findet, wie bereits mitgeteilt, am Mittwoch den 21. Oktober von 10 Uhr ab durch die Landwirtschaftskammer unter Mitwirkung der Rheinischen Pferdezentrale auf dem Schlachthofe in Köln statt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Dienstag, 20. Oktober 1914
Übungsmarsche des Bonner Wehrbundes. Am Samstag Nachmittag vereinigten sich sämtliche Abteilungen des Wehrbundes, etwa 200 Mann stark, unter Leitung des Herrn Turninspektors Schröder zu einem Übungsmarsch, der allen Teilnehmern durch den Besuch des Gefangenenlagers auf dem Truppenübungsplatz Wahn wie durch die stattliche Marschleistung in guter Erinnerung bleiben wird. (...) Bei eintretender Dämmerung wurde der Übungsplatz erreicht, und unter der Führung eines Offiziers ging es in langem Zuge durch den von Posten bewachten Barackenbezirk. Es war ein eigentümliches Bild, wie sich die Scharen von Gefangenen um den langen Zug drängten, in dem sie etwas von Deutschlands militärischem Nachwuchs sehen konnten: Franzosen, Engländer, Zuaven, Turkos Sengalesen und wie die edlen „Bundesgenossen“ alle heißen. In ihrer fantastischenschmutzig-bunten Tracht machen sie meist einen gleichmutigen, unkriegerischen Eindruck; offenbar fanden sie es ganz erträglich in deutscher Gefangenschaft. Den Rückmarsch über dunkle Chauseen verkürzte froher Gesang, und auch von den Jüngsten blieb niemand zurück. Um halb elf Uhr war der Marsch von etwa 36 Kilometern, der die Schar neun Stunden ohne Unterbrechung auf den Beinen gehalten hatte, zu Ende: gewiß ein Zeichen, daß der Wehrbund nicht Spielerei, sondern ernste und nützliche Vorarbeit im Dienste des Vaterlandes betreibt.
Eine Warnung für Kriegsschwätzer. Als Warnung für Kriegsschwätzer kann die exemplarische Strafe dienen, die der Händler Eugen Birgentzle in Straßburg vom dortigen außerordentlichen Kriegsgericht erhielt. In einer Wirtschaft hatte er dort nach der Straßburger Post behauptet, bei Reims seien 80000 Deutsche gefangengenommen worden. Deutschland habe fast keine Soldaten mehr, während die Verbündeten geringe Verluste erlitten. Die neutralen Mächte, Italien, Schweden, Amerika, hielten zu Frankreich, und Deutschland müsse an Belgien 25 Milliarden Mark Kriegsentschädigung zahlen. Vor dem Kriegsgericht bestritt B., diese Äußerungen getan zu haben. Seine Ausflüchte hatten jedoch keinen Erfolg. Unter Berücksichtigung seiner zur Schau getragenen Böswilligkeit verurteilte ihn das Kriegsgericht zu einem Monat Gefängnis.
Kinderlesehalle. Mittwoch und Samstag von 4 bis 6 Uhr ist in der Münsterschule eine Kinderlesehalle eingerichtet.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Höchstpreise für Kartoffeln. Vom stellvertretenden kommandierenden General Frhrn. v. Bissing liegt folgende Bekanntmachung vor:
Aus allen Schichten der Bevölkerung meines Korpsbezirks gehen mir fortwährend Klagen darüber zu, daß die Kartoffelpreise, insbesondere im Kleinhandel, eine abnorme Höhe (stellenweise 5 Mk. und darüber) erreicht hätten, ja, daß sogar vielfach Kartoffeln überhaupt nicht zu kaufen wären, weil die Produzenten in Erwartung noch höherer Preise die Ware zurückhielten. Desgleichen wird vielfach auch über viel zu hohe Preise für Brotgetreide, Mehl und Hülsenfrüchte geklagt. Um diesen namentlich für die ärmeren Klassen so schmählichen Preistreibereien entgegenzutreten, halte ich die Festsetzung von Höchstpreisen für Kartoffeln in denjenigen Bezirken, in denen solche Mißstände vorliegen, für dringend notwendig. Ich habe deshalb die zuständigen Regierungspräsidenten ersucht, umgehend das Erforderliche auf Grund des Gesetzes vom 4. August d. Jahres zu veranlassen. Sodann weise ich zur Warnung der Verkäufer auf § 2 des genannten Gesetzes hin, welcher lautet: „Weigert sich trotz der Aufforderung der zuständigen Behörde ein Besitzer von Gegenständen, sie zu den festgesetzten Höchstpreisen zu verkaufen, so kann die zuständige Behörde sie übernehmen und auf Rechnung und Kosten des Besitzers zu den festgesetzten Höchstpreisen verkaufen, soweit sie nicht für dessen eigenen Bedarf nötig sind.
Zum französischen Kriegsschauplatz führt am Mittwoch an Hand von Lichtbildern Herr Dr. Krantz unsere Jugend. Der Vortragende war mit Liebesgaben für die 160er zur Front gereist und hat bei dieser Gelegenheit eine große Zahl von photographischen Aufnahmen und Beobachtungen machen können, mit denen er nun unsere Jugend über Kampf und Sieg auch über die Strapazen und das Leben unserer Truppen in Feindesland unterrichten will. Der Vortrag findet auf Veranlassung der Ortsgruppe Bonn des deutschen Wehrvereins statt; der gering bemessene Eintrittspreis wird dem Roten Kreuz überwiesen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Sonntagsruhe. Viele kaufmännische Angestellte müssen sich gegenwärtig teilweise ganz erhebliche Gehaltskürzungen gefallen lassen. Damit geht aber nicht etwa, wie man bei dem „schlechten Geschäftsgang“ annehmen sollte, eine Herabsetzung der Arbeitszeit Hand in Hand, im Gegenteil. Nachdem mit dem Kriegsausbruch die Sonntagsruhe aufgehoben worden ist, arbeiten wir Tag aus Tag ein von morgens bis abends, ohne die Möglichkeit des wohlverdienten Ausruhens am siebenten Tage zu haben. Mit Freuden würden wir das Opfer des freien Sonntags bringen, wenn dem Vaterland tatsächlich dadurch ein Dienst erwiesen würde. Dies dürfte indes – zum mindesten für viele Branchen, z.B. die Damenkonfektion, die Putzbranche etc. – nicht der Fall sein, so daß ein begründeter Anlaß für die Aufhebung der Sonntagsruhe in vielen Geschäftszweigen schwerlich vorliegen dürfte. Es wäre daher sehr zu wünschen, daß die Geschäftsinhaber der in Betracht kommenden Branchen gemeinsam dazu übergehen würden, ihre Geschäfte Sonntags während der früher üblichen Stunden wieder zu schließen, um sich selbst und ihren Angestellten die Wohltat der Sonntagsruhe wieder zu gewähren. Viele Verkäuferinnen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Die Auskunftstelle über Verwundete in Bonner Lazaretten, Bahnhofstraße 40, geöffnet täglich 10 bis 12 ½ und 2 ½ bis 7 ½ Uhr, teilt mit: Neuerdings sind wir in der Lage, auch schriftliche Auskünfte zu erteilen. Ferner liegen in unserem Bureau Listen auf, in denen die hier anwesenden deutschen Verwundeten nach Regimentern geordnet sind. Außerdem können die amtlichen Verlustlisten bei uns eingesehen werden.
5 Kg.-Pakete (10 Pfund) zur Versendung durch die Feldpost sind diese Woche zugelassen.
Der älteste Hauptmann der Armee ist der vielen Bonner bekannte Herr Hauptmann Schneider aus Honnef, augenblicklich bei der 2. Komp. Landsturm-Bat. Siegburg. Herr Schneider ist 74 ½ Jahre alt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Mittwoch, 21. Oktober 1914
In Westflandern beginnt die deutsche Armee eine Offensive, die die Eroberung der französischen Kanalhäfen zum Ziel hat. Insbesondere in der Region um Ieper (Ypern) kommt es dabei zu für beide Seiten überaus verlustreichen Kämpfen.
Studentische Abteilung des Wehrbundes. Die Universität erlässt zur Bildung einer studentischen Abteilung des Wehrbundes einen Aufruf, in dem es heißt, daß es dringend notwendig ist, auszuhalten in diesem Kriege, damit die furchtbaren Opfer, die er uns bereits gekostet hat, nicht vergeblich seien. Damit alle den großen Anstrengungen, die der Feldzug an jeden einzelnen stellt, gewachsen sind, ist es nötig, schon jetzt, vor der Einberufung, sich darauf vorzubereiten. Im Verein mit der Jugend aus allen Kreisen der Bevölkerung steht die studentische Jugend im Feld. Auch im Wehrbund sollen sie sich alle vereinen. Die Turnübungen sollen Samstags abends um 8 ½ in der städtischen Turnhalle stattfinden. Die Marschübungen an den Sonntagen werden mit den anderen Abteilungen gemeinsam unternommen. Die Konstituierung der studentischen Abteilung findet Dienstag, den 4. November, abends 7 Uhr im Auditorium der Universität statt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Professor Dr. Jos. Esser †. Unsere Universität, die hiesigen Aerzte und unsere Bürgerschaft haben durch das Hinscheiden von Professor Dr. Esser einen hervorragenden medizinischen Gelehrten, einen überaus geschätzten Kollegen und einen Arzt von seltenen beruflichen und persönlichen Eigenschaften verloren. (…) Als früherer pathologischer Anatom machte er häufig selbst Sektionen an Verstorbenen, die er behandelt hatte, und eine solche Sektion war es auch, bei der Professor Esser sich eine Typhusinfektion zuzog, deren Folgen er selber erlegen ist. (…) Wenn wir nun hören, daß Professor Esser den Keim der tödlichen Krankheit bei der Sektion typhuskranker Soldaten sich zuzog, so empfinden wir, daß er seinen ureigensten Wesen, dem des mit wissenschaftlicher Gründlichkeit forschenden Arztes treu geblieben ist bis zur Selbstaufopferung. (…)
Die Festsetzung der Höchstpreise, die für Lebensmittel gefordert werden dürfen, wird voraussichtlich in den nächsten Tagen erfolgen. Die Behörden verhandeln noch mit den Landwirten und Gewerbetreibenden, um eine Herabsetzung der Preise auf gütlichem Wege zu erzielen. Sollte dieses Ziel nicht erreicht werden, so werden die Behörden an zuständiger Stelle die amtliche Festsetzung von Höchstpreisen beantragen.
Im Kreise Düren sind bereits die Höchstpreise für Kartoffeln von den Behörden auf 2.50 Mk. für den Zentner festgesetzt worden.
Die Liedertafel wird am Allerheiligentage, nachmittags 3 Uhr, auf dem Nordfriedhof den gefallenen Kriegern einige Liederspenden darbringen.
Die Arbeit des Freiwilligen Hilfsausschusses für durchfahrende Truppen. Der Krieg hat unserer Zeit seinen blutigen Stempel aufgedrückt. Im Osten und Westen unseres Vaterlandes wogt der Kampf, donnern Geschütze, knattern die Gewehre. Das Elend zerschossener Städte, ausgebrannter Dörfer, zertretener Felder und Fluren reden eine eindringliche Sprache. Während unsere Krieger draußen ihre Brust dem Feinde darbieten und manch einer, vom tödlichen Blei getroffen, ins frühe Grab sinkt, weilen wir Zurückgebliebenen im Frieden unseres Herdfeuers, setzten uns täglich an einen sorgsam gedeckten Tisch und suchen abends unser bequemes Bett auf. Wir wissen, welche Anforderungen an unsere braven Krieger gestellt werden, welche Entbehrungen sie im Felde auszustehen haben. Pflicht der Zurückgebliebenen ist es, das Los unserer Soldaten nach Kräften zu erleichtern. Da darf man nun ohne Uebertreibung sagen, daß wir dieser Pflicht nach besten Kräften nachzukommen suchen. Die Liebestätigkeit wird denn auch von unseren Feldgrauen anerkannt und mancher Dankbrief zeigt, wie freudig die Krieger die Fürsorge der „Heimkämpfer“ aufnehmen.
Eine ganz besondere Stelle in der Liebestätigkeit nimmt der Hilfsausschuß für durchfahrende Truppen ein. Was der Hilfsausschuß, der seine Geschäftsstelle in den Räumen der Rhein.-Westf. Disconto-Gesellschaft untergebracht hat, bisher schon geleistet hat, darf man mit Fug und Recht als vorbildlich für die gesamte Liebestätigkeit bezeichnen. Zunächst zeigte sich die Arbeit des Hilfsausschusses gelegentlich der Mobilmachung, als Zug auf Zug mit Militärtransporten durch Bonn rollte und den Soldaten in reichlichem Maße Speise und Trank gereicht wurde. Diese Liebestätigkeit am Bahnhof wird bis zur Stunde beibehalten. Was allein an Brot, Butter, Käse, Wurst, Kaffee, Milch usw. gebraucht wird, ist enorm. Es genügt, wenn gesagt wird, daß täglich mitunter 120 Graubrote aufgeschnitten, 160 Liter Milch ausgegeben und daß Käse- und Wurstwaren zentnerweise gebraucht werden. Aehnlich wie am hiesigen Bahnhof wird auch am Zollschuppen am Güterbahnhof die Liebestätigkeit entfaltet.
Die weitere Arbeit des Hilfsausschusses war, nachdem die Soldaten im Felde lagen, darauf gerichtet, sie vor den Unbilden der Witterung durch Zuweisung von warmen Unterkleidern usw. zu schützen und ihnen das Feldleben durch Genußmittel, wie Tabak, Zigarren, Zigaretten usw. zu erleichtern. Auch hier hat sich der rege Eifer, mit dem der Hilfsausschuß diese neue Arbeit anpackte, durchaus bewährt. Wenn man den Hilfsausschuß in seiner Geschäftsstelle aufsucht, gewinnt man den Eindruck, als ob man in ein großes Kaufhaus komme, wo Waren aller erdenklichen Gattungen in bunter Fülle aufgestapelt sind. Hier erst wird ersichtlich, was unsere Soldaten alles brauchen können. Stricknadelklappernde Damen, die sich keine Minute Ruhe lassen, üben Aufsicht und geben Weisungen, wie die einzelnen Liebesgaben unterzubringen sind. Andere Damen richten ununterbrochen Butterbrote her, die in sauberes Papier eingepackt und durch Pfadfinder zum Bahnhof gebracht werden. Wieder andere Damen stellen einzelne Pakete für die Soldaten zusammen und darin ist alles enthalten, was der Krieger braucht und wünscht: Wollene Strümpfe, Leibbinden, Brustwärmer, Stauchen [Pulswärmer], Kniewärmer, aber auch das am heißesten ersehnte Paketchen tabak fehlt nicht. Hinzu kommen Zigarren, Zigaretten, Feuerzeug, Schreibpapier, ein Fläschchen mit Kognak und viele andere nützliche Dinge. Es geht emsig in diesen Räumen zu und den ganzen Tag über werden neue Liebesgaben gebracht. Dabei berührt es freudig, daß sich alle Schichten der Bürgerschaft an diesem Liebesdienst beteiligen. Jeder, auch die ärmste Witwe, will ihr Scherflein beisteuern; selbst Kinder wollen vor den Erwachsenen nicht zurückstehen und bringen mit Fleiß und gutem Willen gestrickte Strümpfe, Stauchen usw. Jede Gabe wird mit Dank angenommen. Hat der Hilfsauschuß genügende Mengen zusammen, so werden die Liebesgaben mit Automobilen zur Front abgeschickt. Viele Male ist dies schon geschehen und in nächster Zeit gehen wiederum erhebliche Transporte ab. Ungefähr 1.000 Soldaten sollen hierbei vollständig ausgerüstet werden.
Betrachtet man die Riesenarbeit, die mit der Organisation dieser Liebestätigkeit verknüpft ist, dann muß man die Arbeit, die von den Damen des Hilfsausschusses geleistet wird, aufrichtig und dankbar anerkennen. Selbstlos sind sie vom frühen Morgen bis zum späten Abend im Interesse unserer Krieger tätig und erheben keinen Anspruch auf besondere Anerkennung ihrer Tätigkeit. Dankbar erkennt man auch die Tätigkeit an, mit der die jugendlichen Pfadfinder das Liebeswerk unterstützen. Ihnen ist kein Weg zu lang, keine Stunde zu früh, um auch ihrerseits mit beizutragen an dem großen Liebeswerk, dessen Unterstützung auch ihnen vaterländische Pflicht erscheint.
Auf dem Hochstadenring wird jetzt ein Kabel des Elektrizitätswerks von der Bornheimerstraße bis zur Vorgebirgsstraße an der Ecke des Adolfplatzes gelegt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Als Familienvater einer großen Familie hätte die große Bitte an Sie, im Sprechsaal einiges über die hohen kartoffelpreise zu bringen. Mir ist heute für den Zentner Kartoffeln 4 Mk. abverlangt worden bei einer Abnahme von 25 Zentnern. Ist das nicht eine Schande, wo die Kartoffeln doch so gut geraten sind? In normalen Zeiten würden dieselben höchstens 2 Mk. kosten. Der betreffende Mann sagte, wenn ich keine 4 Mk. bekomme bekomme, halte ich sie fest bis zum Frühjahr, dann kosten sie 10 Mk. Es wäre doch die höchste Zeit, daß die Stadt sich einmal um die Sache kümmerte, denn das ist doch wirklich Wucher getrieben. Wo sollen da im Winter die kinderreichen Familien bleiben, welche teilweise wenig oder gar keinen Verdienst haben? Warum setzt die Stadt keine Höchstpreise fest, oder beschafft nicht billige Kartoffeln für die ärmeren Familien? (…) P.H.
An die Frauenvereine von Bonn! Um gegen die hohen Kartoffelpreise, die ganz ungerechtfertigt sind, Stellung zu nehmen, wäre es sehr angebracht, eine große Frauenversammlung aller Bonner Frauen einzuberufen. Einigkeit macht stark und führt zum Ziele. Eine Bonner Hausfrau
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Keine Besuche bei den Truppen. Amtlich wird gemeldet: Es liegt Veranlassung vor, darauf hinzuweisen, daß Besuche von Angehörigen bei im Felde stehenden Truppen aus militärischen Gründen nicht zugelassen werden können. Reisen, die zu diesem Zweck ins Operationsgebiet unternommen werden, sind daher vergeblich und führen nur zu schmerzlicher Enttäuschung. Es muß daher dringend vor ihnen gewarnt werden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Donnerstag, 22. Oktober 1914
Lichtbildervortrag der Ortsgruppen des Deutschen Wehrvereins. Die vom Deutschen Wehrverein geplanten Lichtbildervorträge für die deutsche Jugend wurden gestern durch Herrn Dr. phil. Krantz eröffnet, dessen Vortrag den Titel trug: „Mit Liebesgaben zu unseren 160ern nach Frankreich“. Wie sehr diese Bilder vom französischen Kriegsschauplatze nach eigenen Studien das Interesse weckten, sah man wohl am besten aus der Tatsache, daß der große Saal des Bürgervereins schon lange vor Beginn des Vortrags übervoll war, so daß ganze Scharen von Besuchern wieder umkehren mußten. Wir werden über den Inhalt des Vortrages noch berichten.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Verwundet und dadurch wehrlos sind einige unserer braven Krieger in Gefangenschaft geraten, auch solche aus Bonn.
Bei verschiedenen Angehörigen ist nun der Wunsch rege geworden, sich über das Los dieser hauptsächlich in Südfrankreich untergebrachten Söhne und Brüder auszusprechen, die bisher erlangten Nachrichten hierüber auszutauschen und die erlassenen Vorschriften über die Art der Zusendung von Briefen und Paketen usw. zu erörtern.
Auch wäre es nicht ausgeschlossen, daß durch eine derartige Aussprache der Verbleib solcher Vermissten ausfindig gemacht werden könnte, die in Gefangenschaft geraten sind, von denen aber noch keine Nachrichten zu ihren besorgten Angehörigen gelangt ist.
Wer sich an solcher Aussprache beteiligen will und zweckdienliche Angaben machen kann, möge sich Freitag, den 23 d.M., abends um 7 ½ Uhr, im Hotel Kaiserhof, Poppelsdorfer Allee 2, einfinden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Eingesandt“)
Vortrags-Zyklus des Deutschen Wehrvereins. Gestern nachmittag sprach Herr Kranz [Krantz] über die zwei Liebesgaben-Transporte, die er begleitet hat. Dabei konnte er Studien auf dem französischen Kriegsschauplatz machen. Der eine Transport war über Luxemburg, der andere über Belgien nach Frankreich hineingegangen. Interessanter, aber auch schrecklicher für den Anblick muß der Weg durch Belgien gewesen sein. Denn was Herr Dr. Kranz an Lichtbildern zeigen konnte, war schmerzlich anzuschauen. Gesprengte Brücken, zerschossene Kirchen und das allertraurigste: ganze Zeilen menschlicher Heimstätten, wo kein Stein mehr auf dem andern geblieben war. Fröhlichere Bilder, Bilder es oft beinahe heiteren Lagerlebens hatte das Ziel der Transporte gebracht (ein Teil der Automobile war zu den 160ern herangefahren, und ein Teil hatte sich der Militärverwaltung zur Verfügung gestellt, die dann die Liebesgaben den bedürftigsten Truppen zukommen ließ). Ankunft der Feldküche, Ueberreichung des Eisernen Kreuzes, Feldgottesdienst und manches andere heitere oder erhebende Bild konnte der Vortragende zeigen. Aber er hatte es nicht leicht, denn Kinder, sehr viele Kinder, ein Saal voll Kinder wurde vor diesen Bildern laut, zumal wenn unter den 160ern ein bekanntes Bonner Gesicht auftauchte. Doch wird Herr Dr. Kranz seinen interessanten Vortrag trotzdem noch einmal halten müssen, weil eine zahlreiche Menge Erwachsener und Kinder wegen Mangel an Raum wieder umkehren mußte.
Vaterländische Reden und Vorträge. (Siebenter Abend.) Professor Dr. Wygodzinski: „Der englische Handelskrieg“. Mit steigendem Interesse und wachsender Befriedigung hörte man zu und warf, als das zuversichtliche Schlußwort „Wir werden siegen!“ erklang, mit freudigem Dankgefühl den obligaten „Rote Kreuz-Groschen“ in die Blechbüchse. Während man dann durch nebelfeuchten Novemberabend nach Hause schritt und nochmals den Vortrag überdachte, kam einem das Schmunzeln an und das alte deutsche Sprichwort „Blinder Eifer schadet nur“ fiel einem mit Bezug auf England ein. Denn das hört man immer und immer wieder gern, - es ist wie Friedensgeläut –, daß, wie schwer auch Deutschland durch den gegenwärtigen Krieg mitgenommen wird und welche Opfer es an Gut und Blut noch zu geben hat, Deutschland sich doch als die stärkere Nation auch in wirtschaftlicher Beziehung erweist. Und also darf man uns das Hohngefühl, das uns bisweilen beschleicht, nicht übel nehmen, denken wir daran, daß uns England zu Grunde richten wolle und daß ihm das nicht gelingt, daß es sich vielmehr ins eigene Fleisch schneidet, so viel es sich auch dagegen ereifert. – Blinder Eifer schadet nur.
Was den Vortrag wertvoll machte, waren die Zahlen der Statistik, die mehr ausdrücken, als das mitunter langatmige Sätze vermögen. England hat den Krieg systematisch vorbereitet, Deutschland war ihm zu groß geworden, dem England, das es durch seine Räuberpolitik verstanden hat, sich überall in der Welt durchzusetzen und das Stützpunkte in allen Ländern und in allen Meeren hat. (…)
Wer hält den Krieg am besten aus, England oder Deutschland? Unserer Wirtschaft ist derart gesund aufgebaut, daß wir bessere Aussicht haben, eine Katastrophe zu überstehen wie jeder andere Staat. Englands Ernährung ist durch den Seehandel bedingt. England hat nur für wenige Monate Nahrung, wir haben Nahrung für lange Zeit. Die Verwüstungen in Ostpreußen werden ausgeglichen dadurch, daß unsere Soldaten – keine schlechten Esser – draußen in Feindesland essen. Zwar ist Deutschlands Export seit Kriegsausbruch zurückgegangen, jedoch nicht so erheblich zurückgegangen wie der Export Englands. England schloß die Börsen, führte ein Moratorium ein, Deutschland führt kein Moratorium ein, als einzigster der kriegsführenden Staaten. Aus alledem geht hervor, daß Deutschland den Krieg besser aushalten wird als England. Auch die Aussichten für die Zukunft sind für Deutschland gegenüber England günstiger. Die Handlungsweise Englands hat den der ganzen Welt gezeigt, welche Krämerseele England beherrscht und jeder Staat wird nunmehr bei der Anknüpfung von Geschäften mit England die denkbar größte Vorsicht gebrauchen. Dies komme Deutschland zugute. Wenn wir also auch noch Schweres durchzumachen haben, so müssen wir das mit demselben Heroismus tragen, wie unsere Brüder im Felde. Drei guten Waffen, und damit schloß der Redner, sind uns gegeben: Disziplin, der Geist der Wirtschaft und der Geist der verständnisvollen Initiative. Also können wir mit Ruhe der Entscheidung entgegensehen: der Besitz der Waffen bedeutet uns: „Wir werden siegen!“
Städt. Lyzeum. Die Anregungen zu praktischer Liebestätigkeit fanden auch bei den Schülerinnen des Städtischen Lyzeums rechtes Verständnis. Eine umfangreiche Sammlung Liebesgaben konnte schon vor Wochen der Zentralstelle zugeführt werden. Ueber 300 Pakete Tabak, Zigarren und Zigaretten, viele Dutzend Paar Strümpfe, Kopfmützen, Untersachen, Leibbinden, Kniewärmer, recht zahlreiche Packungen Schokolade, Pfeffermünz u.v.a. wurden wohlverpackt den tapferen Helden im Argonnenwald übermittelt. Recht zahlreich sind die Dankeskarten, die an die Schülerinnen aus Feindesland eintrafen. Besonders die erste Klasse der Schule hatte in echt vaterländischer Gesinnung eine erhebliche Spende zusammengebracht. In nachstehendem Dankgedicht, das vor einigen Tagen aus den Schützengräben des Argonnenwaldes anlangte, kommt die Freude unserer Vaterlandsverteidiger über die Spende so recht zum Ausdruck:
Tief im Argonnenwald liegt ein Heer,
Seit Tagen im schärfsten Gefecht mit den Franzen,
Die Zahl ist schon klein, die Verluste schwer,
Die Kleider schmutzig, leer der Ranzen,
Schon lange die letzte Zigarre verraucht,
Die vor Zeiten kam von traulicher Stätte,
Schon wird russischer Tee, ja selbst Klee wird geraucht:
„Wenn man doch nur wieder Tabak hätte!“
Da plötzlich ein Raunen die Gräben entlang,
In den müden Gesichtern ein freudiges Blitzen, –
„Vom Rhein her wird uns Tabak gesandt!“ –
Und bald folgt dem Lächeln ein Scherzen und Witzen.
Denn das Rauchen belebt und gibt neuen Mut,
Gleich frischer fühlt sich der Mann im Felde,
Ein Pfeifchen voll – und frisch rollt das Blut
Durch die Adern dem preußischen Helden,
Und sitzen wir abends beim Feuerschein
Zu kurzer Rast nach dem Kampfe,
Dann denken wir Eurer, Ihr Mägdelein,
Beim duftenden Pfeifendampfe,
Ihr rheinischen Mädchen, nehmt unsern Dank,
Heißen Dank von den schlesischen Jungen! – –
Das Horn, es ruft, die Waffe blank!
Von neuem zum Kampf sie geschwungen!
Schnaps für unsere Soldaten. Als vor einigen Wochen vom Kronprinzen die Aufforderung nach Deutschland gelangte, daß alkoholhaltige Getränke für die kämpfenden Truppen gespendet werden möchten, hat die Firma E.F. Elmendorf sofort 100 Kisten Elmendörfer-Korn und Steinhäger-Urgroßvater dem Generalkommando des 7. Armeekorps als Liebesgabe zur Verfügung gestellt. Diese Spende ist jetzt mit verbindlichem Danke angenommen und an die Abnahmestelle freiwilliger Gaben Nr. 1 nach Münster erbeten worden, wohin der Waggon heute abgerollt ist. – Außerdem hat die Firma dem Kriegshilfeverein 5000 Mk. in bar überwiesen. (Hoffentlich wird davon von den einzelnen Soldaten nur ein bescheidener Gebrauch gemacht, denn in großen Mengen macht der Alkohol bekanntlich marschunfähig und wirkt lähmend auf die Energie.)
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Studentische Abteilung des Wehrbundes. Die Universität erläßt zur Bildung einer studentischen Abteilung des Wehrbundes einen Aufruf, in dem es hießt, daß es dringend notwendig ist, auszuhalten in diesem Kriege, damit die furchbaren Opfer, die er uns bereits gekostet hat, nicht vergeblich seien. Damit alle den großen Anstrengungen, die der Feldzug an jeden einzelnen stellt, gewachsen sind, ist es nötig, schon jetzt, vor der Einberufung, sich darauf vorzubereiten. Im Verein mit der Jugend aus allen Kreisen der Bevölkerung steht die studentische Jugend im Felde. Auch im Wehrbund sollen sie sich alle vereinigen. Die Turnübungen sollen Samstags abends von 8 ½ Uhr in der städtischen Turnhalle stattfinden. Die Marschübungen an den Sonntagen werden mit den anderen Abteilungen gemeinsam unternommen. Die Konstituierung der studentischen Abteilung findet Dienstag, den 4. November, abends 7 Uhr, im Auditorium 18 der Universität statt.
Die Führung der Pfarr-Chroniken während der Kriegszeit betreffend. Die Herren Pfarrer und Rektoren werden ersucht, während der Kriegszeit auf die Führung der Pfarr-Chroniken besonderen Fleiß zu verwenden und, was in ihren Seelsorgebezirken für das geistliche und leibliche Wohl der ins Feld ausgerückten Krieger, der Verwundeten und deren Angehörigen, besonders auch was von Seiten religiöser Genossenschaften innerhalb und außerhalb von Lazaretten geschehen ist, aufzuzeichnen. Auch wollen die Herren Seelsorgsvorstände die Oberen der in ihren Bezirken bestehenden klösterlichen Niederlassungen veranlassen, über ihre Arbeiten und Opfer im vaterländischen Interesse die erforderlichen Aufzeichnungen zu machen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Straßenbahn nach Endenich. Seit den ersten Tagen unserer Mobilmachung fährt die Linie 5 unserer städt. Straßenbahnen nach Endenich nur noch bis zur Frohngasse. Warum dies geschieht, weiß niemand und ist allen unerklärlich. (…) Wenn man um die Ecke in der Frohngasse kommt und die Bahn fährt eben ab, so dürfen die Schaffner nicht mehr halten, weil sie sonst bestraft werden, aber der Fahrgast hat dann das Vergnügen, 12 Minuten auf den nächsten Wagen zu warten, oder aber, was auch die meisten dann tun, zu Fuß nach Bonn zu gehen. Einer, der viel fährt.
Die Kriegshilfe der Volksschüler hat sich in dieser schweren Zeit erfolgreich betätigt. Unermüdlich ziehen Schüler und Schülerinnen von Haus zu Haus, um Stöcke, Bücher und sonstigen Lesestoff für die verwundeten Krieger zu erbitten. Mit freudigem Herzen geben die Bürger und schwer beladen eilen die Kinder zur Schule, um die Gaben an die Lehrpersonen abzuliefern. Ein reger Wetteifer entspinnt sich, wer die meisten Sachen abliefern kann. Besonders groß war die Freude der Kinder, als sie in den letzten Tagen der vorigen Woche Stöcke, Bücher, Tabak und Zigarren selbst unter die Verwundeten der Lazarette und der Klinik verteilen durften. Ihr schönster Lohn waren die schlichten Dankesworte der Krieger und mit neuer Begeisterung gehen die Schüler auf’s neue ans Werk, um auf ihre Art der Kriegsnot zu steuern. Recht dankbar muß man den Bürgern sein, die mit patriotischer Hingabe den Kleinen gegenüber Herzen und Türen öffnen und durch ein freundliches Wort und eine passende Gabe den Bittsteller zu neuem Tun ermutigen. Recht bedauerlich ist es andererseits, wenn manche Leute, wie es in den letzten Tagen wiederholt geschehen ist, die Sammler und Sammlerinnen schroff abweisen und mit Vorwürfen überschütten, welche die Kinder wirklich nicht verdienen (Die Kinder müssen jedoch einen Ausweis der Behörde vorzeigen. Die Red.)
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Freitag, 23. Oktober 1914
„Mit Liebesgaben zu unseren 160ern nach Frankreich“. Der Vortrag, mit dem Dr. phil. Krantz am Mittwoch die Lichtbildervorträge des Deutschen Wehrbundes eröffnete, wird am Donnerstag, d. 29. d.M., abends ½9 wiederholt.
Wehrbund. Die fünfte Abteilung „Poppelsdorf“ des Wehrbundes veranstaltet am Sonntag abend in dem Gasthof von Julius Vianden, Klemens-August-Straße 50, eine gesellige Zusammenkunft für die Mitglieder der Abteilung und ihre Angehörigen. Der Abteilungsleiter Herr Dr. Fritz Brüggemann wird um 9 Uhr einen gemeinverständlichen Vortrag über den bisherigen Verlauf des Krieges und die heutige Kriegslage halten. Gäste, die nicht abgeneigt sind, dem Wehrbund näher zu treten, sind willkommen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Deutsche Gefangene in England. Das Kaiserliche Postamt schreibt: In England besteht eine Auskunftsstelle über Kriegsgefangene unter der Bezeichnung „The Prisoners’ of War Information Bureau.“ Postsendungen an Kriegsgefangene in England, deren Aufenthaltsort nicht bekannt ist, können an diese Auskunftsstelle gerichtet werden. Die Anschrift lautet:
„(Name des Gefangenen)
Care of the Prisoners’ of War information Bureau, London, 49 Wellington Street, Strand.”
Briefe an Kriegsgefangene in England sollen kurz und, wenn möglich, englisch geschrieben sein; auf der Rückseite der Sendung müssen Name und Wohnung des Absenders angegeben sein.
Schmucke Schilderhäuschen als Liebesgabensammler sind gestern an verschiedenen Straßen aufgestellt worden. Der Einwurf ist so groß, daß auch umfangreichere Sachen eingelegt werden können.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Vaterländischen Vorträge sollte man im großen Saale des Bürgervereins halten, da dieser Saal doppelt so groß ist wie die Aula des Gymnasiums. Am Montag morgen um ein Viertel nach 8 Uhr waren schon keine Karten mehr zu erhalten. Wäre es nicht angebracht, einen kleinen Betrag von vielleicht 20 Pfg. zu zahlen, um die etwa entstehenden Kosten zu decken? L.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Städtisches Orchester. In vielen deutschen Städten hat es sich gezeigt, daß ernstere Konzerte und Theatervorstellungen großen Besuch aufzuweisen haben und zur Erhebung des Volke erheblich beitragen. Damit hier auch Gelegenheit geboten ist, hin und wieder Zerstreuung und Aufheiterung zu finden und sich an den Werken unserer deutschen Meister zu ergötzen, hat die städtische Orchester-Kommission beschlossen, einige Symphoniekonzerte zu besonders billigen Preisen (50 Pfg. und 20 Pfg.) zu veranstalten. Da die Beethovenhalle unseren verwundeten Kriegern vorbehalten ist, wurde das Stadttheater, welches sich als Konzertsaal schon trefflich bewährt hat, für die Konzerte ausersehen. Das erste Symphoniekonzert soll am Donnerstag den 29. Oktober stattfinden. Hierzu hat unsere geniale Elly Ney ihre Mitwirkung in liebenswürdiger Weise zugesagt. Sie wird Franz Schubert - Liszt’s Wanderer-Fantasie mit Orchester zu Gehör bringen.
Sonntag vor Allerseelen ist freier Geschäftssonntag und sind die Geschäfte bis abends 7 Uhr geöffnet.
Beschlagnahmte Post. Nach einer hierher gelangten Mitteilung sind die mit dem niederländischen Dampfer „Tambora“(ab Batavia am 20. Juli nach Rotterdam) angelangten Briefposten von Niederländisch-Indien nach Deutschland auf Veranlassung der französischen Admiralität in Brest beschlagnahmt worden. Ueber das weitere Schicksal der Posten ist nichts bekannt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Samstag, 24. Oktober 1914
Die Arbeitsstube für Heimarbeit, Riesstr. 11, veranstaltet heute von 3 bis 7 Uhr und morgen von 11 bis 1 Uhr in ihren Räumen einen Verkauf von Kleidungsstücken für Frauen und Kinder, die sich zu Weihnachtsgeschenken für Landwehrfamilien und Dienstboten eignen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Übermäßig hohe Kartoffelpreise. „In dieser schweren Kriegszeit sind die Bauern die einzigen Geschäftsleute, welche keinen Schaden erleiden, indem dieselben ihre Erzeugnisse flott absetzen und gute Preise erzielen. Wie anders wäre es gewesen, wenn der Feind ins Land gekommen und alles verwüstet hätte, wie in Belgien, Ostpreußen und Frankreich. Da muß nun jeder ehrliche Deutsche mit Bedauern sehen, wenn diejenigen Familien, deren Ernährer im Felde stehen, ihr Leben für uns alle einsetzen, um den Feind von der Heimat fernzuhalten, so hohe Preise für Kartoffeln zahlen sollen. 4 Mark wurden gestern morgen von einem Landwirt für Industrie-Kartoffeln gefordert. Jeder Geschäftsmann muß verdienen; wenn aber zwei Drittel aller Geschäftsleute nichts verdienen und sich sehr schwer durchkämpfen, sollten auch hier die Landleute mit bescheidenem Nutzen zufrieden sein. Wenn diese unbegründeten Preistreibereien andauern, werden schließlich die Behörden eingreifen müssen. Man wird die Kartoffelvorräte für die Volksernährung beschlagnahmen, wie man die Benzinvorräte bereits für Heereszwecke mit Beschlag belegt hat. L.W.“
Wir bemerken zu den vorstehenden Ausführungen, daß der kommandierende General in Münster bereits Festsetzung von Höchstpreisen für Kartoffeln angeordnet und bei Weigerung der Produzenten, für diese Preise zu verkaufen, die Beschlagnahme der Kartoffelvorräte in Aussicht gestellt hat. (...)
(Bonner Zeitung, Rubrik „Eingesandt“)
Der Hilfslazarettzug, der demnächst von hier aus in Tätigkeit tritt, bedarf zu seiner Einrichtung noch einer Vervollständigung seiner Leinenschränke. Gute Handtücher, weiche große Servietten und altes Leinen werden mit großem Dank im Oberbergamt Zimmer 39 entgegen genommen. Also die Herzen und Leinenschränke auf.
„Sonne“. Der Krieg hat in jeden Stand und Beruf mit lähmender Hand eingegriffen. Insbesondere hat das lustige Völkchen der Künstler unter der Kriegsnot zu leiden. Viele Künstler und Künstlerinnen sind brotlos, und nur allmählich sucht eine Bühne nach der anderen schüchterne Wiederbelebungsversuche. Nachdem das hiesige Stadttheater seine Tätigkeit wieder aufgenommen, hat auch das Spezialitäten-Theater „Sonne“ seine Pforten geöffnet und ein Programm zusammengestellt, das der Zeit Rechnung trägt. Musik, Gesang, Rezitationen, all das ist auf einen Ton gestimmt und dabei gelingt es trotz und alledem, daß der Besucher noch einmal herzlich lachen kann. Und man stellt fest, daß ein herzlich befreiendes Lachen gerade in den jetzigen Zeitläufen Arznei ist. Wer so lachen macht, ist Seppl Dammhofer, ein süddeutscher Humorist, der seinerzeit hier recht verwöhnt wurde. Er ist der Alte geblieben; ein lustiger Gesell, der ebenso lustig wie ernst, ebenso gefühlvoll wie sarkastisch sein kann, wie’s ihm passt. Es betätigen sich ferner Giesa Girardi, eine Wiener Soubrette, die Vortragskünstlerin Mizzi Oria als fesche österreichische Offfiziers-Kopistin und die Geschwister Langsdorf als Kunstläufer auf Einrad-Rollschuhen. Ein patriotisches Spiel „Ein Volk in Waffen 1914“ schließt das Programm, das allen denen empfohlen werden kann, die einmal lachen wollen.
Lehm op!
In Auré, einem französischen Ort,
Da liegen die Königshusaren;
Der Stab, das ganze Regiment,
Graf Lippe's Reiterscharen.
Als Elitetruppe sind sie bekannt,
Mutig, verwegen erfahren!
Der Franzmann kennt sie von 70 her;
Und heute kennt er sie noch mehr.
Wenns zur Attaque geht, Offiziere voran,
Dann folgt getreulich Mann für Mann;
Die Lanze in der Faust, voll Gottvertrauen,
Es werden die Feinde zusammengehauen.
Und kommt der Engländer uns in die Quer,
Dann geht es drauf und hinterher
In rasendem Lauf brechen oder biegen:
Die Bande die „englische Krankheit" muß kriegen!
Ob Engländer, Franzose, Japs oder Ruß,
Die deutsche Faust er fühlen muß!
Unserem Kaiser treu zur Seite geschart,
Das ist Königshusarenart!
Unteroff. G. Schneeweiß, 5. Schwadron
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Festsetzung von Höchstpreisen steht unmittelbar bevor. Wie aus Berlin berichtet wird, steht die Festsetzung von Höchstpreisen für Roggen, Hafer und Gerste sowie für Weizen unmittelbar bevor; der Bundesrat wird in seiner nächsten Sitzung über die ihm unterbreiteten Vorschläge Beschluss fassen. Die Festsetzung von Höchstpreisen für Mehl, die für die verschiedenen Landesteile verschieden ausfallen muß, ist dem Generalkommando zu übertragen. Für Kartoffeln sollen Höchstpreise im Augenblick noch nicht festgesetzt werden, das bleibt für einen späteren Zeitpunkt vorbehalten. Der Höchstpreis für Roggen dürfte dann etwa auf 225 Mark, für Weizen auf 245 bis 250 Mark bestimmt werden. Zur Erwägung steht ferner, ob nicht auch für Futtermittel die gleiche Maßnahme getroffen werden soll. Da die Ermittlungen des Reichsgesundheitsamtes ergeben haben, daß bei der Backware ein Zusatz von Kartoffelbestandteilen bis zu 20 Prozent gesundheitlich völlig unbedenklich ist, wird diese Beimischung auf dem Verordnungswege vom Bundesrat vorgeschrieben werden. Hocherfreulich ist, daß nach zuverlässigen Feststellungen der Getreidebedarf unseres Volkes bis zur nächsten Ernte reichlich gedeckt ist. Auch der Viehbestand ist so außerordentlich befriedigend, daß die Fleischversorgung des Volkes außer aller Frage steht.
Verkauf von Beutepferden. Am Dienstag, den 27. Oktober und Mittwoch, den 28. Oktober von 10 Uhr ab findet ein Verkauf von Beutepferden durch die Landwirtschaftskammer unter Mitwirkung der Rheinischen Pferdezentrale auf dem Schlachthofe in Köln statt. Es gelangen zur Versteigerung c. 400 Beutepferde (Absatzfohlen und Jährlinge, zweijährige Gebrauchspferde, 8 Hengste). Die Bedingungen sind dieselben wie früher.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Lebensmittelpreise. Die geradezu unwürdigen Preistreibereien auf dem heutigen Kartoffel- und Lebensmittelmarkte veranlassen mich, eine Stelle aus einem Feldpostbriefe meines in der Schlachtlinie stehenden Sohnes bekannt zu geben. Er schrieb am 29. September u.a.:
“Vater schreibt in seinem Briefe: “Hier zu Hause geht alles seinen gewohnten Gang.” Ich kann mir das fast nicht mehr vorstellen. Wohl manchmal im Träume erscheint mir nochmals ein solch liebes Bild; aber wenn ich aufwache, sieht es ganz anders aus. Lieber Vater, Ihr, die Ihr zu Hause im warmen Neste sitzt und in Frieden euern Kohl bauen und auch ernten könnt, wenn Ihr gleich dem Pharisäer in der Bibel nur ein Zehntel opfert von dem, was ihr besitzt, dann tut Ihr zu wenig angesichts solcher Not.“ Ich will es offen bekennen: Die Schamröte stieg mir ins Gesicht beim Lesen dieser Zeilen, als ich daran dachte, wie viel – oder besser – wie wenig ich bis dahin auf den Tisch des Vaterlandes niedergelegt hatte. Und wenn ich heute nun die künstlichen Preistreibereien bebachten muß, die von gewissenlosen Händlern und unverständigen Bauern hinsichtlich der notwendigsten Lebensmittel in Szene gesetzt werden, so steigt mir wieder die Röte – die Zornesröte – ins Gesicht. Solche Lebensmittel-Wucherer sind nicht wert, daß für sie und zum Schutze ihrer Felder unsere tapferen Jungen und unsere Arbeiter, die Frau und Kinder im Stiche lassen mußten, ihr Knochen zum Markte tragen, die großen Anstrengungen und Entbehrungen willig auf sich nehmen und Blut und Leben hingeben zum Wohle für uns alle. Einer vom Lande
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Sonntag, 25. Oktober 1914
Gefangene und Vermisste. Zu der am Freitag abend im Kaiserhof (Poppelsdorfer Allee) angeregten Aussprache der Angehörigen von Gefangenen und Vermissten hatte sich eine große Zahl Damen und Herren aus Bonn und Umgebung eingefunden. Herr Zinneke wies darauf hin, daß bei der ungeheuren Kopfstärke unseres Heeres und der gewaltigen Ausdehnung der Schlachtfronten die Gefangennahme einer – glücklicherweise nur geringen – Anzahl deutscher Krieger nicht verwundern dürfe. Wenn es auch andererseits bedauerlich wäre, daß diese Streiter nicht mehr mittun dürften, und sie zum Teil neben den körperlichen Leiden auch die seelischen zu ertragen hätten, sowie eine liebevolle Pflege von deutscher Frauenhand entbehren müssten, so dürfe es uns andererseits doch ein Trost sein, daß sie zweifellos alle ehrenvoll – teils in Folge der Wunden wehrlos – in Gefangenschaft geraten sind. (...) Die Aussprache solle vor allem dazu dienen, diejenigen Namen von Gefangenen bekannt zu geben, die von den mit bereits im Briefverkehr stehenden Söhnen uns mitgeteilt worden sind. (...) Bei der weiteren Aussprache wurden die Namen der bereits bekannt gewordenen Gefangenen und sonstige Mitteilungen über Behandlung usw. ausgetauscht; letztere lauteten übereinstimmig günstig, ferner wurden Notizen über die Vermissten gesammelt. (...) Es wurde noch mitgeteilt, daß der internationale Mädchenbund gleiche Bestrebungen über Auffindungen von Gefangenen in sein Programm aufgenommen hat. Eine zweite Aussprache soll am Montag, d. 2. November, stattfinden.
Strafkammer. Wegen Einbruchsdiebstahls war angeklagt der Sattler Horatzeck. Er erhielt ein Jahr und Monate Gefängnis. Wegen verbotenen Waffentragens – man fand bei seiner Festnahme einen Revolver bei ihm - war er vom Kriegsgericht zu 3 Mon. Gefängnis bestraft worden. (...) Wegen Majestätsbeleidigung wurde ein Zimmermann Sistig aus Euskirchen zu zwei Monaten und zwei Wochen Gefängnis verurteilt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Unsere Angehörigen in Frankreich. In Zuschriften an Tageszeitungen haben Eltern ihrer Sorge um ihre Kinder, die in französischen Familien zur Erlernung der Sprache untergebracht waren und infolge des Ausbruchs des Krieges noch nicht zurückgekehrt sind, Ausdruck gegeben. Das Berliner Austausch-Komitee trat sofort mit den zuständigen Stellen wegen des Rückaustausches von zehn Berliner Kindern in Verbindung.
Der Direktor vom Düsseldorfer Prinz-Georg-Gymnasium, dem das Auswärtige Amt die Vermittlungen übertragen hat, teilt jetzt folgendes mit. Trotz aller Bemühungen steht die erwartete Antwort der französischen Regierung noch aus.
Deshalb sieht sich das Auswärtige Amt zu dem Hinweise veranlasst, daß von nun an alle Zivilpersonen, mit Ausnahme der 17 – 60jährigen Männer aus Frankreich und alle Franzosen aus Deutschland zurückkehren können, so daß besondere Maßnahmen in der Regel unnötig sind.
Es ist deshalb anzuraten, daß Eltern, die durch Vermittlung des Internationalen Friedensbureaus in Bern (Schweiz) mit ihren Kinder in Verbindung zu treten suchen, lateinisch schreiben und die Briefe offen senden, mit Auslandsporto! (...)
Die Verwundeten aus dem Mutterhaus vom Roten Kreuz, Coblenzerstraße 107, sprechen den Damen des Vorstandes vom Vaterländischen Frauenverein (Landkreis Bonn) für den schönen Ausflug nach dem Drachenfels am 22. Oktober und die liebevolle Bewirtung durch Kaffee, Süßigkeiten und die schönen Geschenke hiermit herzlichen Dank aus.
Der Bonner Fußball-Verein, welcher bis heute dem Roten Kreuz und der Kriegshilfe den Betrag von 100 Mk. überreichen konnte, veranstaltet heute Sonntag wiederum ein Wettspiel zugunsten der Kriegshilfe und zwar gegen „Germania“, Godesberg. Der Bonner Verein hat sämtliche noch hier anwesenden guten Spieler aufgestellt. Militär hat freien Eintritt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Zur Feier des Geburtstages Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin unternahmen die Vorstandsdamen des Vaterländischen Frauenvereins des Landkreises Bonn mit der Frau Oberin von Stramberg und 26 Verwundeten des Vereinslazaretts einen wohlgelungenen Ausflug nach dem Drachenfels. Bei herrlichem Herbstwetter brachten die Siebengebirgs- und Drachenfelsbahnen die Teilnehmer bis hinauf auf die sonnüberflutete Höhe. In zuvorkommender Weise hatten die Betriebsleitungen der beiden Bahnen besondere Wagen kostenlos zur Verfügung gestellt. Auch die Bewirtung und Aufnahme auf dem Drachenfels verdient uneingeschränkte Anerkennung; sie bot ihren seltenen Gästen vier reich besetzte Tafeln. Welch großer Eindruck der Ausblick auf den vielbesungenen alten Vater Rhein mit seinen in goldiger Laubfärbung strahlenden Bergufern machte, war auf den begeisterten Zügen der Verwundeten zu lesen, die zum Teil die Schönheiten des Rheines nur vom Hören-Sagen kannten. Nach kurzer Ansprache der Vorsitzenden Frau Landrat von Nell, in der sie auf die Bedeutung des hohen Tages hinwies, tat man sich gütlich an Kaffee und Kuchen. Alsdann folgte eine Verlosung zweckmäßiger Gebrauchsgegenstände für die 26 Verwundeten, die viel Freude hervorrief. Den Abschluß bildeten vaterländische Lieder, unter deren Weisen die frohe Heimfahrt erfolgte. (...)
Ein neuer deutsche Gruß wird anstatt des französischen Adieu in Berlin, der Stadt der Abkürzungen, viel gebraucht, und er ist schon in viele andere Städte übergesprungen. Er lautet: Hided! Das nach den Vorbildern von Ila, Hapag, Bugra usw. gebildete Wort soll bedeuten: Hauptsache ist, die Engländer dreschen!
Einen fröhlichen Gruß aus dem Felde sandte ein Mitglied des Bonner Münsterchores an einen Bonner Herrn. Er lautet
T., den 6. X. 14. Lieber Herr W..! Sämtliche Rauchgaben des Münsterchors richtig angelangt. Herzlichen Dank. Wir liegen augenblicklich wieder seit acht Tagen im Schützengraben und schicken dann und wann dem Franzmann vis a vis einen Bohnengruß. Da wir ihm nicht den Gefallen tun und angreifen - aus wichtigen Gründen – muß ihm die Sache langweilig und verdächtig geworden sein. Heute morgen war die Bande auf der ganzen Linie auf und davon (in die gestellte Falle). Die nächsten Tage werden die Ausreißer lange Gesichter machen. Das sind dann für uns mal wieder Kriegsfreuden. Dem Gesindel geschieht recht. Zu Lichtmeß hoffen wir ohne Kündigung entlassen zu werden. – Bis dahin wird sich wohl dort alles gesund halten. Uns geht es feldmäßig ebenso. Herzliche Grüße und nochmals vielen Dank. Ihr I.P.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Montag, 26. Oktober 1914
Eine Schulkarte der westlichen Kriegsschauplätze hat der Verlag E. Rister, Nürnberg, zum Preise von nur 0,90 Mk. Erscheinen lassen. Der Verlag ist bei der Herstellung der Karte aufgrund von Anregungen, die er aus pädagogischen Kreisen erhielt, von der Absicht ausgegangen, in einfachen Hauptthemen ein Kartenwerk herzustellen, das, im Gegensatz zu anderen mit Details überfüllten Karten, einen eindrucksvollen Gesamtüberblick über die westlichen Kriegsschauplätze (Belgien und Frankreich) ermöglicht. Es sollte als Schablone, von der aus auf Einzelheiten eingegangen werden kann, soweit ihre Festhaltung erforderlich werden wird, nur dasjenige geboten werden, was den geographischen Durchschnittskenntnissen eines Schülers entspricht. Die Gliederung zunächst nach den bekannten Flüssen, ferner diejenige nach den großen Linien der Festungen, sowie der die letzteren untereinander verbindenden Forts sind ohne weiteres als die hauptsächlichen strategischen Gliederungen erkennbar. (...) In der mit dem Fortgange der kriegerischen Ereignisse fortschreitenden Tätigkeit der Eintragung ist ein willkommenes und wirksames Hilfsmittel für die Pflege der Kriegsgeographie zu erblicken. (...)
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Beileidstelegramm des Kaisers. Die Mutter des auf dem Feld der Ehre in Frankreich gefallenen Regierungsassessors Dr. jur. Otto Gerber, Frau Maria Gerber, geb. von Sandt, erhielt am Sonntag abend das nachstehende Beistandstelegramm des Kaisers:
Großes Hauptquartier
Erfahre soeben durch meine Schwester Ihren schmerzlichen Verlust, den ich mit herzlicher Teilnahme begleite. Möchte das Bewusstsein, daß Ihr Sohn sein Leben für das Vaterland ließ und den schönsten Soldatentod fand, der Mutter mit Gottes gnädiger Hilfe Kraft geben, den großen Schmerz zu tragen.
Wilhelm I. R.
Ein lustiger Feldpostbrief ist uns von einigen „Bumsköpfen“, meistens Bonner Jungens, zugegangen. Es heißt darin u.a., daß es mit tausend Freuden begrüßt wurde, als ein alter lieber Bekannter, der „Bonner General-Anzeiger“, in ihre Hände gefallen sei. Zufällig sei darin berichtet worden, daß einige Krieger wegen Mangel an Tabak „Kleeblüten“ geraucht hätten. Die Redaktion hätte dahinter ein Fragezeichen gesetzt. Die Schwarzkragen bestätigen nun allen Ernstes, daß noch weit Schlimmeres geraucht wird, und es wird folgende Episode erzählt. Kommt da eines Tages ein Offizier an mir vorbei und bleibt unmittelbar in meiner Nähe stehen. Ich war soeben vom Heuboden eines Bauerngehöftes gekommen und hatte zwei Zwiebacksäckchen mit einem Gemisch von Kleeblüten, Kleeblättern, Kamillenblüten, Hundsblumen, getrockneten Zwiebelstengeln aller Art gefüllt, um das dringende Rauchbedürfnis meiner Kameraden und auch das meinige zu befriedigen. Mit dieser Mischung hatte ich meine Pfeife gestopft, und dem Leutnant muß der Dampf unter die Nase gekommen sein, denn er fragte: „Mensch, sagen Sie mir bloß um Himmelswillen, was rauchen Sie denn da für ein Kraut oder Unkraut?“ Ich antwortete ihm, daß es mir unmöglich sei, eine richtige Antwort zu geben. Um die Zusammensetzung dieser hervorragenden Mischung festzustellen, sei schon das Gutachten eines ausgereiften Botanikers nötig, der die chemische Analyse wohl nach gründlicher sechswöchiger Forschung angeben könne. Darauf lachte der Leutnant. „Dem Geruch nach, scheint mir das schon richtig zu sein!“ In dem Brief heißt es dann weiter, daß die Unterzeichneten bei der leichten Min.-Kol. 2. Abt. Feldart.-Reg. Nr. 23 fast alle Unteroffiziere aus Bonn oder Umgebung seien. (...) „Alle Neun“ seien noch kerngesund und frohen Mutes, obschon sie mehrfach im heftigsten Kugelregen gewesen seien. Wenn Butter, Schmalz, Wurst und Speck auch Dinge seien, die man fast nur noch aus Märchen kenne, so schmecke trotzdem die „Königstorte“ (trockenes Komißbrot) ganz vorzüglich. Der Brief schließt mit der Bitte, man möge den Kriegern doch ab und zu den „General-Anzeiger für Bonn und Umgebung“ schicken, der noch immer „das am liebsten gelesene Blatt im bürgerlichen Leben sei“.
Erster städtischer Volksunterhaltungsabend. Um unliebsamen Weiterungen rechtzeitig vorzubeugen: wir halten nicht dafür, daß es genug sei, für das Volk überhaupt diese Abende zu veranstalten. So sie nicht eine geistige und seelische Bereicherung der Menge bringen, sind sie wert- und zwecklos. Soll aber das Ziel erreicht werden, dann ist – wir möchten nachdrücklich darauf hinweisen – auf die Auswahl des Gebotenen und – nicht zuletzt! – auf die Ausführung ein größeres Gewicht zu legen, als das vorgestern geschah. Mit einer Ouvertüre über den Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“ von O. Nicolai hätte uns z.B. Kapellmeister Sauer wirklich verschonen dürfen. Ein trockeneres Opus, in dem sich ein kaum konservatoriumsreifes Fugengebilde mühsam zu Ende schleppt, ist uns bisher selten zu Ohren gekommen. Aus diesem Grunde ist das beinahe noch eintönigere Spiel unserer Musiker uns wenigstens einigermaßen verständlich, wenn auch nicht ganz entschuldbar. Dagegen freuten wir uns aufrichtig über die Wiederholung der sechs „Altniederländischen Volkslieder“ in der Bearbeitung von Eduard Kremser. Kaum ein anderes Werk der Männerchorliteratur trifft so die Stimmung unseres Volkes, den Geist unserer Zeit, wie diese schlicht-ernsten Gesänge. Aber: man kann sie wirkungsvoller, eindringlicher zum Vortrag bringen. Von besonders aufgewandter Mühe seitens des „Bonner Männer-Gesangs-Vereins“ war wenig zu spüren. Dazu drückten die Tenöre, sonst der Stolz der rheinischen Männerchöre, derart auf die Stimmen, daß – abgesehen von wenig schönem Klang – ein stetes Sinken unausbleiblich war. Der uns neue Solist Rosseling muß sich abgewöhnen, nur Glutturaltöne zu formen, ebenfalls im Interesse des Klanges und der Aussprache. Einzig gut waren das „Kriegslied“ und „Berg op Zoom“, und „Der Abschied“, der von Fritz Tasche gut ausgelegt wurde. Anstatt der Ladenhüter von Dregert und van der Stücken möchten wir demnächst – wenn wirklich sonst nichts weniger bekanntes aufzufinden ist – lieber sämtliche Webersche Leyer- und Schwert-Lieder hören. Einstweilen haben wir genug „Ueber’s Jahr“. (...) Mit dem „Steuermannslied“ aus dem „Fliegenden Holländer“ und dem Schubertschen „Militärmarsch D dur“ zeigte das Orchester, daß es trotz seines jetzigen papierenen Dienstes das Spielen nicht verlernt hat, wenn wir auch hier des ewigen Einerleis sattsam überdrüssig sind. – Wertvolles boten die Rezitationen Georg Wittmanns. Er mocht nun lesen die von hoher Heimatliebe durchglühte Vision eines Prinzen zu Schönaich, das dramatische Gedicht von Julius Wolff, die Kriegidyllen eines Mautner oder Hofmann, die tragische „Anfrag“ oder die wundersamen Zeilen „Für uns“ des Charlottenburger Obertertianers, das ja den meisten Hörern wohl aus unserer Zeitung bekannt war. (...)
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Katholischer Verein. In der heutige Versammlung um ½9 wird unser Präsident, Herr Kaplan Fuhrmanns, einen Vortrag halten über das Thema: „Der Krieg und die göttliche Vorsehung“. Unsere allwöchentlichen Abendversammlungen sammeln von Montag zu Montag immer mehr Mitglieder in unserem Vereinshause Josephstraße 46. Anregend und gemütlich verlaufen nur zu schnell die Stunden.
Geschmackvolle Postkarten. Aus Anlaß des Krieges kommen neben einer zum Teil recht guten Literatur auch Drucksachen, namentlich auf den Krieg bezügliche Postkarten, zum Verkauf, die wohl als Scherzkarten gelten sollen, aber als geschmacklos und roh zu bezeichnen sind und jedenfalls dem Ernst der Zeit nicht entsprechen. Da diese Art Darstellungen schon mehrfach Aergernis hervorgerufen hat, wird darauf hingewiesen, daß der Vertrieb solcher Karten als Verübung großen Unfugs angesehen und bestraft werden kann. Unseren Sodaten im Felde bereitet man mit diesen Karten gewiß keine Freude.
Bonner Bürger-Verein. Am verflossenen Donnerstag hielt bei Gelegenheit der Mitgliederversammlung Herr Rechtsanwalt Henry einen interessanten Vortrag über seine Fahrt mit Liebesgaben zum Kriegsschauplatz. Redner, der als Vorstandsmitglied des hiesigen freiwilligen Hilfsausschusses die Fahrt unternommen, gab in anregender Weise eine lebendige Schilderung der Fahrt und wußte seinen Zuhörern ein klares Bild über die jetzigen Verhältnisse im Feindesland zu bieten. Alsdann hielt Herr Lorenz Schröder einen Lichtbildervortrag über Belgien.
Etwa 80 Bilder zeigten die hervorragendsten Gegenden des belgischen Kriegsschauplatzes, Lüttich, Namur, Brüssel, Löwen, Antwerpen; eine Reihe der Bilder war nach der Zerstörung und der Einnahme der betreffenden Städte aufgenommen. Eine in der Versammlung veranstaltete Sammlung zugunsten hülfsbedürftiger österreichischer Krieger im Westen unseres Vaterlandes, ergab alsbald den Betrag von rund 175 Mark.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Ehrung unserer in Bonn verstorbenen Krieger
Kurz nach der Mobilmachung hatte die zuständige Kommission auch für einen Ehrenplatz zur Beerdigung unserer hier verstorbenen Krieger Sorge getragen.
Der schönste Teil, rechts und links des Hauptweges, im neuen Teil des Nordfriedhofes wurde dafür ausersehen. Es sind bis heute 44 Deutsche und 3 Franzosen bestattet worden. Nach Beendigung des Krieges soll dieser Ehrenfriedhof unsrer Vaterlandsverteidiger eine besondere in sich abgeschlossene gärtnerische Ausgestaltung erfahren. Sogar der Platz für ein künftiges Kriegerdenkmal ist bereits bestimmt (...)
(Volksmund, Rubrik „Bonner Angelegenheiten“)
Dienstag, 27. Oktober 1914
Ehrung unserer in Bonn verstorbenen Krieger. Kurz nach der Mobilmachung hatte die zuständige Kommission auch für einen Ehrenplatz zur Beerdigung unserer hier verstorbenen Krieger Sorge getragen. Der schönste Teil, rechts und links des Hauptweges, im neuen Teil des Nordfriedhofs, wurde dafür ausersehen. Es sind bis heute 44 Deutsche und 3 Franzosen bestattet worden. Nach Beendigung des Krieges soll dieser Ehrenfriedhof unserer Vaterlandsverteidiger eine besondere in sich abgeschlossene gärtnerische Ausgestaltung erfahren. Sogar der Platz für ein künftiges gemeinsames Kriegerdenkmal ist bereits bestimmt. Für Allerheiligen ist die städtische Gartenverwaltung mit der vorläufigen Ausschmückung der Kriegsgräber beauftragt. Wie wir hören, erhält jedes Grab ein einfaches schlichtes Holzkreuz mit Aufschrift, das noch mit einem kleinen Lorbeerkranz versehen wird. Die rohe Erde wird mit Immergrün abgedeckt und mit Rosen geziert. Bei Eintritt der Dunkelheit werden schwelende Feuer angebrannt, die leuchtend die letzten Ruhestätten der für ihr Vaterland gestorbenen Helden verkünden sollen.
Ein Ausschuß für die Unterstützung der evangelischen Militärfürsorge im Felde hat sich gebildet. Dem geschäftsführenden Ausschuß gehören aus Bonn Pastor Lorenz, als Beauftragter des evang. Feldpropstes der Armee, und Pastor Kremers an. Zweck des Ausschusses, der mit einem Aufruf an die Öffentlichkeit tritt, ist es, die Tätigkeit der Feldprediger in jeder Weise zu unterstützen. (Ausführliche Meldung folgt.)
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Bei der allgemeinen Empörung über die englische Roheiten gegen unsere Landsleute bleibt es eine merkwürdige Tatsache, daß die hiesige englische Teestube noch immer von einem nicht geringen Teil der Bonner Gesellschaft besucht wird. In dieser Teestube werden englische Erzeugnisse verkauft!
Ließe sich in Bonn nicht eine deutsche Teestube einrichten?
Meines Erachtens würde manche Dame, die durch den Krieg der Möglichkeit beraubt worden ist, ihr Brot wie bisher durch Beköstigung von Pensionären zu verdienen, die Gelegenheit freudig ergreifen, sich auf diese Weise ein neues Feld des einträglichen Verdienstes zu schaffen. Dsch.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Eingesandt“)
Liebesdienst für unsere Truppen. Selten hält einer der Züge an der Kaiserstraße; wenn es aber mal geschieht, so sind die Anwohner auch bei der Hand, unseren Soldaten Erfrischungen zu reichen. So auch am Sonntag Nachmittag. Im Augenblick war von den an der Bahnlinie wohnenden Bürgern der Schumannstraße und der Kaiserstraße ein Hilfsdienst eingerichtet. Was nur das Haus bot an Rauch- und Essbarem wurde durch einen Bahnbeamten den Soldaten überreicht, die dankend quittierten und bei der Weiterfahrt allen ein „Wiedersehen“ zuriefen.
Zur Förderung der Nutz-Geflügelzucht gibt die Zentral-Geflügel-Zucht- und Lehranstalt in Neuß noch eine Anzahl Zuchthähne ab. Das von dort gelieferte Zuchtmaterial hat sich bisher sehr bewährt und es dürfte sich empfehlen, noch in diesem Herbst dort zu bestellen.
Zwei jugendliche Ausreißer. Bürschlein im Alter von 12 und 14 Jahren aus Köln, sind hier festgenommen worden. Sie hatten ihrem Vater 114 Mark gestohlen und damit eine Vergnügungsreise angetreten. Inzwischen hat der Vater seine hoffnungsvollen Sprößlinge in Bonn abgeholt und ihnen seinen Dank für die Reise auf väterliche Weise abgestattet.
Auswärtswohnen der Lehrer. Der Unterrichtsminister hat zum Auswärtswohnen der Lehrer durch Erlaß vom 17. Oktober Stellung genommen. Die Annahme, daß dem Auswärtswohnen der Lehrer in der Regel keine schuldienstlichen Interessen eintgegenstehen, sei nicht zutreffend. Es sei im Gegenteil wünschenswert, daß der Lehrer dort wohne, wo die Schüler wohnten, dann habe er Gelegenheit, die Schüler auch außerhalb des Unterrichts zu beobachten; auch werde auf diese Weise die Verbindung zwischen Schule und Elternhaus leichter aufrecht erhalten, und die Lehrer seien imstande, an der Lösung der sozialen Aufgaben erfolgreicher mitzuwirken. Das Auswärtswohnen könne nur mit Rücksicht auf besondere Verhältnisse gestattet werden.
Ein Fliegerpfeil, wie sie von den Franzosen zum Abwurf aus den Flugzeugen benutzt werden, ist uns von einem Bonner freiwilligen Flieger zugesandt worden. Der Pfeil ist etwas 12 Zentimeter lang und hat ein Gewicht von 18 Gramm. Die Spitze ist gleich einem Geschoß; durch Ausfräsen der Enden ist der Schwerpunkt nach vorne verlegt, wodurch das Ding von etwa 2000 Metern mit unglaublicher Geschwindigkeit absaust. Wir haben den Fliegerpfeil in unserem Schaufenster ausgestellt.
Alle Benzinvorräte, die von der Heeresverwaltung nicht vertraglich sichergestellt oder angekauft sind, werden laut Bekanntmachung des Gouverneurs der Festung Köln vom Kriegsministerium freigegeben.
Benzol ist im Bezirk des stellv. General-Kommandos des 8. Armeekorps ohne Freigabeschein für landwirtschaftliche, staatliche und kommunale Zwecke und für gewerbliche Betriebe als Motor-Betriebsstoff freigegeben.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Sonntagsruhe. In den Kreisen der Gewerbetreibenden herrscht anscheinend Unklarheit über die Regelung der Sonntagsruhe und des Achtuhrladenschlusses. Lediglich den ersten Sonntag nach der Mobilmachung war die Sonntagsruhe aufgehoben, um den einberufenen Kriegern den Einkauf ihrer Bedürfnisse zu erleichtern. Da hierzu ein Bedürfnis aber nicht mehr vorliegt, ist die Sonntagsruhe und der Achtuhrladenschluß wieder genau zu beachten. Wie uns aus zuständiger Quelle mitgeteilt, werden für die Folge die Bestimmungen seitens der Behörde wieder streng gehandhabt werden. Jeder Geschäftsinhaber wird daher im eigensten Interesse gut tun, die Sonntagsruhe und den Achtuhrschluß gewissenhaft zu beachten, um unliebsamen Bestrafungen aus dem Wege zu gehen.
Von der Universität. (...) Am schwarzen Brett hängt folgender Anschlag. Die Herren Studierenden mache ich aufmerksam, daß nach den während der jetzigen Kriegstage geltenden Bestimmungen jegliches Waffentragen – z.B. Revolver, Stockdegen, Dolch, Schlagring - ohne Erlaubnis der zuständigen Behörde – Oberbürgermeister, Landrat – sowie jede Widerstandsleistung gegen die zur Aufrechterhaltung der Ordnung berufenen Polizei- oder Militärbehörden zur Aburteilung vor die Kriegsgerichte gehört. Es kann für die gedachten Handlungen nur auf Gefängnisstrafe erkannt werden und hat das Kriegsgericht in seiner letzten Sitzung als mildeste Verurteilung eine Gefängnisstrafe von 3 Wochen festgesetzt. Die vormalige mildere Bestrafung der gedachten Straftaten durch die Zivilgerichte ist also infolge der Zeitverhältnisse ganz erheblich verschärft. Aus diesem Grunde ermahne ich die Herren Studierenden angelegentlich zur Vorsicht.
Redet nicht zuviel – seid vorsichtig mit Euren Worten! Unsere Feinde, besonders die Engländer, haben auch jetzt noch Horcher und Späher unter uns. Dafür ein Beispiel. Die Londoner „Daily Mail“, die noch giftiger als die „Times“ gegen Deutschland hetzt, bringt einen Aufsatz über die Stimmung in Berlin, der zu sehr ernstem Nachdenken anregt. Der Verfasser, Stefan Black in Rotterdam, behauptet, daß ihm der Inhalt von einem Gewährsmann erzählt worden sei, der unter erheblicher Gefahr für seine Person in Deutschland gewesen sei, um die Wahrheit zu ergründen. Der Gewährsmann sei kein Engländer und habe ausgezeichnete Gelegenheit gehabt, sich in allen Schichten der Bevölkerung zu bewegen. Daß das letztere wahr ist, beweist der Aufsatz, der mit erschreckender Treue Gespräche und Aeußerungen wiedergibt, die man täglich von gedankenlosen Leuten hören kann. Man sieht so recht deutlich, wie berechtigt die Warnung vor Spionen in Deutschland ist. Wer seines Vaterlandes Wohl will, sollte Dinge, die anderen Quellen als den Zeitungen entspringen und die ihm zufällig zu Ohren kommen, nie weiter erzählen und insbesondere allen Ausländern und irgendwie verdächtigen Personen gegenüber größte Zurückhaltung beobachten. Politische Unterhaltungen in öffentlichen Oertlichkeiten müssten geradezu durch das Publikum selbst verhindert werden.
Sammelfässer. Bis gestern abend wurden abgeliefert 40.750 Zigarren, 27.784 Zigaretten, Tabak und viele Gaben an Pulswärmern und Strümpfen, sogar ein wollenes Hemd. Es fanden sich auch noch vor 1 Damenuhr, 1 goldener Ring und 1 Paar Ohrringe. Allen Gebern herzlichen Dank. Zur Aufklärung diene die Nachricht, daß die Geldbeträge, welche in den von Anfang an aufgestellten gelben Holzfässern vorgefunden werden (bis jetzt 1.776,38 Mark) ausschließlich zum Ankauf von Zigarren usw. verwendet werden, wie die Aufschrift auf den Fässern es auch sagt.
Die von anderer Seite aufgestellten Schilderhäuschen usw. dienen anderen Zwecken.
Zigarren usw. sind nach wie vor die begehrtesten Liebesgaben unserer Helden im Felde, also bitte die Herzen, die Geldbeutel und Zigarrentaschen für diesen Zweck auf.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Mittwoch, 28. Oktober 1914
Der in den äußersten Nordwesten des Landes zurückgedrängten belgischen Armee gelingt es, durch das Öffnen der Schleusen bei Nieuwpoort, das Gelände entlang der Yser unter Wasser zu setzen und so den deutschen Vormarsch zu stoppen
Zum Eingesandt über die Englische Teestube wird folgendes mitgeteilt: Die Besitzerin der Teestube ist geborene Irländerin, aber seit vielen Jahren in Deutschland durch Heirat mit einem Deutschen naturalisiert. Ihr Mann ist Reserveoffizier eines Artillerie-Regiments und steht in der Front gegen Frankreich. Die Bezeichnung „Englische Teestube“ wurde nur gewählt, um das in die Sürst verlegte Geschäft von der Konkurrenz auf dem Kaiserplatz zu unterscheiden. Seit dem Ausbruch des Krieges werden nur deutsche Erzeugnisse verkauft mit Ausnahme des Tees, der aus Ceylon stammt, aber auch durch ein deutsches Haus bezogen wird. Es ist uns sehr erfreulich, diese Berichtigungen bringen zu können. Doppelt erfreulich, weil es sich hier um ein Unternehmen handelt, das durch seine gute und gediegene Führung und durch den liebenswürdig behaglichen Geschmack der Aufmachung alle Sympathie verdient. Diese Sympathie dürfte aber nicht hindern, dem Befremden über den Besuch eines englischen Geschäfts Ausdruck zu geben, zumal uns die Angaben über die englische Herkunft und Führung des Geschäfts von durchaus glaubwürdiger Seite zugingen. Daß diese Angaben nun richtig gestellt werden können, wird jeden freuen, der die Teestube im Münsterhaus kennt. Die Bezeichnung „Englische Teestube“ wird in Kürze wohl geändert werden. Frau Marioth, die Besitzerin der Teestube schreibt: „ Ich bin zur Ernährung meiner beiden deutschen Kinder von der Teestube abhängig und hoffe, daß meine seit längeren Jahren mir treu gebliebene Kundschaft mich jetzt nicht verlässt, weil eine ungenau unterrichtete Dame solche Angaben über meine Teestube veröffentlichte.“ Man wird sich diesem Wunsche nur gerne anschließen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Straßenbild. Klingelnd kommen verschiedene Straßenbahnwagen mit der Flagge des Roten Kreuzes durch die Wilhelmstraße zum Wilhelmplatz. Behutsam heben die Krankenträger die Tragbahren, auf denen verwundete Krieger in Decken gehüllt liegen, aus dem Wagen. Sorgfältig wird eine Bahre nach der anderen zum Hospital getragen. Der Platz ist umsäumt mit Menschen, die den traurigen Transport teilnahmsvoll verfolgen. Eine Tragbahre steht auf der Straße. Der blutjunge Offizier, der mit aschfahlem Gesicht in seinen Wunden liegt, muß warten, bis die Reihe an ihn kommt. Seine wachsgelben Hände umschließen einige Herbstblumen, die ihm wohl von einer lieben Seite in die Hände gedrückt sein mögen. Nicht weit von ihm ab steht ein 14jähriges Mädchen, auf dem Arm ein etwas zweijähriges Kind, das vor Vergnügen um sich strampelt. Die Augen des Schwerverletzten gehen müde über die Zuschauer und bleiben an dem Schwesternpaar haften. In den großen blauen Augen der Vierzehnjährigen blinken dicke Tränen und vergebens versucht das Mädchen das fröhlich strampelnde Kind zu beruhigen. Ueber das bleiche Gesicht des Offiziers huscht ein flüchtiges Lächeln. Mit Mühe hebt er seinen Arm und reicht dem kleinen Kinde seine Blumen. Erschrocken will die Vierzehnjährige zurücktreten. Der Leutnant winkt sie heran: „Laß sie man, die Kleine freut sich ja so.“
Elektrische Straßenbahn Bonn-Mehlem. Vielfachen Wünschen entsprechend läßt die Direktion jetzt noch einen Zug um 10 Uhr 55 abends von Bonn nach Mehlem fahren. Der neue Zug ist bereits am vergangenen Montag eingelegt worden.
Den verwundeten Soldaten in der Medizinischen Klinik wurde gestern nachmittag durch Frl. Lisl Schneider sowie die Herren Bachem, Kirchenmeyer, Röttgen, Weckherlin, Löwe und Schweppe durch Veranstaltung eines Konzerts eine große Freude bereitet. Die Schwerkranken waren mit ihren Betten in den Hauptsaal und in die Vorsäle gebracht worden, während die leichter Verwundeten auf Stühlen Platz genommen hatten. Ein dankbareres Publikum haben die Veranstalter, die sowohl instrumentelle als auch gesangliche Vorträge zum Besten gaben, wohl selten gehabt. Auch für humoristische Darbietungen war gesorgt. Jede Vortragsnummer wurde von den Verwundeten stürmisch applaudiert und auch die Leitung der klinischen Anstalten gab nach Beendigung der Veranstaltung, die etwa zwei Stunden dauerte, ihrer Freude lebhaften Ausdruck.
Unter der Flagge des Roten Kreuzes hat eine hiesige Fabrikarbeiterin eine ganze Reihe hiesiger Einwohner um Geldbeträge geschädigt. Die Schwindlerin hatte sich ein Kontobuch gekauft, das sie als „Sammelliste für das Rote Kreuz“ bezeichnete. Eine ganze Anzahl Adressen hiesiger Bürger hatte sie mit fingierten Beträgen in das Buch eingeschrieben. Sie ging von Haus zu Haus, zeigte das Buch vor und bat im Hinblick auf die bereits gezeichneten Beträge um eine Spende für das Rote Kreuz. Durch dieses Manöver hatte sie in kurzer Zeit 21,45 Mark gesammelt, bis schließlich der Schwindel ans Licht kam. Gestern wurde die Schwindlerin von dem Schöffengericht zu zwei Wochen Gefängnis verurteilt. Als Entschuldigung hatte die Angeklagte angegeben, sie habe f. Z. ihre Stellung aufgegeben, um in das Rote Kreuz Euskirchen einzutreten. Dort sei sie aber wegen Ueberfüllung abgewiesen worden und sei nun beschäftigungslos gewesen. Aus Not habe sie dann den Schwindel verübt
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Preissteigerung für Strickwolle. Unsere Soldaten brauchen Strümpfe, aber die Strickfreudigkeit der Frauen wird gelähmt durch den unerhörten Preisaufschlag der Wolle. Mit 1 ½ Lagen zu 1,10 Mk. konnte man bis vor kurzem ein Paar wollene Socken stricken. Von 3 Mk. hat sich indessen der Preis auf 5 Mk. erhöht, also 1,50 Mk. pro Paar nur die Wolle, ohne die Arbeit! Womit läßt sich diese verhältnismäßig große Verteuerung begründen? Ist sie nicht ein bitteres Unrecht gegen unsere Soldaten? Wie manche beschäftigungslose Lehrerin z.B. möchte selbst die Wolle kaufen, um auch die Genugtuung zu haben, für unsere Tapferen zu stricken, aber diese Preiserhöhung macht es selbst einem Opferwilligen fast unmöglich. Kann hier nicht Abhilfe geschafft werden. E.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
An den Theater-Neubau ist in dieser ernsten Zeit natürlich nicht zu denken. Unser altes Theaterchen ist nun sogar zu groß geworden, die Stuhlreihen sind leer, und dünn dringt der – gewiß ehrliche und verdiente – Applaus über die Rampe zur Bühne. Unsere städtische Finanzkommission schlägt darum den Stadtverordneten vor, die als Beitrag für den geplanten Theater-Neubau beschlossene Anleihe von 3mal 100 000 Mark bis auf weiteres bei der städtischen Sparkasse nicht aufzunehmen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Donnerstag, 29. Oktober 1914
Kriegs-Wollsammlung. Der Kriegsausschuß bittet die Lehrherren der Mitglieder des Pfandfinderkorps, diese Jungen am Freitag, dem Tage der Wollsammlung, zu beurlauben. Die Jungen sollen für die sammelnden Damen das Fortschaffen der gesammelten Sachen übernehmen. Angesichts des Zweckes der Sammlung und der geschäftsstillen Zeit dürfte der Ausschuß keine Fehlbitte tun.
Kartoffelpreissteigerung. In der letzten Zeit ist mehrfach darauf hingewiesen worden, daß die Kartoffelpreise zu einer Höhe angestiegen seien, welche direkt eine Notlage unter der städtischen Bevölkerung und namentlich demjenigen Teil derselben erzeuge, welcher durch Arbeitslosigkeit und Einberufung des Ernährers zu den Fahnen in eine schwierige Lage geraten ist. Die Schuld an der Preissteigerung wird der Landwirtschaft zugeschoben, welche die Kartoffelzufuhr zurückhielte, um möglichst hohe Preise zu erzielen. In einem Artikel „Erscheinungen im Kartoffelhandel“, der im Organ der Landwirtschaftskammer für die Rheinprovinz, der „Landwirtschaftlichen Zeitschrift für die Rheinprovinz“ abgedruckt ist, wird nun ausgeführt, die Gründe, die zu dem ungewöhnlichen Ansteigen der Kartoffelpreise führten, seien andere: In diesem Jahre lägen die Verhältnisse ganz anders wie in früheren Jahren. So sei die Nachfrage besonders stark und zeitig aufgetreten, weil jeder wegen des Krieges seinen Bedarf rechtzeitig decken will, in der Vermutung, daß später die Preise steigen könnten. Dann wollten viele Familien ihren Haushalt sparsam einrichten und gingen darum im erhöhten Maße zur Verwendung der Kartoffel über. – Ferner sei der Grund für die Preissteigerung darin zu suchen, daß in diesem Jahr Herbstbestellung und Kartoffelernte verzögert wurde durch die Einberufung der Arbeitskräfte. (...)
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Welche Kleidung erfordert ein Winterfeldzug? Von ärztlicher Seite wird uns geschrieben: Die Oeffentlichkeit beschäftigt sich, besonders angeregt durch die große Wollsachensammlung, mit Recht mit der Lösung der Frage, wie sie unsere Soldaten im Winter anziehen sollen. Die ungeheuren Ballen von Wollwaren, die ins Feld hinausgeschickt werden, tragen bereits viel zur Lösung dieser Frage bei. Andererseits werden Vorschläge gemacht, die sich bei Nordpolfahrten gut bewährt haben. Es fragt sich nun, ob eine große Reihe dieser Vorschläge nicht weit über das Ziel hinauszeigt. In Frankreich sind die Winter wärmer als in Deutschland. Sie erfordern also durchaus nicht größere Vorbereitungen, als man in Deutschland treffen würde. Der Regen ist dort viel schlimmer als die Kälte. Es wäre darum erfreulich, wenn die Fürsorgemaßnahmen bei Herstellung der Liebesgaben sich auch auf wasserdichte Umhänge und wasserdichte Mützen erstrecken würden. Nun die Vorbereitungen für einen voraussichtlichen Winterfeldzug in Rußland! Hier wird stark über das Ziel hinausgegangen. Das russische Gebiet, in dem der Winterfeldzug stattfinden wird, ist selbst, die nordöstliche Grenze genommen, noch durchaus europäisch. Russische Winter haben bei uns einen harten Klang, aber man muß bedenken, daß der Krieg nicht in Nordrußland oder Sibirien geführt wird. Gewiß gibt es selbst in den Kriegsgebieten Rußlands scharfe Winter und starke Kälte, welche die unsrige übertrifft. Aber die Kältetage wechseln doch ganz unberechenbar mit wärmeren Tagen ab, in denen der Schnee schmilzt, auch für diese Tage muß gesorgt werden. Erste Vorbedingung für Gesunderhaltung des Leibes und des Magens sind warme große Stiefel, die am besten mit Stroh ausgefüllt werden. Wasserdichte Sohleneinlagen sind streng zu vermeiden, da sie meist luftundurchlässig sind und das Kältegefühl steigern. Warme Unterkleider sind selbstverständlich. Aber das wollene Hemd sei nicht so dick, daß es bei warmem Wetter eine Plage bildet. Das Wichtigste aber sind dicke warme Ohrschützer. Jeder, der in Petersburg war, weiß, daß den Ohren die größte Gefahr von der Kälte droht, und daß die Petersburger sich gegenseitig darauf aufmerksam machen, wenn die Ohren gefährdet sind. Also warme Stiefel, ein erträglich warmes wollenes Unterhemd, dicke wollene Beinkleider, die selbst an wärmeren Tagen nicht lästig werden, und sehr dicke wollene Kopf- und Ohrschützer.
Vaterländische Reden und Vorträge. (Achter Abend.) Prof. Dr. Holldack: „Der Automobilmotor und die Verkehrsmittel im Kriege.“ Mit Papierdrachen, Flugzeugmodellen, Kreide, Lichtbildern und sonstigen Vorrichtungen und Apparaten wurde gestern abend operiert, um das Leben des Motors zu veranschaulichen. (...) Es wurden technische Einzelheiten auch des Bootsmotors klargelegt, der Diesel-Motor als Schiffsmotor gewürdigt und zum Schluß der komplizierte Mechanismus des Unterseebootes, dem in diesem Krieg eine ganz besondere Rolle zufällt, besprochen. Aus allen diesen Darlegungen ging immer wieder hervor, wie sehr deutscher Fleiß und deutsche Arbeit auch auf dem Gebiete des Motors führend geworden sind. Und wenn England auch deutsche Patente klaut und Frankreich versucht, Diesel-Motore zu bauen, so kann uns das weniger anfechten, denn: Deutschen Geist, deutschen Fleiß und deutsche Arbeit können unsere Feinde uns nicht nehmen. Das ist neben der braven Tapferkeit unseres Heeres ein weiterer Trost im gegenwärtigen Kriege.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Etwas für die Bayern. Ein für den Kriegsschauplatz bestimmter Militärzug, der an Bonn vorüberfuhr, enthielt zwölf Wagen Münchener Flaschenbier, zusammen 50.000 Flaschen. Die Wagen waren durch weithin lesbare Doppelschilder als Liebesgabe der Vereinigten Münchner Brauereien an das 1. bayerische Armeekorps bezeichnet. Wie werden die Bayern sich freuen, in Feindesland diesen Heimattrunk zu erhalten.
Die Arbeitgeber, welche Mitglieder des Pfadfinderkorps als Lehrlinge usw. beschäftigen, werden auch an dieser Stelle ersucht, den jungen Leuten morgen (Freitag) freizugeben. Sie sollen bei der Kriegs-Wollsammlung, die morgen von Haus zu Haus stattfindet, mithelfen. Wir sind überzeugt, daß jeder Handwerker, Gewerbetreibende und Kaufmann seinen Lehrling gerne für einen Tag entbehrt, wenn es sich um einen Dienst im Interesse unserer wackeren Soldaten handelt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Liebesgaben. In allen Aufrufen, die in Zeitungen wegen des Versandes von Liebesgaben an die im Feld stehenden Truppen erlassen werden, befindet sich immer wieder auch Schokolade aufgeführt. In fast allen Briefen, die unsere tapferen Soldaten an ihre Lieben daheim schicken, bitten sie immer und immer wieder um Schokolade. Dieser Wunsch ist durchaus verständlich, wenn man den der Schokolade innewohnenden großen Nährwert berücksichtigt. (...) Unter diesen Umständen ist es kein Wunder, daß die von vielen deutschen Schokoladefabriken meist von der Firma Gebr Stollwerk in Köln in den Handel gebrachten Feldpostbriefe mit Schokolade und Pfeffermünz einen außerordentlichen Anklang bei allen denen gefunden haben, die ihren Lieben im Felde etwas Gutes zukommen lassen möchten. Wir verweisen auf das Inserat genannter Firma in unserer heutigen Nummer, das alles Nähere über diese Packungen enthält.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Geschäftliches“)
Freitag, 30. Oktober 1914
Liebigs Fleischextrakt, ein englisches Erzeugnis. Die Pharm. Ztg. Nr.77, 1914, bringt folgende, dem Matin entnommene Notiz: „Die Liebig Co. Bringt zur öffentlichen Kenntnis, daß sie eine 1865 zu London unter der Firma ‚Liebigs Extract of Meat Company, Ltd’ gründete englische Gesellschaft ist. Sie versorge gegenwärtig die französischen und englischen Truppen und deren Sanitätspersonal mit Fleischextrakt, Fleischkonserven und Oxo-Buillon.“ Die Schlussfolgerung für die deutschen Verbraucher ergibt sich von selbst.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Ein Straßenbild. Eine alte, einfach gekleidete Frau mit einem Reisekörbchen hält mich auf der Straße an: Ob ich ihr das Reserve-Lazarett Nr. … zeigen könne? „Gewiß kann ich das“, und da ich gleichen Weg habe, gehen wir zusammen durch die regennassen Straßen. Wir kommen ins Gespräch. „Na, Mutter, wollen Sie ihren Sohn besuchen?“ Ja, das wollte sie, und erst stockend und dann allmählich warm werdend, erzählt mir das Mütterchen, daß sie seit vorgestern unterwegs ist, um ihren Sohn, ihren Jüngsten, zu besuchen. Er sei bei … (Sie spricht den französischen Namen in der Schreibweise aus) verwundet worden, aber wie, das wisse sie nicht. Hoffentlich sei es nicht gefährlich. Sie komme aus der Eifel (Sie nannte ein traumstilles Restchen hinter Malmedy), und sei zunächst nach Königswinter gefahren, weil dort ihr Sohn , der bei den Jägern stehe, im Lazarett liegen solle. Dort sei ihr bedeutet worden, ihr Sohn liege in Köln. Aber auch dort habe sie ihn nicht gefunden, und so sei ihr nichts anderes übrig geblieben, als hier in Bonn ihr Glück zu versuchen. Ob ihr das Reisen nicht beschwerlich sei, frage ich. „Mit 77 Jahren sei es nicht gerade angenehm, aber sie besuche ja ihren Sohn, und da komme man gern.“ Ob sie nur den einen Sohn habe? Sie erzählt, daß sie drei Söhne im Felde hat. Von dem Aeltesten habe sie seit einem Monat nichts mehr gehört, der zweite, setzt sie mit zittriger Stimme hinzu, ist gefallen. – Wir gehen schweigend weiter. Dann spricht sie leise für sich hin: „Ja, der Krieg, sein Elend ist groß wie das Meer. Die Frauen wissen das am besten.“ Aber dann guckt mich das einfache Mütterchen mit dem verschrumpften lieben Gesicht nd den welken Händen von der Seite an: „Aber mein Jüngster ist für das Eiserne Kreuz vorgeschlagen.“ In ihrer Stimme liegt freudiger Stolz. „Wissen Sie“, sagt sie dann, „das läßt mich das andere leichter ertragen.“ Und dann erzählt sie mir noch viel von ihrem Jüngsten, der als Freiwilliger ins Feld gegangen sei, weil er es als Jagdhüter in den stillen Wäldern nicht aushalten konnte.“
Mittlerweile sind wir am Lazarett angekommen und ich frage nach dem Sohn der Mutter. „Ja, der sei da, leicht verwundet, Streifschuß am Arm.“ – „Gott sei Dank“, das ist alles, was die alte weißhaarige Frau sagt, aber man fühlt, wie ihr mit diesem „Gott sei Dank“ eine Zentnerlast vom Herzen fällt. Ich verabschiede mich von der alten Frau und gebe ihr den Rest meiner Zigarren für ihren Jüngsten. Sie drückt mir beide Hände und bedankt sich umständlich. Dann sehe ich, wie sie mit ihren alten Beinen schnellfüßig wie ein Kind die Steintreppe hinaufeilt, zu ihrem Jüngsten, der für das Eiserne Kreuz vorgeschlagen ist.
Gedenket der Armen im Winter. Im Interesse der Armen wird auf folgende zweckmäßige Einrichtung der städt. Armenverwaltung aufmerksam gemacht. Diese verkauft: Gutscheine für 1 Zentner Briketts zu 0,75 Mk., für 10 Portionen kräftiger Suppe zu 1 Mk., für 10 Fläschchen Schulmilch zu 0,60 Mk., ferner Gutscheine für Lebensmittel (Brot, Reis, Gerste, Haferflocken). – Das Verabfolgen dieser Gutscheine anstatt Geld bietet dem Wohltäter die sicherste Gewähr, daß die Armen diejenige Unterstützung, die ihnen am meisten hilft, auch tatsächlich erhalten, und aß das zu diesem Zweck etwa gegebene Geld nicht für geistige Getränke und andere unnütze Zwecke verausgabt wird.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
„Kriegslügen“? Wenn Verwundete erzählen, ihr Truppenteil sei völlig ausgerieben, mehr als die Hälfte der Kameraden sei gefallen, sie seien umzingelt gewesen, die Engländer hätten einen Damm gesprengt und viele Soldaten seien ertrunken – und nachher stellt sich heraus, daß das alles nicht wahr ist, dann hat der Verwundete noch lange nicht immer bewußt die Unwahrheit gesagt. Die erschütternden Erlebnisse auf dem Schlachtfeld haben viele Soldaten in einen Depressionszustand versetzt, für den solche Urteilsfälschungen typisch sind. Die Phantasie arbeitet bei ihnen – wie Prof. Willy Hellpach im „Tag“ ausführt – fast durchgehend stärker und üppiger, als in gewöhnlichen Tagen. Durch das Ungewohnte des Erlebnisses erregt – so sagt Prof. Hellpach weiter – überwuchert sie leicht die kritische Verarbeitung der Eindrücke – wie es schon in allen stark erregten Situationen des Lebens im Frieden der Fall ist. Sie schafft sich gern, was sie glaubt, und sie glaubt gern, was sie glauben möchte. Für die breiten Massen ist das gewissermaßen stets der Fall. Auffallend wird aber, wie die ausschmückende und leichtgläubige Phantasie im Kriege auch von den sonst viel kritischer gestimmten Gebildeten Besitz ergreifen kann. Alle, auch die abenteuerlichsten Gerüchte finden da Chancen, geglaubt zu werden, und erweisen sich einer kritischen Widerlegung unzugänglich. Die gleiche Phantasie aber, die sie begierig aufnimmt, vergrößert und schmückt sie unbewußt wieder selbst weiter – und nach einer Art seelischen Schneeballsystems verwandelt sich durch den Mund weniger Menschen hindurch irgendeine aufgeworfene Vermutung in eine abenteuerliche Behauptung, die sich jeder Korrektur unzugänglich zeigt.
Kathol. Frauenbund (Zweigverein Bonn). In der sehr gut besuchten Mitgliederversammlung im großen Saale des Bürgervereins erstattete die Vorsitzende, Fräulein Boettrich-Godesberg, Bericht über die Kriegsarbeit des Zweigvereins. Gleich zu Anfang des Krieges schloß sich der K. F. B. an den Vaterländischen Frauenverein an und stellte seine Mitarbeit im Rahmen der allgemeinen Kriegshilfe zur Verfügung. Dem K. F. B. fiel an erster Stelle die Kinderfürsorge zu, die er ja auch in Friedenszeiten in seinen vier Kinderhorten in umfassender Weise ausübt. Da jetzt aber drei dieser Horte zum Teil zu militärischen Zwecken belegt werden mußten, sah man sich gezwungen, nach neuer Unterkunft zu suchen. Nach vieler Mühe und Arbeit konnte man zwei leerstehende Häuser in der Thomasstraße zu diesem Zweck einigermaßen wohnlich herrichten. Die doppelte Anzahl Kinder wurde dann in den Horten von 8 Uhr morgens bis 7 Uhr abends verpflegt, insgesamt 400 Kinder. Zu den erheblichen Unkosten werden städtischerseits Zuschüsse geleistet. – Ferner übernahm der K. F. B. in seinem Geschäftszimmer Martinstraße 3 eine allgemeine Auskunftsstelle und die Eintragung von Arbeitswilligen. Täglich morgens und nachmittags (auch jetzt noch) sind dort Sprechstunden. In den ersten Kriegswochen ließen sich 1066 Frauen und Mädchen eintragen. Aus der neueingerichteten Nähstube des K. F. B. wurden 300 Deckenbezüge als Geschenk des K. F. B. an das Lazarett des Vaterländischen Frauenvereins abgeliefert. Alten und kränklichen Personen wurde Krankenkost verabfolgt, Bedürftige erhielten Brotmarken und Suppen. Der K. F. B. beteiligte sich ferner an der Einrichtung eines Speisehauses für bürgerlichen Mittagstisch und an der Bildung einer Kommission für hauswirtschaftliche Kriegshilfe. Belehrende Vortragsabende, Näh- und Flickabende sollen noch veranstaltet werden. Der Vorstand bittet besonders alle jene Frauen und Mädchen, die infolge des Krieges einen Teil des Tages unbeschäftigt sind, sich seiner Arbeit zu widmen. – Allen Vermittelten ruft der K. F. B. zu: Gebt unseren Frauen Arbeit, nicht Almosen! Unendliche sittliche Werte werden unserem Volke erhalten, wenn unsere Frauen selbsterarbeitetes Brot essen.
Zur Deckung der erheblichen Geldmittel, die die Tätigkeit des K. F. B. erfordern, steuerten die Mitglieder des Zweigvereins annähernd 1000 Mark aus freiwilligen Beiträgen bei. (…) Die Stadt Bonn leistete einen Zuschuß von 300 Mark und ebenso die „Kriegshilfe“. Vom Roten Kreuz und von privater Seite gingen namhafte Aufträge und größere Mengen Stoff ein. Um die Arbeitsvermittlung, die wichtigste Aufgabe des K. F. B., aufrecht erhalten zu können, bittet der Vorstand um Aufträge einfacher Näharbeiten, um Stoffreste und Nähzeug und um Zuwendung von Barmitteln. Am Sonntag, den 15. November, sollen im Arbeitszimmer, Clemensstraße 3 nützliche Gegenstände, die durch die Arbeitsvermittlung angefertigt wurden, verkauft werden. Möchten viele an diesen Tag denken und ihren Bedarf dort decken. (...)
Kriegsbrot. In Befolgung der von sachverständiger Seite erteilten Ratschläge, die dringende Sparsamkeit beim Verbrauch von Roggen empfehlen, haben verschiedene Städte und Kreise Versuche mit der Beimischung von Kartoffeln zum Roggenbrot gemacht. Das mit Kartoffelmehl vermischte Brot zeigte mancherlei Mängel. Dagegen hat das Brot, dem eine Prozentsatz von gekochten Kartoffeln zugesetzt wurde, nicht nur einen ausgezeichneten Geschmack, sondern auch eine gute Haltbarkeit. Es ist deshalb verschiedentlich die Einführung dieses „Kriegsbrotes“ beschlossen worden. Die Polizei achtet darauf, daß nicht mehr als 25 Prozent Kartoffeln zugesetzt werden. Wesentlich ist auch, daß ein sog. 50-Pfennigbrot mit Kartoffelzusatz nur 45 Pfg. kostet.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Kinderschutz. Die Kinder werden jetzt seitens der Schule zum fleißigen Stricken für die Soldaten angehalten. Der hierdurch entstehende praktische, und mehr noch der erzieherische Nutzen ist gewiß sehr zu begrüßen. Wenn man aber bedenkt, daß die Gesundheit eines beträchtlichen Teiles unserer Volksschüler viel zu wünschen übrig läßt, ferner daß durch die stetig steigenden Anforderungen der Schule die Kräfte der Kinder voll in Anspruch genommen werden, so grenzt dieses anhaltende Stricken bis in die Nacht hinein doch hart an gesundheitsschädliche Ueberanstrengung, die man nicht ohne dringende Not fordern oder dulden sollte. Warum opfert man nicht auf dem Altare des Vaterlandes ein minder wichtiges Lehrfach oder erläßt den Kindern die häuslichen Schularbeiten, um die nötige Zeit zum Stricken zu gewinnen? Gegen die Ausbeutung durch die Eltern schützt die Kinder das Gesetz, wer aber schützt sie vor der drohenden Ausbeutung durch die Schule? K.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus dem Leserkreise“)
Samstag, 31. Oktober 1914
Stadtverordnetenversammlung. In der gestrigen Sitzung wurden die Punkte der Tagesordnung ohne Aussprache genehmigt. Es kam dann zum Schluß zu einer Aussprache über die Festsetzung von Höchstpreisen für Kartoffeln. Mehrere Stadtverordnete der liberalen Fraktion hatten eine Interpellation eingebracht, ob schon Maßregeln in Aussicht genommen seien, die große Steigerung der Kartoffelpreise durch Festsetzung von Höchstpreisen zu regeln. In der Aussprache hob der Geheimrat Schultze hervor, daß die bekannten Gründe, die als Ursache für das Ansteigen der Preise angeführt werden, im großen und ganzen nicht stichhaltig seien. Auf Antrag der Verwaltung wurde die Sache der Teuerungskommission überwiesen. In der Aussprache, ob eine Sonntagsruhe beibehalten werden sollte, kam es zu keiner Beschlussfassung.
Kriegsfreiwillige. Das Ersatz-Bataillon Garde-Grenadier-Regiment Nr. 5 in Spandau stellt wieder Kriegsfreiwillige ein. Mindestmaß: 1,68 Meter. Bedingung: Vollkommen gesund und kräftig. Möglichst eigene Schaftstiefel mitbringen, wofür monatliche Entschädigung gewährt wird.
Der Bonner Zitherklub erfreute am Donnerstag abend die in der Rumpfschen Privatklinik untergebrachten Verwundeten mit einem Konzert, dessen ausgewählte, sehr stimmungsvolle Stücke von den Zuhörern mit großer Aufmerksamkeit verfolgt und mit dankbarem Beifall aufgenommen wurden. Ein Zuhörer wies in einer Ansprache darauf hin, daß auch der Bonner Zitherklub dadurch, daß er die verwundeten Soldaten aufheitere, seine Kunst in den Dienst des Vaterlandes stelle. (...)
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Die gestrige Kriegs-Wollsammlung hat, wie nicht anders zu erwarten war, einen vollen Erfolg gehabt. Schon am frühen Morgen sah man unsere Pfadfinder in Uniform und Schüler mit schwarz-weiß-roten Schärpen die geschmückten Handwagen zu den einzelnen Bezirken ziehen, um die von den Sammlerinnen „requirierten“ Sachen in Empfang zu nehmen. Unverdrossen gingen die Damen von Haus zu Haus, treppauf, treppab, kein Haus, keine Wohnung, möchte sie auch unterm Dach liegen, wurde überschlagen. Denn Alle, Alle sollten und wollten sich an dem Liebeswerk, das unsern tapfern Soldaten im Felde galt, beteiligen. Und alle, die Veranstalter sowohl, als auch die übrigen Damen und Herren, die sich in den Dienst der guten Sache gestellt hatten, können mit dem Ergebnis zufrieden sein. Ganze Berge Wollsachen, Strümpfe, Pulswärmer, Unterjacken, Wollhemden, Unterhosen, Kopfschützer, Decken, Westen und Ueberzieher wurden im Laufe des Tages in den einzelnen Sammelstellen abgeliefert. Man hat hauptsächlich um gebrauchte Sachen gebeten, was aber alles an neuen Sachen, namentlich Strümpfen, Pulswärmern und Unterzeug hergegeben wurde, läßt sich heute noch nicht übersehen. In einer Sammelstelle war ein großer Wandschrank mit neuen Strümpfen bis obenan gefüllt. Auch viele Damensachen wurden abgeliefert, die nach dem fernen Osten wandern werden, um dort die von den Kosakenhorden beraubten Frauen und Kinder vor Kälte zu schützen. Jetzt sind fleißige Hände bei der Arbeit, alle die Liebesgaben zu sichten und zu ordnen, um am kommenden Dienstag, dem zweiten und letzten „Woll-Sammeltag“, bereit zu sein, nochmals für unsere tapferen Truppen bei Arm und Reich anzuklopfen.
Die Ausgabe der Dauerkarten für die Benutzung der Eisbahn auf dem städtischen Sportplatz an der Reuterstraße hat begonnen.
Ueber die Tätigkeit der Feldpost gehen uns verschiedene Klagen zu. Briefe aus anderen Teilen Deutschlands kämen sicherer und bedeutend schneller an, als solche vom Kriegsschauplatz in Nordfrankreich. Auch aus Russisch-Polen kommen Klagen, daß ein Kriegsteilnehmer und seine Kameraden der ganzen Abteilung bis heute keine Post von ihren Angehörigen erhalten hätten. Er sei seit Ende September dort und nicht einmal eine Geldsendung sei angekommen. Wenn man bedenke, wie jämmerlich die russischen Verhältnisse sind (Salz, Zucker und Kaffee seien seltene Artikel, Bier, Zigarren und Tabak überhaupt nicht zu haben), könne man ermessen, was die Soldaten entbehren müßten. Daher solle die Poste doppelt bemüht sein, die Sachen bis dorthin zu bringen. Die Abteilung sei durchaus nicht in der Gefechtslinie, habe vielmehr vom Feinde nichts gesehen. Ein dritter Brief aus Frankreich teilt u. a. mit, daß eine Frankfurter Behörde mehrere Waggons mit 25 000 Paketen sucht, die auf der Etappenlinie anscheinend verlorengegangen seien. Der Absender weist darauf hin, daß man die Sachen so genau wie nur möglich adressieren möge, namentlich den Unterschied zwischen 8. Armeekorps und 8. Reserve-Armeekorps möge man genau beachten. Er habe sich der Mühe unterzogen, innerhalb acht Tagen mehrere Tausend auf der Station lagernde Pakete, Kisten usw., um die sich niemand kümmerte, an die Adressaten befördern zu lassen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Der große Woll-Sammeltag. Es bedurfte nicht vieler Worte und langer Appelle durch die Zeitungen. Wie unsere jungen Damen gestern mit dem schwarz-weiß-rot geschmückten Körbchen von Haus zu Haus und von Stockwerk zu Stockwerk gingen, gab jeder gerne und freudig, was er an Wollsachen und an anderen Kleidungsstücken entbehren konnte. Und die nichts entbehren konnten, gaben Geld, die einen viel, die anderen weniger. Junge Burschen, Mitglieder des Pfadfinderkorps nahmen die Sachen auf der Straße in Empfang und brachten sie, wenn ihre, zum Teil mit viel Mühe und Fleiß gezierten Wagen und Karren gefüllt waren, zu den Sammelstellen. Je vier junge Damen hatten eine große, oder mehrere kleine Straßen übernommen. In den meisten Straßen mußten die Pfadfinder mehrere Male, einige bis zu dreißig Mal, ihre hochbeladene Karre an der Sammelstelle leeren. Strümpfe und warmes Unterzeug, Kopfwärmer und Ohrenschützer, wollen Decken und getragene Kleider, Strickwolle und Stoffreste, alles wurde dankbar angenommen. Aus manchen Häusern wurden wahre Berge an Wollsachen und Kleidern getragen. Was für unsere Soldaten davon zu verwenden ist, geht bald zum Kriegsschauplatz, das übrige erhalten unsere armen Landsleute in Ostpreußen. Der Woll-Sammeltag hatte in Bonn ein glänzendes Ergebnis. War das nicht der Geist unserer Vorfahren, der Geist von 1813?
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)