Donnerstag, 1. April 1915
Sonntagsarbeiten. Die landwirtschaftlichen Arbeiten in der Zeit der Frühjahrsbestellung dürfen auch an Sonn- und Feiertagen vorgenommen werden, da die vollständige Durchführung der Frühjahrsbestellung in dieser Kriegszeit ein Interesse von hervorragender Bedeutung für die Allgemeinheit bildet. Doch soll darauf Bedacht genommen werden, daß die Zeit des Hauptgottesdienstes frei bleibt.
Drei Andachtsbücher für unsere Krieger hat Herr Geh. Konsistorialrat und Militäroberpfarrer a. D. Dr. Rocholl in Bonn geschrieben. Man merkt den Schriftchen an, daß der Verfasser in der Gedankenwelt des Soldaten zu Hause ist. Die Andachtsbücher, in denen echt soldatischer Geist mit dem Geist des Evangeliums sich verbinden, werden im kirchlichen Anzeiger unserer evangelischen Gemeinde den Gemeindemitgliedern, die ihren Angehörigen religiöse Kost ins Feld schicken wollen, herzlich empfohlen. Die drei Schriftchen sind: 1. Allein mit Gott! Ein Gebetbuch für unsere Soldaten im Felde. – 2. Mut und Kraft aus Gottes Wort. Ein Andachtswort für unser tapferes Kriegsheer. – 3. Deutsche Ostern, Ein Ostergruß an unsere tapferen Krieger. – Sie sind erschienen in dem Buch- und Kunstverlag Carl Hirsch in Konstanz; die Heftchen kosten einzeln 15 Pfg., bei 25 Stück 12 Pfg., bei 100 Stück 10 Pfg., sie wiegen etwa 20 Gramm und können bequem in jeden Briefumschlag gesteckt werden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Bismarckfeier in Bonn
Bismarcks 100. Geburtstag wurde gestern abend unter außerordentlich großer Beteiligung vom Liberalen Bürger-Verein im weißen Saale der Lese in einer würdigen Gedächtnisfeier begangen.Eingeleitet wurde die Feier durch einen gemeinsamen Gesang und eine Begrüßungsansprache von Prof. Schmidt. Im Mittelpunkt der Feier stand die Festrede von Geheimrat Prof. Dr. Litzmann, eine Rede von machtvoller Wirkung und ehrfürchtiger Liebe zu Bismarck und seinem eisengeschmiedeten Lebenswerk. Durch persönliche Erinnerungen bereichert, ließ Redner an den Augen der Zuschauer das Lebensbild des Alten aus dem Sachsenwald vorüberziehen. Bismarcks Politik sei eine Politik der Kraft, der Tat gewesen, deren Spuren in diesem schweren Kriege ersichtlich seien. Durch Bismarck habe sich das deutsche Volk zu einem Willen zusammengetan, sei Deutschland groß geworden und werde sich auch fernerhin in alter Kraft und Treue behaupten. Was uns verloren schien, was wir zu vergessen drohten, das sei bei seinem hundertjährigen Geburtstage in unser Gedächtnis neu eingeschrieben worden: daß es Bismarcks Geist sei, der in uns lebe, der uns gegen eine Welt von Feinden behaupte, und uns todesmutig und unerschüttert zum Siege führe. Er habe uns den neuen Typ deutschen Helden- und Staatsbürgertums vor die Seele gestellt und durch sein Beispiel dieses neue Mannesideal uns und unsern Kindern tief ins Herz eingeschrieben. Der Geist, der als Schreckgespenst unter unseren Feinden umgehe, der Geist des Militarismus, der uns durch Bismarck ins Blut eingeflößt sei, jenes Militarismus, der nicht im Gegensatz stehe zum Bürgertum, sondern der uns die Pflichten und das Recht gegeben hat, als Weltmacht unsere friedliche Bahn über den Erdball zu ziehen und unseren nationalen Wettkampf einzusetzen, dieser Geist werde nie und nimmer vergehen. Des Redners kraftvolle Ansprache schloß mit dem gemeinschaftlich aufgenommenen Gesang „Deutschland, Deutschland über alles“. Der M.-G.-V. „Concordia“, unter Leitung von Musikdirektor Prof. Grüters, sowie das Städt. Orchester unter Leitung des städtischen Kapellmeisters Sauer bereicherten die Gedächtnisfeier, die einen starken vollen Klang hinterließ und allen Teilnehmern unvergessen bleiben wird.
Eine Gedenkfeier zur 100. Wiederkehr des Geburtstages Otto von Bismarcks fand ferner gestern abend unter Mitwirkung des Bonner Männer-Gesangvereins im überfüllten Saale des Bonner Bürgervereins statt. Herr Landgerichtsdirektor Douqué eröffnete die Feier mit einer Ansprache, in der er darauf hinwies, daß der 100. Geburtstag Bismarcks, wenn er nicht in eine so ernste Zeit fiel, mit viel größerem äußeren Gepränge begangen werden würde, ähnlich wie die Grundsteinlegung und die Einweihung des Niederwald-Denkmals. Man habe die Feier verschieben wollen, aber darauf könne die Antwort nicht zweifelhaft sein, denn die Feier könne nur am Tage selbst begangen werden. Man wolle den Tag würdig und ernst begehen durch eine Stunde der Erhebung, in der Erinnerung daran, daß das deutsche Reich heute verteidigt werden müsse von der Flotte und vom Heer unter unserem Kaiser. Der Kaiser, das Volk und das Heer gehörten enge zusammen. Sie seien aufgebaut auf dem Fundament der deutschen Treue. Redner schloß mit einem Hoch auf den Kaiser.
Der Bonner Männer-Gesangverein trug unter Leitung seines Chrormeisters Herrn Sauer Conradin Kreutzers „Lied an das Vaterland“ und H. Schmiedings „Horch, Sturmesflügel rauschen“ mit packender Wirkung vor.
In seiner Festrede wies Herr General-Superintendent Klingemann aus Koblenz darauf hin, daß man den 100. Geburtstag Bismarcks anders als man gedacht habe, begehe. Man habe sich wohl auf den schönen Tag gefreut und sich an ihm sonnen wollen im Glanz der unvergleichlichen Vergangenheit. Es sei anders gekommen. Durch die große und ernste Zeit seien wir aus der Ruhe aufgerüttelt worden, aber wir hätten Anlaß zur vaterländischen Freude. Der Zwiespalt sei geschwunden. Es gebe kein Auseinandergehen mehr zwischen dem Kaiser und der Bismarck-Verehrung. Noch sei die Zeit nicht gekommen, um Bismarcks Leben in allen seinen Einzelheiten darzustellen und er wolle sich auch nicht vermessen, im Laufe eines Vortrages ein Lebensbild von Bismarck zu geben. Redner wies dann in kurzen Zügen auf die Entwicklung Bismarcks vom Junker des ersten preußischen Abgeordnetenhauses hin zum deutschen Reichskanzler und dem großen Staatsmann. Sein Grundgedanke sei immer das Preußentum zugleich als ein einiges Deutschland gewesen. Nur wenn man dies beachte, verstehe man ihn. Mit einer Parallele zwischen Goethe und Bismarck schloß Redner seinen sehr beifällig aufgenommenen Vortrag.
Die zahlreichen Anwesenden stimmten zum Schluß „Deutschland über alles“ an.
Die Schülerinnen der Stiftsschule haben in den letzten 4 Wochen 4790 Mark in Goldgeld gesammelt und es teils bei der Post, teils bei der Reichsbank gegen Papiergeld umgetauscht.
Bonner Wehrbund. Das Königl. Bezirkskommando Bonn veröffentlicht in der heutigen Nummer des „General-Anzeigers“ eine Bekanntmachung, in der der nichtgediente Landsturm, die Ersatz-Reservisten usw. aufgefordert werden, dem Bonner Wehrbund als Mitglied beizutreten, um den großen Anforderungen, die die Heeresverwaltung an die körperliche Leistungsfähigkeit der Truppe stellen muß, gewachsen zu sein. Die Erreichung dieses Zieles hat sich der Bonner Wehrbund mit bestem Erfolg zur Aufgabe gemacht, und zwar durch Exerzieren, Freiübungen, Märsche und kleinere Uebungen an Turngeräten. Den Teilnehmern entstehen keine Kosten.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Prozession. Es sei auch an dieser Stelle auf die seit nahezu zwei Jahrhunderten von der Marianischen Junggesellen-Sodalität veranstaltete Karfreitagsprozession nach dem Kreuzberge hingewiesen. Dieselbe dürfte besonders in dieser schweren Kriegszeit ihre alte Anziehungskraft beibehalten und sich einer großen Teilnahme der Bürgerschaft Bonns erfreuen. Die Prozession zieht um 1 Uhr mittags von der Münsterkirche aus.
Deutsche soziale Fürsorge und deutscher Siegeswille lautet das Thema des Vortrages, den der Präsident des Reichsversicherungsamtes Wirkl. Geh. Ober-Regierungsrat Dr. Kaufmann demnächst hier in seiner Vaterstadt halten wird.
Es steht zu erwarten, daß dem für alle Berufsstände wichtige Vortrage großes Interesse entgegengebracht wird, zumal er von der berufensten Seite gehalten wird. Der Reinertrag ist für die hiesigen Vaterländischen Vereinigungen bestimmt. Näheres über den Vortrag, den Verkauf der Eintrittskarten usw., ist aus dem Anzeigenteil ersichtlich.
Die Drachenfelsbahn nimmt heute wieder ihren Betrieb auf. Der Betrieb der Petersbergbahn ruht während der Dauer des Krieges.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Freitag, 2. April 1915
Karfreitag, der ernste, stille Tag, an dem wir des Opfertodes Jesu Christi gedenken, hat in diesem Jahre eine besonders tiefe, besonders ergreifende Bedeutung für uns. Näher, lebendiger, gegenwärtiger kann keinem der jetzt Lebenden der Sinn und das Wesen des Opfertodes jemals geworden sein als uns, die wir diesen denkwürdigen Karfreitag im ersten Lenz des Kriegsjahres 1915 erleben. Der Opfertod, die überzeugte und freudige Hingabe des einzelnen an ein Ueberindividuelles, an eine Idee ist das tägliche Stigma dieser schauerlich großen Zeit und erhabenen Gegenwart. Der immer geforderte und immer wieder dargebrachte Opfertod ist die Trauer und die Freude, das Leid und der Stolz dieser Gegenwart. Millionen stehen draußen, gesammelt, gefaßt, jeder einzelne willig bereit, Leben und Blut zu opfern, sich selbst hinzugeben, damit das Gemeinsame, das Große und Heilige, das wir Heimat und Vaterland nennen, bestehe. So handelt treue Liebe, die sich ins strenge Gewand der Pflicht kleidet. So viel, so übermenschlich Großes vermag Begeisterung, die Tat werden will.
Tod und Hingabe, Opfer und Erlösung, daran mahnt uns der Karfreitag. Und wie auf die Karfreitagsprozession der christlichen Heilslehre das Osterfest der Auferstehung folgt, so mag uns, die wir heute auch des tausendfachen Opfertodes an den Fronten gedenken, der eine Gedanke erheben: auch diese Opfer sind nicht vergeblich gebracht. Sie können nicht, dürfen nicht vergeblich gebracht sein. Dafür ist jeder einzelne von uns, denen, die da draußen im Feindesland in der Erde ruhen, verantwortlich mit seinem ganzen Tun und Sein, daß auch für Deutschland nach den dunklen Tagen einer Karfreitagspassion das Osterfest einer siegreichen Erlösung, eines erlösenden Sieges anbreche.
Das Landsturmbataillon in Bonn hat sich bereit erklärt, Mannschaften an wachfreien Tagen zu landwirtschaftlichen Arbeiten zur Verfügung zu stellen.
Das Städtische Lyzeum zu Bonn wurde im Sommerhalbjahr von 259, im Winterhalbjahr von 264 Schülerinnen besucht. Die Anstalt, die anfangs 2 Klassen enthielt, wurde durch die Auflösung des Brunswickschen Lehrinstituts zu einer Vollanstalt ausgebaut. Am 22. April 1914 wurde die Anstalt mit einer kleinen Feier eröffnet. Der Krieg riß auch hier Lücken. Der wissenschaftliche Hilfslehrer Dr. Biederlack starb den Heldentod fürs Vaterland, zwei andere Herren stehen noch an der Front. Die Schülerinnen beteiligten sich mit großem Eifer an der Beschaffung warmer Unterkleider für unsere Soldaten, ebenso bei der Goldsammlung. Mit Beginn des neuen Schuljahres wird die private Studienanstalt mit dem Städt. Lyzeum verbunden werden; ebenso wird der neue Schulhausneubau bezogen werden können.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Die Nationalstiftung für die Hinterbliebenen der im Kriege Gefallenen hat es sich zur Aufgabe gestellt, in Ergänzung der Hinterbliebenen-Versorgung des Reiches, den Witwen und Waisen der gefallenen Kriegsteilnehmer eine Fürsorge angedeihen zu lassen, die den persönlichen Verhältnissen der Hilfsbedürftigen gerecht zu werden vermag. Von einem intensiven Betriebe der Sammeltätigkeit ist bisher mit Rücksicht auf andere Sammlungen abgesehen worden und es sind Sonderbestrebungen für diesen Zweck ins Leben gerufen worden, was im Interesse der Witwen und Waisen vermeiden werden muß. Von der Gründung aller Sonderunternehmungen muß abgeraten werden.
Das Bier wird teurer. Der Verband rheinisch-westfälischer Brauereien beschloß, den Bierpreis um 5 Mark für das Hektoliter mit Wirkung vom 6. April zu erhöhen.
Verbotene Reiseführer. Der stellvertretende kommandierende General des VIII. Armeekorps hat für den Bereich des Korps den Vertrieb aller Reiseführer der Grenzgebiete des Deutschen Reiches und der Kriegsschauplätze in anderen Ländern verboten. Die Beschlagnahme der vorhandenen ist verfügt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Eine Mode-Ausstellung veranstaltet der Ausschuß für landwirtschaftliche Kriegshilfe in den Tagen vom 22. bis 24. April im Bonner Bürgerverein.
Ein vernünftiger Vorschlag. Man hat folgenden Vorschlag gemacht: Finden Verhandlungen in Beleidigungsprozessen vor dem Schöffengericht statt, so suche der Richter einen Vergleich anzubahnen, was ihm in den allermeisten Fällen, unter Hinweis auf den Krieg, gelingt. Die zu zahlende Geldbuße werde dem Roten Kreuz überwiesen. Die Schiedsmänner mögen in derselben Weise vorgehen. Eine Gerichtskasse im Osten hat schon eine bedeutende Summe aus Streitigkeiten an das Rote Kreuz abgeführt. Vivant sequentes!
Städtischer Speckverkauf. Morgen von 8½ bis 12½ Uhr wird im Hause Rathausgasse 27 wieder geräucherter Speck verkauft. Das Pfund kostet 1,30 Mark. Das Brotbuch nicht vergessen! Es gilt als Ausweis dafür, daß der Speck wirklich an Bonner Bürger und nicht, wie das früher vorgekommen ist, auch an andere abgegeben wird.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Samstag, 3. April 1915
Der hundertjährige Geburtstag Bismarcks ist auch in unserer Vaterstadt Bonn, wie die Berichte über die einzelnen Feiern ergeben, in würdiger Weise begangen worden. Die öffentlichen Gebäude und viele Privathäuser trugen Flaggenschmuck und auf der Bismarcksäule in der Gronau flackerte gegen Abend ein rotes Feuer auf. Am Fuße der Säule wurde im Lauf des Tages von der Stadt Bonn ein Kranz niedergelegt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Godesberg, 2. April. Von einer öffentlichen Gedenkfeier der 100. Wiederkehr des Geburtstages Bismarcks war hier in Anbetracht der schweren Zeitverhältnisse abgesehen worden. Alle Amtsgebäude und auch viele Privathäuser hatten geflaggt. Am Abend brannte auf dem Bismarckturm in der Elisabethstraße ein Leuchtfeuer.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und fern“)
Die Osterurlauber werden darauf hingewiesen, daß ihre Anmeldung nicht am Bezirks-, sondern am Garnisonkommando zu erfolgen hat. Das Garnisonkommando befindet sich in der Infanteriekaserne an der Ermekeilstraße.
Schickt unseren Kriegern, zumal jetzt, wo’s dem Frühjahr zugeht, keinen Schnaps, Arrak, Rum und sonstige alkoholische Gaben ins Feld, schickt ihnen für Euer gutes Geld lieber Sachen, die ihnen wirklich gut tun und nachhaltig gut tun! Alkoholische „Liebesgaben“ – so wohlgemeint sie sein mögen – werden, wie die Erfahrung und viele Beobachtungen und Zuschriften aus dem Felde selbst zeigen, nur zu leicht zu Leidesgaben für den Beschenkten und für andere. Immer willkommen und gutangelegt sind: Marmeladen aller Art, Frucht- und Gemüsekonserven, Zucker, Tee, Butter, Schmalz, Käse, Dauerfleischwaren, eingedickte Milch, eingemachte Gurken zu der, wenn auch guten und nahrhaften, doch naturgemäß etwas eintönigen Feldverpflegung.
Der Bonner Stabsarzt Dr. Brunzlow warnt in seiner lehrreichen Schrift „Wehrkraft und Alkohol“ mit eindringlichen Worten vor dem Alkoholgenuß unserer Soldaten.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
„Eiserne Ringe“
werden jetzt Mode. Leute, die den Krieg kaum irgendwie empfinden, vertauschen sie jetzt mit den goldenen, die auf einmal nicht mehr „zeitgemäß“ sein sollen. Vereine und Sammelstellen fordern geradezu auf zu diesem Unfug,, der wie eine schlechte Nachahmung des Opfergeistes vor hundert Jahren aussieht; eiserne Ringe mit dem eisernen Kreuz oder mit besonderen Inschriften werden in Aussicht gestellt für abgeliefertes Metall, das zu vaterländischen Zwecken verwendet werden soll. Die Leute, die vor hundert Jahren ihre goldenen Trauringe opferten, hatten eben nichts anderes, das sie dem arg bedrängten und leidenden Vaterlande spenden konnten. Wenn aber heute neben Brillantringen eiserne Trauringe und neben sonstigem überflüssigen Tand eiserne Ringe zur Schau getragen werden, dann fehlen die Worte, derartigen „Opfersinn“ zu zeichnen.
(...) Eisen ist ein ernstes Metall, zu schade zu Spielereien und zur Befriedung einer Eitelkeit. Ueberlassen wir es den Stellen, die besseren Gebrauch davon zu machen wissen. Wir leben in einer eisernen Zeit. Das brauchen wir nicht erst durch derartige Spielereien anzudeuten, wir haben es durch die Tat zu beweisen. Und jeder, der vom Ernst unserer Tage auch nur einen Hauch verspürt, wird wissen, was er ihr schuldig ist. Wer in seiner nächsten Umgebung keine Not zu leiden hat, eile zu irgendeiner Sammelstelle der Kriegshilfe und gebe alles, was ihm entbehrlich, verlange aber dafür kein äußeres Zeichen der Anerkennung, das den Wert der Spende doch nur drückt. Nein, opfern wir freudig und fraglos, wie die vielen, die mit der Selbstverständlichkeit der Pflicht stumm und lautlos für uns in den Tod und das Verderben gegangen sind. „Eiserne“ Auszeichnungen überlassen wir den Kühnen und Tapfern, die sich vor einem rücksichtslosen Feind auszeichnen. Begnügen wir uns, wenn wir nach unseren Kräften in dieser opferreichen Zeit unserer Pflicht genügt, mit dem Bewußtsein, jetzt keine Drohne zu sein.
(Volksmund, Rubrik „Bonner Angelegenheiten“)
Sonntag, 4. April 1915
Ostergruß für die Bonner Regimenter. Man schreibt uns: Auf Grund des Aufrufs der Vaterländischen Vereinigungen sind die Liebesgaben für unsere Bonner Regimenter außerordentlich reichlich zusammengeströmt. Am Freitag konnte ein ganzer Eisenbahnwagen schwer beladen nach der Front abrollen und die Anordnungen sind so getroffen, daß er bestimmt bis zum Osterfest bei den einzelnen Truppengruppen anlangt. Der Wagen wird von einem Sanitäter begleitet, so daß auch eine sorgfältige Verteilung an die einzelnen Regimenter durchaus gewährleistet ist. Der Wert der beförderten Liebesgaben, soweit er sich schätzen läßt, ist weit über 6000 Mark zu veranschlagen. Daneben sind noch eine Unmenge kleiner Pakete, die teils mit Ostergrüßen versehen und teils andere scherzhafte Anspielungen auf das Osterfest enthalten, mitgegeben worden. Nochmals sei allen Gebern Dank gesagt.
Urlaub zur Frühjahrsbestellung. Auf Anordnung des stellvertretenden Generalkommandos des 8. Armeekorps sind Urlaubsgesuche für die Frühjahrsbestellung für Leute des Besatzungsheeres – mit der Bescheinigung des Revier-Polizeikommissars und des Oberbürgermeisteramts versehen – direkt an den Ersatztruppenteil, für Leute des Feldheeres, durch Vermittlung des Bezirkskommandos, an das Generalkommando zu richten. Die Gesuche müssen eingehend begründet sein und folgende Angaben enthalten: Art und Umfang des Betriebes, ob und welcher Viehbestand, ob und welche Milchwirtschaft, wieviel Land überhaupt, wieviel zur Frühjahrssaat zu bestellen ist, wieviel Personal da ist, ob und warum kein Ersatz für den Reklamierten zu beschaffen ist, auf wie lange Zeit der Reklamierte für die Frühjahrsbestellung benötigt wird und von wann an. Gehört der Reklamierte zum Feldheer, so ist des Näheren anzugeben, ob und inwiefern ein äußerster Notfall vorliegt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Ostern 1915. Wie ganz anders wirken diese Tage gegenüber den vorigjährigen Ostertagen auf uns ein. Damals lachte die Friedenssonne über der frühlingsjungen Erde, und wenn auch am politischen Himmel einige dunkle Wölkchen aufzogen, so dachten wir doch nicht an ein drohendes Wetter, oder gar an einen Krieg, wie er uns jetzt wie mit eisernen Klauen umklammert hält. Damals war die einzige Sorge, die uns vor den Ostertagen erfüllte: Wie wird das Wetter? Ausflugs- und Wanderpläne beschäftigten uns, möglichst nahe wollten wir dem Pulsschlag der lenzatmenden Welt sein.
In diesem Jahre denken wohl wenige an Ausflugs- und Wanderpläne, und auch das Wetter spielt nicht mehr die Hauptrolle. Andere Gedanken und Sorgen erfüllen uns, andere Ereignisse haben uns mit Beschlag genommen und der Krieg, gegen dessen Furchtbarkeit alle anderen Kriege fast Kinderspiele waren, hat in unser Leben und unser Heim mit rauher Hand eingegriffen. Acht Monate schon währet das blutige Ringen. Der Ring der Jahreszeiten will sich in diesem Krieg schließen. In sommerlicher Erntezeit zerriß der Krieg das Friedensband, das bis dahin froh durch deutsche Lande flatterte. Im Sturmwind sprangen wir von Sieg zu Sieg; es kam der Herbst, und im trüben Nebelhauch und Blätterfall kam der Positionskrieg. Und nun ist die Eisherrschaft des Winters gebrochen. Machtvoll zieht der Frühling ins Land. Neues Werden, neues Leben und neue Zuversicht gibt der aufatmenden Welt goldenes Gepräge.
Auferstehung singen uns die Glocken. Auferstehungsgedanken sind auch in unserer Brust, und wie sich da draußen vor den Toren ein jedes Blümchen und Gräschen der Sonne entgegenhebt und mit starkem Lebenswillen ausblühen will, so gewinnt unsere Siegeszuversicht und Hoffnung auf ein baldiges gutes Ende der furchtbaren Zeit immer mehr Raum in uns.
Auch äußerlich hat sich das Bild der Vor-Ostertage in unserer Stadt verändert. Sonst sahen wir fröhliche Osterurlauber aller Waffengattungen in unseren Straßen, festlich helle Kleidung zog das Auge auf sich, Automobile aller Herren Länder huschten an uns vorbei, in den Ausflugsorten vernahmen wir ein internationales Sprachengewirr. Auch das hat sich geändert. Statt der Osterurlauber spazieren am Krückstock oder den Arm in der Binde unsere tapferen Krieger langsam des Wegs, statt froher Festkleidung begegnen wir manchen Frauen in tiefem Schwarz, und sausen jetzt Automobile an uns vorbei, so sind es nur selten Luxuswagen, sondern Kraftwagen in feldgrauem Anstrich und in militärischen Diensten. Ausländer sehen wir fast keine mehr, höchstens daß de breithosige Holländer mit volltönender Stimme seine „Hollanske Böcking“ anpreist.
Bei dieser Gelegenheit mag auch hier daran erinnert sein, daß, wie von anderen Seiten schon betont, dem Reisedrang nach dem Auslande Einhalt getan werden muß.
Gegen die festgesetzten Höchstpreise hatte sich ein Getreidehändler aus einem benachbarten Ort vergangen und zwar hatte er von drei Bauern Weizen und Hafer zu einem Preise gekauft, der über den Höchstpreis, der für diese Getreidearten angesetzt war, hinausging. Vor der Strafkammer entschuldigte der Angeklagte sich am Samstag damit, er sei zu solchen Maßnahmen durch die Konkurrenz gezwungen worden, die ebenfalls diese Preise bezahlt habe. Das Gericht erkannte auf eine Geldstrafe von 100 Mark.
Wegen Vergehens gegen die Bundesratsverordnung vom 25. Januar 1915 hatten sich am Samstag vor der Strafkammer 16 Gewerbetreibende, meist Bäcker aus Bonn und der näheren Umgegend zu verantworten. Das Gericht erkannte auf Strafen von 15 bis 100 Mark, in jedem einzelnen Falle.
In der „Sonne“ am Markt tritt von Sonntag ab für kurze Zeit Hofschauspieler Michael Pichon in dem holländischen Drama „Der Brandstifter“ auf. In diesem Stück spielt Pichon die Rollen aller sieben auftretenden Personen, und zwar, wie die Preßberichte einstimmig erklären, in ausgezeichneter Weise. „Der Brandstifter“ ist kein Stück für Verwandlungskünstler, deren Hauptaufgabe darin besteht, mit unheimlicher Geschwindigkeit einen Kleiderwechsel vorzunehmen, sondern ein Werk, das sieben ganze Schauspieler von Qualität erfordert. Aus dem übrigen Programm ist noch das Auftreten des Kölner Universalkünstlers R. Segommer zu erwähnen, der die Erlebnisse des Gefreiten Schmitz im Gefangenenlager zum Besten gibt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Eierpreise sind von einzelnen Bonner Geschäften kurz vor dem Osterfeste plötzlich erhöht worden. Angesichts einer derartigen Ausnutzung der Konjunktur wäre es allerdings rätlich, den „Osterhasen“ streiken zu lassen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Auf der Siebengebirgsbahn wird der Betrieb Ostersonntag und Ostermontag zeitweilig verstärkt und zwar fahren die Züge in der Richtung Bonn-Königswinter in der Zeit von 1,50 bis 4,50 Uhr und von 5,50 bis 7,30 Uhr halbstündlich ab Meckenheimer Straße (Bonn); in der Richtung Königswinter-Bonn in der Zeit von 2,10 bis 9,40 Uhr halbstündlich ab Königswinter.
Städt. Lyzeum. Dem soeben erschienenen Jahresbericht entnehmen wir: Die schnell herangewachsene Anstalt wird in der nächsten Zeit einen sprunghaften Fortschritt in ihrer Entwicklung erfahren, indem die aufgelöste private Studienanstalt Ostern 1915 mit dem Städt. Lyzeum vereinigt wird. Der für das Lyzeum erbaute Schulhaus-Neubau wird Ostern bezogen werden. Durch die Angliederung der Studienanstalt wurde ein Anbau nötig, der erst nach den Herbstferien benutzt werden kann. Ein kleiner Rest der Anstalt wird also bis zum Herbst im bisherigen Schulhause, Coblenzerstraße 90, verbleiben müssen. Zwei Lehrer, Dr. Biederlack und Dolberg wurden zum Heere einberufen. Herr Dr. Biederlack ist inzwischen gefallen.
Eine wichtige Erfindung für unsere Krieger. In Bonner Lazaretten ist in den letzten Wochen eine sehr beachtenswerte Erfindung des Orthopäden Karl Leopold Müller (Bonn) erprobt worden. Sie dient dazu, bei Verwundungen eines Gliedes den Blutabfluß zu stauen, bezw. Ganz erheblich zu verringern. Es ist erstaunlich, mit wie einfachen Mitteln der Erfinder diesen Zweck erreicht. Er hat nur einen starken, 60 Zentimeter langen und 2 Zentimeter breiten Gurt mit einer patentierten, selbsttätig schließenden Schnalle verbunden. Jeder Soldat kann bei leichter oder schwerer Verwundung eines Gliedes diesen sogenannten Selbst-Abbinder ohne fremde Hülfe an sich anwenden, und dadurch das verletzte Glied, sehr oft auch sein Leben erhalten. Bis jetzt verbanden verwundete Soldaten das verletzte Glied mit dem Taschentuch oder einem anderen anderen Hülfsmittel ab. Das war aber immer eine unvollkommene, manchesmal sogar schädliche Maßnahme. Und vor allem bedurfte der Verwundete dazu der Hülfe eines Zweiten. Das ist beim Selbst-Abbinder nicht notwendig. Mehrere hervorragende Bonner Aerzte haben sich über die Erfindung sehr lobend geäußert.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Montag, 5. April 1915
Am zweiten Osterfeiertag erschienen in Bonn keine Zeitungen.
Feldpost?
Familie
Hauptmann Loosen
Godesberg
Rüngsdorferstraße 28.
Gesegnete Ostern und recht vergnügte Feiertage wünscht herzlichst
Wilh. Wendel
Inf. Regt. 160 Rekr. Depot I in Bonn
Abteilung C. Lazarettstube 121
Dienstag, 6. April 1915
Die Osterfeiertage brachten trübes, regnerisches Wetter. So mußte mancher Ausflugsplan aufgegeben werden. Der Verkehr in die Umgegend war nicht sehr stark. Dagegen sah Bonn viele Gäste von auswärts. Vor allem viele Feldgraue, denen das freundliche Geschick eines Osterurlaubs zu teil wurde, waren hierher gekommen, um die Feiertage bei ihren Angehörigen zu verbringen.
Ländliche Arbeiten an Sonn- und Feiertagen. Kardinal-Erzbischof von Hartmann erließ eine Anordnung, durch welche gestattet wird, daß im Hinblick auf den Mangel an Arbeitskräften dort, wo es erforderlich ist, an allen Sonn- und Feiertagen, mit Ausnahme des Ostersonntages und des Pfingstsonntages, sowie des Fronleichnamsfestes alle ländlichen Arbeiten für die Frühjahrsbestellung verrichtet werden. Von dieser Erlaubnis kann auch zu Nutzen anderer als der eigenen Familie Gebrauch gemacht werden. Der Kardinal hofft, daß hierdurch auch die Aecker der sogenannten kleinen Leute rechtzeitig und gut versorgt werden. Die Pfarrer und Rektoren sollen die Gläubigen ermuntern, sich mit besonderer Sorgfalt derjenigen Familien anzunehmen, die wegen der Einberufung von Familienmitglieder am meisten der Hilfe bedürfen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Die Ostertage haben uns nicht den erhofften blauen Himmel mit dem nötigen Sonnenschein gebracht. Eintönig, durch nichts unterbrochen, plätscherte der Regen aus grauverhängtem Himmel, klopfte mit eigensinniger Ausdauer gegen die Fensterscheiben und verjagte jeden schüchternen Gedanken an Spaziergang und Wanderlust. So kam man nicht aus seinen vier Wänden heraus. Jeder suchte, so gut es eben ging, bei einem Buch oder seinen Gedanken die Feiertage herumzubringen. Während man in den Regen schaute, flogen die Gedanken von selbst zu unsern braven Helden im Felde, und es kam uns doppelt – weil man selbst im Trockenen saß – zum Bewußtsein, was unsere Krieger außer der Not des Kampfes noch an Witterungsunbilden auszustehen haben. Beruhigend empfanden wir, daß unsere Krieger die härteste Jahreszeit hinter sich haben und das Frühjahr mit wärmerem Wetter einsetzt. Angesicht der Wunder, die der Lenz vollbringt, und der länger werdenden helleren Tage schöpfen unsere Soldaten erhöhten Mut, neue Zuversicht und Kraft, ihr schweres, doch sieggewohntes Werk fortzusetzen und zum guten Ende zu bringen. Eis und Winterstürme, feindliche Übermacht, Kampf und Not haben unsere Heldenschar nicht zu beugen vermocht. Jetzt, da ein hartnäckiger erbitterter Gegner – der Winter – niedergerungen, wird sich deutscher Heldengeist und Mut weiterhin – des sind wir gewiß – glänzend bewähren, und wie die Frühjahrssonne das Wintergrau siegreich durchbricht, ebenso siegreich aus diesem schweren Kriege hervorgehen.
Der Verkehr an beiden Ostertagen war nur mäßig. Die vorsorglich eingelegten Beiwagen unserer Vorortbahnen blieben leer. Die Osterurlauber fielen weniger auf, das das Feldgrau die Unterschiede der Uniform wesentlich verwischt.
Das Städtische Gymnasium und Real-Gymnasium war im Sommer von 643 Schülern besucht. (...) Im Winter mußte der regelrechte Turnunterricht eingestellt werden, da fast sämtliche Herren, die ihn gegeben hatten, ins Heer eintraten. Als Ersatz unternahmen die Ordinarien allwöchentlich an einem Nachmittag mit ihren Klassen größere Spiele oder Wanderungen. Die älteren wehrbundpflichtigen Schüler unterwies Herr Prof. Cremers an zwei Wochennachmittagen in den militärischen Vorübungen, während der Direktor größere Märsche und Uebungen im Gelände ausführte, wobei die Höhen des Siebengebirges wiederholt im Sturm genommen wurden. In den Reihen der Lehrer und Schüler kamen zahlreiche Todesfälle vor. (...) Als erster starb den Heldentod für das Vaterland Herr Oberlehrer Dr. Raders. Ihm folgte Seminarkandidat Josef Grimmendahl, sowie Herr Dr. Friedrichs. Vorschullehrer Küpper ist verwundet in französische Gefangenschaft geraten. Zwei Schüler sind bereits gefallen und zwei werden vermißt. (...) Bei der Notprüfung im Kriegsanfang bestanden alle Prüflinge. Vom Lehrerkollegium traten neun Oberlehrer, drei technische und Vorschullehrer und sieben Kandidaten in das Heer ein. Oberlehrer Dr. Hartke hat das Eiserne Kreuz erhalten. Die Einnahme Antwerpens und die Niederlage sowie der Rückzug der Russen gaben Veranlassung zu Schulfeiern und zum Ausfall des Unterrichts. (...) In den Mitteilungen an die Schüler, ihre Eltern und die Pfleger weist der Direktor auf die Notwendigkeit hin, den Leibesübungen mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Da die meisten Nachmittage schulfrei seien, sollten die Stunden bis 5 Uhr der Erholung und körperlichen Ausbildung gewidmet sein und nicht greisenhaften Spaziergängen im Hofgarten oder Baumschulwäldchen. In zwei bis zweieinhalb Stunden könne jeder Durchschnittsschüler seine Hausarbeiten bewältigen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Verschönerungsverein. Godesberg, 4. April. Damit die stolze Kraft dieses Vereins auch während des Krieges nicht erlahmt, hat der Gemeinderat in seiner letzten Sitzung den Gemeindeunterstützungsbetrag vom vorigen Jahre nicht gestrichen. Es muß daher gestattet sein, jetzt zu Beginn des Frühlings, in dem Godesberg sich überall in der bekannten Sauberkeit und Ordnung zeigt, dem Verein einen Ordnungsvorschlag zu machen, den ich schon einige Jahre mit mir herumtrage. Der genannte Verein hat an vielen Stellen des Ortes Orientierungstafeln vor etwas 10 Jahren aufgestellt. Diese Tafeln sehen heute recht häßlich aus. Ihre Schrift ist zum größten Teil unleserlich geworden. Außerdem sind die Hinweise auf die Wegebezeichnung im Walde weder notwendig noch praktisch, da jeder Neuzuziehende vom Verein gratis eine billige Wegekarte erhält, die in mehreren Geschäften zu kaufen ist. Alte, häßliche, schmutzige Tafeln an den verkehrsreichsten Stellen des Ortes sind ein Stein des Anstoßes für jeden Fremden. Fort damit. Ein Ordnungsliebender.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Für den Bonner Bürgerverein liegt augenblicklich ein Schiff mit Moselwein, das von der Mosel gekommen ist, hier am Werft zu Ausladen. Gerade in der gegenwärtigen Kriegszeit ist dies eine Seltenheit, aber immerhin ein erfreuliches Zeichen dafür, daß auch in dieser Zeit die Winzer für ihre Produkte Absatz finden.
Weitere Schulkinder können, so sagt eine Anordnung des zuständigen Ministeriums, im Bedarfsfalle für landwirtschaftliche Arbeiten, Gartenbestellung usw. den erforderlichen Schulurlaub erhalten.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Mittwoch, 7. April 1915
Solingen. Das Generalkommando des 7. Armeekorps hat das Erscheinen der Bergischen Arbeiterstimme in Solingen, der Remscheider Arbeiterzeitung in Remscheid und der Arbeiterzeitung in Essen für drei Tage verboten. Die Veranlassung dieses Verbots ist der Abdruck eines Bernsteinschen Artikels aus der Leipziger Volkszeitung, der die Abstimmung im Reichstag betraf.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz“)
Einschulung der Schulneulinge. Mit Rücksicht auf die vielen durch den Krieg eingezogenen Lehrer und der dadurch hervorgerufene starke Lehrermangel hat die Königl. Regierung zu Köln unterm 20. März die Genehmigung dazu erteilt, daß auf begründeten Antrag die Einschulung der Schulneulinge in diesem Jahre bis auf weiteres hinausgeschoben werde. Wie bereits von uns mitgeteilt, hatte die städtische Schuldeputation beschlossen, die Genehmigung zur Aufnahme eines Teiles unserer Schulneulinge zu Beginn des neuen Schuljahres nachzusuchen, nämlich der Knaben und Mädchen, welche vor dem 1. April d. Js. das sechste Lebensjahr vollenden. In unsrer Nachbarstadt Köln ist der Lehrermangel entsprechend der Größe der Stadt noch weit bedeutender, indem von den rund 860 dort amtierenden Lehrern 350 bereits zu den Fahnen einberufen sind und 100 die Einberufung noch zu erwarten haben. Infolgedessen mußte dort der Unterricht erheblichen Veränderungen unterworfen und der Antrag erwogen werden, von einer Einschulung zurzeit überhaupt völlig abzusehen. Die Königl. Regierung sieht entsprechenden baldigen Anträgen der Schuldeputationen und Schulvorstände entgegen, um dadurch die Entscheidung der einzelnen Fälle über die diesjährige Einschulung der Schulneulinge zu treffen.
Zur Frühjahrsbestellung mit Rücksicht auf die Nahrungs- und Futterversorgung macht der Minister für Landwirtschaft, Freiherr von Schorlemer, darauf aufmerksam, daß der Vorrat an Kartoffeln für die Saat und die Ernährung ausreiche, wenn jeder einzelne Verbraucher die äußerste Sparsamkeit walten lasse. Sparen könne man in erster Linie bei der Saat. Namentlich das Auslegen von Kartoffeln auf gänzlich unfruchtbare, ungedüngte und verqueckte Böden müsse unter den heutigen Zeitverhältnissen als Verschwendung schlimmster Art gekennzeichnet werden und sollte unterbleiben. Park- und Rasenflächen könne man als Gemüseland benutzen und auf ihnen Kohlrüben und Möhren ziehen. Saatkartoffeln könnten ferner noch gespart werden in den Brennereiwirtschaften. Unter keinen Umständen dürften mehr Kartoffeln ausgesät werden als zu Erzielung einer befriedigenden Ernte unbedingt erforderlich seien. (...)
Im Hausgarten haben die warmen Regentage Wundergewirkt. Bei dem kalten Ostwinde wagten sich nur zögernd in geschützten Lagen einzelne Aprikosen- und Pfirsichblüten zu öffnen. Jetzt sind die lange auf Feuchtigkeit wartenden Sämereien gerettet. Auch für alle die teuren Frühkartoffeln, die in der letzten Zeit dem Schoße der Erde anvertraut wurden, war der Regen wichtig. Die Wiesen zeigen an sonnigen Stellungen ihr saftiges Grün, das bald neues Futter verspricht u. Milch u. Butter vermehrt. Im Walde haben Birke u. Lerche mit frischem Grün den Anfang gemacht. Der plötzl. Einzug des Frühlings zeigt sich im Walde am wirkungsvollsten. Spötter- und Drosselarten feiern seinen Einzug durch ihren fleißigen weithinschallenden Gesang. Von der Spitze der Fichte oder Kiefer gibt die Schwarzdrossel dem Frühlingsabend eine besondere Note.
Ferien und Schulurlaub für ältere Schulkinder. Nach einem neuen Erlaß des preußischen Unterrichtsministers vom 5. März d. Js. sind die Königl. Regierungen ermächtigt, durch die ihnen unterstellten Behörden den einzelnen Gemeinden, wo wegen Mangels an Arbeitskräften Schwierigkeiten entstehen, in weitgehender Weise entgegenzukommen. Namentlich soll für die Verteilung der Ferien auf die geeigneten Sommer- und Herbstzeiten hinsichtlich der örtlichen und wirtschaftlichen Bedürfnisse der Bevölkerung sorgsam Rücksicht genommen werden. Auch soll darüber hinaus für die Dauer des Krieges die Königl. Regierung befugt sein, den älteren Schulkindern im Bedürfnisfalle für Gartenbestellung, land- und forstwirtschaftlichen Arbeiten und dgl. Unter entsprechender Anwendung früherer ministerieller Erlasse vom Juli und August 1914 den erforderlichen Urlaub zu gewähren. – durch diese dankenswerten Erlasse ist die ordnungsmäßige und rechtzeitige Durchführung der landwirtschaftlichen Arbeiten in der nun beginnenden Bestellungs- und späteren Ernteperiode der für die Landwirtschaft so ungemein schweren und ernsten Zeit sehr erleichtert.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Godesberg, 6. April. Die Kriegshilfe hat beschlossen, mit Rücksicht auf den Krieg die Suppenküchen in Godesberg, Friesdorf und Mehlem vorläufig weiterzuführen. Von heute ab sind jedoch für die Portion 5 Pfg. zu entrichten. Anmeldungen sind am 16. und 17. April, vormittags und nachmittags bei der Zentralstelle der Kriegshilfe in der Rheinallee zu machen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und fern“)
12 Uhr Polizeistunde. Der Gouverneur der Festung Köln erläßt folgende Bekanntmachung:
„Für den gesamten Befehlsbereich der Festung Köln bestimme ich hiermit, daß in Gast- und Schankwirtschaften der Gewerbebetrieb nur von 6 Uhr morgens bis 12 Uhr nachts ausgeübt werden darf mit der Maßgabe, daß in den Gemeinde, für welche bisher eine frühere Polizeistunde in Kraft war, diese auf 11 Uhr abends beschränkt bleibt.
Vorstehende Bestimmung findet keine Anwendung auf Gasthofswirte gegenüber ihren Wohngästen und Bahnhofswirte gegenüber den Eisenbahnreisenden.
Für Speisewirtschaften wird die Polizeistunde allgemein auf 11 Uhr abends festgesetzt.
Eine Ausdehnung auf Grund besonderer Veranlassung in einzelnen Fällen bedarf meiner Genehmigung. Die Befugnis der Polizeibehörden, eine Herabsetzung der Polizeistunde anzuordnen, bleibt unberührt.
Im Falle der Zuwiderhandlung wird unabhängig von der gesetzlichen Strafe die Schließung solcher Wirtschaften, deren Inhaber das Verweilen der Gäste über die Polizeistunde geduldet haben, auf Zeit oder für die Dauer des Kriegszustandes verfügt werden.“
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Im Varietee-Theater „Sonne“ wird zurzeit ein Programm geboten, das sowohl an Reichhaltigkeit wie an Güte manchem Großstadt- Varietee nicht nachsteht. Außer dem bunten Teil, dem der Bonner Universalkünstler Kraus-Segommer das Gepräge gibt, bietet das Programm einen Einakter „Der Brandstifter“, dessen Inhalt ein packendes Verhör vor dem Untersuchungsrichter ausmacht. Die sieben verschiedenen Zeugenrollen werden dargestellt von einem einzigen Schauspieler Herrn Michael Pichon, z.Z. Oberregisseur am Elberfelder Stadttheater. Mit einer Kunst der Gestaltungskraft, die ihresgleichen sucht, weiß Herr Pichon eine jede der sieben Personen lebenswahr zu charakterisieren. Nicht nur in der äußeren Erscheinung, sondern auch in der Sprache , die bald in unheimlichem Flüsterton, bald in gellendem Aufschrei von höchster dramatischer Wucht erklingt. Allein dieser Glanzleistung halber, die eigentlich sieben tüchtige Schauspieler erfordert, verlohnt es sich, eine Vorstellung in der „Sonne“ zu besuchen.
(Volksmund, Rubrik „Bonner Angelegenheiten“)
Donnerstag, 8. April 1915
Esset auch Süßwasserfische! Die Fischnahrung ist berufen, während des gegenwärtigen Krieges eine besonders wichtige Rolle zu spielen, weil wir in der Lage sind, mit ihr unsere Fleischvorräte in sehr erheblichem Maße zu strecken; denn der Fisch in seinen verschiedenen Formen ist durch seinen Nährgehalt, namentlich durch seinen Reichtum an Eiweiß, aber auch durch seine leichte Verdaulichkeit besonders geeignet, das Warmblüterfleisch auf unserem Tisch zu ersetzen und bringt zugleich eine willkommene Abwechslung in die Reihe unserer täglichen Gerichte. Dies ist für die Seefische oft genug betont worden; es gilt aber auch für die Fische des Süßwassers, die uns andauernd in großen Mengen zur Verfügung stehen und in einer Mannigfaltigkeit, die jeder Geschmacksrichtung und jedem Grade pekuniärer Leistungsfähigkeit Rechnung trägt. Gerade dieser letztere Umstand macht es wünschenswert, daß diejenigen, die teure Fischsorten zu bezahlen in der Lage sind, auch solche kaufen. Gerade die vornehmsten Fischsorten des Süßwassers, wie z.B. Forelle, Lachs, oft auch Karpfen und Schleie stehen gegenwärtig niedriger im Preise als in normalen Zeiten, weil mit Unrecht fast jedermann – auch der Begüterte – bestrebt ist, die Ausgaben für seine Lebenshaltung wesentlich einzuschränken, und weil Gastereien und Festlichkeiten, bei denen diese Fische besonders gebraucht werden, wenig oder gar nicht stattfinden. Da die genannten Fischsorten – abgesehen natürlich vom Lachs – in überwiegendem Maße von unserer hochentwickelten Teichwirtschaft erzeugt und auf den Markt gebracht werden, so ist es auch im Interesse dieses wichtigen Zweiges unserer Landwirtschaft dringend zu wünschen, daß diese Ware einen flotten Absatz findet, so zwar, daß sich der in ihr schlummernde Aufwand von pfleglicher Arbeit und Futterkosten bezahlt macht, d.h. daß sie nicht zu Schleuderpreisen abgesetzt wird. Auch alle sonstige Süßwasserfischarten, wie Aal, Hecht, Barsch, Brassen u. a. m., die in Flüssen und Seen gefangen werden, sind gegenwärtig infolge geringerer Nachfrage meist billiger als zu Friedenszeiten und sollten viel eifriger gekauft werden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Kartoffeln und Schweine. (Inform. uns. Berl. Red.) Der Bundesrat hält, wie wir erfahren, in dieser Woche keine Sitzung ab, nur die Ausschüsse versammeln sich, um neue wirtschaftliche Maßnahmen zu beraten. Die Mitteilung über das Ergebnis der Kartoffelbestandsaufnahme in Deutschland hat im Bundesrat überrascht, man hatte ein günstigeres Ergebnis erwartet, man glaubt, daß die Vorräte von den Landwirten durchschnittlich um 85 Prozent zu niedrig angegeben worden sind. Da der Reichskanzler ermächtigt ist, eine zweite Zählung im April oder im Mai vornehmen zu lassen, wird nach dem jetzigen Eintritt besseren Wetters, das die allgemeine Oeffnung der Kartoffelmieten gestattet, eine genauere Zählung sich ermöglichen lassen. Ueber den neuen Zählungstermin ist eine Entscheidung noch nicht getroffen. In Anbetracht des vorläufigen Zählungsergebnisses wird es nach der Auffassung an zuständiger Regierungsstelle notwendig sein, noch etwa 2 ½ Millionen Schweine abzuschlachten, um die für die menschliche Ernährung erforderlichen Kartoffelvorräte zu sichern. Falls ein freihändiger Verkauf von Schweinen in genügendem Maße nicht stattfindet, wird zu Enteignungen geschritten werden.
Ankauf von Schweinen. Mit dem Ankauf halbreifer Schweine (Lebendgewicht 120 bis 180 Pfund) durch die Zentral-Einkaufsgesellschaft m. b. H. wird jetzt energisch vorgegangen. Zu diesem Zweck sind überall Vertrauensleute bestellt worden. Die Preise sind nach sechs Gewichtsklassen festgesetzt und bewegen sich von 55 bis 60 Mark für den Zentner Lebendgewicht. Der vom Bundesrat bestimmte Uebernahmepreis ist um 3 bis 6 Mark niedriger. Falls freiwillig nicht sofort alle Schweine der Gesellschaft zur Verfügung gestellt werden, haben die Landräte die Enteignung aller Schweine der genannten Gewichtsklassen unverzüglich vorzunehmen. Das ganze Einkaufsgeschäft soll mit größter Beschleunigung zur Durchführung kommen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Schulgärten, Turn- und Spielplätze sollen, so bestimmt ein Ministerialerlaß, überall da, wo deren Verwendung im Interesse der Schule durch den Krieg Hindernisse entgegengestellt wurden, zu Kartoffel- und Gemüseanpflanzungen verwendet werden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Freitag, 9. April 1915
Polizeistunde. Durch Bekanntmachung des Herrn Guvernörs der Festung Köln vom 1. April, aus der wir schon einen kurzen Auszug gebracht haben, ist für den gesamten Befehlsbereich der Festung Köln – also auch für den Stadtkreis Bonn – bestimmt worden, daß in Gast- und Schankwirtschaften der Gewerbebetrieb nur von 6 Uhr morgens bis 12 Uhr nachts ausgeübt werden darf. Zur Vermeidung von Mißverständnissen wird darauf hingewiesen, daß nach § 365 des Reichsstrafgesetzbuches derjenige, der in einer Schankstube oder an einem öffentlichen Vergnügungsorte über die gebotene Polizeistunde, trotz Aufforderung des Wirtes, seines Vertreters oder eines Polizeibeamten zum Fortgehen, hinaus verweilt, mit Geldstrafe bis zu 15 Mark bestraft wird, an deren Stelle im Nichtbeitreibungsfalle entsprechende Haftstrafe tritt. Der Wirt, welcher das Verweilen seiner Gäste über die gebotene Polizeistunde hinaus duldet, wird mit Geldstrafe bis zu 60 M. oder mit Haft bis zu 14 Tagen bestraft, falls nicht unabhängig von der gesetzlichen Strafe die Schließung solcher Wirtschaften auf Zeit oder Dauer des Kriegszustandes durch das Guvernement angeordnet wird. Vorstehende Bestimmung findet keine Anwendung auf Gasthofswirte gegenüber ihren Wohngästen und Bahnhofswirte gegenüber den Eisenbahnreisenden. Für Speisewirtschaften ist die Polizeistunde allgemein auf 11 Uhr abends festgesetzt worden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Eine Anzahl Kölner Hausfrauen hatte sich vor dem dortigen Schöffengericht zu verantworten, weil sie Kuchen, der größtenteils aus Weizenmehl bestand, in ihrem Hausofen gebacken hatten. Der Amtsanwalt bezeichnete die Damen als Frevler, die sich am Vaterland versündigten. Sie seien es, die bei Beginn des Krieges alles zusammengehamstert hätten und mit Schuld daran wären, daß jetzt die strengen Bestimmungen erlassen wurden. Die Frauen wurden mit 10 bis 25 Mark bestraft.
Pflegt Stallmist und Jauche sorgfältigst. Durch den Krieg ist die Zufuhr wichtiger ausländischer Rohstoffe für die Industrie und besonders auch für die Landwirtschaft unterbunden; alle inländischen Ersatzstoffe sind also mit größter Sparsamkeit zu verwenden. Deshalb ist auch die beste Behandlung und sorgfältigste Verwendung des Wirtschaftsdüngers, insbesondere seines wichtigsten Teiles, des Stickstoffes, mit allen Kräften anzustreben.
Man beachte: Vergeudung von Stickstoff (z.B. in Jauche oder Stallmist) im Werte von 10 Mark ist gleich dem Wegwerfen eines Zehnmarkstückes und Mindererzeugung von Brot und Kartoffeln im Werte von wenigstens 20 bis 30 Mark. Wer auch jetzt noch seine Wirtschaftsdünger schlecht pflegt und falsch verwendet, wer insbesondere die Jauche wegfließen läßt, der versündigt sich in schwerster Weise an seinem eigenen Geldbeutel und besonders auch an der Volksernährung; er arbeitet unseren Feinden in die Hände. Also tue jeder auch hierbei seine Pflicht, denn viel wenig geben ein Vieles. Insgesamt handelt es sich um viele Millionen von Zentnern Brotgetreide und Kartoffeln, die durch gute Behandlung der Wirtschaftsdünger mehr gewonnen werden können. Jauche darf auf keinen Fall in Gräben, Teiche und Dorfgassen abflließen.
Pflegt euren Kartoffelvorrat sorgfältigst. Durch Fäulnis und Keimung soll so wenig wie möglich verloren gehen. Wer seine Kartoffeln gut pflegt, sie öfters vorsichtig umschaufelt und rechtzeitig entkeimt, hat gute Kartoffeln bis zur nächsten Ernte, verdient damit bei den diesjährigen hohen Preisen sehr viel Geld und macht sich um die Volksernährung verdient.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Godesberg, 9. April. Das Collegium Hubertinum wird mit Beginn des neuen Schuljahres in Herrn Oberlehrer Schnirwind vom Erzbischöflichen Progymnasium zu Opladen einen neuen Lehrer erhalten. (...) Der jetzt scheidende Herr Inspektor Cremers war elf Jahre hindurch als hervorragende Lehrkraft mit erfolgreicher Wirksamkeit am Collegium Hubertinum tätig, das zuletzt 90 Schüler hatte mit 15 im Internat. Fünf geistliche und vier weltliche Lehrer erteilten den Unterricht. Die Anstalt reicht bis einschließlich Obertertia. Trotzdem seit Kriegsausbruch sechs Lehrkräfte der Anstalt dem Rufe der Fahne gefolgt sind (einer starb bereits den Heldentod) , hat der Unterrichtsplan verhältnismäßig nur wenig Einbuße erlitten, weil fürsorglich ein Ersatz zeitig getroffen worden war. Während der Herbstferien waren die Anstaltsräume der Militärbehörde als Lazarett zur Verfügung gestellt, ohne indessen von derselben als notwendig herangezogen worden zu sein. Seit längeren Jahren wird angestrebt, der Anstalt auch noch eine Sekunda anzugliedern und sie damit zur Erteilung des Einjährigenzeugnisses zu berechtigen. Ganz besonders nahm dieser Gedanke bei der vorigjährigen Festbegehung des 25jährigen Pfarrjubiläums des Schulschöpfers, Herrn Dechanten Dr. Winter, eine greifbare Gestalt an. Die seit dieser Zeit gepflogenen Verhandlungen haben bereits zu dem Ergebnis geführt, daß nach größter Wahrscheinlichkeit die Anstalt demnächst von der hiesigen katholischen Kirchengemeinde übernommen werden wird.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und fern“)
Samstag, 10. April 1915
Soziale Fürsorge und deutscher Siegeswille. Ueber dieses Thema sprach am Donnerstag der Präsident des Reichsversicherungsamtes, Wirklicher Geheimer Oberregierungsrat Dr. Dr. Kaufmann. Ausgehend von der zugleich großen und schweren Schicksalsstunde, in der Deutschland den gewaltigen Kampf um den Fortbestand der „Deutschheit“ im Sinne Fichtes kämpft, zeigte der Redner, welche bedeutende Aufgabe in diesem Entscheidungskampf die deutsche soziale Fürsorge zu erfüllen hat und auch erfüllt. Nicht die Kriegskunst allein, nicht die Menschenmassen, die sie in ihren Dienst stellt, nicht der tote Besitz entscheiden in diesen Kämpfen. Der Wille zum Sieg gibt den Ausschlag. Die Stärke und Festigkeit der Seelen, die in langer Vorbereitung errungene innere Zucht sind letzten Endes doch die entscheidenden Mächte, die Sieg oder Niederlage bestimmen. Was unsere soziale Fürsorge geleistet hat für die körperliche und seelische Gesundheit unseres Volkes, das wird jetzt offenbar, da die Kräfte Deutschlands vor die entscheidende Probe gestellt sind. Die soziale Fürsorge, eines der köstlichsten Güter, die uns nach 1870 beschert wurden, hat die große Tat vollbracht, zugleich mit den sozialen Umschichtungen und Wandlungen, die in der Entwicklung unseres wirtschaftlichen Lebens und unserer Produktionsformen verbunden waren, eine neue Klasse von Arbeitern zu schaffen, neue Lebensformen für diese Arbeiter zu gewinnen und so die sozialen Härten unseres neuen wirtschaftlichen Lebens zu mildern und die Entwicklung in Bahnen zu lenken, die segensreich für unser Vaterland wurden. Der Redner wies das nach an einem groß aufgezeigten Entwicklungsgang unserer sozialen Fürsorge. Von der Botschaft Kaiser Wilhelm I., der zum ersten Mal in der Weltgeschichte die christliche Nächstenliebe als soziale Pflicht des Staates verkündete, bis zu den sozialen Erlassen Kaiser Wilhelms II. und dem vollendeten Ausbau unserer sozialen Fürsorge. Besonders betonte der Redner dabei die Bedeutung des Versicherungszwanges, ohne den das Problem der sozialen Versicherung unlösbar geblieben wäre. Und wie der Versicherungszwang den Sparsinn der Arbeiter anregte, so wurde die Selbstverwaltung der Kassen zu einer Schule deutscher Zucht und Organisationskraft. Die Arbeiterversicherung wurde zu einem Grund- und Eckpfeiler unserer Wohlfahrtspflege. So schuf unsere Sozialversicherung die innere Einheit, die wir von den Tagen der Mobilmachung an erlebt haben, so schuf sie auch den über das Daseinsmindestmaß gehobenen Arbeiter, der nun einig und treu und zielbewußt mithilft, die deutsche Arbeit zu schützen. Geheimrat Kaufmann tritt mit warmherziger Entschiedenheit dafür ein, daß die Versicherungsfürsorge nach dem Kriege weiter ausgebaut werde. Er zeigt weiterhin, wie die für die Kriegsbereitschaft so bedeutungsvoll gewordene soziale Fürsorge auch im Kriege tätig ist und außerdem ihre Geldmittel als treffliche Waffe gegen die Kriegsnot nutzbar zu machen versteht. Besondere Bedeutung besitzen die Ausführungen, die der Vortragende über die Gestaltung unserer inneren politischen und sozialen Verhältnisse nach dem Krieg machte. (Wir kommen hierauf nochmals zurück. D. Red.)
In Stunden der Entscheidung wird dem Volke die Siegespalme zuteil, das am stärksten vom kategorischen Imperativ durchdrungen, im Kampf gegen menschliches Elend die größten Erfolge aufzuweisen hat. Von dieser politischen These ausgehend wies er Vortragende im Schlußteil seiner Rede auf Deutschlands „Ewigkeitsberuf“ hin, um mit Schillers prophetischem Wort zu schließen: „Jedes Volk hat seinen Tag in der Geschichte; der Tag der Deutschen ist die Ernte der ganzen Zeit.“
Die Baumblüte beginnt. In der Stadt und Umgebung sieht man die Pfirsiche ihre ersten Blüten erschließen und auch die Aprikosen stehen kurz vor der Blüte.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Vereinslazarettzug K. 1. Bonn. Unser Bonner Lazarettzug trat am Montag, den 29. März, abends am Güterbahnhof seine siebente Reise über Lüttich, Charleroi (wo ein halber Tag Aufenthalt stattfand) nach Chauny an, wo am Mittwoch Morgen 227 deutsche und 6 französische Verwundete geladen wurden. Die Schneelandschaft des Morgens wich bald den Strahlen der Sonne, und herrliches Frühlingswetter begleitete die Rückfahrt über Lüttich, Köln und den Rhein entlang bis Frankfurt – ein Genuß für die Leichtverwundeten, von denen viele, besonders Norddeutsche, den Rhein zu erstenmale sahen. In Frankfurt wurde abends in 1½ Stunden ausgeladen.
Die erbetene zweite Wäscheausstattung ist dank der vielen gütigen Gaben jetzt zusammen. Für die nächste Zeit sind besonders erwünscht Zigarren, Schokolade, Gemüse- und Obstkonserven in Blechbüchsen, überhaupt Lebensmittel aller Art (Dauerwaren), da der kürzlich auf das äußerste beschnittene staatliche Verpflegungszuschuß nur eine sehr bescheidene Küche gestattet.
Überhaupt haben die Ausgaben für den Zug in letzter Zeit eine erhebliche Steigerung erfahren, einmal weil die Preise für die meisten Gegenstände gestiegen sind, sodann aber auch, weil für Vieles, was im Laufe der viermonatigen Benützung des Zuges abgebraucht worden ist, jetzt Ersatz beschafft werden muß. Wir richten deshalb an alle Kreise der Bonner Bürgerschaft die Bitte, das Unternehmen durch Zuwendung weiterer Geldbeträge tatkräftig zu unterstützen. Einzahlungen bitten wir auf der Bonner Zweigstelle der Deutschen Bank zu machen. Lebensmittel und dergleichen werden Bahnhofstraße 40 dankend entgegen genommen.
(Es folgt eine Liste der Spender)
Das erste deutsche Rauchverbot für Knaben. Der Weltkrieg hat bewirkt, daß die Staatsgewalt auf den wichtigsten Gebieten der Gütererzeugung und Güterverteilung die staatliche Regelung an die Stelle der wirtschaftlichen Freiheit hat treten lassen. Angesichts dieser Entwicklung wird ein Eingriff in die persönliche Freiheit, zu dem sich die Hansestadt Lübeck entschlossen hat, weniger auffallen, als das sonst der Fall wäre. Der Senat Lübecks hat nämlich durch das Gesundheitsamt für den Lübeckschen Freistaat ein Verbot erlassen, das Personen unter sechzehn Jahren untersagt, Tabak, Zigarren oder Zigaretten zu rauchen. Für die Befolgung dieses Verbotes sind auch die zur Beaufsichtigung der jugendlichen Personen Verpflichteten, in erster Linie also die Eltern, verantwortlich. Ferner wurde verboten, an Personen unter sechzehn Jahren Tabakspfeifen, Tabak, Zigarren oder Zigaretten zu verkaufen oder im Gewerbebetriebe abzugeben. Zuweiderhandlungen werden mit Geldstrafe oder 14 Tagen Haft bestraft. – Damit ist der Lübecker Senat einem Beispiel gefolgt, das von ausländischen Staaten schon seit geraumer Zeit gegeben ist.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Teuerungszulage. Straßenbahner und sonstige Angestellte der Stadt haben schon die Teuerungszulage erhalten. Davon, daß auch die Aushilfsangestellten in den städtischen Schreibstuben, die doch meistens verheiratet sind, auch eine Zulage erhalten sollen, ist noch keine Rede, und sie sind doch ebenso bedürftig wie alle anderen Angestellten. Ein Unparteiischer.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Damen, die verwundete Krieger in den Lazaretten in der Herstellung von geeigneten Fröbelarbeiten, Handarbeiten und ähnlichen leichten Beschäftigungen während der Nachmittagsstunden unterweisen wollen, werden gebeten, sich bis zum 15. April, vormittags zwischen 10 und 11 Uhr, bei Frl. Betty Günther, Hohenzollernstraße 9, zu melden.
Kriegsbriefe einer Frau. Die Schriftstellerin Frau Leonore Niessen-Deiters (Bonn) hat unter diesem Titel im A. Marcus und E. Webers Verlag (Bonn) eine Broschüre erscheinen lassen, die sicherlich mit zu dem Besten gehört, was deutsche Frauen in diesem Kriege gesagt und geschrieben haben. Ihre flammende Anklage gegen England ist umso bemerkenswerter, als sie selbst eine deutsche Frau englischer Abstammung ist. Wir kommen auf diese Schrift noch zurück.
Vorräte an Verbandsstoffen, die mehr als 50 Klg. Betragen, müssen jetzt sofort bei der Medizinalabteilung des Kriegsministeriums Berlin W., Leipzigerplatz 17, angemeldet werden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Gold im Überflusse
Scheint beim hiesigen Oberbergamt vorhanden zu sein: die Aufschrift und die eisernen Gitterstäbe am Oberlicht und vor der Glasfüllung der Haupteingangstür am Alten Zoll protzt und blitzt in strahlendem Gold. Hatten wir wirklich nötig, unser Gold nach der Reichsbank zu schleppen? Hier ist doch wahrhaftig Überfluß! – Gemach, lieber Freund, das Gold, das du dort glänzen siehst, ist nur äußerlich, die Rosetten und Stäbe sind innen aus massiven Eisen. Nur eine (hoffentlich nur vorübergehende) Geschmacksverirrung konnte auf den Protzgedanken kommen, dieses Eisenwerk vergolden zu lassen. Selbst der Harmloseste steht und empfindet hier die aufgeklebte Lüge. Eisen in seinem schlichten Naturkleide wirkt viel natürlicher und darum schöner. Eisen ist heute auch ein Edelmetall, das nur düsterer, ernster ist, wie Gold. Braucht es einen Schutz vor dem Wetter, dann soll es in entsprechende Farben gehüllt werden. Aber nicht in flunkerndes Gold, das seinen wahren Charakter verbirgt. Der Goldaufwand an der Eingangstür zum Oberbergamt ist hoffentlich nur eine vorübergehende Erscheinung. Sie wirkt, besonders in der Jetztzeit, protzenhaft und daher unschön. Mehr: direkt häßlich. Wers nicht glaubt, sehe sich die Tür nur einmal an, und stelle sich vor, wie einfach und erhaben das schmucklose Eisenwerk in seiner ursprünglichen Naturfarbe wirken müßte. Jeder Wahrheitsfreund wird mir zustimmen, daß hier auf Kosten der Natürlichkeit arg gefrevelt worden ist. Urban
(Volksmund, Rubrik „Bonner Angelegenheiten“)
Sonntag, 11. April 1915
Städtische Sparkasse. Nach dem Vorgang anderer Sparkassen und aller hiesigen Bankfilialen wird die Städt. Sparkasse, da die Zahl ihrer Angestellten sich namentlich durch Einberufungen fortwährend verringert, ihre Schalter bis auf weiteres nachmittags schließen. Vormittags sind sie aber schon von 8½ Uhr ab für den Verkehr geöffnet; es wird dem Publikum empfohlen, die Frühstunden auszunutzen.
In den Viktoria-Lichtspielen (Gangolfstraße) werden zwei große Dramen: Die Nilbraut und Versiegelte Lippen und eine dreiaktige Kinoposse, Wer ist Zwiebelbaum? im Film vorgeführt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Ein Bäcker in Godesberg hat verbotswidrig Weißbrot gebacken und als Zwiebackverkauft, trotzdem es nicht geröstet war. Er wurde vom Schöffengericht gestern zu 40 Mk. Geldstrafe verurteilt.
Schülerversetzungen. Man schreibt uns: Infolge der Kriegsverhältnisse sind sowohl an den höheren Schulen, wie auch an den Volks- und Mittelschulen Störungen mancherlei Art unvermeidlich gewesen, wie sie durch das Fehlen von Lehrkräften, durch Vertretungen und Verschiebungen im Unterrichte, durch häufigen Lehrerwechsel und Ausfall von Stunden bedingt wurden. Auch sind Lehrer und Lehrerinnen wie auch die Kinder durch die überwältigenden Eindrücke der großen Zeit, die wir durchleben, vielfach auch durch großes Unglück in den Familien in der regelmäßigen Arbeitsleistung beeinträchtigt worden. Daher haben die Lehrziele auch vielfach nicht in der Weise erreicht werden können, wie es unter normalen Verhältnissen gefordert werden müßte. Nun hat der Unterrichtsminister unterm 29. Januar und neuerdings am 1. März ds. Js. In dankenswerter Weise die ihm unterstellten Aussichtsorgane angewiesen, daß bei den Versetzungen der Schüler an allen öffentlichen Unterrichtsanstalten auf die oben genannten Hemmungen gebührend Rücksicht genommen werde, besonders wo es sich um Schüler und Schülerinnen handelt, die sonst den Anforderungen der Schule entsprochen haben. Insbesondere soll dabei der Gesichtspunkt maßgebend sein, ob der zu versetzende Schüler oder die Schülerin imstande sein wird, mit Erfolg an dem Unterricht der von ihnen zu besuchenden nächst höheren Klasse teilzunehmen. Durch diese Bestimmung ist sowohl der Schule wie auch dem Elternhaus eine große Sorge abgenommen.
Wald- und Blumenschutz im Frühlinge. Man schreibt uns. Allgemach beginnt Wald und Flur den Winterschlaf abzuschütteln, und die sehnsüchtig erwarteten Boten des Vorfrühlings: Amselschlag, Birkengrün und Anemonenduft haben bereits ihre Karte abgegeben. Wie nun der Einzug des Lenzes in unseren herrlichen Kaiser Wilhelm-Park auf dem Venusberge und in den musterhaft gepflegten städtischen Anlagen unserer Gartenstadt am frühesten aber auch am eindrucksvollsten in die Erscheinung tritt, so erscheint es, wie alljährlich, so auch heute wieder dringend geboten, Wald und Anlagen dem Schutze des Publikums zu empfehlen, weil Baum- und Blumenfrevel von Erwachsenen, wie auch besonders von der Jugend leider immer noch zu häufig begangen werden. Mag immerhin die Jugend sich in ihrer Weise an den Kätzchen der Weiden, Birken und Haselnüsse erfreuen, auch einige Zweige sich aneignen, sich auch einen Strauß Anemonen und Schlüsselblumen zusammenstellen – wir haben nichts dagegen. – Aber in roher Weise ganze Aeste abreißen, die dann doch bald zum größten Teile meist wieder fortgeworfen werden, oder aus öffentlichen Pflanzenanlagen und den mit viel Mühe angelegten Vorgärten die eben erblühten Blumen schonungslos zum Schmerze des Eigentümers abreißen und davonlaufen – das muß das Herz jedes Naturfreundes mit Trauer und Schmerz erfüllen. Möge es durch das Zusammenwirken von Elternhaus und Schule darin doch endlich besser werden. Hier kann die erziehende Tätigkeit der Schule gar vieles tun. Wenn die Jugend im Unterricht den kunstvoll gegliederten Bau der Pflanze erkannt und sie auf den Segen der Baumpflanzungen im Haushalte der Natur und ihre Bedeutung für die Kultur hingewiesen wird, wenn sie auf die Schönheit der Blumenwelt aufmerksam gemacht und dabei ihr Herz für das Schöne geöffnet und das Gemüt mit Abscheu vor allem Gemeinen und Rohen erfüllt wird, dann kann auch ein günstiger Erfolg für ihr Verhalten draußen den Gebilden der Natur gegenüber sicher erwartet werden. Sollte aber nichtsdestoweniger hier und dort von Erwachsenen und Kindern Baum- und Blumenfrevel verübt werden, dann möge man mit allen Mitteln der Schulzucht oder der öffentlichen Aufsicht rücksichtslos einschreiten.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Kinder verstorbener Kriegsteilnehmer. Das vermittelnde Bureau der Rheinisch-Westfälischen Jugendgerichtshilfe zu Lennep sucht, um sie in guten Familien zur unentgeltlichen Pflege unterzubringen: Kinder verstorbener Kriegsteilnehmer.
Vormünder, Verwandte, Armenbehörden werden aufgefordert, sich wegen Uebergabe solcher Waisen an das Jugendschutzbureau schriftlich zu wenden. Eine etwaige an einem Orte versammelte größere Zahl von Kindern wird Herr Amtsgerichtsrat Landsberg selbst abholen und zu den Pflegeeltern geleiten. Das Bekenntnis und das Alter der Kinder ist bei der Anmeldung sofort anzugeben. Pflegestellen sind bereits ausreichend vorhanden.
Die Studierenden der kath. Theologie müssen, da das Kollegium Albertinum wie das Kollegium Leoninum bis auf weiteres Lazarettzwecken dienen, sich vorläufig in der Stadt Bonn Unterkommen verschaffen. Die Vorlesungen beginnen am 23. April, daher sollen alle Theologiestudierenden am 22. April sich in Bonn einfinden und bis spätestens nachmittags 6 Uhr bei dem betreffenden Herrn Direktor persönlich sich melden. Die schriftliche Anmeldung beim Erzbischöflichen Generalvikariat muß bis zu 15. April erfolgen.
Zur Warnung. 55 Bäcker und Mehlhändler wurden gestern vom Bonner Schöffengericht, weil sie die Vorschriften über den Verkauf und den Verbrauch von Mehl nicht befolgt hatten, zu Geldstrafen von je 40 Mark verurteilt. Ihre Entschuldigung, sie hätten die Bestimmungen nicht genau gekannt, erkannte das Gericht nicht an. Denn Unkenntnis des Gesetzes schützt nicht vor Strafe.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Montag, 12. April 1915
Ihre Königliche Hoheit Frau Prinzessin Adolf zu Schaumburg-Lippe feiert heute ihren Geburtstag. Weite Kreise der Bonner Bürgerschaft gedenken heute dankbar der hohen Frau, die alle menschenfreundliche Werke zu fördern stets bemüht ist. Den hohen und heiligen Pflichten, die der Krieg für die Deutschen im Lande bringt und denen sich unsere deutschen Frauen mit so viel edlem Wetteifer hingeben, widmet sich die Frau Prinzessin mit unermüdlicher und vorbildlicher Mühe. Wo Werke der Hilfsbereitschaft zu vollenden sind, da wirkt die Frau Prinzessin an erster Stelle. Sie ist Ehrenvorsitzende des Vaterländischen Frauenvereins des Stadt- und Landkreises Bonn, dessen Hauptversammlungen sie besucht und dem sie jederzeit Rat und Hilfe zur Verfügung stellt. So gedenken an dem heutigen Tage vor allem die Frauen Bonns dankbar der Frau Prinzessin, die in den Werken der Hilfsbereitschaft an ihre Spitze getreten ist und ihnen Förderin, Anregerin und Vorbild bedeutet. Rastlos besucht die hohe Frau die Verwundeten in unseren Lazaretten, und neben den Gaben , die sie bringt, weiß sie durch persönliche Liebenswürdigkeit den Verwundeten Trost und liebevollen Zuspruch zu geben. Mit besonderer Liebe waltet sie ihres Amtes im Vereinslazarett „Glückauf“ in der Luisenstraße, in dem sie das Protektorat übernommen und zehn Betten gestiftet hat. Tagtäglich besucht sie das Vereinslazarett, das recht im eigentlichen Sinne ihr Lazarett ist, wie sie sich auch nach dem Befinden jedes einzelnen ihrer Verwundeten erkundigt und jedem Trost zu bringen bemüht ist.
So bedeutet der Geburtstag der Frau Prinzessin für die Bonner einen Tag des Gedenkens voll herzlicher Dankbarkeit. Die Frau Prinzessin selbst aber wird an diesem Tage, der sie inmitten eines Kreises selbstgewählter Pflichten, freudig erfüllter Liebeswerke sieht gewiß den ganzen Segen hilfsbereiter Taten an sich erfahren.
Der Rhein führt wieder große Wassermassen. Er ist in den letzten Tagen bedeutend gestiegen und steigt noch stündlich weiter. Der Pegelstand zeigte heute morgen eine Höhe von 4,90 Meter an.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Die einberufenen Personen haben das Recht, sich bei der Krankenkasse, der sie angehört haben, freiwillig weiter zu versichern. Sie sichern sich dadurch den Anspruch auf Krankengeld für den Fall einer Erkrankung oder Verwundung, das ihren Angehörigen zugutekommt, wenn sie in einem Militärlazarett untergebracht sind. Die Angehörigen erhalten auch das Sterbegeld ausgezahlt, wenn die Versicherten im Felde fallen. Die Erklärung zur Weiterversicherung muß spätestens drei Wochen nach dem Austritt aus der Beschäftigung bei der Krankenkasse abgegeben werden. Auch die Angehörigen können diese Erklärung abgeben. Die Beiträge sind am Schluß eines jeden Monats zu zahlen. Die städtische Verwaltung der Kriegshilfe übernimmt die Zahlung der Beiträge, wenn die Eingezogenen oder ihre Angehörigen nicht bezahlen können.
Waldanemone (Anemorosa). Aus unserem Leserkreise wird uns geschrieben: Wenn nach des langen Winters trüben Tagen die neu belebende Frühlingssonne das Stadtkind dazu treibt, in Feld und Wald nach den ersten Frühlingsblumen zu suchen, dann schauen wir in mancher Kinderhand, die mit Stolz den heimatlichen Tisch zu schmücken bestrebt ist, in der jetzigen Zeit einen Anemonenstrauß. In der jetzigen Zeit und noch früher bedeckt die Waldanemone mit ihren weißen Kelchblüten in unzähligen Exemplaren im Laubwalde den Boden. Viel zu wenig bekannt ist es aber, daß es sich bei den April- und Osterblume des Waldes um eine Giftpflanze handelt, deren Blätter und Blumen Hautentzündungen hervorrufen. Die Schule hat hier die Aufgabe, jährlich zu Beginn des Frühlings durch Hinweis auf die Waldanemone mit der Aufzählung der giftigen Wald- und Feldblumen zu beginnen, die oft genug durch harmlose Kinder ungeahnte Familiensorgen bringen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Dienstag, 13. April 1915
Im Metropoltheater werden in dieser Woche zwei große Dramen im Film vorgeführt: „Kulissenzauber“ mit Alexander Moissi vom Deutschen Theater in Berlin in der Hauptrolle und „Ein Kind der Straße“; außerdem das köstliche Lustspiel „Der Hut meiner Frau“.
Die Köln-Düsseldorfer Dampfschiffahrts-Gesellschaft teilt mit, daß zu Anfang Mai d. J. die noch erforderliche Anzahl von Schiffen in Dienst gestellt werden, um von diesem Zeitpunkt an, einen, den bestehenden Verhältnissen und dem Reisebedürfnis während der Kriegszeit entsprechenden beschränkten Sommer-Fahrplan für den Personenverkehr auf der Hauptstrecke zwischen Köln und Mainz in Kraft zu setzen. In diesem Fahrplane ist auch die Ausführung je täglich einer Schnellfahrt zwischen Köln und Mainz und umgekehrt für den durchgehenden Verkehr vorgesehen. Daneben werden die zusammengesetzten Fahrten Mannheim-Rotterdam und umgekehrt beibehalten.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Das Buschwindröschen nicht giftig. Man schreibt uns: Im Beiblatt (S. 6) von Nr. 8964 vom 12 April 1915 bringen Sie eine Notiz (Zuschrift aus dem Leserkreise) über das Buschwindröschen (Anemone nemorosa), die einen Irrtum enthält, wohl aufgrund einer Verwechselung. Dem Botaniker ist nichts bekannt davon, daß das niedliche Buschwindröschen giftig ist. Giftig ist nur die hierzulande kaum vorkommende Kuhschelle, Pulsastilla vulgaris, die vom alten Linné Anemone Pulsastilla benannt worden ist, und die in anderen Gegenden Deutschlands den Namen Osterblume führt. Die ist haarig, und es mag sein, daß die Berührung dieses pelzhaarigen Pflänzchens für zarte Haut bereits eine Entzündung bedeutet. Bei der völlig platten Beschaffenheit der Laub- und Blütenblätter des Buschwindröschens ist das aber völlig ausgeschlossen. Vielleicht bezweckte der Einsender der Notiz aber auch nur, die Kinder von den Frühlingsboten, die in diesem Jahre ziemlich unter der andauern ungünstigen Witterung gelitten haben, wegzugrausen. Schade ist es aber, wenn diese Irrtümer verbreitet werden. Der Verfasser der Notiz wird allerdings bei den Kindern wohl nur schallendes Gelächter hervorrufen. Dazu ist der naturgeschichtliche Unterricht in den Schulen heute zu gut, um ihnen ungestrafte Bären aufbinden zu dürfen.
Vielleicht berichtigen Sie deshalb gelegentlich Ihre Buschwindröschen-Notiz, sonst läßt sich doch vielleicht einer abhalten aus Angst, seine „zarte“ Haut zu schädigen, in diesem sonst nicht gerade freundlichen Frühling Lenzhoffnung in sein Heim zu tragen.
Alexandrine Haenicke, cand. rer. nat.
(Die betr. Notiz hatte uns Herr Förster a. D. Esser – Friesdorf eingesandt. Red.)
Freiwilligen-Einstellung. Bei der 3. Matrosen-Artillerie-Abteilung werden Anfang Mai Freiwillige eingestellt. Es kommen nur kräftig gebaute Leute von 17 bis 19 Jahren in Frage, die noch keine Entscheidung über ihr Militärverhältnis erhalten haben und sich noch nicht zur Rekruten-Sammelstelle anmelden mußten. Mindestmaß 1,64 Meter. Gesuche mit ausführlichem Lebenslauf und der Einwilligungserklärung des gesetzlichen Vertreters sind sofort an das Kommando der 3. Matrosen-Artillerie-Abteilung in Lehe a. d. Weser zu richten. Die ärztliche Untersuchung wird alsdann vom zuständigen Bezirkskommando veranlaßt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Sacharin statt Zucker. Unlängst ist die Anregung gegeben worden, Sacharin freizugeben, um die Zuckerproduktion einzuschränken und die infolgedessen freiwerdenden Rübenfelder für den Getreideanbau nutzbar zu machen. Dem ist zunächst entgegenzuhalten, daß Sacharin keineswegs geeignet ist, den Zucker zu ersetzen. Der Wert des letzteren liegt nicht lediglich in seiner Süßkraft, sondern vor allem in seinem hohen Nährwert. Nun steht ja so viel Zucker zur Verfügung, daß die weitere Produktion unbeschadet eingeschränkt werden könnte. Wenn dann die freiwerdenden Zuckerrübenfelder mit ihrem vorzüglichen Weizenboden für Weizenanbau zeitweilig verwendet werden, so wäre das nur zu begrüßen. Richtig ist zwar, daß an einzelnen Stellen der Zucker neuerdings im Preise gestiegen ist – bis 10 Prozent und darüber. Der Grund liegt aber nur in vorübergehenden äußeren Umständen, wie Mangel an Transportkräften und Transportmitteln. Viel trägt zur Preissteigerung dann auch noch bei, daß einzelne Hausfrauen sich in geradezu unvernünftiger Weise mit Zucker versorgen. Säcke und zentnerweise ist dies an einzelnen Stellen geschehen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Mittwoch, 14. April 1915
Vereinslazarettzug K. 1 Bonn. Für den Bonner Lazarettzug kam heute von einer treuen Deutsch-Amerikanerin und guten Rheinländerin Frau Heinrich Fleer aus Philadelphia die Gabe von 100 Mark. Hoffentlich findet das Beispiel Nachahmung, denn jede Fahrt des Lazarettzuges bringt neue beträchtliche Kosten.
Zum Besten des Bismarck-National-Denkmals findet am 16., 17. und 18. April ein großes patriotisches Festspiel statt. Es kommt ein Film in 5 Akten: „Bismarck“ zur Vorführung mit dem Hofschauspieler Franz Ludwig als Hauptdarsteller. Als Einlage wird „Letzte Ausfahrt U 29, Kapitän Weddigen und seine Heldenmannschaft“ gezeigt. Dis Musik wird vom Städtischen Orchester gestellt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Unverständliche Parteinahme. Ein Leser schreibt uns: Gestern morgen warf ein Knabe Am Hof mit einem Stein nach einem Automobil, das eine Rote Kreuz-Fahne trug. Der Fahrer stoppte sofort das Fahrzeug, und eine Dame, die neben ihm saß, sprang heraus und lief dem Jungen nach. Die Zeugen des Vorfalles nahmen sofort Partei für den Knaben, ein Pflasterarbeiter drohte sogar mit Prügel, wenn dem Jungen etwas geschehe. Das Fahrzeug fuhr bis zum Markt, um polizeiliche Hilfe herbeizuholen. Da jedoch kein Beamter sichtbar war, fuhren die Fremden durch die Brüdergasse nach der Rheinbrücke weiter. Es ist unverständlich, daß Erwachsene die Partei eines Knaben annehmen, dem von Rechts wegen eine gehörige Tracht Prügel zugestanden hätte.
Ein internationales Gefecht. Aus Frankreich sendet uns ein Wehrmann eine Feldpostkarte, in der es u. a. heißt: Wir deutschen Artilleristen schissen aus belgischen Geschützen mit französischen Geschossen auf englische Feinde.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Kinder in Uniformen. Man beobachtet auch in den Straßen Bonns das Tragen vollständiger militärischer Uniformen – sogar Offiziersuniformen und Orden durch größere und kleinere Knaben. So sah ich dieser Tage auf offener Straße einen lang aufgeschossenen Knaben, der die Uniform eines Off.-Stellv. mit Degen und gelbbetressten Achselstücken sowie im Knopfloch des Mantels das schwarz-weiße Band des E. Kr. 2. Klasse trug. Er entpuppte sich als Obertertianer, einziger Sohn wohlhabender Eltern. Ich bemerkte sogar Soldaten, vielfach kampferprobte Verwundete, die dem 15jährigen Bengel die vorgeschriebene militärische Ehrenbezeugung erwiesen. – Solche Kleidung entspricht nicht dem Ernste der Zeit und ist als grober Unfug zu verwerfen.
Zu tadeln sind die Eltern, die ihren Sprösslingen für gutes Geld teure Uniformen kaufen. So schätzte ich den Wert der Uniform des Jungen auf mindestens 180-200 Mk. Der reiche Ppa besitzt weder Vernunft noch Patriotismus. Man überweise solch hohe Beträge dem Roten Kreuz, daß sie unseren Feldgrauen im Schützengraben zugute kommen!
Ferner sind unter Umständen die Eltern der Uniformtragenden strafbar aufgrund des § 360, Ziffer 8 des St. G. B. (Unbefugtes Tragen von Uniformen und Abzeichen) Ein Offizier
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Ein Geschenk an das Obernier-Museum. Eine Mitbürgerin, die ihren Namen nicht genannt haben möchte, hat dem städtischen Museum „Villa Obernier“ das Bild von Hans Thoma „Bachlandschaft mit Anglern“ geschenkt.
Beim Spiel ums Leben gekommen. In einer Sandgrube oberhalb des großen Spielplatzes an der Kölnstraße wollten mehrere Knaben im Alter von 8-10 Jahren Schützengräben und Unterstände bauen. Sie hatten schon ein etwa 1,50 Meter tiefes Loch gegraben, als die Sandwände der Grube einstürzten und zwei Knaben begruben. Auf die Hilferufe eines anderen Spielkameraden eilte ein städtischer Arbeiter herbei, der die beiden Verschütteten aus den eingestürzten Sandmassen herausholte. Der ältere von ihnen, ein 10jähriger Junge, hatte einige Verletzungen erlitten, lebte aber noch, der zweite, das 8jährige Söhnchen eines Klempners, war unter dem Sand inzwischen schon erstickt und konnte nur als Leiche geborgen werden.
Ein angeblicher Sohn des King Bell von Kamerun hatte sich vor mehreren Jahren in einem Kölner Vergnügungsunternehmen als Student der Universität Bonn ausgegeben und einen Gast zu betrügen versucht, indem er ihm eine unechte Vorstecknadel gegen ein Darlehen von 10 Mark übergab. Der Betreffende merkte jedoch sofort, daß die Vorstecknadel unecht war und verlangte seine 10 Mark zurück. Da leugnete der Abkömmling des schwarzen Königs überhaupt etwas empfangen zu haben, und schließlich wurde bemerkt, daß er das ergaunerte Zehnmarkstück weggeworfen hatte. Jetzt hatte er sich vor der Kölner Strafkammer zu verantworten, die ihn mit Rücksicht darauf, daß etr schon eine ganze Reihe ähnlicher Streiche verübt hatte, zu neun Monaten Gefängnis verurteilte. Der angebliche schwarze Königssohn ist ein Diener namens Hans Bell aus Duala in Kamerun.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Donnerstag, 15. April 1915
Der Ausschuß zur Verteilung von Lesestoff im Felde und in den Lazaretten (Geschäftsstelle Berlin, Reichstagsgebäude) teilt uns mit, daß immer mehr Ansprüche an ihn gestellt werden. Der Gesamtausschuß hat nach der Befriedigung aller Stellen in der Heimat jetzt sein Augenmerk darauf gerichtet, die Versorgung der Truppen im Felde fort- und durchzuführen. Gibt es doch kein besseres Mittel, um die Nerven, die in diesem Kriege in allererster Linie angegriffen, ja abgenutzt werden, zu beruhigen und zu erhalten und zugleich unsere wackeren Kriegern, die Leben und Gesundheit für uns in die Schanze schlagen, reichen Gewinn für Leib und Seele, Herz und Verstand mitzugeben, als die Darreichung guter Bücher, an denen sie sich erquicken und erbauen, aus denen sie aber auch lernen und sich weiterbilden können. Noch fehlen aber die Mittel, um die in Betracht kommenden Bücher zu den bereits in Aussicht gestellten Vorzugspreisen vom Buchhandel abzukaufen. So bittet denn der Gesamtausschuß zurr Verteilung von Lesestoff (Geschäftsstelle Berlin, Reichstagsgebäude) recht herzlich und dringend um Ueberlassung recht vieler und recht reichlicher Spenden zur Durchführung dieser seiner so bedeutsamen Liebes- und Kulturarbeit.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Die ersten Schwalben sind da. Gestern und vorgestern konnten vereinzelte über den Feldern und Gärten unserer Umgegend beobachtet werden. In früheren Jahren sah man schon Ende März lockere Flüge, besonders über den Flüssen und Bachniederungen unserer Heimat. Mitte April waren dann auch meist die Hauptschwärme da. Das trifft nach allgemeinen Beobachtungen für dieses Jahr nicht zu. Die Rückkehr der Schwalben hat sich dieses Jahr zweifellos verspätet.
Die letzten Nebelkrähen haben uns verlassen. Noch in der vorigen Woche konnte man vereinzelte dieser Graukrähen in den Feldern am Rhein abwärts beobachten, wie sie noch scheinbar ungerührt vom Hauch des Frühlings ihrer Nahrung nachgingen. Auch sie hat jetzt der Heimattrieb in ihre Lande östlich der Elbe und nach dem Norden geführt – zum Nestbau und Familienleben.
Aerztliche Atteste bei kranken Schulkindern. Man schreibt uns: Da in diesen Tagen ein neues Schuljahr seinen Anfang nimmt, so entstehen auch gar leicht wieder die bekannten Zweifel oder Meinungsverschiedenheiten über die Rechtsfrage ärztlicher Zeugnisse kranker Schulkinder gegenüber. In Beantwortung dieser Frage ist festgestellt, daß über die Zulässigkeit ärztlicher Atteste für längere oder kürzere Zeit andauernde Befreiung der Schulkinder vom Unterrichte bezw. über die Entschuldigung stattgehabter Schulversäumnisse die lokale Schulbehörde, also Schuldeputation oder Schulvorstand zu befinden hat. Ebenso erfolgt die Zurückstellung von Schulkindern vom Schulbesuche infolge von Schwächen und Gebrechen gleichfalls durch den Schulvorstand, nicht etwa durch den Arzt, da ersterer die gesetzliche Behörde, letzterer nur eine Privatperson darstellt. Der Arzt, in der Regel der Hausarzt, stellt aufgrund seiner Untersuchung das Zeugnis der Unfähigkeit des Kindes aus, aber nur die Lokalschulbehörde kann die rechtliche Entbindung oder einstweilige Zurückstellung des Kindes vom Schulbesuche ausstellen. Selbst da, wo ein besonderer Schularzt amtiert, wie dies in größeren Städten fast regelmäßig der Fall ist, bleibt auch für die rechtliche Wirkung seiner Verordnung die Schulbehörde zuständig, wenn auch beide, wie es gewöhnlich der Fall ist, Hand in Hand gehen.
Sanitätshunde. Nachdem schon viele Sanitätshundeführer mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet worden sind, hat nun auch ein Bonner Führer, Herr Hotelbesitzer Theodor Lauer aus Königswinter diese Auszeichnung erhalten. Aus dem Bericht über die Leistungen der Bonner Führer und Hunde bei seiner Sanitätskompagnie kann folgendes mitgeteilt werden.
Im heftigsten feindlichen Feuer suchten wir das Sturmgebiet ......... ab. „Coro“ rettete zwei Schwerverwundeten das Leben. Dieselben lagen schon 18 Stunden abseits und wären wohl nicht oder zu spät gefunden worden. Es war eine besondere Freude, daß ein „Bonner Hund“ sich so auszeichnete, denn die Rivalität ist ziemlich scharf. Lobend muß anerkannt werden, daß die „Bonner“ in Bezug auf Achtung und Ansehen an erster Stelle stehen.
Auch von anderen Sanitätskompagnien sind solche lobenden Anerkennungen bei der hiesigen Meldestelle eingegangen, die den Führern, aber auch der Leitung das beste Zeugnis ausstellen.
Leider sind die meisten Bonner Führer infolge des Stellungskrieges noch zur Untätigkeit gezwungen, aber auch diese hoffen, ihre langersehnte Tätigkeit noch zu finden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Kinder in Uniform. Ich befinde mich auf einem Erholungsurlaub in meiner Heimat Bonn, nachdem ich acht Monate direkt im Felde gestanden habe. Am ersten Tage meines Hierseins fiel mir sofort auf, daß sehr viele Kinder in Uniform, sogar solche mit Offizierachselstücken, herumlaufen. Als altgedienter Mann ist es ganz selbstverständlich, daß jeder Vorgesetzte gegrüßt werden muß. Aber wie beschämend ist es für einen alten Soldaten, wenn er z. B. einem solchen verkleideten Offizier plötzlich seine gewohnte stramme Ehrenbezeugung erweist und hinterher ausgelacht wird.
So trete ich denn in ein Lokal und erblicke einen jungen Offizier. Ich war in einer peinlichen Verlegenheit, denn diesmal war es wirklich ein Offizier. Es wäre wirklich Zeit, daß diese Unsitte verboten würde. Unteroffizier M.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Zwei Bitten! Eine Militär-Radfahrer-Abteilung auf dem westlichen Kriegsschauplatz, die ausschließlich aus rheinischen Soldaten besteht, bittet uns, bei unseren Lesern anzufragen, wer ihnen zur Verkürzung ihrer Mußestunden im Felde eine Geige und einige Niten geschenkweise überlassen würde. Sendungen werden an den Radfahrer Paul Serwotka, Radfahrer-Abteilung der 51. Reserve-Division, 26. Reserve-Armeekorps, erbeten.
Ein alter Landsturmmann bringt seine Bitte um Schutz gegen „himmlische Nässe“ in folgenden Vers: Hören Sie bitte mal bei Ihren verehrten Abonnenten, - Ob sich vielleicht der eine oder andere fände, - Der noch hätte in seinem Kleiderschränklein – Ein abgelegtes wasserdichtes Gummimäntelein.
Wer den Wunsch des alten Soldaten erfüllen kann, wende sich an die Unteroffiziere des Wachtkommandos Lucherberg bei Düren.
Wenn man das Geld vertrinken wollte. Ein Bayer hat in der Liller Kriegszeitung ausgerechnet, daß der Betrag der Kriegsanleihe in Bier umgesetzt, das Glas zu 20 Pfg. gerechnet, 45.300.000.000 Glas Bier geben würde. Wenn ein Mann in einer Viertelstunde ein Glas Bier trinkt, müßte eine kriegsstarke Kompagnie (250 Mann) 5171 Jahre und 85 Tage trinken, um dieses Biermeer zu vertilgen. Als er diese Zahl vor sich sah, sagte er: Da mach’ ich erst gar nicht mit.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Freitag, 16. April 1915
Ausstellung von Arbeiten aus den Lazaretten. Im Sitzungssaal des Rathauses ist eine Ausstellung von bunt zusammengewürfelten Gegenständen aufgebaut. Sehr hübsch geflochtene Körbchen, Flechtarbeiten aus Tuchstreifen, Klebearbeiten aus buntem Papier, Laubsägearbeiten, eine Reihe von Kerbschnitzereien, Zierdeckchen in Rahmenarbeit, eine Anzahl von Zeichnungen und Aquarellmalereien u. a. Man würde auf den ersten Blick das Ganze für eine Sammelausstellung sogenannter Liebhaberkünste halten. Und darum handelt’s sich auch. Nur sind alle diese Gegenstände unter ganz anderen Umständen entstanden. Es sind nämlich Arbeiten, die unsere Verwundeten in den Lazaretten angefertigt haben, um in der Zeit ihrer Genesung ein wenig unterhaltende und zerstreuende Beschäftigung zu finden. So erhalten diese Gegenstände einer Liebhaberkunst, über die man sonst wohl gern von oben herabblickt, etwas seltsam rührendes. Mitten herausgerissen aus dem Gewühl und den Gefahren eines furchtbaren Kampfes, geben sich unsere Verwundeten in der Ruhe der Lazarettpflege der friedlichsten, häuslichsten Beschäftigung hin, die man sich denken kann. Kleben, schnitzen, zeichnen, malen, flechten, stanzen, basteln an allerhand herum und haben ihre Freude daran, wenn etwas hübsches, brauchbares unter ihren Händen entsteht. Man kann es den einzelnen Gegenständen direkt ansehen, mit wie viel Liebe daran gearbeitet wurde, und wie dankbar und willig die verwundeten Schüler den Unterweisungen der Pflegerinnen folgen. All diese Gegenstände, auch die einfachsten, kindlichsten, sind mit einem deutlichen Fleiß und einer peinlichen Genauigkeit gearbeitet. Viele von ihnen verraten eine geschickte Hand, manche erfreuen durch eigene Phantasie und einen nicht alltäglichen Geschmack und an einzelnen Arbeiten kündigt sich sogar eine beachtenswerte, vielversprechende Begabung an, die wohl wert wäre, weiter gepflegt zu werden. Wie wohltuend diese Art Beschäftigung auf die ganze Stimmung der Genesenden wirkt, weiß jeder Arzt. Man muß daher den Damen, welche die Verwundeten in diesen Beschäftigungen unterweisen, herzlichen Dank sagen. Und da auch hier die Tat die beste Art des Dankes ist, so bedarf es wohl nur einer kleinen Anregung, um diesen schönen Bestrebungen weitere Förderung zu verschaffen. Das kann am besten geschehen durch die Stiftung von geeignetem Material für weitere Arbeiten. (...) Die Sammelstelle für alle Gaben, die hoffentlich reichlich eingehen, ist bei Frl. Kley, Colmantstraße 33. Die Ausstellung der Arbeiten ist morgen und am Samstag zu sehen in dem bisherigen Parfümeriegeschäft von Niederstein in der Fürstenstraße.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachr ichten“)
Familienzuwachs und Brotbuch. Strammen Schrittes trat dieser Tage der siebenjährige Sohn eines Landwirts mit dem roten Brotbuch in der Hand in die Amtsstube eines nahegelegenen Landbürgermeisteramtes. Auf die Frage des Beamten nach seinem Begehr erwiderte der Knirps: „Ich habe einen schönen Gruß von meinem Vater und Herr Bürgermeister soll uns noch ein Brot für die Woche zuschreiben.“ Als er nach einer Begründung für sein Verlangen gefragt wurde, legte er den rechten Zeigefinger an die Nase und sagte stolz: „Ja, wissen Sie, Herr Bürgermeister, wir haben diese Nacht ein Kind bekommen.“ Seine Bitte wurde gewährt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Der große Bismarck-Film von Richard Schott wird heute abend 8½ zum ersten Male im Bürgerverein vorgeführt. Das städtische Orchester hat die musikalische Begleitung übernommen. Morgen und am Sonntag finden Wiederholungen statt. Wir machen noch einmal auf diesen von der Kritik und von Gelehrten und Künstlern einstimmig gelobten Film aufmerksam.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Schmutzige Unsitten
Vielfach findet man die Unsitte, daß die Verkäufer die zum Einwickeln von Waren bestimmten Tüten mit dem Munde aufblasen. Es ist von mehreren Behörden nachträglich darauf aufmerksam gemacht worden, daß darin eine Gefahr für das einkaufende Publikum liegt, weil auf diese Weise ansteckende Krankheiten sehr wohl übertragen werden können. – Ebenso gefahrbringend ist das Anfeuchten des Fingers mit dem Munde. Das Berühren der Nahrungsmittel, vor allem der Back- und Fleischwaren durch das kaufende Publikum, muß im Interesse der öffentlichen Gesundheit unterbleiben!
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Samstag, 17. April 1915
Oberbürgermeister Spiritus, dessen Amtszeit am 17. Juli ds. Js. abläuft, ist in der gestrigen Sitzung der Stadtverordneten auf Lebenszeit wiedergewählt worden. Ein Sohn der Stadt Köln, wurde Herr Oberbürgermeister Spiritus im Jahre 1891 aus seiner Vaterstadt, wo er das Amt eines Beigeordneten bekleidete, zur Leitung der Stadt Bonn berufen. Während seiner Amtszeit sind die Aufgaben, die den modernen Städten zugewiesen sind, außerordentlich gewachsen. An der Spitze der städtischen Verwaltung hat der Oberbürgermeister für unsere Stadt fruchtbringend und neugestaltend gewirkt. Bonn hat in diesen vergangenen Jahrzehnten das schlichte Kleid der kleinen Mittelstadt abgestreift und schickt sich an, demnächst in die Reihe der deutschen Großstädte einzutreten. Für die Wandlung galt es auf dem Gebiete der Kommunalpolitik großes vorzubereiten. Wir können hier nur an einige wenige Marksteine dieses Entwicklungsganges erinnern, an die Eingemeindungen (1904) und an die städtische Verkehrspolitik, die uns den Bau der elektrischen Vorortbahnen und den Bau der Rheinbrücke (1898) brachte. Der Entwicklung der Stadt folgte der Ausbau der Straßen. Im Anschluß an den Bau der Rheinbrücke wurden die herrlichen Rheinpromenaden angelegt. Die, man kann wohl sagen, berühmt gewordenen gärtnerischen Anlagen in der Stadt gaben ihr das freundliche Bild einer Gartenstadt. Um nur eins hervorzuheben, welche köstliche Stätte ist aus dem einst so verwahrlosten Baumschulwäldchen geworden. Für die Errichtung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals war der Herr Oberbürgermeister Spiritus als Vorsitzender des Denkmalausschusses tätig. Der Herr Oberbürgermeister hat sich in der langen Zeit seiner Amtsführung durch sein verbindliches und liebenswürdiges Wesen die Zuneigung unserer Bürgerschaft erworben. Er versteht es auch vorzüglich, die gerade in einer Stadt wie Bonn nicht leichten repräsentativen Pflichten wahrzunehmen und das gute Einvernehmen der städtischen Verwaltung mit den anderen in Bonn ansässigen Behörden, so mit den militärischen und vor allem mit den Universitätsbehörden zu pflegen und zu fördern.
Die Wiederwahl des Herr Oberbürgermeisters fällt in eine schicksalsschwere Zeit, aber wir hoffen alle zuversichtlich, daß diese Zeit eine neue Herrlichkeit für unser geliebtes deutsches Vaterland heraufführen wird. Möge es unserem Oberbürgermeister vergönnt sein, in dieser neuen Zeit Deutschlands, von der wir alle soviel erwarten und erhoffen, noch viele Jahre zum Segen unserer Stadt zu wirken und sie auch weiterhin voranzuführen unter den ersten Städten des Rheinlandes.
Oberbürgermeister Spiritus wurde am 24. Februar 1854 in Köln geboren. 1891 erfolgte seine Wahl zum Oberbürgermeister von Bonn. 1892 wurde er zum Mitglied des preußischen Herrenhauses auf Lebenszeit berufen. Im Provinziallandtag der Rheinprovinz ist Oberbürgermeister Spiritus Vorsitzender. Dem Verschönerungsverein für das Siebengebirge, dessen langjähriger Vorsitzender er war, gehört Oberbürgermeister Spiritus als Ehrenvorsitzender an.
Gummi-Sammlung. Wir machen unsere Leser auf den Aufruf im heutigen Anzeigenteil aufmerksam. Am Donnerstag den 22. April werden der Freiwillige Hilfsausschuß und das Pfadfinderkorps eine Haussammlung von alten Gummi-Reifen, Gummischuhen und Resten abhalten. Es wird gebeten, auch die kleinsten Reste zu sammeln und reichlich zum Wohle des Vaterlandes zu spenden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachr ichten“)
In der Bonner Sozialen Wohlfahrts-Vereinigung hielt gestern abend Herr Fortbildungsschuldirektor Vins einen überaus beachtenswerten Vortrag über die Frage: Was ist in Bonn zur Unterweisung und Beschäftigung Verwundeter schon geschehen und was kann noch geschehen? Ausgehend von dem Grundsatz, daß die Verwundeten immer Beschäftigung haben müßten, um sie aus der Gefahr der Untätigkeit herauszubringen, erwähnte Redner, was zur Unterhaltung und Belehrung der Verwundeten hier bisher geschehen sei. 114 Soldaten kämen regelmäßig zu den in der Fortbildungsschule eingerichteten fünf Kursen. Alle Arbeiten, die die Verwundeten herstellten, müßten zweckmäßig sein. In jedem Lazarett solle ein Arbeitsraum geschaffen werden. Redner verwies auf die von Verwundeten hergestellten Sachen, die z. Zt. In der Fürstenstraße ausgestellt sind. Was die Ausbildung der Verstümmelten angehe, so solle möglichst jeder bei seinem Beruf bleiben, oder, wenn eben angängig, zu einem Spezialarbeiter ausgebildet werden. Es sei ein Kursus für linkshändiges Schreiben eingerichtet worden, der schon sehr gute Ergebnisse zeige. Ferner beständen allgemeine Kurse ähnlich den Meisterkursen, Kurse für Kaufleute, ein Kursus für freihändiges Zeichnen und Malen, einer für Fachzeichnen, auch für Modellieren. Dazu sollten noch Vorträge kommen. Es komme darauf an, den Verwundeten wieder Freude an der Arbeit beizubringen, ihnen Energie einzuflößen. Die ganze Sache sei jetzt von einem Ausschuß organisiert worden. An den Vortrag schloß sich eine längere Diskussion, in der die meisten Redner und Rednerinnen den Vortragenden beistimmten.
Bismarck-Film. Das reisende „große patriotische Festspiel zum Besten des Bismarck-National-Denkmals“ hatte gestern abend im Bonner Bürgerverein so etwas wie öffentliche Generalprobe für seine drei hiesigen Gastspieltage. Es sollte zwar schon eine ganz normale Aufführung sein, aber weil erstens die Orchesterbeleuchtung versagte (derzufolge die Einlagen hastdunichtgesehen heruntergeschnurrt wurden, um die verpaßte Zeit einzuholen), und später ein Bismarck-Akt die Neigung zeigte, sich kopfstehend im Lichtbild zu produzieren (also der Operateur an der Maschine den Akt umwalzen oder anders einstellen mußte), wurde eine Generalprobe aus dem Abend. Sie ergab Bismarcks Leben: seine Kinder- und Jungmannsjahre (darunter burschikose Szenen aus der Göttinger Studentenzeit), dann seine Landjunkerzeit, folgend die staatsmännische Wirkung und endlich die ungewollten Ausruhjahre und Altern in Friedrichsruh. Doch liegt der Wert des Films nicht in der Szenenfolge, sondern in der Darstellung Bismarcks durch den Hofschauspieler Ludwig. Wie Bismarck in der Vorstellung der Nachwelt auf Grund bekannter Bildnisse lebt, wird er von Ludwig nachgeschaffen. Schauspielerisch am wertvollsten war dabei das große Auge mit dem kühlprüfenden Blick und der nachdenklichen Lidfalte darüber. Das ohne Theatralik zu geben, muß geschätzt werden, wie denn auch die sich ändernde Gesichtsmaske durch alle Lebensalter hindurch. – Unterm Lichtbilde spielte das Städtische Orchester die für diesen Film komponierte Musik von Prof. Hummel.
Die Folgen einer Bierreise. Das Landgericht Bonn hat am 30. Januar d. J. den Friseur Math. Tr. Und die Mitangeklagten Joh. Und P. wegen gefährlicher Körperverletzung, Beleidigung und groben Unfugs verurteilt, und zwar Tr. zu einer Gesamtstrafe von 1 Jahr Gefängnis und 6 Wochen Haft. Am 28. November v. J. saßen die drei Angeklagten abends in einer Gastwirtschaft und gingen von hier aus in eine Weinstube, wo sie eine Zeche von 4,20 Mk. machten. Wegen des Bezahlens kam es zwischen ihnen und dem Wirt zum Streit. Als zwei Italiener dem Wirte zu Hilfe kamen, entstand eine Schlägerei, bei der der eine Italiener von J. und P. mit Aschbechern auf den Kopf geschlagen wurde, so daß er eine klaffende Wunde erhielt. Von diesem Lokal aus gingen die Angeklagten in früher Morgenstunde in ein Café, wo ein Dienstmädchen gerade mit Aufräumen beschäftigt war. Als sie nichts zu trinken bekamen, skandalierten sie, zerschlugen zwei Vasen und vergriffen sich tätlich an dem Mädchen. Auf der Straße belästigten sie alsdann ein Milchmädchen, warfen ihm einige Kannen um und Tr. Versetzte ihm sogar einen Fußtritt. Gegen das Urteil hatte nur der Angeklagte Tr. Revision eingelegt mit der Begründung, die Feststellungen dafür, daß er sich dem Italiener gegenüber einer gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht habe, reichten nicht aus, um seine Verurteilung zu rechtfertigen. Ebenso sei in dem zweiten Falle nicht erwiesen, daß er geschlagen. Das Reichsgericht hielt die Revision in diesen beiden Fällen für begründet; es hob deshalb heute das Urteil in diesen beiden Punkten, sowie hinsichtlich der Gesamtstrafe auf und verwies die Sache insoweit an die Vorinstanz zurück. Im übrigen verwarf es die Revision als unbegründet.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Baumblüte. Bleibt es jetzt noch einige Tage so sonnig und warm wie gestern, dann werden wir etwa Ende der nächsten Woche im Vorgebirge, in den Ortschaften um Godesberg und im “Ländchen“ tausende Obstbäume im rosig-weißen Blütenmeer schimmern sehen. An den bevorzugten Orten der Baumblüte trifft man bereits Vorbereitungen für den Besuch der Großstädter, und die Restaurants und Kaffeehauswirtschaften werden hoffentlich auch in diesem ernsten Kriegsjahr nicht ganz leer ausgehen. Sicherlich werden auch Eisenbahn und Rhein-Dampfschiff-Gesellschaften Vorkehrungen treffen. Wahrscheinlich werden wir in diesem Jahr eine ganz besonders schöne Baumblüte bekommen.
Sanitätshunde. Dem Herrn Amtsrichter Mundorf aus Bonn, der als Führer eines Sanitätshundes im Felde steht, ist das Friedrich August-Kreuz 2. Klasse verliehen und er ist gleichzeitig zum Gefreiten befördert worden. Von dem Rittmeister seiner Sanitätskompagnie ist nachstehendes Zeugnis über die Bonner Führer bei der hiesigen Meldestelle hier eingegangen:
„Der Ersatz der Hundeführer der Meldestelle Bonn ist, wie ich dieser Meldestelle zu meiner Freude schon mitteilen konnte, besonders gut. Die Führer sind intelligent und in der Erfüllung ihrer Obliegenheiten peinlich genau. Insbesondere lassen sie es sich am Herzen liegen, ihre Hunde auf der Höhe der vorzüglichen Dressur zu erhalten. Drei der Führer gehören den gebildeten Ständen an und ich konnte sie von dem für die Führer von mir eingeführten Unterrichte in der französischen Sprache und im Kartenlesen befreien.“
Höchstpreise und Provisionen. Nach dem Gesetze über die Höchstpreise vom 4. August 1914 ist derjenige mit Gefängnis bis zu einem Jahre oder mit Geldstrafe bis zu 10000 Mark zu bestrafen, der die festgesetzten Höchstpreise überschreitet, und der einen anderen zum Abschluß eines solchen Vertrages auffordert oder sich zu einem solchen Vertrage erbietet. Wie bekannt geworden ist, werden öfters die Bestimmungen des Gesetzes dadurch zu umgehen versucht, daß neben dem eigentlichen Preise noch eine „Provision“ verlangt wird. Dieses Verfahren ist ebenso strafbar und zieht gerichtliche Verfolgung nach sich.
Abschuß von feldernden Tauben. An die Landwirte ergeht die Mahnung, die gebotene Gelegenheit, in der Zeit vom 15. bis 24. ds. Mts. die Feldtauben abzuschießen oder einzufangen, nicht unbenutzt vorübergehen zu lassen. In dieser Zeit ist bekanntlich eine Brieftaubensperre für alle Militärbrieftauben und die dem Militär zur Verfügung gestellten Tauben verhängt, damit die Feldflüchter, welche den Saatfeldern so großen Schaden zufügen, beseitigt werden könnnen. Es sind dies meist Tauben, die in Dörfern gehalten werden und fast ausschließlich von dem leben, was ihnen die Aecker bieten, Bei derselben Gelegenheit sei auch darauf hingewiesen, daß es geboten erscheint, dem Spatzenvolk mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden, das bei der Aussaat und vor der Ernte, beim Reifen des Getreides sowie beim Einbringen desselben der Landwirtschaft großen Schaden zufügt.
Hebt alle Gummireste auf, besonders alte Fahrrad-Gummireifen, Schläuche, Gummischuhe, überhaupt alles, was aus Gummi hergestellt ist. Am Donnerstag 22. April werden die bewährten Hilfskräfte des freiwilligen Hilfsausschusses für Truppen, und das Pfadfinderkorps von Haus zu Haus gehen und das Gesammelte abholen; auch werden Schulkinder in ihren elterlichen Wohnungen sammeln. Wir hoffen, daß die Bürgerschaft Bonns, wie das auch an anderen Orten geschehen ist, sie reichlich mit Gaben bedenken wird.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Oberbürgermeister Spiritus ist in der gestrigen Stadtverordnetenversammlung mit 25 von 27 abgegebenen Stimmen wieder gewählt worden. Alsdann entschied sich die große Mehrheit durch Handaufheben für seine Wahl auf Lebenszeit. Der größte Teil der Zentrumsfraktion hat also sein anfängliches Widerstreben oder Zaudern aufgegeben und hat sich im entscheidenden Augenblick mutig der Mehrheit angeschlossen, was hinterher leicht mit dem „Burgfrieden“ erklärt und begründet werden kann.
Sein Silberjubiläum konnte der Geschäftsführer der Deutschen Reichszeitung Johannes Tinner am 14. ds. Mts. begehen. Mit seltenem Arbeitseifer hat Herr Tinner sich dem Hauptmann´schen Unternehmen gewidmet, von der Pike auf hat er alle Stadien der Buchdruckerkunst durchgemacht und sich die Wertschätzung seines Chefs, sowie Achtung und Beliebtheit bei den zahlreichen Angestellten erworben. Bei einer kleinen, der heutigen Zeit angepaßten Feier, wurde der vielen Verdienste Tinners gedacht. Eine geschmackvoll ausgeführte Glückwunschadresse seitens der Angestellten und eine wertvolle Uhr als Geschenk des Chefs der Firma wurden dem Jubilar neben zahlreichen Blumenspenden überreicht.
(Volksmund, Rubrik „Bonner Angelegenheiten“)
Sonntag, 18. April 1915
Allgemeiner Deutscher Sprachverein. Man schreibt uns: Dienstag, den 20. April, abends ½7 Uhr wird im Saale der Lese- und Erholungs-Gesellschaft, der bekannte Herausgeber der Sprachecken, Herr Prof. Dr. Tesch aus Köln, einen Vortrag über die Bekämpfung des Fremdwörter-Unwesens im Auftrage des hiesigen Zweigvereins des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins halten. Dieser Verein sieht bekanntlich seine Hauptaufgabe in der Pflege unserer Muttersprache und in der Reinigung derselben von den entbehrlichen Fremdwörtern. Die Ausländerei ist ja bekanntlich seit Jahrhunderten eine Krankheit unseres Volkslebens, besonders in Schrift und Sprache, Tracht und Mode. Der gewaltige Völkerkampf, in dem wir seit acht Monaten stehen, mahnt unser Volk lauter als je, sich des Reichtums unserer Sprache bewußt zu werden, um den Kampf gegen die fremden Schmarotzer in allen Berufsarten, im Geschäftsverkehr und Umgang entschiedener zu führen. Auch der bevorstehende Vortrag soll dazu dienen und helfen. Der Deutsche Sprachverein hofft daher, daß der Vortrag – Eintritt ist frei für jedermann – recht zahlreich besucht werde, um das deutsche Ehrgefühl und die Liebe zu unserer herrlichen Muttersprache zu wecken und zu stärken.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachr ichten“)
Die Strafkammer verurteilte gestern morgen einen Ackerer von hier, der bei der Bestandsaufnahme des Getreides eine Menge Weizen nicht angegeben hatte, zu 100 Mk. Geldstrafe. – Ein Bäcker aus Pützchen, der mehr Getreide verbacken hatte als ihm zugestanden war, wurde mit 50 Mk. bestraft. – Ein Kartoffelhändler aus Bonn, der das Geschäft erst nach dem Kriege begonnen hatte, wurde, weil er Kartoffeln in Mengen von mehr als 20 Zentner zu höheren Preisen als gestattet war, verkauft hatte, zu 50 Mk. Geldstrafe verurteilt.
Schweineschlachtungen und Schweinezucht. Man schreibt uns vom Rhein: Die Durchführung der bundesrätlichen Verordnung über die Sicherstellung von Fleischvorräten haben es mit sich gebracht, daß der deutsche Schweinebestand von 25 Millionen Stück zu Anfang Dezember bis Mitte März um ungefähr 8 Millionen Stück zurückgegangen ist und aller Voraussicht nach wird sich bei der jetzt stattfindenden Zählung eine weitere Verringerung um etwa 8 Millionen Stück ergeben. Bei diesen Abschlachtungen handelt es sich nur zu einem kleinen Teile um schlachtreife, in der weit überwiegenden Mehrzahl um halbreife oder unreife Tiere. Die Preise für Schweine sind in den letzten Tagen auf eine geradezu unglaubliche Höhe gestiegen: auf dem Berliner Viehmarkt wurden für vollreife Tiere schon 124 bis 131 Mark für den Zentner Schlachtgewicht bezahlt gegen 57 Mark für die gleiche Sorte Schweine im Jahre 1914. Angesichts derartiger Preise liegt aber die Gefahr vor, daß auch eine sehr große Anzahl brauchbarer Zuchtschweine auf den Markt gebracht und dadurch die deutsche Schweinezucht auf Jahre hinaus empfindlich geschädigt wird. Aus den Kreisen des Fleischergewerbes sind deshalb Eingaben an die maßgebenden Behörden gerichtet worden, in denen als Abhilfmittel um die Zuverfügungstellung der Waldungen zur Waldweidewirtschaft für Schweine ersucht wird. Die Forstverwaltungen mehrerer deutschen Staaten haben die Staatswaldungen bereits gegen eine mäßige Gebühr für den Eintrieb und die Weide von Schweinen zur Verfügung gestellt; von den Gemeindeverwaltungen wird dasselbe erhofft.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Nochmals das Buschwindröschen. Auf die Sprechsaalartikel in Nr. 8965 habe ich folgendes zu erwidern: „Giftig“, so daß man Kinder vor dem Abpflücken warnen muß, nennt man im praktischen Sprachgebrauch Pflanzen, die so große Mengen eines Giftes enthalten, daß das Kauen und Verschlucken einiger Blätter oder sonstiger Teile derselben Schwindel, Erbrechen etc. oder selbst Starrkrampf und Tod herbeiführt. Aber Pflanzen, die schlimmstenfalls die Haut röten, einen unangenehmen brennenden Geschmack haben, der sie übrigens schon ganz von selbst vor Massenkonsum bewahrt, als Giftpflanzen hinzustellen, nur weil man irgendwo etwas sehr Unsicheres, Unglaubwürdiges schwarz auf weiß ausgegraben hat, ist gänzlich unberechtigt. Ich habe mir eine dicke Lage gewaltsam zerquetschter Anemonenblätter stundenlang auf die Hand gebunden, ohne eine Spur von Blasenziehen zu konstatieren. Auch zerkaut und runtergeschluckt haben sie mir nichts getan. Freilich, eine ganze Handvoll, das muß ich schon Ochsen überlassen aus dem obenerwähnten Grunde und wie Delitzsch das auch mir annimmt. Erdbeeren und Gurken gelten auch nicht als giftig, weil manche Menschen Nesselfieber davon bekommen. Daß nicht alle Ranunkeln giftig sind, geht schon daraus hervor, daß z.B. das Leberblümchen auch nicht im leisesten Giftverdacht steht. Der Satz im Bonner Lehrbuch muß in diesem Falle wohl auch anders verstanden werden. Der alte Praktikus, Prof. Wünsche, erwähnt deshalb auch nichts von einer Giftigkeit der Anemonen in seinen „Pflanzen Deutschlands“. A. H.
(Wir betrachten die Frage damit für uns als erledigt. Weitere Ausführungen hierüber wolle man evtl. in der botanischen Fachpresse machen. Red.)
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Wehrbund Bonn-Süd. Am Freitag abend unternahm die Gruppe Kessenich des Bonner Wehrbundes statt des üblichen Turnens eine kleine Geländeübung. Sie marschierte um 9 Uhr von der Turnhalle, Pützstraße, mit Sicherungen ab. Die Spitze, welche mit einem Führer vorausmarschiert war, meldete schon bald, daß sie angegriffen worden sei. Sie wäre genötigt vorzugehen, Verstärkung solle aber sofort folgen. Der Befehl wurde von den einzelnen Verbindungsleuten dem Haupttrupp gemeldet. Dieser kam dann im Laufschritt an und stellte sich sofort in Schützenlinie auf. Nachdem der Führer der Gruppe Kessenich, Herr Büttinghausen den Mitgliedern die notwendigen Erklärungen gegeben hatte, zog die Gruppe unter Gesang wieder nach Hause. – Am Sonntag versammeln sich sämtliche Gruppen von Bonn um 3 Uhr an der Karlschule, um gemeinsam zum Tannenbusch zu ziehn, woselbst Schützengräben ausgeworfen werden. Anmeldungen für die Gruppe Kessenich werden Dienstags und Freitags abends von 9-10 Uhr in der Turnhalle der Südschule, Pützstraße, angenommen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Montag, 19. April 1915
Sonnig und klar war gestern der Sonntag, weitsichtig die Luft. Doch wehte ein herber Ostwind, der im Schatten und da, wo er frei heran strich, frösteln machte. In den beiden letzten Nächten deckte Reif die Erde und die Wärme sank bedenklich auf den Gefrierpunkt zu. Immerhin zeigte das Thermometer in der vergangenen Nacht noch drei Grad über Null an. – Während die Bäume und Sträucher, besonders die Kastanien, schon stellenweise im Laub stehen – die Poppelsdorfer Allee zeigt schon ein grünes Laubdach – ist die Blüte der Obstbäume noch nirgendwo so recht zum Durchbruch gekommen. Hier und da schimmert wohl das Violett eines Pfirsich- oder das Weiß eines Frühpflaumenbaumes, aber allgemein ist die Hauptblüte noch nicht. Das hängt auch den kalten Ostwinden zusammen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Godesberg, 19. April. Am Samstag abend fand im Saale der Wirtschaft Schäfer eine Versammlung der Anwohner des nordwestlichen Teiles von Godesberg statt, um über die Mittel und Wege zu beraten, damit hier an der Wurzerstraße (Unterführung Bonnerstraße) eine Haltestelle der elektrischen Straßenbahn Bonn-Godesberg-Mehlem errichtet werde. Der nordwestliche Ortsbezirk Godesberg ist dicht bevölkert und enthält die sämtlichen in Godesberg bestehenden industriellen Anlagen, wie Schlachthof, Güterbahnhof, Gas- und Elektrizitätswerk, die Fabriken des Schillerwerks, die Fabrik chemischer Produkte von Kleutgen und Meier, die Godesberger Bade-Apparate –Fabrik und die Fabrik Emag für physikalische Meßapparate. In all diesen Industriewerken sind viele auswärtige Arbeiter beschäftigt, die genötigt sind, die elektrische Straßenbahn von Bonn her sowie auch aus der Richtung von Mehlem tagsüber mehrmals zu benutzen. Für sie bedeutet diese neue Haltestelle der Wurzerstraße eine große Weg-Ersparnis, ebenso entspricht diese Haltestelle dem berechtigten Bedürfnisse aller Anwohner der Nordstraße, Stiftstraße, Wörthstraße, Weißenburgerstraße, Elsässerstraße, Pionierstraße, sowie größtenteils der Friesdorfer- und Bonnerstraße, deren Einwohnerzahl auf 1500 bis 2000 zu schätzen ist. Ueberdies wird diesen in der Erreichung der seitherigen Haltestelle an der Jungbluth’schen Wirtschaft oft auch mancherlei Schwierigkeit geboten durch die Sperrung des Straßenübergangs in der Plittersdorferstraße vonseiten der Staatseisenbahn. Durch das Fehlen einer eigenen Wartehalle sind bekanntlich dort auch recht viele Ueberstände, die oft zu Unzuträglichkeiten geführt haben. Mit dieser Neueinrichtung einer Haltestelle an der Wurzerstraße würde die Haltestelle Godesberg I mit einem Schlage wesentlich entlastet. – Aus der Versammlung wurde eine Kommission von drei Mitgliedern (Druecke, Mangels und Gantenberg) gewählt und mit den Weiterarbeiten betraut. Es sollen Massenunterschriften gesammelt und mit diesen an den Verkehrsverein zur weiteren Veranlassung herangetreten werden, zugleich werden auch die Leitungen der industriellen Werke diesbezügliche Anträge einbringen. Man hofft allgemein, daß die Durchführung des zweifellos berechtigten Verlangens von unserem Herrn Bürgermeister Zander an zuständiger Stelle erlangt werden wird.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und fern“)
Das Siebengebirge und die anderen Ausflugsorte der Umgegend waren an dem gestrigen prachtvollen Frühlingssonntag sehr besucht. Die Bahnen konnten den Verkehr nur schwer bewältigen. Die elektrische Siebengebirgsbahn fuhr am Abend mit überfüllten Zügen nach Bonn zurück und konnte die Vielen, die an den Haltestellen Römlinghoven, Oberkassel warteten, nicht mehr befördern.
Pietätlosigkeit. In letzter Zeit ist es des öfteren vorgekommen, daß Agenten von auswärts in Familien vorsprachen, sobald die Nachricht vom Tode eines im Felde Gefallenen eingetroffen ist. Sie erweisen sich dann ungemein lästig und bieten sich an, die Photographie des Verstorbenen für billiges Geld zu vergrößern. Es ist bekannt, wie „billig“ meist später Verpackung usw. berechnet wird. Man weise deshalb derartigen Leuten höflich, aber energisch die Tür. Will man eine Vergrößerung des Bildes eines uns teuren Toten anfertigen lassen, dann gibt es leistungsfähige Geschäfte genug am Platze.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Dienstag, 20. April 1915
Gegen den Verkehr mit Kriegsgefangenen. Der Kommandierende General des 8. Armeekorps hat folgende Bekanntmachung erlassen: „Es ist verboten, mit Kriegsgefangenen in Verbindung zu treten, von ihnen Geld oder andere Gegenstände anzunehmen, für sie Besorgungen irgendwelcher Art zu machen oder ihnen irgendwelche Gegenstände auszuhändigen. Wer dieses Verbot übertritt oder zu solcher Uebertretung auffordert oder anreizt, wird, wenn die bestehenden Gesetze keine höhere Freiheitsstrafe bestimmen, mit Gefängnis bis zu einem Jahr bestraft.“
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten")
Kuckuck, Kuckuck, klingt es seit einigen Tagen durch unsere Wälder. Der Kuckuck, der Künder des Waldfrühlings, ist wieder da. Noch schallt der Ruf schüchtern, wie zur Probe, durch den noch laublosen Wald, aber bald wird er voller, sehnender klingen. Und dann werden auch die Buchen und späterhin die Birken und Eichen sich entsinnen, daß es an der Zeit ist, sich in grünen Laubschmuck zu hüllen; denn der Frühling ist bestimmt da: der Kuckuck ruft.
Der Neubau des Johanniter-Krankenhauses Friedrich Wilhelm-Stift. Im Süden von der Stadt, östlich von der Haltestelle Dottendorf, ist auf der hohen Niederterrasse des alten Rheinbettes zwischen Sträßchen’s Weg und dem Mittelwege in den letzten Monaten die interessante Gebäudegruppe für das neue Stift aus der Erde gewachsen. Bis auf die Inneneinrichtung ist das Krankenhaus fertig. Es besteht aus sechs Gebäuden, die teilweise miteinander verbunden sind. Das Hauptgebäude richtet seine Front nach Süden, der Sonne und der herrlichen Aussicht zu. Es ist dreifach gegliedert. (...)
Da die Anstalt an unausgebauten Feldwegen errichtet wurde, hat man die Zugangswege von der Koblenzerstraße aus breit ausgebaut, mit Straßenrinnen und plattenbelegten Bürgersteigen versehen. Die endgültige innere Fertigstellung wird durch den Krieg wohl etwas hinausgeschoben werden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Das Brot wird billiger! Die Bonner Bäcker-Innung beschloß im Einvernehmen mit der Stadtverwaltung vom 19. April ab den Preis des Schwarzbrotes von 75 Pfg. auf 70 Pfg., den des Feinbrotes von 95 Pfg. auf 85 Pfg., des Zwiebacks von 90 Pfg. auf 80 Pfg. herabzusetzen.
Zu irreführender Stimmungsmache benutzen unsere Gegner vielfach Privatbriefe, die sie bei Gefangenen oder gefallenen deutschen Soldaten auffinden. Sie reißen dabei einzelne Sätze aus dem Zusammenhang heraus, um durch ihre, oft noch absichtlich übertriebene Wiedergabe, die Verhältnisse in Deutschland, insbesondere die Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung in möglichst ungünstiges Licht zu stellen. Die Bevölkerung des feindlichen Landes, vor allem das feindliche Heer soll damit Hoffung und neue Zuversicht auf die baldige Unterwerfung Deutschlands erhalten. Es ist daher strenge Pflicht eines jeden Deutschen, sich in Feldpostbriefen aller solcher Aeußerungen zu enthalten, die der Gegner für seine (…) Zwecke ausbeuten kann.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten")
Mittwoch, 21. April 1915
Der Bonner Wehrbund zog am verflossenen Sonntag zum Tannenbusch, um dort seinen Mitgliedern Gelegenheit zu geben, sich im Auswerfen eines Schützengrabens zu üben. Nachdem der Leiter der Uebung, Herr Geheimrat Brinkmann, in einem Vortrag Mitteilung über die verschiedenen Formen der Schützengräben und ihre Anlage gemacht hatte, wurde unter seiner kundigen Leitung zur praktischen Arbeit übergegangen. Es handelte sich um den Bau eines Schützengrabens von 32 Meter Länge. Mit löblichem Eifer und mit einem Geschick, als ob es sich um eine langgeübte Tätigkeit handele, wurde von der ersten Arbeitskolonne frisch mit dem Spaten an die Arbeit gegangen. Nach je 5 Minuten Tätigkeit wechselten die Kolonnen und bald war ein Graben für kniende Schützen hergestellt, der alsdann in der Fortsetzung der Arbeit in einen solchen für stehende Schützen vertieft wurde. Zahlreiche Zuschauer sahen der Arbeit der wackeren Jugend zu, die das Streben hat, sich zu tüchtigen Verteidigern des Vaterlandes auszubilden. Um den Zuschauern das bild eines Kampfes um den Schützengraben – in unblutiger Form natürlich – zu geben, wurde ein Sturm auf den Schützengraben unternommen. Nach Beseitigung des Schützengrabens wurde eine Besichtigung der vom Militär in vortrefflicher Weise angelegten Schützengräben, Unterstände, Wolfsgruben und Drahtverhauen vorgenommen und Sang zur Stadt zurückmarschiert. Die Führerschaft des Wehrbundes ist eifrig bestrebt, die von ihr übernommene Tätigkeit im Dienste des Vaterlandes getreu nach den vom Kriegsministerium erlassenen Richtlinien durchzuführen. So erfolglos ist diese Tätigkeit nicht; denn viele Briefe von ehemaligen Mitgliedern des Wehrbundes melden, daß sie nicht nur militärische Fertigkeiten und körperliche Rüstigkeit ihrer Angehörigkeit zum Wehrbund zu verdanken haben, sondern auch manche Erleichterung im anstrengenden Dienst.
Ueber den Fremdwörterkrieg sprach gestern Herr Oberlehrer Professor Dr. Tesche im Zweigverein Bonn des Allgem. Deutschen Sprachvereins. Redner führte in seinem fesselnden Vortrage aus, daß der Weltkrieg auch das Gute habe, daß er aufräumt mit den vielen unnützen Fremdwörtern. Es ist eine Pflicht der vaterländischen Gesinnung, sich an der Sprachreinigung zu beteiligen. Die Bestrebungen des Sprachvereins gingen nicht soweit wie die Absichten der sogenannten Puristen. Fremdwörter sind in die deutsche Sprache gekommen mit den Römern. Da haben die Deutschen sich aber noch die fremden Ausdrücke mundgerecht gemacht, wie es die Soldaten im heutigen Krieg noch tun. Zur Zeit des höfischen Gesanges herrschte der französische Einfluß vor, und im Zeitalter des Humanismus kam ein ganzer Strom lateinischer Wörter in die deutsche Sprache. Unter Ludwig XIV. gehörte es zur Bildung, französisches Wesen anzunehmen. Aus der Zeit stammen auch die vielen Fremdwörter, die wir heute in den verschiedensten Berufen haben, im Heer, in der Diplomatensprache, in der Kunst, in der Buchdruckerkunst, in der Kaufmannssprache. Es ist den Deutschen ja eigentümlich, mit Vorliebe fremdes Wesen in sich aufzunehmen. Doch haben immer wieder Männer gegen das Fremdwörterunwesen geeifert: Opitz, Logau, Lessing, Fichte, die Romantiker, Gebr. Grimm. Durch das Fremdwort wird häufig die Klarheit und Wahrheit verwischt durch falsche Anwendung, ferner daß dem Volke die eigentliche Bedeutung des Wortes unbekannt ist: Stadion, Olympiade, Psyche. Das Fremdwort soll viel schöner sein, sagen die Freunde des Fremdwortes. Dies ist nicht richtig, denn es stellt das erste Grundgesetz unserer Sprache, das Betonungsgesetz auf den Kopf, dadurch, daß es die letzte Silbe betont, wie bei den Wörtern mit der Endsilbe „tät“. Auch die Zwitterwörter halb deutsch, halb fremd, sind vom Uebel. Das Fremdwort drückt den Begriff auch nicht klarer aus als das deutsche. Dann hindert es auch die allgemeine Verständlichkeit durch seine Vieldeutigkeit: Karton, Regal, Komposition usw. Durch diese Vieldeutigkeit leistet das Fremdwort auch der Denkträgheit Vorschub. Es ist auch nicht kürzer als der deutsche Ausdruck, kein unentbehrliches Verkehrsmittel und vor allem kein internationales Bindemittel, denn es hat uns nicht vor diesem Kriege schützen können. Im Gegenteil bringt uns die häufig falsche Anwendung nur Spott und Hohn ein.
Wie kann das Fremdwort beseitigt werden? Nicht durch Uebersetzung allein, denn in den meisten Fällen kann nur der Sinn wiedergegeben werden. Aus dem so reichen Wortschatz der deutschen Sprache muß ein Wortvorrat geschaffen werden. Da sind vor allem die Mundarten, die Fachsprachen, die reiche Quellen bieten. Alte, früher gebrauchte Worte müssen wieder eingeführt werden, wie es geschehen ist mit Hort, Heim. Durch Neubildung kann zur Bereicherung beigetragen werden, wie die Bildungen mit den Endsilben ling, schaft, heit, keit, ei, sam, haft usw.
Manches ist schon in der Sprachreinigung geleistet worden, aber jetzt erst ist die rechte Gelegenheit, daß es ernst werden kann damit, jetzt da von unten heraus, da das Volk die Sprachreinigung verlangt. Liebe und Verständnis für unsere deutsche Muttersprache muß immer mehr wachsen; dadurch wird auch das deutsche Volksbewußtsein gestärkt. Der Allgemeine Deutsche Sprachverein mit seinen Sprachberatungsstellen ist der rechte Ort, wo man Rat, Belehrung und Anregung erhält, um zum Ziele zu gelangen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten")
Das erste frische Grünfutter wurde in geschützten Lagen in den letzten Tagen bereits geschnitten. Futtergerste und Futterroggen sind 30 bis 35 Zentimeter hoch geworden und stehen recht dicht. Sie bilden für Rindvieh und Ziegen ein begehrtes und milchtreibendes Grünfutter, welches jedoch nicht lange anhält, da die Felder für andere Bestellungen rasch freigemacht werden müssen.
Wegen Uebertretung der Bäckereiverordnung hatten sich gestern wieder 28 Bäcker und Mehlhändler aus Bonn und Umgegend vor dem Schöffengericht zu verantworten. Die meisten hatten die alle 10 Tage einzureichende Bestandanzeige nicht gemacht. Ein Bäcker hatte Brot, das bekanntlich 24 Stunden alt sein muß, schon vorher verkauft. Er wurde mit einer Geldstrafe von 60 Mark belegt. Die übrigen kamen meistens mit einer Geldstrafe von 30 – 40 Mark davon. Mehrere Frauen, deren Männer im Felde stehen, wurden unter Berücksichtigung dieses Umstandes zu Geldstrafen von 10 Mark verurteilt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Godesberg, 20. April. Der Milchpreis ist jetzt hier trotz der sehr günstigen Futteraussichten sogar auf 26 Pfennig pro Liter gestiegen. Bei Beginn des Krieges stand der Preis auf 20 Pfennig.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und fern“)
Friesdorf. Die offene kleine Glashalle an der Haltestelle Friesdorf bietet keinen genügenden Schutz gegen Straßenstaub und kalte Winde, und die Arbeiter der Fabriken an der Friesdorferstraße, dem Schlachthause und dem Güterbahnhofe haben auch Anspruch auf eine Bedarfhaltestelle an der Wurzerstraße. Der Wunsch möge an zuständiger Stelle berücksichtigt werden. Ein Freund der Arbeiter.
Teure Briketts. Daß jetzt viele Lebensmittel und Gebrauchsartikel teurer sind als in Friedenszeiten, ist bekannt, daß aber in anderen Bezirken viele Sachen billiger sind als hier, dazu liegt doch meines Erachtens kein Grund vor. So z.B. die Briketts. Hier in Bonn verlangt man augenblicklich für den Zentner 95 Pfg. und sogar 1,00 Mark. In Köln wird der Zentner Briketts für 80 Pfg. frei ins Haus geliefert. Man sollte doch sagen, daß das, was die Kölner Händler können, auch den Bonnern möglich sein muß. An höherer Fracht kann dieser Mehrpreis doch nicht liegen, denn die Entfernung der Braunkohlewerke ist von Bonn fast gerade so weit, wie auch von Köln. J.B.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Die Viktoria-Lichtspiele haben bis heute 12.450 Mark Goldgeld gesammelt und gegen Papiergeld bei der Reichsbank und anderen Bankinstituten eingetauscht. Jeder Besucher, der mit einem Goldstück bezahlte, erhielt einen Platz frei, gleichwohl manches Programm mit ganz erheblichen Kosten bezahlt worden ist, und besonders an Sonntagen durch die Fortgabe solcher Freiplätze mancher Platz durch zahlende Besucher nicht besetzt werden konnte.
Schenkt leere Obsteimer, Steinkruken und Gläser! Man schreibt uns:
An die Hausfrauen Bonns ergeht hiermit die Bitte, durch Schenkung obiger Artikel es zu ermöglichen, daß neue Marmelade eingekocht werden kann, die dem bald fühlbar werdenden Mangel an Apfel- und Pflaumenkraut abhelfen soll. Es ist dies eine aus Apfelsinen und Möhren hergestellte Marmelade, welche in Köln sich eines großen Absatzes erfreut und zum niedrigen Preis von 0,45 Mk. bezogen werden kann. Der Vorstand „der hauswirtschaftlichen Kriegshilfe“ will daher diesen Versuch machen und bittet die Hausfrauen um ihre tatkräftige Unterstützung, zunächst in der Mobilmachung von Eimern, Kruken und Gläsern, sodann um den nötigen Absatz.
Die leeren Behälter sind an das Volksheim (Thomastraße 1) abzuliefern, wo auch der Verkauf stattfindet.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten")
Donnerstag, 22. April 1915
Universität. Gestern fand in der Aula der Universität die erste Immatrikulation in diesem Semester statt. Der Rektor, Herr Geheimrat Landsberg, hielt eine Ansprache an die neu immatrikulierten Studenten – es waren 58, darunter 16 Damen –, in der er ausführte: Kommilitonen! Wir treten in das zweite Kriegssemester ein. Eine schwere Zeit haben wir hinter uns. Eine schwere Zeit, das kann man wohl annehmen, liegt noch vor uns. Auch in diesen Räumen macht es sich geltend durch die geringe Anzahl derjenigen, die heute immatrikulationslustig und –bedürftig vor uns stehen. Wir beklagen diese geringe Anzahl nicht, wir sind stolz darauf. Denn wir wissen, das kommt daher, daß, wer auch nur irgendwie vermochte dem Vaterlande zu dienen, sie es mit der Waffe in der Hand, sei es anderswie, sich dem Dienste gestellt hat. Vor mir sehe nur ganz junge, aufstrebende Männer, die eben frisch von den Schulen zu uns kommen und noch nicht in der Lage sind, dem Vaterlande mit ihrem schwachen Arme zu dienen. Auch die Schar der Damen hat sich gelichtet, da viele sich dem Samariterdienste gewidmet haben. Indem ich die Erschienenen herzlich begrüße, habe ich auch ein Wort des Trostes Ihnen zu sagen. Sie dienen noch nicht dem Vaterlande, sei es, daß Sie sich hier noch stärken wollen, sei es, daß es manchen von Ihnen versagt ist. Lassen Sie den Mut nicht sinken bei dem Gedanken, daß Sie augenblicklich zu wenig tun für das Vaterland. Das Vaterland braucht auch ihre Kraft. Auch hinter der Front kann jeder mitstreben, mitarbeiten zur Erreichung des großen Zieles, durch Zuversicht und Aufrechterhaltung eines kräftigen vaterländischen Lebens. Viele, die noch irgendwelche Aussicht haben, mit ihrer Armeskraft am Siege mitwirken zu können, die mögen daran denken, daß ihnen hier Gelegenheit geboten ist, ihren Arm zu stählen, die körperlichen Kräfte zu heben. Hier in Bonn sind viele Uebungen des Wehrbundes. Ich kann Ihnen diese Uebungen nur dringend ans Herz legen, um sich körperlich vorzubereiten. Im übrigen ist natürlich auch die geistige Vorbereitung auf den künftigen Beruf gerade jetzt von größter Bedeutung. In trauriger Weise sind gerade die tüchtigsten und eifrigsten Männer durch die Würgerhand des Kriegstodes dahingerissen worden. Es handelt sich darum, diese Lücken auszufüllen, mit innerlicher Kraft und Tüchtigkeit ausfüllen. Die Grundlage dazu legen Sie im akademischen Studium. (...)
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten")
Ein Fahrraddieb wurde gestern in der Person eines 18jährigen Anstreichergehülfen aus Köln hier aufgegriffen. Es sind seit Oktober v. Jahres ungefähr 100 Fahrräder hier gestohlen worden, besonders an der Sparkasse fielen dem Fahrraddieb viele Räder in die Hände. Es wurde bereits festgestellt, daß der Dieb unter seinem eigenen Namen auf dem hiesigen Staatsbahnhof 3 Fahrräder und am Ellerbahnhof 10 Fahrräder zur Beförderung ausgeliefert hatte. Sehr häufig ist er am Ellerbahnhof vorgefahren, hat dort ein Rad zur Beförderung ausgeliefert und ist mit dem zweiten weiter gefahren. Der Dieb war fein gekleidet und trug vier Ringe an einer Hand. Er gab einen Diebstahl sofort zu. Die anderen bestritt er.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn")
Eßt Fische! Von Hausfrauen-Organisationen wird in jüngster Zeit angeregt, die Hausfrauen möchten häufiger Fischspeisen auf den Tisch bringen. Es geschieht dies mit dem Hinweis darauf, daß Fische außerordentlich nahrhaft seien und den Vorzug der großen Preiswürdigkeit gegenüber dem Fleisch hätten. Es scheint, daß die Hausfrauen-Organisationen, die sich die Kriegshilfe im Haushalt zur Aufgabe gestellt haben, praktisch mit den Angelegenheiten, die sie verfechten, recht wenig beschäftigen. Man werfe einmal einen Blick in den Anzeigenteil der Zeitungen. Wenn man da liest, daß beispielsweise ein Pfund gewalzter Stockfisch 1,80 Mk. kostet und Forellen mit Fantasiepreisen zu zahlen sind, dann versteht man nicht, wie man der Hausfrau des kleinen Mannes empfehlen kann, Fische zu kochen. Aehnlich ist es auch mit der Marmelade, die aus Apfelsinen und Möhren hergestellt werden soll. Eine Apfelsine kostet heute mindestens 8 Pfg. Bei dieser Marmelade kann daher von einem Volksnahrungsmittel nicht die Rede sein, sofern die Wohlfahrtsdamen nicht in die eigene Tasche greifen wollen, um eine billige Marmelade zum Verkauf bringen zu können. Um die ärmere Bevölkerung vor Enttäuschungen zu bewahren, empfiehlt es sich, daß unsere Wohlfahrtsdamen sich vor der öffentlichen Raterteilung über das, was das Volk essen soll oder nicht, genau unterrichten, insbesondere über die Preise, die zu zahlen sind, damit ihre an sich lobwürdige Arbeit im Dienste des Volkswohls auch die rechten Früchte zeitigt. Eine Hausfrau, die für einen guten Rat dankbar ist.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal")
Keine Kartoffeln ohne Heringe. Einen guten Gedanken, der nachgeahmt zu werden verdient, hat de Magistrat von Neukölln gehabt. Die hohen Fleischpreise haben ihn veranlaßt, dafür Sorge zu tragen, daß die Bevölkerung den Fleischgenuß etwas einschränkt und dafür mehr Heringe genießt. Die Magistratsmitglieder haben deshalb beschlossen, bei den städtischen Kartoffelverkaufsstellen nur dann Kartoffeln abgeben zu lassen, wenn gleichzeitig wenigstens drei Heringe gekauft werden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten")
Freitag, 23. April 1915
Stadtverordneten-Ersatzwahl. Am Mittwoch fand die Ersatzwahl für den verstorbenen Stadtverordneten Wessel statt. Es wurde in der 1. Wählerklasse für die Vororte Herr Direktor Roßberg mit 8 Stimmen gewählt. Ein Gegenkandidat war nicht aufgestellt.
Notprüfungen für die oberen Klassen der höheren Schulen sollen auch in diesem Jahre stattfinden, frühestens am 1. Juli. Den Obersekundanern und Unterprimanern wird die Reife für die nächst höhere Klasse zugesprochen, wenn sie nachweisen, daß sie als Kriegsfreiwillige im Heer oder in der Marine eingetreten sind. Dasselbe geschieht bei denen, die sich für das Rote Kreuz und das Etappengebiet verpflichten. Für die Schüler der Obersekunda und Unterprima kann von einer Prüfung abgesehen werden und der Lehrkörper über die Reife entscheiden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten")
Die Gummisammlung, die gestern auf Veranlassung verschiedener Wohlfahrtsvereinigungen auch hier in Bonn abgehalten wurde, hatte ein gutes Ergebnis. Unsere jugendlichen Sammlerinnen, Pfadfinder und Schüler haben ja schon Erfahrung mit „Fechten“ von der großen Wollsammlung her. Mit geschmückten Karren gings denn auch gestern von Haus zu Haus und schon gegen Mittag sah man Handwagen, die hoch mit Fahrradgummireifen, Schläuchen und alten Gummischuhen beladen waren. Gar mancher Familienvater wird im Herbste vergebens nach seinen Gummischuhen suchen, die noch gut zu gebrauchen waren, wenn sie nur ein wenig geflickt worden wären. Auch mancher Radfahrschlauch, der von dem sparsamen Hausvater als Flickmaterial benutzt wurde, ist verschwunden. Man konnte doch nicht gut die Sammlerinnen mit leeren Händen wegschicken. Und Recht hatten die Hausfrauen. Kommt Zeit, kommt Rat. Die Hauptsache ist augenblicklich, daß so viel wie möglich zum Wohle unserer Krieger gesammelt wird.
Eine Flaschenpost wurde gestern nachmittag hier im Rhein aufgefischt. Sie enthielt ein gelbweißes Fähnchen und einen Zettel, auf dem die Verwundeten des Res.-Lazaretts zu Rolandseck „Station Anker“ die besten Grüße übermitteln. Die Flaschenpost hatte die Reise nach Bonn in wenigen Stunden zurückgelegt, denn die Flasche war erst gestern vormittag ½ 11 Uhr dem Rhein übergeben worden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Godesberg, 22. April. Laut Beschluß des Kur- und Finanzausschusses soll für die Dauer des Krieges von der Erhebung einer Kurtaxe abgesehen werden. Das Lesezimmer im Kurparksaal bleibt geschlossen. Kurkonzerte sollen bei dem Ernst der Zeit nicht veranstaltet werden. Für die Benutzung des Stahlwassers zum Trinken werden Monatskarten für 2 Mark ausgegeben.
Godesberg-Muffendorf, 22. April. Unsere ganze Muffendorfer Gemarkung steht gegenwärtig wiederum in dem weithin bekannten Zauberkleide der karminroten Pfirsichblüte, wie es in einem derart ausgedehnten Maßstabe selten anderswo noch anzutreffen ist. Der Besuch von auswärts war auch im Laufe dieser Woche schon recht beträchtlich und wird zweifellos am nächsten Sonntag seinen Höhepunkt erreichen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und fern“)
Gegen Kurpfuscherei und Reklamesucht. Das stellvertretende Generalkommando des 7. Armeekorps gibt folgendes bekannt: Auf Grund des § 9b des Gesetzes über den Belagerungszustand vom 4. Juni 1851 wird hiermit angeordnet: 1. Anzeigen, in denen die Heilung irgendwelcher Krankheiten von nicht approbierten Aerzten angekündigt wird, werden verboten. 2. Das Heer oder die Kriegslage in Wort oder Bild für private Reklamezwecke auszunutzen, wird verboten.
Schwindler in Krankenpflegerkleidung. Vor einigen Tagen erschien bei einer Dame in der Simrockstraße ein angeblicher freiwilliger Krankenpfleger aus Kreuznach und gab an, ein Neffe der Dame aus Kreuznach, der als Unteroffizier im Felde steht, sei schwer verwundet in einem Lazarett in Frankreich eingeliefert worden und habe ihn gebeten, der Dame in Bonn Mitteilung von seiner Verwundung zu machen. Der Krankenpfleger erklärte sich bereit dafür zu sorgen, daß der Neffe nach Bonn in ein Lazarett komme. Er komme in einigen Tagen wieder zu demselben Lazarett und da er den Leitenden Arzt gut kenne, sei es ihm leicht, für die Ueberführung nach Bonn zu sorgen. Der Krankenpfleger erhielt dann von der Dame Geld und Sachen für den Neffen, sowie Verpflegung und Quartier. Aus Briefen des angeblich verwundeten Unteroffiziers ist nunmehr festgestellt worden, daß die ganze Sache auf Schwindel beruht und es dem „Krankenpfleger“ nur darauf ankam, die Dame um Geld und Sachen zu betrügen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten")
Samstag, 24. April 1915
Der Krieg und die Mode. Ueber dieses Thema sprach in einer vom Ausschuß für hauswirtschaftliche Kriegshilfe veranstalteten Versammlung Frau Stryowski-Baedeker aus Essen. Die Vortragende übersieht keineswegs die Schwierigkeiten, die bei der Schaffungeiner deutschen Mode zu überwinden sind. Aber es besteht nun, mehr als jemals, die Notwendigkeit und die Pflicht, eine deutsche Mode zu schaffen. Versuche, uns von der Herrschaft der Pariser Mode und der oft so tollen Einfälle der Pariser Modeschneider zu befreien, hat es ja immer schon gegeben. Jetzt aber beginnt es ernst zu werden. Jetzt soll aus diesen immerhin vereinzelten Bestrebungen nach einer Frauenkleidung der deutschen Körperkultur und des geläuterten Geschmackes eine Bewegung aller deutschen Frauen werden, die den ernsten Willen haben, eine selbständige deutsche Mode zu schaffen. Dabei soll sich diese Mode nicht ängstlich gegen alle Einflüsse von außen abschließen. Diese Mode wird trotzdem deutsch und selbständig sein, wenn sie von dem Grundsatz geleitet wird: eine Kleidung zu schaffen, die dem Körper und dem Empfindungsleben der deutschen Frau angepasst ist. Wenn die deutschen Frauen so lange wahllos nachgeahmt haben, was man in Paris für schön, für schick, für geschmackvoll hielt, so müssen sie jetzt vor allem eines lernen: selbst urteilen, selbst wählen, selbst wissen, was in der Kleidung für ire Eigenart, ihren Körper und ihren Charakter paßt. Hierbei soll die deutsche Frau bedenken, daß es in Deutschland immer die Sitte und der Stolz der Frau war, die gesunde und kräftige Gefährtin des Mannes zu sein. Das soll sich auch in der Art ausdrücken, wie sich die deutsche Frau kleidet. Die ehrliche deutsche Sitte soll in der Mode wieder zum Ausdruck kommen. Als Mittel, wie eine deutsche Mode nach diesen Leitsätzen zu schaffen sei, empfiehlt die Vortragende vor allem die Bildung des persönlichen Geschmackes. Jede, auch die geringste Frau muß „soweit vorgebildet“ sein, daß sie bei der Wahl ihrer Kleidung weiß, was zu ihr paßt. Sie muß wissen, was sie will und was sie kleidet. Und qualitativ wird der Schnitt der beste sein, der die Eigenart einer Frau am besten auszudrücken vermag. Da die Schaffung einer deutschen selbständigen Mode auch ihre sehr große wirtschaftliche Bedeutung hat, so soll die deutsche Frau in Zukunft alle Modeerzeugnisse fremder Länder zurückweisen, um die Riesensummen, die bisher für Modearbeiten ins Ausland gingen, der deutschen Volkswirtschaft zu erhalten. Weiter empfiehlt die Vortragende die Einrichtung und Förderung von Nähschulen, Unterricht in Materialkenntnis und gediegene Fachschulen für Schneiderinnen und Näherinnen. An den Vortrag schloß sich eine Aussprache, worauf in einem Schlusswort Frau Stryowski-Baedeker noch einmal ihren Standpunkt betonte, der im allgemeinen die längst bekannten, schon oft erörterten Grundsätze der Reformtracht und des „Eigenkleides“ vertritt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Bonner Landwehrmänner im Osten
Tief verschleiert, einsam stille
Liegt das Tal, das Bächlein rauscht;
Während dort am Uferrande
Landwehrmann auf Posten lauscht.
Denn der Krieg, der grausam strenge,
Rief ihn hier an diesen Ort,
Riß ihn von der Liebsten Seite.
Riß ihn aus der Heimat fort.
Treulich folgte er dem Rufe
Seines hohen Landesherrn.
Um zu kämpfen und zu bluten
Für des Vaterlandes Stern.
Jetzo steht auf seinem Posten
Hier der wackere Landwehrmann;
Und im fernen weiten Osten
Fängt der Tag zu grauen an.
Nacht entschwindet, lieblich helle
Liegt das Tal im Sonnenglanz;
Schönes Bild, das Bild vom Siege
Nach des finstern Krieges Tanz.
Landwehrmann wischt eine Träne
Leise ab, mit stummer Hand;
Ob er sie wird wiedersehen
Die ihm lieb im Heimatland?
Verfasser zeichnen:
Hans Fischer aus Bonn,
Heinr. Gollman aus Bonn;
Jean Busch aus Bonn
Jean Bachem aus Walberberg bei Brühl
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
In die Baumblüte läßt die Vorgebirgsbahn jetzt Sonderzüge fahren. Der Fahrplan wird im Inseratenteil der nächsten Nummer veröffentlicht.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Sonntag, 25. April 1915
Liebesgaben für die Besatzungen der U-Boote. Die hiesige Agentur der Hamburg-Amerika-Linie, Ernst Wolter am Kaiser-Wilhelm-Denkmal, gibt in ihrem Schaufenster einen Aufruf für Liebesgaben für die Besatzungen unserer U-Boote bekannt. Besonders erwünscht sind Apfelsinen, frische Äpfel, Datteln, Feigen, Mandeln, Nüsse. Schokolade, Keks, Zwieback. Die Sendungen werden erbeten an Hamburg-Amerika-Linie, Seebäderdienst, St. Pauli, Landungsbrücken, Hamburg, bis zum 30. April.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Gegen die Spatzenplage. Mehr als in sonstigen Zeiten gilt es in diesem Jahre die Ernte auch gegen den Saatenräuber aus der Vogelwelt zu schützen. Zu diesen gehört in erster Linie der Sperling. Um die Spatzenplage planmäßig und erfolgreich zu bekämpfen, haben bereits eine Menge rheinischer Gemeinden Fangprämien ausgesetzt. Viele Bewohner betreiben die Vertreibung des Spatzenvolkes geschäftsmäßig, und es kann dabei ein hübsches Sümmchen verdient werden, denn es gibt pro Spatzenkopf 5 Pfg.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Bäcker und Mehlhändler sind gestern vom Bonner Schöffengericht wegen Uebertretung der Verordnungen über den Mehlverkehr zu Geldstrafen von 30 bis 60 Mark verurteilt worden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Montag, 26. April 1915
Ein ernstes Mahnwort an die Eltern richtet der Direktor des hiesigen Städt. Gymnasiums, Herr Dr. Riepmann, am Schluß des letzten Jahresberichtes der Schule, ein Wort, das in weiten Kreisen gehört und beachtet zu werden verdient: „Der Krieg, den unser Volk um sein staatliches Dasein führt, zeigt deutlich und eindringlich, wie viel darauf ankommt, daß neben dem Geist auch der Körper geübt und gestählt wird, damit in der Stunde der Gefahr eine wehrkräftige Jugend zum Schutze gegen den Feind bereit steht. Mit Recht ist früher der Schule vorgeworfen worden, daß sie über die erste Aufgabe die zweite vernachlässige. Heute trifft die Schule dieser Vorwurf nicht mehr, aber er trifft viele, sehr viele Eltern und Schüler. Mit nichts sind Eltern und Schüler so schnell bei der Hand, als Befreiung von den obligatorischen Turn- und Spielstunden, Wanderungen und dergl. nachzusuchen; die Spielplätze, die die Schule zur Verfügung stellt, bleiben leer; die Schülervereine, die zur Pflege der Leibesübungen entstanden oder geschaffen sind, haben verhältnismäßig wenig Mitglieder. Die gewöhnliche Ausrede, daß es an der Zeit fehle, ist unrichtig und wird schon durch die Schüler, die beide Aufgaben befriedigend lösen, widerlegt. Nicht Mangel an Zeit ist schuld, sondern Lässigkeit, Verkennung der Bedeutung der leiblichen Ausbildung und mangelhafte oder unzweckmäßige Ausnützung der Zeit. Grundfalsch ist es, den Schüler, der am Morgen fünf oder sechs Unterrichtsstunden gehabt hat, gleich nach dem Mittagessen an die Schularbeiten zu setzen und ihn etwa in den Abendstunden einen Bummel durch die Remigiusstraße machen zu lassen. Die Nachmittagsstunden bis fünf Uhr sollen der Erholung und körperlichen Ausbildung gewidmet sein, nicht greisenhaften Spaziergängen im Hofgarten oder Baumschuler Wäldchen, sondern frischem Spiel und fröhlichem Streifen durch Wald und Flur. Dann können und werden die Jungen mit viel mehr Frische, mit größerem Erfolg und viel kürzerer Zeit ihre häuslichen Aufgaben erledigen, die so bemessen sind, daß sie der Durchschnittsschüler in 2 – 2 ½ Stunden bewältigen kann. Dazu hilft auch der Zwang, daß die Arbeit in bestimmter Zeit erledigt sein muß. Das lange dumpfe Hocken und Brüten über den Schulaufgaben taugt gar nichts.
Wenn aber ein Schüler seine Hausaufgaben in der Zeit von 5 – 8 wirklich nicht mit Erfolg erledigen kann, so ist das ein Zeichen, daß er für die Klasse nicht reif ist und dann ist es pädagogische und didaktisch richtiger, ihn sie wiederholen zu lassen, anstatt auf Kosten des Körpers eine künstliche geistige Reife zu erzwingen. Nicht darauf kommt es an, ob unsere Abiturienten 19 oder 20 Jahre alt sind, sondern daß sie die Russen und Franzosen und Engländer schlagen können und sonst im Leben ihren Mann stehen. Das werden sie können, wenn sie etwas Tüchtiges gelernt haben und geistig und körperlich gesund und leistungsfähig sind.“
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Das Wasser des Rheines ist in der vergangenen Woche anhaltend zurückgegangen, wodurch die störenden Einwirkungen des jüngsten Hochwassers für die Schiffahrt beseitigt sind. Der gegenwärtige gute Wasserstand gestattet den großen Fahrzeugen volle Ladung, und so dürfte der in stärkerer Entwicklung begriffene Versand von Kohlen rheinaufwärts sich noch günstiger gestalten. Am hiesigen Pegel wurden heute früh 3.10 Meter Wasser gemessen.
Für Frauen aller Kreise beginnen am Dienstag abend im Saale der Fortbildungsschule drei Vorträge über die Frage. „Welche Rechtskenntnisse für Krieg und Frieden sind unseren Frauen am nötigsten?“
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Baumblüte am Vorgebirge und in den kleinen idyllischen Orten um Godesberg zeigte sich bei dem gestrigen prachtvollen Frühlingssontagswetter zum ersten Mal in diesem Lenz in ihrer ganzen Farbenfröhlichkeit. Freilich haben sich die Millionen Knospen noch nicht alle geöffnet, aber aus den Gärten leuchtet doch schon die köstliche rosafarbene, weiße und grüne Frühjahrsherrlichkeit. Die bekanntesten Orte der Baumblüte wurden gestern ziemlich stark besucht. Die Bahnen waren oft überfüllt.
Der Krieg und das Studium der Landwirtschaft. Der Krieg hat die Bedeutung einer blühenden Landwirtschaft von neuem eindringlich gezeigt; in dem gleichen Maße wird es wichtig, den Landwirten eine nach allen Seiten vertiefte wissenschaftliche Ausbildung zu ermöglichen. Diese ist notwendig, sowohl für jene, die in eigener Sache bebauen wie für die immer zahlreicher verlangten Verwalter und Betriebsleiter größerer Güter und endlich für die Landwirtschaftslehrer. Die landwirtschaftliche Akademie Bonn-Poppelsdorf, die ihren Lehrplan in den letzten Jahren umfangreich ausgebaut hat, ist für den Westen die Stätte der Belehrung. Sie eröffnet das Sommersemester am 3. Mai. Lehrpläne und Auskünfte sind unentgeltlich durch das Sekretariat der Akademie, Bonn-Poppelsdorf, Meckenheimer Allee 104 zu erhalten.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Dienstag, 27. April 1915
Die Bonner Liedertafel hat es sich seit Kriegsbeginn zur Aufgabe gestellt, die in den hiesigen Lazaretten untergebrachten verwundeten Krieger durch Chor- und sonstige Vorträge zu unterhalten und aufzuheitern. Obschon jetzt weit über 100 Sänger des Vereins unter der Fahne stehen, verfügt er noch über ein ganz vorzüglich geschultes Stimmenmaterial und die Auswahl der Darbietungen ist so vortrefflich und abwechselungsreich, daß es für die Verwundeten jedes Mal einen Festtag bedeutet, wenn unsere Liedertäfler erscheinen. Am verflossenen Sonntag konnte der Verein bereits auf die zweiundvierzigste derartige Veranstaltung zurückblicken, die diesesmal ausnahmsweise wieder unter der Direktion des ebenfalls zur Fahne einberufenen Dirigenten Herrn Musikdirektors Werth stand. Die verwundeten Krieger füllten den weiten Saal des als Lazarett eingerichteten Collegiums Albertinum bis zum letzten Eckchen und lauschten andächtig und erfreut den Darbietungen des Chores, unter denen die innigen Volkslieder wohl den größten Eindruck hervorriefen, während der frischgesungene Straußsche Walzer „An der schönen blauen Donau“ allgemein eine heitere Stimmung weckte. Außer solistischen Darbietungen wurden als angenehme Abwechslung, gleich vortrefflich wie die Liedervorträge, prächtige Lichtbilder aus den Alpen vorgeführt. So verlief diese Veranstaltung gleich den vielen vorhergegangenen sehr eindrucksvoll und lang anhaltender Beifall der dankbaren Zuhörer belohnte die Sängerschar, denen es in späteren Zeiten eine schöne Erinnerung an die jetzige große Zeit bleiben möge, auch für ihren Teil mitgeholfen zu haben, die Wunden des Krieges zu lindern.
Im Metropoltheater wird von heute an das dreiaktige Schauspiel „Ohne Vaterland“ mit der berühmten Tänzerin Rita Sachetto in der Hauptrolle im Film gezeigt; dann eingroßes Kriminaldrama aus der Hochfinanz „Bosko der Abenteurer“. Außerdem enthält der Spielplan noch die Kriegsberichte in Bildern und ein Lustspiel „Die vierte Dame“.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten")
Der städtische Kartoffelverkauf hatte sich in den letzten Tagen eines großen Zuspruchs zu erfreuen. Außer an dem Lager Ecke Thoma- und Bachstraße werden in dieser Woche auch in den Kellerräumen des städt. Gymnasiums an der Brückenstraße Kartoffeln verkauft. Gestern wurden an den beiden Stellen insgesamt etwa 160 Zentner abgegeben und zwar in Mengen von 50 Pfund. Große Familien mit sieben oder mehr Personen erhalten einen ganzen Zentner. In der kommenden Woche wird noch eine dritte Verkaufsstelle eröffnet und zwar in der Heerstraßenschule.
Der Bonner Beethoven-Chor veranstaltete am Sonntag nachmittag im Römersaal in Grau-Rheindorf ein Konzert zum Besten der Fortsetzung der Kriegsversicherung der aus dem Dorf eingezogenen Krieger. Das gut besuchte Konzert wurde mit einem Hoch auf Kaiser und Reich eröffnet. Die vorgetragenen Chöre ernteten besonderen Beifall. Als Sopransolistin trug Frl. M. Römer sehr zur Verschönerung des Nachmittags bei. Ebenso gefiel die Dame im Duett mit ihrem Bruder. Der Dirigent Herr Kölzer erntete mit seinen humoristischen Einlagen großen Beifall. Herr Pfarrer Peters, der mit seinem Vikar erschienen war, dankte im Namen der ganzen Gemeinde für das Liebeswerk zu Gunsten der Rheindorfer Krieger.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Falsche Friedensprophezeiungen. Man schreibt uns:
Am 14. Dezember vorigen Jahres veröffentlichte eine hiesige Zeitung folgenden Artikel:
„In allem Ernste veröffentlicht der „Figaro“ die Voraussage eines italienischen Grafen namens Ugo Baschieri, der wissen will, daß der Friede am 27. April kommenden Jahres geschlossen werden wird. Um zu beweisen, daß Baschieri bedeutende Ereignisse vorhersagen kann, erinnert das Boulevardblatt daran, daß dieser seinerzeit das Erdbeben von Santiago de Chile voraussagte, das sich dann tatsächlich an dem angegebenen Tage und zwar zur angegebenen Stunde abspielte.“
Heute ist der 27. April. Aber der Friede ist noch nicht in Aussicht. Deutlicher als an diesem Beispiel des „berühmten“ Baschieri läßt sich der Wert, oder besser gesagt, der Unfug der Friedensprophezeiungen nicht an den Pranger stellen.
Eine Kriegsgedächtnis-Sammlung aus der Kriegszeit, die an die vorhandenen Kriegsammlungen von 1813/15 und 1870/71 im Arndt-Museum in Godesberg/Friesdorf angegliedert werden soll, beabsichtigt ein Ausschuß von Schriftstellern, Dichtern und Gelehrten zu gründen. Die Sammlung wird alle erdenklichen Erinnerungen an diesen Krieg umfassen: Kriegs-Zeitungen, -Zeitschriften, -Lieder, -Bekanntmachungen, -Depeschen, -Flugschriften, -Karten, -Bilder, –Aufzeichnungen. Männer wie Fritz Bley, Defregger, Gustav Falk, Humperdinck, (...), Richard von Kralik, Johannes Trojan und andere unterzeichnen den uns vorliegenden Aufruf. Alle Einsendungen werden an das Museum erbeten.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten")
Mittwoch, 28. April 1915
Wehrbund. Wir machen auf den Aufruf im heutigen Anzeigenteile aufmerksam, der die Jünglinge und Männer, die ihrer Einberufung entgegensehen, zur Teilnahme an den Uebungen des Wehrbundes auffordert. Es ist für alle diese eine vaterländische Pflicht, an den Uebungen teilzunehmen und sich dadurch vorzubereiten auf den Militärdienst.
Der Verband „Deutsche Arbeit“ der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die unberechtigte Fremdtümelei im Warenverkehr zu bekämpfen, hat unter dem Vorsitz des Staatsministers z. D. Dr. von Richter in Berlin eine Sitzung des geschäftsführenden Ausschusses abgehalten. Es wurde hervorgehoben, daß seit der letzten Sitzung zahlreiche wirtschaftliche Verbände und Einzelfirmen dem Verbande „Deutsche Arbeit“ sich angeschlossen haben. Es war bei der Ausdehnung notwendig, besondere Fachausschüsse zu bilden, die die auftretenden Fragen zu prüfen und vorzubereiten haben. Es wurde auch beschlossen, zu dem Deutschen Werkbund, zu dem Allgemeinen Deutschen Sprachverein und ähnlichen Vereinigungen in ein förmliches Gegenseitigkeitsverhältnis einzutreten, damit ein förderndes Zusammenarbeiten gesichert ist. Mit der Vorbereitung zur Ausstellung „Deutsche Waren unter fremder Flagge“ hat sich der Ausschuß eingehend beschäftigt. Eine Neueinrichtung „Deutsche Wochen“, während denen die Käufer nur Waren deutschen Ursprungs verlangen sollen, ist in Aussicht genommen, ebenso die Schaffung einer Marke „Deutsche Arbeit“. Ferner soll im Verein mit anderen Zentralverbänden eine Sammelstelle über die Behandlung deutscher Firmen im Auslande geschaffen werden, um geeignete Grundlagen für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen zu gewinnen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten")
Ein Messerheld. Auf der Bahnhofstraße wurde in der vergangenen Nacht ein hier wohnender Arbeiter namens Mahlberg von einem anderen Mann, mit dem er in Wortwechsel geraten war, durch Messerstiche so erheblich verletzt, daß seine Aufnahme in eine Klinik veranlaßt werden mußte. Der Täter wurde durch die Bahnwache festgenommen.
Ersetzt fremdländische Schilder, Aufschriften usw. Die noch vielfach vorhandenen fremdländischen, insbesondere französische und englische Inschriften, Aufschriften und Anschläge in öffentlichen Straßen, auf öffentlichen Plätzen, sowie an sonstigen für den geschäftlichen Verkehr bestimmten oder öffentlich zugänglichen Stellen, insbesondere auch in und an Verkaufsläden, Gasthäusern und Geschäftsräumen erregen in der jetzigen Kriegszeit in weiten Kreisen der Bevölkerung berechtigten Anstoß. Ebenso wird auch vielfach für den äußeren Aufdruck auf Geschäftspapieren, Rechnungsformularen, auf Waren und Warenproben eine ausländische Bezeichnung oder eine fremde Sprache gewählt. Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn Waren, die für die Ausfuhr in das Ausland bestimmt sind, mit einer fremdsprachigen Aufschrift versehen werden. Aber im übrigen muß es als ein unabweisbares Gebot gelten, daß nur deutsche Bezeichnungen angewandt werden. Von mehreren Generalkommandos ist bereits im Wege der mit Strafandrohung versehenen Verordnung gegen die Missstände vorgegangen worden. Auch für den VIII. Korpsbezirk ist eine gleiche Verordnung zu erwarten, wenn wider Erwarten die bereits mehrmals gegebenen Anregungen zur Beseitigung der Missstände keinen durchgreifenden Erfolg haben werden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Venusberg. Bonn hat an seinem schönen Venusberg und Kaiser-Wilhelms-Park einen Erholungsort, um den uns viele deutsche Städte beneiden. Leider ist aber durch die große Schnaken-Plage, die von Jahr zu Jahr schlimmer wurde, der Aufenthalt und das Sitzen im Waldein den heißen Sommermonaten fast zur Unmöglichkeit geworden. Wäre es nicht möglich, dem entgegen zu treten, wenn man z. B. jetzt schon die vielen großen und kleinen Pützen desinfizierte oder abgrüb und die Mückenschwärme beizeiten tötete? Da in diesem Jahr, wie es scheint, die Straßen der Stadt nicht gesprengt werden können, wäre es für jung und alt und nicht zum wenigsten für die vielen Invaliden eine doppelt große Wohltat, im Walde ein angenehmes, schattiges Plätzchen zu finden, wo man ruhen könnte. Ein fleißiger Spaziergänger.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Gehaltserhöhungen in Betrieben, die für Heereslieferungen arbeiten. Der letzten Sitzung der Bonner Handelskammer lag ein Ersuchen des stellvertretenden Generalkommandos zu Koblenz um eine gutachtliche Aeußerung zu einer Eingabe des Bundes der technisch-industriellen Beamten betr. Gehalterhöhungen in Betrieben, die für Heereslieferungen arbeiten, vor. Der Vorsitzende bemerkt dazu, daß man gegen die verlangte militärbehördliche Anordnung von Kriegs-Teuerungszulagen für die Privatangestellten in den mit Heereslieferungen bedachten Betrieben grundsätzlich Einspruch erheben müsse. Die Entlohnung der Angestellten sei dem Ermessen der Betriebsinhaber oder der Direktoren der Werke zu überlassen, weil sie alleine in der Lage seien, ein Urteil über die Leistungen jedes einzelnen Angestellten zu fällen und danach die Höhe des Gehaltes zu bemessen. Gerade in der gegenwärtigen Zeit habe es sich gezeigt, wie die Unternehmer freiwillig große Opfer auf sich genommen haben, um ihre Angestellten vor Stellenlosigkeit zu schützen, und es sei zu erwarten, daß sie auch fernerhin ihrer Pflicht sich bewußt seien, wenn es gilt, Not zu lindern, wo solche sich zeigt. Auch werden sie schon aus eigenem Interesse denjenigen Angestellten Zulagen bewilligen, die sich durch ihre Tätigkeit um das Unternehmen verdient machen. Schematisch derartige Zusagen anzuordnen, errege Unzufriedenheit, weil darin eine Unbilligkeit gegenüber dem tüchtigeren Angestellten liegt. Die Kammer stimmte diesen Aeußerungen zu und beschloß in diesem Sinne das gewünschte Gutachten abzugeben.
Die Verdaulichkeit des K-Brotes. Die „Korrespondenz des Bundes Deutscher Frauenvereine“ schreibt: Für diejenigen, die einen empfindlichen Magen haben und das K-Brot nicht gut vertragen können, gebe wir den Ratschlag, nicht zu dick geschnittene Scheiben des Brotes kurz vor der Mahlzeit hellgelb zu rösten. Das Brot wird dann leichter verdaulich.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten")
Donnerstag, 29. April 1915
Die Rekruten. Das Bezirkskommando I Düsseldorf teilt folgendes mit: Aus Anordnung des Kriegsministeriums werden vom 1. Mai 1915 an nach Bedarf die Rekruten, die in den Jahren 1914 und 1915 ausgehoben worden sind, einberufen werden. Firmen usw., die Rekruten beschäftigen, wird anheimgegeben, diese Leute verfügbar zu machen und sich schon jetzt Ersatz zu beschaffen, Mit einer Zurückstellung der Rekruten ist nicht mehr zu rechnen. Zurückstellungsanträge können von jetzt an nicht mehr genehmigt werden.
Bonner Wehrbund. Die Mannen des Wehrbundes zogen am verflossenen Sonntag wieder zum Tannenbusch, um sich wiederum im Auswerfen von Schützengräben zu üben. Dieses Mal ging die Arbeit flotter und gründlicher von statten. Aber nicht nur in der Gründlichkeit der Arbeit war erfreulicherweise ein bemerkenswerter Fortschritt festzustellen, auch in der Form und Anlage des Grabens, der in Schlangelinie ausgeworfen, den neuzeitlichen Anforderungen entsprach, zeigte sich das Bestreben der Leitung, die Jungmannschaft gut auszubilden. Als die Arbeit getan, ordneten sich die Teilnehmer und bildeten Schützenlinien. Hinlegen! ertönte der Befehl und mit Kriechen näherte sich die Schützenkette dem Graben, um ihn schließlich mit lautem Hurra im Sturm zu nehmen. Nach dieser Uebung wurde das Werfen von Handgranaten vorgenommen und die vier besten Werfer durften schließlich mit Knallkapseln ihre Geschicklichkeit beweisen. Eine große Zuschauermenge wohnte der Uebung bei. So erfreulich das Interesse an den Uebungen ist, weit erfreulicher würde es sein, wenn die Eltern, die Söhne im Alter von 16 – 19 Jahren besitzen, sie zu den Uebungen senden würden. Dieses Interesse der an dem im Dienste des Vaterlandes stehenden Tätigkeit des Wehrbundes würde der Sache besser dienen. Es darf nicht vergessen werden, daß die vom Kriegsminister angeordnete militärische Vorbereitung der Jugend dazu dienen soll, die eigentliche militärische Ausbildung abzukürzen und schneller zu vollenden. Wer will bestreiten, daß dies in der gegenwärtigen Lage nicht notwendig ist! Die jungen Leute, die nicht vorbereitet in das Heer eintreten, erschweren und verlangsamen den Gang der Ausbildung und verhindern so die volle Ausbildung der vom Kriegsminister angeordneten Einrichtung. – Die Leitung des Wehrbundes beabsichtigt mit Eintritt der Badezeit, die Erteilung von Schwimmunterricht zu unternehmen, um auch in dieser Hinsicht vielfach geäußerten Wünschen zu genügen.
Die Anmeldung der Wohnung muß jetzt nach einer Verordnung des Militär-Polizeimeisters für den Festungsbereich Köln, wozu auch Bonn gehört, spätestens 12 Stunden nach Beziehen der Wohnung bei dem Polizeirevier persönlich geschehen. Meldepflichtig sind alle Personen (In- und Ausländer), gleichviel ob sie in Gasthäusernoder in Pensionen, Herbergen, möblierten oder unmöblierten Wohnungen oder Zimmernoder als Logiergäste in Privathäusern dauernd oder vorübergehen (auch besuchsweise) Wohnung nehmen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten")
Sanitätshunde im Felde. Her Polizeikommissar Flaccus von hier wurde die Ehre zuteil, am verflossenen Samstag im Kurhaus zu Bad Kissingen in Anwesenheit des Großherzogs Friedrich August von Oldenburg und der Prinzessin Eitel Friedrich von Preußen über „Das Wirken deutscher Sanitätshunde im Felde“ zusprechen. Nach Beendigung des Vortrages, der von den zahlreichen Zuhörern mit großem Beifall aufgenommen wurde, ließ der Großherzog Herrn Polizeikommissar Flaccus zu sich bitten und sprach seine Befriedigung aus über diese klaren und interessanten Ausführungen. Der Großherzog von Oldenburg ist bekanntlich der Schutzherr des Vereins für Sanitätshunde. Auch Prinzessin Eitel Friedrich sprach sich anerkennend über das Gehörte aus.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Mitten im Frühling. Draußen am Kreuzberg blühen die Kirschen und ringsum leuchtet es rosarot aus den Gärten. Das sind wieder die prachtvollen Frühlingstage mit der Fülle des Lichts und dem Zauber ihrer Wonnen, diese merkwürdig-durchstrahlten Tage, wo die Brust wie von einem Druck befreit, sich weitend hebt, wo wir am liebsten mit aufgeknöpftem Ueberzieher, den Hut in de Hand, stundenlang dahinschlendern, gedankenlos. Auf dem Weg, der an Friedrichsruh vorbei zur Casselsruh führt, wird es jetzt den ganzen langen Tag nicht leer von Menschen. Und ist oft ein Singen in der Luft, ein Singen von jungen, lebensdurstigen Menschen und jubelnden Vögeln, daß man einen Augenblick den Krieg und die Sorgen vergißt und ganz untertauchen möchte in die Herrlichkeiten der großen Schöpfung unseres Gottes.
Eines aber ist der Aufmerksamkeit nicht entgangen. Unsere schönste Frühlingssängerin, die Nachtigall, ist nicht mehr so zahlreich zu uns gekommen, wie sonst, Wie sie oft bis zum Morgengrauen im Chorus ihre wundersamen Liebesliedchen sang, läßt sie jetzt nur vereinzelt ihre unendlich süßen, schmelzenden Weisen erklingen. Die alten Bauern sagen, das sei eine Folge des Böllerns drunten in Frankreich, in den Ardennen und Vogesen; das habe die Tierchen bei ihrer Rückkehr aus den warmen Ländern in andere Gegenden verscheucht: Möglich, ja sogar wahrscheinlich.
Auch in Muffendorf, Lannesdorf, Friesdorf, im „Ländchen“ und am Vorgebirge steht jetzt die Baumblüte in voller Pracht. Wie große Blumensträuße schimmern die Bäume und von ferne sieht die Landschaft wie mit Schnee bedeckt aus.
Oben in der Birke pfeift der Star sein Abendlied. Am Zaune lehnt ein junger Bursche und schaut mit großen Augen in die Ferne; bald ruft auch ihn der Kaiser. Er sieht im Geiste Bilder von heißen Gefechten und Sturmangriffen, donnernde Kanonen, blinkende Bajonette, Schlachtfelder und sterbende, jung, deutsche Männer. Und um ihn leuchtet und strahlt und jubelt der Frühling.
Ihre Königl. Hoheit die Frau Prinzessin zu Schaumburg-Lippe stattete dem Mutterhaus vom Roten Kreuz einen Besuch ab und erfreute die Verwundeten durch ihre warme Teilnahme und das Verteilen von Liebengaben.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten")
Freitag, 30. April 1915
Leihpferde für die Feldbestellung. Das Kriegsministerium hat an sämtliche Generalkommandos die Verfügung erlassen, Anträge von Landwirten, um leihweise Ueberlassung von Dienstpferden für die Feldbestellung entsprochen werden sollen, wenn daraus keine Schwierigkeiten für die Gestellung des Pferdeersatzes für die Feldtruppen und für die Ausbildung bei den Ersatztruppen erwachsen. Unter derselben Voraussetzung können auch die zur Führung der Gespanne erforderlichen Mannschaften für die Feldbestellung beurlaubt werden. Die Landwirte müssen sich verpflichten, Pferde und Mannschaften kostenfrei zu verpflegen und unterzubringen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten")
Zur Rettung der Heilsarmee. Herr E. Litty, Offizier der Heilsarmee in Bonn, schreibt uns: „Es werden in letztere Zeit so viele Nachrichten verbreitet, daß die Heilsarmee Beziehungen zum Ausland unterhält, resp. das Geld, welches in Deutschland gesammelt wird, für englische Zwecke verwendet. Dieses ist eine Verleumdung. Im Gegensatz zu diesen falschen Behauptungen können wir versichern, daß jetzt (!) die Heilsarmee in Deutschland ganz selbständig ist und es auch nach dem Kriege bleiben wird. – Gleich nach Beginn des Krieges wurde wohl die Heilsarmee in eine schwierige Lage versetzt; doch trotz der großen Bedürfnisse war sie bis jetzt imstande, in unserem Vaterlande durch Kriegsspeisungen und Kinderhorte Hilfe und Trost darzureichen. Auch war es ihr vergönnt, durch eine besondere Hilfsaktion für Ostpreußen Tausenden von Flüchtlingen Unterkunft und Unterhalt zu gewähren, was sowohl von den Behörden als auch vom Volk dankbar anerkannt wurde. Bis an die Front erstreckt sich die Tätigkeit der Heilsarmee, wo sie für Ernährung, Bequemlichkeit und Reinlichkeit unserer Truppen sorgt. – Es wir auch mitgeteilt, daß sich am Hauptquartier in Berlin seit Kriegsbeginn ein Regierungsvertreter befindet.“ – Die besondere Beachtung dieser Zuschrift verdient wohl die Bemerkung, daß die Heilsarmee jetzt ganz selbständig in Deutschland ist. Wie lange dies schon der Fall ist, bedarf eigentlich noch der näheren Angabe. Red.)
Ein kleines Schulmädchen von der verlängerten Schumannstraße hat an einen Bonner Soldaten verschiedene Male Liebesgaben ins Feld geschickt, worauf jetzt folgende Antwort angekommen ist
Im Schützengraben fern an der Iser Strand
Wo wir kämpfen fürs deutsche Vaterland,
Habe ich oft bei Tag und Nacht
An meine kleine Freundin gedacht –
Trotz Kanonendonner und Sturmesbrausen –
Als Granaten und Schrapnells vorübersausen.
Ich dachte hin, ich dachte her,
Wie das alles möglich wär’.
Daß ich so schöne Liebesgaben
Von Dir, Kleine, empfangen habe.
Deinen Namen hast du mir zwar genannt,
Doch sonst sind wir gänzlich unbekannt;
Jetzt schickst Du mir Dein liebes, kleines Bild,
Das mich anschaut so traut und mild.
Herzinnigen Dank spend’ ich Dir –
Und der liebe Gott lohne dich dafür
Was Du einem armen deutschen Krieger hast getan;
An Gottes Thron wird Dir’s geschrieben an.
Mag er Dich schützen vor Kummer, Sorgen und Not
Wie auch die Fahne schwarz-weiß-rot.
Bleibe brav, Deinen Eltern gut
Und bete zu Gott für deutschen Mut
Drum nochmals Gruß, Kuß und Hand:
Mit Gott für König und Vaterland.
Zur Erinnerung an meine kleine Freundin Elisabeth Hensler gewidmet vom Gefreiten Hermann Busch, Bonn.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Wandertag des rheinischen Turmkreises. Von jeher wird der Tag von Christi Himmelfahrt von den der Deutschen Turnerschaft angegliederten Vereinen als allgemeiner Wandertag genutzt. Dienten die vorjährigen Turnfahrten dem Vorsitzenden der Deutschen Turnerschaft, Geheimrat Dr. Goetz, zu Ehren, so gelten sie jetzt den Zwecken der Wohltätigkeit. Auf allen Turnfahrten, die am 18. Mai unternommen werden, ist eine Geldsammlung zum Besten der infolge Verwundung ihres Augenlichts beraubten Krieger zu veranstalten. Das Ergebnis dieser Sammlungen ist an den Kreis-Kassenwart, Buchdruckereibesitzer Rud. Gippers – Krefeld, abzuführen. Jedem Verein bleibt es unbenommen, die Turnfahrt selbst nach Zeit und Ziel festzusetzen, sie muß aber ohne Einkehr durchgeführt werden.
Rheinbadeanstalten. Die städtische Rheinbadeanstalt ist von morgen ab zur Benutzung für warme Wannenbäder geöffnet.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten")