Dienstag, 1. Dezember 1914
Eine Schilderung der Kämpfe an der Yser. In einem Feldpostbriefe eines Pioniers, datiert vom 26. Oktober, der uns zur Verfügung gestellt wurde, heißt es: Augenblicklich stehen wir in Nieuport. Bei Antwerpen haben wir mitgestürmt und zwar auf die Forts Wavre, St. Catherine und Dorpoelde [Dorpvelde]. Dann halfen wir den Netheabschnitt überwinden. Wir schossen bei Duffel mit unseren Minenwerfern und überbrückten die Nethe [Nete] mit Schnellbrücken. Dann marschierten wir durch Antwerpen über Dendermont, Gent, Brügge nach Ostende. Vor Ostende kam es noch zu einem Gefecht, das zwei Tage dauerte. Dann zog der Gegner in der Richtung Nieuport ab. Wir waren zwei Tage in Ostende im Quartier, ich im Hotel Schultze. Wir requirierten Sekt und an diesem Abend feierten wir Ostende und waren buchstäblich freudetrunken. Dann marschierten wir weiter gegen Nieuport vor. Nach drei Stunden Marsch gabs den ersten Zünder. Bei Pierre Saint Chapelle feuerte schwere Artillerie und englische Kreuzer auf unsere vorrückende Brigade. Die Belgier hatten eine famose Stellung hinter der Yser. Die Brücke war gesprengt und die feindliche Artillerie streute das andere Ufer mit Schrapnells ab. Die Infanterie ging vor und arbeitete sich nach zwei Tagen bis an das Flussufer heran. Um den Uebergang zu decken, mußten wir mit Minenwerfern vor. Es war eine üble Sache, die Minenwerfer über das freie ungedeckte Feld vor zuziehen. Ein Mann neben mir bekam einen Kopfschuß und plumpste wie ein Sack zusammen Dann buddelten wir uns ein und begannen bei Morgengrauen das Schießen. Bald waren wir eingeschossen und Schlag auf Schlag flogen unsere 50er Minen in die feindliche Stellung. Wir haben täglich geschossen und lagen 5 Tage und Nächte im Schützengraben, aus dem man nicht den Kopf herausstrecken durfte, ohne eine Kugel drin zu haben. Eine Granate schlug in unseren Schützengraben ein und tötete 5 Mann. Die zerrissenen Leichen warfen wir bei Nacht vor die Böschung, da wir sie nicht begraben konnten. Fünf Tage haben wir in dem Loch gesteckt und von Brot, Speck und Wasser aus einem Granatloch gelebt. Was man da gut Zigaretten usw. gebrauchen kann. Am 6. Tag war der Feind derart erschüttert, daß man den Sturm wagen konnte. Mit Pontons und Schnellbrücken wurde vorgegangen unter heftigem Gewehr- und Maschinengewehrfeuer. Dann warfen wir Handgranaten in die Belgier und Franzosen, die furchtbar wirkten. Alsbald hatten wir über eine Kompagnie Belgier und Franzosen gefangen. Da sahen wir auch die Wirkung unserer Minen. Mit Spaten haben wir die einzelnen Gliedmaßen zusammengetragen und begraben. Die beiderseitigen Verluste waren furchtbar. Alle 4 bis 5 Meter lagen Tote. Dann haben wir Ruhe bis heute, wo wir den Befehl bekommen haben, eine Pontonbrücke zu bauen.
(Bonner Zeitung)
Bonner Wehrbund. Die verschiedenen Abteilungen des Wehrbundes vereinigten sich am Sonntag Nachmittag auf dem Exerzierplatz (...), um Uebungen in verschiedenen größeren Stellungen und in der Bildung und Bewegung langgezogener Schützenketten zu machen. (...) Abends fanden sich die Mitglieder des Wehrbundes mit ihren Führern und Angehörigen und vielen Gästen in dem Gasthof von Vianden in Poppelsdorf zusammen, wo Herr Dr. Ohmann an der Hand aufschlussreicher strategischer Karten einen Vortrag über die Ereignisse auf dem östlichen Kriegsschauplatze hielt. Er stellte besonders die glänzende Kautschukstrategie Hindenburgs in das rechte Licht, der es immer vermied, den Russen in ihr sumpfreiches und wegearmes Land weiter zu folgen, sondern sie selbst nach entscheidenden Siegen immer wieder in die westlichen Gebiete jenes Kriegsschauplatzes vorrücken ließ, die für uns so viel vorteilhafter, als für die Russen seien. Er stellte den Sieg Hindenburgs bei Tannenberg den größten Schlachten der Weltgeschichte bei Cannä, Leuthen und Sedan zur Seite und schilderte die heutige neue Aufstellung als eine der bei Tannenberg zu vergleichenden an strategischer Bedeutung, die zu den größten Hoffnungen berechtigte. Herr Prof. Brinkmann erfreute die Versammlung durch Schilderung von Episoden aus dem Kriege 1870/71, die von der Heldenhaftigkeit deutscher Truppen, ihrer eisernen Manneszucht und dem felsenfesten Vertrauen in ihre Führer ein glänzendes Zeugnis ablegten. (...) Es dürfte sehr im Interesse des Wehrbundes liegen, derartige belehrende Vorträge noch häufiger als bisher zu veranstalten.
Vom stellvertretenden Generalkommando des achten Armeekorps geht uns folgende Bekanntmachung mit dem Ersuchen um Veröffentlichung zu:
„Es ist zu meiner Kenntnis gelangt, daß trotz der Wiederbelebung des Geschäftslebens namentlich auch dúrch die umfangreichen Aufträge der Heeresverwaltung einzelne Handels- und Unternehmerfirmen sich noch immer nicht dazu haben entschließen können, die gegen ihre Angestellten und Arbeiter nach der Mobilmachung vorgenommenen Gehalts- und Lohnkürzungen zu beseitigen und entlassene Angestellte und Arbeiter wieder anzunehmen. Das frühere Verhalten dieser Firmen war wirtschaftlich bedenklich, ihr jetziges Verhalten ist unbillig, oft ungesetzlich, und macht Gegenmaßnahmen erforderlich. Bevor ich solche Maßnahmen verordne, verwarne ich die gedachten Firmen hiermit nachdrücklichst. Der Kommandierende General. Gez. von Ploetz, General der Infanterie.“
Vaterländische Postkarten. In der Presse ist mehrfach der Wunsch zum Ausdruck gekommen, daß rohe und alberne Kriegskarten, die der ernsten Zeit unwürdig sind, aus den Schaufenstern verschwinden möchten. Es ist für die Postkartenhändler nicht schwer, sich mit einwandfreier Ware zu versehen. Wir weisen nur auf die vaterländischen Postkarten und die Bildnisse der Heerführer aus dem Kunstverlage der Photographischen Gesellschaft, Berlin-Charlottenburg hin (...) Die uns vorliegende Sammlung zeigt die Bildnisse des Kronprinzen, des Generalfeldmarschalls v. Hindenburg und des Generalstabchefs v. Moltke. (...)
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Feldpostpakete ohne Leinwandumhüllung. Für die bis zum 30. November auszuliefernden Pakete an die Truppen hatte das Kriegsministerium aufgrund der Erfahrungen der ersten Paketwoche gefordert, daß Kartons mit Leinwand umnäht werden müssen. Nachdem von vielen Stellen der Wunsch laut geworden war, Kartons auch ohne solche Umhüllung zuzulassen, und dem Kriegsministerium geeignete Proben von solchen Packungen vorgelegt worden sind, hat es im Einvernehmen mit dem Reichspostamt zugelassen, daß künftig auch Kartons ohne Leinwandumhüllung angenommen werden können, sofern sie genügend widerstandsfähig sind. Die Paketdepots und Postanstalten sind hiernach verständigt worden.
† August Macke, der hoffnungsvolle Künstler, ist auf dem Feld der Ehre gefallen, nachdem er für seine hervorragende Tapferkeit mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden war. Mit ihm ist einer der stärksten Vertreter der expressionistischen Bewegung dahingegangen. Macke stammt aus Bonn; hier lebte er auch, nachdem er seine Studien abgeschlossen hatte, bis zum Ausbruch des Krieges. Gewiß, Macke war kein Fertiger, er rang redlich nach einer besonderen Ausdrucksform, und warf sich mit Eifer in die expressionistische Strömung. Von entscheidendem Einfluß für seine künstlerische Entwicklung war Paris. Hier gewann er Fühlung mit gleichgesinnten Künstlern, hier arbeitete er mit Eifer, sensiblen Farbempfinden und sprühender Phantasie, die sich nach gegenständl. Gestaltung sehnte. Löste er auch die Bildfläche in geometrische Formen nach den Lehren des Kubismus auf, so hielt er sich doch von reinen Abstraktionen fern und so hoben sich seine Bilder unter denen seiner Kollegen stets vorteilhaft hervor.
Man mag über die Richtung, der sich Macke anschloß, geteilter Meinung sein, das eine steht fest, daß er mit großer Ehrlichkeit und Ueberzeugung arbeitete, im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen, denen der Expressionismus eine bequeme Handhabe ist, um ihr dilettantisches Können zu verschleiern.
Macke ist in unserer Stadt näher bekannt geworden durch die Sonderbundausstellung der Expressionisten im Cohenschen Kunstsalon. Hier sah man den jungen, liebenswürdigen Künstler als begeisterten Führer und Sprecher der Ausstellung, stets redlich bemüht, zwischen dem großen – teils kopfschüttelnden – Publikum und den Werken der Expressionisten, die sehr oft zum Widerspruch reizten, eine versöhnliche Stellung, ein Begreifen, Verstehen herbeizuführen.
Nun hat die Kugel diesem hoffnungsvollen Leben ein Ende gemacht; ein Junger, Taster, Sucher ist nicht mehr, dessen Ziel sich noch in Zukunftsdämmer verbarg.
Der Alkohol im Kriege. Wie unter den Liebesgaben für im die Felde stehenden Truppen, so nehmen auch unter den Spenden für unsere verwundeten und kranken Krieger Spirituosen und sonstige alkoholische Erzeugnisse neuerdings einen immer größeren Raum ein. Von in der Front stehenden und von Besatzungstruppen wird aber gemeldet, daß sie sich nach Wasser sehnen, nachdem sie sich den Wein „über“ getrunken haben. Es ist dringend zu wünschen, daß für Zufuhr von gutem Wasser und Erbohrung von Brunnen gesorgt wird, wo immer es an solchen und an Quellen fehlt, desgleichen für genügende Versorgung mit guten warmen und kalten alkoholfreien Getränken und Erfrischungen verschiedener Art: denn je mehr Alkohol getrunken wird, desto schlimmer für das Feldheer. Die Kriegssanitätsordnung sagt: „Der Alkohol wirkt zwar anfangs belebend, beim Genusse größerer Mengen aber bald erschlaffend“. Sie weist insbesondere auch darauf hin, daß die wärmende Wirkung der geistigen Getränke trügerisch und der Alkoholgenuß gegen Kälte deshalb gefährlich ist, und fordert nach alle dem, daß „von allen Dienststellen dem Beschränken des Alkoholgenusses die ernsteste Aufmerksamkeit zugewendet wird“. Alkoholische Getränke gehören also als Genußmittel, so gut auch jene Gaben gemeint sein mögen, nicht ins Feld. Was davon zur Belegung Verwundeter und Kranker nötig ist, zur vorübergehenden Anregung oder Betäubung, das mag und wird die Heeresverwaltung bezw. der Sanitätsdienst von sich aus bestimmen und entgegennehmen. Der Alkohol ist für diese Fälle eben als Heilmittel anzusehen und als solches zeitweilig und von Fall zu Fall zu verwenden. Das gilt insonderheit auch für den Lazarettdienst. In den Speise- bezw. Trinkzettel der Lazarette gehören die geistigen Getränke nicht. Die Lazarette werden nicht den allgemeinen Krankenanstalten hierin nachstehen wollen, die in Berücksichtigung der wissenschaftlichen Feststellungen der modernen Alkoholforschung unserer bedeutendsten Mediziner die Alkoholika von der Kostordnung gestrichen haben. Der Hygieniker v. Gruber, der Kliniker v. Strümpell, der Psychiater Kräpelin, der Chirurg König – sie alle verwerfen die Verabreichung von Wein, Bier und dergl. als „Nähr- und Stärkungsmittel“. Daß im allgemeinen nicht nur Krankheiten ohne Alkoholverabreichung schneller und gleichmäßiger heilen, sondern auch Verletzungen und Operationen von nüchternen Leuten weit besser vertragen werden, ist längst allgemein bekannt und von den Operateuren vielfach bestätigt worden. Der Alkohol ist und bleibt eben – selbst in kleineren Gaben genommen – ein Reizmittel einerseits, ein Betäubungsmittel anderseits, dessen Verabreichung an Leidende nur der kundige Arzt zu bestimmen und zu verantworten hat. Diese Verantwortung erscheint mir besonders bedeutungsvoll bei der Versorgung unserer im Felde erkrankten Brüder, deren Herzmuskel und deren Nervensystem die geeignesten und verhängnisvollsten Angriffspunkte des Alkohols sind, während sie doch dringend der Genesung und Schonung nach oft übermenschlichen Anstrengungen bedürfen. Hier kann die kann die Verabreichung von geistigen Getränken das Uebel nur zu leicht verschlimmern. Man darf der Zuversicht sein, daß unsere obersten Sanitätsbehörden sich auch hinsichtlich des Alkoholgebrauchs leiten lassen werden nicht nur von den Ergebnissen der Wissenschaft, sondern auch von den Erfahrungen, die aus den letzten Feldzügen, nicht zum wenigsten aus dem Kriege in Südwestafrika gewonnen wurden, und die zu der Forderung geführt haben: Je weniger, desto besser: Dr. med. Fl...
Das Speisehaus für Frauen, das bei Ausbruch des Krieges von der B. S. Wohlfahrts-Vereinigung gegründet wurde, erfreut sich einer lebhaften Benutzung. Täglich speisen ungefähr 100 Frauen in den freundlich durchwärmten Räumen. Außerdem steht noch ein gemütliches Lesezimmer zur Verfügung. Verschiedene junge Damen haben in liebenswürdiger Weise die Bedienung der Gäste übernommen. Dabei wird darauf gesehen, daß niemals Blumen auf dem Tisch fehlen. Das Essen besteht aus einer guten Suppe, Fleisch und Gemüse, und ist schmackhaft zubereitet und kostet für die Person 20 Pfg. Die Unterhaltungskosten werden in der Hauptsache von Beiträgen großherziger Gönner bestritten. Auch sonst erfährt das Speisehaus mancherlei Unterstützung. Vor kurzem wurde den verwundeten Kriegern ein Kaffee gegeben. Wöchentlich findet in dem Hause zweimal ein unentgeltlicher Nähkurs für Frauen statt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Im Volksheim (Thomastraße) gab es einen recht gemütlichen Sonntag. Dadurch, daß das Volksheim mit seiner Einrichtung einen guten, dem Volke zu gute kommenden Zweck verfolgt, war das kleine Sälchen bis auf den letzten Platz besetzt. Einige Bonner Damen hatten sich bereitgefunden, in zwangloser Folge Vorträge unmittelbar wie in häuslichen Kreisen zum Besten zu geben. Es waren Lieder zu Laute ganz humorvoller Art in Duett- und Soloform und Rezitationen, wovon die von Herrn Bankdirektor Steinberg verfaßten Gedichte besonderen Anklang fanden. Die gemütliche Seite erreichte ihren Höhepunkt, als ei Verwundeter die improvisierte Bühne bestieg und sein „Mädle ruck ruck“ mit weit tragendem Organ „hinausschmetterte, und sich mit besonders „liebevoller“ Hingebung des Textes annahm, sodaß er direkt die ganze fröhliche Gesellschaft für sich gewann!
Briefe nach der Türkei dürfen von jetzt ab nur noch offen versandt werden. Sie müssen in türkischer, arabischer, französischer, deutscher, englischer, italienischer, israelitischer, armenischer oder griechischer Sprache abgefasst sein.
Zur Aufklärung. Das Postamt bittet um die Veröffentlichung des Folgenden:
„In Zuschriften an das Postamt wird häufig Klage darüber geführt, daß seitens der Feldpostanstalten auf unbestellbaren Postsendungen unzutreffende Vermerke wie „vermißt“, „tot“ und dergleichen niedergeschrieben werden. Demgegenüber wird darauf hingewiesen, daß diese Vermerke nicht von den Postanstalten, sondern von den in Betracht kommenden Truppenteilen herrühren. Die Feldpostanstalten haben mit der Zustellung der Postsachen an die einzelnen Empfänger überhaupt keine Befassung.“
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Mittwoch, 2. Dezember 1914
Der Musiksaal der Bonner Universität ist, wie schon berichtet, dem Bonner Männer-Gesangsverein als Probesaal überlassen worden. Die Genehmigung hierzu wurde aber nur für die Dauer des Krieges und mit Rücksicht auf den patriotischen Zweck erteilt.
Wer meldet sich noch zum Pfadfinderkorps? (...) Da die Aufgaben unserer freiwilligen, ehrenamtlichen Liebestätigkeit aller Art sich so mehren, daß trotz Heranziehung aller Reserven im Tag- und Nachtdienst nicht alle Bitten mehr befriedigt werden können, fordern wir auf diesem Wege zum Beitritt auf und nehmen gerne Meldungen von Jungen von13-18 Jahren auf. Es bietet sich hier einer der wenigen Wege für die noch nicht wehrfähige Jugend, für das Vaterland tätig zu sein. Solche Arbeit ist interessant und schädigt nie!
Verkauf und Tragen von Waffen. Das Oberkommando in den Marken macht erneut darauf aufmerksam, daß der Verkauf von Waffen, Pulver und Sprengstoff an Zivilpersonen verboten ist. Ebenso ist es verboten, daß Zivilpersonen Waffen tragen, sofern es ihnen durch die Ortspolizeibehörden nicht ausdrücklich erlaubt ist Die Ausübung von Jagd ist hierdurch nicht eingeschränkt, da der Besitz eines Jagdscheines zum Tragen und zum Verkauf von Munition berechtigt.
Der evangelische Bürgerverein versammelte Montag Abend im evang. Gemeindehause seine Mitglieder zu einem Vortrage des Herrn Fortbildungsschullehrers Wickel über den Krieg und die Kriegslage. Vor den zahlreich erschienenen Mitgliedern und Gästen, Männern und Frauen, gab der Vortragende an Hand der bisherigen Ereignisse und Erfolge ein anschauliches Bild über die augenblickliche Kriegslage im Osten und Westen. Er ging dann auf den wirtschaftlichen Kampf über, durch den uns England schaden wolle. Unter Hinweis auf die heute in Kraft tretenden Verordnungen über das Verbacken des Weizen- und des Roggenmehl und des Roggen- und Kartoffelmehl, forderte er besonders die Hausfrauen auf, recht sparsam zu sein, und in dieser Hinsicht mit den draußen stehenden Soldaten Schulter an Schulter zu kämpfen, damit wir auch im wirtschaftlichen Kampfe den Sieg behalten. Mit dem begeistert gesungenen Liede „Deutschland, Deutschland über alles“ schloß die Versammlung.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Viktoriabad. Wie aus der nachstehenden Aufstellung über den Besuch unseres städtischen Viktoriabades hervorgeht, hat die Besucherzahl namentlich des Schwimmbades in starkem Maße nachgelassen. Der Rückgang des Verkehrs ist naturgemäß auf den Ausbruch des Krieges zurückzuführen, insbesondere auf den schwächeren Besuch unserer Universität und darauf, daß zahlreiche Bürger Bonns im Felde stehen. Unter diesem Gesichtswinkel betrachtet, zeigt der Monat November immer noch einen recht ansehnlichen Verkehr, ein Beweis dafür, daß auch in der ernsten kriegerischen Zeit die Bürgerschaft den Wert der Körper- und Hautpflege zu schätzen weiß. Bei der nachstehenden Aufstellung der Besucherzahl ist in üblicher Weise die Verkehrszahl des Vorjahres zum Vergleich hergezogen. (Es folgt eine genaue Aufstellung der Besucherzahlen)
Seid sparsam im Verbrauch von Petroleum! Wie es für jeden Bürger unter den heutigen Verhältnissen, wo die Zufuhr von Getreide, Hülsenfrüchten usw. ausgeschlossen ist, dringende Pflicht ist, mit den Nahrungsmitteln äußerste Sparsamkeit zu üben, so gilt dies uch für den Verbrauch von Petroleum, mit dessen Bezug wir durchaus auf das Ausland angewiesen sind. Die Vorräte an Petroleum, die im Inlande lagern, sind nur so groß, daß der Inlandsverbrauch nur ein Drittel bis zur Hälfte des seitherigen Verbrauchs betragen darf, wenn wir damit über den Winter hinaus kommen wollen. Es muß deshalb streng darauf gesehen werden, daß Petroleum nur noch zum Beleuchten, keinesfalls aber mehr zum Kochen oder gar zum Heizen verwendet wird. Namentlich die wohlhabenden Kreise, denen andere Beleuchtungsmittel, wie elektrisches oder Gas-Licht zur Verfügung stehen, sollten Petroleum überhaupt nicht verwenden, damit die weniger wohlhabenden Kreise im Winter keinen Mangel an Beleuchtung leiden. Eine Verteuerung des Petroleums wird aller Wahrscheinlichkeit noch nicht eintreten, sodaß ein Einkauf auf Vorrat nicht rätlich erscheint.
Ein erweiterter Geschäftsbetrieb bis abends 9 Uhr ist im Monat Dezember für Ladengeschäfte gestattet.
Städtische höhere Mädchenschule. Das Königl. Provinzial-Schulkollegium in Koblenz verlangt zu dem Antrage auf Errichtung einer Städtischen Höheren Mädchenschule noch einen Beschluß der Stadtverordneten-Versammlung, wonach die Stadt sich verpflichtet, 1. für die Lehrpersonen eine Besoldungsordnung einzuführen, 2. die Regelung der Ruhegehälter und der Fürsorge für die Hinterbliebenen bestimmungsgemäß vorzunehmen, 3. von vornherein und später an der Schule so viele akademische Lehrkräfte einzustellen, als erforderlich sind, und 4. in bezug auf Klassenzahl, Lehrfächer, Stundenzahl, Lehrpläne, Höchstzahl der Schülerinnen den Bestimmungen vom 18. August 1908 zu genügen. Die Stadtverordneten-Versammlung übernimmt namens der Stadt Bonn die vorangegangenen Verpflichtungen.
Im evangelischen Bürgerverein hielt am Montag abend Herr Fortbildungsschullehrer Wickel einen Vortrag über den Krieg und die Kriegslage. Er gab ein klares Bild über den Stand der Kämpfe im Osten und Westen und die sich dafür ergebenden günstigen Aussichten, Dann ging er auf den wirtschaftlichen Kampf über, durch den uns England schädigen wolle. Zum Schluß bat er die Hausfrauen, im Haushalt recht sparsam zu sein, damit Deutschland auch aus dem wirtschaftlichen Kriege al Sieger hervorgehe. Mit dem Lied „Deutschland, Deutschland über alles“ wurde die gut besuchte Versammlung geschlossen.
Der Allgemeine deutsche Musikerverband bittet alle Eltern, deren Kinder bisher Musikunterricht genossen, nicht durch das gänzliche Aufgeben des Musikunterrichts die Existenzmöglichkeit der Musiklehrenden vollständig zu unterbinden. Um das Elend des Musikberufs zu mindern, möge man Konzerte mit Programmen patriotischen Inhalts veranstalten und besuchen. Selbstverständlich müßten banale musikalische Darbietungen ausgeschaltet werden. (...)
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Der Maler August Macke, einer der charakteristischsten Vertreter der expressionistischen Richtung hat den Heldentod erlitten. Macke war Bonner. Die ihn kannten, haben ihn als einen ehrlichen nach höchsten Ausdruckmöglichkeiten in der Kunst Suchenden schätzen gelernt. Vor zwei Jahren wurden seine Bilder in der Expressionisten-Ausstellung bei Cohen viel besprochen. Auch diejenigen, welcher seiner Kunst innerlich fernstanden, liebten in ihm den aufrichtigen, nur der Wahrheit dienenden Menschen.
Kartenlegerinnen. Man schreibt uns: „Ueberall sucht man unseren Kriegern im Felde zu Weihnachten durch Liebesgaben eine Freude zu machen, auch der Aermste trägt sein Scherflein dazu bei. Aber es wird noch viel Geld unnötig fortgeworfen, was zu diesem Zwecke geopfert werden könnte und zwar das, was viele Leute in ihrer Dummheit für Wahrsagerei und Kartenlegerei verausgaben. Tagtäglich sieht man Leute, zumeist vom Lande, jung und alt, ein solches Haus in Bonn besuchen, um dort das Geld für diesen Humbug los zu werden. Man könnte sagen, es schadet den Leuten, die so dumm sind, nichts, daß sie hier ihr Geld verlieren, andererseits ist es aber auch zu bedauern, daß auf solche Weise viel Geld verloren geht, das besseren Zwecken dienen könnte. Spart Eure Groschen, benutzt sie für Euch selbst, oder bringt sie an eine Sammelstelle für Liebesgaben für unsere Krieger, helft aber nicht Leute unterstützen, die durch Wahrsagen sich bemühen, auf eine leichte und bequeme Art Geld zu verdienen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Donnerstag, 3. Dezember 1914
Das Eiserne Kreuz hat erhalten Regierungsassessor Dr. Paul Spiritus, Leutnant d. R. im Husarenregiment Nr. 11, kommandiert zu Lothringischen Feld-Artillerie-Regiment Nr. 33, ein Sohn unseres Bonner Oberbürgermeister Spiritus.
Aussprache über Gefallene und Vermisste. In der am Montag stattgehabten Aussprache über Gefangene und Vermißte wurde bekannt, daß neuerdings aus Südfrankreich einzelne Gefangene geschrieben haben, die über 2 Monate vermißt wurden. (...) Nachrichten aus dem großen Gefangenenlager Mont Louis (Pyrenäen) lassen erkennen, daß dort die Verpflegung sehr zu wünschen übrig läßt. Dagegen wird die Behandlung und Verpflegung in den Hospitälern zu Lovedevon mehreren Gefangenen sehr human geschildert. – Die Aussprache soll, da sie bisher sehr rege besucht war, bis auf weiteres jeden Montag, abends 8 Uhr im Kaiserhof stattfinden.
Zur Petroleumnot. Wie es für jeden Bürger unter den heutigen Verhältnissen dringende Pflicht ist, mit den Nahrungsmitteln äußerste Sparsamkeit zu üben, so gilt dies auch für den Verbrauch von Petroleum, bei dessen Einfuhr wir durchaus auf das Ausland angewiesen sind. Die Vorräte an Petroleum, die im Inland lagern, sind nur so groß, daß der Inlandsverbrauch nur ein Drittel bis die Hälfte des seitherigen Verbrauchs betragen darf, wenn wir damit über den Winter hinaus auskommen sollen. Es muß deshalb in allen Haushalten streng darauf gehalten werden, daß Petroleum gegenwärtig nur noch zum Beleuchten, keinesfalls aber mehr zum Kochen oder gar zum Heizen verwendet wird. (...) Daß eine Verteuerung des Petroleums Platz greifen wird, ist nicht anzunehmen, so daß also ein Kauf auf Vorrat nicht rätlich erscheint.(...)
Vaterländische Reden und Vorträge. Die Reihe der „Vaterländischen Reden und Vorträge“ wurde gestern Abend von Herrn Dr. Franz Brüggemann mit dem Vortrag über „Englands Sonderstellung gegenüber Europa“ fortgesetzt. (...)
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Die Nervenerkrankungen im Kriege. In der Berliner Klinischen Wochenschrift macht Prof. H. Oppenheim interessante Mitteilungen über die Nervenkrankheiten im Kriege. Professor Oppenheim, der in Berlin die neu gegründete Abteilung für Kriegsnervenkrankheiten gegründet hat und so über ein reiches Beobachtungsmaterial verfügt, betont, daß die Nervenkrankheiten im Kriege durchaus nicht so häufig sind, wie allgemein geglaubt wird. Wenn man bedenkt, wie groß die Strapazen und Entbehrungen dieses Feldzuges und wie gewaltig vor allem die seelischen Erregungen, die Schrecken und das Grauen dieses Krieges, sind, so kann es eher überraschen , daß die Psychoneurosen einen nicht weit höheren Prozentsatz unserer Soldaten ergriffen haben. Wie ungemein widerstandsfähig muß das Nervensystem dieser Menschen sein, daß es im allgemeinen dem Anprall der mächtigen Sinnesreize und Erregungen standhält. Oppenheim erklärt es für bezeichnend, daß die Erkrankungen fast durchweg bei besonders Veranlagten auftreten, die schon vor dem Krieg Neuropathen oder Psychopaten waren; einige waren durch chronischen Alkoholmissbrauch geschädigt. Aber es gibt auch Ausnahmen; so entwickelte sich schwere Neurasthenie bei anscheinend Gesunden, nachdem in ihrer unmittelbaren Nähe eine Granate geplatzt war. Ein fast durchgehender Zug ist die Störung des Schlafes durch wilde Träume, in denen die Kriegserinnerungsbilder einen wesentlichen Inhalt bilden. (...) Auch eine besondere Luftschiffurcht ist schon aufgetreten, bei einem Flieger, früher einem der kühnsten, der sofort beim Betreten seines Aeroplanes von einer unerklärlichen Angst befallen wurde.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus Kunst, Wissenschaft und Leben“)
Wie sollen wir in diesem Jahre Weihnachten feiern? Nur noch Wochen trennen uns vom Weihnachtsfest. Gleich einer „Fata Morgana“ steigt das „Friede auf Erden“ wie aus unerreichbaren Fernen vor unserem geistigen Auge auf. Eintrübes Weihnachtsfest wird es diesmal werden, sagtder eine wehmutsvoll. Andere meinen: „Wir feiern in diesem Jahr überhaupt nicht Weihnachten, bei uns gibt es keinen Kerzenbaum, wo der Herr des Hauses oder die anderen Lieben der Familie draußen im Westen den Erbfeind abwehren oder im Osten getreue Wacht halten ...“ Entsetzt starren viele Kinderaugen die Mütter an. Kein Weihnachtsfest? Kein Lichterbaum? Kein Jubel? Sie können es nicht fassen.... Verkehrt, ich Mütter! Denkt an die Kinder! Denkt an die eigene Kindheit zurück! Was wissen Kinde von dem blutigen Ringen da draußen in Feindesland? Gottlob, sie können es nicht ermessen! Und deshalb sollen sie auch nimmer darunter leiden! Steckt ihnen getrost den Lichterbaum an wie alle Jahre! Stellt ihnen auch ruhig Gaben auf den Tisch! Kinderhand ist ja so leicht gefüllt! In manche Frauenherzen mag zwar keine Weihnachtsfreude einziehen können, aber dennoch soll sie für die Ihren daheim das Fest ausrichten. Und unter dem strahlenden Lichterbaum verknüpfen sich ihre Gedanken mit den Teuren im Felde, die in Erinnerung an andere Jahre fern von der Heimat mitfeiern. Lebendig schauen sie aus der Weite nach Hause, und es würde sie traurig stimmen, müßten sie denken, daß daheim stumm und gedrückt die Angehörigen, besonders die Kinder, den Heiligabend vorüberziehen lassen. Wir können in diesem Jahre das Weihnachtsfest größer, tiefer und heiliger gestalten als je zuvor. Wir können doppelt geben: Für die daheim und draußen. Alle, die mit irdischen Gütern gesegnet sind, können es doppelt spüren, wie selig das Geben macht. Sie können dafür sorgen, daß daheim Christnachtfrieden und lichterhelle Zuversicht herrschen kann, und das in Feindesland, in unwirtlicher kalter Winternacht ein warmer Strahl menschlicher Güte und Liebe, als verheißungsvoller Heimatbote unsere braven heldenmütigen Feldgrauen beglückt. Wir können Weihnachten feiern – ernst und doch freudig!
Frische Brötchen. Es ist seit einiger Zeit das Gerücht verbreitet, wonach seit dem 1. Dezember keine Brötchen mehr gebacken werden dürfen. Dieses Gerücht ist falsch und nur dazu geeignet, eine Unmenge von Existenzen zu vernichten. Um diesem Gerücht entgegenzutreten, diene dem Publikum zur Aufklärung, daß nach wie vor Brötchen weiter gebacken werden dürfen, selbstverständlich unter Einhaltung der Bundesratsbestimmungen vom 28. Oktober 1914.
Weiterführung des Theaterbetriebes. Den Stadtverordneten ist über die Weiterführung des Theaterbetriebs in den Monaten Januar, Februar und März ein Nachtrag zur Tagesordnung für die am Freitag tagende Sitzung zugegangen. Die Finanz- und Theaterkommission haben sich für die Weiterführung des Theaterbetriebs ausgesprochen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Legt Gärten an! Die reiche Fruchternte hat in diesem schweren Jahre unser Volk der bangen Sorge um die Ernährung seiner Millionen enthoben. Aber trotzdem flog mit Recht die Meinung durch die Zeitung: „Legt Gärten an. Manches Stück Land liegt unbenutzt da, mancher Acker könnte bei fleißiger Bewirtschaftung als Gemüseland viel höhere Erträge als bisher bringen. Millionen gehen täglich für Gemüse ins Ausland, welche die heimische Bevölkerung im Inland verdienen könnte. Legt Gärten an! Ein ernstes Mahnwort auch für die Städtebauer, für die Gemeindevertretungen, die Bebauungspläne aufstellen, das nicht nur für den gegenwärtigen Augenblick, sondern auch für die fernere Zukunft gilt. Die Gärten um die Städte herum werden durch den Bebauungsplan meist zu „Baustellen“ und nur selten wird der Gedanke verwirklicht, zusammenhängende Grünflächenzonen in Form von Gartenzonen der Zukunft dauernd zu sichernund in passender Weise in das Ortsgebilde einzupassen. Und doch ist dieser Gedanke leicht durchführbar – überall da, wo ein Wille dazu vorhanden ist. (Spiegel rheinischer Bauart)
Unterstützt die Sanitätshundsache!
Die Sammelstelle Bonn des Deutschen Vereins für Sanitätshunde versendet ein Rundschreiben, dem wir folgende Stellen entnehmen:
Millionen deutscher Söhne stehen im Felde, um für das Vaterland zu kämpfen. Das Aeußerste ist geschehen, damit die Schrecknisse des Krieges für unsere Brüder, Gatten und Söhne gemildert werden. Nach der Schlacht schwärmen die Krankenträger aus, um ihre verwundeten Brüder zu suchen und ihnen Hilfe und Rettung zu bringen. Die hereinbrechende Nacht beeinträchtigt aber das sorgfältige Absuchen des Schlachtfeldes und viele, unendlich viele, denen geholfen hätte werden können, werden nicht gefunden und gehen elend zugrunde, besonders aber, wenn sie sich im Gebüsch oder anderen versteckten Orten verkrochen haben, um sich vor weiteren feindlichen Geschossen zu schützen und zu schwach geworden sind, um menschliche Hilfe herbeizurufen. Die Sanitätshunde, die planmäßig das Gelände absuchen, sollen diese versteckt liegenden Verwundeten finden und ihnen Hilfe bringen. 500 Sanitätshunde sind bereits ins Feld geschickt. Täglich werden weitere Erfolge von diesen gemeldet. Das Kgl. Kriegsministerium wird in allernächster Zeit wieder 500 Sanitätshunde in die Sanitätskompagnien einstellen, weil feststeht, daß diese sich hervorragend bewähren. Wieviele Menschenleben von diesen Hunden gerettet werden können, geht daraus hervor, daß einzelne Hunde schon in einer Nacht bis zu 6 Schwerverwundeten gefunden haben. Dem Kgl. Kriegsministerium werden die Hunde von dem Deutschen Verein für Sanitätshunde unentgeltlich zur Verfügung gestellt, nachdem diese von ihren Führern, in mühevoller Arbeit, bei den einzelnen Sammelstellen ausgebildet worden sind. Weiter werden die Führer und Hunde vom genannten Verein auch für das Feld ausgerüstet. Hierdurch entstehen demselben sehr große Unkosten, die durch freiwillige Beiträge aus Privatkreisen aufgebracht werden müssen, weil staatliche Mittel nicht zur Verfügung stehen.
Es ist eine Ehrenpflicht aller Daheimgebliebenen zur Förderung dieses vaterländischen Zweckes zu spenden, gilt es doch, durch die Sanitätshunde Menschenleben zu retten. Es kann leicht der eigene Sohn, Bruder, Gatte oder ein Verwandter sein, der so gerettet wird und dem Leben erhalten bleibt.
Leiter der Bonner Sammelstelle ist Polizeikommissar Flaccus, Kirsch-Allee 23.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
„Gold gab ich für Eisen.“ Da so viele Leute alte Goldsachen in Ecken und Truhen liegen haben und auch mancher seinen Trauring gern dem Vaterland opfern möchte, mache ich den Vorschlag, daß unsere Regierung eine Tauschstelle errichtet; ich für meinen Teil wäre stolz darauf, für meinen goldenen Trauring einen aus Eisen zu bekommen mit der Inschrift: Gold gab ich für Eisen 1914/15. Chr. D. Ahrweiler
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Freitag, 4. Dezember 1914
Bonner Wehrbund. Der Wehrbund hat jetzt eine ständige Werbestelle eröffnet im Hause Thomastraße 1, erster Stock, Ecke Bachstraße. Im selben Haus hat die Krankenträgerkolonne ihre Geschäftsräume. Auf der Werbestelle des Wehrbundes werden die Anmeldungen neuer Mitglieder im Alter von 16 bis 45 Jahren entgegengenommen, es wird dort jede erwünschte Auskunft über den Wehrbund erteilt, und es gelangen dort auch Mützen und andere erforderliche Gegenstände zur Ausgabe. Die Werbestelle ist täglich von 12 bis 1 Uhr mittags und von 7 bis 8 Uhr abends geöffnet, Sonntags jedoch nur mittags. Am nächsten Sonntag fällt das Exerzieren aus, dafür wird sogleich nach der Versammlung sämtlicher Abteilungen des Wehrbundes auf dem Exerzierplatz eine gemeinsame Geländeübung unternommen, nach der um 5 Uhr die sämtlichen Abteilungen in die Stadt zum Kaiser-Wilhelm-Denkmal marschieren. Nach einer Ansprache daselbst findet ein besondere Gottesdienst für die Mitglieder des Wehrbundes in den Kirchen beider Konfessionen statt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Die Freundschaft zwischen den Schützengräben. In der Hoyaer Ztg. wird folgender Feldpostbrief mitgeteilt: „... In einer Höhle bei Autrèches 20.11.14. Ich danke dir vielmals für die Übersendung des Briefpapiers. Ich habe es an Kameraden mitverteilt. Briefpapier ist ja immer ein sparsamer Artikel. Gestern Nachmittag war Waffenruhe zur Beerdigung der am 12. beim Sturm Gefallenen. Wir hatten 17 Tote und 53 Verwundete, die Franzosen über 300 Tote. Da konnten sich die Franzosen und Deutschen sich nicht länger halten. Aus beiden Gräben wurde mit weißen Tüchern gewinkt, und nun stiegen Franzosen und Deutsche auf die Schützengräben, gingen sich entgegen, schüttelten sich die Hände und verkehrten freundschaftlich zusammen. Die Franzosen hatten nichts zu rauchen, wir gaben ihnen groben Tabak und erhielten dafür Schokolade und Apfelsinen. Außerdem wurde vereinbart, bis abends 9 Uhr sollte kein Schuß fallen; dies ist auch auf beiden Seiten prompt eingehalten worden. Außerdem fragten die Franzosen noch nach guten Punkten, wo sie zu uns überlaufen können. Ich glaube sicher, daß sich die Franzosen bald ergeben. Sie sagten gestern: „Du Kamerad der Infanterie und ich Kamerad der Infanterie“ und gaben dabei kund, daß sie keine Lust mehr haben zum Krieg, und sie schieben die ganze Schuld auf die Engländer, schimpfen sogar auf diese, Ein französischer Korporal küßte sogar einen unserer Feldwebeln. Es ist fast kaum zu glauben, aber es ist wahr, man sieht, wie wenig Lust die Franzosen zum Krieg haben; sie sind eben durch die Engländer in diesen hineingezogen. Hoffentlich geht es weiter so günstig, wenn die Franzosen erst einmal ruhig sind, kriegen die großschnauzigen Engländer sicher ihre verdiente Prügel. Sonst geht es mir gut.... Tausend Grüße Dein treuer H.“
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus Kunst, Wissenschaft und Leben“)
Petroleum!
Eine tiefernste Geschichte aus dem Kriegsjahr 1914.
Wer eilt da so spät durch Wetter und Wind?
Es ist eine Mutter mit ihrem Kind!
Das Kind schmiegt sich fest an die Mutter an.
On hält en de Hand en Petroleumskann.
„Jetz, Kind", die Mutter leise spricht,
„Versök ding Glöck, überschlag mir nicht
Ein Geschäft, mir mösse es hann,
Komm net met de leddige Petroleumskann!"
Dat Kind geht rächs, die Motte links
Die Stroß eraff, on jeder spings
Dann en de Geschäfte bang erenn,
Ov ald Lück mit Kanne doh senn ...
„Wat krigs de, Kind – Petroleum?"
Et laach dat ganze Publikum,
Denn die Fraue all em Lade
Ald stondelang op Petroleum wade.
„Wie heesch du, Kind, wo wonnt ihr dann?
Schmitze ich e Dotzend en de Kondschaff hann,
Uevrigens hann ich selvs noch keene,
On dann mösse mir ierz ons Konde bedeene!"
Das Kind schleicht sich beschämt hinaus,
Geht fragend dann von Haus zu Haus,
Doch he wie doh voll Lück et steht,
Denne et all öm Petroleum geht.
Am letzte Geschäff fingk sing Motte et dann ---
Och met die leddige Petroleumskann!
Dieweil ze Huus de Vatte setz
On kritt et ganz on gar net spetz,
Wo eigentlich sing Frau däht blieve,
Dem set Petroleum obzedrieve.
Er war ald äkelig am bromme,
Do hürt er jet de Trapp erop komme.
Et wor och grad de hüchste Zick,
Sind Uenkelskerz hat net mie wick.
Do kom sing Frau de Dür errenn,
Bedröv sind Kind dann hingedrenn;
Er woß, als Beide blieben stumm:
Et wor nix mem Petroleum!
Da schlug er wütend auf den Tisch
Und schmipfte ganz gewaltiglich:
„Morgen sehe ich mich um,
Ich wett', ich krieg Petroleum!"
Bei der Kerze trautem Schein
Sitzt Mutter und Kind im Kämmerlein
Und warten seufzend still und stumm
Auf Gatte, Vater, Petroleum!
Schließlich halten sie's nicht aus
Und eilen schleunigst aus dem Haus;
Es bangt sie um den Vater sehr,
Sie fürchten fast, er kommt nicht mehr!
Dat Kind geht rächs, die Motte links
Die Stroß eraff, on jeder spings
En jedes Wirtshaus bang erenn,
Ov net de Vatte setz do drenn.
Da jubelt das Kind: mit strahlendem Gesicht
Es plötzlich in den Ruf ausbricht:
„He setz de Vatte, komm flöck ens her,
Ich glöv, der Kopp es im ärg schwer!"
Die Gattin sieht den Gatten an,
On dann – die leddige Petroleumskann.
J. Ohrem
(Bonner General-Anzeiger)
Der Ausschuß für hauswirtschaftliche Kriegshilfe (Vereinigung Bonner Frauenvereine) hat gestern abend im Dreikaisersaal zu einem Vortrag eingeladen, den Herr Oekonomierat Kreuz über das zweitgemäße Thema hielt: „Wie und wo kann in der Kriegszeit im Haushalt gespart werden?“ In klarer, gemeinverständlicher Weise legte der Redner dar, wie kluge Hausfrauen in ihrem Haushalt, insbesondere bei der Zubereitung von Nahrungsmitteln, sparen können. Von Nahrungsmitteln, die für den Haushalt besonders vorteilhaft seien, einesteils wegen der Preise, anderenteils wegen des hohen Nährwerts, nannte er Kartoffeln, Hülsenfrüchte, Käse, Heringe, Getreide, Milch, Schwarzbrot usw. Gemüse und Obst seien wegen ihrer guten Bekömmlichkeit häufiger auf den Tisch zu bringen. Ganz besondere Aufmerksamkeit müsse die Hausfrau den Kartoffeln zuwenden, die doch die Grundlage unserer Ernährung bildeten. Die Kartoffeln sollen im dunklen Keller in Holzkisten, einige Handbreit vom Boden entfern, aufbewahrt werden. Bei der Zubereitung machten die Hausfrauen vielfach den Fehler, daß sie die Kartoffel zu dick schälen; dadurch büße sie an Schmackhaftigkeit und Nährwert ein. Redner wies wiederholt auf den hohen Nährwert der Hülsenfrüchte hin und machte darauf aufmerksam, daß das Schwarzbrot mehr Nährwert besitze als Weißbrot, Graubrot der Brötchen. Obstkraut lasse sich anstelle der teureren Butter sehr gut verwenden. Zucker solle ebenfalls häufiger gebraucht werden. Besondere Beachtung verdiene die sorgfältige Aufbewahrung und Verwendung aller Speisereste. An der Kleidung und an Brennmaterialien könne ebenfalls gespart werden. Die Kochkiste habe sich bewährt. Anschließend an den Vortrag, der noch manch andere wertvolle Anregungen bot, schloß sich eine lebhafte Aussprache.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Zur Ehrung der Gefallenen! Ich erinnere mich eines alten Soldatenfriedhofs aus den Freiheitskriegen, der, von einem prächtigen Buchewald umrahmt, in seiner Gesamtheit auf den Besucher als ein Denkmal von seltenartiger Würde unmittelbar wirkte. Ein Vorbild auch für unsere Zeit! Freudig ist es zu begrüßen, daß eine Reihe von Stadtverwaltungen, unter ihnen auch die Stadt Düsseldorf, es als eine Ehrenpflicht ansehen, für diejenigen, welche den Heldentod fürs Vaterland starben –und auch für die im ehrlichen Kampfe gefallenen Soldaten der feindlichen Mächte – Ehrenfriedhöfe anzulegen.
Die Stadt Duisburg plant die Schaffung eines Ehrenfriedhofes am Kaiserberg im Stadtwald, in der Nähe des Kaiser Wilhelm-Denkmals und der Sedanwiese. Von einer niedrigen Mauer eingefriedet, rings von Wald umgeben, und damit dem lärmenden Verkehr entrückt, wird es der Nachwelt ein bleibendes Denkmal sein. Eine große steinerne Reckengestalt als Denkmal aufgerichtet, stellt die hohe bildnerische Kunst in den Dienst dieser ernsten Aufgabe. (...)
Wir veröffentlichen diesen Artikel aus dem „Spiegel rheinischer Bauart“, weil wir der Meinung sind, es könnte gut und nützlich sein, auch in Bonn an Ehrenfriedhöfe und Kriegerdenkmale rechtzeitig zu denken.
Heimarbeit. In den Tageszeitungen erscheinen häufig Inserate, in welchen unter dem Versprechen dauernder und gut lohnender Arbeit, Heimarbeiterinnen gesucht werden. Meldunge werden unter Beilage von 40 Pfg. in Briefmarken erbeten. Hierfür erhalten die Einsender ein gesticktes Musterblümchen und die Aufforderung, sich eine Stickereieinrichtung zu bestellen. Die Stickereieinrichtung – Handstickmaschine „Fee des Hauses“ nebst Zubehör – hat etwa einen Wert von 7 Mark, kostet aber 20 Mark. Gefertigte und eingesandte Arbeiten werden vexatorischer Weise beurteilt, so daß die Inhaber solcher Stickereieinrichtungen in kurzer Zeit die Arbeit aufgeben. Die wenigen Personen, welche in mehrwöchentlichen Zwischenräumen Musterblümchen zu Anfertigung bestellt erhalten, verdienen in der Stunde etwa 7 Pfg. Es kann daher vor dem Eingehen auf solche Inserate nur gewarnt werden. Etwa geschädigten Minderbemittelten gewährt die Rechtsauskunftstelle für Männer und die Auskunft- und Rechtschutzstelle für Frauen hierselbst kostenlos Rat und Hilfe.
Eine erfundene Kriegs-Prophezeiung. Wir sind von mehreren Lesern ersucht worden. Zu einer angeblichen Kriegsprophezeiung eines Mönches vom bayrischen Kloster Altötting Stellung zu nehmen, die von einem hiesigen Blatt [dem Bonner General-Anzeiger] ohne jeden Kommentar verbreitet wurde. Wir können dazu nur sagen: Wer auf einen solchen offenkundigen Schwindel hereinfällt, dem ist nicht zu helfen. Die Dummen werden bekanntlich niemals alle. Im übrigen hat das Blatt eine Antwort aus dem Kloster Altötting abdrucken müssen, in welcher die „Prophezeiung“ als „pure Erfindung“ bezeichnet wird.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Samstag, 5. Dezember 1914
Die Freiwillige Krankenträgerkolonne, deren wichtigste Aufgabe keine Störungen erleiden darf, verliert fortgesetzt Mitglieder, die entweder ihrer Militärpflicht genügen müssen, oder die durch Wegzug, Krankheit oder erhöhte Anforderungen, die ihr Beruf an sie stellt, an der weiteren Ausübung ihres Dienstes gehindert werden. Diese Lücken müssen stets sofort aufgefüllt werde, damit keine folgenschwere Stockungen eintreten und die eintreffenden armen Verwundeten, welche für unsere und des Vaterlandes Sicherheit geblutet haben, nicht unnötig darunter leiden. Augenblicklich fehlt es an Radfahrern für den Benachrichtigungsdienst – beim Eintreffen von Verwundetentransporten – und für die eingeteilten Radfahrerwachen. Herren, welche des Radfahrens kundig sind – auch solche, die kein Rad besitzen – die sich in den Dienst der schönen verdienstvollen Sache stellen wollen, werden gebeten, sich in unserer Geschäftsstelle, Thomastraße 1, zu melden.
Preiserhöhungen für Schuhmacherarbeiten. Der Verein selbständiger Schuhmachermeister Bonns hat am Dienstag in seiner zahlreich besuchten Monatsversammlung beschlossen, für Schuhmacherarbeiten eine Preiserhöhung eintreten zu lassen, nachdem die Preise für Leder und die übrige Bedarfsware infolge des Krieges und der notwendigen Maßnahmen der Militärbehörde sehr gestiegen sind. Die Versammlung war sich einig darüber, daß diese Preiserhöhungen unmöglich von den Schuhmachern getragen werden könnten. Es wurde daher einstimmig beschlossen, für Ausbesserungsarbeiten bei der bisherigen Güte eine Mehrforderung von 20 Prozent und bei Neuanfertigungen noch höhere Preissteigerungen je nach Ledersorte einzuführen. Weiter wurde mit Bedauern festgestellt, daß nach den vorliegenden Berichten weitere Erhöhungen folgen werden.
Stadttheater. Heute wird im Stadttheater der „Bunte Abend“ wiederholt. Der Vortragsreihe sind neu hinzugefügt ein Tanzduett, volkstümliche Lieder zur Laute und Vorträge in rheinischer Mundart. Die besten Nummern der alten Vortragsreihe sind beibehalten worden. Den Schluß wird wieder die Szene „Der Kurmärker und die Pikarde“ machen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Die gestrige Stadtverordneten-Versammlung sprach sich für die Fortführung des Theaterbetriebs für die Monate Januar, Februar und März 1915 aus; außerdem genehmigte die Versammlung einen Fluchtlinienplan und bestätigte den Beschluß vom 1. März 1912, wonach die Verpflichtungen der Stadt infolge der Vereinigung der Studienanstalt mit dem Städt. Lyzeum sich auch auf die Studienanstalt erstrecken. Die Wahl eines Vorsitzenden des Kaufmannsgerichts wurde vertagt.
Sammlung von Wollresten. In der kommenden Woche soll in Bonn eine neue Art von Kriegssammlung veranstaltet werden, wie sie schon in verschiedenen anderen Orten des Rheinlandes vorgenommen worden ist und guten Erfolg erzielt hat: eine Wollsammlung. Eine solche hat ja schon im Oktober stattgefunden, allein damals handelte es sich um brauchbare Kleidungsstücke, die für die Truppen im Felde oder für die durch den Krieg Geschädigten in Ostpreußen und im Elsaß verwendet werden sollten. Die neue Wollsammlung sammelt nur unbrauchbare Reste, zerrissene oder sonst unbrauchbar gewordene Kleidungsstücke und Strümpfe – auch Mottenfraß ist für die Sammlung durchaus kein Hindernis -, Stoffreste, Flicklappen, Reste von Stick- und Strickwolle, unbrauchbar gewordene Shawls und Reisedecken, Herrenhüte usw. All dieses kann noch verwendet werden, wenn es in einer Fabrik verarbeitet wird. Es dient zur Herstellung von Militärtuch und Decken. Da die Einfuhr von Wollrohstoffen behindert ist, ist die Verarbeitung dieser Abfälle jetzt besonders wünschenswert, denn Wollstoffe werden nach wie vor von den Soldatem dringend gebraucht, da sie immer wieder stark verbraucht werden, sowohl durch Abnützung als durch Verlust: man denke nur an die Verwundeten, die oft nur einen Teil ihrer Kleidung mitbringen.
Das Sammeln von Haus zu Haus erforderte, wie sich bei der letzten Wollsammlung gezeigt hat, 700 Arbeitskräfte hier in Bonn. Der Ausschuß für hauswirtschaftliche Kriegshilfe, eine Vereinigung Bonner Frauenvereine, will deshalb zunächst von dieser Art des Sammelns absehen, sondern hat eine Reihe von Lokalen in der Stadt und in den Vororten als Sammelstellen bestimmt, an denen die Wollreste abgegeben werden können. (...)
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Paul Rohrbach spricht am nächsten Samstag (12. Dezember) abends 8 Uhr in der Aula des städtischen Gymnasium über „Deutschlands Aufgaben in Ostasien“. Der Vortragsabend geht von der Gesellschaft für Literatur und Kunst aus.
Der „Heilige Mann“ bei unseren Verwundeten. Nach einer althergebrachten rheinischen Sitte kommt um den Tag St. Nikolaus herum der „Heilige Mann“ zu den Kindern, manches Mal nicht nur zu den kleinen, sondern auch zu den großen Kindern, fragt, ob sie hübsch brav und artig waren und belohnt die Guten und bestraft die Bösen. In diesem Jahre hat er sich auch in den Bonner Lazaretten anmelden lassen. In der Person einer Tochter des Herrn Kommerzienrates Eichbaum, Frau Melzenbach aus Cochem, will er die verwundeten Krieger besuchen und für ihre Tapferkeit vor dem Feinde auf St. Nikolaus-Art belohnen. Das heißt, er bringt ihnen in einem großen Sack, den sein Knecht Rupprecht trägt, Aepfel, Nüsse, Spekulatius und andere Süßigkeiten. Eine besondere Freude bereitet ihm dieses Mal, auch gedruckte Gedichte zu verschenken, in denen die Heldentaten unserer Tapferen aus berufenem Munde besungen werden. Wir glauben, der „Heilige Mann“ wird von den Soldaten herzlich aufgenommen.
Ein von unserem Mitbürger Herrn Hans Radermacher verfasstes 3aktiges Kriegsschauspiel „Die Helden der Ostgrenze“ gelangt – wie uns geschrieben wird – in kommender Woche durch die Theater-Direktion Alfred Otto in der „Sonne“ am Markt zur Ur-Aufführung. Das Stück spielt an der Ostgrenze in einer Rittmeister-Familie und beginnt mit dem Tage der Mobilmachung. Alle Kriegsereignisse hat sich der junge Autor in sehr geschickter Weise zu Nutzen gemacht und dem Schauspiel dadurch einen besonderen Wert verliehen. Sehr gute Empfehlungen gehen dem Werke bereits voraus.
„Kreuz-Pfennig-Marken“ in der Schule. Der Minister der geistlichen und Unterrichts-Angelegenheiten hat gestattet, daß Kreuz-Pfennig-Marken durch je einen Schüler bzw. eine Schülerin in den Schulen unter Aufsicht der Lehrpersonen verkauft werden dürfen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Sonntag, 6. Dezember 1914
Weihnachtspakete für unsere Truppen. 2800 Weihnachtspakete konnte der Vaterländische Frauen-Verein, Stadtkreis Bonn unseren Soldaten im Felde an die Front schicken. In Säcke zu je 20 Paketen eingenäht gingen die Gaben zu Schiff nach Koblenz, von wo sie als eigene Waggonladung ihrer Bestimmung entgegengeführt werden: den Tapferen draußen, die ihr Leben für uns in die Schanze schlagen, eine Weihnachtsfreude zu bereiten.
Vaterländische Reden und Vorträge. Am Dienstag, den 8. Dez., abends 8½, wird Professor Dr. Imelmann einen Vortrag halten über „Der deutsche Krieg und die englische Literatur“.
Stadttheater. Heute Nachmittag wird auf vielfaches Verlangen das gute alte Lustspiel von L’Arronge „Dr. Klaus“ wiederholt. Abends wird das heitere Spiel von Kehm und Frehsee „Als ich noch im Flügelkleide“ gegeben. Nachmittags haben die Schülerkarten Geltung.
Der Bonner Krieger-Verein veranstaltet am zweiten Weihnachtstage, nachmittags 4 Uhr, im „Bonner Hof“ eine Weihnachtsfeier. Die Monatsversammlung fällt aus.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Deutsche Bezeichnung für Fleischwaren. Der Deutsche Fleischerverband macht nach eingehende Erwägungen und Beratungen den Vorschlag, anstelle bisher gebräuchlicher Fremdwörter deutsche Benennungen für Fleischstücke und Fleischwaren einzuführen. Es soll, wie die Allg. Fleischer-Ztg. berichtet, Roastbeef ersetzt werden durch Ochsenrücken (Rinderrücken), Filet durch Lende, Beefsteak durch Lendenschnitte, Beefsteak á la tatare durch Schabe- oder Hackfleisch, Entrecote durch Mittelrippenstück, Rumpsteak durch Rückenschnitte, Chateaubriand durch Doppellendenschnitte, Kotelette, Carré und Karbonade im Stück durch Rücken und Doppelrücken, abgeteilt durch Rippschnitt, Rippchen gesalzen, durch Rippspeer (beim Schwein), geräuchert durch geräucherte Ochsenrippe (beim Ochsen), Roulade durch Fleischröllchen, Gulasch durch Pfeffer- oder Paprikafleisch, Ragout, Fricassé durch Würzfleisch mit brauner oder weißer Tunke, Würfelfleisch, Fricandelle durch Fleischkügelchen, Fricandeau durch Kalbsspickbraten, Kalbsteak durch Saftschnitzel, Hammel- oder Lammsteak durch Hammel- oder Lammschnitzel, Aspik, Gelee durch Fleischsulz, Sülzkotelette durch gesülzte Rippschnitte, Galantine durch Rollpastete, Delikatessschinken durch Edelschinken, Zervelatwurst durch Schlackwurst, Saucischen durch Bratwürstchen, Boudin durch Rot- oder Weißwurst, Lyoner Wurst durch Schinkenwurst, Zervelats durch Rohwürstchen, Corned Beef durch Büchsensalzfleisch, Boiled Beef durch Büchsenfleisch. Die Mitglieder des Deutschen Fleischerverbandes werden aufgefordert, sich dieser Bezeichnungen zu bedienen. (...)
(Bonner Zeitung, Rubrik „Vermischtes“)
Zwei abgefeimte Taschendiebinnen sind gestern von der Kriminalpolizei festgenommen worden. Es handelt sich nicht etwa um erwachsene Personen, sondern um 13jährige Mädchen aus Bonn und Limperich, die seit einiger Zeit schon ihr unsauberes Handwerk ausführten. Sie machten sich an Damen, die vor den Geschäftshäusern die Auslagen besahen heran und entwendeten aus den Handtaschen die Portemonnaies. In vielen Fällen ist es ihnen gelungen, größere Geldbeträge zu entwenden.
Strafverfahren gegen Kartoffelhändler und Landwirte. Man schreibt uns aus Andernach, 4. Dez. In der letzten Stadtverordneten-Versammlung teilte Beigeordneter Hasdenteufel mit, daß gegen einige Händler und Landwirte Anzeige wegen Zuwiderhandlung gegen den Höchstpreis für Kartoffeln erstattet worden sei. Die Angeklagten müssen sich demnächst vor dem Gericht zu verantworten haben.
Gegen die Verheimlichung von Kartoffelvorräten geht das Landratsamt in Hanau sehr scharf vor. Sie sind dort in erheblichen Mengen beschlagnahmt worden und dürfen vorerst nur im Stadt- und Landkreise Hanau verkauft werden. (...)
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Junge Langfinger. Der Bonner Polizei sind in der letzten Zeit eine große Anzahl Taschendiebstähle, gegen 20, gemeldet worden. Am Bahnhof, in Warenhäusern und an anderen Stellen wurden Frauen und Mädchen Geldbörsen aus Hand- und Markttaschen gestohlen. Jetzt ist es der Kriminalpolizei gelungen, die Diebe in mehreren noch schulpflichtigen Kindern, Knaben und Mädchen im Alter von 12 bis 14 Jahren zu ermitteln. Die Kinder haben das Geld, soweit bis jetzt festgestellt ist, vernascht. Die Namen von fünf Kindern, die als Diebe bestimmt in Frage kommen, sind der Kriminalpolizei bekannt. Jedenfalls wird sich im weiteren Verlaufe der Untersuchung die Zahl noch erhöhen.
Der Weihnachtseinkauf – eine soziale Pflicht. Kriegszeit verpflichtet zu anderem Handeln und Denken als sonst. Wer heute nur an sich und die Seinen denkt, ist ebenso ein Verräter am Vaterland, wie derjenige, der sich von der Militärpflicht drückt. Jeder Einkauf über das notwendige Maß hinaus ist eine soziale Tat. Das ganze Geschäft in vielen Artikeln, besonders in feineren kunstgewerblichen Erzeugnissen, in Büchern, Spielsachen usw. hat sich in den letzten Jahrzehnten in Deutschland ja so zugespitzt, daß vom sogenannten Weihnachtsgeschäft der Erfolg oder Mißerfolg des ganzen Jahres abhängt. Bis in den Dezember hinein werden sich die Erzeuger aller dieser Dinge, die man nicht notwendig gebraucht, die aber unser Leben schön und behaglich machen, helfen können. Enttäuscht aber das Weihnachtsgeschäft, so werden sie ihre Betriebe nicht aufrecht erhalten können. Ueber Hunderttausende von fleißigen Arbeitern im Thüringer Wald und im Erzgebirge, im Schwarzwald, in Oberfranken, Schlesien, in vielen gewerbefleißigen Städten unseres Vaterlandes wird dann die bitterste Not hineinbrechen. Weder das Reich, noch die Einzelstaaten, noch die Gewerkschaften und andere Organisationen werden da durchgreifend helfen können.
Ein Feind seines Vaterlandes ist auch derjenige, der jetzt in abgetragenen Kleidern einhergeht, weil er sich sagt: jetzt in der Kriegszeit, wo so viele sich keine neue Kleidung kaufen können, fällt das ja nicht auf. Da kann man das Geld sparen. Er verrät sein Vaterland, dessen wirtschaftliche Kriegbereitschaft er ebenso herabmindert, wie derjenige die militärische schädigt, de seiner Wehrpflicht nichterfüllt. Es gibt zahllose solcher Vaterlandsfeinde, die sich von ihren wirtschaftlichen Pflichten befreien, und die nicht bedenken, daß die Kriegszeit im Gegenteil Alle zu Anspannung aller ihrer Kräfte verpflichtet. Der eine hat sein körperliches Leben auf’s Spiel zu setzen, der andere darf nicht allzu ängstlich um seine wirtschaftliche Existenz sein. Jeder muß Opfer bringen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Vortrag und Musterhausfrau
Am Donnertag abend fand im Drei-Kaiser-Saal ein Vortrag statt: „Strebe danach eine Musterhausfrau zu werden.“ Der Hauptredner war außer einigen Damen Herr Oekonomierat Kreutz. Leider war dieser Vortrag, welcher vom „Frauen-Verein“ angeregt und geleitet wurde, sehr schwach besucht. Ja, Hausfrauen, diesen Vortrag hättet Ihr alle, ohne Ausnahmen, besuchen müssen.
Unter den Rednerinnen verdienen besonders die sehr praktischen Ratschläge und Belehrungen hervorgehoben zu werden, welche Frl. Hedwig Reinbrecht uns zuteil werden ließ. Woran lag es aber, daß gerade dieser in jetziger Zeit sehr bedeutungsvolle Vortrag so schwach besucht war? (Es waren vielleicht 150-180 Personen anwesend.) Meines Erachtens war dieser Vortrag nicht genügend bekannt gemacht worden. Diese Zeilen sollen nun dazu beitragen, die Vorträge der Damen des Frauen-Vereins in den weitesten Kreisen der Bonner Hausfrauen bekannt zu machen und ergeht gleichzeitig die Bitte an den hochwohllöbl. Verein, den Vortrag in allernächster Zeit nochmals wiederholen zu wollen. Frau Franz Th. Bonn
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Montag, 7. Dezember 1914
Der Vereinslazarettzug K 1 Bonn, von dem wir schon in der Donnerstagsnummer ausführlich berichteten, war gestern zur Besichtigung freigegeben. Man staunt über die überaus praktische Einrichtung, wenn man sieht, was da, dank der fruchtbaren Arbeit des Ausschusses und der hilfsbereiten Bürgerschaft geleistet ist. In 29 Krankenwagen können 290 Schwerverwundete aufgenommen werden. Sie werden in gut federnden Betten untergebracht, die den Kranken Erschütterungen ersparen, da sie nach allen Seiten hin federn. Die Wagen sind außerdem in der Art der D-Zug-Wagen gekoppelt, so daß das Stoßen der Wagen möglichst vermieden wird. Zur Bequemlichkeit der Verwundeten sind Handgriffe über den Betten angebracht, daß sie sich selbst aufrichten und umlegen können. An den Betten sind auch kleine Tischchen angebracht. Außer den Krankenwagen sind noch Mannschaftswagen, der Küchenwagen, Vorratswagen, Magazinwagen, Heizkessel- und ein verdeckter Güterwagen in dem Zuge. Ein andere Wagen ist als Operationswagen eingerichtet, in dem die Verwundeten verbunden werden können. Für alles ist reichlich gesorgt, besonders an Wäsche ist viel gespendet worden. Im Laufe dieser Woche wird der Zug seine erste Fahrt antreten.
Wenn auch opferfreudig gespendet wird, wofür den Gebern herzlichst gedankt wird, so ist es damit noch nicht genug. Immer wieder werden Opfer von den Zurückbleibenden verlangt werden, so lange der Krieg dauert; und wir wissen, die Bonner Bürgerschaft wird sich nicht verdrießen lassen, immer und immer wieder das ihre dazu zu tun, damit unsere tapferen Krieger, die für uns Wunden empfangen haben, so schnell und so gut es möglich ist, Pflege und Heilung erlangen. Wie unsere Krieger nicht ermatten im Kampfe gegen übermächtige Feinde, so müssen wir aushalten in den Werken der Hilfsbereitschaft.
Ein Transport von Verwundeten kam Samstag abend hier an. Die meisten hatten durch Frost Schaden erlitten.
Preistreibereien von Wollwaren. Wir machen auf eine Bekanntmachung des Kommandierenden Generals v, Ploetz im heutigen Anzeigenteil aufmerksam, der darauf verweist, daß die ungebührliche Steigerung der Preise für Wolle und Wollwaren in dieser Zeit verwerflich ist und die schärfsten Maßnahmen gegen dieses Treiben in Aussicht stellt.
Vorsicht. Um ihre Spionage zu erleichtern, versuchen es jetzt die Franzosen mit einem neuen Kniff. Aus vorliegenden Schriftstücken geht hervor, daß deutsche Gefangene von Franzosen veranlasst werden, sich ihre Militärpapieren nachschicken zu lassen. Dieses wertvolle Ausweismaterial kommt gar nicht in die Hände des rechtmäßigen Eigentümers, sondern wird Spionen ausgeliefert, die damit ausgerüstet, ihrem lichtscheuen Gewerbe hier in Deutschland leichter nachgehen können. Eine Abwendung des Schadens ist nur dadurch möglich, daß überall in Deutschland größte Vorsicht gebraucht und solchen Aufforderungen zur Einsendung der Militärpapiere unter keinen Umständen Folge gegeben wird. Auch gebietet es die Pflicht, sofort den Behörden Meldung zu erstatten, wenn von irgendeiner Seite verdächtige Versuche dieser Art an einzelne Persönlichkeiten ergehen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Nikolausfeier im Privatlazarett. Der heilige Mann kehrte auch gestern abend in der Lazarettnebenstelle Kölnstraße 109 ein. Während die Verwundeten das „Nikolaus komm in unser Haus“ sangen, trat der Hl. Mann im Bischofsgewand ein, begleitet von Hansmuff, der mit reichen Gaben beladen war. Nach einigen Worten, in denen er unseres Kaisers und der im Felde stehenden Kameraden gedachte, erhielt jeder eine Düte voll Süßigkeiten und einen für ihn passenden Scherzartikel, wodurch die größte Heiterkeit hervorgerufen wurde. Die Begeisterung erreichte ihren Höhepunkt, als der hl Mann, Fräulein Anna Schumacher, für ihre liebevolle und besorgte Pflege den Küchenorden 1. Klasse – einen goldenen Stern, Karotten und Radieschen an seidener Schleife – in feierlicher Weise umhing. Durch heitere Vorträge wurde die übrige Zeit ausgefüllt. Eine Sammlung ergab die ansehnliche Summe vom 15 Mark.
Stadttheater. „Bunter Abend.“ Gert Sascha, der Sprecher des Abends, hob nur den rechten Arm hoch und aus den weltbedeutenden Brettern war schon das weltbedeutende Brettl geworden; man lachte nämlich bereits brettlgemäß. Dann funkte er eine Rede Witz, die kunstvoll zum ersten Vortrag überging, ins Publikum hinein, und hatte später den guten Taster für wirklich wertvolle Kleinkunst. Man dankte ihm besonders, daß er von Christian Morgenstern ein paar Gedichte las, die die wundervolle humorig-groteske Welt dieses merkwürdigen und einzigartigen Menschen ahnen ließen. Auch Toni Eick hatte Gutes erwählt. Aber sie sang nicht so, wie man zur Laute singen soll. Dem deutschen Volksliede blieb sie den schlicht-herzigen, dem Soldatenliede den kühn-kecken Ton so ziemlich schuldig, Am besten gerieten ihr noch die alten Marienlieder, nur fehlte hier die Klarheit des gesungenen Wortes; was schade war, weil wenigen die poetischen Kostbarkeiten alter Marienlieder bekannt sind. Den rechten Ton aber fand Emmy Krüger, da sie den „Kindertraum“ von Robert Heymann wiederholte. So muß man sein, fühlen und sprechen, wenn man zum Kinde und seinen Welten niedersteigt. Darum veranstalte das Stadttheater einen Märchen-Nachmittag und lasse Emmy Krüger Märchen lesen; innerlich bereichert werden kleine, große und ganz große Kinder nach Hause gehen und nur eins bedauern: daß ein Nachmittag keine kleine Ewigkeit währt.
Daß man sich Deutschlands größter Dichterin, der Annette von Droste-Hülshoff, hin und wieder einmal erinnert, ist wahrlich Ehrenpflicht. Ob aber das schwerblütige Kind der roten Erde in einen bunten Abend hineinpaßt? Wohl kaum. Immerhin ließe sich aber Geeigneteres (und Wertvolleres) bei ihr finden, als das, was Georg Wittmann wählte und mehr mit Bühnenkunst denn mit Vortragskunst – es sind wirklich zwei verschiedene Künste – vermittelte. Auch Dr. Czempin ist mehr Schauspieler als Vortragender; seine Gestaltung des jungen Dessauer übertraf seinen Vortrag des Gedichtes des kraftvollen Ernst Lissauer über die gleiche Persönlichkeit entschieden. Dem Brettl näher standen Fritz Schäfer und Otto Salomon mit mundartlichen Sachen. (...) Brettl im wahrsten aber auch im schönsten Sinne war das Tanz-Duett, gesungen und getanzt von Willy Birgel und Else Knoop als Menschen jener schlichten und gefühlvollen Zeit, in der der Großvater die Großmutter nahm.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Das Herumziehen von Zigeunern im Bereiche des Festungsgebietes Köln ist von Gouverneur der Festung verboten worden. Zum Bereich des Festungsgebietes Köln gehören bekanntlich auch der Stadt- und Landkreis Bonn, die Kreise Euskirchen, Rheinbach und ein Teil des Kreises Sieg.
Populärwissenschaftliche Vorträge. Mit dem heutigen Vortrage „Die Zukunft der Türkei“ behandelt der Vortragende, Herr Univ-Prof. Dr. Becker-Bonn, ein überaus wichtiges zeitgemäßes Thema, das schon vor dem Anschluß der Türkei an den Zweibund und erst recht nachher unsere vollste Beachtung verdiente. Die Türkei kämpft mit uns, hofft mit uns auf einen siegreichen Ausgang des Weltkrieges, und auf eine spätere Entwicklung. Ihr Geschick ist daher in mehr als einer Hinsicht für jetzt und später an das unsere geknüpft, so daß wir allen Anlaß haben, uns mit diesem Lande und seinen Entwicklungsmöglichkeiten, seinen Bewohnern, ihren Eigenschaften, Fähigkeiten und Bestrebungen eingehend zu beschäftigen. Welche Kräfte schlummern in diesem Riesenleibe der Türkei, der bisher kraftlos daniederlag? Von ihnen hängt ihre spätere Entwicklung ab. Dem Uneingeweihten ist die Beantwortung dieser Frage unmöglich; nur der Forscher weiß es mehr oder minder, ob sich ein frischer Pulsschlag in ihrem Körper erwecken läßt. Zu ihnen gehört in allererster Reihe der heutige Vortragende, von dem wir orientierende Aufklärung, so weit sie sich überhaupt geben läßt, mit Zuversicht erwarten dürfen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Dienstag, 8. Dezember 1914
Wegen des Feiertages Maria Empfängnis erscheint der General-Anzeiger nicht, die Deutsche Reichszeitung und die Bonner Zeitung veröffentlichen nur Kurzausgaben.
Bonner Lazarettzug. Heute kann der Lazarettzug auf dem Personenbahnhof (Trajektgeleise) von 10 bis 5 Uhr besichtigt werden.
Die Elternabende des Vereins „Mädchenhort“ haben sich im Laufe des Jahres immer mehr zu einem wertvollen Bindeglied zwischen Hort und Familie entwickelt. Da in dieser ernsten Zeit das Bedürfnis nach Aussprache und auch das Interesse an der Erörterung allerlei vaterländischen und praktischen Fragen besonders groß schien, sah sich der Verein veranlaßt, die Angehörigen seiner Schützlinge in jedem Monat einmal zu einem solchen Beisammensein einzuladen.- Im Mittelpunkt dieser Abende steht ein Vortrag über ein der Zeit entsprechendes Thema; daran reihen sich gemeinsame Gesänge, Gesangsvorträge der Helferinnen und Deklamationen der größeren Hortkinder. – Die Zahl der dem „Mädchenhort“ anvertrauten Kinder hat sich seit Kriegsbeginn außerordentlich vergrößert, und ebenso hat sich das Gebiet seiner Tätigkeit erweitert. Während seine Fürsorge sich früher auf 48 schulpflichtige Mädchen erstreckte, umfaßt sie jetzt 120 Mädchen und Knaben und zwar nicht nur schulpflichtige, sondern auch 20 kleinere, im Alter von 3-6 Jahren, (...).
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Mittwoch, 9. Dezember 1914
Ein Brief aus einem englischen Gefangenenlager. Aus einem uns zur Verfügung gestellten Brief eines Deutschen, der in Ostende wohnte und der gegenwärtig im englischen Gefangenenlager Brixton festgehalten wird, entnehmen wir folgendes:
„Brixton, den 25.11.14. Bis gestern durften wir nicht nach Deutschland schreiben. Seit einer Woche sind wir hier und erhielten Erlaubnis, überall, nur nicht nach Deutschland und Österreich, zu schreiben. Ich will euch nun in kurzen Umrissen meine Irrfahrten schildern. Am 17. Juli, als ich nach einer mehrtägigen Reise in Ostende eintraf, wurde ich ohne weiteres unter dem Vorwande, ich sei flüchtig, festgenommen. Als ich das Gegenteil bewies, wurde mir vorgehalten, ich würde festgehalten, weil ich in der Stammrolle nicht eingetragen sei. Zum Appell müsste ich nach Gent und unterdessen brach der Krieg aus. Ich kam wieder nach Furnes und wurde nicht losgelassen. In Furnes brach ich aus, konnte aber Deutschland nicht mehr erreichen, versuchte durch Frankreich durchzukommen, oder Fühlung zu bekommen, wurde jedoch zwischen Amiens und Rennes ziemlich schwer verwundet und nach Valenciennes geschleift und später nach Dünkirchen, wurde halb geheilt, als die Deutschen näher kamen, wieder nach Belgien über Ostende nach England geschleift. Die Behandlung durch die Franzosen und Belgier ist nicht zu beschreiben, also haarsträubend. Wir blieben nun in England zwei Tage unter freiem Himmel, kamen dann vier Wochen in ein Militärgefängnis und sind seit dem 10. Nov. in Brixton, einer Vorstadt Londons, wo wir sehr, sehr human und anständig behandelt werden, deshalb ist es eure Pflicht und auch unser Wunsch, daß ihr die Engländer auch gut gehandelt. (In diesem letzten Satz sind im Brief die Worte „sehr, sehr human“ doppelt, wie die übrigen Worte bis zum Schluß einfach unterstrichen. Es ist klar, daß der Briefschreiber durch die Unterstreichung und durch das übertriebene Loben der Behandlung als „sehr, sehr human und anständig“, das gerade Gegenteil von dem sagen will, was er unter der Kontrolle der englischen Zensur niederschreiben mußte. Daß die Behandlung in England „gar nicht zu beschreiben, also haarsträubend“ ist, ebenso wie die durch die Franzosen und die Belgier, ergibt sich schon ohne weiteres daraus, daß er zunächst unter freiem Himmel, dann vier Wochen in einem Gefängnis gefangen gehalten wurde. D. Red.) Habe Eingabe zur Beförderung nach Griechenland gemacht. Dieselbe könnte Erfolg haben, wenn Ihr meinem früheren Chef schreibt, er möge mich reklamieren. Seine Adresse ist: Exzellenz Chakir Pascha Splendid Palace Hotel. Saloniki, wenn ich so oder durch Austausch gegen einen mit England Verbündeten nicht befreit werde, muß ich als Krieggefangener hier bleiben bis Schluß des Krieges. Mehr darf ich nicht schreiben.“ –
Interessant ist es, daß dieser Deutsche schon am 17. Juli wegen militärischer Angelegenheiten verhaftet wurde. Man wollte ihn offenbar zwingen, in das belgische Heer einzutreten.
Verabreichung von Alkohol an Unteroffizieren und Mannschaften. Wir machen auf die neuerliche Bekanntmachung des Garnisonskommandos aufmerksam, nach der es den Wirten verboten ist, Soldaten nach 9 Uhr abends Alkohol zu verabreichen.
Schwindel mit Grogwürfeln. Das Stellvertretende Generalkommando des 1. bayrischen Armeekorps gibt bekannt: Gewarnt wird vor dem Ankauf von „Dr. Oppenheims echten Grogwürfeln, Marke Südpol“. Sie sind in Feldpostbriefe verpackt und für unsere Soldaten im Felde bestimmt. Nach dem Aufdruck auf den Etiketten bestehen diese Würfel angeblich aus feinstem Rum und Zucker und sollen, in heißem Wasser aufgelöst, ein Weinglas voll Grog ergeben. Tatsächlich beträgt der Alkoholgehalt der Würfel nur 6,8 Prozent; dem Zucker ist Gelatine beigemengt, es lässt sich selbst mit Beigabe von nur geringen Mengen heißen Wassers kein grogähnliches Getränk erzielen. Das Rohmaterial für 10 Würfel kostet ungefähr 10 Pf., der Verkaufspreis beträgt 1. Mark.
Im Metropoltheater wird in dieser Woche ein vaterländisches Schauspiel „Durch Pulverdampf und Kugelregen“ vorgeführt, das das Interesse der Zuschauer bis zum letzten Augenblick fesselt. Trotz des ernsten Hintergrundes, der Weltkrieg 1914, fehlt es nicht an belustigenden Szenen. Auch dem Lustspiel „Ihre Hoheit“ folgt das Publikum mit Spannung und erfreut sich an den lustigen Streichen, die Prinzessin Viktoria (Henny Porten) vollbringt. Der übrige Teil des Programms reiht sich diesen beiden Stücken würdig an.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Für unsere Wirte und Cafetiers. Das Garnisonskommando hat Veranlassung, erneut auf das Verbot des Aufenthalts von Unteroffizieren und Mannschaften in Wirtschaftslokalen nach 10 bzw. 9 Uhr abends hinzuweisen. Mehrfache hier bekannt gewordene Zuwiderhandlungen lassen erkennen, daß nicht alle Besitzer bezw. Inhaber von Schankwirtschaften sich über die evtl. Folgen solcher Verstöße klar sind. Das Garnisonskommando weist daher darauf hin, daß bei wiederholten Zuwiderhandlungen eine Herabsetzung der Polizeistunde, unter Umständen sogar Schließung des betr. Lokals verfügt werden wird. In gleicher Weise wird gegen Lokale vorgegangen werden, von denen festgestellt ist, daß
1. in ihnen an Militärpersonen in übermäßiger Weise Alkohol verabfolgt ist und
2. in denen den vom Garnisonskommando befohlenen Wirtshauspatrouillen Schwierigkeiten bei Ausübung ihres Dienstes gemacht werden.
Bonner Wehrbund. Man schreibt uns: Am Sonntag nachmittag war eine zusammengesetzte Abteilung des Wehrbundes zeitig ausgerückt und hatte alle Zugänge von Friesdorf besetzt. Inzwischen hatten sich die anderen Abteilungen auf dem Exerzierplatz vereinigt, um die besetzte Ortschaft zu nehmen. Eine Abteilung machte einen Scheinangriff auf der Fahrstraße, die vom Gute Annaberg nach Friesdorf herabführt, während die größere Masse der Angreifer nach längerer Beobachtung plötzlich quer durch den steil abfallenden Wald herabbrach und die Ortschaft von der Dottendorfer Seite stürmte. Die Besatzung hatte den Hauptangriff von der Godesberger Seite erwartet. Bei der Kritik stellte sich heraus, daß die Besatzung des Ortes viel zu schwach war, um ihn halten zu können, sodaß selbst die kleinere Abteilung, die von der Annaberger Seite nur einen Scheinangriff machen sollte, wider Erwarten mit Erfolgt hereinbrechen konnte. Die Besatzung erklärte den Sieg der Angreifer angesichts einer solchen Uebermacht für einen „russischen Sieg“. In zwei Kolonnen marschierten Besatzung und Angreifer über Dottendorf und Kessenich nach Bonn zurück. Unter fröhlichen Marschliedern zog der Wehrbund durch das Coblenzer Tor, über den Markt und zum Kaiser Wilhelm-Denkmal, wo Herr Professor Brinkmann eine begeisternde Ansprache hielt. Nach der Nationalhymne ordneten sich die Mannschaften in neue Kolonnen, von denen die eine zum Gottesdienst in die Münsterkirche, die andere in die Schloßkirche marschierte. Bei den Gottesdiensten gingen Herr Oberpfarrer Dechant Böhmer und Herr Pastor Kremers mit erhebenden Worten auf Sinn und Bedeutung des Wehrbundes ein und legten es auch der weiteren männlichen Jugend ihrer Gemeinden warm ans Herz, soweit sie nicht bereits dem Wehrbund angehöre, diesem beizutreten, um Geist und Körper für den Dienst des Vaterlandes zu stärken. (Neue Mitglieder melden sich am besten auf der neu eingerichteten Werbestelle im Hause Thomastraße 1, Ecke Bachstraße, im ersten Stock an, wo auch die Mützen für den Wehrbund ausgegeben werden. Es werden Mitglieder im Alter von 16 bis 45 Jahren aufgenommen. Die Werbestelle ist mittags von 12 bis 1 Uhr und abends von 7 bis 8 Uhr geöffnet.)
Die Handelsgärtner-Vereinigung Bonn und Umgegend bittet die Bürger Bonns, doch ihre Gärten instandhalten und ihre Beete und Fensterkästen mit Blumen bepflanzen zu lassen. Viele Mitglieder seien fast ganz ohne Arbeit, indem manche Herrschaften nicht mehr die bisherige Sorgfalt auf ihre Gärten verwendeten. Der Verein habe schon zwei Mal dem Roten Kreuz die Blumen für die kurz nach Ausbruch des Krieges veranstalteten Blumentage unentgeltlich geliefert und auch die Lazarette der Verwundeten mit Blumen geschmückt. Die Gärtner wollten keine Unterstützung, sondern sie bäten um Arbeit und daß man ihnen ihre Ware abkaufe.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die jetzige Geschäftslage in Bonn ist, wie wir von Geschäftsinhabern erfahren, den Verhältnissen entsprechend ziemlich gut. Natürlich nur – den Verhältnissen entsprechend. Als beim Kriegsausbruch mehrere große Geschäfte schlossen, dachte man an einen ungeheuren Rückgang des Geschäftslebens, der nur mit dem Friedensschluß zum Stillstand und zum neuen Umschwung kommen würde. Aber die Geschäfte öffneten nach 8 Tagen wieder ihre Läden und dann hatten viele in den Monaten September, Oktober und November einen Umsatz, wie seit Jahren nicht mehr. Die Wollwaren-, Metzger- und Zigarrengeschäfte mußten oft das Letzte ihrer Lagervorräte in Waren, die für die Soldaten im Felde brauchbar und nützlich sind, hergeben. Die riesigen Liebesgaben-Sendungen haben gewaltige Berge an Wollwaren und Tabak verschlungen. Dagegen erlitten Porzellan-, Korb-, Spielwaren- und andere Luxusartikel-Geschäfte, ja sogar Schuhwaren- und Bäcker-Läden erhebliche Ausfälle.
Weihnachtspakete. Der Kath. Frauenbund, Zweigverein Bonn, konnte Dank der Gebefreudigkeit seiner Mitglieder und freundlicher Gönner in der vorigen Woche 510 Weihnachtspakete an die Sammelstelle des 8. Armeekorps nach Koblenz schicken. Die in 18 großen Kisten verstaute Sendung trug den Vermerk „zur beliebigen Verteilung an solche, die wenig oder garnicht bedacht sind“, was gewiß der Meinung aller freundlichen Geber entsprochen haben dürfte. Ein herzliches „Vergelt’s Gott“ sei allen, die zu der schönen Spende beigetragen haben, an dieser Stelle ausgesprochen.
Einbruch. In der nach zum Dienstag sind Diebe in das Modehaus „Kronprinz“ in der Gangolfstraße eingedrungen und haben eine Menge Kleidungsstücke, unter anderem Ulster, Leibwäsche, Militärsachen usw. gestohlen. Die Kleidungsstücke sind mit „Modehaus Kronprinz“ gezeichnet.
Von der Notlage des Handwerks. Ein Bonner Gärtner schreibt uns: Von meinen 35 Kunden, die alljährlich um diese Zeit ihre Gärten nachsehen, bearbeiten und gründlich pflegen lassen, haben in diesem Jahre nur fünf gärtnerische Hilfe in Anspruch genommen. Die übrigen 30 lassen entweder ihre Gärten verkommen oder versuchen die Arbeit selbst zu machen. Die Einen, weil sie Pessimisten sind und fürchten, die Franzosen könnten vielleicht doch noch kommen und alles zerstören, die anderen, weil sie es für ein Unrecht ansehen, jetzt für solche Zwecke Geld auszugeben. Eine dritte Gruppe hat die Tugend der Sparsamkeit bis zum Laster potenziert. Darunter leidet aber der kleine Geschäftsmann und der Gewerbetreibende ungeheuer. Wir sind eingerichtet auf die in jedem Jahre wiederkehrende Arbeit, wir haben unseren Betrieb den Wünschen der Kundschaft angepaßt, nun werden wir boykottiert. Das bedeutet unser Ruin. – Wir wollen keine Unterstützung; damit ist uns auch nicht geholfen, aber geben Sie uns Arbeit und kaufen Sie uns unsere Ware ab. Gönnen Sie sich ruhig auch jetzt den kleinen Luxus einer Blume, das ist keine Verschwendung, sondern patriotische Pflicht. F.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Donnerstag, 10. Dezember 1914
Der Bonner Vereinslazarettzug „K1“ ist jetzt von der Militärbehörde abgenommen und steht abgangsbereit. Wie wir erfahren haben, ist er am 4. d.M. eingehend durch ihre Kgl. Hoh., die Frau Prinzessin Viktoria zu Schaumburg-Lippe besichtigt worden, die von Anfang an ihr Interesse an dieser vaterländischen Hilfeleistung lebhaft, auch durch Spendung wertvoller Liebesgaben, bestätigt hat. (...) Die Ausstattung des Zuges fand dabei lebhafte Billigung, der Ihre Königliche Hoheit seither besonders durch Verleihung ihres gerahmten Bildes an den Zug Ausdruck zu geben geruht hat. (...)
Bei der letzten Aussprache über „Gefangene und Vermisste“ am 7. Dezember wurden u.a. die Namen von 37 in Castres untergebrachten deutschen Kriegsgefangenen, die aus der hiesigen Gegend stammen, verlesen. Die Namen hatte der Kommandant des dortigen Gefangenenlagers auf Anfrage der hiesigen Hilfsstelle mitgeteilt. Die betr. Angehörigen wurden unverzüglich benachrichtigt. Außerdem lag eine direkte Mitteilung aus einem Hospital (Kaserne) zu Agde bei Cettes vor, wonach mehrere daselbst untergebrachte Verwundete, trotzdem sie schon lange nach Hause geschrieben, bisher keinerlei Nachricht von ihren Angehörigen erhalten haben. Letztere wurden hiervon verständigt, da allem Anschein nach die Briefe dieser Gefangenen nicht befördert worden sind.
Vaterländische Reden und Vorträge. Herr Prof. Dr. Immelmann hielt gestern Abend einen Vortrag über das Thema. „Der deutsche Krieg und die englische Literatur“. Der Redner gab in seinen fesselnden Ausführungen einen ausgezeichnet orientierenden Ueberblick über die Erscheinungen der neueren englischen Literatur, die er vor allem daraufhin untersuchte, wie in ihren Gestaltungen und Charakterisierungen die englische Auffassung der Deutschen und des Deutschen sich kundgibt. Das recht unerfreuliche Gesamtbild, das sich als das Ergebnis dieser Untersuchung zeigt, erklärte der Vortragende durch die Tatsache, daß die englische Literatur mehr als jede andere von außerliterarischen, in diesem Falle also von politischen Dingen beeinflusst ist. Der interessante Vortrag wurde mit starkem Beifall aufgenommen.
Neutralöle und Fette zu Schmier- und Leimseifen zu verarbeiten, ist vom 1. Januar 1915 ab verboten. Mit diesem Verbot ist beabsichtigt, eine heute bestehende Glyzerinvergeudung in Seifensiedereien zu verhindern. Den Fabrikanten werden nähere Auskünfte erteilt von der Kriegschemikalien-Aktiengesellschaft, Berlin, Mauerstraße 63+65, und vom Verband der Seifenfabrikanten Charlottenburg, Querickestraße 12.
Schlägerei. Gestern abend entstand in der Hundsgasse eine Schlägerei, wobei Verwundete, die Zivilkleider angelegt hatten, beteiligt waren. Die Polizei musste einschreiten. Ein an der Schlägerei Beteiligte wurde zur Wache gebracht.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Wöchentliche Einsammlung von freiwilligen Rote-Kreuz-Spenden; ein Vorschlag zur Güte. Jede Bonner Familie, die die Not unserer Zeit würdigt, und die schwere Aufgabe, vor die das Rote Kreuz gestellt, und gewillt und in der Lage ist, zu ihrer Linderung und Lösung beizutragen, verpflichtet sich durch Listeneinzeichnung allwöchentlich eine Mark zu bezahlen. Die Stadt würde etwa in vier Sammelbezirke einzuteilen sein; Zentrum, Südstadt, Nordstadt und Weststadt, so daß die Sammler ihren bestimmten Stadtteil hätten. Damit die Spenden möglichst ungekürzt dem Roten Kreuz zugute kämen, müsste die allwöchentliche Einsammlung kostenlos geschehen, etwa durch Schwestern, oder durch sich legitimierende Pfleger. (...)Wir (...) erfüllen damit ja nur eine Dankespflicht gegen unsere tapferen Krieger, die Beschützer unseres Vaterlandes und unserer leben Heimat. B.
Wir unterbreiten diesen beachtenswerten Vorschlag der Oeffentlichkeit und haben dazu nur das eine einzuwenden, daß man die Arbeitslast der Schwestern und Pfleger auch noch diese allwöchentlichen Sammelgänge nicht aufbürden könnte. Es wäre aber sicher ein leichtes, für andere freiwillige Hilfskräfte zu finden. D. Red.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Eingesandt“)
Ueber die Bonner Erfrischungsstation „Prinzeß Viktoria“ in Lille schreibt ein dort stationierter Militärbeamter an seine hier wohnenden Eltern:
.... Heute vormittag habe ich mir auch die von Dir erwähnte Erfrischungsstation „Prinzeß Viktoria“ aus Bonn angesehen. Das ist ja eine wunderbar schöne Einrichtung! Mehrere Hundert Soldaten waren grade im Vorraum beim Verzehren einer guten, warmen Suppe, und dauernd kamen neue Mannschaften an. Ich habe verschiedene Leute befragt: alle waren glücklich, auf solche bequeme Art ein gutes und warmes Essen zu bekommen. Die Erfrischungsstation „Prinzeß Viktoria“ ist wirklich eine segensreiche Einrichtung und hier in Lille, in Feindesland, viel eher angebracht wie in der Heimat, wo ohnehin unsre braven Soldaten überreich beschenkt werden. Eure schöne Stadt Bonn darf stolz darauf sein und sich versichert halten, daß viele Tausende Soldaten ihr von ganzem Herzen dankbar für diese Einrichtung sind ....
Der Verein von Altertumsfreunden im Rheinland veranstaltete gestern abend seine Winckelmannsfeier durch einen Vortrag des Herrn Geheimrat Winter über die deutsche Archäologie seit 1870 in ihrer Beziehung zum Auslande.
Zu Eingang seines Vortrages erinnerte Geheimrat Winter daran, daß die letzte Tagung des Vereins am 30. Juli schon unter den Stürmen der politischen Lage gestanden habe und daß am zweitfolgenden Tage der Krieg ausgebrochen sei. (...) Die deutschen Unternehmungen in Kleinasien hätten in Konstantinopel zur Gründung eines türkischen archäologischen Museums geführt, das heute schon große Schätze berge. Während die französischen und englischen Museen meistens durch Raub zusammengebracht worden seien, habe die deutsche Altertumswissenschaft ihre Ausgrabungen im gesetzlichen Zusammenwirken mit der Pforte ausgeführt und alle Gegenstände rechtmäßig erworben.
Der heutige Krieg gehe gegen das Reich. Er gelte der Vernichtung der nationalen und wirtschaftlichen Fortschritte seit dem Jahre 1870. Würden wir unterliegen, dann werde auch unsere archäologische Wissenschaft auf lange Zeit zurückgeworfen, aber das werde nicht eintreffen. Die Kraft unseres Heeres wird uns davor bewahren. Lebhafter Beifall wurde dem Vortragenden zum Schluß zuteil.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Städtischer Kartoffelverkauf. Vor einiger Zeit, als der Kartoffelkrieg die Spalten der Zeitungen füllte, erließ die Stadtbehörde eine Anzeige, worin die Kartoffelhändler (Landleute) zur Abgabe von Preisofferten aufgefordert wurden. Seitdem hört man aber nichts mehr vom städtischen Kartoffelverkauf. Alles scheint wieder eingeschlafen zu sein. Hoffentlich läßt der erwähnte Verkauf nicht mehr lange auf sich warten. Ein Familienvater, welcher noch keine Kartoffeln hat.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Für 800.000 Mark Goldmünzen in Bonn gesammelt. Die von der hiesigen Handelskammer gemeinsam mit einer Reihe von wirtschaftlichen und gemeinnützigen Vereinen veranstaltete Werbetätigkeit für die Zuführung des im Umlauf befindlichen Goldgeldes an die Reichsbank ist zwar noch nicht ganz abgeschlossen. Sie hat aber schon bis jetzt einen über alles Erwarten hinausgehenden Erfolg aufzuweisen. Wenn auch die Summe, welche infolge dieser Werbetätigkeit eingegangen ist, sich nicht bestimmt bezeichnen läßt, weil die Goldmünzen zum großen Teil direkt , sei es bei der Reichsbank, sei es bei den Postämtern, Sparkassen oder sonstigen öffentlichen Kassen eingeliefert worden sind und darunter auch Beträge aus der nächsten Umgebung sich befinden, so darf doch mit Sicherheit gesagt werden, daß zum mindesten von dem gesamten bei der hiesigen Reichsbank-Nebenstelle abgeführten Goldgeld der Betrag von wenigstens 800.000 Mark auf die Werbetätigkeit hin eingezahlt worden ist. Es ist dies ein treffliches Zeichen für den Patriotismus, der in allen Schichten unserer Bonner Bürgerschaft in hohem Maße beobachtet wird und es bleibt nur zu wünschen, daß auch fernerhin jeder, der Goldgeld im Verkehr erhält dasselbe der Reichsbank zuführen möge. Millionen von Goldgeld sind noch im Verkehr, sie können großen Nutzen und Segen stiften, wenn sie der Reichsbank überlassen werden.
Der Freiwillige Hilfsausschuß für durchfahrende Truppen hat im Bürger-Verein eine öffentliche Versammlung abgehalten, in der der Vorsitzende, Herr Dr. Kranz, einen ausführlichen Bericht über die bis jetzt geleistete Arbeit des Hilfsausschusses erstattete. Die wenigsten Bonner machen sich ein richtiges Bild von dieser Riesenarbeit. Das kommt wohl zunächst daher, weil die Damen und Herren, die in dem Ausschuß tätig sind, ganz in der Stille schaffen und nur dann an die Oeffentlichkeit treten, wenn sie neue Vorräte an Speise und Trank, an Kleidern und Tabak haben müssen. Wer weiß zum Beispiel, was es heißt, an einem einzigen Tage 25000 Butterbrote fertig zu machen und an den Zügen zu verteilen, wie das in den ersten Kriegswochen öfter vorgekommen ist? Wer hat gesehen, wie viel Stunden, Tage und Wochen unermüdlicher Arbeit es gekostet hat, um die Vorbereitungen zu treffen, die zur Pflege und Hilfeleistung der Verwundeten, der Wachen und der Soldaten, die nicht in Quartieren waren, notwendig geworden sind. Tag und Nacht mußten die Helferinnen bereit sein. Das konnte nur geschehen durch Gruppenbildungen, um die sich Direktor Bins und Reinicke verdient machten. Um einen Begriff von der Größe der zu bewältigenden Aufgabe, Verpflegung der durchfahrenden Truppen, zu erhalten, erinnere man sich nur an die außerordentlich langen Truppenzüge, die in den ersten Wochen unseren Bahnhof passierten.
Für die Truppen in der Eifel wurde ein Extrazug mit allem Nötigen ausgestattet. Da allmählich die Verpflegungs- und Verbandsstation an der Weststraße nicht mehr voll in Anspruch genommen wurde, richtete man nach langen Verhandlungen die Verpflegungs- und Verbandstation „Prinzessin Viktoria Bonn“ in Lille ein, über die die D. Reichs-Zeitung des öfteren berichtet hat. Die Station hat sich bis jetzt sehr gut bewährt und findet die vollste Anerkennung der Militärbehörden. Die Räume werden nicht leer von Soldaten und Offizieren, die dort eine Erquickung suchen. In den drei Wochen des Bestehens sind z.B. über 100000 Liter Suppe verabreicht worden. –
Unterdessen war man in Bonn nicht müßig. Es wurde am Markt eine Lesehalle für die Verwundeten eingerichtet, Bücher und Zeitschriften wurden gesammelt, den Lazaretten der Stadt überwies der Ausschuß Leibwäsche für die Verwundeten, ferner Zigarren, Wein, Obst, Lektüre und Spiele, die alle durch freiwillige Liebesgaben aufgebracht wurden.
Schließlich ließ sich der Hilfsausschuß auch die Versorgung der Truppen an der Front mit Liebesgaben angelegen sein. In mehreren Fahrten mit Autos wurden die Gaben zu unseren Bonner Regimentern gebracht. Um diese Fahrten mit Liebesgaben zu ermöglichen, wurde eine rege Sammlung unter der Bürgerschaft veranstaltet. Um ein Bild zu geben, wie gern und reichlich unsere Bonner beigesteuert haben zu dem guten Werke, sei das Resultat der Kriegswollsammlung vom 30. Oktober und 3. November bekannt gegeben. Es wurden gesammelt: 4780 Hemden, 1128 Unterjacken, 298 gestrickte Jacken, 2410 Leibbinden, 1695 Lungenschützer, 335 paar Kniewärmer, 1069 Kopfhauben, 702 Ohrenwärmer, 3685 paar Stauchen, 340 Paar Handschuhe, 611 Schals, 7584 Paar Strümpfe, 596 Paar Fußlappen, 32 Paar Fußwärmer, 59 Westen mit Aermel, 946 Westen ohne Aermel, 1313 Taschentücher, 1507 wollene Decken, 23 Steppdecken und 42 Hosenträger. Wahrlich, diese Aufstellung zeigt, von welchem Geiste der Opferwilligkeit und Gebefreudigkeit unsere Bonner beseelt sind. Von diesen Sachen ist schon ein großer Teil anfangs und Mitte November an die Front abgegangen, ein anderer kommt in Weihnachtspaketen zu unseren Truppen.
Herr Wallasch erstattete den Geschäftsbericht, Herr Bankdirektor Weber den Kassenbericht. Im ganzen sind 50676,31 Mark eingegangen, ausgegeben wurden bis jetzt 44760 Mark, darunter 3000 Mark für Elsaß-Lothringen und 2775 Mark für Weihnachtspakete. Die Sachen wurden vorzugsweise in kleineren hiesigen Geschäften gekauft.
Herr Dr. Kranz dankte allen Mitarbeitern im Freiwilligen Hilfsausschuß mit herzlichen Worten, besonders den wackeren Pfadfindern, die Tag und Nacht unermüdlich tätig waren.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Freitag, 11. Dezember 1914
Aus dem Schützengraben. (Mitgeteilt von einem Freunde unseres Blattes.) Bei der Besichtigung der Unterstände in einem Schützengraben bemerkt der Hauptmann, als er hört, der betreffende Unterstand sei für zwei Mann bestimmt: „Da hat noch ein dritter Mann Platz!“ „Nein, Herr Hauptmann, da kommt der Weihnachtsbaum hin“.
Bei Besichtigung eines Schützengrabens findet der General M. v. S. einen Mann mit grauen Haaren. „Wie alt sind Sie?“ „29 Jahre!“ „Was, erst 29 Jahre? Wie kommt es denn, daß Sie graues Haar haben?“ „Das ist feldgrau, Exzellenz!“
Volksliederkonzert. Die Lautensängerin, Fräul. Olly Koort veranstaltet am Sonntag, nachmittags 3 Uhr, im Bonner Bürgerverein ein Konzert, das unter freundlicher Mitwirkung von Frl. Dr. Edith Springer Volkslieder, Duette, Weihnachtslieder und Soldatenlieder bringen wird. Verwundete Soldaten haben freien Eintritt.
Gegen die Verbreitung falscher Nachrichten. Der Guvernör der Festung Köln, v. Held, macht bekannt: „Jede deutschfeindliche Kundgebung sowie jede Verbreitung unwahrer Nachrichten über den Krieg ist verboten. Wer sich im Bereich der Festung Köln einer deutschfeindlichen Kundgebung, sei es öffentlich oder nichtöffentlich, schuldig macht, ferner böswilliger- oder fahrlässigerweise unwahre Nachrichten über den Krieg verbreitet oder zur Zuwiderhandlung wider dieses Verbot auffordert oder anreizt, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft, sofern nach den bestehenden Gesetzen nicht höhere Strafen verwirkt sind.“
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Zur Nachahmung! Ein Vermieter in Poppelsdorf ließ seinen Mietern sofort nach der Mobilmachung vom 1. August ab einen Teil der Miete ab. Drei Mieter bezahlen ihm statt 57 Mk. jetzt nur 45 Mk.
Ostpreußen. Heute Freitag veranstaltet der Hilfsausschuß für Ostpreußen einen geselligen Abend im Gartensaal der Lese, welcher mit einem Vortrag des Herrn Dr. Rosenmund: „Ostpreußische Geschichten“, beginnt. Alle Freunde Ostpreußens sind herzlich willkommen.
Unterhaltung für Verwundete. Am Mittwoch wurden die Verwundeten des Reservelazaretts I (Nervenklinik) durch Herrn Konzertmeister Scheidthauer und einigen anderen Herren durch mehrere gediegene Konzertstücke ernsten und heiteren Inhalts erfreut. Die Verwundeten brachten ihre Dankbarkkeit durch reichen Beifall zum Ausdruck.
In dem Vereinslazarettzug K 1 Bonn ist auch für die seelsorgerischen Bedürfnisse der zu befördernden Verwundeten aufs beste gesorgt. Unter den freiwilligen Krankenpflegern befindet sich je ein Geistlicher beider Konfessionen. Zudem hat die Leitung des Zuges in entgegenkommendster Weise die Mitnahme eines Feldaltares angeregt, sodaß auch im Zuge Gottesdienst gehalten wird. Die Mittel für den Feldaltar sind durch freiwillige Gaben in kürzester Zeit beschafft worden.
Bonner Straßenbilder. Der Bilderbogen. Nun also, da sind sie ja wieder, die Freunde der Jugend und des besinnlicheren Alters. Dachte ich doch gleich, daß etwas Besonderes in dem Schaufenster sein müsse, weil so viele Kinder um das Fenster standen und Finger und Nasen gegen die Scheibe drückten. Da hängen sie wieder, die lieben alten Freunde: die Bilderbogen mit den schreienden Farben, dem dicken Schwefelgelb, dem grellen Zinnoberrot, Giftgrün und unmöglichem Blau. Ich stelle mich hinter die Kleinen und wir staunen zusammen über die kühne Buntheit der Farben. Natürlich sind die Bilderbogen auf den Krieg zugeschnitten und man sieht Deutsche, Franzosen, Engländer, Russen und Japaner, und zwar in ihrer charakteristischen Eigenart. Vor allem macht es die Farbe. Unsere Krieger sind im schönsten Feldmausgrau gemalt, die Franzosen fallen durch die brennend roten Klexe ihrer Hosen auf, die Engländer vornehmlich durch ihr Nußknackergebiß, die Russen aber durch ihr verwildertes bärtiges Buschmannsgesicht und der unvermeidlichen Wutli[Wodka]flasche in der Hand, die Japaner endlich zeigen Gesichter im schönsten Dottergelb mit geschlitzten Augen und herunterhängenden Bartkommas. Auf den Bilderbogen werden heftige Schlachten geschlagen; dabei wird mit besonderer Ausgiebigkeit mit Rot gearbeitet. Blutrote Feuersbrünste stehen am Himmel und das Blut der Gefallenen ist mit viel Aufwand an Fläche hingemalt. Man schlägt sich die Köpfe blutig, Kanonen speien dicke Kegelkugeln aus und alles das ist mit großer Sinnfälligkeit, man möchte sagen, mit linearer Einfachheit hingezaubert.
Das kleine Mädchen neben mir liest die blutige Geschichte von dem Kosaken Wladimir vor, dessen Kampf und Gefangennahme durch die Deutschen, die auf den Bildern nur siegreich sind, in ebenso blutigen Versen geschildert wird. Der Kosak Wladimir aber fühlt sich in der deutschen Gefangenschaft unendlich wohl und er erhebt seine Hände und fleht: „Himmel mach den Krieg nicht aus, daß ich nicht mit meinem Bauche wieder weiter hungern brauche für den Zaren Nikolaus“. Ein Knirps, der die Rolle des Sachverständigen übernommen hat, erklärt der aufhorchenden Schar die Bilder und knüpft seine Bemerkungen daran. „Datt senn de Franzose, on datt de Englände. Die Oeste kriggen se fies gezopp.“ Die Kleinen lachen und freuen sich über die schönen Geschichten.
Ein alter, sehr ehrwürdig aussehender Herr kommt heran und stellt sich ebenfalls vor das Fenster. Er wirft einen Blick auf die schreiend-schöne Herrlichkeit, und ich höre, wie er zu seinem Begleiter sagt: „So’n Kitsch. Wie kann man derartigen Schund ausstellen?“ – Dann entfernen sie sich. Ich aber stehe noch immer vor dem Fenster und lese mit Behagen die Geschichte von dem Landwehrmann Kulicke, der mit seinen derben Fäusten drei „Japanerlein“ heranschleppt, oder die Geschichte von Mister Stock, der mit den Deutschen Fußball spielen wollte, aber nicht so weit kam, da er vorzeitig von den Deutschen abgefangen wurde.
Gewiß, die Farbe der Bilderbogen ist aufdringlich, die Verse holperig, aber das gehört nun einmal zum Bilderbogen. Solange große Tagen geschehen, so lange muß der Bilderbogen dafür herhalten. Stellen sie auch nicht mit photographischer Treue die Tatsachen dar, sondern so, wie sie sich in der Phantasie des Kindes abspielen, so wird doch der Zweck erreicht, denn die Bilderbogen gehören den Kindern und bilden ein Stück von diesem Kinderparadies. – Und darum lasse ich mir meine Freude an den schönen bunten Bilderbogen nicht verderben.
Ein Straßenkolleg. Fast täglich sieht man Verwundete und Arbeiter, Frauen und Kinder, auch gutgekleidete Herren zusammenstehen, die sich lebhaft über Kriegsereignisse unterhalten. Gestern sah ich zwei verwundete Gardisten auf dem Wilhelmsplatz stehen. Um sie herum eine Marktfrau mit ihrem Gemüsekorb, ein Bäcker mit weißer Schürze und verschiedene halbwüchsige Burschen. Ich trat hinzu, um ebenfalls zuzuhören. Der Gardist mit einem vierwöchigen Bart, der wie eine Wichsbürste aussah, ums Kinn, erzählte seine Erlebnisse. „Na, wie war’s denn vor S.?“ frage ich, da ich höre, daß er die Kämpfe bei S. mitgemacht hat. „Ja, da ist sie nicht viel groß zu erzählen,“ meinte der Sohn vom Elbestrand, „wir waren kaum von Potsdam nach Frankreich nachgeschoben, als es auch schon losging. Das ging sie nu meerschtendeels hinein im de Schützengräben, wieder naus und wieder hinein. Und dann ging’s immer „dschupp – dschupp“ (er machte die entsprechende Armbewegung). Dann war sie nämlich ene Kugel vorbeigeflogen. Und dann ging’s wieder emal „dschupp, dschupp“ (entsprechende Armbewegung) und ich hatte ene sitzen. S’ hat sie hellisch weh getan, bis sie das Rosinchen (er meinte die Kugel) gefunden hatten, aber nu is ganz gut und die nächsten Dage mach’n wir wieder vor die Front.“
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Student und sozialpatriotische Tätigkeit. Die 4 Vorträge, die Herr Dr. H. Wohlmannstetter (M.-Gladbach) am 7.,8. und 9. November im Saal des hiesigen Borromäushauses hielt, hatte zum Ziel, die Studenten anzuregen und vorzubereiten zur Betätigung im Vortragswesen in Vereinen, bei Lazarettabenden und dergl. Die Vermittlung besorgt die Sozialstudentische Zentrale, Clemensstraße 7. Vorträge wurden schon in Bonn und Umgegend und in Köln gehalten. – Am Montag begann die sozialstudentische Ortsgruppe ihre Lazarett-Tätigkeit mit einem Vortragsabend im Hospital der barmherzigen Brüder. Zwei Studenten lasen Kriegsnovellen vor und rezitierten ernste und heitere Gedichte, u. a. von Heine, Liliencron, Lulu von Strauß und Torney. Dazwischen sangen zwei Studentinnen zur Laute alte Volks- und Soldatenlieder und ernteten damit reichen, wohlverdienten Dank. In Stoff und Form suchten alle Darbietungen das Schlichte, Volkstümliche im besten Sinne.
Opfersinn unter den Bonner Dienstmädchen. Wir erhalten folgende Zuschrift:
Voll Begeisterung fürs Vaterland öffnet heute ein jeder Herz und Hand, um die Wunden, die der Krieg schlägt, zu lindern und zu heilen. Was die Opferfreudigkeit anbelangt, so stehen nicht an letzter Stelle unsere Bonner Dienstmädchen. Es ist rührend und erhebend zu erfahren, mit welcher Liebe und mit welchem Eifer insbesondere die Mitglieder des Marienvereins – Verein für kath. Jungfrauen in häuslicher Stellung, Bachstr. 4, Präses Herr Kaplan Reinermann – ihr Scherflein opfern, ja oft größere Summen spenden, um der Not des Krieges zu steuern. Abgesehen davon, daß viele Mädchen ihre im Felde stehenden Brüder und Anverwandten reichlich mit Liebesgaben versehen, geben sie gern und freudig auch für allgemeine Kriegszwecke. Eine Sammlung, die aus Anlaß einer Namenstagsfeier für diese Zwecke gehalten wurde, ergab die schöne Summe von 300 Mark. Vielfach werden Gaben ohne Namensangabe dem Briefkasten des Präses anvertraut. So fand dieser einmal 100, ein andermal 50, mehrmals 20 und 10 Mark gespendet von Mitgliedern des Marienvereins. Im ganzen wurden bis jetzt etwa 700 M. dem Präses für Kriegszwecke zur Verfügung gestellt; dazu verschiedene Gold- und Silbersachen: eine Uhrkette, mehrere Finger- und Ohrringe usw. Hier gilt das Wort der hl. Schrift: „Viele geben von ihrem Ueberfluß, diese aber opferten von ihrem Notwendigen“. Möge Gott der Herr es ihnen reichlich vergelten.
Die Gaben wurden vewandt für Seelsorge und Krankenpflege im Felde, für die Kapellenautos, ferner als Liebesgaben für unsere im Felde stehenden und verwundeten Soldaten und für ähnliche Zwecke.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Samstag, 12. Dezember 1914
Sanitätshunde im Felde. Von einem hier im Bonn im Lazarett liegenden Verwundeten wird über seine Auffindung auf dem Schlachtfeld durch einen Sanitätshund folgendes berichtet:
„Am 21. Oktober morgens erhielt meine Kompagnie den Befehl, auszuschwärmen und vorzugehen. Wir griffen Engländer, die in Schützengräben lagen, an. Nachdem wir diese in die Flucht geschlagen, bekamen wir ein mörderisches Feuer von Zuaven, die einen zweiten Schützgraben stark besetzt hatten. Hier bekam ich einen Schuß durch die Schulter, den ich allerdings erst bemerkte, als ich von meinem Nebenmann darauf aufmerksam gemacht wurde, daß ich blutete. Nun ging es zum Sturm. Im nächsten Augenblick schlug eine Granate neben mir ein. Ein Splitter riß mir die rechte Schulter auseinander. Das Gewehr entfiel meiner Hand. Ich war kampfunfähig. Ein paar Schritte rechts war ein Gebüsch. Da schleppte ich mich hinein, um wenigstens gegen Sicht gedeckt zu sein. Niemand war in der Nähe, der mir hätte helfen können, die Wunde zu verbinden. Ich fühlte, wie ich durch den Blutverlust schwächer und schließlich ohnmächtig wurde. Am nächsten Morgen wurde ich durch das Bellen eines prächtigen Schäferhundes geweckt. Er trug zwei Körbchen mit Stärkungsmitteln und einen Schreibblock. Nachdem ich etwas gegessen, schrieb ich mit der linken Hand auf den Block: holen kommen. Das Tier entfernte sich. Jetzt sah ich um mich und entdeckte zu meinem Schrecken, daß meine verwundeten Kameraden schon alle geholt waren. Man hatte mich in dem Gebüsch nicht gefunden. Kaum war der Hund eine Viertelstunde fort, da kamen zwei Samariter, die mich verbanden und mitnahmen. Daß ich nicht elendig verblutet bin, das danke ich dem guten Tier.“
Bonner Wehrbund. Der Wehrbund unternimmt am kommenden Sonntag eine größere Geländeübung, der folgender Gedanke zugrunde liegt. Zum Entsatz einer umschlossenen befestigten Stellung, die auf dem Nonnenstromberg angenommen wird, rückt eine Heeresabteilung von Pützchen heran. Der Gegner, der die Festung umschlossen hält, hat von dieser Absicht Kenntnis erhalten und beauftragt darauf hin weiter rückwärts stehend Kräfte, die von Oberkassel heranmarschieren, der Entsetzungsabteilung den Weg zu verlegen. Dieses muß gelungen sein, bevor die Entsetzungsabteilung die Straße erreicht, die von Heisterbach nach Heisterbacherrott führt, sonst gilt der Versuch als mißglückt. Das Gelände wird westlich vom Rhein, östlich vom Lauterbachtal begrenzt. Kundschafter dürfen Feldwege benutzen, Gruppen dürfen nur auf befahrbare Straßen marschieren.
Die einzelnen Abteilungen des Wehrbundes vereinigen sich um ¼10 vormittags in der Doetschstraße, von wo die eine Partei um 10 Uhr nach Pützchen, die andere nach Oberkassel als Ausgangspunkt ihrer Bewegungen abrückt. Nachmittags um 4 Uhr wird die Uebung abgebrochen, wenn bis dahin keine Entscheidung gefallen ist. Die Kritik findet um ½5 auf dem Nonnenstromberg statt. (...)
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Der Anfang des Weihnachtsgeschäftes ist, wie man allgemein hört, verhältnismäßig gut gewesen. Abgesehen von einzelnen Luxusartikeln gehen die Geschäfte weit besser als man glaubte. Richtig ausgenutzt, werden die gegenwärtigen Weihnachtswochen nicht nur guten Verdienst bringen, sondern sogar Verluste durch den Kriegsausbruch ausgleichen. Allerdings müssen die Wochen vor dem Fest gut ausgenutzt werden, um die vorhandene Kauflust auf sein Geschäft zu lenken. Auch in der Kriegszeit kann kein Geschäft der Nachhilfe durch zielbewußte Reklame entbehren. Es möge sich also jeder hüten, die Kosten der seinem Geschäft stets nutzbringenden Weihnachtsreklame zu sparen. Man bedenke auch , wie beruhigend es auf unsere Soldaten im Felde wirken muß, wenn sie aus den heimischen Zeitungen sehen, daß die Geschäfte sich daheim in den alten Formen abwickeln. Die Bevölkerung aber möge jetzt kaufen, was sie doch haben muß, selbst bei vernünftiger Sparsamkeit. Dann wird auch der sehnlichste Wunsch Englands, uns wirtschaftlich zu vernichten, nicht erfüllt werden.
Die unentgeltliche Beratungsstelle, die in dankenswerter Weise durch die Bonner Rechtsanwälte während der Kriegszeit ins Leben gerufen wurde, erfreut sich eines regen Zuspruchs. Bekanntlich haben die hiesigen Rechtsanwälte beschlossen, solche Personen aus dem hiesigen Gerichtsbezirk, die durch die gegenwärtigen Verhältnisse nicht in der Lage sind, Anwaltskosten aufzuwenden, unentgeltlich zu beraten. Die Beratungsstelle befindet sich im Anwaltszimmer des Landgerichtsgebäudes (Wilhelmstraße), Zimmer 20, I. Stock, und ist geöffnet an den Werktagen von 4½ bis ½6 Uhr nachmittags, außer Samstags. Falls kein Rechtsanwalt anwesend, können sich Ratsuchenden Wilhelmstraße 17 melden.
Ueber einen lustigen Vorfall, der sich gestern mittag auf dem Markt abspielte, schreibt uns ein junger Musensohn: Von einem auf dem Markt stehenden Wagen, dessen Fuhrmann augenblicklich abwesend war, unternahm ein Schweinchen bei dem sonnigen Winterwetter einen kleinen Erkundungsausflug. Vergnüglich grunzend schnüffelte das Borstentierchen zwischen den Marktkörben umher. Zwei des Weges kommende Feldgraue entdeckten den Ausreißer, faßten ihn buchstäblich bei den Ohren und setzten ihn trotz heftigen Gequiekes wieder in den Wagen. Lachend zogen die beiden „Tierbändiger“ alsdann davon. Es ist nur lobend anzuerkennen, daß sich unsre wackeren Krieger bei jeder Gelegenheit hilfreich betätigen.
Schwarzlackierte Lederkoppeln sollten zwei junge Arbeiter aus einer Lederwaren-Fabrik entwendet habe. Wegen Lederdiebstahls sind bereits in der verflossenen Woche vom Schöffengericht einige Arbeiter dieser Fabrik bestraft worden. Die Aburteilung der beiden Angeklagten wurde f. Z. verschoben, weil sie angaben, daß sie die Lederkoppeln mit Genehmigung des Meisters weggenommen hätten; außerdem handele es sich nicht um gutes Leder, sondern um Abfall-Lederkoppeln, die unverwendbar seien und auf dem Speicher lagerten. Der als Zeuge vernommene Meister bestätigte die Aussagen der Angeklagten und so blieb nichts weiter übrig, als die Angeklagten freizusprechen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Ein Wort an die Hauswirte. In anderen Städten, beispielsweise in Köln, haben sich eine ganze Anzahl Vermieter durch die Kriegslage veranlaßt gesehen, die Miete herabzusetzen. In den jetzigen schweren Tagen würden auch die Bonner Hauswirte ein Werk der Nächstenliebe tätigen können, wenn sie den Mietern, namentlich den ärmeren Mietern, Witwen und alleinstehenden Damen, insbesondere aber in Fällen, wo der Mann im Felde steht, den Mietpreis etwas heruntersetzen wollten. Die Mieter, die ihrerseits wieder einzelne Zimmer, namentlich an Studenten abgeben, sind an und für sich schon gezwungen, den Studenten einen Kriegspreis zu machen, da sonst die Gefahr besteht, daß bei den vielen leerstehenden Zimmern überhaupt nicht gemietet wird. Die herren Hauswirte von Bonn mögen sich diesen Fall einmal überlegen. Eine Mieterin im Namen vieler.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Der Flottenbund deutscher Frauen in Bonn dankt herzlichst für die reichen Gaben, die auf seinen Aufruf hin an ihn gelangt sind, um unseren tapfern Marinesoldaten ein schönes Weihnachtsfest zu bereiten. Die Zahl der Pakete betrug annähernd 850; sie sind in 22 großen Frachtkisten an ihren Bestimmungsort Kiel geschickt worden, wo sie hoffentlich ihren Zweck in vollstem Maße erfüllen werden.
Verwundete von St. Joseph an der Höhe wurden gestern abend in der Wohnung des Sanitätsrates Dr. Becker, Reuterstraße, festlich bewirtet. Beim Gesang vaterländischer Lieder und mit Ansprachen des Gastgebers und der Gäste vergingen die Stunden allzuschnell.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Vilich 11. Dez. Der vorige Samstag war für die Verwundeten des hiesigen Lazaretts ein Freudentag. Am Nachmittag besuchte eine Anzahl junger Damen der höheren Töchterschule von Fräulein G. Heyermann aus Bonn die Soldaten und erfreuten sie durch patriotische Gesänge und Deklamationen und spendeten reichliche Liebesgaben. Der wachthabende Unteroffizier dankte in humorvollen Worten und lud die jungen Damen ein, das Lazarett öfters mit ihrem Besuche zu beehren. Zum Danke trug die originelle Verwundeten-Musikkapelle den Damen einige Stücke vor, die reichen Beifall fanden. Am Abend kam der heilige Mann im Ornat in Begleitung des Hans Muff mit der Rute. St. Nikolaus wußte alle guten und bösen Taten der Verwundeten und brachte sie in launigen Versen ans Licht, dabei teilte er seine Gaben aus. Der Stationsarzt Herr Dr. Weis dankte dem heiligen Mann im Namen der Verwundeten mit begeisterten Worten für den wohlgelungenen Abend.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Umgegend“)
Sonntag, 13. Dezember 1914
Vaterländische Reden und Vorträge. Am Mittwochabend spricht Herr Dr. Hermann Cardauns in der Aula des Städtischen Gymnasiumüber den Krieg und die Presse. Die Vorträge beginnen auf vielfachen Wunsch von jetzt ab eine Viertelstunde später, also um ½9, indes dann auch pünktlich ohne akademisches Viertel.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Die Kriegsfreiwilligen vor Ypern.
Ein Ruhetag im Felde.
Man weiß gar nicht, was man mit der vielen freien Zeit anfangen soll. Mann für mann hat bereits sein Gewehr geputzt, auch der Anzug ist wieder in einigermaßen menschliche Form gebracht, aber damit ist auch das Tagewerk getan, und nun schaut jeder zu, was wohl der andere beginnt, um sich die Zeit zu vertreiben. Man kann doch nicht den ganzen lieben, langen Tag essen, trinken, schlafen und noch mal schlafen, trinken und essen. Zur Besichtigung der näheren Umgebung ist das Wetter zu schlecht und vom ewigen Skatspielen ist man schon halb „dämlich“ geworden. Da kommt, kaum trauen wir unseren Augen, quer über das matschige Feld ein kleiner Trupp Soldaten, Musikinstrumente unter den Armen. „Adolf“ ist’s, der Liebling der Berliner, der schneidigste Kapellmeister aus dem „Clou“, dem „Zoo“ und anderen Stätten großstädtischer Vergnügungen. Freundliche lächelt er zu uns herüber, der elegante blonde Schnurrbart ist in einen nicht minder eleganten Backenbart übergegangen und die Brust ziert das schwarz-weiße Ehrenband des Kreuzes von Eisen. Alles staunt! Ja was will den „Adolf“ hier? Darüber sollen wir nicht lange im Unklaren bleiben. Wie im Lustgarten in Berlin ordnet der Musikdirektor seine Scharen, sodaß sie rings im Kreise um einen gewaltigen – Misthaufen stehen, und oben auf dem Haufen nimmt der Dirigent Platz und dann geht’s los. Musik erfreut des Menschen Herz! Nie habe ich die Wahrheit dieses Sprichwortes besser gesehen, als an diesem Ruhetage im Felde. Ringsum standen die Feldgrauen, einträchtig zusammen mit den schnell herbeigeeilten neugierigen Belgiern, und als dann „Deutschland, Deutschland über alles“ und „Die Wacht am Rhein“ ertönte, da haben wir alle kräftig mitgesungen. „Lieb’ Vaterland magst ruhig sein!“ Da standen unsere braven Jungens, und das Schluchzen erstickte fast den Gesang und die Tränen liefen über die bleichen, eingefallenen Wangen und es war keiner, der sich ihrer schämte.
Die Pfadfinder.
Und noch ein seltsames Zusammentreffen hatten wir an diesem Tage. Wir saßen vor unserer quietschnassen Strohhütte und hatten über einem schwelenden, beizenden Feuer gerade mit mehr Hingebung als Kaffeebohnen einen „Mokka“ gekocht, da krauchte durch den Lehm am Weidengebüsch eine Schar kleiner Menschen heran, aus denen wir so recht nicht klug werden konnten. Einen breitrandigen Südwester auf dem Kopf, das Seitengewehr an der Seite, einen schweren Revolver in der Tasche und das Gewehr über der Schulter., so kamen sie zu uns herüber und baten uns um etwas Kaffee, „sie kämen gerade vom Requirieren“. Pfadfinder waren es, richtige deutsche Jungen aus Coblenz, die schon seit Wochen im Felde stehen und manchen wichtigen Dienst geleistet haben. Lebensmittel haben sie requiriert, Lazarett-Transporte und Verwundete geführt, Pferde gehalten und – die Augen leuchten, wenn sie davon erzählen – den Soldaten in der vordersten Feuerlinie haben sie Munition gebracht. „Auf dem Bauche sind wir am hellen Tage mit 1500 Patronen auf dem Rücken in den Schützengräben gekrochen, einige waren zu dreist und sind aufrecht gegangen, die sind gefallen, ein paar von uns haben schon das Eiserne Kreuz, - die haben aber nicht mehr getan, als wir!“ Ei, wie herrlich ist doch dieser quittegelbe Neid unserer deutschen Jungen und die Furcht, daß etwa einer tapferer gewesen sein könnte, als der andere. Die Tätigkeit der Pfadfinder hat nun auch ein Ende; der Kriegsminister hat verboten, sie weiterhin in Feindesland zu verwenden. Aber alle Hochachtung vor diesen 14-15jährigen Burschen! Wir haben früher manchesmal gelacht über das Solddatenspiel, doch die Jungen haben mehr geleistet, als je von ihnen erwartet werden konnte. Einer von ihnen brachte uns auch das Neueste mit: das „Meniner Tageblatt“, neue Folge der „Bapaumer Zeitung am Mittag“. Das ist ein [??? ???] einseitiges Blättchen, das in kurzer knapper Form täglich die neuesten Depeschen des Hauptquartiers bekannt gibt und, soviel ich weiß, von dem Schauspieler Carl Cluwing herausgegeben wird. Hier erfuhren wir, daß Hindenburg 29000 Russen gefangengenommen hatte.
Rückmarsch zur Front.
Der Abend nahte und mit ihm der Abmarsch zur Front. Brote und Liebesgaben wurden verteilt, die fällige Löhnung ausgezahlt, die Patronentasche neu mit Munition versehen und der Tornister gepackt. Nun noch schnell ein Brief oder ein Kartengruß an die Heimat, und dann tritt die Kompagnie feldmarschmäßig an. Einige Kranke und Leichtverwundete, die zurückbleiben bis zum nächsten Male, haben sich eingefunden: „Auf Wiedersehen!“ – „Halt Dich dran!“ – „Sieh zu, daß Du wiederkommst!“ so schwirrt es durcheinander und dann stimmt einer dieses bitterernste Lied an, das einem das Mark erstarren läßt:
„Morgenrot, Morgenrot, leuchtest mir zum frühen Tod!“ Ich kann mir im Felde kein furchtbareres Lied vorstellen, deshalb furchtbar, weil es so manchem die Wahrheit sagt.
Nun geht’s hinaus ins Ungewisse! Und dennoch bleibt die Stimmung gut. Ein paar dralle Mädel, die am Grabenrande stehen und uns freundlich zuwinken, ermutigen einen Kameraden zu einem zwar falsch, ab er herzlich gesungenen: „Lebe wohl, mein flandrisch Mädchen“. Witzworte fliegen hin und her, und als auf der Chaussee das „Tatütata“ eines Autos ertönt, singt die ganze Kompagnie die belgischen Uebersetzung dieses Signals:
„Nous sommes perdus, les Bosch sont lá!“ „Les Bosch“ sind wir, die Deutschen. - ....
Und wieder liegen wir im gelben Lehm flandrischer Erde. „Die Kompagnie liegt in zweiter Reserve, etwa 1200 Meter hinter der Front!“ – Na schön, denken wir, da können wir wenigstens schlafen, soweit hinter der Front kann uns wenig passieren. Aber der Mensch denkt, – und die Engländer schießen.
Buddelei beim englischen Kanonendonner.
Weiß der Teufel, warum sie es gerade auf unsere Reserve abgesehen hatten, aber kaum hatten wir es uns etwas bequem gemacht, da ging die Schießerei schon los; zunächst einmal mit Schrapnells. Wir legten uns also lang in den schönen gelben Lehm und warteten ab. Nach etwas zwanzig Minuten hörte das Geknalle auf und schon kam eine Ordonanz gelaufen. „Die Kompagnie soll jeden freien Augenblick benutzen, die Unterstände zu befestigen und die Schützengräben auszubauen und durch Laufgräben miteinander zu verbinden.“ In stockdunkler Nacht ging nun ein emsiges Arbeiten los. Nie werde ich diese Buddelei, nie diesen Befehl vergessen, denn beide retteten mir das Leben. Auf dem Bauche krochen wir durch die nassen Rübenfelder in das nahe Dorf, zu dreien, zu vieren kamen wir zurück. Schwere Balken, feste Türen, Stühle und Tische, alles wurde aus dem ganz zerschossenen Dorfe herangeschleppt, die Gräben fester und gemütlicher zu gestalten. Unser Loch für sechs Mann war etwas fünf Meter lang und einen Meter breit. Zwei Meter davon mußten zu Beobachtungszwecken oben offen bleiben, die anderen drei Meter wurden bedeckt. Zuerst wurden drei Querbalken gelegt, darüber eine schwere eichene Tür und dann wurde das Ganze etwas 25 Zentimeter hoch mit Lehm beworfen, der dann noch mit Rübenkraut bedeckt wurde. Eine dicke Lage Stroh sollte uns vor Kälte schützen. So ließ es sich schon aushalten in unserem Graben, aber die „Gentlemen“ hatten es anders beschlossen. Sie mußten wohl in der Nähe unserer Gräben unsere Artillerie vermuten, denn, hatten sie vorher mit Feldgeschützen und Schrapnells geschossen, so arbeiteten sie jetzt mit Schiffsgeschützen und großen Granaten. So ging es zwei Stunden lang, Schuß auf Schuß, Granate auf Granate und darunter mancher Treffer Und wieder, wie schon so manches Mal, lagen wir stundenlang mit dem Bauch auf dem nassen Stroh und starrten gedankenlos vor uns hin, den Augenblick herbeisehnend, da dieses gräßliche Feuer ein Ende nehmen würde. Aber dieses Mal sollte auch uns die Stunde schlagen.
Der Granatschuß. – Die Schaufel als Lebensretterin.
Es war gegen den frühen Morgen. Das englische Feuer war schwächer geworden, dauerte aber immer noch an. Wir lagen unter unsrer Eichentür und hofften gerade, uns bald erheben zu können, als plötzlich unmittelbar vor unserer kleinen Erdfestung ein ungeheurer Krach die Erde erzittern machte. Mein Gewehr, das an der Wand gelehnt hatte, fiel um, ich fühlte einen furchtbaren Schlag gegen das linke Bein und dann ... war alles aus. Als ich erwachte, hatten meine Kameraden mich gerade unter den eingestürzten Balken, der Tür und dem Lehm hervorgebuddelt. Ich blutete an den Händen und im Gesicht aus zahlreichen ganz geringfügigen Kratzern, fühlte aber einen starken stechenden Schmerz im linken Oberschenkel. Meine Kameraden hatten mir bereits das Beinkleid aufgeschnitten, und da stellte sich dann heraus, daß die schwere Eichentür und meine Schaufel meine Retter gewesen waren. Ein Granatsplitter war durch die Tür geschlagen und auf meiner Schaufel gelandet. Das starke eiserne Blatt der Schaufel war ganz verbogen, ich aber hatte eine lange und ziemlich breite, blutunterlaufene Prellung am Oberschenkel, die weiter nicht gefährlich war, aber fürchterlich schmerzte. Ich mußte also in Lazarett. Die Kameraden, von denen einer noch dazu zwei Finger der rechten Hand verloren hatte, trugen mich aus dem Graben zu den nicht weiter davon tätigen Sanitätern. Wie behutsam und wie freundlich doch alle diese rauhen Menschen sein konnten, so leicht, so vorsichtig wurde ich aufgehoben und niedergelegt., als seien Krankenschwestern bei der Arbeit und nicht harte Soldaten. Nur auf meine schönen langschäftigen Stiefel hatten sie’s abgesehen. Immer wieder maßen sie aus, ob sie nicht doch wohl paßten; da aber Mutter Natur mich mit einem ziemlich kleinen Fuß gesegnet hat, so blieb ich im Besitz meiner Langschäftigen.
Ins Feldlazarett von Menin.
In einem Automobil auf einer etwas unbequemen Tragbahre legte ich jetzt die altbekannte Chaussee in einem Viertel der Zeit zurück, als sonst. Neben mir lag ein gefangener und kranker Engländer, der vor Rheumatismus kein Glied rühren konnte. Er stöhnte in einem fort und erzählte mir in hartem nordenglischen Dialekt, daß er nun seit vierzehn Jahren Soldat sei, daß er in Indien und Südafrika und auf Ceylon gefochten habe, aber daß alle diese Kämpfe Kinderspiel gewesen seien, gegen diesen entsetzlichen Krieg und gegen die Strapazen dieses Krieges. An einem Tage hätten sie mit vollen 56 Pfund (engl.) Gepäck gar 26 Kilometer laufen müssen, das sei denn doch zu viel. Was hätte der rheumatisch-steife Gentleman wohl gesagt, wenn er, wie unsere Leute, mit weit schwererem Gepäck vier oder fünf Tage lang hintereinander täglich 50-55 Kilometer hätte marschieren müssen.
Im Feldlazarett in Menin wurden wir freundlich aufgenommen. Krankenwärter und belgische Schwestern nahmen sich unser an und wir wurden sofort untersucht. Und da der Stabsarzt kopfschüttelnd, außer meiner Prellung noch Herzkrämpfe feststellte, so wurde ich für den Heimtransport vorgemerkt. Von dieser Fahrt durch ein ganzes, weites Land voll uneingeschränkter Mildtätigkeit und Barmherzigkeit mag mein letzter Brief berichten. Fr. W. F. jr.
(Bonner General-Anzeiger)
Ein sonderbares Paar stand heute morgen vor der Bonner Strafkammer. Er ist verheiratet, Rangierer von Beruf und wohnte in Duisburg. Sie war Dienstmädchen in Duisburg. Dort lernten sie sich kennen. Der Rangierer verließ im vorigen Sommer seine Frau und zog mit dem Mädchen mittellos von Stadt zu Stadt. Sie gaben sich in den Wirtschaften, in denen sie übernachteten, als Eheleute aus, erbrachen dann nachts in den Gasthäusern Zimmer, Schränke und Kästen und verkauften die gestohlenen Sachen bei Althändlern für wenig Geld. Davon lebten sie sorgenlos eine Zeit lang. So kamen sie nach Bonn. In Wirtschaften in der Lang- und Stiftsgasse verübten sie denselben Schwindel und Diebstahl, wurden aber, als sie zum zweiten Male wiederkamen, festgenommen. Man glaubt, daß beide in der Absicht von Duisburg fortgegangen sind, ihren Unterhalt durch den Erwerb aus einem unsittlichen Lebenswandel zu bestreiten. Das Gericht verurteilte den Mann, der schon vorbestraft ist, zu einem Jahr Gefängnis, das Mädchen, das wahrscheinlich ganz willenlos unter dem Einfluß des Mannes stand, zu drei Monaten Gefängnis.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Montag, 14. Dezember 1914
Eine türkische Weihnachtsliebesgabe für unser Heer. Wie uns vom Wolff-Büro aus Konstantinopel gemeldet wird, bereitet das osmanische Landesverteidigungskomitee die Sendung von zwei Millionen Paketen Tabak an die österreichisch-ungarische und deutsche Armee vor. Auf den Paketen werden die österreichische, die ungarische, die deutsche und die osmanische Fahne einander kreuzend dargestellt sein. – Auch das türkische Komitee der nationalen Verteidigung plant, zur Zeit des Weihnachtsfestes Zigaretten an das deutsche und das österreichisch-ungarische Heer zu schicken.
Der Gartenbauverein, Bonn, hält am Mittwoch, 16. Dez., abends 6½ , im Hotel „Du Nord“ seine Monatsversammlung ab. Auf der Tagesordnung steht u.a. ein Vortrag des Herrn Sandhack (Mehlem) über „Russische Verhältnisse“ und eine Aussprache: „Auf welche Weise kann der Gartenbauverein Kriegshilfe leisten?“
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Silberner Sonntag.
Wer gestern in den Nachmittags- und Abendstunden durch die Straßen der Geschäftsviertel ging und die große Menschenmenge an den hellstrahlenden Schaufenstern auf- und abwogen sah, und das lebhafte Treiben in den Geschäften selbst beobachtete, konnte die schweren Gedanken, die uns gegenwärtig erfüllen, für einen Augenblick vergessen und denken, alles ist wie früher, da wir noch nicht an die Nöte des Krieges zu denken hatten. Das Wiederaufleben der Geschäftstätigkeit und der Kauflust kann nur mit Freude begrüßt werden. Wenn sich auch ein großer Teil unsrer Bürgerschaft bei den Weihnachtseinkäufen mehr als in sonstigen Jahren einschränken muß, so gibt es doch dank unserer gesunden Wirtschaftslage sehr viele, die diese Rücksicht auf ihre Geldtasche nicht zu nehmen brauchen und die nach Belieben ihre Einkäufe machen können. Daß diese Kategorie beneidenswerter Mitbürger in Bonn nicht klein ist, konnte man am gestrigen silbernen Sonntag beobachten. Die Ladenbesitzer selbst werden dies am Umsatz gemerkt haben.
Wenn eben gesagt wurde, daß das Straßenbild den Gedanken an Krieg wenig aufkommen läßt, so gilt dies mit Einschränkungen. Ein Blick in die Schaufenster nur, und sofort wird – namentlich in den Spielwarengeschäften – der Gedanke an den Krieg wach. Fast möchte man sagen, daß an dem sog. „Militarismus“, den uns unsere Feinde zum Vorwurf machen, doch etwas Wahres ist, denn die Spielwarengeschäfte sind beherrscht von Soldaten und nochmals Soldaten und alledem, was mit ihnen zusammenhängt. Einzelne Schaufenster starren sozusagen in „Wehr und Waffen“. Soldaten jeder Art und Größe, vom einfachsten Feldgrauen an bis zum Generalfeldmarschall in Paradeuniform sind in Papier, Holz, Zinn, Blei usw. zu sehen. Häufiger vertreten sieht man die sogen. Stoffsoldaten mit aufgeklebten Glasaugen und nicht allzu geistreichen Gesichtsausdrücken. Hie und da ist das Lagerleben im Felde, das Leben in den Schützengräben, beim Biwak, auf dem Kasernenhof usw. recht natürlich – mitunter humorvoll – dargestellt; es fehlt nicht der surrende Zeppelin, die kreisende Flugmaschine, noch viel weniger das „internationale“ Gefangenenlager. Daß sich vor diesen Schaufenstern die Menge, - insbesondere die Jugend – drängt, nimmt nicht wunder.
Aber auch andere Geschäfte lenken den Blick auf unsere Krieger. Bekleidungs- und Wollwarengeschäfte geben Winke, daß warme Kleidung für unsere Feldgrauen zunächst die bevorzugteste Liebesgabe sein soll. Diese Geschäfte, sowie Lebensmittel- und Rauchwarengeschäfte hatten ebenfalls regen Zuspruch, denn „Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen“, so sagt man ja wohl. Kommt dazu eine gute Verdauungszigarre oder eine Pfeife Tabak, so werden unsere braven Krieger noch einmal so gern die Strapazen des Krieges hinnehmen. Der gesteigerte Straßenverkehr machte sich natürlich auch in solchen Geschäften bemerkbar, die nicht direkt für unsere Soldaten in Frage kommen.
Alles in allem: der Silberne Sonntag hat, so darf man wohl sagen, zum größten Teil die Erwartungen erfüllt, teilweise sogar überstiegen, die man mit Rücksicht auf die gegenwärtige Zeit an ihn geknüpft hat. Und das ist ein erfreuliches Zeichen unserer gesunden Wirtschaftslage und Volkskraft. Der Goldene Sonntag wird dies hoffentlich noch mehr bestätigen.
Bei dieser Gelegenheit mag schon jetzt darauf hingewiesen werden, daß man mit den Weihnachtseinkäufen nicht bis zu den letzten Tagen warten soll. Dem Geschäftsmann und auch dem Käufer ist besser gedient, wenn die Weihnachtseinkäufe sich ohne Hast in Ruhe abwickeln können.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Aus dem Feldpostbrief eines Bonner 235ers.
24. Nov. 1914
... Hier ist jetzt starker Frost. Stärker wie sonst bei uns zu Hause; aber dessen ungeachtet wird es uns doch nicht zu kalt hier; denn wir haben jetzt jeder eine wollene Decke erhalten. Und erst die Unterstände, die wir im Schützengraben gebaut haben, da ist es so warm drin, wie im heimatlichen Bette. Die sind so mit Stroh ausgefüllt, und so luftdicht gemacht, daß es eine wahre Pracht ist, darin zu liegen. Morgens um 8 oder 7 Uhr wird aus dem Unterstand gekrochen. Dann wird Essen geholt von der Feldküche, welche ½ Stunde hinter der Front anfährt. Ist das besorgt und der Magen gefüllt, so geht es wieder durch die Verbindungsgräben in unseren Bau zurück. Dann wird das Morgengebet verrichtet aus unserem Gebetbuch. Haben wir das getan, tritt das Quartett zusammen, und es werden ein paar geistliche Lieder gesungen. Dann braust „Die Wacht am Rhein“ durch den Schützengraben, oder sonst ein patriotisches Lied, welches unsere Musikkapelle, bestehend aus zwei Ziehharmonikas und einem Stocheisen, musikalisch begeleitet. Kommt der Mittag heran, so zwischen 12 und 2 Uhr, wo die Engländer sich Ruhe wünschen, dann kommt bei uns das Kartenspiel an die Reihe, oder es wird sonst etwas gemacht, so z.B. haben wir kürzlich einen Ziegenbock eingefangen (es läuft nämlich viel Vieh hier herum), ihm einen Brief mit allerhand Drohungen an die Rothosen an den Hals gebunden, und ihm ein französisches Käppi auf die Hörner gesetzt. Dann haben wir den Gaisbock mit Steinwürfen in den feindlichen Schützengraben getrieben, so daß die Franzosen wohl dachten, ihr alter Kaiser Napoleon wäre wieder vor ihnen erstanden. So wird der Nachmittag mit allerhand Kurzweil kleingemacht. Abends wird das Kochgeschirr und die Feldflasche umgehängt und es geht nun unter dem Schutze der Dunkelheit wieder zur Feldküche, wo wir eine delikate Erbsensuppe erhalten. Dann wird die Feldflasche mit heißem Kaffee gefüllt, um nach der Rückkehr in unseren Bau als Wärmeflasche für die Füße benutzt zu werden; nun ziehen wir die Decke über die Ohren, die Zeltbahn wird vor die Bude gehängt, und so schläft der Kriegsfreiwillige den Schlaf der Gerechten, bis ihn morgens die kalten Füße wieder wecken zum Beginn eines neuen Tages. So vergeht denn Tag um Tag, bis man wieder abgelöst wird ....
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Dienstag, 15. Dezember 1914
Ein nachahmenswertes Beispiel.
Nochmals Sammlung der Küchenabfälle.
Die Frage der Sammlung von Küchenabfällen ist in diesen Spalten schon mehrfach erörtert worden. Ueber ihre Dringlichkeit dürfte kaum eine Meinungsverschiedenheit bestehen. Unsere Absperrung von der ausländischen Massenzufuhr von Lebensmitteln trifft uns nirgends stärker als in unserer hochentwickelten Viehzucht. Es gehört daher zu den dringlichsten Wirtschaftsaufgaben, die der Krieg geschaffen hat, neue Futterquellen zu eröffnen. Immer mehr hat sich auch die Ueberzeugung ausgebreitet, daß das vor allem eine Aufgabe der Städte ist. Sie haben daher hier nicht nur die Gelegenheit, sondern die Pflicht, der Landwirtschaft, der sie so viel verdanken, mit allen Kräften beizuspringen.
In besonders dankenswerter Weise hat unter anderen die Stadtverwaltung von Essen sich dieser Aufgabe angenommen. Auf Anregung des weitblickenden und tatkräftigen Landrates des Landkreises Essen hat sie ihren Fuhrpark mit der Abholung der Abfälle zur Schweinefütterung beauftragt. Diese Abholung erfolgt getrennt von der Müllabfuhr und zwar am Tage, zweimal wöchentlich. Vorläufig sind zehn große einspännige Wagen mit je einem Kutscher und je zwei Jungen, die mit Schellen vorauslaufen, in den Dienst dieser Aufgabe gestellt worden. Sie bringen die Abfälle an von den Landgemeinden bezeichnete Stellen, wo die Verteilung an die Abnehmer stattfindet. (...)
Hoffentlich findet das Essener Vorbild bald viele Nachahmung, auch Nachahmung in unserer Stadt. Was in der Großstadt Essen unter vielfach schwierigen Verhältnissen durchführbar gewesen ist, kann in einer wohlhabenden Kleinstadt, in der Mietskasernen eine sehr geringe Rolle spielen, nicht unmöglich sein. H. Sch.
Kunstausstellung Bonner Maler. In dem großen Obergeschoß-Saal des Kunsthauses Zirkel (Gangolfstr.) wurde eine Ausstellung Bonner Maler eröffnet. Sie enthält Bilder und Zeichnungen von E. Oelieden, A. Fischel, P. Müller-Werlau, Th. Gansen, C. Nonn, und E. Hasenfratz.
Metropol-Theater. Wir verweisen auf das vorzügliche Programm, das in dieser Woche im Metropol-Theater vorgeführt wird. Zum ersten Mal erscheint Otto Reutter im Film in der Burleske: Otto heiratet. Außerdem wird das Künstlerdrama: „Dissonanzen des Lebens“ fesseln.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
„Schießt auf die Engländer.“Der Bataillonskommandör des 1. Landsturm-Infanterie-Batallions Heidelberg, Oberstleutnant Ehrt, schrieb, wie wir dem Mannheimer Generalanz. entnehmen, in einem an den Heidelberger Bezirksausschuß gerichteten Brief aus dem Felde: „Neulich legten französische Landwehrmänner einen Zettel nieder, auf dem die Worte standen „Schießt nicht, wir schießen auch nicht, aber schießt ordentlich auf die Engländer.“
(Bonner Zeitung, Rubrik „Kunst, Wissenschaft und Leben“)
Neue Geschmacklosigkeiten
Wie Ferdinand Avenarius das hübsche Wort „Hausgreuel“ prägte und damit alle jene Geschmacklosigkeiten geißelte, die unserem hochentwickelten Kunstgewerbe zum Trotz immer wieder auftauchen und sich als Zierrat mancherlei Art ausgeben und für den Wohnungsputz Verwendung finden, da haben nicht nur die Leser des „Kunstwartes“, sondern auch andere Menschen, denen es mit dem Begriff „Kunst“ Ernst ist, Umschau unter ihrer Einrichtung gehalten, und es ist wohl kaum einer, der nicht irgendwo, mehr oder minder verborgen, so ein Hausgreuelchen entdeckt und es beschämt entfernt hätte. (...) So glaubten Optimisten die „Hausgreuel“ gänzlich überwunden, und nun tauchen sie plötzlich auf allen Gebieten unter der Verzerrung patriotischer Begeisterung wieder auf und verletzen das Empfinden jedes wirklich patriotisch empfindenden Menschen.
Was ist uns Deutschen das Eiserne Kreuz? Die höchste Auszeichnung für persönliche Tapferkeit, die sich an keinen Rang, an keinen Stand bindet, weil sie lediglich für persönliche Leistungen verliehen wird. Und wie hat die Massenfabrikation, die man zu Unrecht oft mit dem Gesamtnamen „Warenhauskultur“ belegt, dieses deutsche Ehrenzeichen ausgenutzt. Aschbecher, Briefbeschwerer, Zigarrenkasten, Marken und Postkartenbehälter mit dem Eisernen Kreuz prangen in unzähligen Schaufenstern, ja sogar Leuchter hat man damit verziert, und ein besonders erfindungsreicher Fabrikant hat Lichte in den Farben Schwarz-Weiß-Rot hergestellt, in deren Mitte das Eiserne Kreuz sitzt. Broschen, Gürtelnadeln, zahllose kleiner Dingelchen für den Nähtisch, den Schreibtisch, den Putztisch sind mit dem Eisernen Kreuz versehen, von dem Untergrund der Schlummerrollen, Rückenkissen, Schemel, Decken prungt es den Beschauer an, und man fragt sich beim Anblick dieser Geschmacklosigkeiten ganz entsetzt, ob den Herstellern bei der Ausnutzung einer Würde, die nur auf dem Schlachtfeld erworben werden kann, gar nicht der Gedanke der Herabsetzung zum Bewusstsein kommt.
Das Traurigste aber ist, daß solche Dinge tatsächlich gekauft werden, und zwar am meisten von Menschen, die den Krieg nur vom Hörensagen und aus der Zeitung kennen.
Nein, wahrlich, darin liegt sie nicht, die echte, bewußt empfundene Vaterlandsliebe, ebenso wenig wie in den angesteckten schwarzweißroten Schleifen oder den schwarz-weiß-rot umränderten Manschettenknöpfen. Nicht in äußeren Dingen sollen wir sie zum Ausdruck bringen, nicht zur Schaustellung sollen wir sie entäußern. Unser Deutschtum erlegt uns viel zu große und heilige Pflichten auf, als daß wir es verzetteln und entweihen möchten in gekauften Geschmacklosigkeiten.
Nicht den Herstellern dieser Waren sollen wir einen Vorwurf machen. Sie sind noch lange nicht von dem Wunsch durchdrungen, nur Wertvolles, Gutes herzustellen. Sie lassen anfertigen, was nach ihrer Ansicht die meisten Käufer findet.(...) Das kaufende Publikum hat also die Rolle des Erziehers zu übernehmen, nicht aber darauf zu warten, daß es von den Fabrikanten erzogen wird.
Man hat das überzeugend an den abscheulichen Postkarten beobachten können, die in grellen Farben, unwürdigen Zeichnungen und albernen Versen die Feinde darstellten. Gewiß hat die Karikatur ihre Berechtigung aber doch nur dann, wenn sie durch eine künstlerische Darstellung aus der groben Verzerrung herausgehoben ist. Feinde, die wir nur lächerlich machen, nehmen den Siegern ihren Ruhm. Es ist eigentlich tief beschämend, daß erst die im Felde stehenden Soldaten ihre Entrüstung über derartige Postkarten ausdrücken und das Generalkommando gegen sie Verwahrung einlegen mußte, daß nicht vielmehr das durch diese ernste Zeit in seinen Empfindungen geläuterte Publikum sich gegen sie aufgelehnt hat.
Wir haben noch viel Arbeit zu leisten, bis wir die allgemeine Kulturhöhe erreicht haben, die wir uns bereits erträumten. (...) Da wir Frauenarbeit einsetzen, da wird Fraueneinsicht helfen müssen. Sind doch schließlich sie es, die ihre Hauseinrichtung bestimmen, die ihre Kinder auf das Gute und Schöne hinweisen können, die sie lehren, daß Gesinnung sich nicht in Aeußerlichkeiten, wohl aber in einem echten, starken, überzeugungstreuen Empfinden offenbart. Und das wird keinen Raum haben für Hausgreuel und patriotische Verballhornisierungen.
(Bonner Zeitung)
Eltern, laßt Eure Kinder Stenographie lernen. Seit Anfang des vorigen Jahres ist der Stenographieunterricht auch in den oberen Klassen der Bonner Volksschulen eingeführt worden. Damit hat man öffentlich die Wichtigkeit von Stenographie erkannt. Zu Ostern werden wieder viele Knaben und Mädchen die Volksschule verlassen und sich den kaufmännischen oder sonst ähnlichen Berufen zuwenden. Es ist daher unbedingt erforderlich, daß die erworbenen stenographischen Kenntnisse weiter ergänzt werden, oder, wenn sie noch nicht vorhanden sind, schleunigst erworben werden. Der hiesige Verein für National-Stenographie hat sich entschlossen, den Volksschülern der oberen Klassen völlig kostenlos stenographischen Unterricht zu erteilen. Es sind nicht einmal Geldmittel oder Lehrbücher erforderlich.
Die Verwendung der Nichtgedienten. Von geschätzter Seite wird uns geschrieben: Nachdem nun die Kriegswirren und das gewaltige Blutvergießen bereits über ein Vierteljahr eine ganze Welt in Angst und Schrecken halten, machen alle unsere Feinde bereits große Anstrengungen, die von unseren guten Waffen beigebrachten Riesenlücken durch Einberufen alter und ältester Jahrgänge auszugleichen. Ja, daß man bereits sich nicht gescheut hat, selbst Farbige, die gleich wilden Tieren plan- und sinnlos gehetzt werden, in Reih und Glied zu stellen, ist und bleibt eine Tatsache, die in Ewigkeit nicht mehr ungeschehen zu machen ist. Was hingegen wir an Ersatzmaterial, qualitativ sowohl wie quantitativ zur Verfügung haben, besagen die gewaltigen Transporte zur Genüge. Diese Unmengen kräftigster lebensfroher Leute, die nur mit Ungeduld den ersten Waffengang abwarten können, diese ernsten und kernigen Freiwilligengestalten, die mit einem herrlichen Stolz die Flinte fest in der Faust, mit den Jüngeren hinausziehen, sprechen mehr durch ihr Aussehen und Verhalten, als beredte Worte es je vermöchten.
Wenn demnach auch auf unabsehbare Zeit hinaus Ersatz mehr, als hoffentlich jemals nötig, bei uns vorhanden ist und bleibt, so ist es für die Nichtgedienten doch eine bittere Sache, zusehen zu müssen, wie die andren sich ihre Lorbeeren pflücken, wie die anderen stolz für Haus und Hof alles daransetzen, wohingegen sie selber, häufig wegen einer Kleinigkeit, dienstuntauglich gewesen, Wesentliches für das Vaterland nicht tun können. Könnte man da nicht die Ueberwachung der Brücken, Eisenbahnen usw. anvertrauen denen, die zwar untauglich fürs Feld sind, aber auch viel zu tatkräftig, um hinterm Ofen zu sitzen. Denke man doch einmal an die ungeheuere Zahl der wetterfesten Nimrode, an das Heer umsichtiger Ingenieure, Techniker und Monteure, an all solche Leute, die sich gerade zur Bewachung wichtiger Punkte eignen und wohl verstehen, durch bedingungsloses Unterordnen und eiserne Pflichterfüllung dem Vaterlande zu dienen. Und welche Bedeutung dürfte gerade der Lokalkenntnis solcher Freiwilligen beigelegt werden! Sie kennen jeden Baum und Strauch am Platze, jeden Straßenwinkel und wissen ziemlich genau, ob und was der nächtliche Wanderer in ihrer Nähe zu suchen hat oder nicht. Und wie gerne bedienten sich solche Vertrauenspersonen des eigenen Wettermantels, und wie verstehen gerade sie die Handhabung der alten, vertrauten Flinte! Was aber würde es für die Heeresverwaltung bedeuten, etliche Hunderttausende Wehrmänner frei zu bekommen, die jetzt ausschließlich zu gen. Zwecken verwendet werden müssen! Ich glaube, auf das Bestimmteste annehmen zu dürfen, daß auf einen einmaligen Aufruf von seiten der Heeresverwaltung sich derartige Unmengen von Freiwilligen dem Vaterlande bedingungslos zur Verfügung stellen werden, daß das gesamte Ausland aufs neue einen Grund hat, über die Kriegsbegeisterung der Deutschen zu staunen und lange und ernst nachzudenken. Man versuche es einmal!
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Ein Wort an die Hauswirte. Jeder vernünftige Hausbesitzer wird in dieser Zeit, besonders wo sich der Mann als einziger Ernährer im Felde befindet, und auch da, wo es sonst am Platze ist, soweit es seine eigenen Verhältnisse gestatten, durch Stundung der Miete entgegenkommen. Aber man möge bedenken, daß der Hausbesitzer auch die Steuern nach dem gemeinen Werte, Kanalisationsgebühren, Wassergeld, Hypothekenzinsen, Reparaturen und sonst noch alles Mögliche bezahlen muß. Zahlt er nicht, dann schickt die Stadt einen Mahnzettel und die Hypothekengläubiger werden bei der ersten passenden Gelegenheit ihre Hypotheken kündigen. Was soll dann der Hausbesitzer machen? Ein „glücklicher“ Hausbesitzer
Ausweis für Liebesgaben. Von zwei weiblichen Personen wird gesammelt, um Verwundeten eines Privatlazaretts eine Weihnachtsfreude zu bereiten. Als Ausweis wird ein Schreiben vorgezeigt, in welchem der Name des Lazaretts fehlt, auch fehlt Unterschrift und Stempel. So rühmenswert es ist, den lieben Kameraden eine Weihnachtsfreude zu bereiten, so notwendig aber ist es auch, die Sammelnden mit einem Ausweis zu versehen, in welchem der Name des Lazaretts angegeben wird, für welches gesammelt wird, wie auch die Unterschrift desjenigen, der zum Beisteuern auffordert. Auch wäre der Stempel des Privatlazaretts erwünscht. Wie leicht könnte sonst Missbrauch betrieben werden. H.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Stadttheater. Mit der heutigen Vorstellung von Shakespeares „Was Ihr wollt“ kommt der große britische Dramatiker zum zweiten Male in der gegenwärtigen Spielzeit zu Wort. – Die Theaterleitung ist bemüht, in möglichst zahlreichen und sorgfältig einstudierten Vorstellungen die bedeutendsten Klassiker mit ihren besten Werken vorzuführen. Sache des Publikums aber ist es dieses Streben durch starken Besuch zu unterstützen, wenn nicht die kassefüllenden Zugstücke leichteren Gepräges das Uebergewicht erlangen sollen. Die heutige Besetzung scheint eine sehr glückliche; außer den Damen unserer Truppe (Frl Hamel und Frl. E. Krüger) wirkt als Oktavia Frau Wittmann Maurice mit, die männlichen Hauptrollen finden in den Herren Birgel, Czempin, Ferchland, Kronburger, Sascha und Schrader zweifelsohne gute Vertreter.
Weihnachtsbäume und Brandschäden. Wie die Erfahrung lehrt, verursachen die Weihnachtsbäume alljährlich viele und häufig nicht unbedeutsame Brandschäden. Diese Brandschäden entstehen vielfach durch die Verwendung von Wunderkerzen, schlechte und unvorsichtige Anbringung von Kerzen, das Auflegen von Watte, das leichtfertige Aufstellen des Baumes in der Nähe von Gardinen und sonstigen leicht brennbaren Sachen, aber auch Decken und Teppichen, Nachlässigkeit beim Anzünden der Kerzen usw. Je länger die Weihnachtsbäume stehen, umso größer wird die Gefahr, da die trocken gewordenen Bäume sehr leicht Feuer fangen.
Es ist daher beim Aufstellen der Weihnachtsbäume große Vorsicht nötig, worauf schon heute aufmerksam gemacht sei.
Verdächtige Schuhwarenkäufer. Nach Mitteilung auswärtiger Polizeibehörden liegt gegen drei Herren, die seit einigen Tagen einzeln in Schuhhandlungen erscheinen und sich gelegentlich eines Einkaufs erbieten, gewisse Waren gleich regalweise zu jedem annehmbaren Preise zu nehmen, der Verdacht vor, daß sie die Waren nach dem Auslande schaffen oder durch Zurückhaltung dem deutschen Heeresbedarfe entziehen wollen. Die Geschäftsinhaber werden ersucht, vorkommendenfalls derartigen Personen unauffällig bis zum nächsten Schutzmannposten zu folgen und durch diesen die Personalien feststellen zu lassen.
Ein Schwindler versuchte am Sonntag in einem hiesigen Herren-Garderobegeschäft folgenden Trick: Gegen 11 Uhr vormittags wurde das Geschäft telephonisch ersucht, eine Auswahl besserer Ueberzieher an eine angegebene Adresse zu schicken. Als ein Angestellter die Ueberzieher in dem Hause ablieferte, war der Auftraggeber „zufällig“ nicht da. Man bat den jungen Mann, die Ueberzieher in der Wohnung zu lassen. Als er eine halbe Stunde später die Auswahl abholen wollte, hatte der Käufer einen der besten Ulster gewählt, war aber wieder nicht anwesend. Er habe den neuen Ulster angezogen und sei auf dem Wege zu dem Geschäft, um ihn zu bezahlen, wurde dem Angestellten gesagt. Gegen Abend aber war der Herr in dem Geschäft noch nicht angekommen. Man schickte noch einmal zu der Wohnung, und nun blieb die Haustüre auch auf wiederholtes Klingeln geschlossen. Dann wurde die Polizei zur Hilfe gerufen, die dafür sorgte, daß das Geschäft schließlich den Ulster zurückerhielt.
Wie sollen wir unser Vieh durchfüttern? Das ist die neue Sorge der Landwirte. Manche Futtermittel fehlen, die sonst vom Auslande hereinkamen. Der Bundesrat hat die Verfütterung von Brotgetreide verboten. War das unrecht? Nein, gewiß nicht. Denn die Ernährung unserer Bevölkerung ist das Erste und Wichtigste. Und hier steht die Brotversorgung an erster Stelle. Die Engländer spekulieren darauf, uns auszuhungern. Wenn jetzt einer von uns unsern Brotvorrat verkürzen wollte, indem er das Brotgetreide ans Vieh verfütterte, der würde sich unbewußterweise zum Verbündeten Englands machen.
Erst das Brot und dann das Fleisch. Für beides müssen die Landwirte sorgen. Es ist ihre Pflicht und Aufgabe. Wie unser Feldherr da draußen, so muß die Landwirtschaft im Innern den Sieg erkämpfen helfen. Wenn der Bauer sich bewährt, wird auch er als Sieger geehrt. Würde jetzt alles Vieh verschleudert, dann käme nachher die große Not. Nicht allein für die Konsumenten, die dann die teuren Fleischpreise zu bezahlen hätten. Nein, auch für die Bauern selbst, die später bei rentablen Preisen nichts mehr zu verkaufen hätten. Und wenn schließlich infolge des Mangels später die Viehpreise so sehr hoch würden, dann müßten die Bauern selbst enorm teures Geld für das neue Einstellvieh bezahlen, um die Lücken wieder auszufüllen.
Darum heißt es: Durchhalten in der Viehfütterung! Mittel und Wege lassen sich da schon finden. Vor drei Jahren hatten wir auch das schlimme Futternotjahr. Auch darüber sind wir hinweggekommen. Gar mancher Landwirt hat damals gesagt, daß er dem Futternotjahr eigentlich dankbar sein müßte, da dieses ihn erst auf die rationelle Fütterung hingewiesen und ihm die Augen über die bisherige Verschwendung geöffnet habe. Man muß nur den Kopf oben behalten und mittun. Der Bauer steht nicht allein. Unsere landwirtschaftlichen Organisationen sind da und stehen für jeden bereit mit Rat und Tat. Hier heißt es nur zugreifen und zusammenarbeiten. Dann gelingt auch das Durchhalten.
Der Bonner Professor Neubauer hat berechnet, daß in der Rheinprovinz allein eine jährliche Ersparnis von über 4 Millionen Mark erzielt werden könnte, wenn es gelänge, die Ernährung des rheinischen Viehbestandes pro Kopf und Tag nur um 1 Pfg. billiger zu gestalten. Daher ist Professor Neubauer energisch für die Errichtung von Forschungs- und Beratungsstätten für Fütterungsfragen eingetreten. Jetzt wäre es Zeit, hiermit einen Anfang zu machen. Und zwar nicht durch Reden und Schreiben, sondern durch die Tat. Und nicht bloß einzelne dürfen zur Tat schreiten. Das ganze Dorf und ganze Kreise müssen einheitlich Hand anlegen. Das ist aber nur zu erreichen, wenn planmäßig unter einheitlicher Leitung vorgegangen wird. Die Landwirtschaftskammern z.B. können, mit Unterstützung der Verwaltungsbehörden die Vertreter der überall vorhandenen landwirtschaftlichen Organisationen in den einzelnen Bezirken, Kreisen und auf jedem Dorfe zu einem Arbeitsausschuß vereinigen. Die Leiter der landwirtschaftlichen Winterschulen, die sich schon in Friedenszeiten bewährt haben, werden gern zur Hand gehen bei der Aufklärungsarbeit in Versammlungen, zu dem Bauer und Bäuerin eingeladen sind, durch Artikel in den Zeitschriften und Zeitungen, durch Verbreitung von Flugschriften und Merkblättern. Die Hauptsache aber bleibt, daß das praktische Vorgehen in der veränderten Fütterungsmethode, so wie sie die örtlichen Verhältnisse nahelegen, vereinbart und kontrolliert wird. Das setzt zwar voraus, daß die landwirtschaftlichen Bezugsorganisationen gleichzeitig den Bezug der fehlenden Futtermittel in die Hand nehmen. Die Festsetzung von Höchstpreisen für die Futtermittel erscheint weiten Kreisen notwendig. Zunächst gilt es daheim Futtermittel bereitzustellen. Auf den Wert der städtischen Haushaltungsabfälle ist öfter hingewiesen. Beizeiten sollte man auch denken an die Herstellung gemeinsamer Weiden, in dem die Landwirte sich zu einer Weidegenossenschaft zusammenschließen. Wo man Versuche dieser Art gemacht hat, so besonders in Sachsen, waren die Erfahrungen äußerst günstig.
Heute ist die Zeit zum Handeln. Versäume keiner, seine Schuldigkeit zu tun.
Ein aktiver 68er schrieb an seine Eltern in Bonn:
…. Seit dem 13. ist es hier andauernd wieder am regnen, dazu ist es kalt und windig, und unsere Lage ist noch immer dieselbe. Viel gelacht haben wir über das Fenchelöl, das Destillat für Haarreinigung, welches Ihr mir geschickt habt. Dem Paketchen lag kein Schreiben bei von Euch und Euer Brief mit der Mitteilung über das Oel kam ein Tag später. Mein Kamerad und ich waren voller Freude, es wären Anistropfen, welches dem Geruche nach auch so schien, und wir Beide hatten am abend und anderen morgen je eine Dosis davon eingenommen, bis der Brief von Euch kam und uns Aufklärung brachte. --- Was wir da gelacht haben, könnt's gar nicht glauben, wir haben uns gewälzt vor Lachen. Na, Schaden hat es ja keinem getan, aber ulkig, nicht wahr, war's doch.
Nun will ich Euch einmal eine Begebenheit erzählen, wo wir im Granatfeuer gelegen hatten und wobei 1 Mann tot, 2 schwer, und 5 leicht verwundet wurden. Es war am 6. d. Mts., nachmittags gegen ¼ vor 2 Uhr und dauerte bis ½3 Uhr. Die Erzählung ist nicht lang, dürfte Euch vielleicht aber interessieren: Ich lag mit 2 Kameraden zur Reserve in einem Unterstand. 1½ Zug im Schützengraben, 1½ Zug in Reserve im großen Unterstand. Der Schützengraben war dem Erdboden gleich an dem Rande einer Sandgrube angebracht, hinter dieser waren die Unterstände für die Reservezüge. Wir hatten eben die Nachrichten der Deutschen Reichs-Zeitung gelesen und wollten etwas schlafen, als plötzlich – sssum eine Granate angeflogen kam und mit furchtbarem Krachen explodierte, kaum 50 Meter vor den Schützengräben, in gutgezielter Richtung. Der Dreck flog haushoch und in der Erde war ein Loch, in das man bequem 2 Pferde begraben konnte. --- Sssum, krach, da schlägt auch schon die zweite ca. 30 Meter hinter dem Graben ein, uns flog der Dreck durch die Oeffnung des Unterstandes auf die Füße. Nun folgten in kurzen Abständen 12 gutgezielte Schüsse, worunter ein Blindgänger. In welcher Aufregung wir uns während dieser Zeit befanden, könnt Ihr Euch nicht vorstellen. Auf Befehl unseres Kompagnieführers verließen wir nach dem 4. Schuß, der mitten im Schützengraben krepierte, die Schützengräben und zogen in ein 150 Meter rückwärts liegendes Wäldchen. Dieser vierte Schuß brachte uns einen Toten, 2 schwer und 5 leicht Verletzte. Hier im Wäldchen mußten wir der Dinge harren, die da kommen sollten; ein längeres Verweilen im Graben wäre zwecklos gewesen und hätte uns große Verluste beibringen können, denen wir machtlos gegenüberstanden. Die Aufregung war groß und wir freuten uns und dankten Gott, als die Bumserei aufhörte. Auch war es wirklich ein Glück, daß die Lust voller Nebel war, denn wäre es klares Wetter gewesen, wer weiß, ob einer von davongekommen wäre, die Franzosen hätten uns mit Schrapnells verfolgt.
Wie aber sahen unsere schönen Schützengraben aus. Die Hälfte war vollständig unbrauchbar geworden; auch mancher Unterstand hatte aufgehört zu bestehen. Ein Blindgänger war auf einen Unterstand gefallen, hatte durchgeschlagen, war aber durch das Wellblech und die starken Stützbalken in seiner Kraft gehemmt worden. Wäre dies Geschoß krepiert, wer weiß, was mit meinen Kameraden geschehen wäre. Einen Mann zogen wir noch drunter hervor, welcher mit einem Fuße eingeklemmt war, sonst aber wunderbarer Weise keine Verletzung davontrug. Der tote Kamerad hatte einen Granatsplitter in den Rücken erhalten, schien aber schon vorher durch die Gase oder den Luftdruck erstickt oder einem Herzschlage erlegen zu sein. Einem Vizefeldwebel wurden die Rippen eingedrückt und das Rückgrat verletzt, einem Gefreiten das Beim vom Schenkel aufgerissen. Nachdem die Verletzten verbunden und forttransportiert waren, gruben wir dem toten Kameraden ein Grab in dem rückwärts gelegenen Wäldchen und begruben ihn neben einem Artilleristen, Wir verrichteten dann alle einige Gebete, faßten das Grab mit Steinen ein, belegten es mit Moos und pflanzten einige kleine Bäumchen darauf. Dann setzten wir ihm ein Kreuz auf seine letzte Ruhestätte. Nun ging es an die Aufräumungs- und Wiederherrichtungsarbeiten unserer Schützengräben, wir mußten uns jederzeit auf Wiederholung des Granatfeuers gefaßt machen. Die Rothosen dachten jedenfalls, bei uns lägen größere Reserven, daher ihr Feuer. Die Sandgrube erhielt von uns den Namen Schreckenskammer. Das Ganze spielte sich in der kurzen Zeit von dreiviertel Stunden ab. Man muß das alles selbst erleben, um sich ein richtiges Bild von diesen Ereignissen zu machen. Der tote Kamerad war ein Poppelsdorfer. --- Sonst sind wir aber noch fidel und jetzt gerade in richtiger Kriegsstimmung usw. Musketier Fl., 8, 68.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Mittwoch, 16. Dezember 1914
Bonner Wehrbund. Die größere Geländeübung, die der Wehrbund am vergangenen Sonntag unternahm, gestaltete sich außerordentlich interessant und lehrreich für alle Teilnehmer, abgesehen davon, daß sie eine erhebliche Uebung in der Ableistung verhältnismäßig großer Marschanforderungen an die Wehrbündler stellte. Die zahlreichen inzwischen zur Fahne eingezogenen früheren Mitglieder des Wehrbundes schreiben daher auch immer an ihre früheren Kameraden: „Geht nur fleißig mit dem Wehrbund, man merkt erst jetzt, wie viel er einem wert gewesen ist!“ Bei der Uebung am Sonntag, an der auch die Pfadfinder teilnahmen, war die Mannschaft in eine rote und eine blaue Partei eingeteilt. Die rote Partei sollte von Pützchen aus zum Entsatz einer eingeschlossenen Feldstellung auf dem Nonnenstromberg anmarschieren, die blaue Partei sollte von Oberkassel aus der roten Partei den Weg verlegen. Um 10 Uhr morgens rückten von der Doetschstraße aus die beiden Parteien nach Pützchen und Oberkassel ab, um von dort aus ihre selbständigen Bewegungen anzutreten. [Es folgt eine ausführliche Beschreibung der „Übung“.] Um 2 Uhr versammelten sich bereits beide Parteien auf dem Gipfel des Nonnenstrombergs, wo auf 5 Uhr die Kritik angesagt war. (...) In geschlossenem Marsch ging es über Dollendorf, Oberkassel und Beuel zurück nach Bonn, wo um 7 Uhr die Kolonnen auf dem Kaiserplatz sich auflösten. Die Teilnahme der beiden Abteilungen des Wehrbundes, die vom Städtischen und vom Königlichen Gymnasium gestellt werden, wurde schmerzlich vermißt.
Die Dauerkarten für die Rheinbrücke für das Jahr 1915 werden vom 29. d. M. an im Werftamt, Rheinwerft Nr. 27, und im Kassenzimmer der Betriebsdirektion der Straßenbahnen, Kölnstraße Nr. 80, ausgestellt. Wer bereits für 1914 eine Dauerkarte hat, muß diese abgeben, andernfalls ist eine Bescheinigung des Arbeitgebers usw. als Ausweis mitzubringen.
Der Bonner Spiel- und Sport-Verein spielte am Sonntag gegen die 2. Mannschaft des Bonner Fußballvereins und verlor das Spiel mit 5 : 4 Toren.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Die Weihnachtsferien beginnen an allen Schulen, sowohl den Volksschulen als auch den höheren Schulen, am 22. Dezember nachmittags. Der Unterricht fängt am 8. Januar morgens wieder an.
Ein leichtes Gewitter mit wenigen elektrischen Entladungen zog gestern abend von wolkenbruchartigen Regen begleitet über unsere Gegend.
Bonner Wehrbund. Wir haben folgende Zuschrift erhalten:
„Sehr geehrte Redaktion! In Ihrer heutigen Ausgabe bringen Sie im lokalen Teil eine Mitteilung, wonach unser Fernbleiben von der Felddienstübung am letzte Sonntag „schmerzlich vermißt“ worden ist. Schon am Dienstag, den 8. ds. Mts., habe ich bei Gelegenheit einer Beratung, an der die Führer des Wehrbundes teilnahmen, mitgeteilt, daß die 8. Abteilung des Wehrbundes nicht teilnehmen werde, da ihre Mitglieder – ganz überwiegend katholische Schüler des Königlichen Gymnasiums – an diesem Tage gemeinsame Kommunion hätten. Um zu verhüten, daß in Zukunft das Fernbleiben unserer Abteilung „schmerzhaft vermißt“ wird, gestatte ich mir darauf hinzuweisen, daß Uebungen, die sich im Winter von morgens 9½ bis abends 7 Uhr ausdehnen, für sechzehnjährige Schüler eine ernste Gefährdung der Gesundheit bedeuten, für die der Unterzeichnete die Verantwortung ablehnen muß.
Bonn, den 15. Dezember 1914.
Kentenich, Oberlehrer, Führer der 8. Abteilung des Wehrbundes.“
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
O-Andacht. Zur würdigen Vorbereitung auf das heilige Weihnachtsfest findet auch in diesem Jahr seitens der hiesigen Mar. Junggesellen-Solidarität vom 17. bis 23 Dezember in der Münsterkirche in althergebrachter Weise die sogenannte O-Andacht statt. In furchtbar ernster Zeit bereiten wir uns dieses Jahr auf das hochheilige Weihnachtsfest vor. Ein Krieg, so schrecklich und blutig, wie ihn die Welt noch nicht gesehen, ist über unser Vaterland, über Europa hereingebrochen und erfüllt Länder und Meere mit seinem Schrecken. Mit Rücksicht hierauf werden die Predigten in der O-Andacht gehalten über das Thema: „Die Lehren des Weltkrieges.“ Wie in früheren Jahren, so werden auch in diesem Jahre die Predigten von einem Ordenspriester, dem hochw. Herrn P. Hardy Schligen gehalten. Die Andacht beginnt an den Wochentagen abends um 8½ Uhr, am Sonntag um 6 Uhr. Die Gläubigen der ganzen Stadt sind zur Teilnahme an dieser zeitgemäßen Andacht eingeladen.
Als Weihnachtsvorstellung für kleine Leute bringt das Stadttheater am Samstag Nachmittag zum ersten Male: Max und Moritz, die lustige Bubenkomödie, zur Aufführung. Der Inhalt ist aus Busch’s gleichnamigen Gedicht bekannt, welches durch Leopold Günther für die Bühne bearbeitet wurde. In sieben lustigen abwechslungsreichen Bildern kommen die bösen Streiche, die Strafe und Besserung des Bubenpaares Max und Moritz zur Darstellung. Die Aufführung ist durch Herrn Spielleiter Ferchland sorgfältig vorbereitet. In den Hauptrollen sind die Damen Hilbrecht, Larina, Weinert, Westerland und die Herren Alex, Birgel, Heinemann, Sascha und Schaefer beschäftig.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Donnerstag, 17. Dezember 1914
Hinsichtlich der Rückgabe unzustellbarer Feldpostbriefe, deren Empfänger vermißt oder tot sind, besteht bei der Reichspostverwaltung seit jeher die Bestimmung, daß die Postbesteller sie den Absendern in rücksichtsvoller Weise auszuhändigen haben und daß, wenn der Absender nicht in einem Postorte, sondern auf dem Lande lebt, der Landbriefträger derartige Feldpostsendungen an die Ortsbehörde oder an den Ortsgeistlichen ausliefern soll, damit die Angehörigen auf diesem Wege schonend vorbereitet werden können. Verschiedene seit dem Ausbruch des Krieges angestellte Versuche haben ergeben, daß sich dieses letztere Verfahren auch in größeren Orten hat durchführen lassen. Die Reichspostverwaltung hat deshalb die bisherigen Bestimmungen dahin erweitert, daß Feldpostsendungen, deren Empfänger tot sind oder vermißt werden, auch in Postorten ohne Mitwirkung des Postpersonals den Absendern in geeigneter Weise zurückgegeben werden können. Das hierbei einzuschlagende Verfahren soll den örtlichen Verhältnissen angepasst, auch soll auf besondere Wünsche der Ortsbehörden und der Geistlichkeit, soweit sie sich mit den sonstigen postalischen Vorschriften vertragen, Rücksicht genommen werden. Den Truppenteilen im Felde ist im übrigen neuerdings höheren Ortes empfohlen worden, auf den unbestellbaren Feldpostsendungen an Gefallene fortan statt des kurzen Vermerks „tot“ oder „gefallen“ die Fassung anzuwenden: „gefallen fürs Vaterland“ oder „gefallen auf dem Feld de Ehre“.
Vaterländische Reden und Vorträge. Der fünfzehnte Abend der Vaterländischen Reden und Vorträge brachte gestern einen fesselnden Vortrag von Dr. Herman Cardauns, der über das Thema „Der Krieg und die Presse“ sprach. Herr Dr. Cardauns, selbst ein bekannter und verdienstvoller Mann der Presse, hob in seinen geistvoll belebten, von gründlicher Sachkenntnis zeugenden Ausführungen die reiche und fruchtbare Arbeit, die während der Kriegszeit von der Presse auf allen möglichen Gebieten des öffentlichen Lebens geleistet wird, mit hoher Anerkennung hervor. Im zweiten Teil des Vortrages schilderte der Redner ausführlich den Lügenfeldzug der feindlichen und zum Teil auch der neutralen Presse und schloß mit warmer vaterländischer Begeisterung seinen Vortrag, dem lebhafter Beifall dankte.
Spart mit Brot und Kartoffel. Verwertet die Küchenabfälle.
Deutschland steht gegen eine Welt von Feinden, die es vernichten wollen. Es wird ihnen nicht gelingen, unsere herrlichen Truppen niederzuringen, aber sie wollen uns wie eine belagerte Festung aushungern. Auch das wird ihnen nicht glücken, denn wir haben genug Brotkorn im Lande, um unsere Bevölkerung bis zur nächsten Ernte zu ernähren. Nur darf nicht vergeudet und die Brotfrucht nicht an das Vieh verfüttert werden.
Haltet darum haus mit dem Brot, damit die Hoffnungen unserer Feinde zuschanden werden. Seid ehrerbietig gegen das tägliche Brot, dann werdet Ihr es immer haben, mag der Krieg noch so lange dauern. Erziehet dazu Eure Kinder.
Verachtet kein Stück Brot, weil es nicht mehr frisch ist. Schneidet kein Stück Brot mehr ab, als Ihr essen wollt. Denkt immer an unsere Soldaten im Felde, die oft auf vorgeschobenen Posten glücklich wären, wenn sie das Brot hätten, daß Ihr verschwendet.
Eßt Kriegsbrot; es ist durch den Buchstaben K kenntlich. Es sättigt und nährt ebenso gut wie anderes. Wenn alle es essen, brauchen wir nicht in Sorge zu sein, ob wir immer Brot haben werden.
Wer die Kartoffeln erst schält und dann kocht, vergeudet viel. Kocht darum die Kartoffeln in der Schale, Ihr spart dadurch.
Abfälle von Kartoffeln, Fleisch, Gemüse, die Ihr nicht verwerten könnt, werft nicht fort, sondern sammelt sie als Futter für das Vieh, sie werden gern von den Landwirten geholt werden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Zeitungsverkauf durch Kinder. Man schreibt uns aus Düsseldorf, 17. Dez. Die städtische Schulverwaltung hatte durch eine Verfügung darauf aufmerksam gemacht, daß auch dann, wenn Kinder von ihren Eltern zum Zeitungstragen verwendet werden sollten, doch eine Beschäftigung eigener Kinder für Dritte im Sinne des Kinderschutzgesetzes vorliegt, das eine derartige Beschäftigung von Kindern verbietet. Die Stadtverwaltung hat nunmehr die Schulen angewiesen, den Kindern das Austragen und Feilhalten von Zeitungen nach 8 Uhr abends strengstens zu untersagen und bei Uebertretung dieses Verbots die Eltern zur Anzeige zu bringen.
Vaterländische Reden und Vorträge. (Fünfzehnter Abend) Dr. Hermann Cardauns: „Der Krieg und die Presse“. Der verehrliche Zeitungsleser, der in der jetzigen Kriegszeit mit wahrem Heißhunger nach seinem „Leiborgan“ greift und seine Kriegsnachrichten verschlingt, entpuppt sich nicht selten als ein scharfbissiger Kritiker, dem dies und jenes an seiner Zeitung nicht paßt, dem die besten Nachrichten immer noch zu mager sind, sich insbesondere über jeden kleinsten Druckfehler ärgert und diese sein „beobachteten Mängel“ in schöngesetzten Worten als „treuer Abonnent“ der Redaktion zur Kenntnis bringt. Dies Leser haben selten vom innern Betrieb des Zeitungswesens Ahnung und so war es denn recht erfreulich, daß gestern abend Dr. Cardauns als alter Fachmann über den Krieg und die Presse sprach. Manchem Zuhörer wird dabei zu Bewußtsein gekommen sein, daß er bisher zu Unrecht seinem Blatte Vorwürfe gemacht hat, weil er eben nicht informiert war über die ungeheuren Schwierigkeiten, mit denen die Zeitungen grade zu Kriegszeiten zu kämpfen haben.
Redner bezeichnete die scharfe Zensur als durchaus notwendig und meinte: Besser zu viel Vorsicht als eine einzige Nachricht, die nicht ganz kittelrein ist! Im übrigen habe sich die Tagespresse in vollster Einmütigkeit in den Dienst des Vaterlandes gestellt, sie sei ihrer Aufgabe durchaus gerecht geworden, So habe die Presse nicht allein erfolgreich mitgewirkt an der Pfleger der Vaterlandsliebe, sie habe auch Front gemacht gegen den Lügenfeldzug unserer Feinde und gegen die zweideutigen Nachrichten mancher neutraler Blätter. Gelegentlich der Zeichnung zur Kriegsanleihe habe sich die Presse ebenfalls bewährt. Dr. Cardauns gab manches „Pröbchen“, wie er es nannte, aus den Lügenberichten der ausländischen Presse, machte dazu seine Kommentare. Gegen derartige systematische Lügen sei auf Veranlassung der deutschen Presse mit den schärfsten Maßnahmen vorgegangen worden und man habe durch Aufklärung im neutralen Auslande dazu beigetragen, diese Lügengespinste zu zerreißen. Schließlich plauderte der weißbärtige Mann humoristisch von dem Feldzuge der Redaktionen gegen das Heer der Dichter und Dichterinnen, die mit ihren Erzeugnissen die Redaktionsstuben überschwemmten und wußte überhaupt durch so manches humorvolle Wort die Zuschauer bis zum Schluß zu fesseln.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Der „glückliche“ Hausbesitzer möge doch auch einmal überlegen, ob er nicht von der Miete etwas nachlassen kann und nicht nur stunden. Beim Stunden läuft die Miete von Monat zu Monat auf und wird zu großer Schuld. Wenn dann der Mann glücklichenfalls wiederkommt, vielleicht krank und elend, muß er Schulden bezahlen, die die Frau machen musste, während er für das Vaterland und auch für alle Hausbesitzer draußen kämpfte und Leben und Gesundheit aufs Spiel setzte. Besser würden ihm Erholung und gute Kost sein, stattdessen findet er eine drückende Schuldenlast zu Hause. Wir armen Frauen. Deren Männer im Kriege sind, müssen der Not gehorchen und vieles entbehren.
Ich beziehe mit zwei Kindern 33 Mk, Unterstützung monatlich, davon kann ich doch unmöglich noch 3 Mk. zu der Miete geben. Die Armenverwaltung bezahlt nämlich als Mietzuschuß 3 Mk. weniger, als die Miete beträgt. Der Hauswirt aber ist damit nicht zufrieden und verlangt sie von mir. Von den 30 Mk., die mir dann bleiben, muß ich bezahlen: wöchentlich mindestens einen Zentner Briketts, Petroleum für die Beleuchtung, Milch und Zucker für ein kleines Kind, das auch Lebertran erhalten muß. Schuhe müssen geflickt werden, die Kinder müssen Strümpfe haben. Wenn das alles abgerechnet ist, was bleibt dann für die Nahrung übrig? Meistens gehe ich abends mit einem Stück trockenem Brot und einem Tässchen Kaffee schlafen, oder auch manchmal, ohne etwas gegessen zu haben.
Ich meine also, da könnte der Hausbesitzer doch auf einen Teil seiner Miete verzichten. Mein Hausherr riet mir, ich sollte in der Bachstraße mit meinem ältesten Kind essen gehen, dort könnte ich für 30 Pfg. so viel haben, daß wir beide den ganzen Tag nichts mehr brauchten. Aber wo lasse ich das andere Kind dann? Und dann soll ich spazierengehen, um keinen Brand zu brauchen. Dadurch wäre ich imstande, täglich 70 Pfg. von der Unterstützung zu sparen und könnte ihm noch die 10 Pfg. täglich für die Miete aufbringen. Ein schöner Rat! Eine Kriegerfrau.
Verwendung von Nichtgedienten. Zu Ihrem Artikel „Die Verwendung von Nichtgedienten“ möchte ich noch folgendes vorschlagen: Alle Bahn- resp. Straßen-Unterführungen, die z. Zt. eben zu entbehren sind und z. T. schon heute für den Verkehr gesperrt sind, mit Sand, Erde oder Kies auszufüllen. Z. B. die Unterführung der Poppelsdorfer Allee: der eigentliche Tunnel mitausgefüllt oder mit Brettern verschalt, die Treppenanlage mit Sand, Erde oder Kies planiert, event. Bepflanzt und eingezäunt gleich den anstoßenden Anlagen (somit ganz unauffällig). Nach Kriegsende sind die betr. Erdmassen leicht und ohne Beschädigung der Treppen zu entfernen. Derartige Unterführungen gibt es eine Unmenge und somit eine große Ersparnis an Bewachungsposten. T.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
In dem heutigen Symphoniekonzert des Stadt-Orchesters, das unter Leitung des Städtischen Musikdirektors Herrn Professor Hugo Grüters steht, ist dem Geburtstage des größten Bonner Sohnes „Beethoven“ Rechnung getragen. Das Konzert wird nur Werke Beethovens bringen und zudem noch ein Werk, das seit langer Zeit in Bonn nicht mehr erklungen ist, nämlich das Trippelkonzert für Klavier, Violine und Cello mit Begleitung des Orchesters. Vorgetragen wird das Werk von unserem Städtischen Musikdirektor, unserem neuen Konzertmeister de Haas und unserem Solocellisten Schäfer. Die Leitung des Trippelkonzerts hat Herr Kapellmeister Sauer übernommen. Beethoven Coreolanouvertüre und die 8. Symphonie vervollständigen das Programm des Konzerts.
Die Steuererklärung der Kriegsteilnehmer. Der diesmaligen Abgabe der Steuererklärung ist die Abwesenheit zahlreicher Steuerpflichtiger sehr hinderlich. Indessen bestimmt § 30 des Preuß. Einkommensteuergesetzes, daß für Personen, welche durch Abwesenheit oder andere Umstände verhindert sind, die Steuererklärung durch Bevollmächtigte abgegeben werden kann. Diese haben ihren Auftrag zwar nur auf Erfordern nachzuweisen, immerhin empfiehöt sich für Angehörige von Kriegsteilnehmern die vorsichtsweise Einholung einer solchen Vollmacht. Letztere ist übrigens von einer Stempelsteuer befreit.
Im Felde stehende Soldaten wollen gern Antworten auf Karten oder in Briefen absenden, wenn die Militärpersonen die Post verteilen und die nach der Heimat bestimmte Post mitnehmen wollen. Da sind nur zu oft Feldpostkarten und Briefpapier nicht zur Hand. Die Soldaten selbst geben folgende Ratschläge: 1. Schickt nur Feldpostkarten mit Antwortkarte; 2. legt jedem Brief Papier und Umschlag für die Antwort bei; 3. sendet Feldpostanweisungen, damit wir überflüssiges Geld nach Hause senden können; 4. schickt Kopierstifte zum Ausfüllen von Postanweisungen, da Bleistift unzulässig ist.
Hunde als Lebensretter im Kriege. Zwei Verwundete, die sich in Bonner Lazaretten befinden, erzählen im Folgenden, wie Sänitätshunde sie in Feindesland in nahezu hoffnungsloser Lage fanden und Hilfe herbeiholten. Herr Gerichtsassessor Mundorf-Bonn hat die Berichte im Auftrag des deutschen Vereins für Sanitätshunde, Meldestelle Bonn, aufgenommen:
Unteroffizier der Reserve Friedrich Krone; Inf.-Reg. 15, 7. Komp. in Minden i.W., von Zivilberuf Malermeister, erzählt:
Bei einem Gefecht in der Nähe von Arras am 7. Oktober 1914 abends gegen 7 Uhr erhielt ich einen Brustschuß. Nachdem mir ein Einjähriger das Koppel durchgeschnitten und den Tornisterriemen gelöst hatte, mußten meine Leute zurückgehen. Bei einer Strohdieme bin ich dann wohl eingeschlafen bis ich durch das Bellen eines Hundes geweckt wurde. Es war meiner Erinnerung nach ein Deutscher Schäferhund, jedenfalls ein langhaariger Hund, der, wie ich nachher erfuhr zur 3. oder 4. Sanitätskompagnie des7. Armeekorps gehörte. Der Hund blieb ungefähr 10 Minuten bei mir stehen und bellte noch einmal als ich mich – wohl erschrocken – gewälzt hatte. Nach 10 Minuten kamen dann die Sanitätssoldaten, die mich mitnahmen. Nach kurzem Transport war ich gegen 11/2 Uhr nachts an der Verbandstelle. Ich habe also etwa von 7 bis 1 Uhr in der Strohdieme etwa 100 Meter vom Feinde entfernt gelegen. Ob einer der Sanitätssoldaten der Führer des Hundes war, kann ich nicht sagen. Ich nehme an, daß ich ohne den Hund nicht gefunden worden wäre, da die Stellung der Franzosen so nahe war, sodaß nur nachts gesucht werden konnte.
Pionier Josef Schönenberg, Pionierbataillon 17, 2. Komp. Straßburg, von Zivilberuf Metzger, berichtet:
Am 24. Oktober 1914 wurde ich ungefähr 35 Kilometer von la Bassee am Oberschenkel verwundet und fand mit einigen Kameraden und hierunter auch einem Oberleutnant Unterschlupf in dem Keller eines Gehöftes. Dort wurden wir von den Bewohnern oder sonstigen Franzosen unter Wasser gesetzt und eingesperrt, sodaß wir uns nicht befreien konnten, zumal da wir als Verwundete ohne Waffen waren. Wir befanden uns drei Tage lang bis an die Brust im Wasser stehend, ohne jede Nahrung in dem Keller und hatten schon jede Hoffnung auf Rettung aufgegeben. Da hörte ich plötzlich das Schnaiuen und Schnuppern eines Hundes und wir erblickten voller Freude den Kopf eines Hundes, eines schweren Dobermanns an der Kellerlucke. Der Oberleutnant riß sein Mützenfutter heraus und steckte es dem Hunde hinter das Halsband. Nach etwa 4 Stunden, es kann auch weniger gewesen sein, denn man verliert in solchen Lagen etwas die Zeitrechnung, kamen Sanitätssoldaten soviel ich weiß hatten sie einen Hund an der Leine, und Pioniere, die uns aus unserer üblen Lage befreiten. Der Hund sprang voller Freude an dem Oberleutnant herauf. Dieser ist später gefallen, seinen Namen kenne ich nicht mehr. Wer von den Kameraden noch lebt und wie sie heißen ist mir gleichfalls unbekannt. Ich bin fest davon überzeugt, daß wir in dem Keller elend umgekommen wären, wenn uns der Hund nicht gefunden hätte.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Kartoffeln mit der Schale essen. Viele Leute tuen geradezu empört, wenn man ihnen zumutet, in dieser Kriegszeit Kartoffeln mit der Schale zu essen. Als erfahrene Hausfrau bringe ich schon seit 40 Jahren zweimal in jeder Woche ein delikates Abendessen von Kartoffeln mit der Schale auf den Tisch. Jung und Alt verzehren das Gericht mit größtem Appetit. Man ißt dazu einen Häring, aber auch zu Butterbrot und Kaffee schmeckt es ausgezeichnet. Hier das Rezept: Mittlere und kleine Kartoffeln, rein gewaschen, in kochendem Salzwasser gar gekocht. Dann abgeschüttet und ausdampfen lassen. Dann nehme man ein reines Tuch, drücke die Kartoffeln etwas auf und lege dieselben auf eine reine heiße Herdplatte. Lasse sie durch Umwenden knusprig braten. Es schmeckt wie ein Kirmesessen. Frau L. Z. Bonn
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis.“)
Freitag, 18. Dezember 1914
Spione überall. In vielen Eisenbahnwagen hängen neuerdings Plakate folgenden Inhalts: Achtung! Soldaten! Zum Schutze gegen feindliche Spionage und ihren Helfershelfern, die sich nachweislich in Menge auf unseren Bahnhöfen und in den Zügen herumtreiben, ist es allen Heeresangehörigen, besonders auch unseren Verwundeten, durch das Kriegministerium verboten, über Truppenstellungen, Truppenverschiebungen, Neuformationen und andere militärische Maßnahmen irgendwelche Mitteilungen zu machen, besonders nicht an unbekannte Männer und Frauen. Soldaten! Seid bei euren Unterhaltungen in Gegenwart anderer vorsichtig! Laßt euch nicht ausfragen! Ein unbedachtes Wort kann vielen Kameraden das Leben kosten! Fremde, die sich an euch herandrängen und euch aushorchen wollen, meldet sofort den Bahnbeamten! Der deutsche Soldat muß für sein Vaterland nicht nur kämpfen, sondern auch schweigen können.
Unsere verwundeten Krieger bei den Studentinnen. Man schreibt uns: Ein paar gemütliche Stunden verlebten die verwundeten Krieger aus der Beethovenhalle (Reservelazarett III), die der Einladung des Studentinnen-Vereins Hilaritas am Mittwoch Folge leisteten. – Bei Kaffee und Kuchen und zuletzt bei edlem Gerstensaft und der Zigarre (letztere natürlich nur von den Soldaten genossen), verging der Nachmittag in angeregter Unterhaltung. Studenten- und Kriegslieder, die die Studentinnen selbst verfaßt hatten, wurden gemeinsam gesungen. Recht eindrucksvoll war es, als plötzlich ein Vorhang beiseite gezogen und unter dem Gesang des Weihnachtsliedes „Stille Nacht, heilige Nacht“, ein hübsch aufgeputzter Weihnachtsbaum sichtbar wurde. Zum Schluß dankte der Sprecher der Krieger in launigen Versen den Studentinnen für ihre freundliche Aufnahme. Die Soldaten sagen auch an dieser Stelle den Gastgeberinnen nochmals ihren herzlichsten Dank.
Der Zigarren-Abschnitt-Sammel-Verein Bonn e.V. veranstaltet in diesem Jahr seine 38. Weihnachtsbescherung. 125 Kinder aller Konfessionen, sollen warme Kleidungsstücke usw. erhalten. Meistens sind es Kinder, deren Väter zu den Fahnen einberufen sind. Eine Weihnachtsfeier kann der Verein in diesem Jahre nicht veranstalten, weil die Beethovenhalle nicht zur Verfügung steht und ein anderes Lokal für den Zweck nicht in Frage kommen kann, besonders nicht bei der großen Anzahl der zur Bescherung kommenden Kinder. Welch eine Fülle von Arbeit die Herren des Vorstandes zu bewältigen haben, bis den Kindern die Geschenke übergeben werden können, kann nur der beurteilen, der einmal einer Bescherung des Zigarren-Abschnitt-Sammel-Vereins beigewohnt hat. Die Hauptsorge ist alljährlich das Aufbringen der erforderlichen Geldmittel. Der Verein hat in den letzten Jahren durchschnittlich jährlich 3600 Mark für dieses Werk der Nächstenliebe verausgabt. Er ist hauptsächlich auf die Unterstützung der bessergestellten Bürger angewiesen, die auch gerne ihr Scherflein für den guten Zweck hergeben.; denn das segensreiche Wirken des Vereins ist ihnen längst bekannt. In diesem Jahre hat der Verein wieder Bittschreiben abgesandt, damit er die Mittel erhält, um seine gewiß nicht leichte Aufgabe erfüllen zu können. Trotz aller Kriegsspenden, hofft er, daß für den Zigarren-Abschnitt-Sammelverein, der schon so viele hilfsbedürftige Kinder an Weihnachten erfreut hat , noch ein Scherflein übrig geblieben ist.
Der Vorsitzende, Herr Polizeikommissar Flaccus, und der Kassenführer, Herr Polizeikommissar Fuchs, nehmen Spenden gern entgegen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Alle Jahre wieder ...“ (Bonner Straßenbild). Ich hatte grade den Tagesbericht aus dem Großen Hauptquartier gelesen; meine Gedanken waren vom Krieg erfüllt, als ich um eine Straßenecke bog und mir harziger Tannenduft entgegenwehte. Gegen einen Bretterzaun gelehnt, standen grüne Tannenbäume in jeder Form und Größe und immer mehr Bäume wurden, von einem Leiterwagen, dessen Räder Spuren weiter Landfahrt trugen, abgeladen. Um die grünen Tannenbäume standen viele Leute, die gleich mir, den Duft der Tannen einatmeten. Da fiel das Wort „Weihnachten“. Richtig, da ist nun bald Weihnachten. --- Sonderbar, daß die Gedanken an Weihnachten in diesem Jahre so fern liegen, daß es paradox erscheint, Krieg und Weihnachtsfrieden miteinander zu verbinden. Beides paßt nicht zusammen, und so werden wir in diesem Jahre keine „fröhlichen“ Weihnachten begehen, sondern Weihnachten in ernster, besinnlicher Nachdenklichkeit. Aber die Erinnerung, daß wir den Krieg nicht gewollt, nicht verschuldet haben, daß er für uns ein bitteres Muß war, wird uns beruhigen. Daran wollen wir denken. Können wir also kein fröhliches Fest begehen, so sollen die Weihnachtstage zu einer ernsten und würdigen Feier werden. Dann werden die Weihnachtstage 1914 an Glanz und Tiefe gewinnen. Der eigentliche Sinn des schönsten aller deutschen Feste wird uns wieder zum Bewußtsein kommen, wie denn immer erst Not und Sorge kommen müssen, um uns wach zu rütteln, damit wir uns auf uns selbst besinnen. Denn es ist ja wohl so, daß in den langen Jahren des Wohlstandes unsere meisten Feste verflachten und ihr Sinn, ihr Zauber, sich verflüchtigte. So mußte erst der Krieg kommen, um uns vor weiterer Verflachung, Veräußerlichung zu retten.
Unter dem lastenden Druck des Krieges erhoben sich hier und da Stimmen, Weihnachtsbaum und Gabentisch in diesem Jahr zu verbannen. Die Zeit sei nicht dazu angetan, einen solchen „Luxus“ zu gestatten. Diese Stimmen sind glücklicherweise vereinzelt. --- Schon mit Rücksicht auf die Jugend, die Kinder, müssen wir die Weihnachtstage in gewohnter Weise feiern. Was wissen unsere Kinder vom Kriege? Der Krieg hat ihre jungen Gedanken noch nicht getrübt, und sie würden es nicht verstehen, wenn am Tannenbaum keine Lichter aufgesteckt würden. Gewiß, es gibt Familien, --- viele sind es, --- denen der Vater am Weihnachtsfeste fern ist. Aber das darf nicht ausschlaggebend sein. Je heller die Weihnachtslichter brennen, je schöner der Weihnachtsgabentisch aufgebaut ist, um so größer ist die Freude, der Jubel der Kinder. Und die Zurückgebliebenen werden sich am Jubel der Kleinen erfreuen, aufrichten und über die ernsten Gedanken, die wohl kommen und gehen werden, leichter hinwegsetzen. Auch ist es wohl nur im Sinne unserer im Felde Stehenden, wenn das Weihnachtsfest in althergebrachter Weise begangen wird. Sie werden in ihren Schützengräben noch einmal so beruhigt an die Heimat zurückdenken, wenn sie wissen, daß daheim der Weihnachtsbaum glitzert und die Kinder, wie sonst, froh ihre Weihnachtslieder singen. Und darum sollen wir Weihnachten 1914 in würdiger Weise feiern. Jeder aber, in dessen Kraft es steht, sollte daran denken, daß er zu Weihnachten seine Menschenliebe betätigen kann: viele Familien werden nicht in der Lage sein, den Weihnachtsbaum so herauszuputzen, die Kinder so zu bescheren, wie sie das wohl gerne möchten. Hier kann jeder Licht und Freude in arme Stuben tragen.
Harziger Duft weht aus den grünen Tannen und die glänzenden Schaufenster zeigen allerlei Verlockendes. Weihnachtstimmung liegt über der Stadt. Wenn am Weihnachtstage die Glocken dröhnen und den Frieden auf Erden verkünden, wollen wir unsere heißen Gedanken, die uns bei dem Friedensgeläute überkommen, zerstreuen, auf die Zähne beißen und daran denken, daß uns die Zukunft diesen Menschheitsfrieden – dank unserem guten Schwert – auf lange, lange Zeit bringen wird. Dann werden die nächstjährigen Weihnachtstage um so heller sein.
Sammeln von Küchenabfällen. Vielfachen Anregungen folgend, beabsichtigt die Stadt, Küchenabfälle für die Fütterung landwirtschaftlicher Nutztiere getrennt von der Müllabfuhr sammeln zu lassen. Diese Abfuhr soll durch private Unternehmer anstelle des städt. Fuhrparks ausgeführt werden. Interessenten können sich umgehend auf dem Rathause melden.
Wehrbund. Uns geht folgende Erklärung zu. In dem Bericht über die letzte Uebung des Bonner Wehrbundes (...) war zum Schluß ohne jede weitere tadelnde Kritik von dem Berichterstatter kurz bemerkt, daß leider die Abteilungen der beiden Bonner Gymnasien nicht teilgenommen hätten. Herr Oberlehrer Dr. Kentenich hat nun durch eine Erklärung in diesem Blatte vom 16. ds. festgestellt, daß die Schüler des Königlichen Gymnasiums an dem betreffenden Sonntag durch die Kommunion verhindert waren. Damit war selbstverständlich das Fernbleiben dieser Abteilung entschuldigt. Herr Dr. Kentenich glaubt aber hinzufügen zu müssen, daß „Uebungen, die sich im Winter von 9½ bis abends 7 Uhr ausdehnen, für 16jährige Schüler eine ernstliche Gefährdung der Gesundheit bedeuten.“ Als Vorsitzender des Wehrbundes muß ich dieser öffentlichen Anschuldigung gegenüber auf das Allerentschiedenste bestreiten, daß der Wehrbund Uebungen unternimmt, welche „die Gesundheit gefährden.“ Die Abteilungen des Wehrbundes rückten am vergangenen Sonnatg nach 10 Uhr aus. Die Witterung war nichts weniger als eine „winterliche“, sondern im Gegenteil überaus milde. Die Entfernung von Beuel nach Heisterbach beträgt etwa 7 Kilometer, von da zum Nonnenstromberg noch nicht einen Kilometer. Die erforderte Marschleistung war also eine sehr geringe. An der Uebung nahmen ebenso junge Pfadfinder teil, die noch keine 16 Jahre alt waren, als bereits ergraute Universitätsprofessoren und sonstige Herren. Diese Leistung soll also die Gesundheit von Gymnasiasten, welche 16-19 Jahre alt sind, „ernstlich gefährden“?
Was unsere Jungmannschaft draußen im Kriege geleistet hat und noch leisten muß, haben wir mit Freude und Stolz in den letzten Monaten gehört. Dagegen war diese vom Wehrbund angeordnete Geländeübung fast als ein Kinderspiel zu bezeichnen. Unsere Volksschüler von 13 bis 14 Jahren unternehmen in den Herbstferien – der General-Anzeiger hat darüber seinerzeit wiederholt berichtet – achttägige Wanderungen mit Durchschnittsleistungen von 25 bis 40 Kilometern täglich. Wir besitzen von Dr. Roeder in Berlin genaue ärztliche Untersuchungen darüber, wie wohltätig selbst auf Monate hinaus solche Märsche auf die Gesundheit der Volksschüler einwirken. Und nun sollen solche bescheidene Leistungen, wie diese Geländeübung bis zum Nonnenstromberg für die Gesundheit von Gymnasiasten im Alter vom vollendeten 15. bis zum 19. Lebensjahr eine Gefahr darstellen? , Es lohnt sich nicht, darüber ernstlich zu streiten. In dieser großen Zeit handelt es sich darum, daß derjenige Teil unserer heranwachsenden Jugend, der wohlmöglich im nächsten oder im übernächsten Jahre mit heran muß zu Verteidigung unseres Vaterlandes, sich jetzt schon vorbereitet nach den „Richtlinien“, welche von den Ministern des Krieges, des Kultus und des Inneren gegeben sind. In diesen Richtlinien sind auch solche Geländeübungen und Uebungsmärsche vorgesehen. Die Uebung, welche die Führerschaft des Bonner Wehrbundes für den vergangenen Sonntag angeordnet hatte, fiel durchaus in den Rahmen dieser „Richtlinien“ und stellte nur mäßige Anforderungen an die Teilnehmer. Daß ein Erzieher der Jugend diese öffentlich in dieser Weise herabzusetzen sucht, beweist nur, wie eigenartig doch mancher vom Hauch dieser großen Zeit, die wir durchleben, berührt wird.
Bonn, den 17. Dezember 1914
Prof. Dr. med. F.A. Schmidt,
Vorsitzender des Bonner Wehrbundes
Der Krieg und die Presse. Dr. Hermann Cardauns schreibt uns: „Wie mir scheint, liegt es im allgemeinen Interesse der Presse, den Schein zu vermeiden, als habe ein Mitglied des Journalistenverbandes die Handhabung der Präventiv-Zensur ohne Einschränkung gebilligt.
Der Bericht über meinen Vortrag „Der Krieg und die Presse“ in Nr. 8850 vom 17. Dezember enthält einige Sätze, deren knappe Fassung zu Mißverständnissen Anlaß bieten könnte. So der Satz: „Redner bezeichnete die scharfe Zensur als durchaus notwendig“. Ich habe grundsätzlich die militärische Präventiv-Zensur während des Kriegszustandes als durchaus geboten und die von den betr. Oberbehörden vorgezeichneten Richtlinien als einwandfrei anerkannt. Andererseits aber habe ich keinen Zweifel daran gelassen, daß ich die praktische Handhabung der Zensur durch lokale Zensurstellen nicht immer als richtig betrachte. Vielleicht verpflichten Sie mich auch noch durch Aufnahme der ergänzenden Bemerkung, daß ich zwar über die Ueberschwemmung der Redaktionen mit dichterischen Erzeugnissen gescherzt, aber auch von Liedern voll Kraft und Innigkeit gesprochen habe.“
Wie lange dauert der Krieg noch? Man schreibt uns: Der in der Sonntags-Nummer mitgeteilte Beschluß des Landgerichts Braunschweig, wonach die voraussichtliche Dauer des Krieges auf ein Jahr bemessen, hat sicherlich manches Herz bekümmert. Einen erfreulichern Beschluß hat das Amtsgericht Rheinbach am 20. Oktober d. J. erlassen. Die Parteien verhandelten streitig zur Sache. Beklagte beantragte den Rechtsstreit bis zur Beendigung des Kriegszustandes auszusetzen, da ihr Ehemann im Felde stehe. Darauf verkündigte das Gerciht folgenden Beschluß „Die Sache wird zur Weiterverhandlung vertagt auf den 26. Januar 1915“ Also bis Kaisers Geburtstag, so um die Zeit, wenn die Bauern alles gedroschen haben. Hoffentlich werden dann auch unserer Soldaten mit dem Dreschen fertig sein.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Gartenbauverein. In der sehr gut besuchten Monatsversammlung, die unter dem Vorsitz des Gartenbaudirektors Günther im Nordischen Hof abgehalten wurde, sprach Herr Obergärtner Sandhack – Mehlem in sehr interessanter Weise über seine Erlebnisse und Eindrücke in Zentral-Rußland während eines etwas 12jährigen Aufenthaltes. Man bekam durch den fesselnden Vortrag des Herrn Sandhack einen Einblick in die unglaublich korrumpierten Verhältnisse der russischen Zivil- und Militärbehörden und erfuhr manches Neue über russische Charaktereigenschaften – In der dann folgenden Aussprache über „In welcher Weise kann der Gartenbauverein Kriegshilfe leisten?“ warnte Herr Beyes vor dem Ankauf von Blumen, die aus Frankreich über die Schweiz nach Deutschland kommen. Eine Versteigerung von Pflanzen und Gemüsekörbchen ergab einen Betrag von 50 Mark, der zum Besten des Roten Kreuzes verwendet wird.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Samstag, 19. Dezember 1914
Die Kunde vom Siege in Polen wurde in Bonn erst am Spätnachmittage und in den Abendstunden des Donnerstags so recht bekannt. Das Publikum brauchte Zeit, um aus dem amtlichen Generalstabsbericht die Nachricht von den Erfolgen in Polen herauszufinden. Darin war zuerst vom westlichen Kriegschauplatz zu lesen, dann, daß aus Ostpreußen nichts Neues zu melden sei und zuletzt kamen die inhaltschweren Worte, daß die Offensive der Russen zusammengebrochen sei. Der österreichische Bericht, der später eintraf, bestätigte es, daß die Russen „vollständig geschlagen“ seien. Gegen Abend setzten die Kirchenglocken ein und gaben mit ehernem Munde die Siegesnachricht weiter. Da ging es denn wie ein Lauffeuer durch die ganze Stadt, die Kunde von dem großen Siege im Osten. Die siegverkündenden Fahnen herauszubringen, dazu war es schon zu spät geworden, der kurze Dezembertag war in das Dunkel des Abends versunken. Umso heller aber war die Freude in unseren Herzen. Gestern morgen erschienen die Fahnen auf den Balkonen, in den Fenstern und auf den Dächern, die dankend die Taten unseres tapferen Heeres grüßten. Verschiedentlich sah man auch die österreichischen Farben im Winde wehen; und das mit Recht, ist der Sieg in Polen doch ein deutsch-österreichisch-ungarischer Sieg. – Die höheren Schulen in Bonn blieben gestern zur Feier des Sieges im Osten geschlossen.
Vaterländische Reden und Vorträge. Der nächste Vortrag findet nicht, wie sonst üblich, am Mittwochabend statt, sondern bereits am nächsten Dienstag, den 22. Dezember um 8 ½ Uhr in der Aula des Städtischen Gymnasiums. Herr Benediktinerpater Albert Hammenstede wird über „Krieg und Soldatenstand im Lichte der katholischen Liturgie“ sprechen. Die Wiederholung dieses Vortrags findet erst nach dem Weihnachtsfeste statt.
Im Palasttheater wird heute und die folgenden Tage das Kriegsbild „Das Vaterland ruft“ vorgeführt, ein Heldenstück aus dem jetzigen Kriege.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Die Münsterbibliothek im Kriege. Es wird uns geschrieben: Wenn man von dieser großen Zeit mit Recht eine Erhebung und Wiedergeburt des deutschen Volkes in mancherlei Hinsicht erwartet, so darf auch die Literatur eine Neubelebung erhoffen, insofern sich deutsche Art und deutsches Wesen auf sich selbst besinnen und von den verderblichen Einflüssen einer fremdländischen Literatur sich frei machen wird. Deshalb verdienen schon unsere Volksbibliotheken auch im Kriege eine wohlwollende Beachtung. Aber es kommt noch Wichtiges hinzu. Auch in diesen aufregenden Tagen greift man gerne zu einem schönen Buch, denn, sollen die Bücher die Freunde sein, dann dürfen sie ihn auch in schweren Zeiten nicht verlassen. Wenn man mehr denn sonst einer Aufmunterung und Ablenkung bedarf, dann sollen die Bücher erst recht dem Menschen nicht fehlen; die ihn wieder aufrichten und erfrischen; die ihn einmal für kurze Zeit der rauhen Wirklichkeit entreißen und die Gedanken auf friedlichen Gefilden sich ergehen lassen. Daher betrachtet es auch die Münsterbibliothek als eine vorzügliche Aufgabe, ihre Tätigkeit in den Dienst einer edlen Sache zu stellen und dem Lesebedürfnis des Volkes entgegen zu kommen. Sie wendet sich darum auch an die weitesten Kreise der Bevölkerung und ladet sie zur Mitgliedschaft ein. Die Bibliothek umfaßt nahezu 5000 Bände aus allen Gebieten der Literatur. In dem letzten Jahre wurden allein für ungefähr 1000 Mk. neue Bücher eingestellt und 20.775 Bücher ausgeliehen. Ihrem Grundsatz „Vom Guten das Beste“ ist die Münsterbibliothek stets treu geblieben und so werden von den Neuerscheinungen auf dem Büchermarkte nach sorgfältiger Prüfung die besten Erzeugnisse aufgenommen, so daß auch das Neueste, soweit es beachtenswert und einwandfrei, stets vorhanden ist. (...) Weihnachten steht vor der Türe, und manchem wird es schwer sein, einpassendes Weihnachtsgeschenk zu finden. Eine Mitgliedskarte der Münsterbibliothek würde vielen eine ebenso angenehme wie nützliche Gabe sein, und die geringe Auslage wird sicherlich viel Freude und Segen stiften. (...)
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Mietezahlung von Kriegsteilnehmern. Sie brachten in der Donnerstags-Nummer einen Sprechsaal-Artikel, in dem sich die Frau eines Kriegsteilnehmers darüber beschwert, daß eon gutsituierter Hausbesitzer sich geweigert hat, 3 Mark von der Miete nachzulassen. Zudiesem Kapitel kann ich Ihnen einen Beitrag liefern, der meiner Ansicht nach die Handlungsweise dieses glücklichen Hausbesitzers noch übertrifft: Ich bin Witwe und ernähre mich durch das Vermieten möblierter Zimmer. Bei Ausbruch des Krieges kündigten mir sechs Herren die Wohnung und vier andere aus Ungarn mußten ebenfalls abreisen. Aus diesem Grunde bat ich meinen Hauswirt, die Miete nachträglich zahlen zu dürfen. Stattdessen verklagte er mich und kündigte mir sofort die Wohnung. Durch Gerichtsbeschluß darf ich nun die Miete nachträglich zahlen, erhielt aber dafür eine Gerichts- und Anwaltsrechnung von annähernd 200 Mark. Bei etwas Entgegenkommen von seiten meines Hauswirts wären mir diese Unkosten erspart geblieben. Frau L.
Postbestellung durch Damen. Bei der großen Fülle von Paketen und Briefen zur Weihnachtszeit würde es sich wohl empfehlen, auch Damen einzustellen, da die Soldaten, die sonst herangezogen wurden, jetzt im Felde stehen. Zudem hat ein Liebesgabenpaket, das von zarter Hand gereicht wird, noch einen erhöhten Wert. Vielleicht tritt die Postverwaltung dieser Anregung einmal näher. Eine für Viele.
Zur Nachahmung. Ein rührender Anblick bot sich mir gestern, als ich unverhofft eine liebe Bekannte besuchte. Sie war damit beschäftigt, für unserer Verwundeten eine mächtige Kiste mit Liebesgaben für ein Feldlazarett sorgfältig zu verpacken. Freudestrahlend gestand sie mir, daß sie zugunsten armer Verwundeten in Feindesland auf jedes Weihnachtsgeschenk verzichtet habe. Gewiß eine schöne Tat, Deutschland kann stolz auf so edle Frauen sein. Frau Sch.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Einladung der Franzosen an deutsche Soldaten. In einem Schaufenster der Geschäftsstelle der Deutschen Reichszeitung kann man eine gedruckte Einladungskarte sehen, die französische Flieger deutschen Soldaten zugeworfen haben. Der Text dieser Karten lautet:
„An die deutschen Soldaten! Es ist nicht wahr, daß wir, die Franzosen, die deutschen Gefangenen erschießen oder mißhandeln. Im Gegenteil, unsere Kriegsgefangenen werden gut behandelt, und bekommen gut zu essen und zu trinken. Diejenigen von euch, die dieses erbärmlichen Lebens überdrüssig sind, könne sich ohne Angst den französischen Vorposten unbewaffnet melden. Sie werden gut empfangen werden. Nach dem Krieg darf jeder wieder nach Hause.“
Wie die deutschen Soldaten dieser Einladung Folge geleistet haben, ist aus den Tagesberichten des Hauptquartiers bekannt.
Student und sozialpatriotische Tätigkeit. (...) Wie am 7. Dezember, so hielten auch gestern zwei Studenten, Mitglieder der Sozialstudentischen Bewegung, Zentrale Bonn, im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in je einem Saal Vorträge vor den Verwundeten. Die einfache und daher sehr ansprechende Art der Vorträge sowie der packende Inhalt, der der weltbewegenden jetzigen Zeit entnommen war – der eine Herr sprach über die Entwicklung des englischen Weltreiches und die Spannung zwischen England und Deutschland, der andere über unsere Feinde und ihre Gründe zum Eingreifen – ließ die Zuhörer aufmerksam folgen. Ein auf den ernsteren Vortrag folgendes Gedicht heiteren Charakters gab auch dem Frohsinn sein Recht. Die Anteilnahme der Verwundeten kam zum Ausdruck in dem an die Studenten gerichteten Wunsche, „noch mal wiederzukommen“.
Jetzt, wo das Vaterland mehr und mehr seine Kämpfer unter die Fahnen ruft, lichten sich auch mählich die Reihen unter den Mitgliedern der Sozialstudentischen Bewegung; da darf man wohl den Wunsch und die Hoffnung aussprechen, daß sich noch manche bisher weniger Interessierte finden, die bereit sind zu sozialpatriotischer Tätigkeit. Anmeldungen nimmt entgegen die Sozialstudentische Zentrale Clemensstraße 7.
Ein 15jähriger Bengel hat sich einen neuen Trick ausgedacht, um gute Gelegenheit zum „mopsen“ zu finden. Er geht in die Häuser bessersituierter Bürger, bietet Eier zum Verkauf an und benutzt einen geeigneten Augenblick, um Sachen und Sächelchen, die ihm gefallen, verschwinden zu lassen. Man hat das Bürschchen noch nicht festnehmen können. Es sei vor ihm gewarnt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Sonntag, 20. Dezember 1914
Vom Kriegsgericht wurde gestern der Fürsorgezögling K,. aus Oberdollendorf zu 5 Monaten Gefängnis verurteilt. Er hatte im Siebengebirge ein junges Mädchen angehalten, um von ihm Geld zu erpressen. Er erreichte allerdings seinen Zweck nicht.
Der dritte städtische Volksunterhaltungsabend, der gestern im großen Saal des Bürgervereins stattfand, war der Weihnachtsstimmung gewidmet. Das kam am schönsten und feinsten zum Ausdruck in den Weihnachtsliedern, die Frl. Henny Wolf sang. Mit ihrem jugendfrischen, gesunden Sopran gab sie zwei stimmungsvollen Liedern Gretschers („Rauhreif vor Weihnachten“ und „Maria am Spinnrocken“), dem wirkungsvoll und eigenartig gesetzten Weihnachtslied „Heilige Nacht“ von Fritz Fleck und Menzens einfach innigem „An das Christkind“ verhaltene Empfindung und überzeugende Innerlichkeit. An dem reichen Beifall, der dieser schönen, auch im rein Musikalischen, in Phrasierung und Tongebung vortrefflichen Leistung dankte, durfte auch Herr Kapellmeister Sauer für seine feinsinnige Begleitung am Flügel teilnehmen. Das Städtische Orchester brachte Stücke, die sehr gut zu der Gesamtstimmung des Abends paßten. Als vortrefflichste Gabe nimmt man die Bruchstücke aus Humperdincks Märchenoper „Hänsel und Gretel“, die unter Sauers belebender Leitung sehr fein schattiert und mit ausgezeichneter Klangwirkung gespielt wurden. (...) Frl. Emmy Krüger, die Sentimentale unseres Stadttheaters, trug Märchen und Kindergedichte vor und gab zum Schluß in einer Art Sprechgesang Leo Hellers ein wenig sentimentales Gedicht „Das Hellerlein“. Auch ihr dankte reicher Beifall. Mit dem gemeinsamen Gesang „Stille Nacht, heilige Nacht“ schloß der Abend.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Brennspiritus statt Petroleum. Das stellvertretende Generalkommando des 9. Korps weit, da die Petroleumvorräte des Deutschen Reiches verringert sind, auf die Notwendigkeit der Einschränkung des Petroleumverbrauchs hin, damit einem völligen Mangel möglichst vorgebeugt wird. Es empfiehlt der Verwendung von Brennspiritus.
Ein 68jähriger Bonner als Sanitätssoldat. Man schreibt uns aus Lille in Nordfrankreich: Bei der hier in Lille stationierten Sanitätskolonne vom Roten Kreuz „Prinzessin Viktoria“ befindet sich ein Kamerad im Alter von 68 Jahren, der sich sofort bei Ausbruch des Krieges als freiwilliger Krankenträger gemeldet hat und später zur Sanitätskolonne vom Roten Kreuz übergetreten ist. Bei dem Ausmarsch der freiwilligen Sanitätskolonne vom Roten Kreuz am 2. November zog er mit in Feindesland. Es ist dies unser Gruppenführer, Herr Alex Holler aus Bonn, Bergstraße, der schon den Feldzug 1870/71 mitgemacht hat. Der noch rüstige Herr wird von allen seinen Kameraden hochgeschätzt.
Pförtner, nicht „Portier“. Die Staatsbahnverwaltung hat für ihre Dienststellen folgende Verfügung erlassen: „Die Bahnhofspförtner, die noch mit den alten Brustschildern – der Aufschrift „Portier“ – ausgerüstet sind, sollen jetzt solche mit der vorschriftsmäßigen Bezeichnung „Pförtner“ erhalten. Damit wird amtlich ein häufig ausgedrückter Wunsch erfüllt. Hoffentlich wird jetzt überall die Bezeichnung „Pförtner“ eingeführt.
Ein einbeiniger Invalide verursachte am Freitag abend spät auf dem hiesigen Bahnhof im Wartesaal 3. Klasse einen großen Auflauf. Da man ihm den Aufenthalt im Wartesaal zum Nächtigen nicht gestatten wollte und ihm auch die Verabreichung geistiger Getränke verweigert wurde, bedrohte er mit einer Krücke die Anwesenden und drang auch schließlich auf das Bahnpersonal ein, weil dieses das Zertrümmern der Fensterscheiben verhindern wollte. Die zur Hilfe gerufene Polizei hatte mit dem jähzornigen Menschen, der sich mehrfach auf den Boden fallen ließ und dann wieder aufschnellte, ihre liebe Not. Nur mit großer Mühe gelang es, den aufgeregten Burschen unschädlich zu machen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Eine neue Zeitung ist von unseren Truppen auf französischen Boden gegründet worden. Sie heißt „Liller Kriegszeitung“. Die erste Nummer, die vom 8. Dezember datiert ist, hängt in einem Schaufenster unserer Geschäftsstelle aus. Das Herz lacht einem vor Freude und Stolz, wenn man dieses Blatt in die Hand nimmt. Soldaten – Mannschaften und Offiziere – erzählen darin, was ihnen Ernstes und Heiteres begegnet ist beim Marsch, Biwak, Gefecht, Schützengraben und Sturm. Und sie erzählen das in der guten deutschen Schlichtheit und Herzhaftigkeit, die immer das beste Zeichen deutscher Ehrlichkeit war. „Wenn dieses Blatt unseren Gegnern bekannt wird“ – so schließt der einleitende Artikel der ersten Nummer – „so sollen sie erkennen, wie groß, wie stark, wie kampfesmutig, wie siegesgewiß, wie herzensfröhlich ist: das deutsche Heer.“
Zündhölzer dürfen nicht mit der Feldpost verschickt werden. Auf dieses schon früher erlassene Verbot wird amtlicherseits noch einmal aufmerksam gemacht. Denn es sind wiederholt durch Zündhölzer, die mit der Post verschickt wurden, größere Brände entstanden; erst vor kurzem ist, wie wir schon berichteten, ein ganzes Feldpostauto durc Selbstentzündung von Streichhölzern in Brand geraten. Auch in Blechdosen und ähnlichen starken Verpackungen dürfen keine Zündhölzer verschickt werden. Wer diesem Verbot zuwider handelt, kann nicht nur die Allgemeinheit empfindlich schädigen, sondern hat auch mit seiner Person, vorbehaltlich der Bestrafung nach den Gesetzen, für jeden entstehenden Schaden zu haften.
Königl. Universitäts-Augenklinik. Das Quartett Harmonie, bestehend aus den Herren Toni Merz, Johann Heck, Willy Bünten und Gerhard Stüsser, erfreute am Donnerstag abend zum zweiten Male die Verwundeten der Königl. Augenklinik durch musikalische Darbietungen. Die Herren ernteten großen Dank und reichen Beifall.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Montag, 21. Dezember 1914
Der Goldene Sonntag. Der letzte Sonntag vor Weihnachten, von den Geschäftsleuten hoffnungsvoll der Goldene genannt – heuer wohl richtiger der Papierne – hat seinem klangvollen Namen auch in diesem Jahr keine Unehre gemacht. Man kann wohl behaupten, daß der Goldene Sonntag sich bei uns in Bonn in seinem Ergebnis für die Geschäftswelt recht erträglich gestaltet hat und daß trotz der Kriegszeit rege Kauflust vorhanden war. Gewiß, die Erwartungen und Wünsche, die der Geschäftsmann sonst in den Goldenen Sonntag zu setzen pflegte, die mußte man in diesem Jahre heruntersetzen, und einige Geschäftszweige – besonders wohl Luxusgeschäfte – haben sicher einen großen Ausfall gehabt. Einen Vergleich mit den Ergebnissen eines normalen Jahres darf man ja für das Weihnachtsgeschäft im Kriegsjahr nicht ziehen wollen. In den Geschäften mancher Branchen sind schon im November sehr zahlreiche Weihnachtseinkäufe für unsere Krieger im Felde gemacht worden. Sie haben dadurch, wenn auch die Einkäufe im eigentlichen Weihnachtsmonat vielleicht geringer waren, einen zufriedenstellenden Umsatz erzielt. Einige Geschäfte haben trotz der Kriegszeiten sehr gut verkauft. So teilt uns eine angesehene Firma der Spielwarenbranche mit, daß sie noch nie einen so guten Goldenen Sonntag erlebt habe wie heuer. Im allgemeinen hat das kaufende Publikum nach Möglichkeit den ihm seit langem immer wieder vorgetragenen Mahnruf befolgt und sich nicht lediglich von einer falsch angebrachten Sparsamkeit beherrschen lassen. – Der gestrige freundlich-helle Nachmittag brachte auch viel Zuzug von Käufern aus der Umgebung, abends sah man Käufer und Käuferinnen mit Paketen beladen zu den Bahnhöfen und den Abfahrtstellen unserer elektrischen Vorortbahnen eilen. Unsere Geschäftsleute hatten durch geschmackvolle Dekorationen ihrer Läden ihr möglichstes getan, die Kauflust des Publikums anzuregen. In den Nachmittagsstunden waren die Hauptgeschäftsstraßen unserer Stadt von einer tausendköpfigen Menge belebt. Es sind jetzt nur noch wenige Tage bis zum Christfest. Mögen die Bewohner unserer Stadt, soweit sie dazu in der Lage sind, diese Zeit noch recht ausgiebig ausnutzen für Einkäufe aller Art, damit unser Geschäftsleben nicht ins Stocken gerät; auch das gehört zur inneren Kriegsrüstung.
Der Bürgerverein „Eintracht“ hielt gestern um 4 Uhr seine Weihnachtsfeier im Vereinshause an der Rathausstraße ab. Der Saal war vollbesetzt. Die Feier begann mit dem Liede: „Wir treten zum Beten“. Dann sprach Herr Professor Dr. Sell. Er führte aus: Ein solches Weihnachtsfest hat noch keiner von uns erlebt. Starke Militärmächte wollten unsere Grenzen überschreiten und uns vernichten. Gott hat es anders gewollt. Unsere Soldaten müssen Schreckliches tun, um das Vaterland zu retten. Der gewaltige Trost in dieser ernsten Zeit ist die Engelsbotschaft: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen, an denen Gott sein Wohlgefallen hat“. Jesus ist gekommen auf die Erde, um den Menschen Frieden zu bringen. Gott wird ein Wohlgefallen an uns haben, wenn wir in uns gehen. „Ehre sei Gott in der Höhe“, heißt es. Wir sind es der Ehre Gottes schuldig, wenn wir den Kampf durchhalten bis zum siegreichen Ende. – Dann wurden abwechselnd Weihnachtsgedichte und Orchesterstücke vorgetragen. Besonders ansprechend wurde deklamiert „Die heilige Nacht“ von Kurz. Dann öffnete sich der Nebensaal und der helle Lichterbaum erstrahlte. Auf langen Tischen standen Teller mit Gebäck. Es war eine Freude zu sehen, wie die Kinder die Gaben einpackten und freudestrahlend den Saal verließen.
Der Wehrbund unternahm nach Besichtigung und Besprechung der von den Rekruten in Kessenich vorschriftsmäßig ausgehobenen Schützengräben am Sonntagnachmittag einen Uebungsmarsch in aufgelösten Schützenketten quer durch den Kottenforst. Die Werbestelle des Wehrbundes bliebt bis zum 27. Dezember geschlossen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Dritter städtischer Volksunterhaltungsabend. Zu einer leisen, stillen, aber die Saiten der Seele in sanfte Schwingung versetzenden Weihnachtsfeier, zu deren äußeren Vollendung leider die Lichtertannen der Vorjahre fehlten, gestaltete sich dieser jüngste Volksunterhaltungsabend. Er wurde von Kapellmeister Heinrich Sauer trefflich eingeleitet durch Eugen d'Alderts (?) Vorspiel zu dem Musikmärchen „Der Rubin“. Es wagnerianert darin nicht wenig, inhaltlich wie in der Behandlung des Orchesters; bleibt aber gleichwohl doch leidlich originell und ist stets lieblich anzuhören. Die Wiedergabe war – besonders von dem Allegro an --- gut. Das Charakterstück „In der Christnacht“ offenbart zwar nur geringen musikalischen Charakter des Autors B. Hanekam. Unser Orchester jedoch machte aus dem Stück, was sich machen ließ, und das erste Horn wirkte daran vorzüglich mit. Die Musikmärchen von Fr. Bendel (vorgestern gab's das „Aschenbrödel“) mit ihrer leicht eingänglichen Musik, ihrer rümlichen Situationsmalerei, ihrer klangreichen Instrumentationen, die nie dem Märchenhaften Gewalt antut, verfehlen selten ihre Wirkung.
Auch am Samstag nicht. Die prächtige Polonaiser war sogar ein Musterbeispiel von schwungvollem, temperamentreichem Spiel. Ueber die Musik zu „Hänsel und Gretel“ von Humperdinck noch ein Wort zu verlieren, ist überflüssig. Ebenso über die samstägige Wiedergabe der Fantasie; denn sie erfüllte (soweit angängig) jeden berechtigten Wunsch. Zum zweiten trug zum guten Gelingen bei Emmy Krüger vom Bonner Stadttheater. Sie las und zunächst vor die Andersensche liebliche Mär von dem Mädchen mit den großen Pantoffeln und den brennenden Schwefelhölzchen. Und zwar mit einer sehr sympathischen, anheimelnden, zum Märchenerzählen recht geeigneten Stimme, die Emmy Krüger aber später für einen Saal (wie der „Bürgerverein“ ist) besser einstellen wird. Es folgten nachher der „Kindertraum“ von Robert Reimann und „Das Hellerlein“ von Leo Heller. Vortrag und Betonung wie oben schon bemerkt. Der Gesang aber bedarf noch einiger Nachhilfestunden.
Und Henny Wolff spendete einige Lieder moderner Richtung. Von Jakobus Menzen gemütsvollem, innigen Gesange „An das Christkind“ angefangen über Phil. Gretscher, der einigermaßen in seiner sonst sehr zu lobenden Musik janusköpfig vorwärts und rückwärts schaut – wir hörten von ihm „Rauhreif vor Weihnachten“ und „Maria am Rocken“ - bis zu dem sehr fortschrittlichen Fritz Fleck, dessen „Heilige Nacht“ allerdings in seiner leitmotivischen Arbeit eine ganz außerordentliche Leistung ist. Henny Wolff sang alle diese Lieder, für die wir ihr sehr danken, durchaus sinngemäß und mit dem schon oft erwähnten, wohltuenden süßen Klang ihres Organs. Wir erwähnen besonders die „Heilige Nacht“. Sie mußte sich zu einer Zugabe entschließen. H. Sauers Begleitung ist ebenfalls zu loben. Zu Ende der gemeinschaftliche Gesang „Stille Nacht“.
Jüdische Gemeinde Bonn. Gestern beging die jüdische Gemeinde in dem dichtgefüllten Gotteshause die Chanukkafeier. Nach einem Gebet des Herrn Oberkantors Baum wurden von zwei Jungen die Chanukkalichter (Weihelichter) angezündet. Hierauf richtete Herr Rabbiner Dr. Cohn unter Hinweis auf die Kriegswirren eine kernige, siegesfreudige Ansprache an die Gemeinde. Die Knaben und Mädchen boten alsdann Vorträge, die zeigten, daß den Kindern die Literatur ihres Glaubens, ebenso wie die deutsche Vaterlandsliebe tief im Herzen wurzelt. Ein Schlußwort des Herrn Rabbiners Dr. Cohn beendete die schöne Gemeindefestlichkeit.
Von der üblichen Bewirtung (Schokolade und Kuchen) der Kinder wurde in diesem Jahre Abstand genommen, jedoch die hierfür bei den Gemeindemitgliedern gesammelte Summe bedürftigen Familien der im Felde stehenden Krieger überwiesen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Hauptversammlung der Landwirtschaftskammer für die Rheinprovinz, über die wir in der Samstag Morgenausgabe ausführlich berichtet haben, eröffnete der Vorsitzende, Herr Landrat von Groste, mit folgender Rede:
Ich eröffne die ordentliche Hauptversammlung der Landwirtschaftskammer. Meine hochverehrten Herren! Unsere diesjährige Hauptversammlung fällt in eine Zeit, wie sie ernster unserem teueren Vaterlande wohl kaum jemals beschieden gewesen ist. Haß- und neiderfüllte Nationen haben sich verbündet, um unser Deutsches Reich, das eine friedliche Entwicklung der Kultur anstrebte, frevelhaft zu überfallen. Schon fast 5 Monate tobt der Krieg. In schweren und blutigen Kämpfen sind unsere braven Truppen über die Grenze gedrungen, um die furchtbaren Verwüstungen des Krieges von den gesegneten heimischen Fluten abzuwehren. Unter Gottes gnädigem Beistand haben sie den Sieg an ihre Fahnen geknüpft. In der ganzen Welt bewunderte Heldentaten hat unsere Marine auf dem Weltmeere geleistet; fest geeint gedenkt das deutsche Volk unter der sicheren Führung seines Kaisers in tiefster Dankbarkeit der großen Taten und der schweren Opfer unserer Truppen und der in treuer Waffenbrüderschaft mit ihnen kämpfenden österreichisch-ungarischen Armee. In fester Zuversicht erhoffen wir den endgültigen Sieg. Aber wir wissen, daß auch wir, die wir in der Heimat zurückgeblieben sind, alle nach Kräften mitarbeiten müssen, wenn uns der Sieg und nach dem Sieg ein ehrenvoller und dauerhafter Friede gesichert werden soll, daß wir durch alle Dinge, für die wir zu sorgen haben, unserem Vaterlande auch die wirtschaftliche Kraft und Widerstandsfähigkeit erhalten, und da fällt zumal der Landwirtschaft eine große und wichtige Aufgabe zu.
Gestärkt durch eine gesunde Wirtschaftspolitik ist die Landwirtschaft Gott sei Dank im Stande, diese Aufgabe zu erfüllen, aber nur dann, meine Herren, wenn jeder einzelne sich ganz in den Dienst dieser Aufgabe, in den Dienst des Vaterlandes stellt und dazu anzuspornen, dazu beizutragen, ist eine ehrenvolle Pflicht der Organisation des landwirtschaftlichen Berufsstandes, der Landwirtschaftskammer. Das wollen wir in dieser Zeit mehr denn je betonen, und in diesem Geiste auch heute wiederum unsere Verhandlungen führen. Um dieser Gesinnung Ausdruck zu geben, bitte ich Sie, mit mir unserem erhabenen Kaiser und König das Gelöbnis unwandelbarer Treue und Ergebenheit zu erneuern, indem Sie einstimmen in den Ruf: „Seine Majestät unser Allergnädigster Kaiser und König Wilhelm II, er lebe hoch, hoch und abermals hoch!“
Winteranfang ist heute; das heißt, die Sonne hat ihren entferntesten Standpunkt von der Erde erreicht und nähert sich ihr langsam wieder. Auf der südlichen Hemisphäre beginnt heute der Winter, welcher sich aber nicht mit Eis und Frost, sondern in den meisten Ländern mit ergiebigen Regengüssen bemerkbar macht. Die Nacht von heute auf morgen ist die längste des ganzen Jahres.
Feldpostsendungen mit unzulässiger Adresse. Neuerdings werden öfters Feldpostbriefe, besonders Zeitungen unter Briefumschlag, mit der Adresse: „An ein beliebiges Regiment im Osten“ oder „An ein Etappenlazarett im Westen“ u. a. ausgeliefert. Derart unbestimmt adressierte Sendungen können von der Post nicht weitergesandt , müssen vielmehr als unzustellbar behandelt werden.
Die Gemäldeausstellung der Gesellschaft für Literatur und Kunst im Oberniermuseum wird nach Weihnachten geschlossen. Sie ist in den letzten Tagen erweitert worden durch einige Gemälde des Bonner Malers Seehaus.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Dienstag, 22. Dezember 1914
Unsere Studenten im Felde. Um davon Kenntnis zu erhalten, welche Studierende durch die Mobilisierung zu den Fahnen gezogen worden sind, hatte die Universität im September alle, im Sommersemester 1914 immatrikulierten Studenten deutscher Nationalität durch Karte mit Rückantwort ersucht, ihr Militärverhältnis angeben zu wollen. Wie vorausgesehen, sind die Karten derjenigen Studierenden, deren Eltern in großen Städten wohnen und deren genaue Adresse der Universität nicht bekannt war, unbestellbar zurückgekommen, so daß die folgende Statistik auf Vollständigkeit keinen Anspruch erheben kann. Immerhin dürfte die Bekanntmachung der bis jetzt ermittelten Beteiligung der Bonner Studentenschaft an dem heiligen Kampfe fürs Vaterland geboten erscheinen. Es haben die bis jetzt eingegangenen Mitteilungen ergeben, daß von den, bei der Mobilmachung immatrikulierten 4006 Studenten deutscher Nationalität 2091 dem Heere eingereiht sind. Trennt man diese Zahl in diejenigen, die bereits ihrer Militärpflicht genügt hatten oder als Einjährige einem Truppenteil angehörten und diejenigen, die sich bei der Mobilmachung freiwillig zum Dienstantritt meldeten und das Glück hatten, sofort eingestellt zu werden, so stellt sich die Zahl der ersteren auf 461. Von diesen sind einer Oberst und Chef des Stabes bei dem Guvernör in Belgien, einer Major und Kommandör eines Landwehr-Bataillons, achtzehn sind Reserveleutnants, 109 Offizierstellvertreter, 120 Unterärzte, 62 Unteroffiziere der Reserve, 75 Sanitätsunteroffiziere, 5 Feldgeistliche, 6 bei der Kraftfahrtruppe, 6 Feldmagazininspektoren, 48 Einjährige der Infanterie, 7 der Kavallerie und 3 wurden als Gefangene in England zurückgehalten. Freiwillig hatten sich gemeldet 2656, von denen eingestellt wurden 616 bei der Infanterie, 587 bei der Artillerie, 180 bei der Kavallerie, 67 bei den Pionieren, 19 bei den Jägern, 22 bei den Telegraphenabteilungen, 22 bei den Luftschiffer-Abteilungen, 11 bei der Marine, 4 bei den Eisenbahntruppen, 35 beim Train, 10 bei den Landsturmtruppen, einer bei den Fortifikationstruppen und 56 bei Truppenteilen, die nicht angegeben waren. 181 sind tätig bei der Organisation des Roten Kreuzes im Etappengebiet, bei Begleitabteilungen, in Lazaretten und als Sanitätshundführer. Der Rest wurde teilweise zu einem Truppenteil angenommen und wartet auf Einberufung, teilweise als nichtmilitärdiensttauglich abgewiesen. Von den Angehörigen der Universität sind bisher 52 gefallen oder ihren Wunden erlegen. Eine größere Zahl hat sich das Eiserne Kreuz erworben, darunter einer das Kreuz erster Klasse. Die Universität wäre dankbar, wenn ihr noch ausstehende Nachrichten über ihre jetzigen Angehörigen, wie über die, welche bei Kriegsbeginn ihr noch angehörten, zukommen würden, damit sie in die Lage gebracht wird, den Anteil ihrer Studentenschaft an dem Kampfe festzustellen und späteren Geschlechtern zu überliefern.
Brieftaubenschützen. Die Militärbehörde hat wiederholt Verwarnungen gegeben für diejenigen Schützen, die es noch immer nicht unterlassen können, auf feldernde Tauben zu schießen. Es muß nochmals darauf hingewiesen werden, daß alle im Felde befindlichen nach Futter suchenden Tauben Militärbrieftauben sind oder Brieftauben der Zuchtvereine, die diese Tiere der Militärbehörde zur Verfügung stellen mußten und hierdurch Militärbrieftauben geworden sind. Da eine Anzahl Mitglieder der Brieftaubenvereine andauernd darüber Klage führen, daß ihre Tiere entweder gar nicht zurückkehren oder angeschossen, so wird hiermit nochmals auf die strengen Strafbestimmungen aufmerksam gemacht. Mitglieder des Brieftaubenvereins „Kriegpost“ haben Prämien ausgesetzt für denjenigen, der die unverbesserlichen Brieftaubenschützen so namhaft macht, daß diese zur Anzeige gebracht werden können. Feldernde Tauben bringen dem Landwirt keinen Schaden, da, wie einwandfrei festgestellt ist, die Nahrung felderner Tauben hauptsächlich aus Unkrautsamen besteht.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
An das liebe Christkind im Himmel bei dem Engel, so schreibt ein kleiner Junge aus der Eifel: Liebes Kristkind. Ich will dieses Jahr nichts haben. Bringe es den Kindern, deren Vater im Krieg ist. Ich hatte schon in den Krieg gehen wollen. Ich wäre auch gegangen, aber meine Eltern wollten es nicht haben.
Die Ausstellung zeitgenössischer Künstler, die z. Zt. im Obernier-Museum untergebracht ist, erfreut sich eines ziemlich regen Besuches. Neuerdings ist die Sammlung um einige Bilder von Paul Seehaus vermehrt worden. Findet man sich mit der Tatsache ab, daß sich der Kubismus mit seinen Zwischenstufungen sich nun einmal im Kunstleben breitgemacht hat und geradezu „Modesache“ geworden ist, so kann man beim Betrachten der fünf Bilder feststellen, daß man es hier mit einem maßvollen Vertreter dieser Richtung zu tun hat. Ihm ist die „Idee“ des Gegenständlichen immer noch wichtiger, als die als das „schrankenlose Ausleben des farbigen Gefühles“ (wie Corinth dies einmal gesagt) auf die Leinwand. [sic!] – Der Zufall will, daß neben diesen Bildern ein Kinderbildnis des früheren Bonner Malers Paul Türoff hängt. Ein köstliches Bild, das dem Beschauer ebenfalls klar macht, wie sich dieses „farbige Gefühl“ in einer wenn auch gewagten Zusammensetzung (in diesem Fall Grün in Grün) auf eine „andere“ Art und Weise, jedenfalls aber mit künstlerisch stärkerem Temperament „auslebt“.
Die Kriegsnot machte eine Mutter, die wegen Hehlerei vor der Strafkammer stand, dafür verantwortlich, daß ihr Junge, ein 15jähriger Laufburschen, 60 Mark gestohlen hatte. Der Junge hatte das gestohlene Geld seiner Mutter gegeben, die es für die täglichen Lebensbedürfnisse verwendete. Auf die Frage, warum er das Geld gestohlen habe, erwiderte der Angeklagte, er habe seiner Mutter helfen wollen. Zu Hause sei Not. Das Gericht verurteilte den Burschen wegen Diebstahls zu vier Wochen, die Mutter wegen Hehlerei – weil sie gewußt hatte, daß es sich um gestohlenes Geld gehandelt habe – zu sechs Wochen Gefängnis.
Brieftaubenschützen. Die Militärbehörde hat wiederholt Verwarnungen gegeben für diejenigen Schützen, die es noch immer nicht unterlassen können, auf feldernde Tauben zu schießen. Es muß noch mal darauf hingewiesen werden, daß alle im Feld befindlichen, nach Futter suchenden Tauben Militärbrieftauben sind oder Brieftauben der Zuchtvereine, die diese Tiere der Militärbehörde zur Verfügung stellen mußten und hierdurch Militärbrieftauben geworden sind. Das eine große Anzahl der Militärbrieftauben-Vereine andauernd darüber Klage führt, daß ihre Tauben entweder gar nicht zurückkehren oder angeschossen werden, so wird hiermit nochmals auf die strengen Strafbestimmungen aufmerksam gemacht. Mitglieder des Brieftaubenvereins „Kriegspost“ haben Prämien ausgesetzt für denjenigen, der die unverbesserlichen Brieftaubenschützen so namhaft macht, daß diese zur Anzeige gebracht werden können. Feldernde Tauben bringen den Landwirten keinen Schaden, da, wie einwandfrei festgestellt ist, die Nahrung feldernder Tauben hauptsächlich aus Unkrautsamen besteht.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Sind nur die „Mieter“ im Krieg? Wenn man die fortwährenden Sprechsaalartikel gewisser Mieter liest, sollte man meinen, die Verteidigung unseres lieben Vaterlandes hinge nur von den Mietern ab.
Es gibt in Bonn Fälle, wo Handwerker, die durch ihren Beruf gezwungen sind, Haus-„Besitzer“ zu sein, im Felde stehen. Der Zufall will es, daß die meisten in einem solchen Falle Bewohner des Hauses sind. Die Werkstelle legt brach, die hohe Miete in Form von Zinsen geht weiter. Könnten da die Mieter, so weit sie nicht im Kriege sind, nicht sagen, wir wollen der Hausfrau monatlich 3 – 4 Mark mehr Miete zahlen, wo jene meist wissen, daß Frau Sorge hier eingezogen. Ich stelle die Behauptung auf, Haus-„Besitzer“ im wahren Sinne des Wortes gibt es in Bonn wenig, die sich mit Mietern herumärgern müssen; die tatsächlichen Besitzer von Häusern wohnen meistens allein.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Der Naturheil-Verein feierte letzten Sonntag sein diesjähriges Weihnachtsfest. Der Saal im kath. Vereinshause war bis zum letzten Stuhl besetzt. Theaterstücke, von 31 Kindern des Vereins aufgeführt, sowie andere Bühnen- und Musikvorträge wechselten in bunter Reihenfolge und fanden großen Beifall. – Eine Festrede des Vorsitzenden legte die Ziele und Aufgaben des jungen Vereins dar, der nur der Wohltätigkeit und Aufklärung des Volkes sich widme, in letzter Zeit für die Linderung des Loses der in Feindesland stehenden Vaterlandsverteidiger arbeite und für dieselben große Opfer gebracht habe. – Eine Verlosung gediegener Gegenstände bildete den Schluß des Festes.
Sanitätshunde. Von der hiesigen Sammelstelle sind gestern abend wieder drei weitere Sanitätsführer mit Hunden nach der Front abgegangen. Führer sind die Herren Referendar Br. Beckhoff, Referendar Hölken und Gymnasialschüler Fritz Monreal aus Bonn. Die Hunde sind für das 1. bayrische Armeekorps bestimmt. Die Führer sind zunächst nach München beordert worden, wo ihre Einkleidung erfolgen wird. In den nächsten Tagen werden die übrigen Führer und Hunde der hiesigen Meldestelle sämtlich zur Front abgehen. Es werden daher wieder weitere Führer und Hunde eingestellt. Herren, die sich für diesen vaterländischen Dienst zur Verfügung stellen wollen, wollen sich umgehend bei dem Leiter der Meldestelle Herrn Polizeikommissar Flaccus, Kirsch-Allee 23 hier, melden. Es wird darauf hingewiesen, daß landsturmpflichtige und nicht mehr landsturmpflichtige Personen, auch solche mit geringen körperlichen Fehlern, die aber unbedingt marschfähig sein müssen, eingestellt werden können. Die Bestimmungen über die Versorgung der Militärpersonen finden daher auch auf sie Anwendung.
Ein 21jähriger Schmiedegeselle aus Frankfurt a. M., der am Samstag abend auf dem Kaiser-Karl-Ring und in der Adolfstraße versucht hatte, einer Dame das Handtäschchen zu entreißen, wurde von der Polizei festgenommen. Auf das Hilfegeschrei kamen drei Soldaten hinzu und faßten den Burschen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Wer ertragfähiges Land unbebaut liegen läßt, entzieht in ernstester Zeit dem deutschen Volke einen Teil der Nahrung. In Festungen wird der Anbau von oben herab erzwungen. Unser Vaterland ist aber eine große Festung, und auf das Aushungern hat England seine Hoffnung gesetzt. Bonn ist von Baugelände umgeben, das zum großen Teil ohne schwere Kosten mit Nutzen bestellt werden kann. In der Kriegszeit kann es uns Nahrung schaffen, aber auch in der Friedenszeit ist es dauernd nötig, die Selbstversorgung unseres Vaterlandes möglichst vollkommen zu machen. Die Besitzer von Baugeländen werden weiter auch bei dem glänzenden Friedensschlusse nicht viel Gelegenheit zum Verkaufe für sofortigen Häuserbau haben. Wer also jetzt sein Baugelände wieder bestellen läßt, dient nicht nur dem Nutzen der Allgemeinheit, sondern auch dem eigenen. Es ist die höchste Zeit, die Bestellung der Ländereien zu beginnen. An jeden Besitzer ertraglosen Bodens geht die dringende Bitte, diese Zeilen zu beherzigen, und sofort danach zu handeln. Wir haben vielerlei Ausschüsse; ein Ausschuß für Anbau jetzt unbestellter Ländereien wäre sehr notwendig. Aber niemand warte ab, sondern jeder handele! Er dient dann dem Vaterlande, dem Volke, der Stadt und sich selbst. Jede Zeitung eröffne eine Anzeigenspalte „Unbebautes Gelände“, damit sich Eigentümer und Bebauer zusammenfinden. Auch an die herrschaftlichen Gärtner, wie dessen Herren, geht die Lehre: Rosen und Chrysanthemen kann man nicht essen; das Volk aber muß ernährt werden! Civis
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Mittwoch, 23. Dezember 1914
Weihnachtsfeier bei den Verwundeten. Am gestrigen Abend fand im Reservelazarett in der Rosenstraße hierselbst für die dort untergebrachten Verwundeten bei prächtig geschmückten Tannenbaum eine schöne Weihnachtsfeier statt. Dieselbe ging von der Wohltätigkeit einiger ungenannter hochherziger Damen der Poppeldorfer Allee aus. Dieselben hatten einen jeden dieser tapferen Krieger recht reichlich beschert. Mit sehr wirkungsvollen und zu Herzen gehenden Worten schilderte Herr Zahnarzt Heyden, der gleichzeitig leitender Arzt ist, das „Weihnachtsfest 1914“, wobei er u.a. die einzelnen gegen uns kämpfenden Nationen charakterisierte und hierbei die Vorzüge des deutschen Soldaten markant hervorhob. Jeder Teilnehmer war von den vortrefflichen Worten und den ganzen Darbietungen feierlich ergriffen und diese ließen die Schwergeprüften eine Zeitlang ihr trauriges Los vergessen. Die hochherzigen wohltätigen Damen mögen sich durch das ausgesprochene Dankesgefühl der Verwundeten für ihre Opferwilligkeit belohnt fühlen. Für dieses wie auch für alle anderen bisher jenen Schwergeprüften gewährten Zuwendungen sei ihnen hier nochmals der Dank ausgesprochen.
Die Gesellschaft für Literatur und Kunst veranstaltet am Sonntag, 27. Dezember, nachmittags 6 Uhr in der Lese einen Legendenabend. Dr. Richard Benz aus Heidelberg wird aus seinen oft gerühmten Nachdichtungen mittelalterlicher deutscher Legenden vorlesen.
Meldepflicht aller in Privatpflege befindlichen Verwundeten. Das Garnisonskommando gibt folgendes bekannt. „Alle in Bonn in Privatpflege befindlichen Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften haben sich, wenn noch nicht geschehen, unverzüglich persönlich – und falls dies ihr körperlicher Zustand nicht erlaubt -, schriftlich beim Garnisonskommando anzumelden.“
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Einschränkung der Neujahrskarten für Feld und Heimat. Der Feldpostbriefverkehr nimmt dauern an Umfang zu; nur mit Aufbietung aller Kräfte ist es bis jetzt gelungen, ihn ordnungsmäßig zu bewältigen. Ihm drohen aber neue Gefahren, wenn ein Austausch von Neujahrskarten in dem in Friedenszeiten üblichen Umfange zwischen der Heimat und den Angehöriges des Heeres in diesem Jahre stattfindet. Es ist unmöglich, im Felde Aushilfspersonal einzustellen. Durch solche Massenversendungen würde nicht nur der Dienstbriefverkehr, sondern auch der persönliche Privatbriefverkehr leiden; aus diesen Gründen ersucht die Heeresverwaltung das Publikum dringend, die Absendung von Neujahrsglückwünschen durch die Feldpost zu unterlassen. Auch die Versendung von Glückwünschen in die Heimat sollte man einschränken. Die hierdurch ersparten Summen würden, wie dies auch bereits in früheren Jahren vielfach geschehen ist, wohltätigen Zwecken zuzuführen sein.
Die Weihnachtsbescherung der Verwundeten hat in der Kapelle des Friedrich-Wilhelm-Stift würdig und schlicht bei gemeinsamen Weihnachtsgesängen, Schwesternchören und einer Ansprache des Herrn Superintendenten Bleibtreu stattgefunden. Dann gingen die Leichtverwundeten mit zur Bescherung ihrer schwerverwundeten Kameraden in die große Baracke. Ein Bonner Student trug ein den Schwestern, Hilfsschwestern und freien Hilfen im Friedrich-Wilhelm-Stift gewidmetes Dankgedicht vor.
An die Feier schloß sich ein gemeinsames Abendessen, wozu das Kuratorium, die Aerzte mit ihren Damen, Offiziere, Mannschaften und Schwestern des Lazaretts, sowie eine große Anzahl Bonner Damen, die die Speisung der Ambulanten übernommen haben, sich eingefunden hatten. Darbietungen aller Art hielten die Teilnehmer noch lange zusammen. Superintendent Bleibtreu brachte ein Kaiserhoch aus, während Leutnant Füchtjohann allen dankte, die ihr Scherflein zur Feier beigetragen haben.
Ein „Weltreisender“ vor dem Kriegsgericht. Ein 46jähriger Mechaniker aus Düsseldorf hatte seinerzeit um 15.000 Mk. eine Wetter eingegangen, daß er in einer bestimmten Frist eine Fußtour durch ganz Europa machen werde. Der Wettbetrag wurde auf 15.000 Mk. festgesetzt und sollte zum Ankauf eines Flugapparates verwandt werden. Nach Antritt der Reise kaufte der Weltreisende in Hamburg einen Revolver, den er auf der ganzen Tour mit sich führte. Am Ende der schönen dreijährigen Reise kam er jetzt nach Köln, wo er in einer Wirtschaft von einem Wehrmann scharfe Patronen zu kaufen wünschte. Dem Soldaten kam das verdächtig vor und erließ jenen verhaften. Das außerordentliche Kriegsgericht verurteilte den Weltreisenden wegen verbotenen Waffentragens unter Berücksichtigung des erschwerenden Umstandes, daß er einen Soldaten zum Patronenverkauf anstiften wollte, zu zwei Monaten Gefängnis.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Landsturmmänner, welche Tag und Nacht im weiten Deutschen Reiche die Bahnwache versehen, bitten sehr, sie bei den Liebesgabenspenden nicht zu vergessen. Sie müssen bei Wind und Wetter, bei Regen und Kälte auf ihrem Posten ausharren und haben oft nichts, was ihnen die Beschwerden ihres eintönigen Berufes ein wenig erleichtert. Es fehlt ihnen vor allem an Tabak und Pfeifen, an Kartenspielen für die Mußestunden, gelegentlich auch an Speck und Wurst und nicht zuletzt an wärmender Unterkleidung.
Die Sammlung von Wollresten, die der Ausschuß für hauswirtschaftliche Kriegshilfe veranstaltete, hatte ein sehr erfreuliches Ergebnis. Es wurden gesammelt: 637½ Kilo Wolltuch, 74½ Kilo Gestricktes , 493 Kilo Gemischte Stoffe. Das entspricht einem Wert von etwa 1500 Mark.
Der Bonner Maler Seehaus stellt jetzt im Oberniermuseum einige seiner Bilder aus. Nichts konnte für Seehaus vorteilhafter sein, als die nahe Nachbarschaft mit Türoffs grünem, flachsigem Kinderbildnis. Hier stoßen sich zwei Pole ab. Türoff begnügt sich mit der bloßen Zustandsschilderung, der er allerlei Impressiönchen und Sentimentalitäten zugibt. Seehaus wurde von dem Drang nach der mythischen Version aus der alten Malweise auf den Weg zum Kubismus geführt. Ich weiß Keinen zu nennen, dem man auf diesem Wege so weit folgen kann, wie Seehaus. Er löst seine Bilder nicht wie der strenge Kubismus (über dessen Berechtigung hier nicht gesprochen werden soll) in Pyramiden und Kuben auf, er verzichtet nicht so sehr auf die Bedeutung des Materiell-Gegenständlichen, daß eine perspektivische Raumvorstellung nicht mehr zustande kommt, seine Bilder sind nicht nur „Fläche“ wie bei Picasso. Aber da sein Streben nach Vergeistigung von einer ganz persönlichen Anschauungsweise getragen wird, muß seine Kunst wohl immer eine Angelegenheit für einen kleinen Kreis stiller Menschen bleiben. Sch.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Den Bonner Damen zu Nachahmung!
Am Sonntag besuchte ich eine Freundin in Meckenheim. Am abend holte ich sie aus einer Versammlung junger Mädchen ab, welche unter dem Vorsitz eines Bahnbeamten stattfand. Und was schaute ich, als ich in den Saal eintrat? Ein Märchenbild aus „Tausend und einer Nacht!“ – Auf langen Tischen standen vierzig kleine Weihnachtsbäumchen, von den Damen allerliebst herausgeputzt, der Gefahr halber ohne Kerzen. Sie waren für die Sanitätszüge bestimmt. Jeder Wagen soll ein Bäumchen erhalten und die Lokomotive ein größeres. Und noch mehr! Für jeden Verwundeten noch eine Weihnachtstüte mit Lebkuchen, Spekulatius, Schokolade usw. Durch diese sinnige Liebesgabe wird auch in die Herzen unserer lieben Krieger süßer Weihnachtsfriede einziehen und sie für einige Stunden vergessen machen, daß sie fern sind ihren Lieben. Alle Bäumchen waren mit Wurzel eingepflanzt und so werden sie zeitlebens ein liebes Gedenken der deutschen Treue sein.
Weiter erzählte mir der Vorsitzende, wie sehr sie für die durchfahrenden Truppen besorgt seien und seine Augen glühten vor patriotischer Begeisterung, als er hinzufügte, daß er und seine Meckenheimer Damen – die weder Mühe noch Wege scheuten – schon manchem das Leben gerettet. Davon zeugen viele rührende Dankeskarten. Doch auch Frohsinn war Gast in dem kleinen Kreise. Man spielte und sang und „Durch des Vorsitzenden ‚List und Tück’ - floß auch manches blinkende Stück – in sein Soldatensäckel.“
Aber nun behauptete man in Meckenheim, wir Bonner Mädchen wären nicht so patriotisch. Das dürfen wir uns nicht bieten lassen und darum, liebe Bonnerinnen, frisch an’s Werk: Noch haben wir zwei Tage und manches Bäumchen können wir noch schmücken. Das „Rote Kreuz“ am Bonner Bahnhof nimmt sie sicher gerne entgegen. Eine Bonner Patriotin
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Donnerstag, 24. Dezember 1914
Einschränkung der Neujahrsglückwünsche. Der Feldpostbriefverkehr nimmt andauernd an Umfang zu; nur mit Aufbietung aller Kräfte ist es bis jetzt gelungen, ihn ordnungsgemäß zu bewältigen. Ihm drohen aber neue Gefahren, wenn ein Austausch von Neujahrskarten in dem in Friedenzeiten üblichen Umfange zwischen der Heimat und den Angehörigen des Heeres in diesem Jahre stattfindet. Es ist unmöglich, im Felde Aushilfspersonal einzustellen. Durch solche Massensendungenwürde nicht nur der Dienstbriefverkehr, sondern auch der gewöhnliche Privatbriefverkehr leiden; aus diesen Gründen ersucht die Heeresleitung das Publikum dringend, die Absendung von Neujahrsglückwünschen durch die Feldpost zu unterlassen. Auch die Versendung von Glückwünschen in die Heimat solle man einschränken. Die dadurch ersparten Summen würden, wie dies auch bereits in früheren Jahren vielfach geschehen ist, wohltätigen Zwecken zuzuführen sein.
Hilfsstelle zu Ermittlung von Kriegsgefangenen. Bei der gestrigen Aussprache kam zunächst eine von dem Lager zu Mont Louis eingegangene Liste von 24 Gefangenen rheinischer Regimenter zur Verlesung. Aus sonstigen Nachrichten ging hervor, daß von einem seit August vermissten Wehrmann erst jetzt aus St. Nazaire Nachricht eingetroffen sei. Die Mitteilung eines gefangenen Bonners, daß er in dem gesandten Paket außer den Lebensmitteln eine leere Zigarrenkiste vorgefunden und der Inhalt der letzteren wohl unterwegs Liebhaber gefunden habe, war von der Zensur mit dem Vermerk „Verboten“ versehen worden. Es empfiehlt sich daher, Zigarren an Gefangene in Frankreich nicht abzusenden. Da aus manchen Briefen hervorgeht, daß die Gefangenen Lebensmittel sehr benötigen, wurde die Frage gestreift, ob nicht auch die Absendung von Liebesgaben, wenigstens an solche Gefangene, die von unbemittelten Angehörigen kaum etwas zu erwarten haben, am Platze sei. Solche ärmere Gefangene sind der Hilfsstelle bekannt. Zweifellos würde diesen Kriegern, zumal sie teils noch neben dem seelischen Leid der Gefangenschaft das körperliche zu tragen haben, ein solcher Gruß aus der Heimat das getroffenen Los mildern und sie erfreuen. Leider hat die Hilfsstelle keinerlei Mittel, um derartige Pflichten zu erfüllen. Die nächste Aussprache wurde für den 4. Januar angeordnet.
Die Hansa-Handels-Schule veranstaltete am Montag ihre diesjährige Weihnachtsfeier. Die Schüler und Schülerinnen hatten wieder einen reichen Gabentisch für armen Kinder aufgebaut und erfreuten die Anwesenden ferner durch Gesang-, Musik- und Gedichtvorträge usw. Zur Verschönerung der Feier trug namentlich auch die Lehrerin Frl. Funke durch ihre Lieder zur Laute bei. Außer den Armen wurden auch unsere tapferen Krieger nicht vergessen; eine Anzahl Verwundeter aus den hiesige Kliniken nahm teil an der Feier, ward vom Nikolaus – nicht dem russischen – mit allerlei Nützlichem und Angenehmen bedacht und verbrachte so etliche frohe Stunden im fröhlichen Kreise.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Katholischer Gesellenverein. Statt der sonstigen Weihnachtsaufführung findet in diesem Jahre am 2. Weihnachtstage abends 6 Uhr nur eine kleine, patriotische Veranstaltung verbunden mit kurzer Weihnachtsfeier statt. Herr Klutmann wird dabei einen Lichtbildvortrag über den Kampf im Argonnerwald halten (Eintrittsgeld wird nicht erhoben.)
Weihnachtsfeier im Garnisonlazarett. Am Mittwoche abend fand im Garnisonlazarett eine stimmungsvolle Weihnachtsfeier statt. Angesichts des strahlenden, mit reichem Schmuck behängten Baumes, der im größten Krankenraume seine Aufstellung gefunden hatte, hielt Dechant Böhmer inmitten der Verwundeten und zahlreicher Gäste, die in den Kriegsmonaten ihr besonderes Interesse dem Lazarett bewiesen hatten, eine zu aller Herzen gehende Ansprache. Ein gemeinsam gesungenes Weihnachtslied spann die Gedanken der Rede in sinniger Weise fort. Nun öffnete sich die Tür, und eine Schar kleiner Kinder aus dem Kinderhort, zum Teil als Heinzelmännchen verkleidet, mit dem Weihnachtsmann an der Spitze, führte ein kleines volkstümliches Weihnachtssingspiel auf, das viel Beifall fand; es endete mit der Verteilung der für jeden Insassen des Lazaretts bestimmten Gaben. Hierauf erfreute Schwester Selma Weiß noch mit ihrem trefflichen Singchor, dem die LazaretteBonns schon manche schöne Stunde verdanken, die Festteilnehmer. Zum Schluß dankte ein verwundeter Unteroffizier im Rahmen aller in kernigen Worten sämtlichen Veranstaltern des schönen Abends. Ein besonderer Dank aber gebührt den unermüdlichen Krankenschwestern des Lazaretts sowie dem Herrn Oberinspektor Thaa, welche vereint die Vorbereitungen und die Durchführung des wohlgelungenen Festes übernommen hatten.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Vaterländische Reden und Vorträge. Am sechszehnten Abend sprach der Bonner Benediktinerpater Albert Hammenstede über „Krieg und Soldatenstand im Lichte der katholischen Liturgie“. Kriegen, richtig verstanden, ist ein Kampf für Gott als die höchste Wahrheit, sagte P. Hammenstede. Diesen Krieg läßt die katholische Kirche nicht nur zu, sie befürwortet ihn sogar und gibt dieser ihrer Ueberzeugung in der Liturgie Ausdruck. Betend, segnend und opfernd tut die Kirche alles für das Vaterland und seine Söhne; jedem Krieger ist sie nahe. Nicht der Haß treibt uns ja das Schwert in die Hand, sondern die grenzenlose Liebe zum Inbegriff des Rechtes und der Wahrheit: zu Gott. So kann man von einer Heiligkeit des Krieges sprechen. P. Hammenstede erklärte sehr ausführlich die Zeremonien der liturgischen Handlungen, in welchen die katholische Kirche durch den Bischof den Soldat, seine Uniform, seine Waffe und die Fahne weiht, er wies auf die Gebete und Psalmen hin, in denen der Priester bei der hl. Messe Gott um seine Hilfe für die kämpfenden Heere anruft und er sprach von dem Gebet der Gläubigen, von den Bittprozessionen um einen glücklichen Ausgang des Krieges. Der Vortrag wird am 2. Januar wiederholt.
Im Mutterhaus vom Roten Kreuz fand, wie dies in vielen Mutterhäusern Sitte ist, eine Kinderbescherung statt, welche sich besonders schön gestaltete durch die Anwesenheit Ihrer Königlichen Hoheit der Frau Prinzessin zu Schaumburg-Lippe, die Ehrenmitglied des Mutterhauses ist. Die Bescherung trug in diesem Jahr einen ganz besonderen Charakter; denn neben den erschienenen Gästen scharten sich mit den Kindern unsere verwundeten Krieger um den silberglänzenden Weihnachtsbaum. Auch die außerhalb stationierten Schwestern waren vollzählig erschienen, sind sie es doch, die in wochenlanger Arbeit neben der Pflege die sämtlichen Bekleidungsgegenstände für die Kinder selbst angefertigt haben. – Die Verwundeten, welche sich bei den Vorbereitungen auch gerne und eifrig betätigt hatten, ließen es sich nicht nehmen, die Feier durch sorgsam einstudierte Darbietungen zu verschönen. (…) Möge der Wunsch des Geistlichen, daß der Friedensfürst unserem Vaterland nach erfolgreichem Kampfe einen ehrenvollen dauernden Frieden bescheren möge, recht bald in Erfüllung gehen!
Weihnachtsfeier der Kinderhorte. Im großen Saale des Bürgervereins fand am Dienstag nachmittag die Weihnachtsfeier der 4 Horte des Kath. Frauenbundes statt. Fast 400 Kinder hatten sich, zum Teil mit ihren Müttern, versammelt, um mitten in der harten Kriegszeit das Fest des Friedens, das Fest der Kinder zu feiern. Weihnachtsklänge, liebe, altvertraute, von Kindermund schlicht und fromm gesungen, trugen Weihnachtsstimmung in aller Herzen, gemischt freilich mit Wehmut beim Gedenken an all‘ die draußen im Felde Weihnachten Feiernden. Herr Oberpfarrer Böhmer hielt in warmen Worten eine Ansprache an die Kleinen, ihnen als echten, deutschen Kindern die Waffe des Gebetes zur Mithülfe an dem großen Kampfe empfehlend und sie auffordernd zu pünktlichem, freudigem Gehorsam. (…) Alle Darbietungen, vor allem auch ein allerliebster Engelreigen und der , von einer jungen Dame stimmungsvoll vorgetragene Prolog, dem Gedanken Ausdruck gebend, daß nur durch Kampf der echte Frieden zu gewinnen sei, fanden reichen Beifall und dankbare Anerkennung.
Ein Bonner Offizier erzählt uns folgende Begebenheit, die sich an einem Ort unserer Westgrenze zugetragen hat:
„Zweihundertzwanzig Landsturmleute stehen in Reih und Glied vor mir und erwarten meine Kommandos. Da ich das Recht habe, zwanzig von ihnen als überzählig zu entlassen, richte ich folgende Frage an sie:
„Leute! zwanzig von euch, die gerne entlassen wären, mögen vortreten; wir haben Mannschaften zuviel! …
Niemand tritt vor.
Da sage ich mit erhobener Stimme:
„Versteht mich recht, Leute! Es sind doch gewiß viele unter euch, die Frau und Kinder, vielleicht eine recht zahlreiche Kinderschar zu Hause haben und deshalb sicher gerne daheim blieben, anstatt ins Feld zu ziehen. Es wird euch gar nicht verübelt, wenn ihr vortretet; ich bin selbst ein alter Familienvater und fühle mit euch; also nachmals: vortreten wer entlassen sein soll!“
Stramm und stolz stehen 220 Landsturmleute vor mir, alles bärtige Männer und keiner von ihnen rührt sich, trotzdem ich weiß, daß der größte Teil von ihnen zu Hause Weib und Kinder hat. Nicht wahr, das ist echte, die große, ganz starke Liebe zum Vaterland. Ich bin stolz auf meine Landsturmmänner, und ich habe ihnen das auch gesagt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
An unsere Beamten.
Wie wäre es, wenn am 1. Januar d. Js. alle Reichs-, Staats- und Kommunalbeamten, sowie auch alle Pensionäre Bonns eine kleine Spende für das „Rote Kreuz“ beisteuern wollten, es würde dann eine ganz schöne Summe in Bonn zusammen kommen; auch dürfte dieses patriotische Werk in andern Städten Nachahmung finden. Ein Pensionär.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Freitag, 25. Dezember 1914
Schwestern zur Front. Am 23. Dezember entsandte der Vaterländische Frauen-Verein, Stadtkreis Bonn, sechs Schwestern zur Arbeit nach St. Quentin. Die Schwestern waren vom Herrn Territorialdelegierten für freiwillige Krankenpflege dringend angefordert worden.
Weihnachtsgaben für die Verwundeten. Das Delikatessenhaus Braunschweig hat gestern sämtliche Lazarette mit Weihnachtsgaben (Wein, Kognak, Rum, Obst usw.) reichlich beschenkt. Dem Geber sei auch an dieser Stelle der Dank der Verwundeten ausgesprochen.
Der Wehrbund veranstaltet am dritten Feiertag (Sonntag) eine Marschübung über die Berge nach Mehlem und zurück. Alle Abteilungen treten hierzu um ½8 an der Südschule in Kessenich an. (...)
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Weihnachten 1914.
Wir starren in das Kerzenlicht
Und begreifen es nicht,
Daß in das Dröhnen der Weihnachtsglocken
Kanonendonner sich mischt,
Daß in das helle Kinderfrohlocken
Todbringend die Granate zischt.
Schmerzgeschrei die Luft durchgellt,
So mancher Soldat vornüber fällt.
Der noch im Tod das Schwert umklammert hält.
Menschenliebe, Menschheitsfrieden
Singen die Glocken
Allerwärts.
Erschrocken
Greifen wir ans Herz:
Noch ist uns nicht beschieden
Jener Frieden,
Von dem die Engel singen
Und die Herzen wiederklingen.
Haß, Wut und Neid hat den Frieden zerstört,
Die Menschen betört,
Daß sie sich in blutigen Schlachten
Zu erwürgen trachten. –
Und nun erstarrt die Welt im Leid.
Menschheitsfrieden? – Noch ist er weit.
Und noch viele werden zu Boden sinken,
Der Winterschnee wird ihr Herzblut trinken.
Und der Tod
Tritt noch in manche Stube, wo jetzt
der Christbaum loht.
Wir starren in das Kerzenlicht,
Wir trauern wohl, aber verzagen nicht.
Wir wissen, daß nach dieser Winternacht
Ein schönerer Morgen dereinst erwacht,
Wo Schlachtenlärm und Donner schweigt,
Der Sieg sich zu uns neigt
Und sich über das deutsche Land
Ein Friedenshimmel spannt.
Kommt dann das Christkind, werden
Die Glocken jauchzend erschallen
Und die Wahrheit wird in uns widerhallen:
„Frieden den Menschen auf Erden
Und den Menschen ein Wohlgefallen."
Heinz Dohm – Bonn
Weihnachten 1914 ist mit eisernem Griffel in unsere Herzen eingeschrieben. Der fröhliche Frieden, der sonst im Familienkreise unter dem brennenden Weihnachtsbaum heimisch war, ist in diesem Jahr ernster Nachdenklichkeit und hier und da banger Sorge um das Leben der Väter, Söhne und Brüder gewichen. Aber als dann die Frage auftauchte, ob die Weihnachtstage den Zauber des Christbaumes entbehren sollten, da stemmten sich hoch Tausende gegen dieses Ansinnen. Der Weihnachtsbaum sollte nicht fehlen, und fast noch mehr als in früheren Jahren wurde der Tannenbaum begehrt und gekauft.
Es ist wohl so, daß wir das Weihnachtsfest 1914 noch inniger, trautlicher gestalten wollen, um den Kindern, für die ja der Tannenbaum eigentlich bestimmt ist, keine bangen Gedanken aufkommen zu lassen, keine verwunderten Fragen „Warum haben wir keinen Weihnachtsbaum?“ Dann auch ist es für unsere Tapferen im Felde beruhigend, wenn sie wissen, daß daheim die Weihnachtslichter frohe, zufriedene Mienen bescheinen, und daß das Leben in der Heimat seinen ruhigen Gang weitergeht.
Das Bonner Stadtbild zeigte in den letzten Wochen einen regen Verkehr. Außer den Verwundeten, die in den Lazaretten untergebracht sind, sind viele Weihnachtsurlauber hier eingetroffen. Man sieht viele zugereiste Familienmitglieder der hier weilenden Krieger, die die Feiertage gemeinschaftlich mit ihnen verbringen wollen. Das Weihnachtsgeschäft hat sich in den letzten Tagen noch recht gehoben, und wenn man in Betracht zieht, daß man in den ersten Kriegswochen an ein völliges Darniederliegen des Geschäftsverkehrs dachte, so kann man jetzt mit freudiger Genugtuung feststellen, daß, dank unserer guten Wirtschaftslage, der Geschäftsverkehr eine starke Aufwärtsbewegung gemacht hat. Und auch diese Tatsache wird mit dazu beitragen, daß es uns gelingen wird, durchzuhalten.
Der Vaterländische Frauenverein des Stadtkreises Bonn entsandte am 23. Dezember auf dringende Anforderung des Territorialdelegierten für freiwillige Krankenpflege sechs Schwestern zur Arbeit nach St. Quentin.
Mehlem, 23. Dez. Für die Kinder der Suppenküche Mehlem-Lannesdorf veranstaltete Frau W. Th. Von Deichmann, Mehlemer Aue, am Samstag eine hübsch verlaufene Weihnachtsfeier, an der auch die Vorsitzende des Vaterländischen Frauenvereins, Frau Bürgermeister Dengler, teilnahm. Die Lehrerinnen Frl. Schütz und Hoff (Mehlem), Frl. Kalscheuer (Lannesdorf) haben durch Gesangsdarbietungen und ein Weihnachtsspiel die Feier verschönt. Die Aufsichts- und Hülfsdamen der Suppenküche hatten es übernommen, den Kindern Schokolade und Gebäck zu reichen. An 300 Kinder wurden am Schluß mit Spielsachen, Büchern und Leckereien beschenkt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Von der Handelskammer zu Bonn ist uns ein Aufruf zur Sammlung von Mitteln zur Ausrüstung des ersten deutschen Lazarettzuges für die türkische Armee mit der Bitte um Weiterverbreitung zugesandt worden. (…)
Wenn auch tagtäglich die Opferwilligkeit unserer Bevölkerung zur Linderung der Kriegsnot von den verschiedensten Seiten angerufen wird und verhältnismäßig große Opfer gefordert werden, so möchten wir doch der Zuversicht Ausdruck geben, daß vorstehender Aufruf nicht unbeachtet bleibt, sondern möglichst alle Kreise sich dazu bereitfinden, Spenden für den bezeichneten guten Zweck zu gewähren. Eilt es doch, dem türkischen Volke unsere Anerkennung dafür zu zollen, daß es uns in schwerer, ernster Zeit im richtigen Augenblick treue Freundschaft bekundete. Auch dem türkischen Volke gegenüber soll Treue um Treue gehalten werden.
Spenden, worüber öffentlich quittiert werden soll, nimmt unsere Expedition sowie die Geschäftsstelle der Handelskammer zu Bonn, Schumannstraße gern entgegen.
Eine nachahmenswerte Weihnachtsbescherung bereiteten die bemittelten Angehörigen der ersten Kompagnie des Landsturm-Infanterie-Bataillons Bonn ihren hilfsbedürftigen Kameraden von der gleichen Kompagnie. Sie zeichneten insgesamt einen Betrag von weit über 1000 Mark, kauften dafür von der Stadtverwaltung Gutscheine für Lebensmittel und Briketts und verteilten die Scheine an die Frauen jener Kameraden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Samstag, 26. Dezember 1914
Am zweiten Weihnachtstag erschienen in Bonn keine Zeitungen.
Sonntag, 27. Dezember 1914
Die Weihnachtstage sind bei klarem Frostwetter zu Ende gegangen. Morgens glitzerte Rauhreif auf den Feldern und Bäumen. Die Kälte ließ es zu Hause in der warmen Stube noch einmal so behaglich sein. Während der Christbaum strahlte und Weihnachtslieder gesungen wurden, flog dankbar-inniges Gedenken zu unseren braven Kriegern in Feindesland. In dieses Gedenken kam die hoffnungsvolle Zuversicht, daß der Krieg bald zu einem für uns glücklichen Ende geführt werden, damit unsere Feldgrauen, das Siegeslorbeer-Reis am Helm, wieder zu uns zurückkehren können. Den Kindern aber, die unbekümmert um Not und Krieg lachend in den Kerzenschein staunten, denen wünschte man aus tiefster Seele heraus, daß ihnen ihr Leben hindurch keine Kriegsweihnachten beschieden sein möchten, sondern Weihnachtstage unter der nie verlöschenden Sonne des Friedens.
Die Weihnachtstage von 1914 werden nicht vergessen Not, Bitternis, Entsagung, zerstörte Hoffnungen, ja die ganzen Phasen des Menschenleidens sind mit diesen Weihnachtstagen unlöslich zusammengeschmiedet. Aber noch eines haben uns die Kriegsweihnachtstage gegeben: die eisenfeste Entschlossenheit, trotz Not und Leid durchzuhalten, auf die Zähne zu beißen, mag noch kommen was will, und nicht eher Ruhe zu geben, als bis uns dieser Krieg für all das Schwere, was er uns aufgebürdet , entschädigt hat, d.h., daß uns der Frieden beschert wird, der nicht mehr von irgend einem feindlichen Nachbar gestört werden kann.
Die Weihnachtstage von 1914 hatten stahlharten Klang. Es waren Prüfungstage besonderer Art, deren uns der Krieg so viele schon gebracht hat, aber eben deshalb werden sie un vergeßlich sein. Sie haben uns geläutert und darum möchten wir sie trotz ihrer Schwere nicht missen.
Der Straßenverkehr war am ersten Feiertage, wie nicht anders zu erwarten, sehr still, da es die Meisten nicht vom Hause fortlockte. Der zweite Feiertag brachte mehr Verkehr, insbesondere sah man viele Bewohner der Umgegend in den Straßen und Lokalen der Stadt. Auch die verwundeten Krieger, die in den hiesigen Lazaretten untergebracht sind, haben ihr Weihnachtsfest gefeiert. Ueberall brannte der Christbaum und freundliche Hände hatten für die Krieger zweckdienliche Gaben bereitgestellt. Hier und da wurden den Verwundeten Unterhaltungen von Gesangsvereinen usw. dargebracht, sodaß die Krieger, wen auch nicht zu Hause, so doch friedliche Weihnachten erleben durften. In der Bonner Bahnhofshalle war ein riesiger Tannenbaum mit vielen Lichtern aufgestellt, der den vorbeifahrenden Truppenzügen freundliche Weihnachtsgrüße zurief. Viele Eisenbahnzüge waren mit Tannengrün geschmückt und hier und da sah man sogar kleine Christbäumchen in den Zügen; Beweise, wie eng deutsches Wesen mit dem Weihnachtsbaum verknüpft ist.
Im Vereinslazarett vom Roten Kreuz „Glück auf“ fand am Mittwoch eine schöne Weihnachtsfeier statt. Frau Prinzessin Adolf zu Schaumburg-Lippe, die Protektorin des Lazaretts, war hierzu erschienen und überreichte den Schwestern, Aerzten, Helferinnen prächtige Gaben. Inzwischen hatten sich die nicht bettlägerischen Verwundeten unter dem strahlenden Weihnachtsbaum versammelt. Es wurden Weihnachtslieder gesungen. Weihnachtsgedichte vorgetragen und Geheimrat Dr. Walb sprach über die Bedeutung des Festes. Die Frau Prinzessin überreichte jedem Verwundeten mit freundlichen Worten sinnig gewählte Geschenke. Auch die bettlägerischen Kranken wurden durch Geschenke erfreut.
Kath. Gesellenverein. An Stelle der sonst zu Weihnachten üblichen Theateraufführung zum Besten des Gesellenhauses fand gestern abend für die Mitglieder und deren Familien eine Weihnachtsfeier statt, die derart zahlreich besucht war, daß im großen Saale des Gesellenhauses kaum noch ein Stehplatz zu finden war. Der Präses, Her Kaplan Rütters, betonte in seiner Begrüßungsansprache, daß infolge des Krieges die Weihnachtsfeier in diesem Jahre bescheidener sein soll, aber das Programm wies dennoch eine große Fülle von schönen Darbietungen in Gesang, Musik, Deklamationen, lebenden Bildern und einem Theaterstück auf. Von besonderem Interesse war der Lichtbildvortrag des Herrn Klutmann, der die Zuhörer in Wort und Bild durch den jetzt so heiß umstrittenen Argonnerwald führte. Die Anwesenden folgten mit großer Aufmerksamkeit den Ausführungen und spendeten lebhaften Beifall. Große Begeisterung erweckte der inzwischen vom General-Anzeiger eingetroffene Tagesbericht des Großen Hauptquartiers, welcher verlesen wurde, worauf die Zuhörer die Nationalhymne und Deutschland über alles sangen. Den Schluß des Abends bildete die Aufführung eines Theaterstücks von Th. Körner: „Deutsche Treue“, bei dem die Spieler des Gesellenvereins ihr bekanntes schauspielerisches Talent zur Geltung bringen konnten.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Neujahrskarten und Rotes Kreuz. Auf die gegebene Anregung, keine Neujahrskarten zu versenden, und das Geld, das für derartige Karten sonst ausgegeben wird, dem Roten Kreuz zu überweisen, muß erwidert werden, daß die Papiergeschäfte dem nicht zustimmen können. Die Lage dieser Geschäfte würde noch verschlechtert, wenn der Anregung Folge gegeben würde. Wenn für die Aufrechterhaltung des wirtschaftlichen Lebens das Wort geredet wird, dann muß man auch den Papiergeschäften gestatten, daß sie sich durchhalten können. Grade das Neujahrsgeschäft bedeutet aber für viele Geschäfte einen sog. „Raußreißer.“
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Montag, 28. Dezember 1914
Weihnachtsfeier der Verbands- und Erfrischungsstelle Bonn „Prinzessin Viktoria“ Lille. Man schreibt uns: In Feindesland, umgeben vom Donner der Geschütze, in jedem Quartier, selbst in den unwirtlichen gefahrvollen Schützengräben, läßt der Deutsche es sich nicht nehmen, seinen Weihnachtsabend zu feiern. Und so auch hier in Lille. – Ich schreibe diese Zeilen noch am Abend selber, ganz im Banne des tiefen erhebenden Eindruckes, den diese Feier auf alle Teilnehmer gemacht hat. Wir hatten den uns mit dem Weihnachtsboten zugesandten Christbaum in der größten Halle (45 : 70) aufgestellt, herrlich geschmückt von unseren Schwestern und auf allen Seiten umgeben von langen, mit weißem Leinen (auch temporäre Liebesgaben) gedeckten Tischen. Auf dem längsten waren die Geschenke für unsere Schwestern, Sanitäter, Küchenpersonal usw. ausgelegt.
Um 5 Uhr erschienen die zur Feier eingeladenen Gäste, vom Vorstand herzlich begrüßt. Es waren gekommen der Guvernör von Lille, von Heinrich mit seinem Stabe, ferner General von Grävenitz, Oberst von Dührer, Erlaucht Graf Reipperg, Obergeneralarzt Burge, Bahnhofskommandant Oberst Wupperer und viele andere. Von Fürst Adolf zur Lippe war folgendes Telegramm eingetroffen:
„Verbands- und Erfrischungsstelle Prinzeß Viktoria, Lille, Bahnhof. Vielen Dank für das hübsche Gruppenbild. Wünsche Ihnen allen ein gesegnetes Weihnachtsfest und bedauere, von hier aus nicht mehr Ihnen behilflich sein zu können wie frührer [sic]. Adolf.“
Nach der Ansprache des Generals Clemens verabschiedete sich der Guvernör von Heinrich mit besonderem Danke für die Harmoniumspielerin – denn auch ein Harmonium hatten wir requiriert – Frl. S. und den Leiter des Eisenbahnsängerchors (50 Mann), hauptsächlich aus Bonnern und Solingern bestehend. Dann entwickelte sich das Programm weiter. Zugleich mit der Bescherung unserer festangestellten Leute fand auch die der übrigen aus den vorderen Hallen herbeigeströmten Soldaten statt. Und das waren etwa 250. Auf den Tischen standen Teller mit Aepfeln und Nüssen, mit Spekulatius und Lebkuchen; Zigarren und Zigaretten wurden von den Schwestern und Sanitätern herumgereicht. Nach dem Konzert wurden dann die gespendeten Fässer Bier aufgelegt und jedem konnten zwei bis drei Glas des heimischen Trankes verabreicht werden. Wie waren sie alle so glücklich und zufrieden! Ein Hauch der Heimat war herübergeweht, und noch lange hörten wir die uns vertrauten Weihnachtslieder erklingen.
Ich hätte noch viel zu schreiben, doch es ist sehr spät und in aller Früh will Bankdirektor Weber diese Zeilen mit nach Bonn nehmen.
Ehe ich aber diesen kurzen Bericht schließe, muß ich meinem Herzen Luft machen. Oh, Ihr guten Bonner, wie habt Ihr in so überreicher, aufopfernder Weise für unsere lieben Truppen gesorgt. Das war das schönste Weihnachtsfest: wir konnten geben und glücklich machen, dank der wirklich großzügigen Wohltätigkeit der Bonner Bürgerschaft. J.
Vaterländische Reden und Vorträge. Den nächsten Vortrag hält entgegen früherer Bekanntmachung bereits am nächsten Mittwoch, den 30. Dezember, abends 8 ½ Uhr, in der Aula des Städtischen Gymnasiums Herr Professor Dr. Schumacher über „Volksernährung und Krieg“. Die Wiederholung dieses Vortrags findet am Freitag, den 1. Januar, statt. (...)
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Für bedürftige Familien Bonner Krieger veranstaltete am ersten Feiertage nachmittags 5 Uhr der Freiwillige Hilfsausschuß in der neuen Baracke an der Quantiusstraße eine Weihnachtsfeier. Etwas 50 Frauen mit 200 Kindern wurden unter dem strahlenden Weihnachtsbaum von den anwesenden Damen mit Kaffee, Milch und Kuchen bewirtet. Weihnachtslieder leiteten die Feier ein und schlossen sie. In einer Ansprache hob Dr. Kranz hervor, wie gerade dieser Kriegsweihnachten besonderen Segen spende, indem er gegenüber dem Kampfe im Feindesland hier die Herzen umso fester mit einander verbunden hatte und zu weitgehender Liebestätigkeit geführt habe. Die Frauen mögen ihren Männern und Söhnen von der gemütvollen Weihnachtsfeier, die sie hier mit ihren Kindern begehen können, berichten und damit auch ihnen eine Weihnachtsfreude bereiten. Fräulein Kurt und Fräulein Dr. Springer trugen in wirkungsvoller Weise einige prächtige Lieder zur Laute vor. Die eingegangenen Spenden wurden darauf verteilt und jeder Frau noch ein Geldgeschenk überreicht. Erst gegen 7 Uhr fand die schöne Familienfeier ihr Ende.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Nach dem Fest.
Das war eine stille, ernste Weihnacht. Am Heiligen Abend wurden die Cafees und Restaurants früher als sonst am Weihnachtsabend geschlossen. Manche ließen schon um 8 Uhr keine Gäste mehr hinein. Und auch in den Häusern, in denen das Christkind unter dem glitzernden Tannenbäumchen seine Gaben ausgebreitet hatte, war es stiller als sonst. Denn aus jedem Hause gingen die Gedanken dorthin, wo Deutschlands Söhne im blutigen Streit um Deutschlands Ehre kämpfen. Nur die frohe Sorglosigkeit der Kinderherzen vergaß über der bunten Weihnachtsherrlichkeit die Gedanken an den Ernst dieser großen Zeit.
Am Weihnachtsmorgen lag Reif auf Feld und Flur. Und alle Teiche und Tümpel waren mit einer festen Eisdecke überzogen. Auf dem Sportplatz des Eisklubs war eine glatte Eisbahn, auf der Jung und Alt sich mit Schlittschuhlaufen erfreute. Der Wald leuchtete im Rauhreif von Ferne, als ob er sein schneeiges Wintermärchenkleid angezogen habe.
In allen Lazaretten wurden für die verwundeten Soldaten Weihnachtsfeiern veranstalet. Christbäume brannten, Gesang- und Musikvereine brachten Unterhaltung und freundliche Hände hatten für reichliche Gaben gesorgt. An dem Bahnhof aber fuhren an den drei Tagen unaufhörlich Militärzüge vorüber, neue Truppen für kommende Kämpfe. Ein großer Tannenbaum mit vielen Lichtern stand auf dem Bahnsteig und rief den Kriegern die Weihnachtsgrüße der Bonner zu.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Dienstag, 29. Dezember 1914
Wer Brotgetreide verfüttert, versündigt sich am Vaterlande und macht sich strafbar.
(Bonner Zeitung, Bonner General-Anzeiger, Deutsche Reichs-Zeitung)
Für bedürftige Familien Bonner Krieger veranstaltete am ersten Feiertage, nachmittags um 5 Uhr der Freiwillige Hilfsauschuß in der neuen Baracke an der Quantiusstraße eine Weihnachtsfeier. Etwas 50 Frauen und 200 Kinder wurden unter dem strahlenden Weihnachtsbaum von den anwesenden Damen mit Kaffee, Milch und Kuchen bewirtet. Weihnachtslieder leiteten die Feier ein und schlossen sie. In einer Ansprache hob DR. Krantz hervor, wie gerade diese Weihnachten besonderen Segen spenden, da sie gegenüber dem gewaltigen Kampf in Feindesland hier im Vaterlande die Herzen umso fester verbunden halten und zu weitgehender Liebestätigkeit geführt haben. Frl. Koort und Frl. Dr. Springer trugen in wirkungsvoller Weise einige prächtige Lieder zur Laute vor. Die eingegangenen Spenden wurden darauf verteilt und jeder Frau noch ein Geldgeschenk überreicht. Erst gegen 7 Uhr fand die stimmungsvolle Familienfeier ihr Ende.
Weihnachtsfeier im Säuglingsheim Hohen-Eich. Wie in so manchem deutschen Hause, so vereinte der Christbaum trotz des Ernstes der Zeit auch auf Hohen-Eich am ersten Weihnachtstage eine frohe Kinderschar mit ihren Müttern und Pflegerinnen. Herzen und Hände hatten sich wieder einmal für das Heim geöffnet und so war die Möglichkeit geschaffen, alle Kinderchen neu und schön säuberlich gekleidet unter dem Christbaum mit allerlei Spielsachen und auch mit Süßigkeiten zu beschenken. Ein ernstes, aus warmem Herzen kommendes aufrichtendes Wort an die Mütter, dem Augenblick entsprechende Lieder, machten diese Weihnachtsstunden zu einer Jung und Alt erhebenden Feier.
Weihnachtsfeier in der Mehlemschen Fabrik. Wenn auch am diesjährigen Weihnachtsfeste in erster Linie unserer Krieger gedacht werden mußte, sollte doch die übliche Feier in der Mehlemschen Fabrik nicht ausfallen. Wieder eine stattliche Anzahl von Familienwurde von den Inhabern der Firma, wovon drei Herren im Felde stehen, durch die Hand der Frau Geheimrat Guillaume reichlich beschenkt. Die schlichte, aber erhebende Feier fand durch Gesang, Musikvorträge, Aufsagen von Gedichten und eine herzliche, wohldurchdachte Ansprache ihren Abschluß.
Erklärung! Das stellvertretende Generalkommando gibt folgendes bekannt: Die große Anzahl der täglich beim stellvertr. Gen.-Kommando eingehenden anonymen Anschuldigungen (Schriftstücke ohne Unterschrift über Personen und Zustände in der Heeresverwaltung, insbesondere über vermeintliche Ungerechtigkeiten bei der Heranziehung zur Wehrpflicht) geben dem Generalkommando Veranlassung zu erklären, daß derartige Schriftstücken, deren Urheber nicht den Mut haben, für ihre Behauptungen mit ihrer Person einzutreten, von hier aus keine Folge gegeben wird.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Ausbacken von Wecken, Kränzen, Brezeln usw. Der kommandierende General des 8. Armeekorps, General von Ploetz, hat für den Bereich seines Korps eine Bekanntmachung erlassen, wonach unter Hinweis auf die dringend notwendige Schonung unserer Vorräte an Weizenmehl das Ausbacken von Wecken, Kränzen, Brezeln, Pfannkuchen usw. von heute bis einschließlich Dreikönigstag verboten ist. Demselben Verbot unterliegt das Ausspielen derartiger Backwaren in Wirtschaften und Vereinen. Zuwiderhandlungen werden mit Gefängnis bestraft.
Der Vorstand der Bonner Bäcker-Innung weist in unserer heutigen Nummer auf diese Bekanntmachung hin.
Der Liberale Bürgerverein hielt gestern abend im Krug zum grünen Kranze seine diesjährige Hauptversammlung ab. Der Vorsitzende, Herr Dr. Kranz, wies in einer Ansprache darauf hin, daß keine politische Partei vor ihren Wählern die Verantwortung übernehmen werde, wegen einiger Stadtverordnetensitze seinen Wahlkampf zu entfesseln. Die Gedanken aller deutschen Männer seien auf die Gefahr des Vaterlandes gerichtet. Die nötig gewordene Ersatzwahl könne nur in gegenseitiger Verständigung unter Anerkennung des bisherigen Besitzstandes erledigt werden. (…)
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Eifelverein. Die hiesige Ortsgruppe unternimmt am nächsten Sonntag nach längerer Pause eine Wanderung (hoffentlich im Schnee!) in den Ahrbergen, und zwar von Ahrweiler (Walporzheim) auf wenig bekannten Wegen nach Dernau oder Rech, mit einer Marschlänge von etwa 15 Kilometern. Die Abfahrt von Bonn ist 8.32 Uhr mit Sonntagskarte Ahrweiler, die Rückfahrt von Dernau (Rech) 3.15 (3.10), die Ankunft in Remagen 4 Uhr. Dort wird im Westfälischen Hof Kaffee getrunken, wozu die Anmeldung auf dem Bahnhofe Bonn nötig ist, um 5.50 Uhr zurückgefahren. Eilige können um 4.09 Uhr gleich weiterfahren. – Mundvorrat ist mitzunehmen. Eingeführte Gäste sind wie immer willkommen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Mittwoch, 30. Dezember 1914
Die Weihnachtsfeier im Reservelazarett III (Beethovenhalle). Ein Verwundeter sendet uns den folgenden Bericht über die Weihnachtsfeier im Lazarett in der Beethovenhalle: Die Weihnachtsfeier am Heiligen Abend verlief sehr stimmungsvoll. Kein Wunder, denn der Chefarzt, Herr Professor Dr. Schmidt, sowie die Aerzte des Lazaretts, die Schwestern unter ihrer Oberin Fräulein Pohl, die Helferinnen, die Wärter sowie eine ganze Reihe von Einwohnern Bonns, sie alle waren eifrig bemüht gewesen, den Verwundeten der Beethovenhalle durch eine recht gelungene Weihnachtsbescherung die Trennung von den Angehörigen am Christfeste vergessen zu machen, das war schon tagelang vor dem Fest ein Raunen und Flüstern, ein Hin und Her unter Schwestern und Wärtern. Galt es doch, die Ausschmückung de Halle vorzubereiten, die geheimen Wünsche der einzelnen Krieger in Erfahrung zu bringen, die Körbchen mit den Gaben zu füllen. Zu der Feier prangte die Halle im Festschmuck. An jedem Pfeiler prangten künstliche Rosensträuße, die miteinander durch Tannengrün verbunden waren. Die Betten waren mit Tannenzweigen und mit kleinen Fahnen in den verschiedensten Farben geschmückt. In der Mitte des weiten Raumes aber und auf der Galerie erfüllten die Kerzen an zwei mächtigen Tannen die Halle mit hellem Lichterglanz. Der Schülerinnenchor der Klostermannschen Privatschule trug zur Einleitung der Feier das Lied „Stille Nacht, heilige Nacht“ vor. Dann hielt Herr Prof. Dr. Schmidt eine Ansprache an die Verwundeten. Er wies zunächst auf den eigentlichen Zweck der Beethovenhalle hin, schilderte dann in großen Zügen die glänzende Entwicklung Deutschlands und ging dann kurz auf den Anlaß zum Kriege ein. Mit herzlichen Wünschen zum Fest schloß der Redner seine Ansprache. Ein jeder der Verwundeten wurde herzlich bedacht und stimmte gewiß im Innern von Herzen den Dankesworten zu, die der Chefarzt zu Schluß an alle diejenigen richtete, die das schöne und unvergessliche Fest den Kriegern bereitet hatten.
Das Metropoltheater steht in dieser Woche wieder unter dem Zeichen des Krieges. „Iwan Koschula“ heißt der Fim, der den Zuschauer auf den galizischen Kriegsschauplatz versetzt und ihn teilnehmen läßt an mancher packenden Szene des Krieges. Auch der zweite Schlager, „Fifi, der Liebling der ganzen Garnison“, verfehlt seinen Eindruck auf die Besucher nicht.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Chronik der Stadt Bonn für das Jahr 1914.
Wie hat das große Welterlebnis, das heute die ganze Menschheit gepackt hält, wie hat der Krieg auf den Gang der Dinge in Bonn gewirkt? Was ging in Bonn der Mobilmachung voraus, was folgt ihr? Das zu zeigen ist die Aufgabe dieser Chronik:
Das Attentat von Sarajewo löste wie überall, so auch in Bonn große Erbitterung aus. Eine unheimliche Stille befiel die zeit zwischen diesem und der Stellung des Ultimatum Oesterreich-Ungarns an Serbien. Am 25. Jul verbreiteten sich die ersten Kriegsgerüchte und ganz Bonn lebte in Erwartung und Spannung. Die Haltung Rußlands bringt endlich die Erklärung des Kriegszustandes, aber niemand ist zufrieden damit, das Volk verlangt den Krieg.
„Wir sind ein einziges Volk.“ In unser sonst so friedliches Bonn brachten schon die ersten Kriegsnachrichten viele Aenderung. Bürger und Studenten schlossen sich allabendlich zusammen, zogen zum Kaiserdenkmal, und gelobten dem Kaiser ewige Treue. Die Studenten vereinigten sich vor der Wohnung ihres Rektors, und auch hier hörte man das Treue-Gelöbnis aus tausend frischen Kehlen. So war unsere ganze Stadt bereit. Daß die Lage ernst war, sah man an der Bewachung der Brücke zunächst noch durch die Polizei, der Heimkehr der beurlaubten Truppen in ihre Garnisonen. Die Erklärung des Kriegszustandes brachte die Bewachung der Bahnen und der Brücke durch Militär mit scharfer Waffe. Nur wer genügend Ausweis hatte, konnte passieren. Das Publikum aber begann etwas Unsinniges, den Sturm auf Sparkasse und Bank, die Auskaufung aller Vorräte der Lebensmittelgeschäfte, sodaß hier in einem Tage eine Teuerung entstand, die ganz unberechtigt war. Nur dem vereinten Bemühen der Stadt, der handelskammer, der Zeitungen, gelang es schließlich, der Preissteigerung ein langsames aber sicheres Ende zu machen. Der Verkehr auf den Straßen war in den Abendstunden geradezu gefährlich. Menschen wogten auf und nieder, standen vor den Zeitungen, erwarteten neue Telegramme. Nur Neues, neues. Das Neueste war nicht neu genug. So erlebte man denn am 1. August in den Nachmittagsstunden das Bekanntwerden der Mobilmachung. Die Menge wurde furchtbar ernst. „Fest steht und treu die Wacht am Rhein“, man hörte es von morgens bis abends, und „Dem Kaiser Wilhelm haben wir’s geschworen“, sangen die eingezogenen Reservisten und Landwehrmänner. Der Verkehr wurde gewaltig. Die Eisenbahnzüge kamen mit großer Verspätung hier an, alle überladen mit Zurückkehrenden, mit Soldaten, Regel brachte hier erst die Einführung des Kriegsfahrplanes. Die Stadt selbst glich einem großen Kriegslager. Soldaten und immer wieder Soldaten. In allen Straßen Einquartierung. Junge Leute, alte Leute strömten zu den Regimentern, dem Bezirkskommando, um sich freiwillig zu melden. Wie viele kamen mit traurigen Gesichtern zurück, sie kamen zu spät, mußten warten. Dann gab es andere Arbeit. Hin gings zum roten Kreuz, zur Krankenträger-Kolonne, zum Freiw. Hilfsausschuß; hier konnte man Leute brauchen. Junge Damen meldeten sich als Krankenschwester, als Pflegerin, aber auch hier war der Andrang so groß, daß eine Menge abgewiesen werden mußte. So setzte denn nun alles ein, was im Frieden organisiert, und was sich jetzt im Ernstfalle so wunderbar bewährt hat; Verpflegung der Truppen am Bahnhof, Einrichtung von Lazaretten, Errichtung einer Erfrischungsstation usw. Die Stadtverwaltung brachte Mehl und Salz zum Verkauf u. Kartoffeln, richtete eine Kriegs-Beratungs- und Auskunftsstelle ein, gab Brot ab an die Angehörigen der im Felde stehenden Soldaten, kurzum, es geschah alles Mögliche zur Linderung der augenblicklichen Not. Der Vaterl. Frauenverein, der Verein vom Roten Kreuz und der Freiw. Hilfsausschuß erließen einen Aufruf an die Mitbürger, man brauchte Geld, Geld. Aber auch lebensmittel usw. wurden gewünscht. Und wie betätigte sich da der Opfersinn der Bewohner Bonns. Schon am 7. August konnte der Oberbürgermeister im Stadtrat bekanntgeben, daß in Bonn so reichlich und viel gesorgt worden sei, wie in keiner anderen Stadt. Auch kämen Preistreibereien nicht mehr vor. Die Zeit kam, wo alles wieder, wenn auch allmählich, in geregeltem Geleise ging.
Die ersten Verwundeten kamen, darunter auch Franzosen, sie wurden alle gut versorgt in den bereiteten Lazaretten. Später nach dem kriege, wird man erst bemessen können, welche Verdienste unser Bonn als Lazarettstadt hat. Die Stadt hatte noch eine Aufgabe, zu sorgen für die Armen, die doppelt zu leiden hatten, zu sorgen für Frau und Kinder des im Felde stehenden Vaters. Auch hier war sie vorbildlich wie überall. Aber man brauchte immer noch Geld und andere Sachen. So erließ denn der Oberbürgermeister einen Aufruf der Sammlung „Kriegshilfe“, es gab eine solche für das bedrängte Ostpreußen, für Elsaß-Lothringen, eine Haus-Wollsammlung wurde veranstaltet; man brauchte nur zu verlangen, ganz Bonn gab, klein und groß, arm und reich. Man denke nur an die „Liebesgaben“. Kleider, Wolle, Bücher, Stärkungsmittel usw. alles vereinigte sich zur freudigen Ueberraschung. In Bonn allein wurden 18 Millionen für die Kriegsanleihe gezeichnet.
Pflege des Vaterländischen Geistes, das ar das Motiv, welches die Vaterländischen Reden und Vorträge ins Leben rief. Sie wurden gehalten von Gelehrten, Kaufleuten und Künstlern. Auf diese Weise sorgte man für den Sinn des Ausharrens während der Kriegszeit bei den Zurückgebliebenen. Zur Vorbereitung auf die Militärzeit gründete man den Wehrbund. Er beschäftigte Jünglinge und Männer von 16 Jahren ab mit militärischen Uebungen.
Auf das künstlerische Leben Bonns hat der Krieg selbstredend auch seine Wirkungen gehabt. Das Theater sollte der Meinung vieler nach geschlossen bleiben. Nach Erwägung der Zustände war man schließlich doch für eine Oeffnung , im Hinblick darauf, daß Vorstellungen, dem Ernste der zeit angepaßt, gegeben, auf das Publikum nur erbauend wirken könnten. So eröffnete man für drei Monate, dehnte aber später die Zeit auf die üblichen sechs Monate aus. Die Gesellschaft für Literatur und Kunst arbeitete ebenfalls mit einem wesentlich kleineren Programm. Die Populär-wissenschaftlichen Vorträge, die Volkshochschulkurse, gaben ein Kriegs-Programm. Konzerte hatten wir weniger, und die, die stattfanden, waren meistens der Wohltätigkeit gewidmet.
Wie wirkte der Krieg auf das Leben unserer Stadt, das zu zeichnen war die Aufgabe dieser Kriegs-Chronik. Man hat gesehen, daß Bonn überall, wo es Not tat, geholfen hat, daß nicht nur Pflicht erfüllt wurde, sondern daß das Herz ein großes Wort mitgeredet hat. Und so wird es weiter sein, so lange der Krieg dauert.
(...)
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Donnerstag, 31. Dezember 1914
Der Bonner Lazarettzug ist am letzten Freitag von seiner ersten Fahrt zurückgekehrt Von zuständigerSeite ist erklärt worden, daß die Anforderungen, welche an den möglichst schonenden und raschen Transport unserer wackeren verwundeten Krieger von der Front nach den Heimatlazaretten heute gestellt werden müssen, mit gutem Erfolge auch von dem Bonner Zuge bewältigt worden sind. 260 größtenteils Schwerverwundete sind aus der Gegend von Rethel aufgenommen worden. In verhältnismäßig rascherFahrt ging es über die Pfalz in das schöne schwäbische Land, wo bestimmungsmäßig in Heilbronn und Umgebung der weitaus größte Teil der Verwundeten ausgeladen wurde, aber auch unsere Stadt erhielt eine Anzahl von ihnen. Der Schluß der Fahrt geschah in der Christnacht. Eine wunderschöne Weihnachtsfeier, teils in den einzelnen Wagen der Verwundeten, teils im Mannschaftswagen, vereinte das gesamte Personal. (...) Niemand von ihnen wird diese erhebenden Stunden vergessen. Schon die Tatsache einer möglichen Weihnachtsfeier im fahrenden Zuge zeigt, wie sehr liebevoll sorgende Hände gewacht haben, und unsere tapferen Soldaten vergaßen wohl für Augenblicke all ihr Weh. Dankbare Blicke und Worte lohnten die so aufgewendete Mühe. – (...)
Stadttheater. Man schreibt uns: Für den Silvesterabend hat die Theaterleitung drei Einakter angesetzt, die jedem Geschmack Rechnung tragen dürften. Den Auftakt bildet das stimmungsvolle Lebensbild von Ernst Wichert: „Das Eiserne Kreuz“, dann folgt der immer wieder gerne gesehene Scherz von Louis Schneider: „Der Kurmärker und die Pikarde“. Den zweiten Teil der Vorstellung bildet das hier seit vielen Jahren nicht gegebene „Fest der Handwerker“ von Angely. Dieses humorvolle Singspiel ist überall wieder zu Ehren gekommen, in Berlin hält es sich ständig auf dem Spielplan des Kleinen Theaters. Der musikalische Teil ist von Herrn Kapellmeister Sauer eingeübt worden.
Für die Silvesternacht ist für die sämtlichen Wirtschaften im Polizeibezirk Bonn (Gastwirtschaften, Schankwirtschaften, alkoholfreie Wirtschaften, Kaffee-Wirtschaften usw.) die Polizeistunde allgemein auf 1 Uhr festgesetzt. (...) Durch diese Verordnung wird das Silvestertreiben auf den Straßen eingedämmt werden. Mit Recht! In den jetzigen furchtbar ernsten Zeiten ist lärmendes Straßentreiben nicht am Platze. Für Silvesterfeiern ist jetzt nicht Zeit noch Stunde. Es entspricht der ernsten Gegenwart und der weltgeschichtlichen Bedeutung dieser Jahreswende, wenn sich in Ruhe und Stille der Jahreswechsel von 1914 zu 1915 vollzieht.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Der städtische Kartoffelverkauf, Bachstraße, Ecke Thomastraße, findet vom 1. – 4. Januar nicht statt. Fortsetzung des Verkaufs von Dienstag, den 5. Januar ab täglich vormittags 8 – 12 Uhr zu dem ermäßigten Preise von 4,15 Mark für den Zentner und 1,30 Mark für 30 Pfund.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)