Samstag, 1. August 1914
Am 31. Juli war die Generalmobilmachung Österreich-Ungarns erfolgt ebenso die von Belgien und die der Niederlande. Die deutsche Regierung hatte den „Zustand drohender Kriegsgefahr" erklärt und Russland aufgefordert, die Mobilmachung zurückzunehmen. Zugleich hatte sie Frankreich ultimativ aufgefordert, im Falle eines deutsch-russischen Krieges neutral zu bleiben.
Für Bonner Presse ist die Entscheidung bereits gefallen. Die Reichs-Zeitung titelt: „Vor dem europäischen Kriege“, der General-Anzeiger: „Krieg“, die Bonner Zeitung: „Deutschland im Kriegszustand". Nur der wegen seines frühen Redaktionsschlusses wenig aktuelle Volksmund versucht noch, seine Leser zu beruhigen. Am Abend erscheinen Extrablätter, die die deutsche Mobilisierung bekannt geben (GA: „Russland hat ohne Antwort den Krieg eröffnet.“; DRZ: „Mobilmachung in Deutschland.“).
Bewegte Tage liegen hinter uns. Größere Aufregung hat Bonn wohl noch nie erlebt. Die meist nichtssagenden Depeschen, die sich vielfach widersprachen, waren nicht geeignet, Beruhigung zu bringen. Die unsinnigsten Gerüchte tauchten auf, wurden weiter verbreitet und leider geglaubt. Die unsinnigen Umzüge der Schrei- und Brüllpatrioten dauerten an und steigerten das Unbehagen, das jeden Friedliebenden beherrschte. Zu was das? fragte man sich unwillkürlich. Wir haben doch noch keinen Krieg. Man gibt sich fortwährend Mühe, den Frieden zu erhalten. Wozu nun die Schreierei der Knaben, die noch die Muttermilch an den Lippen haben? Auf die können wir uns doch nicht stützen, wenn die Gefahr an uns herantritt. Ist das Mache? Wünschen irgendwelche doch den Krieg? Den entsetzlichen, männermordenden, wertzerstörenden Krieg? Woher kommen alle die alarmierenden Depeschen, die immer widerrufen werden müssen? Sollen sie dem Kriege auch die Widerstrebenden geneigt machen? Ist System – Absicht dabei?
Auch jetzt wieder hat sich gezeigt, welche Beunruhigung die Presse in die Bevölkerung tragen kann. Die Reichszeitung, die in den ersten Tagen auch jede Nachricht brachte, merkte doch bald, welches Unheil hervorwuchs. Sie begann vorsichtiger zu werden und versuchte beruhigend zu wirken. Sie selbst klagte über die Aufregung, die, wie ein Depeschenbureau ihr mitgeteilt, nirgendwo solche Formen angenommen, wie gerade in Bonn. Der Generalanzeiger aber rechtfertigte die Verbreitung der vielen sensationellen Nachrichten, die er selbst oft widerrufen mußte, und berief sich auf frühere Mitteilungen, die es als erstes deutsches Blatt gebracht und die sich alle als richtig erwiesen. Wir aber wissen alle, das (sic!) kein Blatt so sehr zur Beunruhigung der hiesigen Geschäftswelt und der ganzen Bevölkerung beigetragen hat, wie gerade der Generalanzeiger. Auch die Bonner Zeitung ist eine Tageblatt. Die Behandlung der vielen Nachrichten und Depeschen sollte den andern Tageszeitungen als Muster dienen. Die Redaktion dieses Blattes hat in diesen Tagen bewiesen, wie eine Zeitung interessant gestaltet werden kann, ohne der Sensation zu dienen.
Noch eine andere böse Erfahrung haben wir in diesen schlimmen Tagen machen müssen. In verschiedenen Geschäften wurden Lebensmittel nur noch zu übertrieben hohen Preisen abgegeben, ganz, als wäre die Stadt eingeschlossen und der Vorrat ginge zur Neige. Für ein Pfund Salz wurde 30 Pfennig gefordert. Auch Mehl und andere Lebensnotwendigkeiten, die besonders von der ärmeren Bevölkerung nur in kleinen Quantitäten bezogen werden, zeigten ganz unsinnige, durch nichts gerechtfertigte Preissteigerungen. Die Verkäufer huldigen jedenfalls dem Grundsatz
Plündere deinen Nächsten
wann, wo und wie du nur kannst. Glücklicherweise ist die Behörde schon eingeschritten. Hoffentlich wird sie in den nächsten Tagen gegen alle diese Lebensmittelwucherer vorgehen, die sich nicht scheuen, die Not der Zeit auszubeuten.
Eine weitere Kalamität, unter welcher wir leiden, ist das Papiergeld, das im Umlauf ist, das doch keiner gerne annimmt und behalten will. Eine Heidenangst herrscht vor dem Papiergeld. Auch hier wird die Behörde in irgendeiner Weise eingreifen müssen, wenn nicht der ganze Geschäftsverkehr stocken soll.
(Volksmund, aus einem mit „Urban" gezeichnetem Artikel aus der Rubrik „Bonner Angelegenheiten")
Wir haben gestern schon hingewiesen, daß es eine große Torheit ist, Reichsbanknoten zurückzuweisen. Erstens ist die Banknote ein gesetzliches Zahlungsmittel und zweitens ist in den Goldbeständen der Reichsbank eine mehr als ausreichende Garantie gegeben. (...)
Ein weiterer Uebelstand sind Preistreibereien der notwendigsten Nahrungsmittel. Auch darauf haben wir schon hingewiesen. Es wird schließlich nichts anderes übrig bleiben, daß die Lebensmittelpreise von der Behörde festgesetzt werden. Leider haben zu der Teuerung große Ankäufe beigetragen, die wohlhabende Familien in hiesigen Geschäften gemacht haben. So kaufte eine Familie Nahrungsmittel für einen ganzen Monat ein! Das Geschäft, in dem die Einkäufe erfolgt sind, wird infolgedessen wohl bald schließen müssen. Tatsächlich mußte ein hiesiges Engrosgeschäft den Betrieb heute zeitweise einstellen, weil nichts mehr vorhanden war. Es ist das wirklich eine ganz törichte und obendrein verwerfliche Angstmeierei. Während des Siebziger Krieges ist doch kein Mensch im Lande Hungers gestorben und heutzutage angesichts der bedeutend vervollkommneten Organisation namentlich der Transportmittel, ist noch viel weniger daran zu denken, daß in absehbarer Zeit eine Kalamität eintreten könnte. Ferner weisen wir auf die Bundesratsbeschlüsse hin, daß keinerlei Nahrungsmittel ausgeführt werden dürfen. Die Einfuhr wird dagegen selbst bei einem Zweifrontenkrieg nicht gänzlich aufhören, sondern über die Schweiz weitergeführt werden.
Und überdies, wir wollen wenn je, jetzt ein einig Volk von Brüdern sein, und da ist es doch recht unbillig, wenn Wohlhabende zu einer Preissteigerung durch überdies gleich sinnlose Ankäufe beitragen. Die gute Ernte ermöglicht es sicher, daß Deutschland hinsichtlich seiner Ernährung auf eigenen Füßen stehen kann.
Schließlich richten wir besonders an die wohlhabenden Kreise, die ernste Mahnung, bezahlt Eure Rechnungen, besonders die von kleinen Leuten! Man stelle sich einmal die Gedanken eines Handwerkers vor, der ins Feld muß, Frau und Kinder zurücklässt, um dies in Sorge ist, und dabei Forderungen ausstehen hat, deren Deckung seine Familie leicht über die schwierige Zeit hinwegbringen könnte.
Darum also, kaltes Blut und ruhige Nerven! Wir haben eine schlimme Zeit durchzumachen. Aber wir haben keinen Grund, zu verzweifeln. Wir können sie durchhalten und werden sie durchhalten!
(Bonner General-Anzeiger, Leitartikel „Was not tut!“)
Wegen Kindesaussetzung ist gestern von der Kölner Kriminalpolizei eine Dienstmagd aus Bonn verhaftet worden. Sie war mit ihrem achttägigen Kinde in Bonn aus der Entbindungsanstalt entlassen worden, hatte sich damit nach Köln begeben und das Kind in einem Hause an Unter Sachsenhausen in einer Türnische niedergelegt. Sie wurde jedoch von Vorübergehenden beobachtet. Das Kind hat im städtischen Waisenhaus Aufnahme gefunden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Vorabendausgabe, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Die Stadtverordneten hielten gestern eine Sitzung ab. Zu Beginn hielt Oberbürgermeister Spiritus eine Ansprache, in der er auf den Kriegszustand hinwies, zur Ruhe und Besonnenheit mahnte und ein Kaiserhoch ausbrachte. Stadtv. Simon wies darauf hin, daß die Städtische Sparkasse über reichlich flüssige Mittel verfüge, daß aber die Spareinlagen bei der Sparkasse durchaus sicher sind. Es wurde ferner betont, daß Reichsmittel ebenso sicher wie Gold sind. (...) In der geheimen Sitzung wurden die Verträge von Hofrat Beck in München und Oberspielleiter Wittmann über die Leitung des Stadttheaters genehmigt.
Fast neue Fahrräder hat eine hiesige Ehefrau zum Verkauf angeboten. Die Räder waren aber ganz neu. Mit der Bezeichnung fast neu sollte nur der Glaube erweckt werden, als ob ein Radfahrer sein Rad aus irgend einem Grunde billig verkaufen wolle. Die Strafkammer verurteilte gestern die Frau wegen unlauteren Wettbewerbs zu 3 Mk. Geldstrafe.
Bekanntmachung betreffend Befreiung vom Aufgebot bei Eheschließungen.
Aufgrund der allerhöchsten Verordnung vom 16. Dezember 1912 (Gesetzsamml. S. 229) bestimme ich für den Umfang der Monarchie folgendes:
1. Im Falle einer Mobilmachung oder einer Erklärung des Kriegszustandes (Artikel 11 und 68 der Reichsverfassung) ist zur Befreiung vom Aufgebot zum Zwecke der Eheschließung, sofern der Verlobte der bewaffneten Macht angehört und beide Verlobte Reichinländer sind, der Standesbeamte zuständig, vor dem die Ehe geschlossen werden soll.
2. (...)
Berlin, d. 11. März 1913
Der Minister des Inneren
v. Dallwitz
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Die Deutsche Reichs-Zeitung druckt die Ansprache von Oberbürgermeister Spiritus an die Stadtverordneten- Versammlung in voller Länge ab:
Meine sehr geehrten Herren! Mir ist soeben amtlich die Mitteilung zugegangen, daß der Kriegszustand befohlen worden ist.
Meine lieben und verehrten Herren! Wir befinden uns in einer ernsten Zeit. Wenn auch durch den Kriegszustand die Mobilmachung noch nicht hervorgerufen wird, so müssen wir doch an die Möglichkeit denken, daß in unserem Vaterlande die Mobilmachung befohlen werden kann. Und da ziemt es uns als Vertreter der Bonner Bürgerschaft, Einkehr in uns selbst zu halten und Worte an unsere Mitbürger zu richten. Es sind zwei Punkte, die ich als Vertreter der Stadt hier zum Ausdruck bringen möchte. Einmal einen Appell an unsere Mitbürger, daß sie bei allem Ernst der Lage nicht vergessen sollen, daß sie Glieder eines wohlgeordneten Staatswesens sind, daß auch, wenn der Krieg über uns hereinbrechen würde, die Fürsorge des Staates und seiner Beamten, soweit Gott ihnen die Kraft und die Macht dazu gibt, nicht aufhören wird. Ich bitte meine lieben Mitbürger, was da kommen möge, Ruhe zu behalten, sich auch nicht zu übereilten Handlungen hinreißen zu lassen. Ich denke insbesondere daran, daß ein Ansturm auf die Kassen unklug ist, daß niemand sein Geld sicherer und besserer nach menschlichem Ermessen untergebracht haben kann, wie das z.B. bei öffentlichen Sparkassen der Fall ist (Sehr richtig!), daß derjenige, für sich selbst und für das Allgemeinwohl unklug handelt, der vorschnell dazu übergeht, sein Geld bei den Kassen zurückzuziehen. Ich wende mich ferner an meine Mitbürger mit der Bitte, auch im Uebrigen Ruhe zu behalten, den Anordnungen der Obrigkeit die in diesen Tagen streng durchgeführt werden müssen, freundliches Wohlwollen und nicht unnötigen Widerstand entgegenzusetzen; dann werden wir bei der Milde, die zu üben mir in meinem Amte immer als Pflicht erschienen ist, soweit es in meiner Kraft steht, gewiß im besten Einvernehmen mit der Bürgerschaft leben. (Bravo.)
Es ist noch ein anderer Gedanke, der uns mit allen Deutschen heute beseelt und den zum Ausdruck zu bringen uns allen Herzensbedürfnis ist. Wir haben einen Kaiser und König, der länger wie ein Vierteljahrhundert in segensreicher Regierung es verstanden hat, seinem Volke und, wir dürfen sagen, der ganzen Welt den Frieden zu erhalten. Wir haben einen Friedenskaiser! Wenn aber unser Kaiser und König sich genötigt sehen sollte, mobil zu machen, den Krieg zu erklären, dann wissen wir, daß das nicht leichtfertig vom Kaiser geschieht, sondern, daß ernste Erwägungen ihn und seine Ratgeber bestimmen, den Frieden mit dem Kriege zu vertauschen. Dann aber wollen wir geeint dastehen, wir in unserer Stadt und geeint in unserem Vaterlande. Wir wollen uns leiten lassen von dem schönen Wort: Wir Deutschen fürchten Gott und nichts anderes in der Welt. (Bravo!) Und wir wollen ferner uns einen unter dem Banner der Hohenzollern, das den schönen Wahlspruch trägt: Mit Gott für König und Vaterland. (Bravo!) In diesem Sinne, meine Herren, bitte ich Sie, sich zu erheben und begeistert mit mir einzustimmen in den Ruf: Unser vielgeliebter Kaiser und König er lebe hoch! hoch! hoch!
(Deutsche Reichs-Zeitung, Morgenausgabe, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Krieg!!!
Wie ist es möglich, und doch ist es wahr. Wer hätte je daran gedacht. Alles ist verändert. Die Stadt Bonn ist nicht mehr zu erkennen, sonst vornehme Ruhe und Frieden, und jetzt? Krieg! Du einfaches Wort und doch so inhaltsschwer! Wer hätte vor 8 Tagen, wie mein Namensfest gefeiert wurde, solches geahnt! Doch es ist nicht anders. Überall, wohin man blickt, Feldgraue Uniformen. Hoffentlich kommen alle bald zurück. Am Bahnhof kommt Zug fur Zug, alle 10 Minuten, mit Militär, und die Begeisterung dabei! Wie viele von diesen mögen gesund nach Hause kommen?
Attelerie, Kavalerie, Infantrie, alles mögliche fährt vorbei. Die Rheinbrücke ist bewacht. Niemand kommt ohne Paß durch. Auf dem Markt ist Etappenstation. Autos mit höheren Offizieren kommen und fahren weg. Auf dem städtischen Gymnasium ist ein Scheinwerfer aufgestellt. Alles ist verdreht und verkehrt. Alles anders. Hoffentlich ists von kurzer Dauer.
(Anna Kohns, Tagebucheintrag unter dem 1. August 1914)
Sonntag, 2. August 1914
Am 1. August hatte Deutschland mobil gemacht und Russland den Krieg erklärt, nachdem eine Antwort auf das deutsche Ultimatum ausgeblieben war. Die französische Regierung hatte ihrerseits die Mobilmachung angeordnet und erklärt, dass sie gemäß dem eigenen Interesse handeln würde.
Bereits in der Nacht auf den 2. August hatten die Bonner Königshusaren die Stadt in Richtung Luxemburg verlassen. Unter den Klängen des Volkslieds „Muss i denn zum Städtele hinaus“ und mit brennenden Fackeln in den Händen reitet die Kompanie durch ein dichtes Spalier von ihnen zuwinkenden Bonner Bürgern zu ihrem Verladebahnhof.
31. Juli 1914
Es grollte von Ost, es grollte von West,
Am Himmel zuckt es von Flammen,
Wir standen, die Faust um die Schwerter gepresst,
Und bissen die Zähne zusammen.
Wir standen und schwiegen – nun ist es vorbei!
Vorbei das Zaudern und Zagen!
Hin über die Lande schwingt sich ein Schrei:
Ihr wollt es, so sollt ihr es tragen!
O Stunde im letzten Juliglanz,
Vernimm's aus unendlichen Reihen:
Wir lassen den Boden des Vaterlands,
Den heiligen, nicht entweihen!
Wir standen besonnen, Gewehr bei Fuß,
Und bissen die Zähne zusammen,
Nun ist es vorbei! Dir Volk mein Gruß!
Es reißt uns hinein in die Flammen!
Die Stirnen empor! Die Fahnen voran!
Zum Walle auf an die Grenzen!
Und reiten wir heim, so sollt ihr dann
Mit deutschem Eichlaub uns kränzen!
Rudolf Geck.
(Bonner General-Anzeiger, Titelseite)
Städtische Sparkasse. Man schreibt uns von zuständiger Seite: Da die Abhebungen an der Städtischen Sparkasse in einer Weise fortdauern, welche das notwendige Maß überschreitet, so hat der Verwaltungsrat beschlossen nur bei Beiträgen, die 300 Mk. nicht überschreiten, auf die vereinbarte Kündigung zu verzichten. Die Kölner Sparkasse ist schon gestern mit der gleichen Bestimmung vorangegangen, eine andere hiesige Sparkasse zahlt nur bis zu 100 Mk. ohne Kündigung aus.
Nach erfolgter Mobilmachung müssen alle Kündigungsfristen eingehalten werden, nur Beträge bis 150 Mk. können dann von 8 zu 8 Tagen ohne weiteres abgehoben werden.
Zu dieser Maßnahme gibt keineswegs eine mangelnde Bereitschaft der Sparkassengelder Anlaß, sondern lediglich das Interesse der Allgemeinheit und die gebotene Rücksicht auf die kleinen und kleinsten Sparer. Wie bisher wird in der Folge die Verwaltung bei Handhabung der beschlossenen Bestimmungen Härten möglichst zu vermeiden suchen.
Unberechtigte Preistreibereien. Auf dem Markte wurden am Samstag morgen 12 Mark für den Zentner Kartoffel verlangt, einer der Händler wurde deshalb verprügelt, für Brot wurde ein Aufschlag von 10 Pfg. verlangt, Brötchen wurden nur noch drei für 10 Pfg. gegeben. Viele größere Lebensmittelgeschäfte haben vollständig geschlossen, andere „wegen Militärlieferung“ für halbe Tage. Diejenigen Kolonialwarengeschäfte, die ihre Verkaufsräume offen halten, werden von den Hausfrauen belagert. Salz, Zucker, Mehl usw. sind ebenfalls um 5 Pfg. und mehr im Preise gestiegen. In Poppelsdorf und hier in der Altstadt wurden gestern Geschäfte, die übermäßig hohe Preise verlangten, von der Behörde geschlossen.
Gegenüber diesen unerhörten und, wir möchten es nochmals betonen, absolut unberechtigten Preistreibereien, ist es nunmehr die höchste Zeit, daß die Behörde energisch einschreitet. Es müssen, wie das schon in anderen Städten geschehen ist, Zwangspreise festgesetzt werden. Es ist bedauerlich, daß es so weit gekommen ist. Aber es geht nicht mehr anders. Die Bevölkerung hat das Vertrauen zu der Behörde, daß sie gründlich Abhülfe schafft, aber sie verlangt es auch.
Nochmalige Aufklärung. Das Publikum und die Geschäftsleute weigern sich hier und da immer noch, Banknoten in Zahlung zu nehmen. Es ist das ein Zustand, der, wie ausdrücklich bemerkt werden muß, überall noch in der Kriegspanik Erscheinung fand und der auch bei uns durchaus erwartet wurde. Mit Rücksicht darauf hat die Reichsbank in den letzten Monaten Gold in starkem Maße an sich gehalten und bezogen. Jede Banknote ist eine Forderung an die Reichsbank. Die Reichsbank ist in heutigen Zuständen der sicherste Schuldner, der überhaupt existiert. Jede Banknote ist durch Gold und erstklassige Forderungen an Banken und Industrie gedeckt. Es ist töricht, Banknoten nicht in Zahlung zu nehmen. Nach der Panik tritt überall der ordnungsmäßige Verkehr wieder ein.
Zur Truppenverpflegung in Bonn. Professor Dr. F. A. Schmidt, der auch der schon in früheren ernsten Fällen, wenn wir nicht irren, auch im Jahre 1870/71, sich um die Kranken und Verwundeten bemüht hat, erlässt im Anzeigenteil eine Aufforderung an die Mitglieder des Bonner Turnvereins.
Die Mitglieder des Bonner Turnvereins, die bereit sind, sich im Kriegsfalle an der Erfrischung durchfahrender Truppen zu beteiligen, sowie sich für den Transport Verwundeter vom Bahnhof oder vom Schiff zu den Lazaretten zur Verfügung stellen wollen, vereinigen sich am kommenden Mittwoch (abends 9 Uhr) in der Turnhalle in der Hundsgasse zu einer Besprechung und ersten Uebung. Auch Mitglieder anderer Turnvereine sind herzlich willkommen.
Der Reiseverkehr ist jetzt mit außerordentlichen Schwierigkeiten verknüpft. Gepäck wird kaum befördert. Wie uns ein Bonner Mitbürger, der heute aus Neapel über Basel nach Bonn zurückkehrte, mitteilte, liegen auf dem Bahnhof Basel mindestens 10 000 Gepäckstücke, die nicht befördert werden. (...) Auch von anderen Reisenden wird uns berichtet, daß die Beförderung des Gepäcks und die persönliche Beförderung augenblicklich mit unendlichen Schwierigkeiten verknüpft ist, ja vielerorts überhaupt nicht erfolgt, oder daß man zum mindestens stundenlang die Reise im Abteil stehend zurücklegen muß. Es ist dies natürlich nur ein vorübergehender Zustand. Man darf erwarten, daß in kurzer Zeit auf den Bahnen wieder ein verhältnismäßig geregelter Verkehr stattfinden wird.
Auf dem hiesigen Staatsbahnhof herrscht seit Verhängung des Kriegszustandes ein Andrang, wie er sonst selbst nicht zu Pfingsten vorkommt. Sämtliche Ausländer, namentlich Franzosen und Holländer, reisen seit Freitag nachmittag von hier wieder in ihre Heimat zurück, ebenso viele Studierende und Schülerinnen der hiesigen Pensionate. Die Züge haben meist über eine Stunde Verspätung, auch die Nachtzüge. Der Güterverkehr ist seit Freitag vollständig eingestellt. Ein Berg von Koffern lagerte am Freitag bis spät abends auf dem Bahnhof-Vorflur, sogar auf der Straße vor dem Bahnhofsgebäude waren Gepäckstücke haufenweise aufgestapelt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Über die Einstellung von Nicht-Gedienten und Freiwilligen. Aufgrund des § 98 der Heer- und Wehr-Ordnung kann sich jede Persönlichkeit, die ihrer Dienstpflicht noch nicht genügt hat, bei Ausbruch der Mobilmachung einen Truppenteil (Ersatzbataillon etc.) nach Belieben melden. Wenn er dies nicht tut, wird bei der bald einsetzenden Aushebung über ihn verfügt. Als Kriegsfreiwillige können sich solche Leute bei einem Ersatztruppenteil melden, die keine gesetzliche Verpflichtung zum Dienst mehr haben, ferner jugendliche Personen zwischen 17 und 20 Jahren, soweit sie sich nicht in solchen Bezirken aufhalten, in denen der Landsturm aufgeboten ist. In Bonn meldeten sich gestern abend gleich nach dem Bekanntwerden des Mobilmachungsbefehls Hunderte von Freiwilligen bei der städtischen Geschäftsstelle für Militärangelegenheiten. Der Andrang war so groß, dass die Menge der Freiwilligen zeitweise den Verkehr in der Rathausgasse sperrte.
Das Heraustreiben von Vieh aus dem Befehlsbereich der Festung Köln ist, seitdem die Mobilmachung befohlen wurde, verboten. Zum Befehlsbereich gehören u.a. Bonn-Stadt, Euskirchen, Siegburg (...)
Bonner Liedertafel e.V.: Das für heute Sonntag, 2. August angesagte Konzert wird verschoben. Schon gelöste Karten behalten ihre Gültigkeit.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Meldung von Freiwilligen in Bonn.
In Bonn haben sich nach Bekanntwerden der Mobilmachungs-Ordre bereits mehrere hundert Freiwillige gemeldet.
(Bonner General-Anzeiger, Extrablatt, Titelseite)
Einer derjenigen, die in den ersten Kriegstagen aus ihrem privaten und beruflichen Umfeld gerissen werden, ist der berühmte Maler August Macke. Er war erst Ende Juni wieder nach Bonn zurückgekehrt. Die letzten Wochen hatte er geradezu in einem Schaffensrausch verbracht und dabei 36 Bilder vollendet, von denen einige heute zu den Hauptwerken des Rheinischen Expressionismus gezählt werden. Der zweifache Familienvater, Jahrgang 1887, ehemaliger Einjährig-Freiwilliger und Vizefeldwebel der Reserve, sollte bereits am zweiten Mobilmachungstag bei dem in der Ermekeil-Kaserne stationierten Rheinischen Infanterie-Regiment Nr. 160 einrücken.
Liebe Mama
Gestern abend schrieb ich Dir einen Brief, der aber noch nicht wegging, da geschlossene Briefe nicht mehr befördert werden. (...) In der Nacht zogen die Husaren mit Fackeln an uns vorbei. Ich muß morgen, Montag, eintreten, am Freitag rücken wir wahrscheinlich ab. (...) Ja, Ihr Lieben, jetzt erleben wir etwas. Aber wir wollen die Kerle schon vermöbeln. (...) Meine Adresse ist: Vizefeldwebel Macke 5/160, VIII. Armeekorps. (...)
(August Macke an seine Mutter)
Montag, 3. August 1914
Bereits am 2. August waren deutschen Truppen in das Großherzogtum Luxemburg einmarschiert. Belgien war von der Reichsregierung ultimativ aufgefordert worden, der deutschen Armee den Durchmarsch zu gestatten, ansonsten würde das Königreich als Feind betrachtet.
Mobilmachung. Wie die Befreiung von einem Alpdruck, wie die Lösung einer bis zur Unerträglichkeit gesteigerten Spannung war’s als am Samstag um 6½ Uhr die Mobilmachung bekannt wurde. Dieser Krieg, den niemand von uns herbeigewünscht hat, der uns aber gefaßt und vorbereitet findet, stand seit einigen Tagen wie eine eherne unabwendbare Notwendigkeit vor uns. In solchen Zeiten ist Gewißheit das Beste. Und Gewißheit wurde uns mit dem Befehl der Mobilmachung. Wie in allen Städten unseres deutschen Vaterlandes, wurde auch in Bonn die Nachricht der Mobilmachung mit Kundgebungen der Freude und der Vaterlandsliebe aufgenommen. Diese Mobilmachung ist ein Befehl, der an uns alle ergeht. Jeder steht nun mit allem, was er sein eigen nennt, im Dienste des Vaterlandes. Deutschland ist in Gefahr, Deutschland ist angegriffen. Unser Land, unsere Heimat, unsere Scholle, unsere Kultur, wir, jeder von uns ist bedroht. Das ist die Losung, die nun für uns alle gilt: jeder muß seine Pflicht tun. Im Kleinen wie im Großen. Ein schwerer Kampf erfordert schwere Opfer. Sie müssen gebracht werden und sie sollen freudig gegeben werden. Wenn nun unsere Soldaten, unsere Reservisten und Landwehrmänner fortziehen, als Verteidiger Deutschlands, als Kämpfer für die Heimat, so gilt’s einen Abschied zu nehmen, der keinem leicht fallen mag. Nicht den Fortziehenden und nicht denen, die zurückbleiben. Und manches stilles bescheidenes Glück, das in ehrlicher, harter Arbeit aufgebaut wurde, scheint nun ins Wanken geraten. Es ist bitterschwer für viele, aber es ist notwendig. Und über allem steht der Gedanke: es gilt das Vaterland zu befreien von einer drohenden Gefahr. Mit Stolz und Freude sieht man, wie dieser Gedanke alle beherrscht, wie sie alle geeinigt sind von dieser gemeinsamen großen Idee.
Alle, die alten Jahrgänge und die jungen, die Landwehrmänner, die Reservisten und unsere jungen Kämpfer, die aus allen Ständen mit einer echten Begeisterung zu den Waffen eilen, sie umschlingt wie ein Band der Gedanke: wir kämpfen für unser großes, schönes deutsches Heimatland.
Bürger gebt Obacht! Aus Berlin wird folgende amtliche Mitteilung gemacht: Nach zuverlässigen Nachrichten bereisen russische Offiziere und Agenten in großer Zahl unser Land. Die Sicherheit des Reiches fordert, daß aus patriotischem Pflichtgefühl heraus neben den amtlichen Organen das gesamte Volk unbedingt dazu mitwirkt, solche gefährliche Personen unschädlich zu machen. Durch rege Aufmerksamkeit in dieser Hinsicht kann jeder an seiner Stelle zum glücklichen Ausgang des Krieges beitragen.
Bestimmte Nachrichten deuten darauf hin, daß Zerstörungsversuche gegen Eisenbahnen und deren Kunstbauten von feindlicher Seite auch im Innern des Landes versucht werden. Bei der großen Bedeutung der Eisenbahnen für die Durchführung der Mobilmachung und Versammlung des Heeres ist es Pflicht jedes Deutschen, die Heeresverwaltung beim Schutz der Eisenbahnen zu unterstützen. Dies kann geschehen durch Ueberwachung des mitreisenden Publikums, Mitteilung jeder verdächtigen Handlung an die nächste Eisenbahn- oder Militärbehörde und evtl. Festnahme verdächtiger Individuen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Mobil. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich am Samstag abend bei Ausgabe unserer Sondernummer dieses Wort durch die ganze Stadt und löste eine Bewegung in der Bevölkerung aus, wie wir sie in ihrer Einhelligkeit vor 44 Jahren, als der Krieg gegen Frankreich losbrach, nicht erhebender erleben konnten. Es ist in den langen Jahren eines gesegneten Friedens viel von der Verflachung unserer Jugend gesprochen und geschrieben worden, viel gesprochen worden von dem schwindenden Idealismus der jungen Generation. Was wir aber mit eigenen Augen am Samstag abend nach der Verkündung der Mobilmachung und im Laufe des Sonntags an Einzelszenen beobachteten, wischte alles das aus, was die ätzende Kritik unserer Witzblätter und der Griffel der zeichnerischen Karikaturisten dem jungen deutschen Volke all die Zeit über angehangen hatte. Weggewischt war die Vorstellung, daß unsere Jugend in Sport und Tand verflache und krasser Materialismus in allen Schichten des Volkes die Oberherrschaft erlangt habe. Nicht nur in den Kreisen unserer studentischen Jugend, auch in den Reihen unserer Beamtenschaft und nicht zuletzt unserer Arbeiter, zeigte sich trotz der schweren wirtschaftlichen Wunden, die der Krieg in manchen Familien schon in seinem Anbeginn hervorruft, eine so warme, ehrliche Begeisterung für die Sache unseres Vaterlandes, daß es einem oft heiß in den Augen wurde, wenn man die jungen Leute Abschied nehmen sah von ihren Angehörigen und ihren Freunden und Bekannten. Ja, aus dem Munde mancher Familie hörten wir das Bedauern darüber, daß nicht alle ihre Söhne für kriegstauglich befunden worden sind und wo sich eine Uniform, sei es die eines Offiziers oder einfachen Soldaten, von unseren Husaren und 160ern in den Straßen zeigte oder im Automobil in schleuniger Fahrt zum Bahnhof eilte, wurden sie mit Hurrarufen und Tücherschwenken begrüßt, und stürmische Rufe „Auf Wiedersehen!“ schollen ihnen aus aller Munde entgegen. Hunderte junger Leute haben sich hier bereits freiwillig zum Kriegsdienst gestellt, und fortgesetzt wächst noch die Zahl derer, die freiwillig bereit sind, ihr Leben für des Vaterlandes Ehre in die Schanze zu schlagen.
Die Bonner Studentenschaft, darunter die studentischen Korps, insbesondere das Preußen-Korps, gibt ein rührendes Beispiel ihres Opfermutes. Das gesamte Preußen-Korps, sowie die überwiegende Zahl der Mitglieder aller Korps, außerdem viele Angehörige der übrigen Bonner studentischen Körperschaften, haben sich freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet.
Auch aus der übrigen Bürgerschaft sind im Laufe des Sonntags die Meldungen zum freiwilligen Kriegsdienst überaus zahlreich erfolgt. Ja, die Zahl der sich Meldenden wuchs schließlich derart an, daß sich das Bezirkskommando veranlasst sah, für den gestrigen Tag weitere Freiwilligen-Anmeldungen abzulehnen.
Aber auch in den Kreisen, die nicht selbst ins Feld rücken können, macht sich opferwilliger Sinn in beglückender Weise bemerkbar. Einzelne gewerbliche Unternehmungen haben bereits erklärt, daß sie für die zurückbleibenden Familienangehörigen ihrer in den Kampf ziehenden Angestellten Sorge tragen wollen, und wir zweifeln nicht daran, daß diesem Beispiele noch viele andere folgen werden. Und nicht zuletzt hoffen wir, daß das Losungswort „Mobil“ alle Begüterten unserer Bürgerschaft dazu anregen wird, an der schönen Aufgabe mitzuwirken, den bedürftigen Angehörigen der Kriegsteilnehmer werktätig beizustehen. Viele Arbeiterfamilien sind durch die Mobilmachung ihres Ernährers beraubt, viele größere und auch kleinere Betriebe schließen ganz oder zum Teil ihre Unternehmungen, und es wäre hart, wenn hierdurch bittere Not über zahlreiche Familien hereinbrechen würde.
Auch unsere Stadtverordneten-Versammlung, die schon so häufig im rechten Augenblick Beweise ihrer Hochherzigkeit gegeben hat, wird wohl nicht säumen, eine größere Summe zur Verfügung zu stellen, um diejenigen Familien, die jetzt gänzlich ohne Einkommen sind, vor dem Aeußersten zu bewahren.
Um den Preistreibereien [entgegen] zu steuern, haben bereits einige Städte den Verkauf von Mehl usw. in die Hand genommen, und die Stadt Köln hat in ihrer bekannten initiativen Weise den eingetretenen Nahrungsmittelwucher mit der Androhung einer gesetzlichen Nahrungsmitteltaxe beantwortet.
Hoffen wir, daß es in Bonn hierzu nicht kommen muß, sondern daß alle Schichten der Bevölkerung einträchtig dafür sorgen, daß die Lasten des uns aufgezwungenen Krieges nicht unerträglich werden.
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Wir erhalten folgende Zuschrift:
Bonn, den 2. August 1914
An die geehrte Redaktion!
Bitte doch, bei Ihrem jederzeitigen Bestreben für das Allgemeinwohl, die Stadtverwaltung veranlassen zu wollen, nicht länger mit der Festlegung der Nahrungsmittelpreise zu zögern.
Ein Teil der Einwohner bereichert sich in ungehöriger Weise in einer solch ernsten Zeit, was zu unliebsamen Auseinandersetzungen führt. Man warte nicht, bis die Unzufriedenheit bei den weniger Bemittelten ihre Höhe erreicht. Heute morgen wurden einer Arbeitsfrau 20 Pfg. für das halbe Kilo Kartoffel, 28 Pfg. für Mehl, 35 Pfg. für Salz in Poppelsdorf abverlangt, worauf die Frau mit den ihrigen auf Kartoffel für heute verzichtete. Mir selbst wurde bei meinem Bäcker für ein 25 Pfg.-Weißbrot 30 Pfg. gestern abverlangt. (Folgt Name, den die Redaktion vorerst verschweigt.) Mit vielem Dank für Ihr freundliches Bemühen bin ich eine langjährige Abonnentin Ihres geschätzten Blattes. Frau Th. R.
Das Oberbürgermeisteramt schreibt uns: Städtischerseits ist gestern eine Kommission zusammengetreten, die sich mit der Beschaffung von Lebensmitteln in ausreichender Menge befasst hat. Durch diese Maßnahme wird auch auf die in den letzten Tagen stattgefundene, völlig unberechtigte Preissteigerung einzelner Lebensmittel, ins[besondere] Kartoffeln und Hülsenfrüchte, regulierend eingewirkt werden.
Der Verkauf von Alkohol ist den Wirtschaften, die auf dem Wege vom Bahnhof zum Bezirkskommando liegen, auf fünf Mobilmachungstage bis zum 6. August untersagt. Einige Wirtschaften haben demgemäß geschlossen.
Allgemeiner Bettag . Durch allerhöchsten Erlaß ist in Preußen ein außerordentlicher allgemeiner Bettag angeordnet worden, der am 5. August stattfinden soll. In dem an den Kultusminister gerichteten Erlaß heißt es:
„Ich fordere mein Volk auf, sich mit mir in gemeinsamer Andacht zu vereinigen an gottesdienstlicher Stätte. Im Lande versammle sich an diesem Tage mein Volk in ernster Feier zur Anrufung Gottes, daß er mit uns sei und unsere Waffen segne. Nach dem Gottesdienst möge dann, wie es die dringende Not der Zeit erfordert, jeder zur Arbeit zurückkehren.“
Aufhebung der Sonntagsruhe. Die Bestimmungen über die Sonntagsruhe sind außer Kraft gesetzt worden.
Die Bittgottesdienste in den hiesigen Kirchen, die von Gläubigen gestern überfüllt waren, gestalteten sich zu einem einzigen ergreifenden Gebet für den Sieg der gerechten Sache unseres geliebten Vaterlandes.
In allen katholischen Kirchen Bonns ist den durchziehenden und einberufenen Truppen Gelegenheit zur Beichte gegeben.
Evangelische Gemeinde . Die evangelische Kirche am Kaiserplatz ist in dieser Woche den ganzen Tag geöffnet, da mancher das Bedürfnis haben wird, sich in der Stille des Gotteshauses zu sammeln. Am heutigen Montag abend 8 ½ Uhr ist Vorbereitung und Feier des hl. Abendmahles in der Schlosskirche und morgen Dienstag, zu derselben Stunde in der Kirche am Kaiserplatz. Am Freitag abend beginnen in der Schloßkirche die Abendandachten, die während der Kriegszeit auf die Höhe und in die Tiefe führen sollen.
Prinz und Prinzessin Adolf zu Schaumburg-Lippe sind bereits gestern Nachmittag aus Norderney zurückgekehrt. Bei der Ankunft wurden die hohen Herrschaften auf der Bahnhofstraße von der vielhundertköpfigen Menge stürmisch begrüßt.
Unsere Abonnenten und Freunde bitten wir, unsere Telephonleitungen möglichst wenig zu Auskunftszwecken usw. zu benutzen, da wir dadurch in unserem Verkehr mit auswärts erheblich gestört werden. Die neuesten Meldungen über die wichtigsten Ereignisse werden sofort nach Bekanntmachen entweder durch Extrablätter oder durch Anschlag an unseren Schaufenstern bekannt gemacht.
Der Freiwillige Hilfsausschuß für durchfahrende Truppen richet die Bitte an die Bürgerschaft, seine Sache zu untestützen. Es handelt sich Arbeitskräfte, Geld- und Erfrischungsmittel, die den durchfahrenden Truppen zugute kommen sollen. In den Räumen der Rhein.-Westf.-Diskonto-Gesellschaft ist eine Sammelstelle eingerichtet worden, wo sich Personen, die zu ernster, aufopferungsvoller Arbeit bei Tag und Nacht bereit sind, anmelden können. Ebenso wird um Geldbeiträge und geeignete Erfrischungsmittel, wie Kaffee, Tee, Mineralwasser, Zucker, Schokolade, Zitronen, Obst, haltbare Fleischwaren, Brot und Salz, ferner um Tabak, Zigarren und dergl. sowie auch Trinkgefäße, Essgeschirre und Streichhölzer gebeten. Heute abend (Montag) findet dieserhalb eine Besprechung in der Beethovenhalle statt.
Für das Rote Kreuz werden Sammlungen veranstaltet werden.
Schulschluß wegen Kriegsausbruch . Die städtischen und höheren Schulen werden auf Veranlassung der Behörde geschlossen.
Es ist auf tunlichste Mitwirkung der Schulkinder, auch der Schüler der höheren Lehranstalten bei den Erntearbeiten hinzuwirken.
Zahlreiche Dienstmädchen und Geschäftspersonal ist in Bonn angeblich ohne Kündigung entlassen worden. Inwieweit dies zutreffend ist, vermochten wir nicht näher festzustellen. Jedenfalls ist eine solche Maßnahme rechtlich unzulässig und an sich verwerflich.
Die Rheinuferbahn hat ihren Betrieb einschränken müssen. Schnellzüge fahren vorläufig überhaupt nicht mehr. Statt dessen verkehren zwischen Bonn und Köln von morgens 7.34 Uhr bis abends 8.34 Uhr stündlich Personenzüge 34 Minuten nach Voll.
Auch der Betrieb der Vorgebirgsbahn, sowie der unserer städtischen Straßenbahnen ist eingeschränkt worden. Die Fahrten über die Viktoriabrücke sind eingestellt.
(Bonner General-Anzeiger, Titelseite)
Spionenfurcht . Mehrere „Spione“ sollten gestern verhaftet worden sein. An all den Gerüchten ist kein wahres Wort. In allen Fällen handelt es sich um die Festnahme unschuldiger Personen, teilweise sogar Bonner, die vom Publikum aus als „Spione“ angesehen wurden und ohne weiteres von ihm der Polizei übergeben wurden, die natürlich die Leute wieder freiließ. Angesichts dieser Spionenfurcht dürfte es angebracht sein, dem Publikum Ruhe und Mäßigung anzuempfehlen.
Warnung vor russischen Spionen . Durch das Wolffsche Bureau wird die Bevölkerung gebeten, auf russische Offiziere und Agenten zu achten, die in großer Zahl durch Deutschland reisen. Man möge der Behörde zu ihrer Festnahme behülflich sein.
Das Pfadfinderkorps hat gestern mit der Aufführung von „Zopf und Schwert“ im Bürgerverein eine patriotische Kundgebung verbunden. Feldmeister Laabs sprach einen Prolog, der auf die ernste Lage Bezug nahm und Freiherr von Wolf brachte mit kernigen Worten ein Kaiserhoch aus, das Begeisterung weckte. Die Versammlung stimmte darauf „Es braust ein Ruf wie Donnerhall“ an.
Der Bonner Bergwerks- und Hütten-Verein (Zementfabrik) Oberkassel hat seinen Werkangehörigen durch Anschlag bekannt gegeben, daß die hülfsbedürftigen Familien zu den Fahnen Einberufener unterstützt werden.
Vaterländischer Frauenverein Stadtkreis Bonn . Am Samstag, 1. August, fand im Viktoriastift zu Godesberg unter Leitung des Oberarztes Dr. Wenzel die Prüfung von 28 Helferinnen zu Hilfsschwestern vom Roten Kreuz statt. Alle 28 erhielten den Ausweis, 5 davon hatten die staatliche Prüfung hinter sich, bei 4 Kandidatinnen konnte wegen ihrer langjährigen Tätigkeit in der Krankenpflege von der mündlichen Prüfung abgesehen werden.
Der Vaterländische Frauenverein Stadtkreis Bonn verfügt nunmehr über je 30 Hilfsschwestern und Helferinnen vom Roten Kreuz, die er dem Vaterlande zur Verfügung stellen kann.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Roheit! Gestern wurden der Polizei mehrere Personen wegen Spionageverdachts vorgeführt. Alle verhaftete aber konnten sich bei der Polizei ausweisen und wurden dann sofort wieder auf freien Fuß gesetzt. Unter ihnen befand sich auch ein junger Beamter von hier, der sich dadurch der „Spionage verdächtig“ gemacht haben soll, daß er das Gebäude der „Deutschen Reichszeitung“ längere Zeit aufmerksam betrachtete. Wenn das bis zur Nervosität gestiegene Spionagefieber des Publikums (…) erklärlich ist, so bleibt es unverständlich und es ist eine Roheit, daß solche „Verdächtige“ vom Publikum gestoßen, geschlagen und getreten werden, daß sie erschöpft und blutend auf dem Polizeiamt ankommen.
Der junge Beamte, der Sohn einer alten Bonner Familie, (der Vater ist Staatsbeamter) wurde bei dem Transport zum Polizeiamt beinahe gelyncht. Ein wenig später stellte sich einwandfrei die Grundlosigkeit des Verdachts heraus. Herr Polizeiinspektor Witkugel und Herr Kommissar Flaccus ermahnten das Publikum von einem Fenster des Polizeiamtes aus wiederholt um Ruhe und Rücksicht gegen die vermeintlichen „Spione“. Trotzdem wurden danach neue Ausschreitungen gegen die unschuldig Verhafteten begangen.
Es diene darum zur dringenden Mahnung: Personen, die wegen Spionage oder Landesverrat von der Polizei oder dem Militär festgenommen und durch die Straßen geführt werden, lasse man unbehelligt. Sind es wirklich Staatsverbrecher, werden sie der verdienten Strafe durch den Richter nicht entgehen, sind es aber – wie gestern – Unschuldige so ist das eine unglaubliche Roheit, gegen die die Polizei schließlich nicht anders, als durch neue Verhaftungen vorgehen kann.
(Deutsche Reichs-Zeitung, „Bonner Nachrichten“)
Dienstag, 4. August 1914
Am Tag zuvor hatte Deutschland Frankreich den Krieg erklärt, und deutsche Truppen hatten mit dem Einmarsch in Belgien begonnen. Die britische Armee hatte mit der Mobilmachung angefangen.
Universitätsfeier. Wie alle Jahre versammelten sich auch gestern die Angehörigen des Lehrkörpers unserer Universität in der Aula, um den Geburtstag des Stifters der Bonner Hochschule, Friedrich Wilhelm III. zu feiern. Die Aula hatte diesmal freilich ein anderes Aussehen als sonst. Es fehlten die Fahnen der Chargierten, die nun der König unter die Fahne gerufen hat, um für Deutschland zu kämpfen. (...)
Der Verkehr der Eisenbahn wird (...) für die Allgemeinheit, sowohl was Personenbeförderung als was Frachtverkehr angeht, aus Gründen der Landesverteidigung in einem Grade beschränkt, daß man nur noch auf eine gelegentliche Not- und Zufallsbeförderung rechnen kann. (...)
Beim Standesamt in Bonn sind am Samstag früh bis gestern 46 Kriegsheiraten vollzogen worden. Ein Paar wollte Sonntag abend zusammengeschrieben werden. Der Bräutigam aber hatte die nötigen Papiere nicht bei sich und mußte erst auf einem Fahrrade, das ihm ein Menschenfreund ohne Bedenken lieh, die Papiere aus Godesberg holen, während die Braut in Bonn wartete. Erst gegen Mitternacht konnte der Standesbeamte, der so lange gewartet hatte, die Ehe schließen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Deutscher Spruch:
Sturmgefeit ist das Land, unbezwingbar die Wehr.
Steht ein mutiges Volk hinter mutigem Heer!
Zur Beseitigung der Notstände. Einer Anregung der Vorsitzenden des hiesigen Vaterländischen Frauenvereins, Frau Berghauptmann Krümme folgend, hatten sich gestern Mittag in der Maargasse Nr. 1 Vertreter sämtlicher Bonner und des Beueler Frauenvereins eingefunden, um eine gemeinsame Organisation zu schaffen zur Linderung und Beseitigung der Notstände, die der nunmehr ausgebrochene Krieg zur Folge haben wird.
Den Ehrenvorsitz der – zunächst noch losen – Vereinigung hat in hochherziger Weise Ihre Königliche Hoheit Frau Prinzessin zu Schaumburg-Lippe, die auch persönlich anwesend war, übernommen. Es wurde nach kurzer Debatte beschlossen, engere Kommissionen zu bilden, die sich die Errichtung von Sammelstellen für Geld, Wäsche und Naturalien, die Fürsorge für die Familien der ins Feld ziehenden Krieger, die Arbeitsvermittlung und Beratung in allen Notfällen, die Sorge für die Kinder Verwundeter oder Gefallener und die Verteilung von Lebensmitteln an die ärmere Bevölkerung angelegen sein lassen werden.
Zur Unterbringung von Säuglingen und kleineren Kindern haben das evangelische Säuglingsheim und der Cornelius’sche Kindergarten wie der Verein für gemeinnützige Bestrebungen sich bereits in dankenswerter Weise bereit erklärt, der Vaterländische Frauen-Verein selbst hat umfangreiche Sammlungen von Geld, Wäsche und Naturalia in die Wege geleitet, ein eigenes Vereinslazarett mit zunächst 20 Betten bereitgestellt und für dieses wie für die in Bonn zu errichtenden Reservelazarette das erforderliche Personal an Hilfsschwestern und Helferinnen, die nach den Vorschriften des Roten Kreuzes ausgebildet sind, auch mit den Vorbereitungen für die Errichtung einer Erfrischungs- und Verbandsstation am Bahnhof begonnen.
Welchen Anklang der gestrige Aufruf des V.Fr.V. gefunden, zeigt die Tatsache, daß bereits in den zwei Tagen mehrere Tausend Mark abgeliefert worden sind. Möge die Opferwilligkeit der Bonner Bürgerschaft sich auch weiterhin glänzend betätigen!
Universitätsfeier. Der Lehrkörper und eine kleine Zahl Studierender fanden sich gestern in der Aula der Universität zusammen, um, wie jedes Jahr, der Gründung unserer Rhein. Friedrich-Wilhelm-Universität durch Friedrich Wilhelm III. zu gedenken. In den schweren Stunden war die Feier nur kurz und tief ernst. Geheimrat Elter sprach über die Beschreibung des Peloponnesischen Krieges durch Thukydides, den größten griechischen Historiker. (...)
Der Universitätsrektor Prof. Dr. Schulte sprach über die ernste Zeit, die Deutschland bevorstehe, indem es von Russland zu einem Kriege gezwungen wurde, einem Streit um die Kultur des Abendlandes. Die Mütter möchten ihre Kinder, Söhne und Töchter mit Stolz hinausziehen lassen. Die der Mutter geborenen Kinder gehören auch dem Vaterlande und dieses zu verteidigen gilt es nun.
An den Kaiser wurde folgendes Telegramm geschickt:
Der zur Feier des Geburtstages ihres Stifters König Friedrich Wilhelm III. versammelte Lehrkörper der Bonner Universität, deren Studenten großenteils zu den Fahnen überwiesen, deren Studentinnen sich zu jeder Gestalt von Frauenhilfe im Krieg bereit stellen, dankbar bewegt von der herrlichen Erhebung unsres großen Volkes, vereinigt sich mit den Millionen des vor hundert Jahren wiedergewonnenen bedrohten Rheinlandes, in dem Schwur der Treue bis zum Tod für Kaiser, König und Reich. Dem Oberfeldherren aller Deutschen Heil und Sieg. Der Rektor Schulte.
Mit einem Kaiserhoch und dem Liede Deutschland, Deutschland über alles, das wohl niemals mit gleich tiefer Empfindung zwischen diesen Mauern gesungen wurde, ging die Feier zu Ende.
(Deutsche Reichs-Zeitung, „Bonner Nachrichten“)
Mobil! Unsere Stadt hat seit einigen Tagen ein anderes Aussehen. Die Ereignisse der letzten Tage lassen den Bürger nicht ruhig arbeiten. Vor unserer Geschäftsstelle drängt sich das Publikum, um über die neuesten Ereignisse orientiert zu sein. Gestellungspflichtige mit Paketen oder Koffern eilen zu den militärischen Dienststellen, wo sich eine emsige Tätigkeit entfaltet. Züge rollen mit Truppentransporten in ununterbrochener Folge durch unsere Station. Die jungen Männer, die ernst, aber gefaßt hinausziehen, werden mit brausenden Hochrufen begrüßt und der eingerichtete Hilfsdienst auf dem Bahnhof tut seine Pflicht. Die Krieger werden mit Speise und Trank gelabt, und man steckt ihnen einen Imbiß, Zigarren und dergl. zu. In der ganzen Stadt hat sich ein Hilfsdienst organisiert. Ueberall sieht man die lebhafteste Teilnahme und das durchbrechende Gefühl, mitzuhelfen. In ganz besonderer Weise ist auch vorgesorgt, damit etwaige Verwundete gute sachgemäße Pflege und Heilung finden können. Unsere Stadt wird in besonderem Maße als Lazarettstadt in Frage kommen. Die umfassendsten Vorbereitungen sind bereits getroffen. Größere Säle, Schulen, Anstalten und auch die im näheren Umkreise von Bonn liegenden Klosterschulen, wie beispielsweise Nonnenwerth, sind zur Aufnahme von Verwundeten hergerichtet worden. In dankenswerter Weise haben sich auch Privatleute bereitgefunden und Zimmer, Aerzte und Pflegepersonal bereitgestellt. U.a. hat Herr Hugo Knops das den Franziskanerinnen gehörige Haus Koblenzerstraße 30 gemietet und läßt dort ein Lazarett für 20 verwundete Soldaten einrichten. Die gesamte Unterhaltung einschl. Honorar für Arzt und Krankenpflegerin trägt Herr Knops. Auch unsere Frauen haben sich einmütig zusammengeschlossen, um sich an dem vaterländischen Werke zu beteiligen. Die Organisation liegt in den Händen des Vaterländischen Frauenvereins, die für die Verwundeten helfend mit eintreten. Ebenso leistet, wie eingangs erwähnt, die Hilfsorganisation für die durchgehenden Truppen gute Dienste.
Bei dieser Gelegenheit richtet die Bahnhofsmission die herzliche Bitte an junge Mädchen, hilfreiche Hand zu leisten, um den durchziehenden Truppen Wasser zu reichen. Junge Mädchen werden gebeten, sich am Hauptbahnhof zu melden.
Die wichtigste Aufgabe. Von Universitätsprofessor A. Pflüger ist ein Erntebund der Bonner Jugend organisiert worden. Er stellt vorwiegend Jünglinge und junge Mädchen den Landwirten zur Verfügung bei der Erntearbeit. Gesuche sind durch Vermittlung der Ortsvorsteher an die Geschäftsstelle, Kaiserstraße 85, zu richten. Sie werden nach Möglichkeit berücksichtigt. Der Bund bittet die Ortsvorsteher um Mithilfe und Verbreitung dieser Nachricht.
Wer seine Hilfe in Anspruch nimmt, verpflichtet sich zu folgenden Leistungen:
1. für jeden Arbeiter ein sauberes Bett oder im Notfalle ein sauberes Strohlager mit Decken;
2. 25 Pfg. Entlöhnung am Tag;
3. Vergütung der Eisenbahnfahrt.
Man kann wohl ruhig aussprechen, daß die Aufgabe, welche der Erntebund sich gestellt hat, von allen, die vorliegen, zunächst die wichtigste ist. Deutschland kann sich selbst ernähren. Die Ernte ist da. Nur muß sie hereingebracht werden!
Städtische Maßnahmen gegen Preistreibereien. Die Stadtverordneten-Versammlung hat in ihrer letzten Sitzung die Verwaltung ermächtigt, unter Zustimmung der Finanz- und Teuerungskommission sowie des Armenrats, Maßnahmen zu treffen, welche zur Lebensmittelversorgung der Bevölkerung notwendig sind und die hierzu erforderlichen Mittel bewilligt.
Bereits heute (Dienstag) findet im Verwaltungsgebäude, Franziskanerstraße 8a, Torweg, der Verkauf von Salz und Weizenmehl von vormittags 9-12 Uhr zu den in der Bekanntmachung angegebenen Preisen statt.
Der Preistreiberei auf dem Wochenmarkt ist bereits gestern seitens der Verwaltung in der nachdrücklichsten Weise entgegengetreten worden. Es wird dies auch in der Folge geschehen sowohl bei Preistreibereien auf dem Wochenmarkte als in hiesigen Lebensmittelgeschäften.
Die Namen solcher Verkäufer werden außerdem im ganzen Stadtbezirke durch Anschlag veröffentlicht werden.
Gegen die Preistreibereien. Unsere Marktpolizei ist gestern auf eigene Faust gegen die Kartoffelverkäufer vorgegangen, die unverhältnismäßig hohe Preise für ihre Waren verlangten. Sie bestimmte, daß für Kartoffeln im ganzen Zentner nicht mehr als 6 Mk. und im Einzelverkauf 8 Mk. verlangt werden dürften. Dies galt sowohl für den Stiftsplatz als auch für den Hauptmarkt. Manche Händler konnten sich nur schlecht in diese Maßnahme schicken. Viele zogen es vor, ihre Kartoffeln selbst pfundweise zu verkaufen, um so wenigstens 2 Pfennig mehr zu erhalten, Auch die Angestellte eines Großgrundbesitzers in Rheindorf, die gestern mit einem großen Korb Kartoffeln auf dem Markt war, zog den pfundweisen Verkauf vor, verlangte aber 10 Pfg. für das Pfund. Ueber diese Forderung wurde ein Käufer derart erbost, daß er den Marktkorb umstülpte. Das Mädchen rief einen Polizeibeamten herbei, dieser konnte jedoch den Täter nicht mehr ermitteln. Als das Mädchen die Kartoffeln wieder zusammen gesucht hatte, ergab sich daß der Korb viel zu groß geworden war. Fast die Hälfte der Kartoffeln war spurlos verschwunden.
Kriegsteilnehmer und Allgemeine Ortskrankenkasse Bonn. Man schreibt uns: Die aus Anlaß des Krieges einberufenen Personen haben das Recht, sich bei der Krankenkasse, welcher sie angehört haben, für die Dauer des Feldzuges freiwillig weiterzuversichern. Sie sichern sich hierdurch einen Anspruch auf Krankengeld für den Fall einer Erkrankung oder Verwundung und für ihre Angehörigen einen Anspruch auf Sterbegeld für den Fall, daß sie im Felde fallen. Die Erklärung zur Weiterversicherung muß spätestens nach Ablauf von 3 Wochen nach dem Austritt aus der Beschäftigung der Krankenkasse abgegeben werden; die Beiträge für die Zeit der Weiterversicherung sind monatlich nachträglich an die Krankenkasse zu zahlen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Mittwoch, 5. August 1914
Am 4. August war das britische Ultimatum an Deutschland, in dem die Respektierung der belgischen Neutralität gefordert worden war, abgelaufen. Daraufhin waren die diplomatischen Beziehungen abgebrochen worden, was einer Kriegserklärung gleichkam. Alle deutschen Parteien im Reichstag hatten den Kriegskrediten zugestimmt. Der Kaiser hatte den „Burgfrieden“ ausgerufen.
Auch der „Volksmund“, der noch Tage zuvor vor den Gräueln eines möglichen Kriegs gewarnt hatte, vollzog eine Wende. In dem mit E. Ling gezeichneten Artikel „Krieg“ heißt es nun: „Es war zu spät. Das drohende Kriegsgewölk, das sich immer unheimlicher zusammenballt, war nicht mehr zu zerstreuen, alle Bemühungen des Kaisers, seinem Reiche das Unheil des Krieges fern zu halten, vergebens: das Unwetter ist losgebrochen. Buchstäblich: über Nacht (...) Darum vorwärts! Zeigen wir, daß wir auch in der höchsten Not nicht zagen! Vorwärts! Drauf und dran! Das ganze internationale Völkergewimmel soll erfahren, was es heißt, ein gesundes Volk mit achtundsechzig Millionen Menschen vernichten zu wollen! (...) Wollt ihr Hiebe: nur heran. Wir können und wollen jetzt schlagen. Und, mag die ganze Welt es hören, nicht zu knapp.“
Der Rektor der Universität Geheimrat Schulte macht durch Aushang am Schwarzen Brett bekannt:
Seine Majestät hat auf das gestrige Huldigungstelegramm der Universität zu antworten geruht:
„Berlin, Schloß, den 4. August um 10.10 Uhr. Meiner teuren Friedrich-Wilhelms-Universität herzlichen Dank für Gruß u. Treueschwur.“
Frau Prinzessin Adolf zu Schaumburg-Lippe hat gestern die Erfrischungsstation der freiwilligen Hilfsstation für durchfahrende Truppen besucht, deren Einrichtungen sie längere Zeit mit großem Interesse besichtigte und durch Geschenke bereicherte.
Die Bonner Burschenschaft. Alle in Bonn studierenden Burschenschafter haben sich, soweit sie nicht bereits dem stehenden Heere angehören, freiwillig zum Dienst gemeldet.
Die Lieferung von Gas, Elektrizität und Wasser wird, wie uns die Direktion der Stadtwerke mitteilte, in keiner Weise eingeschränkt. Alle Gerüchte, die etwas Gegenteiliges behaupten, sind falsch. Nur die öffentliche Straßenbeleuchtung wird während des Krieges vermindert.
Eingesandt. Wir erhalten folgende Zuschrift, der wir gerne Raum geben.
„Geehrte Redaktion! Würden Sie die Güte haben und die folgenden Zeilen in Ihr Blatt aufnehmen? Gestern begegnete ich noch vielen jungen Damen, welche noch mit ihrem Tennisschläger gedankenlos über die Straße zogen, während schon so viele nötige Arbeit auf uns wartet. Der Ernst der Zeit soll uns doch andere Gedanken geben, als die des Spieles und Sports! (…) Keine Schande ist es für uns, wenn die Tennisplätze mit Gras überwachsen, weil unsere Töchter arbeiten für das Vaterland. Ihr deutschen Töchter, greift an, wo die Not eure Hilfe verlangt, ohne Erwägen, ob die Arbeit Euch zusagt oder nicht. (…) Die Zeit der Tändelei muß nun begraben werden, (…) Gott mit uns!“
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Dem freiwilligen Hülfsausschuß für durchfahrende Truppen sind gestern eine so große Menge an Früchten zugegangen, daß weitere Spenden von Obst dankend zurückgewiesen werden müssen, weil es aus Gesundheitsrücksichten nicht zu empfehlen ist, den Truppen Obst – Citronen ausgenommen – zu verabreichen. Es wird darum gebeten, die Früchte gegen Geld oder andere Artikel umzutauschen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Kirchenkollekte in der katholischen Kirche. Am Mittwoch, 5. August, wie am Sonntag, den 9. August, ist nach Anordnung des Herrn Kardinals von Hartmann eine Kirchenkollekte für die Familienangehörigen der ins Feld gerückten Truppen zu veranstalten.
Altkatholischer Gottesdienst in Bonn
In der Gymnasialkirche (Bonngasse) wird am Mittwoch, den 5. d. Mts., vormittags ½10 Uhr, der von Sr. Majestät dem Kaiser angeordnete Bitt-Gottesdienst abgehalten.
Evangelische Gemeinde. Der von Sr. Majestät dem Kaiser angeordnete Bettag-Gottesdienst ist Mittwoch, 10 Uhr, in der Kirche am Kaiserplatz. Im Anschluß daran ist Vorbereitung und Abendmahlsfeier.
Die Gebetstunde der Freien Evangelischen Gemeinde, Martinstraße 6, am nationalen Bettag, den 5. August, findet um 5 Uhr nachmittags statt.
Münsterkirche Bonn. Gemäß Erzbischöflicher Anordnung Sonntag den 9. August: 13stündiges Gebet, welches abends 6 Uhr mit der Absingung der Litanei von allen Heiligen und dem sakramentalen Segen schließt. – Sonntag den 9. August bei allen Gottesdiensten Kirchenkollekte für die Familien-Angehörigen der ins Feld gerückten Truppen.
Evangelische Militärgemeinde Bonn. Den Allerhöchstangeordneten Allgemeinen Bettag wird die Militärgemeinde zusammen mit der bürgerlichen Gemeinde heute Mittwoch 10 Uhr in der Kirche am Kaiserplatz begehen. Die Predigt hält Pastor Strauß, Abendmahl reichen die Pastore Kremers und Lorenz.
Israelitische Gemeinde Bonn. Auch in der Synagoge wird heute morgen 11 Uhr ein Bittgottesdienst mit predigt und Vorbereitung abgehalten.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Kirchen-Kalender“)
Studenten der Bonner Universität!
Der Dienst des Vaterlandes geht allem voraus! Wer nicht die Waffen tragen kann, verwende seine Kraft für die Volksernährung und eile zur Erntearbeit! Kommilitonen, schließen Sie sich an die bestehenden Organisationen an! In Bonn hat diese ihren Sitz im Arminenhaus, Kaiserstraße 85.
Bonn, den 4. August 1914
Der Rektor: Schulte, Geheimer Regierungsrat
Der Königliche Universitäts-Kurator: Ebbinghausen, Geheimer Ober-Regierungsrat
(Aufruf in der Deutschen Reichs-Zeitung)
Donnerstag, 6. August 1914
Bittgottesdienst. Am gestrigen Bettage wurde in den hiesigen katholischen und evangelischen Kirchen, in der altkatholischen Kirche, sowie in der Synagoge, der vom Kaiser angeordnete Bittgottesdienst unter durchaus starker Beteiligung gefeiert. Die Gläubigen füllten die Gotteshäuser bis auf den letzten Platz. Bei der in der evangelischen Kirche am Kaiserplatz angesagten Bettagsfeier war die Teilnahme der Andächtigen so groß, daß auch in der Schlosskirche noch ein gleichzeitiger Gottesdienst angesetzt werden mußte. Auch dies Gotteshaus war bald überfüllt. So fand dann auf der Hofgartenwiese unter freiem Himmel noch ein Gottesdienst statt, den Professor Sell leitete.
Einquartierung. Am Sonntag habe wir hier Einquartierung. Reservisten, Landwehrleute und Mannschaften aktiver Truppenteile werden bei den einzelnen Bürgern in Quartier gegeben. Es ist eigentlich die selbstverständlichste Sache, es ist die Pflicht, ja mehr noch, es sollte eine Freude und Genugtuung für jeden einzelnen sein, die Soldaten, die bei ihm in Quartier sind, gut zu verpflegen. Sicher denkt auch die Mehrheit unserer Bürgerschaft so. Es gibt aber überall Leute, die ihre eigene wohlfeile Bequemlichkeit höher schätzen, als die Pflicht, die sie gegen andere haben. So ist es vielleicht gut, darauf hinzuweisen, daß berechtigte Beschwerden, die dem Einquartierungsamt gemeldet werden, sehr unangenehme Folgen für die Quartiergeber haben werden. Man würde rücksichtslos gegen sie vorgehen. Und mit Recht.
Ausländer. Wer Kenntnis oder auch den Verdacht hat, daß Ausländer, die den feindlichen Nationen angehören, noch in der Stadt verweilen, hat die Verpflichtung, dem Polizeiamt sofort Meldung hiervon zu machen. (…)
Der Postverkehr zwischen Deutschland und England ist gänzlich eingestellt. (…)
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Frau Prinzessin zu Schaumburg-Lippe hat den Ehrenvorsitz im Vaterländischen Frauen-Verein Stadtkreis Bonn übernommen, und in ihrem Palais eine Sammelstelle für alle die Geldspenden, Wäsche- und Lebensmittellieferungen eingerichtet, die durch genannten Verein den Familien der ins Feld ziehenden Krieger und der ärmeren Ortsbevölkerung zugeführt werden sollen. Die Sammelstelle ist täglich von 10-12 Uhr vormittags geöffnet.
Landes-Bettag. Kühle Dämmerung ist in dem hohen Gotteshaus. In den Bänken und Seitengängen drängen sich Mann und Frau, Schuljugend, Soldaten. Vor den Altären brennen weiße Kerzen. Stilles Flackerlicht beleuchtet ernste Gesichter. Die Orgel verklingt und ein Geistlicher betritt die Kanzel. Es ist still in dem weiten Gotteshaus. Von schwerer Zeit, die über das Vaterland hereingebrochen ist, spricht der Seelsorger. Bilder, die man aus dem letzten großen Kriege in Erinnerung hat, entrollen sich vor den Augen der Zuhörer. „Vaterlandsliebe, Gottesfurcht, Gottvertrauen“, das sind Worte, die immer wieder ernst und demütig erklingen. Nicht Eroberungslust ist es, die uns das Schwert in die Hand drückt, bitterste Not und das Bewusstsein, unser Vaterland zu schützen. Der Geistliche spricht von dem Krieg, der uns aufgezwungen wurde, und daß er gekämpft werden muß. Mit Gott für König und Vaterland! Wo Gottvertrauen ist, da ist Gotteshilfe. Mit Demut vor dem Höchsten greifen wir zum Schwert, in Liebe und Verehrung für unseren Kaiser, für unser Vaterland. Von manchem anderen redet der Geistliche, hier und da schluchzt jemand auf; man hört Trostworte für die Mütter und Frauen, anfeuernde Worte für die Ausziehenden. Dann wird es still in dem Gotteshaus, und nur aus den Herzen ringen sich heiße Gebete los.
Da beide evangelischen Kirchen überfüllt waren, sammelte sich eine große Anzahl Gläubiger vor dem akademischen Kunstmuseum im Hofgarten, wo Prof. Sell eine begeisterte Ansprache mit Gebet hielt.
Die Mietzahlung in Kriegszeiten. Die irrige Meinung ist verbreitet, die Mieter brauchten im Kriegsfalle keine Miete und die Hauseigentümer keine Zinsen zu bezahlen. Das stimmt nicht. Nur wer nachweisbar seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen nicht in der Lage ist, muß bei der Behörde Stundung beantragen.
Die Preise für Brot sind gestern durch eine Kommission von Bäckermeistern zusammen mit der städtischen Verwaltung festgesetzt worden. Brötchen werden nicht mehr gebacken, weil das Personal zum Backen und Austragen fehlt.
Frau Prinzessin Adolf zu Schaumburg-Lippe besuchte gestern nachmittag zwischen 4 und 5 Uhr längere Zeit die Erfrischungsstation am Güterbahnhof und Personenbahnhof.
Zur Nachahmung! Der Kegelklub Glückauf überwies seine Kegelkasse im Betrage von 101,61 Mark dem hiesigen Roten Kreuz.
Als jüngster Freiwilliger hat sich der sechszehnjährige Sohn des Herrn von Deichmann beim hiesigen Husarenregiment gestellt. Eine große Anzahl jugendlicher Freiwilligen mußte zurückgewiesen werden.
Elf Spione sollen nach einer amtlichen Bekanntmachung des Bürgermeisters von Euskirchen am Sonntag in Köln erschossen worden sein. Die meisten waren in Trauerkleidung.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Einquartierung. Es ist vorgekommen, daß Bonner Bürger, die erst abends spät die Nachricht erhielten, sie müssten in der Nacht einem oder mehreren Soldaten Aufnahme gewähren, den Kriegern die gewünschte Unterkunft verweigerten, weil sie nicht vorbereitet seien und erst Platz schaffen müssten. Es ist aber in der, auch in der Deutschen Reichszeitung veröffentlichten Bekanntmachung über Einquartierung ausdrücklich betont worden, daß sich die gesamte Einwohnerschaft auf Einquartierung (die übrigens nicht unentgeltlich zu erfolgen braucht) vorbereiten möge. Es lässt sich in solchen Zeiten nicht immer die Einquartierung einen halben Tag vorher anmelden. Und es beweist wenig Vaterlandsliebe und menschliches Empfinden, wenn man den jungen deutschen Männern, die einige Tage später für einen jeden von uns ihr Leben einsetzen, die Türe weist.
Der erste Verwundeten-Transport deutscher Soldaten aus den Gefechten in Belgien wurde gestern Nachmittag in Bonn erwartet. Der Zug traf aber nicht ein. Man nimmt an, daß die Verwundeten – ihre Zahl soll nicht groß sein – inzwischen schon in den deutschen Städten, die der Grenze näher liegen, Pflege gefunden haben. Ein anderer Zug mit kranken Soldaten trifft voraussichtlich heute Nachmittag hier ein.
Warnung für Neugierige! In Koblenz wurde gestern der Lehrer am Konservatorium, Organist Felix Riter, der sich in der Nähe von Eisenbahnanlagen über Truppenverhältnisse erkundigte und dadurch die Aufmerksamkeit eines Postens erregte, nachdem er trotz wiederholten Anrufens und Abgebens von Schüssen nicht stehen geblieben war, erschossen.
Heute vor 44 Jahren kämpften unsere wackeren Bonner „Lehm ops“ mit Bravour bei Saarbrücken, Spichern und Wörth unter General von Steinmetz gegen die Franzosen, die General Frossard befehligte. Nach hartem Ringen waren die Franzosen glänzend geschlagen, und die Spicherner Höhen, hinter welche der Feind sich äußerst stark verschanzt hatte, wurden im Sturm genommen. Unsere „Lehm ops“ haben dabei fast Uebermenschliches geleistet. Darum müssen wir Bonner des heutigen Tages besonders gedenken.
Es sei bei dieser Gelegenheit auch einer tapferen Bonnerin, namens Bertha Rieth rühmend gedacht, welche mit einer Frau Bruch und deren Tochter aus Saarbrücken im dichtesten Kugelregen die verwundeten Soldaten aus dem Schlachtgetümmel trug, und dadurch vielen Braven das Leben rettete. Nach der Schlacht pflegte sie im Ruhrlazarett die kranken Soldaten und wurde schließlich selbst von der Ruhr befallen.
Not-Reifeprüfung. Auf erneute telegraphische Verfügung aus dem Kultusministerium konnte in beiden Oberprimen des städtischen Gymnasiums und Realgymnasiums eine starke abgekürzte Notreifeprüfung stattfinden. Aus der gymnasialen Abteilung treten 22, aus der realgymnasialen 20 Oberprimaner in die Prüfung ein. Das Examen, das gestern am Spätnachmittag zu Ende ging, hatte das erfreuliche Ergebnis, daß allen Prüflingen das Zeugnis der Reife zuerkannt wurde unter der Voraussetzung, daß sie im Laufe des ausgebrochenen Krieges sich in irgendwelcher Eigenschaft in den Dienst des Vaterlandes stellen. Herr Direktor Riepmann, unter dessen Vorsitz sich die Prüfungen vollzogen, betonte in seinen Abschiedsworten, daß auch diese kurze, unvorbereitete Prüfung den Beweis tüchtiger Schulung mit guten Leistungen geliefert habe. Die Mehrzahl der Abiturienten ist schon bei den verschiedensten Regimentern zum freiwilligen Dienst bzw. als Fahnenjunker eingestellt worden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, „Bonner Nachrichten“)
Freitag, 7. August 1914
Am Tag zuvor hatten Serbien Deutschland und Österreich-Ungarn Russland den Krieg erklärt.
Zur Fahne. Frau Witwe Winter, Lengsdorf, hat 14 Angehörige im Feld: 3 Söhne, 1 Reservist Fußartillerie, 1 Landwehr Garde-Inf., 1 Landsturm Inf.-Reg. 28; 4 Schwiegersöhne: 1 Reserve, 2 Landwehr, 1 Landsturm; 7 Enkel: 1 aktiv, 3 Reserve, 3 Landsturm.
Der Hilfsausschuß für durchfahrende Truppen bittet um Liebesgaben aller Art. (…)
Die sämtlichen Mitglieder der beiden jüdischen Verbindungen der hiesigen Universität (Verein jüdischer Studenten und Rheno-Silesia) sind als Freiwillige unter die Fahnen getreten.
Das Bonner Städtische Orchester hat seine Konzerte in Bad Neuenahr eingestellt, weil sehr viele Orchestermitglieder zu den Waffen einberufen wurden. Das Orchester bleibt jedoch bestehen. Das Orchester wird nicht aufgelöst.
Ein Kraftwagen, der die Marke einer belgischen Firma trug, ist gesternnachmittag auf dem Markt angehalten worden. Von den beiden Insassen behauptet der eine, Aachener zu sein.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Die unausgebildeten Landsturmpflichtigen werden aufgefordert, sich am 7. Mobilmachungstage (Samstag, 8. August) von 8 Uhr morgens ab, zur Aufnahme in die Landsturmstammrolle zu melden und zwar die in den Jahren 1869-1878 einschl. geborenen im Bonner Bürgerverein, oberer Saal, die in den Jahren 1879-1890 einschl. geborenen in der Münster-Mädchenschule, die in den Jahren 1891-1894 einschl. geborenen in der Münsterknabenschule, die im Jahre 1895 geborenen in der Germaniahalle, Friedrichstraße, die im Jahre 1896 geborenen im Dreikaisersaal, Kölnstraße 8, die im Jahre 1897, sofern sie das 17. Lebensjahr vollendet haben, in der Münster-Knabenschule.
Die sich Meldenden haben ihre Militärpapiere (Landsturmschein bzw. Ersatzreserve-Paß) mitzubringen. Den Jahrgängen 95, 96 und 97 angehörige Landsturmpflichtige haben Geburtsschein oder sonstigen amtlichen Ausweis vorzulegen.
Zur gemeinsamen Bekämpfung der Notstände, die in dem nunmehr ausgebrochenen Weltkriege auch unserer Vaterstadt nicht erspart bleiben werden, haben sich folgende Frauenvereine dem Vaterländischen Frauenverein angeschlossen: Deutsch-evangelischer Frauenbund, Frauenbund der deutschen Kolonialgesellschaft, katholischer Frauenbund, Flottenbund, Wöchnerinnenverein Bonn-Endenich, Verein für Frauenbildung und Frauenstudium, Mädchenhort, Kinderhortverband, National-liberaler Frauenverein, vereinigte Elisabethvereine, Lehrerinnenverein, Frauenverein Kessenich, Frauenverein Poppelsdorf, israelitischer Frauenverein, Verein der Freundinnen junger Mädchen, katholischer Lehrerinnenverein, Comenius- und Fröbelvereine und allgemeiner deutscher Kindergärtnerinnen-Verein, Bonner Frauenverein, Frauen-Arbeitsstätte des Vereins zur Beschäftigung Arbeitsloser, Frauenverein Bonn-Endenich für Wochenpflege, Verein Säuglings- und Genesungsheim, Berufsberatungsstelle für Frauenberufe, Stellenvermittlung des katholischen Frauenbundes, evangelischer Frauenverein Bonn-Süd, evangl. Jugendbund, Mädchengruppe und Pfadfinderkorps sowie der Frauenverein Beuel.
Möge dieser im Interesse des Ganzen nur zu begrüßende Zusammenschluß reiche Früchte tragen!
Geldspenden werden nach wie vor angenommen im Palais Schaumburg, Koblenzerstraße 141, vormittags von 10-12 Uhr, bei Herrn General Clemens, Weberstraße 88, bei Herrn Schulrat Dr. Baedorf, Rathaus, Zimmer 30, Lebensmittel- und Wäschespenden bei Frl. Schaafhausen, Koblenzerstraße 33, Fräulein Hälschner, Koblenzerstr. 29, Frau van der Elst, Baumschul-Allee 45a, in der Zentralsammelstelle der Universität.
Die Sammlungen des Vaterländischen Frauenvereins ergaben bis heute 11.000 Mark. Herzlichen Dank allen, auch den kleinsten Spendern!
Der Vaterländische Frauenverein hat eine Hauptsammelstelle in der Lese, Koblenzerstraße 35, eröffnet, die von 9-1 Uhr morgens und von 3-7 Uhr nachmittags offen ist.
Erschossen. Auf dem Bahnhof Unkel wurde in vergangener Nacht ein junger Kaufmann aus Bonn, der einen Mehltransport bewachte, von einem Unbekannten erschossen.
Verbandnotwendigkeiten wurden gestern durch Aerzte mit zwei Automobilen bei der Firma Eschbaum nach Lüttich geholt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Wilde Gerüchte. Eine ganz eigenartige Spannung der Nerven liegt über der Masse, die alles rasch aufgreift und erwägt und richtet. Haltlose Gerüchte, wie sie in den Tagen großer Erregung stets verbreitet werden, waren auch gestern wieder im Umlauf. Auf den Straßen, auf den öffentlichen Plätzen, vor den Schaufernstern der „Deutschen Reichszeitung“ drängen sich Tausende, lesen die neuesten Telegramme, harren neuerer Nachrichten und erzählen, die russische Flotte sei bei den Allantinseln am Bottnischen Meerbusen von der deutschen Flotte teils vernichtet, teils eingeschlossen worden, die Oesterreicher hätten 20 000 Serben gefangen, englische Kriegsschiffe seien in der Nähe von Helgoland gesehen worden, bei den Kämpfen in Belgien habe es 6000 verwundete und viele hundert tote deutsche Soldaten gegeben. Was an diesen Gerüchten Wahres ist, steht zu der Stunde, da wir diese Zeilen schreiben, noch nicht fest. Jedenfalls fehlen vollkommen die amtlichen Bestätigungen. Aber die Gerüchte waren nun einmal da. Jedes Wort, soweit es sich auf den Krieg, auf den Kampf unserer Truppen bezieht, wird mit einer wahren Gier verschlungen, und alles, was zum Ruhme unseres Heeres ist, wird mit einer glühenden Begeisterung, mit brausendem Hurrarufen aufgenommen. Patriotische Lieder erklingen immer wieder. Die angeblichen Kämpfe werden besprochen, die Landkarte wird neu eingeteilt. Die großen Züge von Ersatztruppen werden mit Hurrarufen begrüßt, winkende Hände und flatternde Tücher schicken ihnen einen letzten Gruß auf das Feld der Ehre nach. Dazwischen drängen sich wieder Lastwagen, die sich zur Verfügung der Kommandos zu stellen haben, wagen, die noch den ebbenden Geschäften der Industrie und des Handels dienen, Autos und Wagen der Elektrischen, und über allem die warme August-Sonne, eine leichte Dunstschicht aus Staub und Luft und die Tonwellen der Hurrarufe und der vaterländischen Lieder.
Das Brot ist teurer geworden.
Eine Kommission von Bäckermeistern hat gestern zusammen mit der städtischen Verwaltung die Preise für Brot bis auf weiteres wie folgt festgesetzt: Schwarzbrot 0,75 Mark, Feinbrot 0,60 Mark und Graubrot 0,60 Mark. Brötchen werden nicht mehr gebacken.
Festgenommen. Ein Kraftwagen auf dem die Aufschrift Belgische Feinbäckerei mit schwarzem Lack überstrichen war, wurde gestern abend auf dem Markt von Soldaten angehalten. Da der Führer und sein Begleiter sich nicht genügend ausweisen konnten, wurden sie von der Polizei festgehalten, der Kraftwagen beschlagnahmt. Die Beiden gaben an, auf dem Wege von Aachen nach Koblenz zu sein, um dort den Wagen der Militärverwaltung zur Verfügung zu stellen. Ob dieses richtig ist, muß die eingeleitete Untersuchung ergeben.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Samstag, 8. August 1914
Auch die Soldaten der 5. Kompanie des 9. Rheinischen Infanterieregiments Nr. 160 – unter ihnen der Bonner Maler August Macke – werden von ihrer Kaserne in der Ermekeilstraße an die Westfront verlegt. In ihren „Erinnerungen“ schildert Elisabeth Erdmann-Macke rückblickend, wie ihr Ehemann von ihr und dem vierjährigen Söhnchen Abschied nehmen musste: „Am 8. August war es dann soweit. Das Infanterieregiment 160 rückte aus. Da niemand mitgehen durfte zum Güterbahnhof, wo die Truppe verladen wurde, hatten wir uns verabredet, wir würden uns in der Weststraße an der Friedhofsanlage aufstellen. Da standen wir denn auch, Mutter und ich und der kleine Walter, der einen kleinen Säbel umgeschnallt und einen Helm aufgesetzt hatte. Der mit Grün geschmückte und mit vielen Aufschriften bemalte Zug rollte langsam heran. Die Soldaten sangen und riefen den Menschen zu. August schaute weit vorgebeugt aus dem Fenster und winkte uns so lange zu, bis der Zug nicht mehr zu sehen war.“
Ein Kriegsgericht unter dem Vorsitz von Landgerichtsrat Douqué ist hier eingerichtet worden.
Eine Auskunftsstelle über Verwundete, Gefallene und Vermisste. Das Kriegsministerium in Berlin hat eine Bekanntmachung über die Einrichtung eines Zentralnachweisbüros für das Heer erlassen, welches während des Krieges über alle Verwundeten, Gefallenen und Vermissten, sowie die in allen Lazaretten behandelten Personen des eigenen Heeres Auskunft erteilt.
Hausfrauen kocht Gemüse und Obst ein! (…) Insbesondere muß die Obsternte Verwendung finden. Das ist nur möglich, wenn alle Hausfrauen mithelfen und rechtzeitig beginnen, in großen Mengen Gemüse, Obst, Gelee und Obstkraut (als Ersatz für Butter und Margarine) einzukochen, nicht nur für den eigenen Bedarf, sondern auch, wo die Mittel es erlauben, zu anderer Verwendung.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
In der gestrigen Stadtverordneten-Versammlung, die sich mit den von der Stadt getroffenen Maßnahmen angesichts der Kriegslage befasste, machte Oberbürgermeister Spiritus erfreuliche und beruhigende Mitteilungen. Er betonte, daß die von der Stadt getroffene Vorsorge derart sei, daß ein Grund zur Besorgnis für unsere Mitbürger nicht vorliege. Es sei so disponiert worden, daß man schon jetzt sagen könne: „Unsere Arbeit ist fertig.“ Aus allen Kreisen der Bürgerschaft seien Liebesgaben, bare Geldmittel, Wohnungen, Häuser, Betten u. dgl. Zur Verfügung gestellt worden. Die Lazaretteinrichtungen seien ausgezeichnet, die Verpflegung der Stadt mit Lebensmitteln für geraume Zeit sichergestellt. Es seien Abschlüsse für Mehl, Kartoffeln usw. gemacht, hinreichende Fleischvorräte vorhanden und die Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke reichlich mit Kohlen versehen, so daß die Betriebe aufrecht erhalten werden können. Der Oberbürgermeister warnte nochmals vor Preistreibereien und betonte, daß gegen alle Auswüchse in dieser Richtung energisch vorgegangen werde. Für die Angehörigen der zur Fahne einberufenen Mannschaften sei ebenfalls in bester Weise gesorgt. Die Finanzen der Stadt ständen gut, und es sei nicht notwendig, daß außer den bereits erfolgten Bewilligungen eine besondere Summe fixiert werde.
Im Namen beider Parteien sagte Stadtverordneter Dr. Kranz dem Oberbürgermeister Dank für die getroffenen Maßnahmen und erklärte das beiderseitige Einverständnis mit den gemachten Vorschlägen. Da eine Wortmeldung nicht erfolgte, ist die Vorlage einstimmig angenommen.
Verweigerte Bürgerquartiere. Es ist in den letzten Tagen mehrfach vorgekommen, daß Reservisten, die in Bürgerquartieren untergebracht werden sollten, in den für sie bestimmten Quartieren abgewiesen wurden, obwohl die in Betracht kommenden Häuser nicht belegt waren. Warum das geschah, ist dem Schreiber dieser Zeilen nicht bekannt. Denjenigen aber, welche die Aufnahme von Soldaten ohne schwerwiegende Gründe verweigert haben, wird es schmerzlich und beschämend sein, zu hören, daß einzelne Reservisten bis 12 Uhr nachts von Haus zu Haus ziehen mussten, ehe sie ein Unterkommen fanden.
Wir Deutsche fürchten unsern Gott ...!
(Vor der Abreise zum Kriegsheer.)
Auf, Brüder, lasst die Spaten ruhn,
Und nehmt das Schwert zur Hand!
Zum Kampf für Freiheit und für Recht
Ruft uns das Vaterland!
Ob prahlend auch der Russe droht,
Ob laut der Franzmann bellt:
Wir Deutsche fürchten unsern Gott,
Sonst Niemand auf der Welt!
Aus Oesterreich kam die Kunde her:
Der Freund ist in Gefahr!
Da schwang sich aus der Kaisergruft
Voll Zorn der deutsche Aar!
Aus langem Friedensschlaf erwacht
Bismarck, der deutsche Held:
Wir Deutsche fürchten unsern Gott,
Sonst Niemand auf der Welt!
Wer nur auf eitle Uebermacht
Und blindes Hassen pocht,
Der lerne, daß in größter Not
Deutschland am besten focht!
Und wär die ganze Erde auch
Von Feinden rings umstellt:
Wir Deutsche fürchten unsern Gott,
Sonst Niemand auf der Welt!
Auf, Brüder, stellt die Spaten fort,
Nehmt Säbel und Gewehr!
Der deutsche Michel hält sein Wort,
Sind Feinde auch ringsher!
Und ruft uns alle einst der Tod
Zum letzten Kampf ins Feld:
Wir Deutsche fürchten unsern Gott,
Sonst Niemand auf der Welt!
Reinhold Eichacker (Bonn)
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Bonner Soziale Wohlfahrtsvereinigung hat in ihrer Vorstandssitzung am Mittwoch abend im Hinblick auf die herrschende Notlage eine Reihe von Beschlüssen gefasst und Einrichtungen in Aussicht genommen, welche zur Linderung des bestehenden Notstandes dienen sollen:
Diejenigen Familien sollen ermittelt werden, welche eventl. bereit sind, täglich eine oder mehrere Portionen Mittagessen an notleidende Personen zu verabfolgen.
Ferner soll eine Volksküche ins Leben gerufen werden, in der jedermann gegen mäßiges Entgelt ein kräftiges Mittagessen erhalten kann. Den besser situierten Bürgern soll hierbei Gelegenheit gegeben werden, für minderbemittelte Personen Marken zu kaufen, die zur Entnahme von Mittagsportionen berechtigen. Die Schulvorsteherin Fräulein Drammer hat ihre Schule für diesen Zweck in bereitwilligster Weise zur Verfügung gestellt. Mit der Volksküche soll tunlichst eine Auskunftsstelle verbunden werden, in der die Notleidenden Zuspruch und Auskunft über alle Fragen erhalten sollen, welche auf die Milderung ihrer Lage Bezug haben. Hervorgehoben wurde, daß die Milchhäuschen neben der Milch Brot abgeben, sodaß auch hier jedermann für billiges Geld sich sättigen kann.
Aus der Vereinskasse wurden zunächst M. 500 für die gedachten Zwecke zur Verfügung gestellt.
Ferner wurde angeregt, Arbeitsgelegenheit für stellenlose Mädchen und Frauen durch Nähen von Wäsche zu schaffen, für die noch ein großer ungedeckter Bedarf vorliegt. Auch sollen Räumlichkeiten hierfür soweit als möglich beschafft werden.
Zum Zwecke der Aussprache und Aufmunterung der zurückgebliebenen Familienangehörigen von Kriegern sollen Zusammenkünfte veranstaltet werden, in denen unter Umständen auch Unterhaltung geboten werden soll.
Es wurde darauf hingewiesen, daß nicht nur die zurückgebliebenen Angehörigen sich vielfach in einer Notlage befinden, sondern auch zahlreiche Männer und Frauen, welche durch die notwendig gewordene Einstellung der Betriebe arbeitslos geworden sind.
Es wurde ferner auf die Notwendigkeit hingewiesen, tunlichst einen zentralen Arbeitsnachweis zu schaffen, da den vielen stellenlos gewordenen Personen auch solche Betriebe gegenüberstehen, die durch starke Entziehung von Personal eines Ersatzes dieser Arbeitskräfte bedürfen.
Die geplanten Maßnahmen sollen nach Möglichkeit in Gemeinschaft mit dem Vaterländischen Frauenverein und anderen Bonner Wohlfahrtsvereinen zur Durchführung gelangen.
Die Notwendigkeit einer Zentralisation aller Wohlfahrtsbestrebungen in der gegenwärtigen Zeit wurde namentlich auch damit begründet, daß eine möglichst gleichmäßige Berücksichtigung der betreffenden Personen stattfinden soll und nicht Einzelne zur Schädigung Anderer bevorzugt werden.
Recht lieblos werden die einquartierten Soldaten noch immer an manchen Stellen behandelt. Ein Leser der Deutschen Reichszeitung teilt uns mit, daß vierzig Mann des 65. Infanterie-Regiments, die in einigen Häusern an der Endenicherstraße und in Nachbarstraßen Unterkunft gefunden hatten, gestern morgen um 4 Uhr ohne Morgentrunk und Frühstück zum Dienst antraten. Das ist eine kaum glaubliche Rücksichtslosigkeit der Quartierwirte. Unsere Soldaten, die die keineswegs leichten Strapazen des Krieges mitzumachen haben, müssen reichliches und kräftiges Essen haben, und dazu gehört auch ein gutes Frühstück mit warmem Kaffee oder Suppe und Butter und Brot. Anspruchsvoll sind unsere Krieger nicht, aber das Notwendige müssen sie verlangen, sie haben ein Recht dazu. Wir verweisen noch einmal auf die Bekanntmachung über Einquartierungen in der Montagsnummer der Deutschen Reichszeitung, in der die Bedingungen und Entschädigungssätze für die Verpflegung der Soldaten angegeben sind. In diesem Falle solle man sich eigentlich nicht auf Bestimmungen und Strafandrohungen zu berufen brauchen. Jeder Deutsche muß es sich zur Ehre anrechnen, deutsche Krieger unter seinem Dach zu beherbergen und zu verpflegen. Das ist doch wahrhaftig der kleinste Beweis der Dankbarkeit für die großen Opfer, die unsere Soldaten im Kriege für einen jeden von uns gern und freudig bringen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Liebe Lisbeth!
Wir sind kurz vor Coblenz. Eben auf einem Bahnhof gut verpflegt. Die Prinzessin von Hohenzollern schmierte Butterbrote. Als der Zug abfuhr, rief ihr ein Kerl zu: „He, Fräulein, sid esu god un brengt mir die Karten in der Kaste.“ Sie lief in allgemeinem Hallo dem Zug nach und tat es. Es ist famos. Gruß August.
(Feldpostkarte von August Macke an seine Frau)
Sonntag, 9. August 1914
An den Vortagen hatten deutsche Truppen den belgischen Verkehrsknotenpunkt Lüttich erobert – ein Ereignis, das alle Bonner Blätter begeistert als wichtigen Erfolg feiern.
Die Frau Prinzessin zu Schaumburg-Lippe stattete vorgestern dem vom Vaterländischen Frauen-Vereine Stadtkreis Bonn und dem Roten Kreuze errichteten Lazarette „Glückauf“ in der Luisenstraße einen Besuch ab. Ihre Königl. Hoheit hat das Protektorat über das Lazarett übernommen und zu seiner Einrichtung einen namhaften Betrag gespendet. Das vollständig neuzeitlich eingerichtete Lazarett enthält 26 Betten, macht einen freundlichen Eindruck und steht gebrauchsfertig zur Aufnahme von Verwundeten bereit.
Eine Bekanntmachung des Oberbürgermeisters weist darauf hin, daß Privatpersonen das Beschießen von Fliegern verboten ist.
Soldatenhumor. Ein lustiges Gedicht, das in Süddeutschland entstanden ist und dort von einrückenden Soldaten gerne gesungen wird, soll nun auch hier verbreitet werden. Das Gedicht, das nach der Melodie „Oh Tannenbaum“ zu singen ist, lautet:
O Nikolaus, o Nikolaus,
Du bist ein schöner Bruder!
Du redest uns von Frieden vor
Und rüstest heimlich Korps und Korps,
O Nikolaus, o Nikolaus,
Du bist ein falsches Luder!
O Engeland, o Engeland,
Wie hast du dich benommen!
Als wie ein rechter Krämersmann,
Der nimmt so oft und viel er kann –
O Engeland, o Engeland,
Das soll dir schlecht bekommen!
Der Franzmann auch, der Franzmann auch
Weist wieder seine Krallen.
Er möchte zu gern an den Rhein,
Wir aber nach Paris hinein –
Das will ihm nicht, das will ihm nicht gefallen.
Und wenn die Welt vor Feinden wär
Und keinem wär zu trauen –
So sorchten (sic) wir uns dennoch nicht.
Wir halten’s wie der Kaiser spricht.
Wir werden sie, wir werden sie,
Wir werden sie verhauen!
Das Bonner Licht- und Luftbad wurde im Monat Juli von 2027 Personen gegenüber 1025 Personen des Vorjahres besucht. Es ist die höchste bis jetzt erreichte Besucherzahl.
Das Ende der Fremdtümelei. Wieviel schwere Kämpfe um die Reinheit der deutschen Sprache und gegen die abscheuliche Fremdtümelei, besonders in den Bezeichnungen von Firmen- und Vergnügungsstätten, hat nicht schon der deutsche Sprachverein ausgefochten. Infolge des Krieges scheint er jetzt auf der ganzen Linie zu siegen. (...) Mit leisem Lächeln, aber auch mit herzlicher Freude sieht man überall Pappe und Kleistertopf, Pinsel und Farbe, Hammer und Meißel anrücken, um das „On parle francais“, „English spoken“ usw. zu tilgen und aus der englisch-deutschen eine rein deutsche Schneiderei zu machen. (...) Hoffentlich räumt dieser Sprach-Feldzug nicht nur gründlich, sondern auch dauernd mit der Fremdtümelei auf. (...) In Köln hat das Café Picadilly sofort nach Bekanntwerden der Kriegserklärung seinen Namen in „Café Germania“ umgeändert. Deutsches Kaffeehaus nach dem Berliner Vorbild wäre noch hübscher gewesen. (...) Auch bei uns in Bonn wären ähnliche Namensänderungen angebracht.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Rheinischer Humor in ernster Zeit. Mit dem Poststempel Pfaffendorf erhalten wir von einem „bönnschen Jung“ eine Postkarte, die so recht zeigt, daß der Rheinländer auch in ernster Zeit den Humor nicht verliert. Die Karte lautet: „Bonner General-Anzeiger. Wie wir Bonner den Krieg auffassen (Landwehr 1 und 2), geht daraus hervor, daß wir seit zwei Tagen aus dm Lachen nicht herauskommen. Der Metzgermeister J. von der Sternstraße und meine Wenigkeit als Kölner sorgen für den nötigen Humor. Wir haben einen ganz kleinen Leutnant; J. hat ihm schon gesagt, wenn er sich nicht schicke, dann kräg er gekündig. Vorläufig sind wir noch Kurgäste von Pfaffendorf. Wenn me ävve loßläge, dann gitt et nix ze laache. Mir komme all met enem Orde nah Huus. Also, Bonner Bürger, verloht Uech op ons und sorgt, dat Ihr ene Moht hat, wie mir. Mir bränge Uech all ene kleene Franzos em Zigaarekeßge met! Adieu, Bonner, auf Wiedersehen!“
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Prinz und Prinzessin Adolf zu Schaumburg-Lippe haben dem Roten Kreuz und dem Vaterländischen Frauenverein für die Zwecke des Vereinslazaretts in der Luisenstraße 10.000 Mark zur Verfügung gestellt.
Beim Erntebund der Bonner Jugend haben sich bereits über 700 Jünglinge und Mädchen zur Erntearbeit gemeldet. Viele sind bereits verteilt. Der Erntebund läßt ferner 15 kräftige Leute im Mähen unterrichten.
Unsere Beigeordneten Bottler, Seelen und Dr. Lühl sind zum Heeresdienst einberufen worden. Von den Stadtverordneten nehmen die Herren Justizrat Sieberger, Prof. Münichmeyer, Dr. Wassermeyer, Dr. Goertz und Wellamnn an dem Feldzug teil.
Ein Bonner Husaren-Offizier , der Reserveleutnant Junghan ist, als er mit zwei Mann unserer Königshusaren einen Patrouillenritt auf französisches Gebiet unternahm, vom Feind aus dem Hinterhalt erschossen worden. Junghan war im Zivilleben Bergwerksassessor, seine Kameraden schätzten ihn als einen lieben, treuen Freund.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Montag, 10. August 1914
Die ersten Abteilungen des britischen Expeditionskorps waren am Tag zuvor in Frankreich gelandet.
Der General-Anzeiger bringt einen begeisterten Leitartikel über den Ausspruch von Wilhelm II.: „Nun aber wollen wir sie dreschen.“
Verluste (Wolff-Büro). In der namentlichen Liste von Gefallenen und Verwundeten aus Gefechten unserer Grenzschutztruppen (ausgegeben Berlin am 9. August) ist verzeichnet: Husaren-Reg. 7 Junghann, Johann, Leutnant d. R., tot, Reich, Heinr., Husar, tot.- Die Orte, an denen die einzelnen Gefechte stattgefunden haben, können bis auf weiteres nicht veröffentlicht werden. Darüber wird aber den sich ausweisenden Angehörigen auf Anfrage von den Zentral-Nachweisbüro des Kriegsministeriums, Berlin NW 7, Dorotheenstraße 48, schriftlich oder mündlich Auskunft erteilt. Die Verwundeten befinden sich in guter Pflege.
Kein Alkohol an durchfahrende Truppen. Der Chef des Feldeisenbahnwesens weist noch einmal ausdrücklich auf das Verbot hin, den durchfahrenden Truppen Alkohol zu verabreichen.
Der hiesige Polizeihundverein erlässt (...) einen Aufruf zur Ausbildung von Sanitätshunden zum Absuchen der Schlachtfelder nach versteckt liegenden Verwundeten. Ferner fordert er auf zur Meldung von geeigneten freiwilligen Führern. (...)
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Den Heldentod für das Vaterland starben bei den Kämpfen in Belgien vom hiesigen Husaren-Regiment der Leutnant der Res. Junghann und der Husar Reich.
Nach einer Feld-Postkarte, die uns heute morgen aus Pfaffendorf bei Koblenz zugegangen ist, scheint es den dort „in der Sommerfrische“ befindlichen Landwehrleuten aus Bonn und Umgegend noch immer recht gut zu gehen. Um einem dringenden Bedürfnis abzuhelfen, haben sie einen Gesangverein gegründet, der sich aus Mitgliedern der Liedertafel, Liederhalle, Arion usw. zusammensetzt. Ein Pfaffendorfer Einwohner war von den Leistungen des Landwehr-Männer-Gesangsvereins derart entzückt, daß er am gestrigen Sonntag einen Hektoliter Bier „schmiß“.
Schwestern gesucht. Für das im Landkreise Bonn neugegründete Mutterhaus vom Roten Kreuz (Sitz Bonn), werden sofort kath. Schwestern, wenn möglich staatlich geprüft, und Lehrschwestern gesucht; auch werden Damen beider Konfessionen während des Krieges als Hilfsschwestern angenommen. Persönliche Meldungen mit Lebenslauf und beglaubigten Zeugnissen werden erbeten durch Frau Oberin von Stromberg – Bonn (Gluckstraße 1) zwischen 9 und 11 Uhr vormittags.
Die Bonner Bäcker-Zwangs-Innung hat gestern nachmittag in ihrem Innungslokal Bertram unter dem Vorsitz des Bäckermeisters Roth eine außerordentliche Generalversammlung abgehalten, in der über die jüngst erlassene Bekanntmachung über das Brötchenbacken eine Aussprache stattgefunden hat. Bekanntlich hat sich die Stadtverwaltung in Anbetracht der Kriegslage in dankenswerter Weise zu einer Reihe von Maßnahmen veranlaßt gesehen, um einer eventuellen Notlage entgegen zu steuern. Insbesondere hat die Stadtverwaltung, wie Beigeordneter Dr. V. Garßen, der der Versammlung beiwohnte, mitteilte, große Mengen Getreide gesichert. Zu dieser Maßnahme sah sich die Stadtverwaltung veranlaßt, um den bedauerlichen Preistreibereien, die auch in unserer Stadt zu verzeichnen waren, entgegenzutreten. Den Bäckereien soll Mehl zu festgesetzten Preisen abgegeben werden. Es sind dann Höchstpreise für Brot festgesetzt worden, und zwar beträgt der Höchstpreis für Schwarzbrot (5 Pfund) 75 Pfg., Feinbrot (3 1/2 Pfund) 70 Pfg. und Graubrot (2 ½ Pfund) 60 Pfg. Gleichzeitig ist man an die Bäcker herangetreten, damit keine Brötchen mehr gebacken werden sollten. Bei alledem war es Absicht der Verwaltung, das Bäckereigeschäft möglichst zu vereinfachen. Beigeordneter Dr. v. Garßen begründete diese Beschlüsse eingehend und bat die Versammlung, sich nicht von kleinlichen Gesichtspunkten und Sonderwünschen leiten zu lassen, sondern ihr Einverständnis zu erklären. Dabei wies er – veranlaßt durch Zwischenrufe – darauf hin, daß im anderen Falle auch die Stadt mit Brot versorgt werden könne, das nicht durch die Bäckermeister gebacken sei.
In einer ziemlich erregten Aussprache wurde von verschiedenen Seiten betont, daß es namentlich für die kleineren Bäckereien von erheblichem Schaden sei, wenn keine Brötchen mehr gebacken würden. Nach vielem Hin- und Herreden wurde schließlich folgende Resolution angenommen:
„Die heutige Generalversammlung spricht der Verwaltung ihren Dank aus für die bisher getroffenen Maßnahmen. Sie begrüßt es mit Freuden, daß den Bäckermeistern vorläufig das Brötchenbacken noch freigestellt ist. Sollte es jedoch die Lage erforderlich machen, daß die Bäckermeister Abstand nehmen müssen, so sind sie gern bereit, auch dieses Opfer zu bringen.“
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Am gestrigen Sonntag war das Straßenbild in unserer Stadt verhältnismäßig ruhig. Wohl sah man vom frühen Morgen bis zum späten Abend Gruppen von Menschen in eifrigem Gespräch hin und her wandern aber auch hier und da stehen und den Inhalt der einlaufenden neuesten Meldungen erörtern, aber es kam nicht zu dem lauten Getriebe, das den ersten Tagen der Woche das Gepräge gegeben hatte. Man besprach das perfide Verhalten Englands, desselben Englands, das nur nach einem äußeren Anlaß gesucht hatte, um vor der Welt die heuchlerische Maske der den Frieden schirmenden und schützenden Macht fallen zu lassen und sein wahres Gesicht zu zeigen: das Gesicht der Habsucht und Habgier, die die Gelegenheit ergreift, um auf Kosten eines von zwei verschiedenen Seiten bedrängten stammesverwandten Volkes sich zu bereichern, sich zu bereichern an Land und Geld. Aber es gibt eine Vorsehung, und diese Vorsehung wird es nicht zulassen, daß das falsche Spiel gewinnt. Das ist die Ueberzeugung, die tiefinnere Ueberzeugung, die wie das ganze deutsche Volk, so auch die Bonner Einwohnerschaft durchdringt. Man hörte dieser Ueberzeugung Ausdruck verleihen, wohin man auch hören mochte – auf den Straßen, den Plätzen aber auch in den öffentlichen Lokalen.
Auf den Straßen begegnete man auch gestern des öfteren Zügen von Reservisten und Landwehrleuten, die zu den Fahnen eilten. Es wäre ein Studium für sich gewesen, das Studium dieser treudeutschen kräftigen Männer, die voller Zuversicht dem Kampf entgegensehen, dem Kampf, der alle Unbill rächen soll, die wir aus purer Gutmütigkeit uns Jahrelang von den Ausländern haben gefallen lassen. Die Vergeltung naht jetzt. Vae Victis! Wehe den Besiegten!
Der gefallene Leutnant der Reserve im Bonner Husaren-Regiment Junghan, Dr. jur. und Dr. Ing., Bergassessor, hat in Bonn studiert und ist A. H. des Korps Guestphalia hier, war vorübergehend am hiesigen Kgl. Oberbergamt beschäftigt und ist der Sohn einer höheren Beamten-Witwe in Dortmund. Er war allgemein in seinem Bekanntenkreise sehr beliebt und hochgeschätzt.
Lebensmittel für unsere Soldaten. Der Vaterländische Frauen-Verein bittet, alle Lebensmittelspenden möglichst nur an seiner und der Erfrischungsstelle vom Roten Kreuz am Güterbahnhof abliefern zu wollen.
Für die Vororte ist eine zweite städtische Verkaufsstelle für Mehl und Salz von Dienstag den 11. des Monats ab in dem Verwaltungsgebäude, Rathaus Poppelsdorf, eingerichtet worden. Verkaufszeit nachmittags von 3 – 5 Uhr.
Kriegsfreiwillige. Von 62 ortsanwesenden Mitgliedern des katholischen Studentenvereins Arminia (K. B.) haben sich, soweit bisheran festgestellt werden konnte, 55 zur Fahne gestellt und sind zur Hälfte als felddienstfähig, zur Hälfte als garnisonsdienstfähig erklärt worden. Bei den übrigen sieben konnten bis jetzt Feststellungen über ihre Einstellung nicht nicht gemacht werden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Dienstag, 11. August 1914
Am Tag zuvor hatten französische Verbände die elsässische Stadt Mühlhausen geräumt. Die Bonner Zeitungen feierten dies als Ende der französischen Offensive.
Hilfsbereitschaft. Um zur Nachfolge anzuregen, melden wir mit Freude die Tatsache, daß unser Mitbürger Carl Dickerhoff gleich in den ersten Mobilmachungstagen sein Landhaus „Fichtenau“ der Stadt Bonn zum Zwecke der Kriegerpflege unentgeltlich zur Verfügung gestellt hat. Die Überführung von Verwundeten dahin scheitert allerdings an der Transportfrage. In dem Weltkriege, der uns aufgezwungen wurde, haben wir uns jedoch auch vorzubereiten auf die Pflege Wiedergenesender und Erholungsbedürftiger in großer Zahl. Dazu sind Landhaus und Park nach Einrichtung und Lagen wie geschaffen. (...)
Die Besitzer von Tauben sind strengstens verpflichtet und werden hierdurch dringend ersucht, ihre Taubenschläge täglich nach fremden und Militär-Brieftauben zu durchsuchen. Aufgefundene Tauben sind ohne Berührung der etwa in ihnen befindlichen Depeschen schnellstens der nächsten Zivil- oder Militärbehörde abzuliefern! Schläge von Tauben, deren Besitzer nicht Mitglieder des Deutschen Brieftaubenverbandes sind, (...) sind der Polizeibehörde sofort zu melden. Nur die Tauben des Deutschen Brieftaubenverbandes dürfen frei fliegen, das Abschießen derselben ist strengstens und unter Strafe verboten.
Deutsche Namen. Vom Deutschen Sprachverein schreibt man uns: Mit großer Genugtuung vernehmen alle aufrichtig deutsch gesinnten Männer und Frauen, daß unter dem Eindruck der deutschfeindlichen kriegerischen Ereignisse mehr und mehr die fremdsprachlichen Bezeichnungen deutscher Geschäfte von den Aushängeschildern verschwinden. (...) Hier in Bonn hat der erste Gasthof seinen schon oft beanstandeten Namen Hotel Royal nun in „Königlicher Hof“ umgeändert. (...)
Die Kirmesfeiern sollen in anbetracht (sic!) der ernsten Zeit in Stadt- und Landkreis unterbleiben.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Die Lese- und Erholungsgesellschaft wird den als „Zentralsammelstelle für vaterländische Zwecke“ vereinigten Körperschaften, Vereinen usw. im Bedarfsfalle Weine nach freier Wahl im Gesamtbetrage bis zu 1000 Mark kostenlos zur Verfügung stellen.
Den in Bonn weilenden Herren Offiziere stellt die „Lese“ ihre Gesellschaftsräume und Gartenanlagen in gastlicher Weise zur Verfügung.
Gasthof zum Königlichen Hof heißt das Hotel Royal von jetzt an. Der neue Name ist auf die beiden Glasschilder neben dem Haupteingang aufgeklebt.
Die Handelskammer Bonn schreibt uns: In dieser großen schweren Zeit gilt es, tunlichst zu vermeiden, daß zu der allgemeinen Not und Sorge nicht noch die Not der Arbeitslosigkeit hinzutritt. Alle kaufmännischen wie gewerblichen und industriellen Betriebe sollten deshalb alles daran setzen, auf irgendwelche Weise die Weiterarbeit, wenn nicht ganz, so doch teilweise zu ermöglichen. Sollten mit der Zeit die Opfer zu groß und Entlassungen unvermeidlich sein, dann wollen wir gern unser Möglichstes tun, durch Vermittlung der bestehenden Arbeitsnachweisstellen den Betroffenen Arbeit zu verschaffen.
Die Kessenicher Kirmes und voraussichtlich auch die anderen Kirmessen im Stadt- und Landkreise Bonn werden nicht gefeiert.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Ehemalige Bonner Studierende versammelten sich gestern in der Aula der Universität, bevor sie als Krankenpfleger den Truppen in’s Feld folgten. Während der Studienzeit in Bonn waren sie zum Krankendienst ausgebildet worden. Der Rektor der Universität, Geheimrat Prof. Dr. Schulte, machte die Herren mit den für sie im Kriege geltenden Gesetzen bekannt. An Schwures statt wurde durch Handschlag das Gelöbnis, treu zu Kaiser und Reich zu stehen gegeben. Danach hielt Herr Geheimrat Prof. Dr. Schulte folgende kurze Ansprache: Mit Stolz und Dank haben wir unsere Studenten in hellen Scharen zu den Waffen entlassen. Der Rektor dankt namens der Universität auch ihnen, die aus der Hochschule hervorgegangen sind und schon als Studenten sich freiwillig dem Dienste der Menschlichkeit und Nächstenliebe gewidmet hatten. Gott schütze Sie bei Ihrer schweren Tätigkeit für unser Vaterland und das menschliche Geschlecht. Mit Gott.
Herr Prof. Sell wies dann auf den gleich ehrenvollen und kaum weniger gefahrvollen Dienst, den die Scheidenden hinter der Front, aber in Anblick all des unermesslichen Leidens und schweren Sterbens zu leisten haben, auf die hohe Aufgabe, die ihnen in der Pflege der Verwundeten und Kranken von Freund und Feind obliegt. Denen, die vielleicht ihr Leben hingeben müssen, rief Herr Prof. Sell den Spruch Horaz’ zu: Süß und ehrenvoll ist es für das Vaterland zu sterben, und sprach von der gewaltigen Kraft der Zuversicht des ganzen deutschen Volkes, die hinter den Kämpfenden und Pflegenden draußen steht nach dem alten Römerspruch: Und wenn die Welt einstürzt, sollen uns die Trümmer unerschrocken finden. Gehen Sie mit Gott!
Etwa 300 Mitglieder des 350 Köpfe zählenden katholischen Gesellenvereins sind bei der Fahne. Die Vereinsversammlungen finden fortan bis auf weiteres nur noch alle 14 Tage statt. (...)
Kriegsfreiwillige. Auch die aktiven Mitglieder der katholischen Studenten-Verbindung „Bavaria“ haben sich freiwillig unter die Fahnen gestellt. Zwei von ihnen sind ins Bonner Husaren-Regiment eingetreten, die übrigen befinden sich bei anderen Truppenteilen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Mittwoch, 12. August 1914
Am Tag zuvor hatte Frankreich Österreich-Ungarn den Krieg erklärt. K.u.K.-Truppen waren in Serbien einmarschiert.
Leutnant d. R. J. Junghann †. Der kürzlich gemeldete Reitertod des Leutnants der Reserve Junghann vom hiesigen Husarenregiment hat ein hoffnungsvolles Leben dem Vaterland zum Opfer gebracht. J. Junghann hatte vor wenigen Jahren seinen Vorbereitungsdienst als Bergreferendar beim hiesigen Oberbergamte abgeschlossen und sich nach einer mit ausgezeichnetem Prädikat bestandenen Prüfung zum Bergassessor zunächst auf eine Studienreise begeben (...) Die von ihm hierüber erstatteten wertvollen Berichte veranlassten vor wenigen Wochen seine Einberufung als Hilfsarbeiter bei der Bergabteilung des Ministeriums für Handel und Gewerbe. Von dort folgte er dem Rufe ins Feld, um als einer der ersten Helden des heiligen Krieges zu bleiben. Als ein solcher wird sein Andenken bei zahlreichen Freunden in Ehren gehalten.
Ein Beweis treuer Kameradschaft. In der Zwangsinnung für das Maurerhandwerk und für das Beton- und Eisenbeton-Gewerbe des Stadt- und Landkreises Bonn haben sich mehrere Mitglieder bereit erklärt, die verwaisten Geschäfte der ins Feld gerückten Krieger uneigennützig zu besorgen. (...)
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Ein deutscher Gruß aus großer Zeit. Auf dem Bahnhof war’s. Eines jungen Offiziers Weib nahm Abschied von ihrem Gatten; vielleicht für immer. Als letzten Gruß ruft sie ihm leuchtenden Auges zu. „Gott mit uns!“ Und wahrlich, in diesem Augenblick wirkte alles „Adieu, Adieu!“ umher wie schal und abgestanden! – Was soll’s denn auch mit diesem fremden Laut, da nun endlich eine große Zeit emporflammt , überall hin, soweit die deutsche Zunge klingt! Was ein Gruß, in dem das deutsche Herz nicht flammt? Nicht sein Gemüt? Und wo war deutsches Gemüt je ohne Gott? – Weg also mit dem faden „Adieu!“ Haben wir nicht unsere alten deutschen Grüße „Auf Wiedersehen!“ und „Grüß Gott!“? –
Einquartierung. Wir können die erfreuliche Mitteilung machen, daß bei dem städtischen Quartieramt zahlreiche freiwillige Anmeldungen anlaufen und zwar von quartierpflichtigen Einwohnern, die sich bereit erklären, außer den ihnen zugeteilten Mannschaften noch weitere aufzunehmen, teils von nichtquartierpflichtigen Einwohnern, die sich trotz beschränkter Verhältnisse zur Unterbringung von Mannschaften freiwillig angeboten haben. Dieses schöne Beispiel von vaterländischer Gesinnung verdient weitere Nachahmung, besonders auch von solchen, die in ihrer Häuslichkeit über genügende Räume verfügen. Wir sind überzeugt, daß wir in dieser Hinsicht nur an den Patriotismus der hiesigen Bevölkerung zu appellieren brauchen! Weitere freiwillige Anmeldungen nimmt die Auskunftsstelle des städtischen Quartieramtes entgegen. (Rathausgasse 26, Zimmer 7 und 8).
Die Quartiergeber tuen gut, sich von den Soldaten auf der Rückseite des Quartierzettels bescheinigen zu lassen, wie lange Verpflegung sie gegeben haben.
Leider sind bei der Auskunftsstelle auch mancherlei unberechtigte Reklamationen eingelaufen. Das Bürgermeisteramt hat die strenge Weisung gegeben, solche Reklamationen nicht zu berücksichtigen.
Mit heller Begeisterung sind unsere katholischen Studentenkorporationen dem Rufe des Vaterlandes gefolgt. Daß sie dabei nicht verfehlt haben, auf ihre Waffen Gottes Segen herabzuflehen, geht aus einer sinnigen Anordnung hervor, die eine Verbindung aus dem Bonner C.V. getroffen hat. Sie hat ihre Fahne und Rapiere für die Dauer des Krieges neben dem Altar einer stillen Klosterkapelle aufgestellt, damit der im Tabernakel verborgene Herr der Heerscharen alle diejenigen im Felde segne und ihnen beistehe, die zu Friedenszeiten dieser Fahne gefolgt sind, um durch Uebung christlicher Gottesfurcht für den Tag des Kampfes gerüstet zu sein.
Weil sie sich dem Militärdienste entzogen haben, ladet der Erste Staatsanwalt des Landgerichtes Bonn folgende Personen zur Hauptverhandlung für den 16. September 1914, vormittags 9 Uhr, vor die Bonner Strafkammer: Friedrich Dietrich, geboren am 2. September 1891, zuletzt in Bonn wohnhaft, Bürogehilfe Albert Schlösser, geboren am 13. Juni 1891, zuletzt in Godesberg wohnhaft, Walter Frenzel, geboren am 30. Dezember 1890, zuletzt in Beuel wohnhaft, Peter Jamann, geboren am 1. Juli 1891, zuletzt in Niederholtorf wohnhaft, Paul Adler, geboren am 13. Januar 1891, zuletzt in Bonn wohnhaft, Landvermesser Johannes Meyer, geboren am 23. Februar 1886, zuletzt in Bonn wohnhaft.
Bei unentschuldigtem Ausbleiben werden die Genannten auf Grund des § 472 der Strafprozessordnung verurteilt werden.
Eine große Anzahl patriotische Gedichte ist der Redaktion der Deutschen Reichsztg. seit Ausbruch des Krieges zugegangen. Das ist ein erfreuliches Zeichen nationaler Begeisterung. Der Raummangel läßt es aber nicht zu, alle zu veröffentlichen. Wir behalten uns vor, einige auszuwählen und diese soweit der Platz es gestattet, in unsere Zeitung aufzunehmen. Allen Einsendern danken wir für ihre rege Mitarbeit, bitten aber zugleich von der Einsendung poetischer Beiträge von jetzt an absehen zu wollen.
Ueber den Schulschluß wird uns aus dem Landkreise Bonn geschrieben: Nachdem in unserem Kreise die Sommer- oder Ernteferien im allgemeinen zu Ende waren, sind die Elementarschulen wegen des Kriegszustandes ganz geschlossen worden, damit die Kinder bei der Getreideernte helfen können. Diese Anordnung ist aber in unserem Kreise zu einem großen Teil überflüssig; denn es gibt in vielen Gemeinden eine sehr große Zahl von Familien, die mit der Ernte gar nichts oder doch wenig zu tun haben. Auch sind nur die größeren Kinder imstande, an den schweren Erntearbeiten zu helfen, die jüngeren Kinder sind zu schwach dazu. Die unbeschäftigten Kinder aber benutzen vielfach ihre Freiheit schlecht. Sie streichen in Flur und Wald herum, wo sie nicht beaufsichtigt werden können, üben sich fleißig mit Beschädigungen und Zerstörungen, und die Gartenbesitzer klagen sehr über das unheimlich schnelle Verschwinden des Frühobstes. Mit einem Worte, den unbeschäftigten Kindern ist das müßige Leben nicht gut. Dazu kommt auch noch das Interesse der Schule. Denn es dauert nicht mehr lange, dann müssen doch die Kinder die mühsam erworbenen Schulkenntnisse verschwitzt haben. Wäre es deshalb nicht besser, wenn der Unterricht an den Schulen unseres Kreises wieder aufgenommen würde, damit die Jugend Ordnung und Zucht nicht vergisst. Manche Mutter wäre froh, ihre Kinder in der Schule gut aufgehoben zu wissen, besonders in den Familien, wo der Vater in weiter Ferne weilen muß. Auch könnten Ruhe und Ordnung in Familie und Gemeinde, wozu doch jetzt soviel ermahnt wird, durch den regelmäßigen Schulbesuch nur gefördert werden. Wo Lehrer zu den Waffen einberufen sind, müssten dieselben von den anderen Kollegen und Kolleginnen vertreten werden; auch wären gewiß die Lehrerinnen unserer Gegend, die in so großer Anzahl ihrer Anstellung harren, gerne bereit, Vertretungen zu übernehmen. Freilich müsste bei Wiederaufnahme des Unterrichtes überall da, wo es notwendig ist, geholfen werden. Kindern, welche gewillt und stark genug zur Arbeit sind, oder auch solche, die die Wartung kleinerer Geschwister übernehmen müssen, wenn die Mutter zur Unterhaltung der Familie dem Verdienst nachgeht, müßte sofort und hinreichender Urlaub erteilt werden.
.... und alle, alle kamen! Der Handels- und Gewerbeverein spendete dem Verein vom Roten Kreuz, Zweigverein Bonn, die Summe von M. 1000 und dem Hilfsausschuß für durchfahrende Truppen M. 200. – Der Arbeitgeberverband für Bonn Stadt und Land hat aus seinem Vermögen 1000 Mark zur Unterstützung von Familien der ins Feld gerückten Truppen bereitgestellt. Gegebenen Falls soll diese Unterstützung auch auf Angestellte ausgedehnt werden. – Bei der Fürsorgestelle für unversorgte Kinder, Riesstraße 1, ging ein großer Korb mit Spielzeug und Bilderbüchern mit folgenden Versen von drei patriotischen Kleinen ein. Mögen sie recht viele Nachahmer finden:
An unsere Brüderchen und Schwesterchen.
Die Eltern bringen für’s Rote Kreuz
Und Kriegeswerke die Gaben;
Euch Kindern, geben wir freudig und gern
Was wir an Spielzeug noch haben.
Betet mit uns, - seid folgsam und gut,
Daß erstehen der Väter Taten.
Gott schütze den Kaiser, Gott schütze das Reich,
Gott schütze die braven Soldaten!
3 Kinder Barthels
Frau Prinzessin Adolf zu Schaumburg-Lippe hat dem Hilfsausschuß 200 Mark zur Verfügung gestellt und sich in einem huldvollen Schreiben sehr anerkennend über die große Beteiligung der Bevölkerung ausgesprochen. – Ein alter Angehöriger des 16. Regiments hat 10.000 Mark für dieses Regiment gestiftet als Auszeichnung für hervorragende Leistungen vor dem Feinde, wie Eroberung von Fahnen, Geschützen usw.
Das Hotel Royal hat, um für die Ausrottung der abscheulichen Fremdtümelei ein gutes Beispiel zu geben, seinen Namen in „Gasthof zum königlichen Hof“ umgewandelt. Was viele Zeitungsartikel nicht erreicht haben, ist jetzt durch den Krieg mit einem Male erzielt worden: die Ausländerei scheint nun wirklich auf der ganzen Linie besiegt zu werden. So hat das Kölner „Café Picadilly“ sofort nach der Kriegserklärung Englands seinen Namen in „Café Germania“ umgeändert, das Kölner City Hotel nennt sich seit einigen Tagen Hotel Kronprinz. An vielen Häusern wird das „On parle francais“, „English spoken“ usw. überklebt oder ausgemeißelt und gute deutsche Worte treten an die Stelle. (...) Das ist alles höchst erfreulich. Hoffentlich lebt nach diesem Vernichtungskampf die Fremdtümelei nicht noch einmal auf.
Krankenpflege im Kriege. Da der Bedarf an nicht ausgebildeten Hilfskräften für die Krankenpflege im Kriege vollständig gedeckt ist, werden nur noch diejenigen jungen Mädchen gebeten, sich bei der Oberin von Stramberg zu melden, welche staatlich geprüft sind, oder als Lehrschwestern einzutreten wünschen. Beglaubigte Zeugnisse, selbstgeschriebener Lebenslauf und Gesundheitsschein sind unbedingt mitzubringen. Meldungen nur noch nachmittags zwischen 3 und 4 Uhr Gluckstraße 1.
Steckbrieflich verfolgt werden von Bonn aus (...) der 24jährige Musketier Rudolf Frädrich, zuletzt in Friedrichsfeld bei Wesel wohnhaft, wegen Fahnenflucht (...) und der 21jährige Musketier Alois Gülly, der zuletzt in Bonn wohnte, wegen Verdachts der Fahnenflucht.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Die Aushebung der Kraftfahrzeuge für Heereszwecke beginnt am heutigen Morgen um 8 Uhr auf dem Kaiserplatz. Um 8 Uhr müssen alle Personenkraftwagen von 12 Steuerpferdekräften an, an Ort und Stelle sein. Um 10 Uhr alle übrigen Personenkraftwagen, um 12 Uhr alle größeren Lastkraftwagen von zwei Tonnen Nutzlast an aufwärts, um 3 Uhr nachmittags alle leichten Lastkraftwagen mit einer Nutzlast bis 2000 Kilo. Sollten Chauffeure für die Zuführung der Wagen auf dem Kaiserplatz fehlen, so wird der Aushebungs-Kommissar auf Meldung für die Zuführung der Wagen Sorge tragen.
Stiftungen von Vereinen. Die St. Sebastianus-Schützen-Gesellschaft Endenich bewilligte 200 Mark zur Unterstützung von Hinterbliebenen der zur Fahne einberufenen Kameraden.
Der Kegelklub „Neuntöter“ (Hähnchen) hat seine Kegelkasse von 65 Mk. dem Roten Kreuz überwiesen. Der Verein für evangelische Freiheit hat auf Antrag seines Vorsitzenden Dr. Brüggemann beschlossen, sein ganzes Vereinsvermögen zu vaterländischen Zwecken aufzulösen und einen ersten Teilbetrag von 600 Mark dem Volkskindergarten des Frl. Klostermann für Beköstigung von Kindern ausgezogener Krieger ohne Unterschied der Konfession zur Verfügung zu stellen. Die Bonner Friseurinnung hat dem Roten Kreuz 30 Mark überwiesen. Der Verschönerungsverein für Bonn und Umgebung hat dem Roten Kreuz 200 Mk. gestiftet. Der Kegelklub „Hurra die Zwölfe“ hat dem Vaterländischen Frauenverein 100 Mark vorläufig überwiesen. Der M.G.V. Eintracht-Plittersdorf hat 900 Mark, die für eine neue Fahne gesammelt wurden, zur Unterstützung der zurückgebliebenen Familien seiner einberufenen Mitglieder bestimmt. Der Plittersdorfer Kriegerverein hat 400 Mark und der Rabatt-Sparverein-Godesberg 500 Mark dem Roten Kreuz überwiesen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Gegen Entlassung ohne Kündigung. Seit Ausbruch des Krieges sind verschiedene Bonner Firmen dazu übergegangen, ihre Angestellten ganz oder zum Teil ohne Kündigung sofort zu entlassen. Viele Angestellte haben sich dies auch gefallen lassen. Andere haben eine Kündigungsschrift verlangt und sind damit selbstverständlich auch durchgedrungen. Kaufmanns- und Gewerbegericht wären jetzt auf ihrem Posten, wenn sie durch eine Erklärung bekanntgäben, daß die Gewerbetreibenden und Fabrikanten rechtlich nicht in der Lage sind, ihre Angestellten ohne Kündigung auf die Straße zu werfen. Ein sozial und patriotisch empfindender Fabrikant.
Gegen die Ausländerei. In Berlin und Köln hat man sich aufgerafft und eine Anzahl englische Geschäftsschilder entfernt, dabei auch den Namen des Cafés Piccadilly in Köln. Sollte man nicht auch in Bonn endlich mit der Ausländerei brechen, die uns vor den Fremden bloßstellt und erniedrigt und die einer großen Nation unwürdig ist? Oder sollen erst die kriegsgefangenen Franzosen, wenn sie nach Bonn kommen, mit Spott und Hohn bemerken, daß unsere großen Hotels und Restaurants fremde Namen tragen? Ich denke natürlich an Hotel „Royal“, „du Nord“, „Westminster“ u.a.m.
Soldaten-Erfrischungen an die falsche Adresse. Der Verein für die Verpflegung der durchfahrenden Soldaten wird gebeten, daß nur an Militärzügen Erfrischungen verabreicht werden. Einsenderin hat von einer Augenzeugin gehört, daß in einem Zuge, den letztere benutzte, Burschen von 14-15 Jahren sich an die Fenster drängten und sich Brötchen, Zigaretten usw. geben ließen. Für solchen Unfug sind die mit Freuden gegebenen Spenden doch nicht bestimmt.
Kaiser Wilhelm-Stein auf der Casselsruhe. Gerade in der jetzigen Zeit berührt es doppelt peinlich, daß sich die Anlage vor dem Kaiser Wilhelm-Stein in einem so verwahrlosten Zustande befindet. Früher befand sich ein schönes Beet dort, das in den Linien des Eisernen Kreuzes einen prächtigen Efeuschmuck zeigte. – Es bedarf wohl nur dieses Hinweises, um die Anlage würdig auszustatten. Einer für Viele.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Ich befinde mich sehr wohl. Wir liegen in einem großen Bauernhof, ich im Schlafsack, Luftkissen (das ich alle Augenblicke aufblase).
In einem prachtvollen kühlen Forellenbach hinter dem Hause, bei dem ich jetzt halbnackt sitze und schreibe, hat heute morgen und gestern die ganze Kompanie gebadet; die Dorfschönen sahen aus den Fenstern zu. Nach einem langen Marsch durch glühende Sonne war das herrlich. Samstag nacht kamen wir um 12 Uhr in Luxemburg an, das schon ganz voll Militär lag. Wir warteten dort in der Nacht bis 2 Uhr am Bahnhof und marschierten dann bis 5 Uhr nordwärts bis Lintzen. Gute Quartiere. (...) Die 65er haben gestern auch einen anstrengenden Marsch gemacht, so daß von einer Kompanie 35 schlapp machten. Wir kamen an dem Schloß der jungen Großherzogin vorbei, die mit ihren Schwestern am Tor stand und winkte. So habe ich dieses nette Mädchen auch einmal gesehen. Ich esse immer aus der Feldküche, die immer mit uns fährt und im Fahren schon kocht. Jetzt ist es 8 Uhr morgens, und ein ganzes Schwein mit Linsen ist schon fertig im Kessel für heute Mittag. Ein paar Kerls, haben sich beim Baden mit den Händen Forellen gefangen. Wir werden wahrscheinlich auf Arlon vorgehen, vielleicht heute nachmittag, man hört schon immer Kanonendonner. In der Nähe von Lintzen wurde ein Artilleriefähnrich von Civilisten erschossen aufgefunden. Die französischen Civilisten sollen noch schlimmer sein wie die Soldaten und immer aus den Fenstern schießen. Hier ist alles voll Militär, so daß die Bauern schon fast nichts mehr zu verkaufen haben. Das ganze Land ist auch schon mit Landsturm besetzt, alles ältere Leute mit Helmen, die teilweise noch von 1840 stammen, die man bei uns gar nicht mehr sieht, statt Koppel eine Kordel. (...)
(August Macke an seine Familie, Feldpostbrief aus Niedermerzig/Luxemburg)
Donnerstag, 13. August 1914
Am 12. August hatte Großbritannien Österreich-Ungarn, zugleich Montenegro dem Deutschen Reich den Krieg erklärt. Die österreichisch-ungarische Offensive gegen Serbien war an der Drina ins Stocken geraten.
Zur Behandlung der Transporte von Kriegsgefangenen wird die Düsseldorfer Zeitung ersucht, darauf hinzuweisen, daß für die Lebensnotdurft der Gefangenen selbstverständlich der Staat sorgt. Im einzelnen Fall werden die Damen, die den Liebesdienst auf den Bahnhöfen versehen, gebeten, sich bei dem den Gefangenentransport führenden Offizier zu erkundigen, ob ein Bedürfnis nach Wasser usw. vorhanden ist. Vor jedem Zuviel, das unserer vaterländischen Zurückstellung schlecht anstehen würde, wird auch von amtlicher Stelle dringend gewarnt,
Was gehört zu einem guten Quartier? Gute Ratschläge gibt die Evangelische Pressekorrespondenz:
- Eine gute Kost. Hausmannskost, aber sorgfältig gekocht und nicht zu scharf gewürzt oder gesalzen, auch nicht zu fett, denn das alles macht nur durstig. (...)
- Ein gutes Bett, sauber und nicht zu warm in gut gelüfteter Stube.
- Wasser genug zum Waschen. Der Soldat sollte die größte Waschschüssel im Haus bekommen; er wird sich gerne vor dem Essen tüchtig waschen. Und vor dem Bettgehen ein warmes Fußwasser: wo man’s hat, auch ein Bad.
- Platz zum Arbeiten und zum Ausruhen. (...)
- Etwas zum Mitnehmen. In den Brotbeutel kommt ein gutes Stück Brot mit Käse oder kaltem Fleisch; in die Feldflasche am besten leichter schwarzer Tee oder Kaffee mit Zucker, kein Alkohol. Dagegen wird der Gast eine gute Zigarre nicht verschmähen. (...)
Laß den Landwehrmann, der auch für dich Weib und Kind dahinten lässt und ins Feuer geht, etwas spüren vom Dank des Vaterlandes, laß ihn bei deinen Kindern am Tisch sitzen und bei deinem Abendsegen zugegen sein. (...)
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Das Freibad der städtischen Rheinbadeanstalten wird seit einigen Tagen nachmittags nur noch von Militärpersonen benutzt. Von der Wohltat eines erfrischenden Bades wird von den Mannschaften in ausgiebigstem Maße Gebrauch gemacht.
Städtische Sparkasse. Man schreibt uns: „Das wieder zunehmende Vertrauen in die Sicherheit der Sparkassen zeigt sich recht deutlich in der Tatsache, daß in der vorigen Woche täglich mehr Einlagen als Abhebungen bei der Städtischen Sparkasse festgestellt werden konnten. (…) Die Städtische Sparkasse ist vollkommen gerüstet, großen Anforderungen gerecht zu werden; im allgemeinen Interesse und besonders in dem der kleinen Sparer wird sie bei allem Entgegenkommen eine weise Zurückhaltung aber nicht entbehren können. Die Einlieferung von verschlossenen Kisten und Koffern, deren ungefährlicher Inhalt aber nachgewiesen werden muß, nimmt zu. Die dafür vorhandenen musterhaften Einrichtungen geben die vollste Sicherheit.“
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Der Sturm auf das Lyzeum. Wer den Tatendrang unserer Schuljugend bewundern will, - und darum handelt es sich im vorliegenden Falle – besehe sich in der Loestraße das im Bau begriffene Lyzeum einmal. Die Fensterscheiben waren noch nicht einmal alle eingesetzt, da haben die Jungens schon einen Stumangriff auf das Gebäude, speziell durch Einwerfen einiger zwanzig Scheiben, unternommen. Es war am Tage der Erstürmung von Lüttich. Sie haben aber noch viele Scheiben vorläufig ganz gelassen für die nächste Siegesfeier, in der Zuversicht, daß sie das strafmündige Alter ja noch nicht erreicht haben.
Plötzliche Entlassungen. Nicht allein die Geschäftsleute entlassen ohne Kündigung ihr Personal, sondern auch Kaufleute, ja sogar Anwälte. Ich mußte sehen, daß ein Bureauvorsteher, der langjährig bei seinem Chef beschäftigt war, mit einer ganz unzulässigen Kündigung vom 1. bis zum 15. entlassen wurde. Der Mann ist etwa 40 Jahre alt und steht stellenlos da. Die Militärbehörde stellt ihn nicht ein, weil Alter und Gesundheit in Frage kommen. Was soll nun dieser plötzlich vor die Tür gesetzte Mann anfangen?
Bedauerlich ist es umso mehr, als der Arbeitgeber über sehr große Mittel verfügt. Sind denn die Angestellten beim Chef nicht mehr wert, als daß man ihnen in einer solch ernsten Zeit einfach ohne Kündigung den Stuhl vor die Tür setzt. Wo bleibt denn das gegenseitige Vertrauen in Friedenszeiten? Gewiß ist sich in solch ernsten Zeiten jeder selbst der Nächste; aber seiner Pflicht muß doch wohl jeder nachkommen. Es ist dies gewiß ein Uebelstand, der sich hoffentlich nicht verallgemeinert. Ein Gerechter.
Ein Wort für die mittellos gewordenen Zimmervermieterinnen. Ich bin selbst Zimmervermieterin und muß davon leben. Aber ich meine, jetzt gerade sei Gelegenheit, etwas zu verdienen, da große Einquartierungen bevorstehen. Die Zimmervermieterinnen mögen sich jetzt melden, dann werden ihre Zimmer nicht leerstehen. Auch gibt es genug Herrschaften, die Soldaten ausquartieren und gern 2 Mk. bezahlen. Bei meinen fünf kleinen Kindern habe ich acht Mann Einquartierung von Herrschaften genommen. Das sind 16 Mk. für den Tag, und ich hoffe, daß mir da auch noch etwas für meine Arbeit übrig bleibt. Daher empfehle ich denjenigen, die „in so großes Elend geraten“ sind, das gleiche Rezept. Eine Zimmervermieterin.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Die Notwendigkeit ausgenützt. Der Etappen-Inspektor, Herr von Rieber schreibt uns, daß ein Bonner Kleidergeschäft aus der Knappheit an Ausrüstungsgegenständen und der Notwendigkeit ihrer eiligen Beschaffung Vorteile schlug, indem es für Militär-Kleidungsstücke Wucherpreise forderte. Ein solch gewissenloses Verhalten zu bezeichnen, fehlen einem fast die Worte. Der Geschäftsinhaber wurde verhaftet und dem Gericht übergeben.
Gesperrt für den Obst- und Gemüsehandel ist von heute ab der Raum auf dem Markt zwischen dem Rathaus, der Fontaine und dem Hotel zum goldenen Stern, damit in dem Verkehr der Kraftwagen des Generalstabs, der bekanntlich in dem genannten Hotel wohnt, keine Störung eintritt. Dafür ist der Mülheimerplatz für den Markthandel freigegeben worden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Ich sitze auf unserem Küchenwagen. Hinter mir im Kessel kochen grüne Erbsen, Möhrchen, Sellerie etc. in einer fabelhaften Bouillon. Morgens und nachmittags wird eine Stunde lang auf der Wiese hinter dem Hause Hurrah schreien geübt, worauf Kühe und Pferde weglaufen. Ich habe noch nie ein derartig feines Leben geführt. Morgens Baden im Bach. Auf der Wiese herumliegen. Wir wünschen alle, es ginge weiter. Wir sind linker Flügel des achten Armeecorps (gehören zur 4. Armee des Herzogs von Württemberg). Schreibe doch bald mal. Wir bekommen jetzt jeden Tag Post.
(August Macke an seine Ehefrau, Feldpostbrief aus Niedermerzig/Luxemburg)
Freitag, 14. August 1914
Deutsche Tugend. Seit der Mobilmachung scheint die Jugend verändert. Kommt man in ein Büro, in dem sich die Freiwilligen melden, so sieht man leuchtende Gesichter, aufrechte Haltung bei der Jugend, die früher müde und blasiert, mit krummem Rücken herumlief. Eine Antwort eines sich freiwillig Meldenden verdient bekannt zu werden. Einer der jungen Leute. siebzehn konnte er knapp sein, wird wegen seiner schmalen Brust nicht genommen. „Aber breit genug für eine Kugel oder das eiserne Kreuz ist sie noch. Ich halte es schon aus.“ Der Arzt drückte dem braven Jungen die Hand; er tröstete sich auf später.
Eine Feldpostkarte erhielten wir heute von einem Freunde unseres Blattes, dem Rechtsanwalt T. aus Königswinter. Er berichtet von einem Patrouillengang vor dem Feinde. Wenn die Behörde die Veröffentlichung gestattet, so werden wir den Wortlaut in der nächsten Nummer unseren Lesern mitteilen.
Schwindelnachrichten. (...) Das Wolffsche Telegraphenbüro übersendet uns folgende Mitteilung: Unser Dienst hat unter den Falschmeldungen, die von anderer Seite verbreitet werden, viel zu leiden. Zeitweise waren die Nachfragen so häufig, daß sie unseren Dienst aus den Angeln zu heben drohten und wir manchmal nicht imstande waren, unsere Fernsprechanschlüsse zur Bedienung der Zeitungen zu benutzen. Bislang wurden solche Falschmeldungen unter der Flagge der Verbreiter in die Welt gesetzt, heute aber wird uns gemeldet, daß die Nachricht, Belfort sei gefallen und 40000 Franzosen gefangen genommen, als Meldung des Wolff-Büros verbreitet wird. Wir haben zuständigenorts sofort Schritte zur Entdeckung des Urhebers getan und bitten unsere geehrten Kunden, uns das Vertrauen zu schenken, daß wir wichtige Nachrichten nach wie vor sofort mitteilen. Wolffs Telegraphisches Büro, Zweigstelle Köln.
Verhaftet wurde, wie der Etappeninspektor mitteilt, ein hiesiger Geschäftsmann, der für militärische Ausrüstungsgegenstände wucherische Preise gefordert hat. Außerdem nötigte er zur Bestellung nicht verlangter Kleidungsstücke. Ein solches Geschäftsgebahren (sic!) ist im nationalen Interesse zu beklagen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Falsche Gerüchte durchschwirrten gestern vormittag unsere Stadt. Aus allen Kreisen der Bürgerschaft, von Vertretern der Zivilbehörde, von Offizieren usw. wurde telephonisch und persönlich bei uns angefragt, ob es Tatsache sei, daß die Festung Belfort gefallen sei. Es stellte sich heraus, daß ein hiesiger Ladenbesitzer die Meldung von dem Fall Belforts auf einen Zettel geschrieben und an sein Schaufenster geklebt hatte. Der Kaufmann, der an seinem Schaufenster angeschlagen hatte: „Belfort gefallen. 65 000 Gefangene“, mußte vor dem Etappenkommando erscheinen. Der Zitierte erhielt eine nachdrückliche Verwarnung und wurde auf die strengen kriegsrechtlichen Folgen seines Verhaltens im Wiederholungsfalle aufmerksam gemacht. Da schon häufiger unwahre Meldungen auf Hörensagen hin von Ladenbesitzern, Wirten usw. zum Aushang gebracht wurden, so sei nachdrücklich vor derartigen unkontrollierbaren Nachrichtenkolporteuren gewarnt. Der Große Generalstab in Berlin, der mit der deutschen Presse Hand in Hand arbeitet und nur zensierte Depeschen veröffentlichen läßt, sieht seine Absichten durchkreuzt, wenn ganz unberufene Kreise Kriegsnachrichten in die Oeffentlichkeit bringen.
Französische Kriegsgefangene, die durch Bonn gebracht wurden, sind in der ersten Aufregung auch in Bonn mit Liebesgaben reichlich versehen worden. Die Leitung des Hülfsausschusses sah sich veranlaßt, den Damen, die einem französischen Kriegsgefangenen irgend etwas außer Brot und Kaffee verabreichten, damit zu drohen, daß sie unweigerlich vom Bahnhof verwiesen würden. Hoffentlich nützt diese Drohung und es werden nicht wieder die Kriegsgefangenen noch besser verpflegt, als unsere ins Feld ziehenden Krieger.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Karten und Reisehandbücher gesucht. Es ist dringend erwünscht, in Privatbesitz befindliche Karten, insbesondere auch Radkarten, der Rheinprovinz sowie der anstoßenden westlichen Grenzgebiete der Militärverwaltung zur Verfügung zu stellen; auch würde es dankend entgegengenommen werden, wenn Reisehandbücher, in denen diese Gegenden behandelt sind, zu gleichem Zwecke abgegeben würden. Auf dem Rathaus, Zimmer 8, werden Karten und Bücher entgegengenommen.
Die Kevelaer-Prozessionen fallen aus. Wegen der Kriegswirren können in diesem Jahre die üblichen Prozessionen nach Kevelaer nicht abgehalten werden. Es fallen sowohl die Fuß- wie die Bahnprozessionen aus; ebenso auch die Prozessionen innerhalb der Stadt, welche am ersten und letzten Tage der Kevelaer-Oktave gehalten zu werden pflegen. Die Gläubigen mögen aber um so mehr den Betstunden während der Oktave beiwohnen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Zeichen eines Krieges, die man sonst im Leben nicht kennt, und wovon man nichts spürt, sofort nach Kriegsausbruch.
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Alle Lebensmittel sind aufgekauft, mit dem besten Willen war kein Pfd Salz zu haben.
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Kartoffelpreise gingen ums Doppelte in die Höhe.
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Papiergeld ist mit Profit nicht auszugeben. Wer kein Silber, Gold oder Nikelgeld (sic) hat, ist arm dran. Trotz seinem Geld kann er hungern.
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Der Fahrplan ist Null und Nichte (sic). Es fahren keine Züge für Civil. Der Güterverkehr stockt.
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Es werden 1 und 2 Markscheine ausgegeben.
- Ohne Paß kann niemand auf die andere Rheinseite.
(Tagebuch Anna Kohns, Eintrag im August 1914)
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Samstag, 15. August 1914
Die Französische Armee war am Vortag in Elsass-Lothringen erneut in die Offensive gegangen.
Einstellung der Erhebung der Einkommenssteuer von denjenigen Personen, welche zu einem der in der Kriegsformation befindlichen Teile des Heeres gehören. Nach § 5 Nr. 3 des Einkommenssteuergesetzes vom 19. Juni 1906 ist von der Besteuerung ausgeschlossen: während der Zugehörigkeit zu einem in der Kriegsformation befindlichen Teile des Heeres das Militäreinkommen aller Angehöriger des aktiven Heeres. (...)
Ein ernstes Wort. In dem strahlenden Bild allgemeiner Begeisterung und Hingebung tauchen einige trübe Flecken auf, vielleicht nur Schönheitsfehler, die zum Teil auch schon im Krieg 1870/71 gerügt worden sind. Es fällt peinlich auf, daß einzelne junge Damen auch in dieser ernsten Zeit es für richtig halten, sich zum Empfang durchreisender Truppen auffällig herauszuputzen, Auf ihrem Auszug in den schweren Krieg dürfen unsere Krieger wohl eine stimmungsvollere Form erwarten, und die Verwundeten und Gefangenen die bereits eintreffen, wird diese Geschmacklosigkeit befremden. Um keinen Preis darf eine andere Erscheinung wiederkehren: das Hindrängen der freiwilligen Helferinnen zu den Kriegsgefangenen. Natürlich sollen sie nicht hungern und dürsten. Aber für sie ist das Einfachste angebracht. Ihnen irgendwelche Leckerbissen zuzustecken, Zigaretten zu reichen, ist nicht angebracht. Zuerst kommen die eigenen Landsleute, und dann noch mal und dann noch lange nicht die feindlichen Kriegsgefangenen. (...)
Dienstboten. Es hat sich leider herausgestellt, daß Herrschaften Dienstboten bei Ausbruch des Krieges sofort entlassen haben. Das ist ungesetzlich, denn grundsätzlich ist der Krieg kein wichtiger Grund zu sofortiger Entlassung von Dienstboten.
Eine große Anzahl Störche (100 - 150 Stück) haben sich in Beuel niedergelassen. Bäche und Schornsteine sind davon belagert. Anscheinend sind diese Störche Kriegsflüchtlinge aus dem Elsaß, das ja reich an Störchen ist.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Die ersten Verwundeten vom westlichen Kriegsschauplatz sind gestern abend gegen ½ 11 Uhr hier angekommen. Es handelte sich in der Hauptsache um leichtverwundete und kranke Soldaten. Nur einige Schwerverletzte mußten im Automobil zum Militär-Lazarett gebracht werden, die übrigen, vorwiegend Infanteristen, auch einige Gardisten und Jäger, konnten zu Fuß zur Beethovenhalle gehen, wo sie in dem dort eingerichteten Lazarett untergebracht wurden.
Zur Lebensmittelteuerung. Das Oberbürgermeisteramt schreibt uns: Am Donnerstag fand im Sitzungssaale der Königlichen Regierung zu Köln eine Beratung über die gegen die wucherische Ausbeutung der Kriegslage durch Verteuerung der Lebensmittel zu ergreifenden Maßnahmen statt, an der unter dem Vorsitz des Regierungspräsidenten außer Vertretern des Gouvernements und der Landwirtschaftskammer der Oberbürgermeister von Köln, ein Vertreter der Stadt Bonn und die Landräte der zum Bereich der Festung Köln gehörenden Landkreise teilnahmen. Das Ergebnis der Verhandlungen war eine Ermächtigung der genannten Behörden gegen diejenige, welche die Kriegslage zu einer ungebührlichen Verteuerung der Volksnahrungsmittel ausnutzen, mit allen Mitteln, insbesondere auch durch behördliche Festsetzung von Höchstpreisen oder Beschlagnahme der Bestände im Sinne des maßgebenden Gesetzes vorzugehen.
Für Franzosenfreundinnen. Man schreibt uns: Die Mitteilung in Ihrem Blatte über das Verhalten von Damen den Gefangenen gegenüber erinnert mich an eine Episode aus dem Jahre 1870, die sich Köln auf dem Bahnhof am Gereon zutrug:
Ein deutscher Soldat, der einen Gefangenen- oder Verwundeten-Transport begeleitet hatte, ging auf eine Dame zu, die ein mit Fleischbrühe und Tassen gefülltes Tablett trug und bat um eine Tasse. Die Antwort lautete: „Bedaure sehr, die sind für die Herren französischen Offiziere.“ Die Worte waren kaum gesprochen, da flogen durch einen Schlag unter das Tablett die Tassen auf den Boden und die Dame war über und über von Suppenbrühe beschüttet. Möge es allen Damen so gehen, die sich ungebührlich den unsrigen Soldaten gegenüber benehmen. W. F.
Eine verdiente Antwort. Bei den ersten französischen Gefangenen-Transporten in Deutschland haben sich auf den Bahnhöfen bedauerliche Szenen abgespielt. Einzelne Damen konnten der Versuchung nicht widerstehen, die Gefangenen anzusprechen und in eine Unterhaltung zu verwickeln. Es war ihnen offenbar ein „pikanter Reiz“, mit waschechten Ausländern „französisch zu parlieren“ und vor ihnen ihren „Charme“ zu entfalten, und der Umstand, daß es „grimmige Feinde“ waren, vor denen sie die Künste ihrer Koketterie spielen lassen konnten, hat diese Pikanterie gewiß noch verstärkt. In Köln bekam eine dieser „Damen“, die nicht wissen, was sie der deutschen Frauenwürde schuldig sind, von einem Gefangenen eine Abfuhr, durch die die Unwürdigkeit eines solchen Verhaltens drastischer gekennzeichnet wurde, als es durch die schärfsten Entrüstungskundgebungen geschehen könnte. Er warf nämlich das Glas Rotwein, das ihm von zarter Frauenhand kredenzt wurde, der holden Spenderin vor die Füße. Dieser Feind unseres Vaterlandes hatte jedenfalls mehr Ehre im Leibe, als die Frauen, die, um ihr Sensatiönchen zu bekommen die eigene Selbstachtung in den Wind schlagen.
Die zweite militärische Verlustliste ist soeben erschienen. Soweit wir daraus zu ersehen vermögen, befindet sich darunter kein Angehöriger der Bonner Garnison. Gefallen ist u.a. vom Stab der 14. Infanterie-Brigade Generalmajor v. Wussow, der offenbar einer der Söhne des Oberst v. Wussow ist, der nach seiner Verabschiedung in Bonn lebte und seine sechs Söhne auf der Kriegsschule erziehen ließ.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Unseren verehrt. Postabonnenten teilen wir hierdurch mit, daß die durch die Kriegswirren hervorgerufenen Verkehrsstockungen auch in den nächsten Tagen noch eine regelmäßige Zustellung der Zeitung unmöglich machen. Wir bitten die verehrt. Abonnenten aus diesem Grunde, Geduld zu haben. Voraussichtlich wird ab 20. ds. Mts. der Verkehr wieder ein geregelter und dann die Zeitung wieder prompt zugestellt werden. Geschäftsstelle der Deutschen Reichs-Zeitung.
(Hinweis in der Deutschen Reichs-Zeitung)
Bonner Bäcker-Innung. Was dieser Innung jetzt am nächsten liegt, ist, wie sollen die Familien der Mitglieder unterstützt werden, deren Ernährer in’s Feld mußte. In der Sitzung am Samstag abend hat man beschlossen, den Vorschlag des Hilfsvereins für durchfahrende Truppen, die Bonner Bäcker möchten anstelle der Militärbäckereien das von genanntem Verein gebrauchte Brot backen, anzunehmen. Die Bestellungen sollen den Bäckereien überschrieben werden, deren Meister zu den Fahnen gerufen wurde. Die Hilfsvereinigung möchte die Hefe 10 Pfg. per Pfund teurer verkaufen und diesen Aufschlag der Unterstützungskasse zufließen lassen. Die Geschäfte der eingezogenen Kollegen sollen von den zurückbleibenden Mitgliedern unterstützt und so vor dem Schließen bewahrt werden. An die Kundschaft ergeht die Bitte, auch fernerhin bei dem alten Bäcker zu kaufen. Ueber die Erhöhung der Innungsbeiträge und die Kasse der Innung und der Wirtschaftlichen Vereinigung soll noch im Vorstand beraten werden. – Von dem Roggenschrotmehl, das die Stadt Bonn im Interesse der Einwohner und der Innung gekauft hat, sind noch 150 Sack vorrätig, die möglichst bald Käufer finden müssen. Einen größeren Teil wollen Mitglieder der Innung übernehmen.
Herr Reichstagsabgeordneter Chrysant, der Ehrenobermeister der Innung ist, und der Direktor der Fortbildungsschule Herr Vins wohnten der gutbesuchten Versammlung bei. Herr Bäckermeister Bauchmüller wurde in den Vorstand gewählt.
In der Giergasse erlitt gestern ein wertvolles Pferd eines hiesigen Fuhrmanns einen Hitzschlag und verendete.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Sonntag, 16. August 1914
Am Samstag hatte die russische Armee mit dem Einmarsch nach Ostpreußen begonnen.
75 Soldaten, die auf dem Marsch zum Kriegsschauplatz leicht erkrankt und marschunfähig geworden sind, kamen am Freitag hier an und wurden in die Beethovenhalle gebracht. Die Meldung, daß Verwundete und Schwerverletzte eingeliefert worden sind, ist falsch.
Beschränkte Wiederaufnahme des Güterverkehrs. Die Norddeutsche Allgemeine Zeitung meldet: Die Beförderung von Vieh, Benzin und Benzol und landwirtschaftlichen Maschinen ist vom 14. August an auf den Eisenbahnlinien rechts des Rheins zugelassen, soweit Lokomotiven und Wagen zur Verfügung stehen und die Durchführung der militärischen Transporte nicht gestört wird. (...)
Mahnung an die Frauen und Jungfrauen. (...) Überall sieht man noch Pariser Kleiderauswüchse als z.B. Schlitzröcke, Florstrümpfe, gewagten Ausschnitt usw. Man braucht kein Nuditätenschnüffler zu sein, um an diesem Treiben Ärgernis zu nehmen. Es wäre vielleicht am Platze, bei dieser Gelegenheit die Verfügung des Andreas Hofer wieder aufleben zu lassen, der „dem Weibervolk befahl, in ernster Kriegszeit ihr Brust-, Arm und Beinfleisch ausreichend zu bedecken.“
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Verseuchung des Rheinwassers. Angesichts der möglichen Verseuchung des Rheinwassers während des Krieges wird vor dem Genusse von Rheinwasser wie vor seiner Vewendung zu häuslichen Zwecken auf das dringendste gewarnt.
Ertrunken im Rhein ist am Donnerstag dieser Woche der neunjährige Sohn eines Bonner Schneidermeisters. Er, des Schwimmens nicht kundig, hatte in der Nähe der Gronau gebadet und war plötzlich in einer Tiefe verschwunden. Die Rettungsversuche waren vergeblich.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Das Rote Kreuz. Das Bild des Lebens und Treibens in unserm schönen Bonn ist jetzt ein so ganz anderes geworden, als es in friedlichen Zeiten zu sein pflegt. Im Augenblick wird es beherrscht von den zahlreichen Truppen, die die weiße Binde mit dem roten Kreuz am Arme tragen, die also damit als Angehörige der militärischen Krankenpflege gekennzeichnet und durch internationale Abmachung als neutrale Persönlichkeiten anerkannt werden. Das rote Kreuz im weißen Felde ist eben denen vorbehalten, die in irgend einer Weise in der Krankenpflege, z.B. als Schwester, als Pfleger, als Arzt und Apotheker, Beschäftigung und Beruf finden. Es ist demgemäß auch schon in Friedenszeiten untersagt, daß Apotheken, Drogerien usw. sich des roten Kreuzes zu Reklamezwecken bedienen. Ebenso ist die Führung der Rote Kreuz-Binde jedem untersagt, der dazu nicht die behördliche Berechtigung erworben hat und dessen Binde nicht den Stempel der betr. Behörde trägt.
In Würdigung dessen und in Anbetracht der großen Bedeutung der Militärkrankenpflege gerade in diesen ernsten Zeiten sollte deshalb streng darauf geachtet werden, daß das genannte Abzeichen auch tatsächlich nur von solchen Persönlichkeiten getragen würde, die dazu beruflich und behördlich berechtigt sind.
Es ist hier in Bonn vielfach unliebsam aufgefallen, daß die durch internationale Abmachung geschützte und lediglich der Krankenpflege vorbehaltene Binde z.Z. fast auschließlich von Persönlichkeiten getragen wird (soweit es sich um Nichtsoldaten handelt), die mit der Krankenpflege nicht die geringste Verbindung haben, während man sie z.B. bei den Aerzten, da für sie die gegebene Gelegenheit glücklicherweise noch fehlte, bisher einstweilen noch kaum sieht. Welche Berechtigung hat es z.B., daß die Personen tagaus tagein die Rote Kreuz-Binde tragen, die mit der Verteilung der Liebesgaben oder einem ähnlichen Arbeitsgebiete zu tun haben. Jedes andere Abzeichen würde, wenn ein solches überhaupt nötig, seinen Zweck erfüllen. Es bedarf wohl nur dieses Hinweises, damit die Behörden diesem Uebelstande abhelfen.
Notschrei der Kellnerfrauen. An alle wird gedacht, nur nicht an die Kellner-Frauen, deren Ernährer ebenso gut im Felde ist, wie die anderen. Zum Sparen bleibt einer Kellner-Familie auch in Friedenszeiten nicht viel übrig, da die Kellner doch nur auf Trinkgeld angewiesen sind. Was sollen die Kellner-Frauen, wo sie allein stehen ohne Verdienst, jetzt in der Kriegszeit anfangen? Das Gesetz schützt die Beamten usw. und es gibt großmütige Firmen, die für ihre Leute sorgen – wer hilft uns! Eine für Alle.
Nochmals Zimmervermieterinnen. Ich möchte die Zimmervermieterin, die gestern an dieser Stelle das Wort hatte, um das Rezept bitten, wie sie es fertig bringen will, die einquartierten Soldaten bei diesen teuren Zeiten gut zu ernähren und dabei bei den 2 Mark noch etwas zu erübrigen. Ich habe 7 Tage Einquartierung gehabt. Wenn man die Leute von morgens bis abends ordentlich ernährt, so wie es sich gehört, so legt man Geld zu, was ja auch ein jeder, der in der Lage dazu ist, gern fürs Vaterland tut. Nun aber meine ich, wenn Herrschaften aus Bequemlichkeit und damit ihre Ruhe nicht gestört wird, die Leute ausquartieren, so ist 3 Mk. für den Tag und für den Mann gewiß nicht zu viel. Es ist genug geklagt worden, daß die Soldaten bei dieser Hitze meistenteils nur Hülsenfrüchte und Speck vorgesetzt bekommen, evtl. noch einen Hering mit Kartoffeln als Mittagessen. Das ist natürlich sehr billig. Man soll, wo jetzt so viel frisches Gemüse ist, den Kriegern Gemüse und kräftige Sachen geben, Hülsenfrüchte allein tuns nicht. Auch ein gutes Bett und reichlich Waschgelegenheit soll man ihnen geben. Wenn man das alles befolgt, wird man sicherlich von den 2 Mark nichts erübrigen können. Ueberhaupt ist es nicht angebracht, bei den Soldaten Geschäfte machen zu wollen. Vielleicht wäre es auch gut, wenn man die armen Leute nicht so viel mit Einquartierung belasten würde. In diesen Fällen müssen die Soldaten darunter leiden. Eine Hausfrau, die gern alles für die Krieger gibt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Dringende Bitte!
Unsere Redaktion hat infolge der Einberufung einiger Herren zum Dienst im Heere nicht mehr die volle Besetzung. Wir bitten darum dringend, Zuschriften nicht an die Adresse einzelner Redaktionsmitglieder, sondern nur „An die Redaktion der Deutschen Reichszeitung“ zu richten. Die Mitteilungen gelangen sonst sehr verspätet, vielleicht überhaupt nicht, zur Veröffentlichung.
In Erwartung. Nach den aufgeregten Tagen der beiden letzten Wochen wird es allmählich ruhiger auf den Straßen und Plätzen unserer Stadt. Die Müßiggänger und Schaulustigen, die die Bahndämme und den Bahnhof belagert hielten, sind größtenteils verschwunden. Soweit es möglich war, hat man die Arbeit wieder aufgenommen. Andere bemühen sich Arbeit zu bekommen. Ein Ausgleich von Zuviel und Zuwenig muß sich jetzt auf dem Arbeitsmarkt vollziehen. Zwar hat das Letztere noch die Oberhand, doch dürfte nach den ersteren größeren Siegesnachrichten schnell eine Aenderung zu Gunsten der Arbeitssuchenden vor sich gehen. Am wenigsten wurden die Lebensmittelhandlungen vor dem Arbeitsmangel bewahrt. Dagegen haben viele Geschäfte und Fabriken notgedrungen ihren Betrieb sehr eingeschränkt, zum Teil sogar ganz geschlossen. Wenn eben möglich werden die Angestellten aber behalten, um sie so zu belohnen für die treuen Dienste in guten Zeiten.
Was werden uns die nächsten Tage bringen? Streng waltet die Zensur ihres Amtes und gibt uns nur die Nachrichten weiter, die in keiner Weise Schaden stiften können. Wenig Positives über den Kriegsschauplatz ist vorläufig noch darunter, doch jeder Einsichtige wird leicht verstehen, daß die Pläne der Heeresleitung nicht jedermann preisgegeben werden können. Der Ruhe, die jetzt herrscht, wird ein Sturm folgen, der alles niederwirft, was sich ihm in den Weg stellt. Wir vertrauen unserem Heer und seinen Führern. Ruhig wollen wir auf die Entscheidung warten, die vielleicht schon bald kommen wird.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Montag, 17. August 1914
Der Festungsring um Lüttich war nach tagelangem heftige Beschuss durch die deutsche Artillerie zerstört worden. Die beiden letzten Forts hatten am Vortag kapituliert.
Eine Warnung für unsere Krieger. Die „Dorfzeitung“ veröffentlicht folgende durchaus begründete Warnung: Die Truppen, die nach dem westlichen Kriegsschauplatze ziehen, seien darauf aufmerksam gemacht, daß in Frankreich die Häuser vielfach Falltüren nach dem Keller haben, und zwar oft mehrere in einem Bau. Auf diese Weise wurde 1870/71 unseren braven Kriegern mancher Hinterhalt gelegt, der dem Auge entzogen, im Keller lauerte. Auch vor den Wandschränken sei gewarnt. Es gibt in jedem Haus sichtbare Wandschränke, aber auch, dem hinterhältigen Wesen der Franzosen angepasst, viele versteckte Hohlräume. Und dann mögen sich die Krieger auch vor den offenen Vorräten und vor der Absynthflasche, die in jeden Haus zu finden ist, hüten. Die Angehörigen unserer Krieger mögen diese Warnung den im Krieg stehenden übermitteln. (...)
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Eine Bittprozession zur Erflehung göttlichen Segens für unser im Felde stehendes Heer ging gestern nachmittag 3 Uhr von der Münsterkirche zum Kreuzberge. Nachdem dortselbst eine Stationsandacht gehalten worden, ging es unter Gebet und Gesang zurück zum Münster, wo den Teilnehmern der sakramentale Segen erteilt wurde.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Notstandsarbeiten. Jedem, der mit den Verhältnissen vertraut ist, ist es bekannt, daß in unserer, wie auch in anderen Städten, viele hundert Arbeiter durch die Mobilmachung brotlos geworden sind. Der Andrang an den Stellen, wo noch gearbeitet wird, ist ganz ungeheuer und die geforderten Löhne sind wesentlich niedriger, als in gewöhnlichen Zeiten. Wäre es da nicht angebracht, wenn sich die städtische Verwaltung bereits jetzt mit der Frage befaßte, in welcher Weise die Arbeitslosen beschäftigt werden können. Ihre Unterbringung in industriellen Betrieben, bei der Erntearbeit etc. erscheint unmöglich und etwas muß doch geschehen! Sind denn keine öffentlichen Bauten geplant, für die Mittel bereitstehen? Diese zur Ausführung zu bringen, wäre jetzt der gegebene Augenblick. Auch könnte man den Ausbau der Schumannstraße, worüber so lange Jahre verhandelt worden ist, in wesentlich ausgedehnterem Maße betreiben, als dies jetzt geschieht. Vielleicht liegen auch noch andere Straßenbauten vor, die in Angriff genommen werden könnten. L.G.
Jeder Fabrikant und Geschäftsmann, der noch Ware abzugeben hat, ist durch die jetzigen Zeitverhältnisse gezwungen, nur noch gegen bar zu verkaufen, denn er muß heute auch seine Ware in barem Gelde kaufen. Dafür sind aber alle verfügbaren Mittel notwendig und es ergeht an Alle die dringende Bitte, nichts mehr auf Borg zu entnehmen und es auch nicht zu versuchen. F.
Zum Notschrei der Kellnerfrauen. Ich möchte die Kellnerfrauen einmal fragen, wenn sie nicht zurechtkommen in jetziger Zeit, was sollen dann erst die Bauhandwerkerfrauen machen, deren Ernährer auch Frau und Kinder im Stich lassen mußten und mit ins Feld sind, und wo eine ganze lange Zeit alle Arbeit still lag. Es wäre nun am Platze, daß man sich auch der Bauhandwerkersfrauen erinnerte, die es doch vielleicht nötiger haben als Kellnerfrauen. Eine schon sehr in Not stehende Familie.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Verwundete, es waren ihrer etwa 40, trafen auch in der Nacht zum Sonntag hier ein. Sieben davon mußten auf Tragbahren zum Lazarett gebracht werden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
(...) Jetzt sind wir schon acht Tage hier und glaubten, bloß einen Tag auf dem Durchmarsch hier zu sein. Infolgedessen liege ich jede Nacht auf Stroh in einem Schlafsack, der gerade so gut ist wie ein Bett. Das Luftkissen habe ich immer in der Tasche. Seit gestern regnet es, so daß ich den Papieranzug angelegt habe. Man liegt im Stroh herum, hält Instruktionsstunde ab. Mit dem Kompaniefeldwebel Schröder, der ein sehr netter Mensch ist, leiste ich mir ab und zu Hähnchen, Ente oder Kaninchen in der Wirtschaft. Im allgemeinen ist die Stimmung jetzt eine richtige nasse Manöverstimmung. Von Krieg merkt man nicht viel. (...) Höchstwahrscheinlich werden wir nördlich marschieren. Wenn Du mal Wichtiges in der Zeitung liest von Flotte und Rußland oder Frankreich, schreib es doch bitte. Wir hören hier nur wenig.
(...) Ich wäre glücklich, wenn ich heimkommen könnte in Eure Arme) wenn ich wieder malen könnte. (Das ist mir wie ein Traum jetzt.) Aber wenn ich an die Kinder denke, dann packt mich immer eine wilde Verzweiflung, daß ich die nicht wiedersehen sollte. (...) Es ist auch dieses Wetter, was einen für Momente in solche Stimmungen bringt und die Langeweile in diesem Dorf. Kind, was werden wir aber glücklich sein, wenn dieser Krieg vorüber ist und wir sind wieder zusammen (...)
(August Macke an seine Ehefrau, Feldpostbrief aus Niedermerzig/Luxemburg)
Dienstag, 18. August 1914
Die Franzosen setzten ihren Vormarsch in Elsass-Lothringen fort. In Ostpreußen hatten heftige Kämpfe stattgefunden.
Der General-Anzeiger meldet einen entscheidenden Sieg der k.u.k.-Tuppen über Serbien. Auf der Titelseite ist das patriotisches Gedicht „O mein Vaterland!“ von Gerhard Hauptmann abgedruckt.
Die Deutsche Reichszeitung spekuliert auf der Titelseite über „Die Dauer der modernen Kriege“ und kommt zu dem Ergebnis, der gegenwärtige Krieg werde wohl mehrere Monate dauern, aber nicht länger als ein Jahr. Als Sonderdruck wird die gesamte „Verlustliste Nr. 3“ veröffentlicht.
Der Deutsche Zigarrenhändler-Bund schreibt: Daß in Kriegszeiten die kleinen Existenzen in Handel und Gewerbe am schwersten zu leiden haben, ist eine unbestreitbare Tatsache. Mit Schrecken sehen sie, wie ihre täglichen Einnahmen unter dem ungeheuren Druck, den der Krieg auf das gesamte Wirtschaftsleben ausübt, schwinden. (...) Auf der anderen Seite werden aber enorme Summen für die Mobilmachung und Versorgung unseres Heeres ausgegeben. Man darf es daher wohl als die Pflicht aller Behörden und Korporationen bezeichnen, (...) wenn sie bei ihren Aufträgen und Einkäufen auch den Mittelstand in Handel und Gewerbe berücksichtigen. Ein dankenswertes Beispiel hat hierfür der Magistrat von Neukölln gegeben. Er hat am vergangenen Sonntag bei vielen kleinen Zigarrenhändlern dieses Berliner Vorortes durch Boten große Einkäufe von Tabakfabrikaten, die als Liebesgaben für unsere ins Feld ziehenden Truppen bestimmt sind, vornehmen lassen. (...) Das Vorgehen des Neuköllner Magistrats verdient daher überall nachgeahmt zu werden.
Die vertriebenen Auslandsdeutschen. Der Verein für das Deutschtum im Ausland erlässt folgenden Aufruf: Unsere Feinde haben den Kampf gegen uns mit der feigen Misshandlung wehrloser Deutscher in ihrer Mitte eröffne, die seit Jahren durch die Erfolge ihrer Arbeit auch dem Lande nutzten, das ihnen Wohnrecht gab. Mit Empörung haben wir allen von den Greueln gelesen, die in Paris, Brüssel und Antwerpen an unseren Landsleuten verübt wurden. Die Behörden haben nicht einmal den Versuch gemacht, sie zu schützen. Unsere Waffen werden diese Frevel sühnen! Jetzt aber gilt es, den Tausenden tapferer Landleute zu helfen, die, von allen Existenzmitteln entblößt, vielfach noch unter den Folgen der Misshandlungen leidend als Vertriebene in die Heimat zurückgekommen sind. (...) Wir erbitten Geldspenden für die Vertriebenen und von der Heimat abgeschnittenen Deutschen unter „Volkssammlung der Auslandsdeutschen“ an die Direktion der Diskonto-Gesellschaft, Depositenkasse Berlin W 62, Kleiststraße 27.
Vergütung der ausgehobenen Pferde und Fahrzeuge. Die Vergütung für die im Stadtkreis Bonn am 4. und 6. d. M. ausgehobenen Pferde, Fahrzeuge und Geschirre können bei der Königlichen Kreiskasse in Bonn, Argelanderstraße 47 (vormittags 8 ½ bis 12 Uhr) unter Vorlage der Anerkenntnisse, erhoben werden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Etwa 400 Verwundete und Kranke trafen gestern abend kurz vor 10 Uhr hier auf dem Güterbahnhof ein und wurden in die verschiedensten Krankenanstalten untergebracht. Annähernd hundert leichter Verletzte wurden nach St. Joseph an der Höhe geführt. Unter den Verwundeten befanden sich auch mehrere belgische Soldaten, sowie ein belgischer Offizier.
Herzliche Bitte. Für die zurückgebliebenen Angehörigen unserer Krieger ist eine Sammlung in die Wege geleitet worden, um die größte Not zu lindern. Insbesondere wird von Grau-Rheindorf aus herzlich um Spenden gebeten. Ein Komitee, an dessen Spitze Herr Vikar Dr. Saedler aus Grau-Rheindorf steht, nimmt Gaben mit Dank entgegen.
Die Gründung eines Speisehauses ist von der Bonner Sozialen Wohlfahrtseinrichtung beabsichtigt. Frauen mittlerer Stände sollen in diesem Speisehaus für den Preis von 20 Pfg. ein nahrhaftes Mittagessen erhalten. Es wird gebeten, den Plan durch Schenkung von Geld und Lebensmitteln (Konserven, Mehl, Salz, Reis etc. ) Kochtöpfen, Handtüchern, Putzgegenständen und Möbel aller Art (auch leihweise) zu unterstützen. Mit dem Speisehaus ist ein Sprechzimmer für Ratsuchende verbunden.
Die Unterstützungen für die Familien eingezogener Mannschaften sind durch Reichsgesetz vom 4. August erhöht worden. Die Unterstützungen sollen mindestens betragen für die Ehefrau in den Monaten Mai bis Oktober einschließlich monatlich 9 Mark, in den übrigen Monaten 12 Mark, für jedes Kind unter 15 Jahren 6 Mark. Die bewilligten Unterstützungsbeträge sind halbmonatlich im voraus zu zahlen.
Agnes-Stift. Das Gerücht, die Fürsorgemädchen des Agnes-Stiftes seien wegen Ausbruchs des Krieges entlassen worden, entbehrt, wie man uns mitteilt, jeder Begründung. Im Gegenteil hat die Zahl der Zöglinge noch zugenommen und die Wäscherei wird in unveränderter Weise weitergeführt.
Eine Anzahl deutsche Frauen mit ihren Kindern, die aus Belgien ausgewiesen wurden, trafen gestern hier ein. Die Flüchtigen, die nur einige wenige Habseligkeiten mit sich führten, erregten allseits großes Mitleid.
Die dritte Verlustliste wird soeben veröffentlicht. Von rheinischen Regimentern ist nur unser Husaren-Regiment Nr. 7 mit einem Gefallenen darin enthalten (Husar Severin Decker aus Söven bei Hennef), der auf Patrouille durch Franktireurs unter Feuer genommen worden war.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Der Bonner Bürgerverein hat für das Militärlazarett 1000 Flaschen Wein gespendet, davon 300 Flaschen schon geliefert. Seine Gesellschaftsräume, Lesezimmer, Billardzimmer usw. stellte der Bürgerverein den Offizieren zur freien Verfügung.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Mittwoch, 19. August 1914
Russische Truppen dringen nach der Schlacht von Gumbinnen weiter nach Ostpreußen vor.
Die Königliche Regierung zu Köln hat angeordnet, daß die Volksschulen und die ihr unterstellten mittleren Schulen nach Schluß der Sommer- resp. Herbstferien wieder geöffnet sind.
Ein Speisehaus für Frauen und Mädchen aus den mittleren Ständen, die durch den Krieg stellenlos oder sonst wie in Not geraten sind, beabsichtigt die Bonner Soziale Wohlfahrtseinrichtung zu gründen. Für 20 Pfg. erhalten hier die Frauen und Mädchen ein kräftiges, nahrhaftes Mittagessen. (...)
Von unserem Husarenregiment Nr. 7 ist der Husar Severin Decker (Söven) gefangen genommen worden. Die Patrouille, zu der er gehörte, wurde von Franktirörs unter Feuer genommen.
Ein hiesiger Frisör, Herr Rödel, hat sich bereit erklärt, alle in einem hiesigen Krankenhause untergebachten Verwundeten unentgeltlich zu bedienen.
Französischen Schaumweine in Verruf. Der Voss. Zeitung wird aus Ofenpest gemeldet, daß dortige Wirte sich verpflichtet haben, französische Schaumweine sowie französische Weine und Spirituosen nicht mehr zu führen.
Das bürgerliche Leben beginnt wieder. Vom Rhein wird gemeldet, daß die Stille, die die Mobilmachung notgedrungen dem Handel und Verkehr auferlegt hat, allmählich aufhört. Der Eisenbahnverkehr ist zwar immer noch wegen der Militärtransporte minimal, aber der Verkehr auf der Rheinstraße hat sich in den letzten Tagen ansehnlich gehoben. (...) Es wird immer ein glänzendes Zeugnis für die Stärke unserer Volkswirtschaft und die bewunderungswürdige Kraft deutsches Volksgeistes bleiben, daß diese Zeit, die viele Hunderttausende unserer kräftigsten Männer wie mit einem Schlage der Erwerbstätigkeit entzog, fast keinen Rückschlag auf die Sicherheit unseres bürgerlichen Lebens ausüben konnte. Daß es rasch wieder in normale Bahnen einlenken würde, sobald ihm durch die Freigabe der öffentlichen Straßen auch nur die Möglichkeit eröffnet wurde, erscheint fast selbstverständlich.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Die neue Verlustliste Nr. 4 veröffentlicht den schon berichteten Tod des Kommandeurs der 9. Kavalleriedivision, Generalmajor v. Bülow. (…) Husar Decker von Söven bei Hennef ist nicht gefallen, sondern gefangen.
Mehrere hundert Amerikaner sind gestern und heute im Extrazug durch Beuel gefahren. Es sind Vergnügungsreisende, die über Amsterdam die Heimreise antreten.
Im Friedrich-Wilhelm-Stift besuchte Frau Prinzessin Adolf zu Schaumburg-Lippe gestern unter Führung des Herrn Professor Bohland die Verwundeten und unterhielt sich längere Zeit mit ihnen.
Die Korps-Studenten bitten alle Korps, ihre Häuser dem Roten Kreuz unverzüglich als Kriegslazarette zur Verfügung zu stellen.
Unsere öffentlichen Anlagen. Die herrliche Trauerweide in den Rheinanlagen, nahe der Landebrücke der Köln-Düsseldorfer Dampfschiffahrts-Gesellschaft scheint auch unter den Kriegsnöten zu leiden zu haben. Durch die mangelnde Aufsicht haben sich Schulkinder und namentlich junge Bürschchen die Anlage als Tummelplatz ausersehen. Zu Dutzenden hängen sie sich oft an die fast zur Erde reichenden Aeste, die natürlich dadurch geknickt und abgebrochen werden. Als ein Herr gestern abend einem jungen Burschen dies verwies, wurde er in der ärgsten Weise beschimpft und bedroht. Eine gehörige Maulschelle war die Antwort, aber es hätte nicht viel gefehlt, dann wäre die prompte Justiz dem Herrn verhängnisvoll geworden, denn eine Anzahl Altersgenossen nahmen Partei für den jungen Burschen. Es wäre zu wünschen, daß ein städtischer Beamter ein wachsames Auge auf die Anlagen haben würde, namentlich in den Abendstunden. Ein Einschreiten von Zivilpersonen ist nach den bisherigen Erfahrungen nicht ratsam. Auch aus anderen, hier kaum andeutbaren Gründen, empfiehlt sich die schärfere Bewachung der öffentlichen Anlagen in den Abend- und Nachtstunden.
Schüler als Truppenverpfleger. Eine Anzahl Gymnasiasten haben es sich zur Aufgabe gemacht, die in den verschiedenen Stadtteilen auf Posten stehenden Soldaten mit Kaffee und Butterbroten zu versorgen. Auf einem Handwagen fahren sie den Proviant an die verschiedensten Standorte und verteilen dann aus einer großen Kanne, in der sich der dampfende Kaffee befindet, das erquickende Getränk an die Soldaten. Auch mit den Butterbroten wird nicht geknausert; jeder erhält so viel er nur haben will. Namentlich in den frühen Morgenstunden wird der heiße Kaffee von den Soldaten, die die Nacht über Wache gestanden haben, dankbar begrüßt. Bis nach Beuel fährt die kleine Proviantkolonne, um die Wachen der Rheinbrücke zu bewirten. Auch die Mannschaften, die auf dem Dach des Städtischen Gymnasiums stehen, werden von den jungen Leuten nicht vergessen. Nicht nur die Soldaten, auch das Publikum hat seine helle Freude an dem Liebeswerk der wackeren Jungen.
In den ländlichen Volksschulen wurde am Dienstag der Unterricht wieder aufgenommen. Die dringendsten Erntearbeiten, bei welchen Schulkinder Verwendung finden können, sind jetzt fast überall erledigt. In Ausnahmefällen können auch jetzt noch Kinder der letzten Schuljahre für halbe Tage beurlaubt werden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Einquartierung. Es wird uns mitgeteilt: „Ein in den weitesten Kreisen als Städtischer Hyperpatriot bekannter Herr erhielt dieser Tage zwei Mann Einquartierung. Entrüstet beklagte er sich am folgenden Tag über dieses ganz unverständliche Ereignis, da er Besuch habe und dieser wegen der Einquartierung „nicht habe schlafen können“. Er erhielt hierauf 2 Offiziere und 2 Burschen als Einquartierung. Empört über eine solche Zumutung, wies er dieselben kurzer Hand ab. Wie man sieht, sind Partiotismus und Einquartierung zwei ganz verschiedene Dinge.“ Wer dieser Herr ist, können wir nicht ahnen, vielleicht kann man seinen Namen auf dem Einquartierungsbureau erfahren.
Hebt die Zeitung auf! An alle unsere Leser richten wir die dringende Mahnung, die Zeitung während der Kriegsdauer aufzuheben. Die Ereignisse, die sich in den letzten Wochen abgespielt haben und die in der nächsten Zeit bevorstehen, sind welthistorische Vorgänge. Jede einzelne Zeitungsnummer ist ein geschichtliches Erinnerungsstück an die großen Tage. Versäume daher niemand, die Zeitung aufzubewahren, insbesondere werden Euch auch die aus dem Kriege zurückkehrenden Angehörigen dafür sehr dankbar sein. Auch sie wollen über die Vorgänge in der Heimat und auf dem Gesamtkriegsschauplatze unterrichtet sein; für die heranwachsende Generation wird die Zeitung ein interessantes Geschichtswerk sein und nur wenige aus dem Volke sind in der Lage, sich späterhin das Generalstabswerk oder ähnliche Zeitschriften zu beschaffen.
Dankbarkeit. Ein Kölner Krieger, der auf dem hiesigen Bahnhof von den Damen des Hilfsausschusses bewirtet worden ist, sendet uns nachstehende Feldpostkarte mit der Bitte um Veröffentlichung: „Ein junger Vaterlandsverteidiger, den die Damen von Bonn auf der Durchreise mit Speise und Trank erquickt haben, gestattet sich auf diesem Wege seinen Dank auszusprechen. Solche Opferwilligkeit der Zurückgebliebenen spornt jeden Krieger zur höchsten Tapferkeit an, und es soll keinem Feinde gelingen, jemals eine deutsche Frau zu belästigen. Indem ich die Damen der Stadt Bonn bitte, dieses Zeichen meiner Dankbarkeit gnädig entgegen zu nehmen, schließt mit einem dreifachen Hoch auf die Damen ein dankbarer Kölner.“
Die freie Beförderung von Einberufenen wird von heute ab auf den Strecken der Köln-Bonner-Kreisbahnen wie von der Staatsbahn nur am Tage der Einberufung geschehen. Sonst berechtigen nur die vorschriftsmäßigen Militärfahrscheine, und die dafür gelösten Fahrkarsten zur Benutzung der Rheinufer- und Vorgebirgsbahn.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten
Donnerstag, 20. August 1914
Am 19. August hatten deutsche Truppen Brüssel besetzt. Die belgische Regierung war nach Antwerpen ausgewichen.
Die Bonner Zeitungen bejubelten dieses Ereignis auf den Titelseiten. Der Rückzug der 8. Armee aus Teilen Ostpreußens fand dagegen keine Erwähnung.
Eine Zentralstelle für Auskunftserteilung und für Hilfe jeder Art während der Kriegszeit wird im städtischen Verwaltungsgebäude, Franziskanerstraße 91, Zimmer 23, Montag den 24. August eröffnet. Sprechstunden 9 – 12 und 3 – 5 an allen Wochentagen. Um die zahlreichen bereits bestehenden Fürsorgeeinrichtungen jeglicher Art zu gemeinsamer Arbeit zusammenzufassen und um alle Fälle der Kriegsfürsorge sachgemäß behandeln zu können, ist die Errichtung einer Zentralstelle ein dringendes Erfordernis. (...) Vereinigungen aller Art, Familien und Einzelpersonen, wetteifern, vorhandene oder vermeintlich vorhandene Not zu lindern. Alle in bester Absicht, doch vielfach ohne die nötige Vorsicht. Der missbräuchlichen Benutzung der Hilfsquellen ist damit Tür und Tor geöffnet. In zahlreichen Fällen ist sie bereits festgestellt worden. (...)
Eine Kriegsschreibstube ist in der Beethovenhalle für die dort untergebrachten verwundeten und erkrankten Soldaten eingerichtet worden. Hier werden vor allem Feldpostkarten, Feldpostbriefe und Feldpostanweisungen mit Aufschriften versehen, ferner werden Briefe für solche Personen geschrieben, die im Schreiben wenig geübt oder durch ihre Verwundung gehindert sind.
Erschossen wurde vorgestern nacht am Bahnhof ein Mann, der dem mehrmaligen Anruf des Postens nicht folgte. Er hatte sich der Aufforderung eines Bahnbeamten, den Bahnhof zu verlassen, widersetzt und versuchte nachträglich, als der Bahnbeamte den Stationsvorsteher rief, zu entfliehen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Holzdiebstähle. In den letzten Tagen haben im Wald, der zum größten Teil Privatbesitz ist, die Holzdiebstähle – es ist Diebstahl, aus fremdem oder öffentlichem Eigentum Holz zu holen – derart zugenommen, daß es notwendig sein wird, den Wald besonders zu beaufsichtigen. Auch wird fortgesetzt über die Zunahme von Felddiebstählen geklagt. Wir machen darauf aufmerksam, daß die Diebe, wenn sie zur Anzeige gelangen, nach den Kriegsgesetzen bestraft werden.
Schüler als Truppenverpfleger. Zu unserer gestrigen Notiz über die Verpflegung der Wachtposten durch Gymnasiasten schreibt uns der Leiter der am Bahnhof tägigen Pfadfinder, daß die Versorgung vom Hülfsausschuß für durchfahrende Truppen geschieht. Während die Verteilung des Proviants am Morgen die Schüler vornehmen, wird sie abends und in der Nacht durch Pfadfinder ausgeübt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Gefühlsroheit. Man schreibt uns: Als gestern die Verwundeten möglichst behutsam aus der Straßenbahn zum Johannishospital gebracht wurden, lachte ein in den Jahren schon fortgeschrittenes Fräulein hell auf. Alle Umstehenden waren darob empört. Eine ältere Frau machte das Fräulein auf sein ungezogenes Benehmen aufmerksam, erhielt aber die freche Antwort, kümmern Sie sich um ihre eigenen Angelegenheiten. Kommentar überflüssig.
Erschossen. Ueber den Vorgang am hiesigen Bahnhof in der vorletzten Nacht, bei dem der Arbeiter A. Bickel aus Poppelsdorf erschossen wurde, wird uns folgendes mitgeteilt: Der Gelegenheitsarbeiter hatte im Wartesaal des Bahnhofes einen Bahnsteigschaffner belästigt und bedroht. Der Schaffner ging zu einem diensttuenden Landwehrmann und bat ihn, er solle auf den Mann so lange acht geben, bis er den zuständigen Stationsbeamten geholt habe. Nachdem sich der Schaffner entfernt hatte, ergriff der Gelegenheitsarbeiter die Flucht. Der Landwehrmann folgte ihm, und da der Mann auf wiederholten Anruf nicht stehen blieb, gab der Soldat einen Schuß auf ihn ab. Der Schuß ging in die Brust und der Tod trat auf dem Transport zum Garnison-Lazarett ein.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Mehr Mitgefühl. Wenn man abends durch die Straßen geht, hört man Klavierspielen und Gesang; nicht patriotische Lieder, sondern Operettenschlager und Bänkellieder werden bei offenem Fenster gespielt und gesungen. Wir leben doch sicher in einer sehr ernsten Zeit, der jeder gefühlvolle Mensch Rechnung trägt. Die, bei denen das nicht der Fall ist, sollte man polizeilich zur Ruhe zwingen können. Ein Bonner.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Freitag, 21. August 1914
In Lothringen war es zu heftigen Kämpfen gekommen, bei denen vor allem die Franzosen schwere Verluste erlitten hatten.
Der Freiwillige Hilfs-Ausschuß für durchfahrende Truppen hielt am Montag eine von etwa 300 Personen besuchte Versammlung ab über die wichtige Frage, wie der gegenwärtigen und in der nahen Zukunft noch zu erwartenden Arbeitslosigkeit wirksam vorgebeugt werden könne. Auf Grund dieser Besprechung hat Herr Prof. Wygodzinki nachstehende Leitsätze entworfen:
Arbeit ist besser als Almosen! Almosen drückt herab, Arbeit hebt! Wer arbeitsfähigen Menschen Arbeit geben kann, und stattdessen Almosen gibt, verschwendet unsere Arbeitskraft. Wir dürfen die Arbeitskraft des deutschen Volkes nicht verschwenden, denn von ihr leben wir alle. Auch die Wohlhabenden haben kein Einkommen mehr, wenn nicht die Arbeit des ganzen Volkes weiter geht.
Was kann man tun, um Arbeitsgelegenheit zu schaffen? 1. Entlaßt nicht Eure Dienstmädchen oder Kinderfräulein aus „Sparsamkeit“. Wer jetzt Mädchen auf die Straße setzt, kann dadurch die Schuld für ihren völligen Untergang auf sich laden 2. Wer gelegentlich Hilfskräfte hatte (Näherinnen, Wäscherinnen), wer seinen Kindern Musik- oder Sprachunterricht geben ließ, tue dies wie bisher. 3. Hunderte von Frauen sind durch die Einziehung ihrer Männer ins Feld oder durch Entlassung wegen Geschäftseinschränkung wirtschaftlich gefährdet. Beschäftigt diese Frauen wenigstens tageweise zur Aushilfe beim Waschen, beim Putzen oder zu anderen Zwecken im Haushalt. 4. Unsere Handwerker und Kaufleute müssen leben; sie müssen ihre Familien ernähren sowie die von ihnen beschäftigten Arbeiter und deren Angehörige. Gebt Handwerkern und Kaufleuten nach dem Maß eurer Mittel zu tun, sonst werden sie brotlos. Schränkt Euren Luxus ein, aber nicht Eure täglichen Bedürfnisse. Bezahlt auch die Rechnungen der Handwerker und Kaufleute sofort. 5. Es ist erhebend, in welchem Umfange sich jetzt die wohlhabenden Kreise zu unentgeltlicher ehrenamtlicher Tätigkeit melden. Eines aber darf nicht sein: es darf keine Arbeit ehrenamtlich getan werden, durch die bezahlte Arbeiter oder Arbeiterinnen verdrängt werden. Wer durch unentgeltliche Arbeit einen anderen brotlos macht, schadet statt zu nützen. 6. Was ihr tun wollt, tut sofort. Wartet nicht erst auf unsere Siege; vertraut auf Euer Vaterland. Der beste Wohltäter ist jetzt, wer Arbeit gibt.
Der Krieg bringt es an den Tag! (...) Zum Bespiel sendet jetzt eine Firma, die „englischen“ Stahl in Deutschland verkaufte, an ihre Kunden ein Rundschreiben des Inhalts, daß sie mit der Firma in Sheffield, der angeblichen Fabrikantin des Stahls, infolge des Krieges alle Beziehungen abgebrochen habe. Der Stahl, den sie bisher ihren Kunden als „Sheffield-Stahl“ geliefert habe, könne sie aber trotzdem jederzeit weiterliefern, da dieser schon immer deutscher Stahl aus Westfalen gewesen sei und nur von Sheffield aus berechnet worden sei! – Jetzt werden ja auch wohl bald die „englischen“ Stoffe Farbe bekennen dürfen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Ferienspiele. Unsere Jugend ist auf dem besten Weg, zuchtlos zu werden. Von vielen Seiten kommen Klagen. In unserer Stadt liegt ein großer Teil der Schuljugend noch drei Wochen auf der Straße. Wäre es da nicht zu empfehlen, wenn jetzt noch die alljährlich stattfindenden Ferienspiele abgehalten würden? Dann stände jedenfalls ein Teil der Jugend noch tagtäglich unter erzieherischer Aufsicht. Wenn auch eine große Zahl von Volksschullehrern unter der Fahne steht, so werden gewiß, so weit es nötig ist, geeignete Herren, Lehrer anderer Schulen usw. einspringen. W.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Eingesandt“)
Ein Feldpostbrief ist einem jungen Mädchen in Bonn zugegangen. Er ist auf ein Stück eines Lazarettbuches geschrieben und lautet:
Liebes Schätzchen! Endlich komme ich einmal dazu, dir zu schreiben. Hoffentlich hast Du meine Karten erhalten. Konnte an meinem letzten Brief nicht weiter schreiben, denn es ging schon wieder an die Arbeit. Es geht mir noch sehr gut, und wenn es nicht toller kommt mit der Arbeit, so ist es noch schöner als auf dem Kommando in (...) wir liegen hier in einem kleinen Landstädtchen. Da haben sie am Montag drei Soldaten abgeschlachtet, trotzdem ein paar tausend Mann Militär hier lagen. Die Kerls, die das getan haben, wurden gleich aufgehängt. Wie fahren manchmal tagelang auf der Eisenbahn und sehen die Strecken nach. Da begegnet man allerhand Hindernissen, so z.B. Maschinen oder Waggons, die sie aufeinander haben fahren lassen. Auch haben sie kleinere Brücken gesprengt. Hier haben sie eine Ueberführung in die Luft fliegen lassen und wir können die jetzt wieder aufräumen. Da müssen wir nun alle Tage arbeiten. Die Zivilbevölkerung muß am Tage mithelfen, damit wir so schnell wie möglich fertig werden. Hoffentlich geht es Sonntag wieder weg von hier. Man hört hier sonst nicht das geringste vom Krieg. Wir setzen uns manchmal morgens in den Zug und kein Mensch weiß, wo es hingeht. Seit wir aus Deutschland weg sind, sind wir alle noch nicht aus den Kleidern gekommen. Dabei schwitzt man jeden Tag die Sachen durch und durch. Man muß sparsam sein mit der Wäsche. Ich bin noch gesund und außer dem Schnupfen fehlt mir nichts, auch am Essen und Trinken nicht.
Unsere Schuljugend hat auch schon seit einiger Zeit mobil gemacht. Allmorgendlich spielen sich u.a. im Hofgarten erbitterte Kämpfe zwischen Deutschen, Franzosen und Russen ab. Posten werden ausgestellt, Streifwachen ziehen umher, und das Hauptquartier, das meist auf dem großen Spielplatz aufgeschlagen ist, wird durch ein Zelt markiert, das aus Sackleinen, Handtüchern usw. zusammengesetzt ist. An Spionen fehlt es natürlich auch nicht. Die Zusammenstöße sind oft derart heftig, daß es faustgroße Beulen absetzt. Gestern morgen machte ein Deutscher seinem Oberst die Meldung, daß er einen „fiesen Spion aus der Hundsgaß“ abgefangen habe. Bei einem Gefecht, an dem sich etwa 80 Jungens beteiligten, erhielt ein Franzose eine gewaltige Ohrfeige. Der Franzose wurde nun auch blitzig und verdrosch seinen Gegner ganz gehörig. Kurz darauf wurde zum Sammeln geblasen, und der Geprügelte wurde als Anerkennung für sein mutiges Vorgehen vor versammelter Mannschaft zum Gefreiten befördert und erhielt auch gleich an Ort und Stelle „die Knöpp“.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Bonner Rheinbrücke. Während in der ersten Zeit jeder mit Urlaubspaß die Rheinbrücke frei passieren durfte, wird jetzt eine Sonderung vorgenommen. Leute, die beurlaubt sind, sollen jetzt ihren Obolus entrichten, es soll jeder Soldat, der nicht dienstlich die Brücke passiert, seinen Fünfer hergeben. Was versteht die Verwaltung unter dienstlich? Schreiber dieses würde unter dienstlich auch die Einkäufe zu seiner Ausrüstung, Wege zum Bezirkskommando, überhaupt alles, was nur im geringsten mit Militaria zusammenhängt, verstehen. Wäre es nicht einfacher, jede Person, die zum Militär eingezogen ist, frei passieren zu lassen. Sinds auch nur 5 Pfennig, aber jeder Soldat zählt heute auch auf diese. Also, man sei nicht so engherzig, sondern folge dem Beispiel von Köln nach, wo jede Militärperson, ob dienstlich oder nicht, frei passieren darf. Ein Beurlaubter.
Bevorzugt deutsche Waren. Seit den Mobilmachungstagen hat sich der Deutsche wieder in besonderem Maße auf sein Nationalbewußtsein besonnen. Da ist die Mahnung am Platze: Deutscher, kaufe deutsche Sachen. Es ist klar, viele Waren, die unter französischer und englischer Flagge segeln, sind in Deutschland hergestellt. Sie tragen nur den doppelten Zoll, um der Einbildung und dem Vorurteil ihrer deutschen Abnehmer zu genügen. Englische Tuche, Seidenstoffe, Parfümerien, Spiel- und Sportzeuge – alles das wird in Deutschland ebenso gut und noch preiswerter hergestellt als im Auslande. – Natürlich darf man nicht so weit gehen, daß man von jetzt ab überhaupt kein ausländisches Erzeugnis kauft. Viele Kaufleute und Geschäfte haben in der Tat noch große Bestände ausländischer Waren auf Lager. Werden sie nicht abgenommen, so bedeutet das eine große volkswirtschaftliche Schädigung. Aber dann – wenn diese Waren verkauft sind, deutscher Kaufmann und deutscher Käufer: dann beherzige den Satz: Kaufe als Deutscher deutsche Waren. B.
Unsere Söhne ziehen hinaus in Feindesland und lassen ihr Blut; und vergnügungssüchtige Damen – spielen Tennis. So stand’s in der Zeitung zu lesen: „Von heute an Tennis zu den gewöhnlichen Stunden“. Und zwar für die jungen Mädchen der Studienanstalt, die doch, wie man annehmen sollte, ernster gerichtet sind. Die Tatsache soll hier festgenagelt werden, das Urteil über ein solches Gebaren dürfen wir getrost den Lesern überlassen. R.C.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Steckbrieflich verfolgt werden von Bonn aus: (...) der Musketier Ernst Adolf Hesse, 7. Komp. Inf.-Reg. Rt. 160, geb. 2.6.1891 zu Groß-Lichterfelde (Kreis Teltow), zuletzt wohnhaft in Bonn, Infanterie-Kaserne, wegen Verdachts der Fahnenflucht, begangen in Bonn im Juli 1914.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Einquartierung. In der Bekanntmachung hieß es: Die Gemeinden sind angewiesen, wenn es nötig ist, die Einquartierungsgelder im Voraus zu bezahlen. Nun hatte ich Einquartierung: 2 Mann 7 Tage, bekam jedoch nur einen Zettel für 5 Tage. Als ich persönlich darum bat, den Zettel zu verlängern, erhielt ich zur Antwort, die Stadt wisse, daß das Regiment 7 Tage hier sei. Nun ging ich zur Rathausgasse, um mein Geld zu holen. Da hieß es: warten, warten und abermals warten, bis daß es in der Zeitung bekannt gemacht wird. Zuerst müsse einmal Geld da sein. Aber wer kann so lange warten? Doch nicht jedermann. Ich denke doch, wenn man die Leute sieben Tage gut verpflegt hat, und alles jetzt nur gegen Vorzahlung erhält, so könnte man auch von der Stadt am 9. Tage seine Entschädigung gezahlt bekommen. Es sind genug Herrschaften, die ein ganzes Haus zur Verfügung hatten, erhielten aber nicht mehr wie zwei Mann Einquartierung, die auch jeder Handwerker nehmen muß. Man solle doch bedenken, daß nur der arme Soldat darunter leiden muß, wenn der kleine Mann mit Einquartierung überlastet wird und dann nichts zuzusetzen hat, während manche reiche Herrschaft, die dazu in der Lage ist aus Bequemlichkeit sich vorbeidrückt. Die treuen Vaterlandsverteidiger haben doch gewiß Anspruch auf gute Verpflegung und ein gutes Nachtlager. Darum sollte auch gleich gesorgt werden, daß die Bürger ihre Kosten zurück erhalten. Falls die Herrschaften ihre Leute ausquartieren, so sollten sie doch auch einen anständigen Preis drauf zahlen, damit die armen Krieger auch gut verpflegt werden. Wer selbst den Gatten oder Kinder dabei hat, der weiß ja, was den Soldaten zukommt, und daß man da nicht sparen darf an der Verpflegung. Eine Mutter, die auch zwei Kinder dabei hat.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Samstag, 22. August 1914
In Lothringen hatten die deutschen Truppen erfolgreich die französische Offensive gestoppt. An der Drina war die österreichisch-ungarische Invasion von der serbischen Armme gestoppt worden.
Siegesbotschaft: Die Nachricht, daß unser tapferes Heer in Lothringen einen entscheidenden Sieg erfochten hat, verbreitete sich gestern rasch in der Stadt. Die Franzosen auf der ganzen Linie zurückgeworfen, die alte deutsche Waffenehre wieder mal glänzend gerechtfertigt, das war die Botschaft, die alle Herzen mit einer großen, starken, stolzen Freude erfüllte und zugleich mit der unerschütterlichen Zuversicht, daß der Sieg in diesem Kampfe unser ist und unser bleiben muß. Bald nachdem die frohe Kunde eingetroffen war, wehten von den Häusern die schwarz-weiß-roten Fahnen. Und die deutschen Fahnen verkündeten den Stolz Deutschlands und den Ruhm unseres Heeres.
Hilfsbereitschaft: Frl. Selma Weiß, Bonn, Lessingstraße 39, hat ihr Institut für Turnen, Heilgymnastik und Massage den verwundeten Soldaten frei zur Verfügung gestellt. Von diesem freundlichen Anerbieten werden gewiß zahlreiche Verwundete, die durch die erhaltenen Verletzungen im Gebrauch ihrer Glieder behindert sind, gern Gebrauch machen.
Amerikanische Gäste. Ein Sonderdampfer mit amerikanischen Staatsbürgern, der von Mainz kam, ist gestern abend hier eingetroffen. Die amerikanischen Gäste, die zum großen Teil im Hotel „Königlicher Hof“ abstiegen, übernachteten hier in Bonn, Sie sind auf der Reise nach Rotterdam begriffen, von wo aus ein Sonderdampfer der amerikanischen Regierung sie in ihre Heimat bringen wird. – Die Amerikaner haben heute früh 6.30 Uhr mit einem holländischen Dampfer Bonn wieder verlassen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Der erste große Sieg. Wie eine Granate platzte die Nachricht von dem großen Siege zwischen Metz und den Vogesen gestern um die vierte Nachmittagsstunde in die Stadt und riß die Bürgerschaft zu elementarer Begeisterung hin. Wo sonst ruhiges, bedächtiges Nebeneinanderhergehen, schlug die rote Flamme der Begeisterung riesenhoch empor und riß alle mit sich fort. Im Nu waren die Fahnen auf dem Rathaus und an vielen Häusern aufgezogen und auch vom Turm der evgl. Kirche wehte die schwarz-weiß-rote Flagge über der Stadt. Die Begeisterung spiegelte sich wider in den Augen der Vielen, denen die Schreibstube, der Arbeitstisch oder die Werkstatt zu klein geworden war und die hinausdrängten, um die frohe Botschaft Freunden und Bekannten zu sagen. Menschen, die sich sonst nur flüchtig kannten, drückten sich fest die Hand und sahen sich freudig an. Zu sprechen brauchte man nicht viel, die Augen sagten genug. Vor unserem Geschäftsgebäude schwoll die Menschenmenge nach der Siegesmeldung mehr und mehr an, und es kam zu patriotischen Kundgebungen. Angesichts der wogenden Begeisterung, der stolzen Zuversicht und dem Gedanken an unser tapferes braves Heer, das „mit unaufhaltsamen Drange nach vorwärts beseelt“ ist, mußte man mitunter fest auf die Zähne beißen, wenn es einem gar zu heiß werden wollte. Der erste große Sieg! Er war wie ein erfrischender Gewitterregen nach langer Dürre. Möge es so weiter gehen. Ehre unseren Tapferen im Felde. Heil dem Kaiser!
Erfrischungs- und Verbandsstelle für Verwundete. Die vom Roten Kreuz und dem Vaterländischen Frauenverein eingerichtete Erfrischungs- und Verbandsstelle für Verwundete an der Weststraße bittet dringend, Liebesgaben, wie Brot, Aufschnitt, Kaffee, Tee, Suppenwürfel, Tabak, Zigarren, Postkarten u. dergl. an der Weststraße abliefern zu wollen.
Die deutschen Mädchen wehren sich. Wir erhalten folgende Zuschrift: „In Erwiderung der vielen höchst überflüssigen (?) Artikel über unser Verhalten den Gefangenen gegenüber können wir nicht umhin, uns solche Verleumdungen für die Zukunft sehr energisch zu verbitten. Es ist leider vorgekommen, daß eine Dame einem Gefangenen eine Zigarette angeboten und sich in französischer Sprache mit ihm unterhalten hat. Und es war nicht eine unter uns, die das nicht tief empört hätte. Wir deutschen Frauen und Jungfrauen wissen selbst, was wir uns und dem Vaterlande schuldig sind und brauchen uns nicht von den Anhörern und Verbreitern falscher Gerüchte darauf aufmerksam machen zu lassen. Im übrigen sind unsere Vorstandsherren und -damen dazu da, um unsere Fehler zu rügen. Daß es sich nur um Gerüchte handelt, erhellt aus der Erzählung mit dem Glase Rotwein am Kölner Hauptbahnhof, die nun schon nach dem Berichte eines Krefelder Blattes in Krefeld passiert sein soll. Und wo ist es geschehen? Höchstwahrscheinlich nirgendwo, zumal da – wenigstens hier in Bonn – kein Tropfen Alkohol verabreicht werden durfte.
Also, liebe Bonner, beruhigt Eure Gemüter und glaubt keine Geschichten, die wir Beteiligten ganz entschieden als unwahr zurückweisen müssen, ebenso wie die Behauptung einer Bonnerin, daß nur Damen aus höheren Ständen angenommen würden. Ort und Stunde der Versammlung des Hilfsausschusses waren genügend bekannt gemacht. Warum haben Sie sich nicht wie wir zur Beethovenhalle bemüht? Uns hat dort niemand nach Stand und Vermögen gefragt. Also ist auch das eine grundlose Beschuldigung. Und wir halten es in dieser ernsten Zeit für die heilige Pflicht aller Frauen und Jungfrauen, einig und verträglich zu sein und nicht sich und andern das Leben durch kleinlichen Neid und grundlose Beschuldigungen zu vergällen.
Einige der Damen des Hilfsausschusses, die auch nicht zu den „Oberen Zehntausend“ gehören.
(Im Interesse des Ansehens und der Würde unserer deutschen Frauen und Mädchen geben wir vorstehende Zuschrift wieder, obwohl die Schreiberin nicht den Mut hatte, das Schreiben mit ihrem Namen zu decken. Red.)
Ein Redaktionsmitglied unseres General-Anzeigers, Herr Dr. Wilh. Hermanns, der seit Ausbruch des Krieges im Felde steht, zeigt auch angesichts der feindlichen Feuerschlünde seine starke dichterische Begabung. Der wackere junge Kollege, der uns seine von echt deutscher Männlichkeit zeugenden Verse sendet, möge uns so wiederkehren, wie es ihm in seinem hier folgenden Gedichte vorschwebt:
Das eiserne Kreuz.
Auf jedem Hügel, an jedem Hang
Und jeden Weg nach Paris entlang,
Da hängt es von eisernen Kreuzen voll,
Die warten nur, daß man sie holen soll.
Wohlauf, Kameraden, drauf und drein!
Das eiserne Kreuz muß unser sein!
Es hat die Väter im Donner der Schlacht
Zum Siege gelockt, zu Helden gemacht.
Und stürmisch brandet und braust im Blut
Auch uns, den Söhnen, der gleiche Mut.
Wohlauf, Kameraden, drauf und drein!
Das eiserne Kreuz muß unser sein!
Es ist kein Kleinod auf weiter Welt,
Das deutschem Herzen so wohl gefällt
Als schlicht das Kreuz am schlichten Band,
Des Mannesmutes Unterpfand.
Wohlauf, Kameraden, drauf und drein!
Das eiserne Kreuz muß unser sein!
Und starren die Waffen, und drängt und droht
Aus tausend brüllenden Schlünden der Tod –
Besser gefallen auf blutigem Plan,
Als feige die Ehre verspielt und vertan!
Wohlauf, Kameraden, drauf und drein!
Das eiserne Kreuz muß unser sein!
Und kehren wir heim aus dem heiligen Krieg,
Frohlocken die Glocken im Lande Sieg.
Dann schlagen die Herzen in stolzester Lust
wohl unter dem Kreuze auf unsrer Brust.
Wohlauf, Kameraden, drauf und drein!
Das eiserne Kreuz muß unser sein!
Diekirch (Luxemburg), 17.8.14.
W. Hermanns.
Eine amerikanische Reisegesellschaft kam gestern nachmittag mit dem Dampfer „Chriemhilde“ der Niederländischen Dampfschiffahrts-Reederei vom Oberrhein hier an. Die Chriemhilde, sowie auch der kurz darauf hier eintreffende Dampfer „Willem III“ wurden von einem militärischen Wachkommando, das sich hier an Bord begab, einer eingehenden Untersuchung unterzogen. Dabei wurde ein Franzose und ein Japaner unter den Fahrgästen gefunden, die unter militärischer Bewachung zur Stadt gebracht wurden. Später wurde ihnen jedoch die Weiterreise gestattet, da sie im Besitz eines Passierscheines waren, der ihnen in Koblenz von der Militärbehörde ausgestellt worden war. Die Amerikaner, etwas 150 Damen und Herren, blieben bis heute morgen hier in Bonn und setzten gegen 7 Uhr früh die Fahrt rheinabwärts fort.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Was man nicht tun soll! Wir erhalten von geschätzter Seite nachstehende Zuschrift unter der vorgenannten Ueberschrift: „Es ist in den Tagen des Kriegszustandes so oft darauf hingewiesen worden, was man nicht tuen soll. Gerade in dieser Woche ist eine Ungehörigkeit zu Tage getreten, die mehr als alles andere öffentlich gebrandmarkt werden muß. Es ist dies das Zusammenströmen des Publikums am Güterbahnhof bei der Ankunft Verwundeter. Hauptsächlich Frauen und Kinder benehmen sich derart, daß eine öffentliche Rüge am Platze ist. Daß diese Leute nicht selbst einsehen, wie peinlich es für die Verwundeten ist, als Schaustück zu dienen und welche klägliche Rolle sie als Zuschauer spielen, wo nur Leid und Elend zu sehen ist, scheinen die meisten nicht einzusehen. Schreiber dieses hörte in einem Lazarett einen Soldaten sagen: „Hier müssen die Frauen wenig zu tuen haben, sonst wären sie nicht so außerordentlich vertreten“.
Unseren braven Soldaten, die verletzt in das Krankenhaus geschafft werden und oft nach längerem Transport hier anlangen, sollte man dieses Spießrutenlaufen wirklich ersparen. Hoffentlich genügt dieser Hinweis die müßigen Neugierigen daran zu erinnern, auch in dieser Hinsicht mehr Würde zu zeigen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Sonntag, 23. August 1914
Am Vortag siegten die deutschen Truppen in den „Grenzschlachten“ bei Neufchateau (Belgien) und bei Longwy (Lothringen). In Neufchateau kam auch das Rhein. Infanterie-Regiment 160, in dem sehr viele Bonner kämpften, erstmals zum Einsatz.
Die Frau Prinzessin zu Schaumburg-Lippe besuchte gestern Vormittag unter Führung von Geheimrat Rumpf die im Krankenhaus der barmherzigen Brüder untergebrachten Verwundeten und Kranken. Sie unterhielt sich mit jedem einzelnen einige Zeit, besonders mit den Angehörigen ihres Regiments, Inf.-Rgt. Nr. 53, das an den Kämpfen in Belgien beteiligt war.
Vaterländische Reden und Vorträge in Bonn. Auf Einladung des Rektors der Universität hat sich ein Ausschuß gebildet, der aus Professoren der Universität und höheren Schulen und aus angesehenen Männern des praktischen Lebens besteht und an dessen Spitze der Rektor Herr Geheimrat Schulte, der Prorektor Herr Professor Sell und der gewählte Rektor Herr Geheimrat Landsberg stehen, um während des Krieges wöchentlich öffentliche und unentgeltliche Reden und Vorträge zu veranstalten, zu denen jedermann Zutritt haben soll. Die Vorträge, die von dazu auserwählten, sachkundigen Rednern gehalten werden, sollen dem geistigen Leben in unserer Stadt während des Krieges einen neuen Mittelpunkt geben und über alles, was mit dem Kriege in politischer, geschichtlicher und weltwirtschaftlicher Weise und in allen Zweigen des Geisteslebens und der Kultur zusammenhängt, in gemeinverständlicher Weise unterrichten. Die Reden sollen zugleich den Geist vaterländischer Ausdauer und Geduld in schweren Tagen stärken helfen. (...)
Vaterländische Volksabende. Die Bonner Soziale Wohlfahrts-Vereinigung beabsichtigt, zur inneren Erhebung und Aufmunterung unserer Mitbürger und Mitbürgerinnen eine Reihe von vaterländischen Volksabenden zu veranstalten. Der erste Abend wird voraussichtlich am Sedantage stattfinden. Näheres wird rechtzeitig bekanntgegeben werden.
Aufruf an deutsche Frauen und Mädchen. Auf Anregung meines Mannes, dem es wieder vergönnt ist, geschmückt mit dem eisernen Kreuz von 1870 und 1871 ins Feld zu ziehen, richte ich an alle deutschen Frauen und Mädchen die Bitte, wenn Gott uns in seiner Gnade den Sieg verleiht und wir wieder Gefangene ins Land bekommen:
Zeigt euch als Deutsche
Wir wollen gewiß die Gefangenen gut und menschlich behandeln, aber unter keinen Umständen dürfen wir uns etwas vergeben. Verpflegung auf Transporten und Sammelplätzen darf den Gefangenen nur von Angestellten, tunlichst von Männern verteilt werden. Wir deutsche Frauen und Mädchen dürfen dergleichen nicht als Vergnügen betrachten, nicht auf den Bahnhöfen bei den Transporten, nicht in den Lagerplätzen erscheinen, nicht zeigen wollen, daß wir Französisch können. Kommen unsere tapferen Krieger mit Gottes Hilfe siegreich zurück, dann wollen wir ihnen einen Empfang bereiten, viel schöner, als den Abmarsch. Ich bitte herzlich um Verbreitung dieser Bitte.
Margarethe von Busse, geb. v. Humboldt
Falschmeldungen. Gestern lief in unserer Stadt das Gerücht um, vier englische Kriegsschiffe seien an der dalmatinischen Küste von den Oesterreichern vernichtet worden. Diese Gerüchte stützen sich auf eine Meldung ähnlichen Inhalts, der von der Köln. Volksztg. verbreitet worden war. All diese Nachrichten sind, wie das Wolff-Büro mitteilt, falsch.
In der Verlustliste Nr. 6 wird auch als vermisst angegeben der Dragoner Landwehrmann vom Dragoner-Rgt. Nr. 9(Metz) Oskar Dahm aus Königswinter.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Es ist eine Freude, wenn man in die Altstadt Bonn kommt und sieht, wie die Bewohner durchweg durch Beflaggen ihrer Häuser ihre Begeisterung und Dankbarkeit über den letzten großen Sieg unserer braven Truppen gegen unsere Feinde zu erkennen geben. Bedauerlich ist aber, daß nur ganz wenige Bewohner der Neustadt von der Poppelsdorfer Allee ihre Freude über die letzten Siege durch Beflaggen ihrer Häuser zu erkennen gegeben haben. Viele dankbare Bürger
(Bonner Zeitung, Rubrik „Eingesandt ")
Zur letzten Ruhe getragen wurde am Samstag nachmittag gegen ½ 4 Uhr der Füsilier Franz Hicking von der 6. Kompagnie des Niederrheinischen Füsilier-Regiments Nr. 39 in Düsseldorf, der in einem Gefecht an der Westgrenze durch einen Kolbenschlag auf den Kopf verletzt und in das hiesige Johannis-Hospital gebracht worden war. Die Verwundung war so ernster Natur, daß der Soldat verstarb. Hinter dem Leichenwagen schritten in tiefem Leid Vater und Mutter des Verstorbenen sowie eine große Anzahl Soldaten verschiedener Truppengattungen; darunter bemerkte man wieder viele verwundete Krieger. Auf dem Nordfriedhofe, wo die Leiche beigesetzt wurde, hielt Oberpfarrer Dechant Böhmer eine kurze ergreifende Ansprache, in der er darauf hinwies, daß der Verstorbene in treuer Pflichterfüllung für Kaiser und Vaterland als Held gestorben sei. Am Grabe wurde von den Soldaten ein großer Lorbeerkranz niedergelegt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Grand Hotel Royal. Wie die Erfüllung eines lange im Stillen gehegten Lieblingswunsches war es mir, als in den verflossenen unvergeßlichen Tagen unser Volk sich endlich auf auf seine Muttersprache besann und selbst die Gasthöfe begannen, sich deutscher Ausdrücke zu bedienen. Hei, wie lachen den Vorübergehenden der „Nordische Hof“ und der „Gasthof zum Königlichen Hof“ da an, wo bisher französische Namen einen Mißklang in die beiden schönsten Straßen Bonns gebracht hatten!
Aber wie es scheint, war der Traum zu früh geträumt! Was aussah, wie ehrliches Selbstbesinnen, war in manchen Fällen doch wohl nur ein flüchtiger Rausch, der verflogen zu sein scheint, noch bevor unsre Heere draußen in Feindesland die erste große Schlacht geschlagen haben. Seit einigen Tagen sind die großen Schilder mit der deutschen Aufschrift am „Königlichen Hof“ wieder verschwunden, und nach wie vor steht in goldenen Buchstaben zu lesen „Grand Hôtel Royal“. – Ja, ist denn in ganz Bonn kein einziger Anstreicher aufzutreiben, der der vergoldeten französischen Geschmacklosigkeit mit ein paar kräftigen Pinselstrichen den Garaus macht? Warum kann denn der „Nordische Hof“ in der Poppelsdorfer Allee, was das „Hôtel Royal“ anscheinend nicht fertig bringt?? Wahrlich, wir Deutsche haben keinen Grund, den Feinden in unserm eigenen Land durch solche Namen weiterhin Denkmäler zu setzen, den Feinden, die die ganze Welt gegen uns in Harnisch bringen und gegen die wir die beste Blüte unserer Jugend hinausgesandt haben zum Kampf auf Leben und Tod! – Nebenbei bemerkt, ist das Grand Hôtel Royal zu einem Teil städtisches Eigentum.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Der Freiw. Hilfs-Ausschuß hat, wie im Anzeigenteil ersichtlich ist, in der Diskonto-Bank eine Sammelstelle von Lesestoff für unsere verwundeten und kranken Soldaten eingerichtet. Die gelieferten Bücher und Zeitschriften werden von fachkundiger Stelle geprüft, abgestempelt, dann nach Bedarf an die einzelnen Lazarette abgegeben.
Bücher für unsere Soldaten! In den letzten Tagen sind die Vertreter einer großen Reihe von Vereinigungen in Berlin zusammengetreten, um unter der Leitung des Kaiserlichen Kommissars ein einheitliches Vorgehen in der Versorgung unsrer Soldaten im Felde und der Verwundeten in den Lazaretten mit Büchern herbeizuführen. Die Einigkeit des deutschen Volkes hat sich auch auf diesem Gebiete glänzend bewiesen. Als Sammelstelle ist u.a. der unterzeichnete Borromäusverein, der schon im Kriege 1870/71 tausende von Büchern an deutsche Krieger verteilte, bestimmt worden. Wir wenden und hiermit an alle, denen es am Herzen liegt, unsere Soldaten durch gute Bücher Lebensmut- und -freude zu erhalten, Schmerzen zu lindern und Trost zu bringen, mit der Bitte, uns durch Ueberreichung von Büchern und Geld bei diesem Liebeswerk zu unterstützen. Erwünscht sind namentlich: Lebensbilder, Kriegsgeschichten, Reiseschilderungen, Erdbeschreibungen, Romane, kleine Erzählungen, Kalender, Naturwissenschaftliche Bücher, Illustrierte Blätter, ebenso religiöse Schriften. Die Bücher sollen in guten Einbänden oder broschiert sein. Hunderttausende werden gebraucht. Alle Sendungen sind zu richten an: Borromäus-Verein, Bonn, Wittelsbacherring 9.
Gedichte sind uns in derart großer Zahl zugegangen, daß es uns unmöglich ist, sie einzeln auf ihren Wert zu prüfen. Wir danken für die freundliche Uebermittlung, glauben aber von einer Veröffentlichung weiterer Gedichte Abstand nehmen zu müssen, auch schon aus dem Grunde, weil wir niemand Anlaß zu der Auffassung geben möchten, er sei zurückgesetzt oder sein dichterisches Können sei nicht gebührend eingeschätzt worden. Es ist gewiß ein erfreuliches Zeichen, wenn jeder in dieser Zeit versucht, dem Vaterland in der Weise zu dienen, wie er seiner Veranlagung nach es am besten zu können meint, aber man muß den gegenwärtigen schwierigen Stand der Schriftleitungen von Zeitungen auch in Betracht ziehen. Die meisten Schriftleitungen haben einige ihrer Mitglieder und Mitarbeiter ins Feld geschickt und die übrigen teilen sich in die Arbeit dieser. Man soll ihnen die Arbeit in der gegenwärtigen Zeit nicht so schwer machen. Dies gilt auch von der endlosen Zahl der Stimmen aus dem Leserkreis. Die meisten sind derart lang, daß ihre Aufnahme nicht erfolgen kann, ohne daß man in mühevoller Arbeit sie zurechtstutzt. Daher können nur solche Anspruch auf Veröffentlichung erheben, die keine übermäßige Bearbeitung in Anspruch nehmen. Wir werden nach wie vor gern nutzbringende und verständnisvolle Anregungen, die uns zugehen, veröffentlichen, aber wir erwarten von den Einsendern, daß sie uns unsere Arbeit nicht in unnötiger Weise erschweren. Bei manchen Zusendungen ist eine eingehende Erkundigung notwendig, die erspart bleiben könnte, wenn stets die erforderlichen Belege (gegen Rückgabe) beigefügt würden. Zuschriften ohne genaue Unterschrift und Adresse bleiben unberücksichtigt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Diese Nacht haben wir ein schauderhaftes Nachtgefecht in einem Dorf gehabt, haben zwei französische Infanterieregimenter da hinausgeschmissen, viele Tote und Verwundete. Es war schauerlich.
Ich bin wohl und grüße Euch alle herzlich.
(August Macke an seine Frau Elisabeth, Feldpostkarte)
Montag, 24. August 1914
Japan hatte am Vortag Deutschland den Krieg erklärt. Hindenburg hatte den Oberbefehl über die 8. Armee an der Ostfront übernommen. Im Westen setzten die Deutschen ihren Vormarsch fort. Im belgischen Dinant verübten deutsche Truppen ein Massaker an der Zivilbevölkerung, dem über 600 Menschen zum Opfer fielen.
Töchtern gefallener Offiziere gewährt die gemeinnützige Mathilde-Zimmermann-Stiftung (...) Freistellen in einem ihrer 11 Töchterheime.
Die Firma F. Soennecken hat zur Unterbringung von Verwundeten in Bonn-Poppelsdorf zwei Säle von zusammen 60:11 Meter und in Bonn Soenneckenfeld zwei mit Bahnanschluß versehene und mit Bädern verbundene Säle von zusammen 60:28 Meter zur Verfügung gestellt. Ferner hat die Firma F. Soennecken zur Unterstützung der Familien ihrer zu den Fahnen gerufenen Arbeiter und Beamten vorerst den Betrag von 25.000 Mk. vorgesehen.
Ein Schwarzer stellte sich dem hiesigen Husaren-Regt. Nr. 7 als Freiwilliger und wurde auch angenommen.
Unangebrachte Neugierde. Sobald die Kunde, Verwundete kommen an, die Stadt durchläuft, strömen Hunderte von Menschen zum Güterbahnhof oder zu den einzelnen Lazaretten, um ihre unangebrachte Neugierde zu befriedigen. Nicht nur stört diese Ansammlung von Menschen den Verkehr, sondern es muß unseren tapferen Soldaten, die verwundet heimgebracht werden, doch auch peinlich sein, als Schaustück zu gelten. (...)
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Die Bonner Synagogen-Gemeinde überwies dem Herrn Oberbürgermeister für das Rote Kreuz 2000 Mark.
Ein schwarzer „Lehm op“. Am Samstag morgen wurde bei den 7. Husaren ein Schwarzer aus unseren Kolonien eingekleidet, der seiner Militärpflicht in Afrika genügt und sich jetzt hier freiwillig gemeldet hatte.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Prozession. Auch die gestrige Bittprozession zur Erflehung des Sieges unserer Waffen wies eine sehr gute Beteiligung auf. Das Wetter war der Feier sehr günstig.
Ein Neger, der sich hier aufhielt, hat sich freiwillig zum Dienste beim hiesigen Husarenregiment gestellt und wird augenblicklich ausgebildet.
Ein großer Menschenauflauf entstand gestern Nachmittag am Markte und an der Rathausgasse. Eine durch ihre Körperlänge auffallende und durch ihre bunte Kleidung Aufsehen erregende Frauensperson war wegen Gewerbevergehens festgenommen worden. Die Leute glaubten nun, es sei ein Spion, der Frauenkleidung angezogen habe, und begleiteten den Transport zur Wache. Der angebliche Mann der Person wurde ebenfalls festgenommen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Verwundeten-Transporte
Ein Zug Verwunderter sollte gestern in Bonn eintreffen und in der Beethovenhalle untergebracht werden. Kaum war das Gerücht in den Straßen bekannt geworden, als sich auch schon gegen 8-9 Uhr abends eine zahlreiche, schaulustige Menge zwischen Beethovenhalle und städt. Gymnasium ansammelte; es waren weit über 100, etwa 130 Personen, die hier über eine Stunde fast den Straßenverkehr hemmten und die Verwundeten erwarteten. Kam nun eine Tragbahre, so drängte man sich heran, erging sich in unangebrachte Bemerkungen und suchte fast rücksichtslos seine Neugierde zu befriedigen. Meist waren es halbwüchsige Burschen, Frauen und Mädchen. Den einen oder anderen der dort Wartenden trieb vielleicht bange Sorge um einen Angehörigen an die Bahren der dort Eingelieferten, bei den weitaus meisten herrschte jedoch die schier unbezwingbare Neugier vor. – Es wäre doch wünschenswert, wenn unsere Krieger und Helden, die vorübergehend oder dauernd vom Felde der Ehre zu uns zurückkommen, bei ihrer Ankunft in für sie ganz gewiß peinlicher Weise nicht von neugierigen, halb teilnahmslosen, halb mitleidigen Blicken der Umstehenden ausgesetzt wären. Hier müßte, wie es nunmehr auch auf den Bahnhöfen gegenüber den sich würdelos benehmenden Frauen geschieht, ganz energisch eingegriffen und Abhilfe geschaffen werden. Unsere mit Ruhm und Ehre bedeckten Verwundeten werden dann nicht vor der schaulustigen Öffentlichkeit, sondern in sorgsamer Abgeschlossenheit und Ruhe den Heilstätten zugeführt.
Viele Bonner Bürger wären der Polizeibehörde dankbar, wenn sie jede Ansammlung von Menschen vor den Lazaretten durch Erlaß bezüglicher Bekanntmachungen und effektive Durchführung derselben verhindern würde. Sollten sich derart unliebsame Vorkommnisse in Zukunft auch anderwärts wiederholen, werden ganz gewiß die Generalkommandos auch in dieser Hinsicht die erforderlichen, gerechten Maßnahmen treffe. Dr. W.
Vorsicht. Fast tagtäglich kann man in den Zeitungen lesen von den Greueltaten, die an unseren Landsleuten in den verschiedenen Ländern, welche uns mit Krieg überzogen, begangen werden. Umsomehr muß man sich wundern, daß hier in Bonn Angehörige der betreffenden Länder, noch frei und frank umher laufen, und sich noch in abfälligen Redensarten dazu verstehen, unsere eigenen Landsleute glauben zu machen, wir wären an dem Kriege schuld. M.E. wäre es wahrhaftig angebracht, ich will damit absolut nicht sagen, man solle „Gleiches mit Gleichem“ vergelten, nein dafür wollen wir uns doch sittlich zu hoch halten, wenn wir uns dieser Leute versicherten, ehe sie uns Schaden auf irgend eine Art zufügten. Daß viele Ausländer zu Allem fähig sind, davon sind wir in den letzten Tagen zur Genüge überzeugt worden, trotz Ehrenwort und Ehrenhaftigkeit, womit von diesen Leuten oft geradezu in überschwänglicher Weise herumgeworfen wird. Es kann also nicht genug Vorsicht vor diesen Leuten angeraten werden. Drum nochmals, versichern wir uns „ihrer“ aber ohne Sibirien, Totschlag oder Kerker. Sch
Frauenmode. Unter der Rubrik „Eine Mahnung an die Frauen und Jungfrauen“ wird in einer rheinischen Zeitung eine Verfügung des Andreas Hofer erwähnt, worin er „dem Weibsvolk befahl, in ernster Kriegszeit ihr Brust, Arm- und Beinfleisch ausreichend zu bedecken“. Wie zeitgemäß wäre jetzt diese Verfügung!
O du getreuer Andreas Hofer, hättest doch du eine Ahnung davon, wie die deutschen Frauen und Mädchen heute dieser Mahnung bedürfen, vielleicht mehr als vor hundert Jahren, sähest du doch, wie sie in förmliche Balltoiletten herumlaufen und ihren täglichen Besorgungen nachgehen, wie ihre Blusen und Mieder hauptsächlich aus Löchern bestehen, und mehr zum Enthüllen als zum Verhüllen bestimmt sind, hättest du die engen, nach unten noch enger werden Kleiderröcke von heute gekannt, die bei jedem Schritt, den die Trägerin tut, die Körperformen durchblicken lassen, zu deren züchtiger Bedeckung die Gewänder doch eigentlich da sind! O, Andreas Hofer! Wüßtest du, wie selbst die Frauen, deren Ehrbarkeit über jeden Zweifel erhaben ist, unbedenklich die anstößigen Moden mitmachen!
Wann endlich werden wir von der Nachäffung der Pariser Moden ablassen, wann endlich wird der brave deutsche Familienvater sich dazu aufraffen, zu Frau und Tochter zu sagen: „In diesem Aufzug gehe ich nicht mit euch aus!“ Wann endlich werden unsere Frauen und Jungfrauen sich darauf besinnen, daß sie mitschuldig sind an der sittlichen Verheerung, welche diese Tracht anrichtet, wann endlich wird die Frau, namentlich die auf einer höhern Sprosse der gesellschaftlichen Leiter stehende, sich entschließen, der Näherin zu sagen: „Können Sie mir einen anständigen weiten Rock machen, der für meine Dimensionen bezw. meine Körperfülle passt, oder können Sie es nicht? Dann gehe ich weiter.“ Das Beispiel der bessern Stände ist es ja, das im Guten sowohl wie im Schlechten auf die untern Klassen bestimmend einwirkt.
All der wohlverdiente Spott und Hohn, der die Unsitten der heutigen Mode trifft, alle dagegen veranstalteten, großartig besuchten Versammlungen der Frauenvereine samt den dazu gehörigen schönen Resolutionen, ja, die ernstesten Mahnungen unserer hochwürdigen Bischöfe und Seelenhirten, alles ist bisher in der Praxis abgeprallt an der maßlosen Eitelkeit der Evastöchter, an dem sträflichen Unverstande der Mütter, an der unbegreiflichen Gleichgültigkeit der Väter und Ehemänner. (...)
Heute, wo der Herr der Heerscharen die schlimmste Geisel der Menschheit, die Kriegsfackel grausig drohend über Europa schwingt, wird heute die deutsche Frau „die Zeit ihrer Heimsuchung“ erkennen?
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Ich habe zwei schwere Gefechte mitgemacht und bin unverletzt. Im zweiten lag Walter [Mackes Schwager Walter Gerhardt] plötzlich neben mir. (...) Die Franzosen lagen zu Hunderten herum. Es war schauerlich, was ich erlebt habe. Ich mag nicht daran denken. Es ist zu traurig.
(August Macke an seine Frau Elisabeth, Feldpostkarte aus Chairiere-sur-Semois, nahe der frz. Grenze)
Dienstag, 25. August 1914
Die Allgemeine Sterbekasse Bonn hält am nächsten Sonntag, den 30. d. Monats, vormittags um 11 Uhr im Hähnchen eine außerordentliche Mitgliederversammlung ab. Zur Beschlussfassung kommt ein Vorschlag des Vorstandes, den infolge des Krieges zur Fahne gerufenen Mitgliedern der Kasse auch den Anspruch auf Sterbegeld einzuräumen. Die Kasse hat nach ihrer Satzung die Kriegsversicherung der Mitglieder nicht, will aber ihre vorhandenen Ueberschüsse verwenden, um den Hinterbliebenen der gefallenen Mitglieder auch die Wohltat der Versicherung zukommen zu lassen.
Großes Wohltätigkeitskonzert. Der Bonner Männer-Gesangverein und die Bonner Liedertafel, die beide am Sonntag Konzerte zu wohltätigen Zweck geben wollen, haben sich zu einer erfreulichen Einigung entschlossen und werden nun um 6½ Uhr im Stadttheater ein großes gemeinsames Konzert für die Angehörigen der zur Fahne einberufenen Bonner Bürger veranstalten.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Ein bewunderungswürdiges Beispiel edler Menschenliebe gibt in diesen Tagen schwerer Bedrängnis den Bewohnern der Stadt Bonn Ihre Königliche Hoheit Frau Prinzessin Adolf zu Schaumburg-Lippe. Fast kein Tag vergeht, wo sie nicht ein oder mehrere Krankenhäuser besucht, in denen verwundete Soldaten Aufnahme gefunden haben. So besuchte sie wiederholt das St. Josef Krankenhaus in Beuel, das Johannis-Hospital, das Friedrich Wilhelmstift, das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder, die Chirurgische Klinik, das Vereinslazarett vom Roten Kreuz in der Luisenstraße, die Verbands- und Erfrischungsstation in der Weststraße. Sie nimmt herzlichen Anteil an dem Befinden der Verwundeten, mit denen sie sich stets auf das Liebenswürdigste unterhält. Eine besondere Freude machte es den ins Schlachtfeld ziehenden Soldaten, die hier bewirtet wurden, wenn die Prinzessin die Ansichtskarten, welche die Soldaten an ihre Angehörigen sandten, mit ihrem Namen unterschrieb. Eine derartige Leutseligkeit der Schwester unseres obersten Kriegsherrn wird ihren Eindruck auf die Soldatenherzen gewiß nicht verfehlt und ihre Begeisterung für den Kampf um unser mit Füßen getretenes heiliges Recht sicherlich erhöht haben.
Kriegshilfstätigkeit. In der Stadt Bonn haben der Zweigverein vom Roten Kreuz, der vaterländische Frauenverein und ein aus der Bürgerschaft gebildeter freiwilliger Hilfsausschuß in gemeinsamer Arbeit die infolge des Krieges auf dem Gebiet des Roten Kreuzes zu lösenden vielseitigen Aufgaben tatkräftig in die Hand genommen. Die veranstalteten Sammlungen haben – abgesehen von den reichlich gespendeten Naturalien – bis jetzt die stattliche Summe von 288.000 Mark erreicht. Ein vorzüglich ausgestattetes Vereinslazarett vom Roten Kreuz mit 25 Lagerstellen ist in dem dafür gemieteten Haus Luisenstraße Nr. 6 eingerichtet und seit mehreren Tagen in Betrieb. In der an der Weststraße, gegenüber dem Güterbahnhof, errichteten großen Verband- und Erfrischungsstation wird nicht nur für die mit der Eisenbahn die Stadt passierenden Verwundeten in bester Weise gesorgt, sondern auch den ihr zugewiesenen zahlreichen Kriegern die nötige Verpflegung zuteil. Für die Erfrischung der durchfahrenden Truppen ist zudem auf dem Hauptbahnhofe durch zweckmäßige Einrichtungen in weitgehendster Weise Sorge getragen. Der Transport der in die hiesigen Lazarette aufzunehmenden Verwundeten wickelt sich glatt und sachgemäß ab. Dank rühriger Friedensarbeit war der Vaterländische Frauen-Verein in der Lage, den hiesigen Lazaretten 49 Schwestern und 44 Helferinnen zur Verfügung stellen zu können, die nahezu alle für die Pflegetätigkeit in Anspruch genommen worden sind.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Mittwoch, 26. August 1914
Am Vortag hatte in Belgien die Festung Namur kapituliert. Die Universitätsstadt Löwen samt der weltberühmten Bibliothek war durch deutsche Truppen zerstört worden.
Ungefähr 900 Kriegsfreiwillige und Ersatzreservisten haben gestern morgen gegen ½11 Uhr auf dem Kasernenhof der Infanteriekaserne den Fahneneid geleistet. Vorher hatten in den Kirchen Gottesdienste stattgefunden. In der Münsterkirche hielt Herr Oberpfarrer Dechant Böhmer an die Soldaten eine zu Herzen gehende Ansprache.
In der altkatholischen Kirche fand, gleichzeitig wie auch im Münster und in der Schlosskirche, am Dienstag morgen die kirchliche Vorbereitung der Kriegsfreiwilligen zur Vereidigung statt. Pfarrer Prof. Dr. Mühlhaupt hielt dabei eine eindrucksvolle Ansprache über das Apostelwort. „Fürchtet Gott, Ehret den König!“
Deutsche Staatsangehörige aus Belgien , die dort entweder ausgewiesen wurden und flüchteten und sich in Bonn aufhalten, werden vom Polizeiamt gebeten, sich möglichst bald dort – sofern es noch nicht geschehen ist – zu melden und ihre Schadenersatzansprüche oder dergl. anzugeben.
Belgische Grausamkeiten. Ein aktiver Hauptmann sandte folgende Feldpostkarte nach Bonn:
Julémont, 17 Aug. 1914. Lieber Vater! Seit gestern bin ich in Belgien. Stimmung und Begeisterung vorzüglich. Gegend herrlich, Bevölkerung aber hundsgemein. Unsere Leute sind an allen Enden angeschossen und gemein ermordet worden; dafür sind ganze Straßen von Städten und ganze Dörfer angezündet. Hier haben wir auch Teile von Menschen und Ausrüstungsgegenstände gefunden. Sechs Dorfbewohner sind schuldig befunden worden, unsere Leute ermordet zu haben. Wahrscheinlich werden sie morgen erschossen und das Dorf angezündet.
[Am 18. August wurden von deutschen Truppen in Julémont 12 Männer hingerichtet und 27 Gebäude, darunter die Kirche, niedergebrannt.]
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Türkische, deutschfreundliche Gesinnung zeigt sich überall. St. Vitos, der Geschäftsinhaber der Türkischen Zigarettenfabrik in Bonn, schenkte für die verwundeten Soldaten dem Roten Kreuz für einige Hundert Mark Tabak.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Wir sind kurz vor Mezieres, einer französischen Festung, deren Sturm wohl hauptsächlich von unserer ausgezeichneten Artillerie besorgt wird. Die Franzosen sind in wilder Flucht. Sie ziehen durch die Dörfer vor uns her und schreien »sauve qui peut«. Ich glaube, Lothar [Lothar Erdmann, Freund der Familie Macke, als Kriegsfreiwilliger seit dem 5. August beim Militär] hat nicht mehr viel zu tun.
(August Macke an seine Familie, Feldpostkarte)
Donnerstag, 27. August 1914
Am Mittwoch hatte die Schlacht bei Tannenberg begonnen.
Gegen Preistreiberei auf dem Arbeitsmarkt richtet sich folgende städtische Bekanntmachung: In letzter Zeit sind der städtischen Armenverwaltung wiederholt Fälle mitgeteilt worden, daß kräftige Tagelöhner, die 4 Mark täglich verdienen, ihren Arbeitgebern erklärt haben, sie arbeiteten nicht unter 5 Mark täglich, in einem Falle wurden sogar 6 Mark Tageslohn verlangt. Alle Arbeitgeber, denen derartige Forderungen gestellt werden, wollen die Namen der Arbeiter der städtischen Armenverwaltung mitteilen, damit gegebenenfalls entsprechend verfahren werden kann.
In der Verlustliste Nr. 9 wird als leicht verwundet angeführt Musketier Joh. Fuß aus Bonn-Endenich vom Infantrie-Regt. Nr. 70 (Saarbrücken) 7.Komp.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Französische Gefangene kommen, so wird uns geschrieben, jetzt häufiger durch Bonn. Gestern Mittag gegen 11 Uhr kam wiederum ein Zug französischer Gefangener durch unsere Station. Der Zug hielt hier eine halbe Stunde. Im ganzen befanden sich 261 Gefangene in dem Zuge. Im allgemeinen machen die Franzosen keinen guten Eindruck. Es sind meistenteils kleine Gestalten, die den meisten deutschen Soldaten nicht bis an die Schulter reichen. Im übrigen ist ihre Kleidung und Ausstattung sehr mangelhaft. Im Vergleich mit den deutschen Soldaten und ihren soliden Uniformen sehen die Gefangenen geradezu verwahrlost aus.
Auch in der Synagoge wurden durch Herrn Rabbiner Dr. Cohn die jüdischen Kriegsfreiwilligen auf den Fahneneid vorbereitet.
Kriegsunterstützung. Der Reichszuschuß beträgt für die Sommermonate (Mai – Oktober) mindestens 9 Mk., in den übrigen Monaten 12 Mk. Für die Ehefrau und 6 Mk. für jedes Kind unter 15 Jahren sowie die anderen berechtigten Personen (Verwandte in aufsteigender Linie und Geschwister, sowie Kinder über 15 Jahren, sofern sie von Einberufenen unterhalten wurden). Die Beträge sind in halbmonatlichen Raten vorauszuzahlen durch die Zahlstelle Bonn-Mitte. Jeder, dem die Kriegsteilnehmerunterstützung bewilligt worden ist, erhält hierüber eine Ausweiskarte vom städtischen Militärbureau.
Ein größerer Truppentransport verwundeter Soldaten ist gestern morgen hier eingetroffen. Es handelte sich meistenteils um leichter Verwundete, die auf Straßenbahnwagen zu den verschiedenen Lazaretten und Krankenhäusern übergeführt wurden. Unter den verwundeten befanden sich Soldaten aller Truppengattungen.
Bonner Jugend! Unserer Jugend soll es gewiß nicht verargt werden, wenn sie sich draußen in frischer Luft, anstatt im Zimmer vergnügt. Und sicher freut man sich über die Jugend und ihre jetzt aktuell gewordenen Kriegsspiele. Solange diese Spiele Jungdeutschlands mit Franzosen, Russen oder Engländern kindlich blieben, hatte Niemand hiergegen etwas einzuwenden. Da aber merkte die Jugend, daß man ihr zuschaute und sich über das Spiel freute. Jetzt änderte die Jugend die Taktik, sie spielte nicht mehr für sich, sondern für die Erwachsenen. Dabei sind die Spiele ausgeartet und es kam Roheit und wüster Lärm in das kindliche Treiben. So sieht der Erwachsene das Treiben auf der Straße, insbesondere im Hofgarten, Alten Zoll, Baumschul-Wäldchen, Nussallee, Rheinanlagen, kurz an allen größeren Plätzen mit steigenden Unmut. Bliebe es bei dem Spiel, ginge es noch an. Aber in ihrer kriegerischen Stimmung vergreift sich die Jugend auch an städtischem und privatem Eigentum. So werden die Rasen- und Blumenbeete zertreten, Zweige, ja ganze Aeste von Bäumen und Sträuchern abgerissen, Obstbäume geplündert und dergleichen Unfug mehr. Gutes oder ernstes Zureden nutzt nichts. Die Jugend wird obendrein noch frech. Im Hofgarten treiben die Kinder es so toll, daß den Ruhesuchenden, insbesondere Soldaten, die leichtverwundet in hiesigen Lazaretten untergebracht sind und in den Anlagen spazieren gehen, der Aufenthalt dort verleidet wird. Im Interesse der gesamten Bürgerschaft dürfte hier Abhülfe oder doch Einlenkung des wüsten Treibens in ruhigere, anständigere Bahnen geboten sein.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Deutsche Sprachreinigung. (...) Der Allgemeine Deutsche Sprachverein arbeitet schon lange und mit nachweisbar gutem Erfolge an der Beseitigung aller Fremdwörter, die sich durch gute deutsche Worte ersetzen lassen. Der Verein darf die in diesen Tagen aufgetretene erfreuliche Verdeutschungsbewegung als eine Frucht seiner jahrelangen Bemühungen ansehen. Seinem weiteren planvollen Vorgehen wird es auch gelingen, das deutsche Volk allmählich zu der Einsicht zu bringen, daß es ein Schimpf für unsere Sprache und damit für unser deutsches Empfinden ist, wenn wir unsere so schöne und reiche Sprache mit fremden, besonders französischen Wörtern verschandeln. Adieu ist grade eins der geschmacklosesten und wird nur noch von gedankenlosen Leuten gebraucht; langes Leben ist ihm in unserer Sprache sicher nicht mehr beschieden. Der Franzose gebraucht es übrigens garnicht in der bei uns üblichen Weise; das macht die Sache für uns nur beschämender.
Wer also noch ein wenig weiter blicken kann als nur unmittelbar auf die uns ja am nächsten anliegenden kriegerischen Ereignisse; wessen gut deutsch gesinnter Mut den nicht leichten Kampf um die Reinhaltung unserer Muttersprache selbstbewusst aufnehmen will; der tue es ohne Spielerei aus vaterländischer Ueberzeugung. Also fort nicht nur mit dem törichten Adieu, sondern auch mit allem übrigen fremden Flitterwerk in deutscher Rede und Schrift!
Dr. Hans Krieg,
Vorsitzender im Bonner Zweigverein des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins.
Einquartierung. Notschrei eines Fabrikarbeiters. Ich bin Fabrikarbeiter und arbeite von Anfang des Krieges nur halbe Tage; ich bin verheiratet, habe drei Kinder von 13, 10 und 7 Jahren und 4 Räume gemietet, was doch für meine Haushaltung nicht zuviel ist. Jetzt soll ich auch noch 2 Mann Einquartierung bekommen. Ich möchte doch die Stadtverwaltung bitten, einem armen Arbeiter, der jetzt noch nicht einmal die Miete zahlen kann, mit der Einquartierung zu verschonen. Es gibt doch noch genug Leute, welche besser die Mittel dazu haben, als ein Fabrikarbeiter. K.Z.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Ein Zug mit verwundeten Soldaten traf gestern hier ein. Es waren meist belgische und französische Soldaten, auch einige Zuaven befanden sich darunter.
Unbezwingliche weibliche Neugier. Unzählige Frauen, Mädchen und Kinder standen gestern Vormittag vor dem Johannishospital und wartete auf verwundete Soldaten, die man dorthin bringen sollte. Es ist tief bedauerlich, daß ein Teil unserer Frauen immer noch nicht zur Einsicht gekommen ist und ihre Neugierde beherrscht. Es handelt sich doch nicht um ein Schauspiel, dessen Anblick man sich nicht entgehen lassen dürfte. Jeden Verwundeten muß es schmerzlich berühren, wenn er Gegenstand der Neugierde wird. Unsere tapferen Soldaten haben das aber nicht verdient. Man sieht zumeist solche Weibsbilder, an deren Kleidung und Aeußerm man gleich erkennen kann, daß sie besser täten, in diesen ernsten Tagen der Not zu arbeiten, anstatt Maulaffen feil zu halten. Da bis jetzt alle Ermahnungen fruchtlos geblieben sind, wäre es vielleicht angebracht, sämtliche Teilnehmer an einem solchen Menschenauflauf, der stets verkehrsstörend wirkt, auf Grund unserer Polizeiverordnung über Verkehrsstörung auf Straßen und Plätzen zu bestrafen. Vielleicht lernen sie es dann auf diesem Wege. Es tut dringend Not.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Freitag, 28. August 1914
Keine Überführung von Leichen Gefallener in die Heimat. Es laufen bei der Heeresverwaltung von Zeit zu Zeit Anträge zur Ueberführung von Leichen gefallener Krieger in die Heimat ein. Diese Erlaubnis kann, wie das Wolffsche Büro mitgeteilt hat, leider nicht erteilt werden. Es liegt in der Natur der Kriegsverhältnisse, daß die Bahnen in jetziger Zeit gerade im Operationsgebiet durch Verwundeten-, Gefangenen- und andere Transporte in Anspruch genommen sind. Die Angehörigen gefallener Krieger werden im patriotischen Empfinden die Maßnahmen verstehen, auch wenn ihr Wunsch unerfüllbar ist.
Hofrat Beck ist in seinem Münchener Volkstheater in Anzensgrubers „Pfarrer vom Kirchfeld“ als „Wurzelsepp“ zum ersten Mal als Darsteller vor das Münchener Publikum getreten. Daß man auch in München die Darstellungskunst unseres langjährigen Theaterleiters zu würdigen versteht, bewies der starke Beifall, den dieser prächtige „Wurzelsepp“ hatte. (...)
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Sämtliche Reservisten ersten und zweiten Aufgebots aller Waffengattungen des Landwehrbezirks Bonn haben sich am Freitag den 4. September, vormittags 8 Uhr, zur Kontrolle auf dem Reitplatz an der Loékaserne auf der Rheindorferstraße zu melden und ihre Militärpapiere mitzubringen. Nicht zu stellen haben sich Leute, die in ihrem Militärpaß als dauernd felddienstunfähig oder nur garnisonsdienstfähig bezeichnet sind, oder die vom Waffendienst zurückgestellten oder als unabkömmlich anerkannten Personen.
Ein großes Wohltätigkeits-Konzert für die Angehörigen der zur Fahne einberufenen Bonner Bürger veranstaltet, wie bereits bekanntgegeben, der Bonner Männer-Gesangs-Verein und die Bonner Liedertafel. Ursprünglich war von jedem der genannten Vereine ein Sonderkonzert vorgesehen. Im Interesse der guten Sache aber haben sich beide Vereine zu einem gemeinsamen Konzert zusammengeschlossen. Dadurch wird aller Voraussicht nach auch der finanzielle Ertrag stärker. Eine besondere Anziehungskraft erhält das Konzert durch die Mitwirkung von Frau Elly Ney-van Hoogstraten und des Städtischen Orchesters. Das Konzert findet im Bonner Stadttheater statt. Auch bei dieser Gelegenheit wird unsere Bürgerschaft sicher ihren Opfersinn dokumentieren.
Der jüngste Rekrut. Auswärtige Blätter verbreiteten in diesen Tagen Nachrichten von den jüngsten Rekruten, die ins Heer eingetreten sind. Dabei wurde erwähnt, daß der jüngste Rekrut am 7. Mai 1898 geboren sei und Heinrich Voß heiße. Demgegenüber dürfen wir zu unserer Freude feststellen, daß sich der jüngste Rekrut beim Rekruten-Depot des hiesigen Infanterie-Regiments Nr. 160 befindet und grade ganze 15 Jahre alt ist. Der jüngste Vaterlandsverteidiger – übrigens ein strammer und schmucker Kerl – ist am 29. Juni 1899 als der Sohn des Diplom-Ingenieurs Peter Ritzen in Düren geboren und ist als Kriegsfreiwilliger beim hiesigen Infanterie-Regiment eingetreten. Er wird jetzt sein Notexamen machen und damit zum „Einjährig-Freiwilligen“ avancieren. Der Bruder dieses jungen Soldaten steht übrigens als Kriegsfreiwilliger und Leiter des Autoparks in Aachen.
Mehrere hundert verwundete Franzosen sind in der vergangenen Nacht von der Westgrenze nach Bonn transportiert worden. Die Verwundeten (meistens Leichtverletzte) wurden vorläufig am Güterbahnhof in der Lazaretthalle untergebracht.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Nochmals die Einquartierung! Dieser Tage war ein Angestellter der Stadt bei mir und einem meiner Verwandten und forschte nach der Anzahl und Einteilung der Zimmer, um Einquartierung unterzubringen. Ein solches Verfahren trifft natürlich die Zimmervermieter, die jetzt kein Verdienst haben, besonders hart. Gestern war an dieser Stelle zu lesen, daß man einem auf halbem Verdienst gesetzten Arbeiter, der mit seiner dreikindrigen Familie eine kleine Vierzimmerwohnung inne hat, auch noch zwei Mann Einquartierung aufgebürdet hat. Es drängt sich da einem unwillkürlich die Frage auf, ob in den Villen im südlichen Stadtteil die Einquartierung auch immer nach der Zahl der Zimmer berechnet wird. Die einzig richtige Verteilung der Einquartierung ist die nach dem Steuersatz, wie sie auch in anderen Städten gehandhabt wird. Nicht die Unbemittelten, sondern die Begüterten müssen die Last der Einquartierung tragen, denn sie allein sind in der Lage, einen Mann bei der für die Lebensmittelpreise der Stadt unzureichenden Vergütung ordentlich zu verpflegen. C.H.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Wir liegen hier auf dem Bauch, Walter und ich, und schreiben Ansichtskarten. Vor uns wird feste mit Kanonen geschossen. In den letzten Tagen hatten wir allerhand Ruhe. Ich erhielt von Dir einen Brief vom 16ten und war sehr froh darüber.
(August Macke an seine Frau Elisabeth, Feldpostkarte)
Samstag, 29. August 1914
Ein Seegefecht mit einem britischen Geschwader bei Helgoland hatte am Freitag der deutschen Flotte starke Verluste beschert. Die deutsche Kolonie Togo war von Briten besetzt worden.
Ein Matrosenbrief: Von befreundeter Seite wird uns der Brief eines Obermatrosen d. R. zur Verfügung gestellt, dessen frischer, kampfesfroher und zuversichtlicher Ton bezeichnendfür die ausgezeichnete Stimmung unserer Marine ist:
Sehr geehrter Herr! (...) Ich denke augenblicklich an den Sonntag, der meiner Ankunft hier auf Helgoland vorausging, an dem ich in Ihrem Hause schöne Stunden verleben durfte, an dem ich mit Ihnen vom Ernst-Moritz-Arndt-Denkmal aus auf den Rhein schaute, das Herz voll von den Ereignissen, die diesem Völkerkriege vorausgegangen. „Der Gott, der Eisen wachsen ließ, der wollte keine Knechte“. Wir sprachen noch davon, jetzt ist dies stolze Wort in jedermanns Munde. Jetzt ist er da, der große Volkskrieg, Deutschland ist einig und jeder Deutsche willig, sein Blut für die gute Sache zu geben. (...)“
An unsere deutschen Frauen! Wir werden um die Aufnahme folgenden Aufrufs ersucht: „Durch den jäh über uns hereingebrochenen Krieg sind viele unserer Schwestern in große Not geraten. Es ist festgestellt, daß manche Frauen und Mädchen hungern. Das soll und darf nicht sein. Wir wollen uns in dieser schweren Zeit fest zusammenschließen und diese über uns hereingebrochene Not zusammen tragen, wie sich’s für echte deutsche Frauen geziemt. Es soll keine Almosen sein, die wir geben, wir wollen nur einen Weg suchen, zu helfen, bis die Wege geebnet sind, welche dauernd Hilfe schaffen. Wer in Not ist, wende sich vertrauensvoll an die Geschäftsstelle der Bonner Ztg. zur erfragenden Adresse.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Ein 16jähriger Kriegsfreiwilliger. Der Sohn eines bekannten Bonner Bürgers, H. Scharrenbroich, zog gestern mit der Infanterie an dessen Bestimmungsort. Er wurde am 12. Juni 1914 erst 16 Jahre alt.
Der B. M.-G.-V. Apollo gibt Samstag Nachmittag auf der Kasselsruhe ein Wohltätigkeitskonzert zum besten des Roten Kreuzes. In Anbetracht der guten Sache wäre ein zahlreicher Besuch zu wünschen.
Eine jugendliche Diebesbande hat seit längerer Zeit in Bonn und Umgebung ihr Unwesen getrieben. Gestern standen fünf jüngere Leute, die sich bei diesen Diebesstreifzügen in besonderem Maße beteiligt haben, vor der Strafkammer. Die Angeklagten hatten in mehreren Fällen der im Bau befindlichen Artillerie-Kaserne einen Besuch abgestattet und dort Rohmaterialien weggeschleppt und verkauft. Ebenso hatten sie aus einer hiesigen Badeanstalt Wäschestücke usw. entwendet und in anderen Fällen aus Geschäften und Privathäusern Gegenstände gestohlen Die Sachen wurden meistenteils verkauft. Den Erlös verteilten sie unter sich. Die Strafkammer erkannte gegen den Hauptbeteiligten eine Gefängnisstrafe von 3 Jahren und 3 Wochen sowie 5 Jahre Ehrverlust. Die anderen kamen mit Gefängnisstrafen von 6 und 2 Monaten davon. Ein Angeklagter wurde wegen Hehlerei zu einer Woche Gefängnis verurteilt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Lesezimmer der Deutschen-Reichszeitung. Die Deutsche Reichs-Zeitung hat seit Anfang der verflossenen Woche im Hause Gangolfstraße 11 ein Lesezimmer zur freien Benutzung für jedermann eröffnet, in welchem die neuesten Zeitungen ausliegen. Das Lesezimmer ist dem Publikum täglich geöffnet von morgens 9 bis 1 Uhr und nachmittags von 3½ bis 7 Uhr, Sonntags von 11–1 Uhr. Diese Wohlfahrtseinrichtung findet allgemeinen Anklang, wofür der zahlreiche Besuch wohl der beste Beweis sein dürfte.
Militärisches. Beim hiesigen Husarenregiment sind die Prinzen Anton und Franz Robert, Herzöge zu Arenberg, als Leutnants, vorläufig ohne Patent angestellt worden.
Ein Zug mit verwundeten Soldaten ist gestern morgen hier eingetroffen. Es handelte sich meistenteils um leichter Verwundete, die auf Straßenbahnwagen zu den verschiedenen Lazaretten gebracht wurden. Zum größten Teile waren es französische Soldaten.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
(...) Wir sind seit drei Tagen mit den Franzosen in Berührung. Ich habe zwei schauerliche Gefechte mitgemacht, eins nachts in einem brennenden Dorf. Die Franzosen haben furchtbare Verluste (1000 Mann). Wir viel weniger. (...)
(August Macke an seine Mutter, Feldpostkarte aus Chairière)
Sonntag, 30 August 1914
Die Hauptsammelstätte des Vaterländischen Frauen-Vereins Stadtkreis Bonn, in der Lese, bittet um Ueberweisung von Leinen, Stoffen, Wolle, und dergl., durch deren Verarbeitung bedürftigen Frauen und Mädchen Verdienst geschaffen werden soll.
In der Verlustliste Nr. 13 werden vom Landwehr-Regiment Nr. 65 in Koblenz als vermisst angegeben der Landwehrmann Joh. Roth aus Dransdorf, als verwundet der Wehrmann Joh. Pfaffenholz aus Meckenheim und der Wehrmann Joh. Schneider aus Oberwinter. Von dem Husaren-Regiment Nr. 7 in Bonn gibt die Verlustliste Nr. 13 den Vizewachtmeister Rud. Rendler als verwundet an.
Ein Zug Schwerverwundeter kam gestern Nachmittag hier an. Es wurden davon ungefähr 130 in hiesigen Lazaretten untergebracht, die übrigen nach Brühl weitertransportiert.
Ein Soldatenbrief. Von befreundeter Seite erhalten wir folgenden Brief eines jungen Bonners, der als Artillerist die Belagerung von Namur mitgemacht hat:
Vor Namur, 25. August
Liebe Eltern,
Schreibe Euch hier den versprochenen Brief. (...) Am schlimmsten ist die Zivilbevölkerung. Hier ist ein kleines Städtchen Ordenne [Andenne]. Von dort wurden wir und Infanterie stark beschossen. Natürlich wurden nun die Häuser gestürmt und die betr. Zivilisten gefangen und erschossen. Ebenso wurden die Läden ausgekauft und die Möbel in Ordnung gestellt, dann der ganze Kram angezündet. Im großem und ganzen schrecklich, wenn man die Toten alle sieht. Jetzt bin ich schon daran gewöhnt. Wir beköstigen uns hauptsächlich von Fleisch und Kartoffeln, welche wir vom Felde nehmen. Kühe usw. werden einfach geschlachtet und geteilt. (...)
[In Andenne wurden am 20. August von deutschen Truppen mehr als 200 Zivilisten hingerichtet und zahlreiche Gebäude niedergebrannt.]
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Im Lazarett. In der Beethovenhalle: sonst harmonische Offenbarungen auserlesener Musikfeste, rauschende Feste, helle Luft fröhlicher Stunden in jedem Winkel und jetzt – Schmerzlaute wundgeschossener Soldaten. Der große Saal, Bonns feierlichste Musikstätte, ist in ein Kriegslazarett umgewandelt. Reihe an Reihe stehen Betten mit verwundeten Soldaten: deutsche und französische. National-Unterschied wird nicht gemacht. Hier gilt einer wie der andere. Deutsche oder Franzosen, es sind Menschen, die für ihr Vaterland gekämpft und geblutet haben.
Es ist still hier, und nur ab und zu seufzt, stöhnt ein wunder Soldat auf seinem Lager. Graue Krankenschwestern gehen sanft, geräuschlos von Bett zu Bett, richten Kissen und Decken, reichen Durstlippen kühlen Trank und Speise. Aerzte in weißen Kitteln untersuchen mit gewissenhafter Sorgfalt die Wunden, lösen blutbefleckte Verbände, legen neue an, oder stehen leise beratend zusammen. Herber Jodoformgeruch durchzieht die Halle, vermischt mit süßlichem Duft letzter Sommer- und erster Herbstblumen, die freundliche Hände in reicher Fülle hier zusammentrugen. Für die Soldaten auf ihrem Schmerzenslager ein lieber Augenrichtpunkt. Rote Rosen, gelbe Sommerblumen, weiße Nelken, flammende Georginen und bunte Dahlien machen den Ernst des Bildes milder. Man versteht den Blick des Soldaten von den Betten zu den Blumen: in der Heimat im Frieden seines Hauses mögen vor seinem Fenster oder im kleinen Gärtchen auch solche Blumen sein und Frauenhände, die sie pflegen. Dieser Heimgedanke macht den Schmerz leichter, die Gedanken schwingender.
Die Augustsonne fällt schräg durch die Oberlichtfenster, wirft blinkende Lichter auf die Bett-Messingteile, die Geräte des Arztes und auf die Blumenschalen. Ueberall peinliche Sauberkeit. Kaum daß einige kleine Staubpünktchen in den schrägen Lichtbalken auf- und niedertanzen. Die Sonne scheint auf die vielen roten Franzosenkäppis, die über den Kopfenden der Betten an den Namentafeln der Verwundeten hängen. Aber auch ohne die Franzosenkäppis kennt man die Welschen. Der Typ weicht ab von unseren deutschen breitknochigen Soldatenantlitzen. Jene sind durchweg kleiner und haben, wie das Zola einmal treffend gesagt, „nervöse, zigarettendurchqualmte Soldatengesichter.“
Die hier liegen, sind durchweg schwerer mitgenommen; man sieht, die Unsrigen schießen gut. Stehen sie sich im Felde als Feind gegenüber: hier kennt man das Wort nicht. Ein kleiner schwarzer Franzose, dem das Geschoß den rechten Arm wegriß, will vergebens nach seinem Taschentuch greifen, das ihm zu Boden gefallen ist. Daneben ein baumlanger deutscher Grenadier, der selbst in Schmerz liegt, sieht das und hebt unter Anstrengung das Taschentuch des Franzmanns auf. „Da,“ meint er gutmütig. Der sagt leise: „Merci Monsieur“. Und immer wieder gehen graue Schwestern an den Reihen vorbei mit Trostworten und Linderung. Die Zeitung kommt und danach greifen sie hastig. In großer Druckschrift liest man von einem neuen Sieg deutscher Waffen an der Westgrenze. Und wieder beobachtet man: in den deutschen Augen ist frohbegeistertes Aufleuchten, heller Siegesjubel. Einer schlägt mit der gesunden Faust auf den Bettrand und sagt: „Wenn man doch wieder dabei wäre!“ Instinktiv fühlen die Franzosen, was die Augen der Deutschen heller macht, und einige drehen sich, so der Schmerz es erlaubt, auf die andere Seite.
Ueber der neuen Siegesfreude rückt wieder ein neuer Verwundetentransport an. Rote Kreuz-Leute mit Tragbahren, Soldaten der verschiedensten Waffengattungen, zerschossen, mit verschwitzten Kleidern, blutbefleckten Röcken und Verbänden. Aber auch sie umfängt bald die kühle Friedensstille der Lazaretthalle und gewaschen, gereinigt, verbunden und gestärkt liegen sie in den sauberen Betten und werden gehegt, gepflegt von den grauen Krankenschwestern. Bis die Wunden verheilt, haben Deutsche und Franzosen, die sich für ihr Vaterland schlugen, hier eine Stätte, die so gut ist, wie die, wo die Mutter für sie sorgte.
Und dem Beobachter geht der Gedanke durch den Kopf: Ob auch unsere deutschen Jungens, die zerschossen in Feindesland liegen, ebenso gut aufgehoben sind?
Ehe man die Halle verläßt, wirft man noch einen Blick auf die Habseligkeiten der Franzosen, die in einem abgeschlossenen Raum aufbewahrt liegen. Und da will einem das Kopfschütteln kommen. Wie können Soldaten mit diesem Plunder siegreich sein? Abgesehen von den Uniformstücken, die nichts, aber auch so gar nichts von deutscher „Däftigkeit“ haben, ist es das Schuhwerk und die Fußbekleidung, die das Minderwertige des französischen Soldatentums kenntlich macht. Da liegen zwischen den roten Hosen, blauen Jacken, Koppeln, Gamaschen eine Menge dünne bunte Florstrümpfe, wie die Damen sie tragen. Und mit diesen lila und grünen Söckchen sollen die Franzosen Tagemärsche machen! Die ganze Ausstattung mit Unterzeugen mutet an, wie aus einem Zigeuner- und nicht aus einem Soldatenlager. Dann denkt man mit Stolz und Freude an unsere Jungens und an ihre Ausrüstung, wie sie von Kopf bis zu Fuß ausgestattet sind, däftig, solid bis zum letzten Knopf.
Und dann weiß man, daß die Dinge ihren Lauf so nehmen müssen, wie sie sich bis jetzt mit geradezu mathematischer Sicherheit und Genauigkeit entwickelt haben.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Ihre königliche Hoheit, Frau Prinzessin Adolf zu Schaumburg-Lippe, besuchte gestern das Lazarett I sowie die Kliniken unter Führung von Geheimrat Schulze und Prof. Hoffmann. Vorgestern hatte sie den Verwundeten in der Beethovenhalle einen Besuch abgestattet. Als sie wieder auf die Straße trat, hatte sich eine größere Menschenmenge angesammelt, die gerade von den letzten Siegen an der Westgrenze erfahren hatte. Mit jubelnder Begeisterung und lauten Zurufen wurde die Prinzessin begrüßt.
Kindesaussetzung. Ein 21 Jahre altes Dienstmädchen aus Bonn war im Juli ds. Js. aus einer hiesigen Anstalt entlassen worden. Mit ihrem Kind kam es dann nach Köln und trieb sich in der Nähe der Andreaskirche umher. Einem dort stehenden Manne fiel das Mädchen durch sein scheues Wesen auf und er ging ihm eine Zeitlang in Begleitung eines Schutzmannes nach. Verschiedentlich machte das Mädchen den Versuch, das Kind irgendwo hinzulegen, es wurde aber immer durch Passanten gestört. So kam es schließlich auf die Straße Unter Sachsenhausen. Hier beobachteten die beiden Verfolger, wie das Mädchen in einen Torweg hineinging und bald nachher ohne das Kind wiederkam. Es sah sich schnell nach beiden Seiten um und wollte sich eiligst entfernen. Die Davoneilende wurde aber von dem Beamten zur Rede gestellt und zeigte nun auf Verlangen, wo sie das Kind hingelegt hatte. Es war hinter einen Flügel eines großen Tores geschoben worden. Nun hatte sich das Mädchen wegen Kindesaussetzung vor der Kölner Strafkammer zu verantworten. Es gab die Tat im allgemeinen zu und machte zu seiner Entschuldigung geltend, daß sie aus Not gehandelt habe. Das Gericht zog dies bei Feststellung der Strafe in Betracht und beließ es bei der geringst zulässigen Strafe von sechs Monaten Gefängnis.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Montag, 31. August 1914
Die zweite russische Armee war am Tag zuvor von den Truppen Hindenburgs bei Tannenberg vernichtend geschlagen worden – ein Sieg, der den Ruhm Hindenburgs begründete.
Eine stimmungsvolle Morgenfeier fand gestern Vormittag um 11 Uhr im Lazarett III (Beethovenhalle) zur Erbauung der Verwundeten statt. Frau Prinzessin Adolf zu Schaumburg-Lippe wohnte mit ihrer Begleitung der Feier bei, ebenso der Oberbürgermeister und der Chef des Bonner Lazarettbezirkes, Herr Generaloberarzt Dr. Jäger. Herr Kapellmeister Sauer trug auf der Orgel ein eindrucksvolles Präludium und das niederländische Dankgebet vor, Herr Konzertmeister Scheidhauer spielte das Largo von Händel. Diese musikalischen Darbietungen, bei denen die Künstler mit Innerlichkeit und Hingabe spielten, fanden in den Verwundeten dankbare und empfängliche Hörer. Am Nachmittag trug in der Beethovenhalle ein mehrfach besetztes Quartett des Bonner Männer-Gesangvereins einige gut gewählte Lieder vor.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Unsere patriotische Jugend. Eine Dame schreibt uns: Vorige Tage passierte folgender heiterer Vorfall auf einem der Bonner Plätze. Sechs Jungens schickten sich an, den deutsch-englisch-französischen Krieg im Kleinen vorzuführen. Als nun die beiden „Franzosen“ und „Engländer“ sich auf die zwei „Deutschen“ stürzen wollten, um sie zu schlagen, riefen die begeisterten Deutschen einstimmig: „Enäh, ihr maht et so verkieht, ihr mött üch krije losse, un mir mösse siege! Wenn ihr och mieh sett, dat eß ons Wuesch. Noch emol ahnfange!“ Und nun teilten zum Ergötzen der Umstehenden die „Deutschen“ fürchterliche Keile aus.
Der M.-G.-V. „Apollo“ hat am Sonntag nachmittag auf der Casselsruhe ein sehr gut besuchtes Wohltätigkeits-Konzert zum Besten des Roten Kreuzes veranstaltet. Die Leistungen des Vereins, der von Herrn Lehrer Eschweiler anstelle des im Feld stehenden Dirigenten geleitet wurde, waren sehr gut. Das ganze Programm war der ernsten Zeit angepasst. Die von Vereinsmitgliedern gestellten Bilder fanden vielen Anklang. Dem Roten Kreuz konnte ein erheblicher Betrag übernwiesen werden.
Der deutsche Kaiser als Bonner Schützenkönig. Der hiesigen Sebastianus-Schützengesellschaft ist ein Schreiben zugegangen, wonach unser Kaiser die auf ihn gefallene Königwürde dankend angenommen hat. Wir haben also in Bonn den seltenen Fall zu verzeichnen, daß wir zwei Schützenkönige haben: Kaiser Wilhelm II. und Herr Joh. Bodiset. Der glückliche Schütze, der den Kaiserschuß getan hat, war Herr Philipp Reeb.
Für’s Vaterland! Ein hiesiger Miltärinvalide gibt eine dankenswerte Anregung. Er schreibt uns, daß er während der Dauer des Krieges auf seine Pension verzichtet und gibt der Hoffnung Ausdruck, daß, da der 1. September vor der Tür steht und die Pensions-Gelder bald abgeholt werden, noch recht viele Pensionsberechtigte gleich ihm auf die Pension verzichten.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Der Hilfsausschuss bittet um Ueberweisung von Gesellschafts- und Geduldspielen für unsere verwundeten und kranken Soldaten.
Der Verkauf von Brot, Mehl und Salz in den städtischen Verkaufsstellen Franziskanerstraße 8a und Verwaltungsgebäude Bonn-West, Kirsch-Allee 23 ist mit heute eingestellt worden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)