Freitag, 1. Januar 1915
Neujahr 1915Das neue Jahr, das nun vor uns liegt, beginnt in einer Zeit, die ernst ist, blutig ernst und groß und schwer von Ereignissen. Ernster ist von denen, die jetzt leben, wohl noch niemals ein neues Jahr begonnen worden, als dieses Neujahr 1915. Alle die Glückwünsche, die man sich sonst zum Jahresbeginn mehr oder weniger fröhlich und mehr oder weniger gedankenlos zurief, sie scheinen uns jetzt ohne eigentlichen Sinn und ohne rechte Bedeutung, da wir in diesem Jahre nur einen Wunsch kennen: den Segenswunsch für unser deutsches Vaterland und unsere deutsche Heimat.
In diesem Wunsche fühlen wir uns alle einig. Vor ihm schweigen die Wünsche, die der einzelne für sein persönliches Glück und Wohlergehen haben möchte. Und wie uns dieser eine heiße Wunsch für Deutschlands Sieg alle zusammenschmilzt und zu einer großen, unbezwinglich festen Gemeinschaft verbindet, so kennen wir jetzt alle auch nur das eine große Streben, zu dem wir uns heute bei Beginn eines Jahres von neuem feierlich bekennen: jeder einzelne muß mit allen Kräften getreu seine Pflicht tun an seinem Platze, auf daß Deutschland den Riesenkampf um seine Existenz siegreich beende.
Draußen an den Fronten im Westen und Osten, an unseren Küsten, auf unseren Kriegsschiffen stehen Millionen und Millionen, von denen jeder einzelne gern und freudig sein Leben einsetzt, für sein Vaterland.
An unsere Krieger draußen in den Schlachtfronten denken wir heute mit heißer Liebe und Dankbarkeit. Und wenn wir auch dank bar derer gedenken, die im Lande mit unermüdlicher Aufopferung ihre Pflicht tun, um nichts zu versäumen, was Deutschland in dieser schweren Zeit zum Segen sein könnte, dann ersteht vor uns das Bild eines Volkes, in dem jeder einzelne erwacht ist, zum treuen Pflichtbewußtsein seiner Aufgabe. Und ein unermeßlicher Schatz von Liebe, von Treue und Tapferkeit verklärt dieses Bild, dessen Erhabenheit man ehrfürchtig bewundern würde, auch wenn man nur ein fremder Zuschauer sein würde. Wir aber haben teil an diesem Bild, wir sind mitten drinnen, wir leben es und erleben es und das ist das Große und Herrliche, das den Anfang des Jahres 1915 verklärt und uns auch alles Schwere, Harte, Leidvolle, das so vielen von uns, ja, uns allen noch bevorstehen muß, in einem verklärten Lichte sehen läßt.
Das Jahre 1915 fängt groß an. Möge es auch groß enden und glücklich!
Der Frauenbund der Deutschen Kolonial-Gesellschaft veranstaltet am 7. Januar 1915, nachmittags 4 Uhr, im Bürgerverein einen Kaffee für eine Anzahl Verwundeter, um denselben durch mancherlei deklamatorische und gesangliche Darbietungen namhafter Künstlerinnen und Künstler einige anregende und fröhliche Stunden zu bereiten. Alle Mitglieder des Vereins und alle Mitbürger Bonns werden auf die heutige Anzeige aufmerksam gemacht und um rege Beteiligung im Sinne der Veranstaltung gebeten.
Handtücher für unsere Kämpfer im Felde. Unsere Truppen sind bisher mit Handtüchern noch nicht planmäßig ausgerüstet worden. Wie der Chef des Sanitätswesen vom Großen Hauptquartier mitteilt, ist es erwünscht, die Liebestätigkeit auch auf diesen Gebrauchsgegenstand auszudehnen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Zum neuen Jahr. Wir sind stiller geworden, seitdem uns das große Prüfungsjahr 1914 geschüttelt, geläutert hat. Das Unruhige, Flackernde, das heftige Indentagleben, das wir – nicht ohne fremdländischen Einfluß – angenommen hatten, haben wir abgestreift wie einen Handschuh. Wir besinnen uns wieder auf uns selbst. Das spezifisch-deutsche Wesenselement ist in uns wieder wach geworden mit seiner besinnlichen Nachdenklichkeit, ruhigen Gleichmäßigkeit und hehren Festigkeit, die uns die Dinge, die an uns herantreten, - mögen sie gut oder böse sein – aus der richtigen Entfernung sehen, erfassen und beurteilen läßt. So geläutert, verabschieden wir uns von dem denkwürdigen Jahr 1914 und treten gefaßt ein in das neue Jahr.
Was bringt uns das Jahr 1915? Von all den tausend heißen Wünschen, die dem neuen Jahr voranfliegen, hebt sich der eine brennende Wunsch klar hervor: der Wunsch nach Frieden. Kein fauler, vorschneller Friede, der uns vorübergehend in zweifelhafte Sicherheit einlullen könnte, sondern ein ehrenvoller Friede, der uns in alle Zukunft vor nachbarlichem Neid und Haß sichert. Ehe wir diesen Frieden nicht haben, wollen, werden und müssen wir aushalten, mag da kommen, was will. So lange wollen wir freudig jedes Opfer bringen, bis der letzte Feind niedergerungen ist. – All das kostbare Blut – wir denken an unsere Väter, Brüder, Söhne, an unsere Freunde, an alle, die uns nahestehen – darf nicht umsonst geflossen sein.
So treten wir in das neue Jahr mit der felsenfesten Zuversicht, daß sich unsere deutschen Waffen, die sich bis jetzt so glänzend bewährt haben, auch fernerhin behaupten werden und daß unsere feldgrauen Helden trotz Not und Tod immer neuere, schönere Siege an ihre Fahnen heften werden, bis zu ruhmvollen Rückkehr aus Feindesland.
So treten wir mit stolzer Zuversicht in das neue Jahr ein. Möge Gotte unsere Waffen segnen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Zwangsweise Durchführung der Sparsamkeit mit Brotgetreide. Da in den Weihnachtstagen beobachtet werden konnte, daß die an die Bevölkerung gerichtete Mahnung, den Verbrauch der Backwaren zu beschränken, nicht die gebührende Beachtung gefunden hat, so sollen die bisher getroffenen Maßnahmen zur sogenannten Streckung unserer Getreidevorräte, wie wir hören, eine Verschärfung erfahren, insbesondere sowohl hinsichtlich des Zusatzes von Roggen- bzw. Kartoffelmehl zu Backwaren, als als auch hinsichtlich der stärkeren Ausmahlung des Mehles. Unbedingt erforderlich erscheint es außerdem, daß jedermann sich die strengste Sparsamkeit mit dem Brot zu Gewohnheit macht, namentlich seinen Verbrauch an Weißbrot und Kuchen einschränkt oder ganz darauf verzichtet.
Durch den Sturz eines Pferdes entstand heute vormittag in der Franziskanerstraße eine größere Verkehrsstörung. Fünf Wagen der elektrischen Straßenbahn und eine Anzahl Fuhrwerke mußten warten, bis die Feuerwehr (die sich wieder einmal als Mädchen für Alles bewährte) dem Gaul auf die Beine geholfen hatte.
Vaterländische Reden und Vorträge. Prof. Dr. Schumacher sprach am siebzehnten Abend über „Volksernährung und Krieg“. Die Aula des städtischen Gymnasiums war bis auf den letzten Platz besetzt.
Es handelt sich heute um die wirtschaftliche Existenz des deutschen Volkes. Je glänzender die Erfolge des deutschen Volkes. Je glänzender die Erfolge unserer Waffentaten an der Ost- und Westgrenze sind, um so rücksichtsloser und frecher gehen unsere Feinde unter der Führung Englands ans Werk, alle Handelsbeziehungen Deutschlands zum Ausland zu unterbinden. Heute sind wir vom Weltmarkte sozusagen vollständig abgeschnitten und stehen in der Produktion unserer Lebensmittel ganz auf eigenen Füßen. (…) Die Forderungen, die Prof. Schumacher in 1 ½ stündiger, glänzender Rede für die Verselbständigung unserer Produktion erhob und auf Grund seiner hervorragenden volkswirtschaftlichen Kenntnisse begründete, lassen sich in folgende Punkte zusammenfassen: Urbarmachung des Heide- und Oedlandes und großer Anbau von Kartoffeln, Getreide und Gemüse, Massen-Herstellung von Dauerware, (…) Ausnutzung des Brotgetreides bis zu mindestens 75 Prozent, Sammlung und Verwertung von Küchenabfällen und Speiseresten für die Viehzucht, besonders für die Schweinezucht, Sparsamkeit in dem Verbrauch von Nahrungsmitteln, deren Rohstoffe uns durch den Krieg nicht mehr in den großen Mengen der Friedenszeit zugänglich sind. (…)
Die Schwierigkeiten dieses Unternehmens verkennt Prof. Schumacher nicht. Er ist aber der Meinung, daß sie nicht allzu schwer zu überwinden sind, wenn sich mit dem guten Willen der Hausfrau und der Züchter der gute Wille der Behörde vereinigt. (…)
Nur wenn alle Zuhausegebliebenen, besonders die Hausfrauen, sich der großen Bedeutung der Forderungen und Aufgab en dieser Kriegszeit bewußt sind und ihre Lebensweise entsprechend umgestalten, können wir beruhigt sein; Deutschland wird dann diesen Krieg wirtschaftlich ohne fremde Hilfe bestehen. Vielleicht wird dadurch der Krieg zu einer kleinen Entfettungskur an unserem Volk. Aber das wäre kein Nachteil. Unser große Fettverbrauch ist ja schon von medizinischer Seite als der Gesundheit nicht zuträglich beklagt worden. (…)
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Samstag, 2. Januar 1915
Bonner Wehrbund. Sämtliche Abteilungen des Wehrbundes treten am Sonntag um ½ 3 Uhr an der Südschule in Kessenich zu einer gemeinsamen Uebung im Dienste der Feldwachen an.
Vaterländische Reden und Vorträge. Heute, Samstag abend um 8 ½ Uhr, findet in der Aula des Städtischen Gymnasiums eine Wiederholung des Vortrages von Herrn Benediktinerpater Albert Hammenstede über „Krieg und Soldatenstand im Lichte der katholischen Liturgie“ statt. Den nchsten Vortrag hält am Mittwoch, 6. Januar, Herr Direktor Riepmann über Landmacht und Seemacht.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Die Neujahrsnacht ist in Bonn ruhig, ohne die lärmenden Zutaten früherer Jahre verlaufen. Wohl dröhnten mit dem Glockenschlag 12 Böllerschüsse durch die Nacht. Gläser klangen aneinander, Grüße und Wünsche wurden gewechselt, aber das alles klang doch in diesem Jahre gedämpfter, ruhiger, womit jedoch nicht gesagt werden soll, daß die Jahreswende etwa in gedrückter Stimmung verbracht wurde. Das war nicht der Fall. Es war die abgeklärte Stimmung, mit der man ruhig die Bedeutung der Dinge zu erfassen sucht, und die deshalb wohltuend absticht von dem leicht verqualmten Strohfeuer momentaner Begeisterung. Bis 1 Uhr nachts währte das Leben und Treiben in den Bonner Lokalen, dann ward Feierabend und die öffentlichen Lokale schlossen sich.
Die Sylvesternacht ging im übrigen ruhig und bei hellem Mondschein zu Ende. Der Neujahrsmorgen brachte schon früh gute Kunde aus dem Großen Hauptquartier. Unser Kaiser hat mit seinem Erlaß, der voller Zuversicht ist und die Stimmung eines jeden Deutschen widerspiegelt, den schönsten Neujahrsgruß entboten. Die Mitteilung, daß sich bis Jahresschluß im ganzen 586000 Kriegsgefangene in Deutschland befinden, war ebenfalls dazu angetan, die Neujahrstagsstimmung zu steigern und den Blick voll Dankbarkeit auf unseren Kaiser, auf unsere tapferen Soldaten und ihre Führer zu richten.
Der Neujahrstag brachte somit eine gehobene Stimmung und mit freudig zuversichtlicher Stimmung schüttelte man sich die Hände und wünschte sich gegenseitig ein „Prosit Neujahr!“
Blinder Alarm. Gestern abend gegen 8 ½ Uhr wurde die Feuerwehr zum Münsterplatz gerufen. Als die Wehr anrückte, stellte es sich heraus, daß der Feuermelder mutwillig in Tätigkeit gesetzt worden war.
Eßt Kriegsbrot! Immer wieder kann man hören, daß es mit der Einbürgerung des Kiregsbrotes (d.h. desjenigen Brotes, welches über 5 Prozent Kartoffelzusatz enthält und mit einem „K“ bezeichnet ist) langsam, sehr langsam geht. In zahlreichen Ortsstellen unserer größeren Städte, besonders natürlich in den wohlhabenderen Gegenden, kann sich ein jeder durch Anfrage beim Bäcker überzeugen, daß das „K“-Brot überhaupt nicht zum Verkauf gestellt wird. Es ist dies leider ein Zeichen dafür, daß unserer Bevölkerung der Ernst unserer Nahrungsmittelversorgung im Kriege noch nicht genügend einleuchtet.
Es liegt ja nicht immer und überall in der menschlichen Natur, Vorsorge für die Zukunft zu treffen. Aber hier, wo von allen Seiten als ein dringliches volkswirtschaftliches Gebot im Kriege die Verbreitung von „K“-Brot anempfohlen wird, sollte doch endlich mit der Sorglosigkeit aufgeräumt werden. Wir wollen annehmen, daß allein diese bisher der Grund für die bedauerliche Tatsache war, daß „K“-Brot noch keine Kriegspopularität gewonnen hat; denn frevelhaft wäre es geradezu, wenn etwas andere Gründe hierfür die Veranlassung bieten würden. Aber gesagt soll es werden, daß eine Minderbewertung des „K“-Brotes aus sozialen Gründen in höchstem Grade verwerflich wäre. Könnte man alle theoretischen Wünsche mit einem Schlage verwirklichen, so gäbe es in Deutschland, solange der Krieg währt, überhaupt nur Kriegsbrot einer Art und Qualität. Gerade aber, weil sich diese ideale Forderung aus technischen Gründen nicht ohne weiteres verwirklichen läßt, sollte jedermann das „K“-Brot als dasjenige ansehen, was ihm die patriotische Ehre als Nahrungsmittel vorschreibt, und jede Anschauung, als ob dieses Brot etwas eine Proletarisierung des Speisezettels für ihn bedeute, sollte er als unpatriotisch zurückweisen. Jeder soll bei seinem Bäcker „K“-Brot verlangen; er tut damit weder seinem Geschmack noch seiner Gesundheit etwas zuleide, denn es ist vollkommen erwiesen und immer wieder festgestellt worden, daß „K“-Brot ebenso gesund wie schmackhaft ist.
Was der Einzelne durch den Verbrauch von „K“-Brot beweist, ist: daß er bereit ist, seine Nahrung schon jetzt so einzurichten, daß wir den Krieg auch auf diesem Gebiete durchhalten können. So kann und muß jeder, der es noch nicht getan hat, seine bisherige Sorglosigkeit in eine Mitarbeit an unserer Nahrungsvorsorge verwandeln.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Sylvesternacht ist in Bonn sehr ruhig verlaufen. Hier und da wurden im kleinen Kreise Sylvesterfeiern veranstaltet, aber es ging auch da still und ohne den üblichen Lärm her, mit dem das neue Jahr sonst begrüßt wird. Nur in der Altstadt wurde es nach 1 Uhr, als die Polizeistunde alle Gesellschaften in Wirtschaften und Cafehäusern aufhob, für eine halbe Stunde lebhafter. Still und ernst, wie es der weltgeschichtlichen Bedeutung dieser Jahreswende entspricht, sind wir in das Jahr 1915 eingegangen.
„Gold gab ich für Eisen“. Der Gouverneur der Festung Köln verbietet für den Festungsbereich Köln das Feilhalten von Fingerringen aus Eisen oder ähnlichem Metall mit der Aufschrift „Gold gab ich für Eisen“, sowie den Verkauf derselben an Private. Der Handel und käufliche Erwerb solcher Ringe sei unvereinbar mit der Bedeutung dieser geschichtlichen Symbole der Vaterlandsliebe und Opferfreudigkeit. Es bestehe ferner die Gefahr, daß das Publikum getäuscht wird. Zuwiderhandlungen gegen diese Verfügung werden mit Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft, falls die Gesetze keine höhrere Freiheitsstrafe bestimmen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Sonntag, 3. Januar 1915
Unerhörte Schändung eines deutschen Heldengrabes. Die Metzer Strafkammer verurteilte die 66 Jahre alte Witwe Chamant, geborene Bautrin aus Lly [Lille ??] wegen beschimpfenden Unfugs an einem deutschen Heldengrabe zu einer Woche Gefängnis. Vor dem Hause der Chamant war ein deutscher Soldat bei einem Gefecht gefallen und dort in dem Garten des Hauses der Frau bestattet. Einige Zeit später, als die Truppen abgezogen waren, hatte die Chamant das Grab mit Mist bedeckt und zu einem Gendarmen geäußert: „Die Franzosen werden auch nicht in geweihter Erde bestattet.“ Die Leiche des Soldaten ist ausgegraben und an anderer Stelle bestattet worden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Die Verwundeten der Nebenstelle des Reserve-Lazaretts IV in der Baumschul-Allee hielten am 23. Dezember eine Weihnachtsfeier ab, an der Herr Chefarzt, Geh. San.-Rat Bachem, sowie verschiedene Damen teilnahmen. Herr Pastor Richter hielt eine zu Herzen gehende Ansprache über Krieg und Frieden. Zum Schluß gabs eine reichliche Bescherung für die Verwundeten. – Am Donnerstag abend wurde den Verwundeten eine Silvesterfeier geboten, bei der es recht lustig zuging. Auch hierbei fehlte es wiederum nicht an Spenden für die verwundeten Soldaten.
Der Westfalen-Verein bescherte den zahlreichen in Bonn untergebrachten westfälischen Verwundeten Weihnachten Tabak, Zigarren, sowie allerlei sonstige Gegenstände, die von den westfälischen Kriegern dankbar entgegengenommen wurden.
Am dritten Weihnachtstage veranstaltete der Verein im „Kaiserhof“ eine Weihnachtsfeier, wobei namentlich die Kinder der im Felde stehenden Mitglieder reich bedacht wurden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Weihnachtsfeiern“)
Ein alter Bonner Student schreibt aus dem Schützengraben an Herrn Professor Dr. Bülbring:
Bei la Bassée, d. 28. Nov. 14
Sehr verehrter Herr Professor!
Haben Sie vielen Dank für die übersandten Liebesgaben nebst Brief, die mir gestern abend hier im Schützengraben ausgehändigt wurden. (...) Selbst die spärlichste Nachricht aus der Heimat wird mit dankbarem Herzen aufgenommen. Bei der feenhaften Beleuchtung meines Erdpalastes (durch einen 10 Millimeter „langen“ Kerzenstumpf) habe ich Ihren Brief durchgelesen und bin mit den Delikatessen zu meinem Leutnant und Kompagnieführer geeilt, um sogleich mit ihm ein Festessen zu veranstalten, wozu er Brot und zwei Bouillonwürfel lieferte. Wir sahen beide dreckig und schmierig aus, wie Kanalarbeiter, die bei einem intensiven Landregen Wasserleitungsrohre legen. So verschwenderisch haben wir lange nicht gelebt. Dabei ist der Weg, den die Essenholer morgens und abends in der Dunkelheit zurückzulegen haben, ein gar gefährlicher. Mehrere Abende hindurch geschah es, daß Leute von uns beim Essenholen durch verirrte Kugeln getötet oder verwundet wurden. Selbst im Graben ist man nicht absolut sicher. Vorgestern wurde wieder ein Posten in der Deckung erschossen. Der Schädel wurde ihm zerschmettert. Wir mußten über den Toten klettern, wenn wir von einem Ende des Grabens zum andern wollten, da bei Tage kein Verletzter oder Toter hinausgeschafft werden kann. Mein Mantel ist voll Blut und Lehm. (...)
Doch ich möchte lieber einmal das schon so oft beschriebene Leben in unseren Erdwohnungen schildern und sonst persönliche Erlebnisse, wenn die „Engle“ mir mit ihren Stinkgranaten nur Ruhe lassen. Die Englishmen sitzen nämlich nur 500 Meter von uns entfernt, ebenfalls tief eingegraben. Das geht nun schon so wochenlang: Lange Tage und Nächte im Infanterie- und Artilleriefeuer, von Lüttich über Namur, St. Quentin, Chalons, Reims, Neuve Chapelle und La Baffée, um nur die größten Schlachten zu nennen und ohne etwas abzukriegen – man glaubt fast an Wunder. Jedenfalls lassen da philosophisch-logische Erwägungen ganz und gar im Stich. Im Frieden kann man sich das unmöglich vorstellen. Gerade schlagen zwei Kugeln neben mir ein. Wie kommt es überhaupt, daß ich noch lebendig, ja unverletzt bin? Im ersten Gefecht bei Anderlues (Belgien), wo ich das Eiserne Kreuz erhielt, haben wir, mitten im rasenden Feuer der Franzosen das Lied „Puppchen, du bist mein Augenstern“ angestimmt, während links und rechts die Kameraden fielen, wo wir 16er über eine freie Wiese gegen die Stellung der Franzosen auf einem Schlackenberge (Kohlenbergwerk) vorstürmten und sie eroberten. Im Totenwäldchen b. Berticourt blieb ich von etwa 12 Kameraden, die alle fielen, allein übrig, weil ich fortgeschickt wurde, um Munition zu holen; das ganze Wäldchen dabei unter furchtbarem Granatfeuer. Beim nächtlichen Sturm auf den Aisne-Kanal, wo ich mit einem Beobachter in strömendem Regen 18 Stunden fast regungslos 50 Meter vor dem französischen Schützengraben lag, ab und zu von Salven begrüßt, sodaß ich mich zum Tode fertig sah. Und dann, das Entsetzlichste, der 3malige Sturm der 16er auf Neuve-Chapelle. Ersparen Sie mir die Schilderung dieses grauenhaften Kampfes. Volle drei Wochen, als man schon Hunderte beerdigt hatte, lagen noch viele, viele Leichen von Engländern auf Straßen und in Gräben umher, das schöne, stattliche Dorf ein wüster, brennender Trümmerhaufen, an dessen glimmender Asche wir uns, zum Teil in der Gosse liegend und im Wasser, die erstarrenden Hände wärmten. Aber auch dann wieder Stunden und Augenblicke unbändigsten Humors und unverwüstlicher Soldatenlaune, wenn, wie es in unserer Kompagnie geschehen ist, ein Musketier auf einen Engländer zusprang, ihm am Halse griff und rief: „Herr Leutnant, da habe ich so einen verdammten Hallunken!“ So geschehen bei Illies an der bei der 4/16 bekannten Pappelallee. (...)
Wir lesen im Unterstand die neuesten Nummern des Bonner Generalanzeigers, auf den ich abonniert bin als alter Bonner Student und dem Sie vielleicht dieses oder einen Auszug davon zur Verfügung stellen mögen, denn ich habe manche mir Nahestehende dort, denen ich nicht ausführlich schreiben kann, schon deshalb nicht, weil wegen feindlichen Feuers oder dienstlicher Angelegenheiten nicht die Gelegenheit dazu ist. Alle Bekannte, welche diese Zeilen lesen werden, grüße ich hiermit herzlich, besonders auch Herrn Dr. P. Ihnen selbst aber und meinem lieben Bonn bin ich allzeit mit rheinischem Gruße
Ihr E. Brunältler, Vizefeldwebel d. R.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Feldpostbriefen“)
Beuel 2. Januar. Am Neujahrstage versammelten sich die Mitglieder des katholischen Arbeitervereins mit ihren Angehörigen und Gästen im Vereinshause zu einer eindrucksvollen patriotischen Feier. Statt des sonst üblichen Weihnachtsfestes hielt man dieses Jahr einen Kriegsabend ab. Schon die Ausschmückung des Saales zeigte recht vaterländischen Einschlag. Prangte auf der einen Seite der Bühne ein Weihnachtsbaum, so sah man auf der anderen Seite die Büste des Kaisers geschmackvoll zwischen Blattpflanzen aufgestellt, wobei die Farben der drei verbündeten Staaten zu einem wirkungsvollen Hintergrund gruppiert waren. Deutsche und österreichische Fahnen zierten die Wände und selbst eine türkische Fahne fehlte nicht, die Herr Zigarettenfabrikant Vitos von der Poststraße freundlichst zur Verfügung gestellt hatte. Nachdem Herr Pastor Claren in seiner Begrüßungsrede zu Herzen gehende Worte über Weihnachten und Weltkrieg gesprochen, hielt Herr Kaplan Dr. Honecker die Festrede über den Krieg als Tröster. In formvollendeter Rede feierte er die tröstlichen Früchte, die der blutige Weltkrieg eingetragen, als da sind die feste Einmütigkeit des deutschen Volkes und die sittlich religiöse Erneuerung. Den Höhepunkt des Abends bildete der belehrende und zugleich begeisternde Lichtbildvortrag des Herrn cand. phil. Schäfer. In etwa vierzig Bildern zeigte er die verschiedensten Szenen vom Kriegsschauplatze des Westens, Vorgänge aus der Front wie aus den Etappengebieten, die gerade durch das Erzählen der selbst erlebten Eindrücke die Aufmerksamkeit der Zuhörer aufs stärkste fesselten. Sinnige Gedichte, Solo- und gemeinschaftliche Gesänge umrahmten die Feier in hübscher Weise. Eine für die Krieger und ihre Familien abgehaltene Sammlung brachte ein gutes Ergebnis.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Umgegend“)
Bonner Landsturm in Libramont. Aus Libramont erhalten wir folgenden Bericht:
Eine erhebende Christfeier veranstaltete die zweite Kompagnie des Landsturm-Bataillons Nr. 60 am hl. Abend in Libramont. Der Bat.-Kommandant eröffnete die Feier mit einem von den alten Landstürmern begeistert aufgenommenen Kaiserhoch. Ein Doppelquartett, in dem Mitglieder der Bonner Liedertafel, des Walbrül’schen Männerchores und des Kessenicher Liederkranz vertreten waren, sang unter Leitung von Kamerad Ebert „Heil Kaiser und Reich“ in formvollendeter Weise. Der Kommandeur sprach dann über die Bedeutung des Weihnachtsfestes. Nun wechselten eigens zu diesem Feste verfaßte Deklamationen von Kamerad Esser, mit Gesangvorträgen ab. Allgemeiner Jubel erhob sich, als der Kommandeur bekannt gab, daß Frau Prinzessin Adolf zu Schaumburg-Lippe reiche Liebesgaben für die Besatzung von Libramont geschickt und das bekannte Bierhaus „Em Höttche“ zirka 200 gefüllte Zigarrenetuis gespendet habe. In fürsorglicher Weise hatte der Kommandeur die am hl. Abend dienstlich verhinderten Landsturmleute zum 26. Dezember abends 6 Uhr eingeladen. Außerdem die ganze Jugend von Libramont. Mag des in Feindesland etwas gewagt erscheinen, so übertraf der Erfolg die kühnsten Erwartungen. Um 5 Uhr war der Saal bis auf das letzte Plätzchen besetzt und die Kinder in Begleitung der Eltern, des Bürgermeisters und des Pfarrers an der Spitze, bewunderten mit strahlenden Gesichtern die prachtvoll aufgeputzten Riesentannen und Dekorationen des Saales. Unser Kommandeur hielt jetzt eine Rede in französischer Sprache. Deutscher Gesang wechselte mit französischen Liedern ab. Die von den Damen des Roten Kreuzes verabreichte Schokolade und Leckerbissen wurden mit gutem Appetit verzehrt. Das ganze bot ein reizendes Bild, das für alle Teilnehmer unvergeßlich bleiben wird. So feierten wir alte Landsturmmänner Weihnachten in Feindesland. Eine Ehrenpflicht ist es, noch zu erwähnen, daß die Damen vom Roten Kreuz um die Verpflegung und Herr Feldwebel Kofferath (Bonner) für die Ausschmückung des Saales sich Verdienste erworben haben.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Montag, 4. Januar 1915
Prinz Stephan zu Schaumburg-Lippe, der an einer Lungenentzündung auf dem westlichen Kriegsschauplatz erkrankt ist, ist am Samstag abend hier eingetroffen und hat vorläufig im Palais Schaumburg Wohnung genommen.
Das Res.-Inf.-Regt. Nr. 29, dessen 3. Bataillon in Bonn in der Karlsschule zusammengestellt worden ist, erhielt für besondere Tapferkeit vor dem Feind vom Kaiser eine Ehrenfahnenschleife.
Die Feldbäckerei-Kolonne I des 8. Armeekorps hat am 19. Dezember die erste Million Brote hergestellt.
Eine patriotische Veranstaltung des katholischen Jugendvereins für die Stifts- und Remigiuspfarre hatte gestern abend im Gesellenhause eine große Zahl Mitglieder und Freunde des Vereins versammelt. Im Mittelpunkt des Abends stand ein Vortrag des Herrn Direktors Knipp, der darlegte, daß das Gottvertrauen in diesem schweren Kampfe notwendig sei. Wenn Gott mit uns sei, so müßten auch wir mit Gott sein. Unser Kaiser scheue sich nicht, sich öffentlich als Christusbekenner hinzustellen. Er sei ein leuchtendes Vorbild für jeden Deutschen. Die zündende Ansprache schloß mit einem Hoch auf den Kaiser. Ansprachen, gemeinschaftliche Lieder, Deklamationen, lebende Bilder und ein Schauspiel „An den masurischen Seen“ belebten die abendliche Feier.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Etwa 3500 Mark an Gold hat der Buchhändler Johannes Rahm in der Brüdergasse, in der Hundsgasse und auf dem Belderberg im Auftrag der Handelskammer in kurzer Zeit gegen Papiergeld eingetauscht.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Dienstag, 5. Januar 1915
Belehret die Dienstmädchen! So manche Frau, die jetzt ihre beste Kraft der Kriegshilfe widmet, überläßt ihren Haushalt und zumal die Küche fast vollständig der Obhut von Dienstmädchen, ohne daran zu denken, daß sie auch diesen gegenüber im Kriege Aufklärungspflichten zu erfüllen hat, die einen wichtigen Teil der Kriegsfürsorge bilden. Viele Dienstmädchen, zumal die in „wohlhabenden Häusern“ tätigen, sind nur zu sehr daran gewöhnt, aus dem Vollen heraus zu wirtschaften. Da sie eine theoretischen hauswirtschaftliche Ausbildung selten genossen haben, fehlt ihnen meistens das Verständnis für den Nährwert der Lebensmittel und für die zweckmäßigste Art der Erhaltung ihrer eigentlichen Nährstoffe. Wissen doch auch nur wenige Hausfrauen hierin Bescheid. Erscheinen nur die Gerichte schmackhaft, so sind sie zufrieden. Zur Kriegszeit muß aber eine andere Erwägung in den Vordergrund treten: Beschränkung auf Nahrungsmittel, die wir in Deutschland in reichlichen Mengen besitzen, und volle Ausnützung ihres Nährgehaltes. Nichts darf weggeworfen werden; selbst die Rückstände sind wertvoll als Viehfutter. Der übermäßige Genuß von Fleisch, insbesonere von magerem Fleisch muß, schon aus gesundheitlichen Erwägungen heraus, eingeschränkt, der Verbrauch von Hülsenfrüchten bis zu der Zeit, da wieder häufiger im Lande sein werden, zurückgestellt, das weichliche Weizenbrot durch das kräftige Roggenbrot ersetzt, Rotkohl und Weißkohl, Mohrrüben, weiße und rote Rüben, Haferflocken- und Kartoffelgerichte müssen bevorzugt werden. Das mag jede Hausfrau nicht nur selbst beherzigen, sondern auch der Köchin einprägen. Möge jede Hausfrau nicht früher ihr Heim verlassen, um sich gemeinnütziger Arbeit zu widmen, als bis sie sich überzeugt hat, daß auch die Dienstmädchen wissen, worauf es bei der Wirtschaftsführung im Kriege ankommt; dann erst werden die Frauen mit gutem Gewissen draußen Kriegshilfe üben können!
Metallsammlung gegen Kriegsnot. Von Berlin wird ein Aufruf erlassen zur Sammlung von Metallsachen (ausländisches Geld, alte Münzen, Gold- und Silbergegenstände, Zinn, Blei, Kupfer, Staniol, Flaschenkapseln, Tuben, Messing). Auch hier in Bonn soll eine Sammelstelle eingerichtet werden. Nähere Auskunft erteilt Herr Dr. A. Kühn, Bonn, Siebengebirgsstraße 2. Wir möchten schon jetzt darauf hinweisen, wie wichtig eine solche Sammlung ist. Oben aufgeführte Gegenstände finden sich fast in jedem Haushalte. Sammelt sie und liefert sie an die Sammelstelle ab, damit das Metall wieder für die Münze und die Industrie nutzbar gemacht werden kann.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
„K“-Brot. Aus unserem Leserkreis erhalten wir fortgesetzt Zuschriften, worin um Aufklärung über die Bestandteile des Kriegsbrots und ferner auch darüber Auskunft gewünscht wird, wo hier in Bonn dieses Brot zu haben sei. Nach unseren Erkundigungen wird jetzt jedem Schwarzbrot 10% Kartoffelmehl zugesetzt. Dieses Brot ist jedoch nicht als Kriegsbrot anzusehen, vielmehr gelten diejenigen Brote nur als Kriegsbrot, die einen Kartoffelmehlzusatz von 10 bis 20 Prozent haben. Diesem Brot muß auch das „K“ aufgedrückt werden, das es als Kriegsbrot kenntlich macht. Werden mehr als 20 Prozent Kartoffelmehl zugesetzt, dann muß dieses Mischungsverhältnis neben dem „K“ in arabischen Ziffern vermerkt werden.
Eine Verbilligung des Brotes tritt durch diesen Kartoffelmehlzusatz nicht ein, der Zusatz hat bekanntlich lediglich den Zweck, den Verbrauch des Weizenmehls möglichst einzuschränken. Für die Bäckereien besteht keine Verpflichtung zur Herstellung des Kriegsbrotes, jedoch ist es auch hier in Bonn in verschiedenen Geschäften zu haben.
K-Brot für den Kaiser.
Wie wir von unterrichteter Seite erfahren, werden auf Befehl des Kaisers für den Kaiser selbst und seine Umgebung im Großen Hauptquartier die Anordnungen der Behörden wegen Mischung des Mehls mit Kartoffelzusatzbereitung von Grau- und Schwarzbrot streng befolgt. Dieses sogenannte K-Brot wird bereits seit Anfang November hergestellt, unter einem Zusatz von 5 Proz. Kartoffelflocken und 10 Proz. Kartoffelmehl, zusammen also 15 Proz. Zusatz, und erfreut sich allgemeiner Beliebtheit.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Reisen an die Front. Privatpersonen bedürfen zu Reisen an die Front oder nach den durch deutsche Truppen besetzten feindlichen Landesteilen eines Geleitscheines. Dieselben werden nur noch von Seiten des stellvertretenden Generalkommandos Koblenz ausgestellt. Die Voraussetzungen zur Ausstellung ist die Vorlage eines ordnungsgemäßen Passes.
Gegen die falschen Gerüchte erläßt der Generalgouverneur von Belgien folgende Bekanntmachung:
Es ist die Beobachtung gemacht worden, daß in der letzten Zeit bei den Truppen und Behörden vielfach falsche übertrieben günstige und auch ungünstige Nachrichten über den Stand der Ereignisse verbreitet werden. So sind Gerüchte im Umlauf gewesen, daß die deutschen Truppen bei Nieuport und Ypern Rückschläge erlitten hätten und die Angriffe der Verbündeten zum Teil geglückt wären. Dies ist völlig falsch. Sämtliche Angriffe bei Nieuport – es ist tatsächlich ein Armeekorps des Gegners unter Unterstützung der Flotte gegen die deutschen Truppen vorgegangen – sind unter großen Verlusten nach mehrtägigem Kampfe gescheitert. Die von den Engländern und Franzosen erhofften Erfolge sind ausgeblieben. Ich kann nur mein äußerstes Mißfallen darüber aussprechen, daß sich Angehörige des deutschen Reiches finden, die solche unwahren Gerüchte verbreiten, und werde unter Umständen gegen diese Leute mit scharfen Strafen einschreiten.
Der Generalgouverneur von Belgien. Gez. Freiherr von Bissing.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Mittwoch, 6. Januar 1915
Die Quartierwirte werden gebeten, von den etwa bei ihnen von den einquartierten Militärpersonen zurückgelassenen Ausrüstungsstücken, dem Garnisonkommando Mitteilung zu machen.
Pförtner statt Portier. Die Staatsbahnverwaltung hat für ihre Dienststellen folgende Verfügung erlassen: „Die Bahnhofspförtner, die noch mit den alten Brustschildern mit der Aufschrift „Portier“ ausgerüstet sind, sollen jetzt solche mit der vorschriftsmäßigen Bezeichnung „Pförtner“ erhalten.“ – Damit wird amtlich ein häufig ausgedrückter Wunsch erfüllt. Hoffentlich wird jetzt überall die Bezeichnung „Pförtner“ eingeführt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Sündhafte Verschleuderung von Brot.
Heutzutage, wo von allen Seiten auf Sparsamkeit mit dem Brot angedrungen wird, ist es doppelt ärgerlich, es verschleudert zu sehen. Wer z.B. am Silvestertage durch die Wörthstraße ging, sah da auf der Seite unter den Büschen einen ganzen Korb Brot weggeschüttet, – dicke Schnitten, Viertel- und Achtelbrote, Weiß- und Graubrot, alles lag da im Regen und Dreck. Die Bewohner jener und anderer Gegenden wissen, daß seit Ausbruch des Krieges arme Kinder aus den Vororten immer wieder zum Betteln kommen, was die Polizei offenbar nicht zu verhindern versteht. Die Kinder bitten um Brot; man merkt aber leicht, daß sie lieber noch andere Gaben nehmen oder es eigentlich hierauf abgesehen haben. Nachher werfen sie weg, was ihnen nicht paßt. Daß auf diese Weise das Brot verkommt, dürfte nicht geschehen. Wenn Arme an der Tür um Essen bitten, gebe man ihnen nur, was sie sofort vor dem Weggehen verzehren. K. D. B.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Eingesandt“)
Auszeichnung. Dem Musketier Sally Boos aus Bonn wurde vom Großherzog von Oldenburg das Peter-Friedrich-Ludwig-Kreuz 2. Klasse verliehen. Boos wird seit dem 31. Oktober v. J. vermißt, weshalb die Auszeichnung an seine Eltern kam.
Macht totes Kapital lebendig! In ganz Deutschland ist eine Metallsammlung gegen Kriegsnot organisiert worden, die den Zweck hat, die in manchem Haushalt vorhandenen, für den einzelnen wertlosen Schätze einzusammeln und der Heeresverwaltung zur Verfügung zu stellen. Mancher, der bisher noch nicht in der Lage war, für das allgemeine Wohl etwas beizutragen, kann sich so für das Vaterland nützlich machen. Es dürfte nicht unbekannt sein, daß unsere Feinde, insbesondere England, unsere Metalleinfuhr zu hindern suchen. Um so dankenswerter ist die Aufgabe, sich vom Ausland für alle Fälle unabhängig zu machen, zumal wir nicht wissen können, wie lange der Krieg noch dauern wird. Besonders werden alle Schulen und Vereine aufgefordert, sammeln zu helfen. Berlin hat bereits in wenigen Wochen Metallwerte von über eine Viertelmillion Mark zusammengebracht; die dortigen Schulkinder allein über 30000 Mark. Was alles gesammelt werden kann? Alle Metallwaren, außer Eisen und Blech, also ausländisches Geld, alte Münzen, Gold- und Silbergegenstände, Blei, Stanniol, Kapseln, Messingwaren, besonders aber Kupfer und Zinn. Vertrauensmann für Bonn, wo sich demnächst ein Sonderausschuß bilden wird, ist Herr Dr. Kühn, in dessen Wohnung, Siebengebirgsstraße 2 (Telephon 205) sich eine Sammelstelle befindet. Größere Mengen Metall werden auf Wunsch gerne abgeholt. Noch einige Herren und Damen, die sich in den Dienst der guten Sache stellen wollen, werden gebeten, ihre Adresse bekannt zu geben.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Sammlung für Rethel hat trotz der Kürze der Zeit einen sehr schönen Erfolg gehabt; es gingen ein: 700 Mark in bar, viele Wäsche und Liebesgaben. Der Lazarettzug hat alles mitgenommen. Allen genannten und ungenannten Gebern sei herzlich gedankt. Da der Zug in 14 Tagen wieder nach Rethel fährt, werden weitere Gaben noch angenommen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Donnerstag, 7. Januar 1915
Die Toten des Jahres 1914. Die Stadt hat in diesem Jahre drei ihrer Stadtverordneten verloren: die Herren Emil Baltes, der 58 Jahre alt am 9. Juli starb, Bankdirektor Otto Glauert, im Alter von 54 Jahren und den Fabrikanten Ignaz Parmentier, der nur 42 Jahre alt geworden ist. (...) Schwere Verluste hat auch unsere Bonner Universität durch den Tod erlitten. (...)
Weit größere Opfer aber hat der Schlachtentod im letzten halben Jahre gefordert. Viele blühende Leben wurden vernichtet in dem großen Völkerringen. Aber nicht umsonst soll das Herzblut dieser Tapferen auf dem Felde der Ehre dahingeflossen sein. Die gerechte Sache, für die sie ihr Leben dem Vaterlande opferten, wird zum Sieg gelangen. Das deutsche Volk wird das Andenken der Gefallenen in hohen Ehren halten. Es ist uns unmöglich, all der Tapferen, die schon den Heldentod starben, und die sich zusammensetzen aus allen Ständen und Kreisen, aus dem Offizierstand, den Gelehrten- und Beamtenkreisen, dem Kaufmann- und Handwerker- und Arbeiterstande, hier einzeln zu gedenken. Aber dessen wir wollen wir gedenken, daß alle freudig ihr Leben dahingaben für Kaiser und Reich, für die Freiheit und Kultur des Vaterlandes. Ehre ihrem Andenken!
Westerwald-Klub. Die nächste Wanderung findet am Sonntag den 10. Januar statt. Sie geht: Römlinghoven – Paffelsberg – Heisterbacherrott – Aegidienberg – Pleisbachtal – Lohrberg – Rhöndorf. Nach Ankunft in Rhöndorf Einkehr im Gasthof „Wokenburg“ (Besitzer Broel). – Gesamtweg etwas 20 Kilometer. – Führer: Mürdel. – Abfahrt 8.50 Uhr Meckenheimer Straße, 8.55 Uhr Beethovenhalle (Siebengebirgsbahn).
Keine Maskerade zur Kriegszeit. Die preußische Staatsregierung hat für die bevorstehende Karnevalszeit alle öffentlichen Maskeraden, Fastnachts-Vorstellungen und Maskenbälle verboten.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Dr. Hans Schafgans, ein Sohn des verstorbenen Bonner Photographen Theo Schafgans, ist am 14. Dezember auf dem östlichen Kriegsschauplatz bei einem Nachtangriff gefallen. Wenige Tage vorher war er zum Eisernen Kreuz vorgeschlagen worden, nachdem er als Einjährig-Freiwilliger des Weimarer Infanterie-Regiments an zahlreichen Kämpfen teilgenommen und in diesen seine militärische Tüchtigkeit dargetan hatte. Kaum dreiundzwanzig Jahre ist er alt Geworden. In ihm wurde nicht nur ein blühendes junges Leben, sondern auch ein reich begabtes, aufstrebendes Talent vernichtet. Dr. Schafgans sollte ursprünglich Kaufmann werden. Aber Kunst und Wissenschaft wiesen ihn bald auf den seinem regen Geiste entsprechenden Weg. In München, Berlin und Bonn studierte er Philosophie und Kunstgeschichte. Friedrich Nietzsche zog in besonders an. Seine Arbeit „Nietzsche’s Gefühlsleben“ erregte in Fachkreisen berechtigtes Aufsehen und brachte ihn zu Nietzsche’s Schwester, Frau Nietzsche-Förster in so nahe Beziehungen, daß seine Berufung an das Nietzsche Archiv in Weimar in Aussicht genommen war. Daneben unterhielt er mit den hervorragenden Vertretern der modernen Literatur regen Verkehr; u.a. war er ein Jahr lang bei Hans Heinz Ewers Privatsekretär. Auch am Bonner General-Anzeiger war er ein Jahr lang bis zum Beginn seiner militärischen Dienstzeit als Mitarbeiter tätig.
Als Mensch war Schafgans ein echter Sohn der rheinischen Erde. Liebenswürdig und heiter im Verkehr mit seinen Freunden zeigte er sich stets und überall für alles Schöne im Leben wie in der Kunst begeistert. Alle, die ihn gekannt haben, werden ihn nicht vergessen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Eßt Roggenbrot, denn der Weizen ist rar! Das ist für uns Bonner der wirtschaftliche Kriegsruf. Da die Aufforderung zu Beschränkung der Weihnachtsbäckereien fast wirkungslos verhallte, hat das Generalkommando die Herstellung und den Verkauf der Neujahrsbäckereien verboten. Und in der Tat kommen wir seit einer Woche ohne die gewohnten leckeren Verschönerungen des Lebens aus. Wie wird’s denn nach dem Feste der hl. drei Könige werden? Werden wir uns dann um so stürmischer auf das Weizengebäck werfen, um uns für die mannhafte Entbehrung zu entschädigen, oder werden wir gelernt haben, im Dienste des Vaterlandes Enthaltung zu üben? Das Vaterland ist in Not. Unsere Soldaten bringen heldenhafte Opfer an Gesundheit und Leben, um uns die Feinde fern zu halten. Wollen wir uns nicht um die Frucht dieser blutigen Opfer bringen, so müssen wir auch wirtschaftlich durchhalten. Zu dem Zwecke werden auch von uns Opfer verlangt: Spart das Weizenmehl und eßt Roggenbrot! Wem am Siege des Vaterlandes gelegen ist – und das sind alle - , der wird das kleine Opfer gerne bringen. Aber mit dem guten Vorsatz und mit schönen Worten allein ist nichts getan. Daß daraus Wirklichkeit werde, ist nicht zunächst Sache der Bäcker, sondern der Käufer. Aus jedem einzelnen von uns muß der alte Adam heraus: Wir entsagen allem Weizengebäck, nicht für einige Tage, sondern für einige Monate, bis zum Ende des Krieges. Das Weißbrot muß aus den Bäckerläden verschwinden. Wir essen nur Roggenbrot und fordern vom Bäcker Brot mit nicht nur 5 Hundertteilen Kartoffelmehl, sondern mit möglichst hohem Kartoffelzusatz (K-Brot), und zwar gerade jetzt, denn jetzt sind die Kartoffeln noch gut und verwendbar; aber sie halten sich nicht. Vielleicht können wir dann im Frühjahr, wenn der Kartoffelvorrat zur Neige geht, reines Roggenbrot essen. Was wären wir für seltsame Helden, könnten wir ein so billiges Opfer nicht bringen! Dr. E. R.
Bonner Museen. (...) Das städtische Museum (Villa Obernier) ist nach kurzer Pause, die zur Ausbesserung der Räumlichkeiten diente, wieder geöffnet worden und erfreut sich eines regen Besuches. Warum aber ist das Schild an der Ecke des Königshofes entfernt worden, das doch auf das versteckt liegende Museum aufmerksam machte und besonders für die hier weilenden fremden Verwundeten so dienlich sein könnte.
Das Provinzialmuseum aber hält noch immer seine Tore geschlossen. Aus welchem Grunde, ist mir unerfindlich (...). In der Nummer 8868 dieser Zeitung lese ich die Anordnung des Generalgouverneurs in Brüssel, daß die Museen in Brüssel wieder eröffnet werden sollen, um der belgischen Bevölkerung und den deutschen Soldaten nicht länger diese künstlerischen Genüsse vorzuenthalten. Wie reimt sich das mit dem hiesigen Verhalten, das doch, nach dem vorhin Gesagten, kaum durch Verfügung höheren Ortes gestützt werden kann.
Darum also werde das Provinzialmuseum wieder geöffnet, damit Bevölkerung und Verwundete sich an den Kunstschätzen erfreuen können und, wie der Kunstwart sagt, „das Kulturleben wachgehalten werde“. B.D.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Stanniolsammlung für die Kriegerwaisen. Die Fürsorge für unsere Kriegerwaisen ist eine unserer heiligsten Pflichten, für die bereits in Friedenszeiten sich der Kreisverband der Fechtschulen für Kriegerwaisenhäuser betätigt, der aus eifrigem Sammeln von Stanniolabfällen, Silberpapier, Weinkapseln usw. große Mittel aufgebracht hat. Eine besonders große Sammlung aller Gegenstände, dieser Art für die Kriegerwaisen wird jetzt von der hiesigen Pfadfinderwache durchgeführt, die herzlichst bittet, auch die kleinste Menge solcher Sachen an die Wache, Thomasstraße 1, zweiter Stock, abzuliefern, oder dorthin die Adresse aufzugeben, von welcher abgeholt werden kann.
Der falsche Unteroffizier. Ein Landwehrmann wurde beim Kriegsausbruch beim Bonner Infanterieregiment eingestellt. Obgleich bei seinen vielen Vorstrafen eine Beförderung ausgeschlossen war, zog er eines Tages Unteroffiziersuniform an und machte einen Bummel durch die Stadt. Der Schwindel kam heraus und der Soldat wurde daraufhin dem Ersatzbataillon Nr. 69 in Trier überwiesen. Hier gab er die Erklärung ab, er sei wirklich Unteroffizier und berechtigt, die Vorgesetztenuniform zu tragen. Als er mit einem Transport nach Elsenborn mußte, entfernte er sich von seiner Truppe und begab sich wieder nach Bonn. Hier verübte er eine Reihe Betrügereien ganz gemeiner Art. Er suchte die Frauen von Kameraden seines Truppenteils auf, denen er vorspiegelte, er sei beauftragt, Gelder für ihre Männer mit ins Feld zu nehmen. Die verlangten Geldbeträge in Höhe von 10-20 Mark wurden ihm arglos anvertraut. Seine Schwindelmanöver kamen aber bald an den Tag und er mußte sich vor dem Kriegsgericht der stellvertretenden 30 Infanteriebrigade in Trier stellen. Da der Angeklagte geständig war, wollte der Vertreter der Anklage ihm trotz des Rückfalles noch einmal mildernde Umstände zubilligen. Er beantragte wegen der Betrügereien 8 Monate, wegen Fahnenflucht im Felde 6 Monate Gefängnis und wegen unberechtigten Tragens der Unteroffizieruniform 1 Monat Haft. Das Gericht versagte ihm aber mit Rücksicht auf die den armen Soldatenfrauen gegenüber an den Tag gelegte gemeine Gesinnung mildernde Umstände und verurteilte ihn zu 1 Jahr Zuchthaus, Ausstoßung aus dem Heere und Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Freitag, 8. Januar 1915
Wehrbund. Am kommenden Sonntag findt keine Uebung des Wehrbundes statt, dafür treten sämtliche Abteilungen des Wehrbundes am Samstag abend um 8 Uhr am Sportplatze zu einer gemeinsamen Geländeübung an, um die Mannschaften an die Beobachtung im Dunkeln zu gewöhnen. Angenommen wird, daß eine geschlagene Truppe am südöstlichen Eingang von Endenich (Mordkapelle) Stellung genommen hat. Die verfolgende Truppe marschiert von Kasselsruhe über Ippendorf und sucht die feindliche Stellung zu nehmen. Die Dauer der Uebung wird auf etwa 2 Stunden bemessen. Die Werbestelle des Wehrbundes (Thomastraße 1) bleibt Samstag abend geschlossen, sie wird von Sonntag ab zur Mützenausgabe und Aufnahme neuer Mitglieder im Alter von 16 bis 45 Jahren wieder regelmäßig mittags von 12–1 Uhr und abends von 7–8 Uhr geöffnet sein.
Sanitätshunde. Bei der hiesigen Meldestelle des Deutschen Vereins für Sanitätshunde hat am 4. d. M. wieder ein neuer Ausbildungskursus begonnen. Hierzu wurden 12 Führer und 12 Hunde eingestellt. Letztere wurden von den Besitzern wieder in dankenswerter Weise, unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Weitere Führer und Hunde können vorläufig nicht mehr eingestellt werden. Die vor einigen Tagen nach München abgegangenen Führer mit ihren Hunden sind jetzt nach dem westlichen Kriegsschauplatz beordert worden. Von der Bonner Verbandshalle „Prinzessin Viktoria“ in Lille ist die Mitteilung hier eingetroffen, daß die Führer mit ihren Hunden dort wohlbehalten eingetroffen und bereits wieder weitergefahren sind. Einzelnen Sanitätskompagnien sind jetzt statt vier, acht Sanitätshunde zugeteilt worden.
Besuche bei Verwundeten in Belgien gestattet. Durch „W.-T.-B.“ wird amtlich mitgeteilt: Dem Besuche Verwundeter und kranker Krieger in den Lazaretten Belgiens stehen im allgemeinen Bedenken nicht mehr entgegen. Auch ist die Weiterfahrt mit der Eisenbahn über die Grenze für Besucher von Lazaretten in Belgien möglich. Die Weiterfahrt wird jedoch nur gestattet, wenn der Reisende im Besitz eines vom Stellvertretenden Generalkommando vorschriftmäßig ausgefertigten Ausweises ist. Weiblichen Angehörigen wird der Aufenthalt in Belgien nur ausnahmsweise erlaubt. Besuche in Frankreich können zurzeit noch nicht gestattet werden.
Gastspiel der Berliner Urania. Die bekannte Berliner Urania veranstaltet am Montag, 18. Januar, im Bürgervereinssaal ein einmaliges Gastspiel, das einen Lichtbildervortrag: „Auf den Schlachtfeldern in Ostpreußen“ bringen wird. Direktor Frank Goerke von der Urania, der, als geborener Ostpreuße, das Land genau kennt, hat gleich nach der Schlacht bei Tannenberg im Kraftwagen die Gegenden der Russenverwüstungen und der Kämpfe besucht und so das Material zu seinem Vortrage gewonnen. – Eintrittskarten sind in der Musikalienhandlung Sulzbach zu haben.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Kriegsbackware. Die neue Verordnung des Bundesrats über die Herstellung von Kriegsbackware wird tiefer in die häuslichen Gewohnheiten eingreifen als die früheren diesbezüglichen Erlasse. Vor allen Dingen wird die Bestimmung, daß alle Arbeiten, die zur Bereitung von Backware dienen, in Bäckereien und Konditoreien, auch wenn diese nur einen Nebenbetrieb in Hotels usw. darstellen, in der Zeit zwischen 7 Uhr abends und 7 Uhr morgens verboten sind, zunächst etwas unangenehm empfunden werden. Aber wird nicht jeder diese kleine Neuerung mit Gleichmut gern ertragen gegenüber den Strapazen und Entbehrungen, die unsere braven Truppen seit Monaten draußen in der Front zu erdulden haben! Andererseits ist man sich allgemein klar darüber, daß auch in dieser neuen Verordnung lediglich ein weises Vorbeugungsmittel gegen gewisse Absichten unsrer Feinde zu sehen ist. Wer leben noch lange nicht in einer Notlage, wir wollen einer solchen nur für alle Fälle haushälterisch entgegentreten. Unsere Bäcker werden sich die Kontrolle der Polizei und der beauftragten Sachverständigen gern gefallen lassen und die Beschränkung ihrer Betriebe mehr als „Urlaub“ auffassen denn als
Notstand. Die strengen Strafen, bis 1500 Mark Geldstrafe oder drei Monate Gefängnis, werden in der Praxis kaum angewandt werden. Das Publikum wird seinen lieben Magen auch bald nach der Bestimmung eingerichtet haben, wann es frische Backware gibt; die meisten haben bisher ja noch gar nicht gewußt, daß sie Kriegsbrot essen, so gering war die veränderte Zusammensetzung der Stoffe. Und wie man sich morgens ein Weißbrot vom Abend zuvor wieder frisch macht, indem man nämlich die „Knüppel“ oder „Schrippen“ mit ein wenig Wasser besprengt und sie dann einige Minuten auf die heiße Herdplatte legt, dieses Verfahren ist längst den sparsamen Hausfrauen bekannt. Ob nun das neuverwandte Mehl anders ausgemahlen ist und dementsprechend nicht mehr ganz weiß, darüber wird sich kaum jemand Sorgen mache.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Godesberg, 7. Jan. Die Gemeindeverwaltung beabsichtigt, alle unbenutzten oder brachliegenden Grundstücke von den Besitzern für dieses Jahr unentgeltlich zur Bewirtschaftung zu erwerben, natürlich unter dem Zugeständnis der jederzeitigen Freigabe im Falle eines Verkaufes. Es sollen diese Felder mit geeigneten Feldfrüchten bestellt und somit der Vermehrung der Lebensmittel dienstbar gemacht werden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und fern“)
Auskunft und Hilfe jeder Art während der Kriegszeit wird in dem Städtischen Verwaltungsgebäude Franziskanerstraße 9 I. Zimmer 23, erteilt. Sprechstunden an allen Wochentagen von 9 bis 12 Uhr vormittags.
Es sei besonders darauf hingewiesen, daß die Auskunftsstelle sich auch um die Ermittelung Vermißter und Kriegsgefangener bemüht.
Feldpostbriefe nach dem Feldheer im Gewicht über 250 Gramm bis 500 Gramm werden vom 11. bis einschließlich 17. Januar von neuem zugelassen. Die Gebühr beträgt 20 Pfg.
Zu dem Lichtbildervortrag „Unsere deutsche Flotte im Weltkrieg“, den Korvettenkapitän von Holleben in der Bonner Ortsgruppe des „Deutschen Wehrvereins“ hielt, wurde den Zuhörern die Tätigkeit unserer jungen Flotte in den fünf Kriegsmonaten vorgeführt. Man lernte die verschiedenen Arten der deutschen Kriegsschiffe kennen, (besonders interessant waren die Ausführungen über unsere tapferen U-Boote) und freute sich an den Schilderungen der großen Erfolge, die unsere Marine, vor allem die „Emden“, U.9, 21, 24 und 26 gegenüber der englischen davongetragen hat. Der Vortrag schloß mit einem Hoch auf den Kaiser.
Heraus mit dem Golde! Ueber 2 Milliarden Mark in Gold sind bis jetzt in Deutschland gesammelt worden. Eine gewaltige Summe und doch nur ein Teilbetrag der in Deutschland vorhandenen Goldmünzen. Mehr als 5 Milliarden Mark Gold sind zu deutschen Münzen ausgeprägt worden. Ungeheuer groß ist daher die Summe gemünzten Goldes, die in der Gegenwart noch überflüssigerweise von Hand zu Hand läuft oder unnütz im Kasten ruht. Du, Leser, bist der Mann, mitzuhelfen, daß sich die deutsche wirtschaftliche Rüstung immer mächtiger gestalte. Welchem Stande Du auch angehören mögest, erkenne, daß es eine fürwahr heilige Pflicht ist, in dieser zeit der Anpassung aller Kräfte das Gold zu sammeln, um es der Reichsbank zu bringen, wo allein es nutzbringend wirkt und dem Vaterland dienstbar gemacht wird. Darum: Heraus mit dem Golde! Tragt es zur nächsten Postanstalt, die es der Reichsbank weitergibt!
Brotvergeudung durch Kinder in der Schule. Der Brotverbrauch beim Frühstück der Kinder in der Schule hat nach den Beobachtungen der Beamten der Schulaufsicht schon immer Bedenken erregt. Die Kinder bringen zu viel mit und lassen dann einen großen Teil halbverzehrt im Klassenzimmer zurück oder werfen es gar draußen fort. Der Krieg hat es jetzt zu einer vaterländischen Pflicht gemacht, Sparsamkeit im Verbrauch von Brot und Brotgetreide zu üben. Es ist nun Pflicht eines Jeden, durch Aufklärung der Eltern sowie Belehrung und Zucht bei den Schulkindern diesem Unfug mit aller Kraft entgegen zu wirken. Im Unterricht sollen auch bei den schriftlichen Arbeiten Gedanken verwendet werden, die einer solchen Aufklärung dienlich sind. Ferner kann im Rechnen den Kindern begreiflich gemacht werden, wie viel durch besonnene Ersparnis für den einzelnen Haushalt und die Volksernährung gewonnen werden kann. Es handelt sich in jedem einzelnen Schulbezirk um eine Ersparnis von vielen Zentnern im Monat.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Samstag, 9. Januar 1915
Mehr Vorsicht im Briefverkehr mit Kriegsgefangenen. Das französische Kriegsministerium unterwirft die von ihren Angehörigen an die deutschen Kriegsgefangenen gerichteten Briefe einer sehr genauen Kontrolle und teilt der Presse daraus regelmäßig Auszüge mit. Zu der letzten, an die Pariser Zeitungen übermittelten Note befinden sich Uebersetzungen aus Briefen, deren Absender in naiver Weise von dem Mangel an Petroleum, von der Verwendung von Kartoffelmehl zum Brotbacken und ähnlichen Beschränkungen des allgemeinen Lebens in Kriegszeiten sprechen. Die französische Presse deutet natürlich diese Klagen auf ihre Weise aus, und es wäre ohne Zweifel besser, wenn die Angehörigen der deutschen Kriegsgefangenen in Frankreich sich in ihren Briefen auf rein persönliche Angelegenheiten beschränken würden.
Der „Evangelische Frauenverein Bonn-Süd“, Germanenstraße 2, beschäftigte während der bisherigen Kriegsmonate etwa 25 Frauen wöchentlich mit Näh- und Strickarbeit, hauptsächlich für Lazarette, wozu ihm teilweise die Stoffe vom Vaterländischen Frauenverein zur Verfügung gestellt wurden. Durch freundliche Gaben war es möglich, die Arbeitslöhne zu bezahlen. Die Stadt Bonn hat aus der „Kriegshilfe“ einen Zuschuß gewährt. Um aber die Arbeit in dem bisherigen Umfange aufrecht erhalten zu können, bittet der Verein die Mitglieder des Pfarrbezirks I um weitere Beiträge für diesen Zweck. Auch wäre es sehr willkommen, wenn einfache Näh- und Strickarbeiten, die die beschäftigten Frauen anfertigen können, in Auftrag gegeben würden.
Wollrestesammlung. Der Ausschuß für hauswirtschaftliche Kriegshilfe (Vereinigte Bonner Frauenvereine) weist noch einmal darauf hin, daß in der Diskontobank, Sürst, eine dauernde Sammelstelle eingerichtet ist, wo zu jeder Zeit bis abends 7 Uhr Wollreste, alte Kleidungsstücke, Stoffabfälle usw. abgegeben werden können. Da es an Rohmaterial fehlt, sollen diese Sachen in Fabriken zu neuen Wollwaren verarbeitet werden. Die Hausfrauen werden daher um recht reichliche Zusendungen gebeten.
Abholung von Küchenabfällen. Vom 15. Jan. ab sollen die Küchenabfälle (Fleisch, Fisch, Brot, Gemüse, Kartoffelschalen usw.) durch besondere Unternehmer, die mit einem schriftlichen Ausweis versehen sind, abgeholt werden, um zur Schweinefütterung verwandt zu werden. Es ist eine vaterländische Pflicht aller Hausfrauen, diese Küchenabfälle getrennt von dem Hausmüll aufzubewahren, damit sie zur Schweinefütterung verwandt werden können. (Siehe auch Anzeige in der heutigen Nummer.)
Im Metropoltheater wird von heute ab wieder ein Kriegsfilm gegeben: „Heimgekehrt“, der uns ein anschauliches Bild gibt von der treuen deutsch-österreichischen Waffenbrüderschaft. Außerdem kommen zur Vorführung Szenen aus dem türkischen Krieg und den anderen Kriegsschauplätzen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Ein Droschkenkutscher stand an der Rheinuferbahn mit seinem Fuhrwerk, was verboten ist. Ein Gendarm forderte ihn auf, den Platz zu verlassen, wobei es zu Auseinandersetzungen kam, in deren Verlauf der Kutscher den Beamten tätlich angriff. Das Kölner Kriegsgericht bestrafte den Kutscher mit zwei Monaten Gefängnis.
Die Metallsammlung gegen Kriegsnot hat, wie bereits berichtet, auch hier in Bonn begonnen, und zar sind vorläufig zwei Sammelstellen (Siebengebirgsstraße 2 und Thomastraße 1) errichtet worden. Bekanntlich sucht das kriegsführende Ausland, insbesondere England, die Metalleinfuhr zu verhindern. Unsere Aufgabe ist es daher, Sorge zu tragen, daß wir uns vom Auslande unabhängig machen. Private, Schulen und Vereine müssen ihren Stolz darein setzen, dieses Ziel zu erreichen. Alle Metallwaren, also ausländisches Geld, alte Münzen, Gold- und Silbergegenstände, Blei, Stanniol, Kapseln, Messingwaren, besonders aber Kupfer und Zinn sind erwünscht. Entgegen der gestern gebrachten Notiz sei ausdrücklich bemerkt, daß Eisen und Blech nicht gesammelt wird.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Kriminalpolizei nahm einen 49 Jahre alten Arbeiter von hier wegen Bettelns und Diebstahl fest. Er hatte in einem Hause der Wilhelmstraße einen Ueberzieher entwendet.
Katholischer Gesellenverein. Vor ernste wichtige Aufgaben stellt der Krieg nicht bloß unsere Soldaten im Feld, sondern auch uns Daheimgebliebene. Wir wollen alle durchhalten bis zu einem ehrenvollen Frieden, aber dann müssen wir auch Opfer bringen; wir wollen uns nicht von unseren Feinden aushungern lassen, aber dann müssen wir vor allem sparsam mit dem Brotkorn umgehen. Die Wichtigkeit dieser Aufgabe für uns alle behandelt der Vortrag, der morgen (Sonntag, den 10. Januar) in der Vereinsversammlung abends 9 Uhr gehalten wird. Das Thema des Abends lautet: „Unser täglich Brot gib uns heute“. Die Vereinsleitung hofft dabei umso mehr auf einen zahlreichen Besuch seitens der Ehrenmitglieder und Mitglieder, als auch seit der letzten Versammlung eine große Zahl von Briefen und Karten aus dem Felde eingetroffen ist. Die Angehörigen unserer Ehrenmitglieder und Mitglieder sind ebenfalls im Interesse der Sache eingeladen.
Der heftige Sturm hat gestern in der neuen Sternstraße einen langen, 2 Meter hohen Bretterzaun umgestürzt und in einen 10 Meter tiefer liegenden Hof des Florentiusgrabens geworfen. In den Anlagen der Stadt wurden starke Aeste von den Bäumen gerissen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Sonntag, 10. Januar 1915
Zu Gunsten des Bonner Lazarettzugs wird Schriftsteller Willy Helm nächsten Donnerstag abend in der Aula des Kgl. Gymnasiums seinen Vortrag „Warum wir siegen müssen“, den er schon in mehreren rheinischen Städten gehalten hat, auch hier wiederholen. Wir müssen siegen, nicht aus materiellen, militärischen Gründen, sondern aus ethischen, und daß wir physisch stark sind, hat seine letzte Ursache in unserer sittlichen Kraft; dies ist der Grundgedanke des Vortrages. Daß unser Lazarettzug auch fernerhin immer noch großer Mittel bedarf, ist jedem Bonner zur Genüge bekannt; der Besuch des Vortrags ist aus diesem Grund schon zu empfehlen.
Vaterländische Volksfeier. Am Kaisersgeburtstag wird abends im großen Saale des Bürgervereins eine Vaterländische Volksfeier für die gesamte Bürgerschaft Bonns stattfinden, deren Veranstaltung der Vorstand des Bonner Wehrbundes in die Hand genommen hat. Es werden Ansprachen gehalten, gemeinsame Lieder gesungen und künstlerische Darbietungen geboten werden, die dem Ernst und der Würde der Zeit entsprechen und doch dem Bedürfnis des Volkes Rechnung tragen, in diesem Jahre der Bedeutung des Tages, an dem sich von jeher mehr als an jedem anderen Tage des Jahres die Herzen unserem Kaiser zugewandt haben, besonderen festlichen Ausdruck zu geben. Da der Geburtstag des Kaisers auf einen Wochentag fällt, so kann der Wehrbund an diesem Tage im übrigen seine Mitglieder, die zum großen Teil im gewerblichen Leben stehen, nicht zu einer dem militärischen Charakter des Wehrbundes entsprechenden Veranstaltung vereinigen. Es wird daher eine derartige Veranstaltung in Gestalt eines Appells aller Abteilungen des Wehrbundes auf dem Kaiserplatz auf den Sonntag nach dem Geburtstag des Kaisers verlegt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Jungdeutschland in Nöten. Ein Leser unseres Blattes, ein Studiosus, erzählt in einem Briefe an uns eine kleine Episode, die er auf einem Sammelplatz des Jungdeutschlandbundes in der Nußallee beobachtet hat. Der Herr Leutnant gibt die Befehle an „seine Leute“, Knaben im Alter von acht bis elf Jahren, die die Beschaffenheit mehrerer Wege festzustellen haben. Namentlich ist darauf zu achten, ob die Wege für schwere Geschütze befahrbar sind. Als noch der eindringliche Befehl ergeht, auf die Zeit zu achten, tritt der Führer der zweiten Abteilung auf den Leutnant zu, steht stramm und sagt: „Zu Befehl, Herr Leutnant, ich hann kenn Uhr.“ Kameradschaftlich löst der Herr Leutnant seine Uhr und gibt sie dem Gefreiten mit der freundlichen Mahnung: „Datt de se mir ävve net kapott mähß!“ Der Unteroffizier von der ersten Abteilung, der ebenfalls ohne Uhr ist, erklärt stolz: „Dat maache me och ohne Uhr; die hamme em Kopp.“ – Erneuter Befehl: „Marsch!“ und dann trennen sich die Abteilungen. Nach etwa 20 bis 25 Minuten sind die einzelnen Führer mit ihrer Mannschaft wieder zur Stelle. Sie erstatten vorschriftsmäßig Meldung und der Führer der dritten Abteilung, der beobachtet hatte, daß der Wittelsbacher Ring besonders günstig sei, weil überall die Möglichkeit der Deckung vorhanden ist, wurde für diese Beobachtung mit dem Eisernen Kreuz am schwarz-weiß-roten Bande ausgezeichnet. Seine Kameraden beglückwünschten ihn mit drei Hurras. Dann folgte eine heimliche Beratung, bei der nur das Wort „requirieren“ verständlich wurde. Was dies zu bedeuten hatte, wurde ich später gewahr, als ich bei einem Freunde, der in der Nähe der Baumschule wohnt, vorsprach und ihm im Hausflur meine jüngsten Kriegserlebnisse erzählte. Es klingelte und bald darauf stand ein Gefreiter und ein Gemeiner in strammer Haltung vor uns baten um – ein Butterbrot. Erstaunt betrachte ich die beiden. „Ja Jungens, habt Ihr vergessen, von der Mutter Euren Tornister packen zu lassen? Ihr kommt doch gerade von einer militärischen Uebung.“ Da reckt sich der Gefreite, steht stramm mit den Händen an der Hosennaht und meldet: „Der Jung, der söns für die Feldköch ze sorge hät, eß hück ußgeblevve, on do hät de Leutnant ons gescheck, Botteramme ze requiriere!“ Der Herr Gefreite hat die nötigen Butterbrote für die Kompagnie erhalten.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Es gibt Hochwasser. Der Rhein und seine Nebenflüsse steigen infolge des anhaltenden Regenwetters von Tag zu Tag. Neckar, Main, Nahe und Mosel steigen innerhalb 24 Stunden um 30 bis 65 Zentimeter.
Gastspiel der Berliner Urania. Die bekannte Berliner Urania veranstaltet am Montag, den 18. Januar, im Bürgervereinssaal ein einmaliges Gastspiel. „Auf den Schlachtfeldern in Ostpreußen“ heißt der mit 120 großen Lichtbildern ausgestattete kochaktuelle Vortrag. Direktor Frank Goerke von der Urania, selbst Ostpreuße und daher genauer Kenner des Landes, ist gleich nach der Schlacht bei Tannenberg im Kraftwagen den Spuren der Russen gefolgt und hat die erschütternden Bilder zu einem hochinteressanten Vortrag vereinigt. Der Vortrag ist ständig im Berliner Theater der Urania ausverkauft und kürzlich fand derselbe den ungeteilten Beifall der Kronprinzessin und der z.Zt. in Berlin anwesenden höheren Offiziere. – Eintrittskarten in der Musikalienhandlung Sulzbach, Fürstenstraße 1, Telephon 620.
Handtücher für unsere Kämpfer im Felde. Unsere Truppen sind bisher mit Handtüchern noch nicht planmäßig ausgerüstet worden. Wie nun der Chef des Feldsanitätswesens vom Großen Hauptquartier mitteilt, sei es erwünscht, die Liebesgabentätigkeit auch auf diesen Gebrauchsgegenstand auszudehnen. Man vermeide jedoch zu große und schwere Handtücher und sende kein Frottiergewebe. Zweckmäßig erscheinen kleine Gerstenkornhandtücher, 60 Ztm. lang und 30 Ztm. breit, die sich bequem im Tornister verpacken lassen.
„Landmacht und Seemacht“. Gymnasialdirektor Dr. Niepmann führte in seinem heute wiederholten Vortrag über „Landmacht und Seemacht“ (dem 18. in der Reihe der Vaterländischen Reden und Vorträge) etwas folgendes aus:
Dem Ringen unserer Armeen in West und Ost sieht man in Deutschland mit großer Spannung, aber mit vollem Vertrauen auf einen glücklichen Erfolg entgegen; dagegen besteht begreiflicherweise Unsicherheit und auch wohl Besorgnis über den Ausgang des Kampfes mit unserem Gegner zur See: England. (...) Der Redner skizzierte (...) Verlauf und Ergebnis der vier großen Kriege zwischen Land- und Seemacht, die das Problem am reinsten erkennen lassen, der beiden je zehnjährigen Kämpfe zwischen Sparta und Athen, des ersten punischen Krieges zwischen Rom und Karthago und des langen Ringens zwischen England und dem Napoleonischen Frankreich mit Hervorhebung der kriegsgeschichtlich bedeutsamen Gesichtspunkte und der ausschlaggebenden Faktoren. (...)
Die vergleichende Zusammenstellung der Ergebnisse am Schlusse der historischen Skizze ergab bemerkenswerte Uebereinstimmungen und interessante Parallelen zu dem heutigen Kampfe. (...) So bestätige – damit schloß der Redner – die Geschichte, die freilich eine Lehrerin, aber keine Prophetin sei, das Urteil unserer Politiker, Militärs, Volkswirtschaftler, daß wir dem Ausgang des Riesenkampfes mit guter Zuversicht eintgegensehen könnten, wenn uns erhalten und immer mehr gefestigt werde: die Stärke des Willens zum Siege.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Das „K“-Brot. Veranlaßt durch die häufigen Mahnungen in Ihrer Zeitung, daß man das sogenannte „K“-Brot essen soll, habe ich bei den verschiedensten Läden darnach gefragt. Leider mußte ich feststellen, daß es hier nicht geführt wird. Man sagt: Ja, das wird bei uns nicht verlangt, daher führen wir es nicht. Dies ist sehr bedauerlich, und es sollte nach meiner Ansicht von der Behörde dafür gesorgt werden, daß verschiedene Läden das „K“-Brot führen. Noch besser wäre es, wenn die Ladenbesitzer veranlaßt würden, Plakate aufzuhängen, die darauf hinweisen, daß man aus wirtschaftlichen Gründen das „K“-Brot essen soll. Dies würde dann auch selbstverständlich die Ladenbesitzer zwingen, das „K“-Brot zu führen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Montag, 11. Januar 1915
Ein Hilfstag zum Besten der Kriegshilfe wird an Kaisers Geburtstag von der Stadt abgehalten werden. Es wird eine Hauskollekte veranstaltet werden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Hochwasser. Der Rhein ist in den beiden letzten Tagen so anhaltend gestiegen, daß das Wasser an vielen Stellen über die Ufer getreten ist. In Godesberg, Königswinter, Rhöndorf und Honnef sind die Rheinanlagen überflutet und auch hier in Bonn spült das Wasser an den niedriger gelegenen Stellen über die Ufer. Heute morgen wurden am hiesigen Pegel 5,90 Meter Wasser gemessen. Auch vom Oberrhein und den Nebenflüssen wird noch Steigen des Wassers gemeldet.
Das Strombild des Rheins hat in den letzten Tagen ungewöhnliche Formen angenommen. Der hohe Wasserstand läßt den Rhein außerordentlich breit erscheinen und die dahinstürzenden Wasser sind von reißender Gewalt. An der Rheinpromenade liegen die Landestege zum Teil unter Wasser, der Leinpfad an der Gronau ist ganz überspült, und wenn schwere Schleppzüge den Strom hinaus- oder hinunterziehen, schlagen die Wellen über die Ufer. Die Landebrücken unserer akademischen Ruderklubs, der „Gotha“, „Suevia“ und „Wingolf“, aus deren Bootshäusern seit Ausbruch des Krieges kein fröhlicher Rundgesang aus jugendlichen Kehlen mehr erklingt, sind durch die riesigen Wassermassen ernstlich bedroht.
Lenkt man den Schritt von der Stadthalle rheinabwärts, so erweckt der mit majestätischer Kraft nordwärts strebende Strom namentlich bei heller sonniger Beleuchtung, wie am gestrigen Sonntagsmorgen, gemeinsam mit dem Bonn-Beueler Stadtbild und der kühn geschwungenen Parabole der Straßenbrücke einen Eindruck von eigenartigem Zauber.
Unwillkürlich erinnert der Strom in seiner jetzigen gewaltigen Größe und Kraft an Rheinlands Söhne, die jetzt draußen im Felde stehen, um Deutschlands Ehre, Macht und Größe zu verteidigen, womit ja auch der deutscheste aller Ströme nach den Worten Arndts unlöslich verknüpft ist.
Und noch ein anderer Gedanke verknüpft sich im Anblick des gewaltig angewachsenen Stromes mit den Kämpfen und Kämpfern auf der ungeheuren blutigen Wallstatt jenseits der Westfront des Reiches. Die Franzosen, die uns von jeher um unsern alten Vater Rhein beneideten, sie hätten vielleicht einen weit gewaltigeren Besitz als unsern herrlichen Strom, sie wären vielleicht heute herrschend über die gewaltigsten Stromläufe Nordamerikas, wenn sie nicht schon früheren Jahrhunderten einen zu schwachen Blick für die Grenzen ihrer Kraft gehabt hätten. Sie haben nie aus der Geschichte ihrer Kolonialpolitik zu lernen vermocht und haben sich in Indien, in Nordamerika, in Aegypten und an vielen anderen Stellen des Erdballs von England immer wieder übertölpen lassen, und sind auch jetzt wieder tölpelhaft genug, den Engländern unter schwerer Schwächung der eignen Volkskraft die Kastanien aus dem Feuer holen zu wollen.
Bisher sind die stolzen Pläne unserer Feinde zusammengebrochen, und es eröffnet sich uns die Aussicht, daß wir später auf dem Rücken des alten Stromes, der sich uns heute in gewaltiger Größe zeigt, die Erzeugnisse deutschen Gewerbefleißes und deutscher Industrie untr noch ausgedehnterer Benutzung des Welthafens von Antwerpen unmittelbar der See zuführen können. Die Wasserstraße des Rheins würde dann nach dem blutigen Ringen hoffentlich in noch höhrerem Maße als bisher Zeugnis geben von der kraftvollen Entfaltung von Handel und Wandel in unserm geliebten Vaterlande.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
5. Vaterländischer Volksabend der sozialen Wohlfahrtsvereinigung. Im großen Saale des Bürgervereins waren leider nicht alle Plätze besetzt und viele hatten nicht Anlaß genommen deren hübschen, unterhaltenden Veranstaltungen beizuwohnen, wir bedauern dies umsomehr, als der Eintrittspreis ein sehr mäßiger und die Darbietungen manchen Beifall verdienten. Der Männer-Gesang-Verein „Apollo“ unter Leitung des Herrn Dirigenten Franz Eschweiler, sang seine Chöre mit guter Fertigkeit, trotzdem man merken konnte, daß auch aus diesen Reihen viele auf dem Felde der Ehre kämpften, ihrer gedachten wir als die Sänger hier in markigen Klängen voll Wucht und Kraft im Brambach’schen Chore sangen: „In hundert Schlachten hat dein Mut den Feind besiegt, mein Vaterland.“ (...)
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Dienstag, 12. Januar 1915
Hilfstag zum Besten der Kriegshilfe. Da auf Wunsch Seiner Majestät des Kaisers an seinem Geburtstage alle Feierlichkeiten, Festessen usw. unterbleiben sollen und der Geburtstag nur in einfacher Weise durch Kirchgang, Appells und in den Universitäten und Schulen durch Ansprachen gefeiert werden soll, so hat der Ausschuß der Vaterländischen Vereinigung beschlossen, wie schon gestern erwähnt, an diesem Tage einen Hilfstag zum Besten der Kriegshilfe zu veranstalten. Es wird dabei erwartet, daß alle, die sonst an Kaisers-Geburtstag ihre vaterländische Gesinnung durch Teilnahme an einem Festessen usw. Ausdruck gegeben haben, jetzt die dafür aufgewendeten Beträge der Kriegshilfe freudig zuwenden werden. Aus diesem Grunde wird eine Hauskollekte stattfinden, der sich eine große Anzahl Bonner Bürgerinnen bereits selbstlos zur Verfügung gestellt haben. Fernern wird für die Zwecke der Kriegshilfe auf den Straßen und in den Wirtschaften gesammelt werden, wobei auch ein Verkauf von Postkarten mit vaterländischen Zeichnungen und von kleinen Schleifen stattfindet. Die Genehmigung des Herrn Oberpräsidenten zu dieser Veranstaltung ist bereits nachgesucht. Auch ist ein Unterausschuß unter der bewährten Leitung von Frau Justizrat Conzen gebildet worden, dem noch angehören: Frau Berghauptmann Krümmer, Grau Geheimrat Landsberg, Frau Dr. Kranz und die Herren: Dr. Kranz, Rechtsanwalt Henry und Beigeordneter Piehl. Da alle Kriegshilfe in erster Linie die Not derjenigen Familien lindern soll, die durch die Einberufung ihres Ernährers zur Fahne leiden, und die wirtschaftlich infolge der Kriegslast in Not geraten sind, so hoffen wir, daß die Veranstaltung infolge des regen Opfersinns der Bonner Bürger einen guten Erfolg haben wird.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Die Bonner Konditoreninnung fühlt sich veranlaßt, ein verehrtes Publikum über folgendes aufzuklären: In der letzten Zeit hört man des öfteren „Eßt keine Kuchen mehr“, veranlaßt dadurch, daß man an dem Verbrauch von Mehl sparen solle.
Dann kam die Verordnung des Generalkommandos, daß zu Neujahr bis Dreikönige keine üblichen Backwaren angefertigt werden dürften, und heute stehen wir vor der Verfügung des Bundesrats, daß vom 15. Jan. ab nur noch Backwaren gebacken werden, die nicht mehr als 50 Proz. Mehl enthalten.
Im Konditorgewerbe wird überhaupt zu keinem Gebäck mehr als 50 Proz. Mehl gebraucht, bei den meisten bedeutend weniger und bei Kuchen usw. überhaupt keins.
Also ist nach unserer Meinung der Notschrei des Nichtkuchenessens vollständig ungerecht und sollte man das Jedem selbst überlassen. Daß damit dem Gewerbe und Geschäft geschadet wird, liegt hier auf der Hand.
Wer nimmt dem Konditor die Konserven (Kirschen, Aprikosen, Aepfel usw.) und Waren ab, die er teils auf dem Lager, teils auf Abschluß laufen hat und zu bestimmten Terminen abnehmen und bezahlen muß. Das Mehl spielt in unserem Gewerbe eine Nebenrolle, Zucker, Butter, Eier, Mandeln, Nüsse usw. sind Hauptbestandteile unserer Backwaren, und der Verband deutscher Konditoren hat sich schon lange und des öfteren bei der Regierung verwandt, daß man das Bäcker- und Konditoreihandwerk als 2 verschiedene Gewerbe trennen solle, leider ohne Erfolg, und so ist auch heute wieder die Verordnung nicht allein bei der Behörde, sondern auch im Publikum auf unser Gewerbe falsch angewendet worden.
Der Volksmund hat die richtige Bezeichnung selbst herausgefunden, hier Bäcker – dort Zuckerbäcker! Und so denken wir, daß bei richtiger Beleuchtung des Tatbestandes das Publikum zur Ueberzeugung gelangt, daß es sich auch in dieser schweren Zeit nicht versündigt, wenn es unsere Backwaren und Kuchen neben dem Kriegsbrot auf den Tisch bringt und somit unserem Gewerbe keinen ungerechten Schaden bringt.
I.A.: Paul Müller, Obermeister.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Der Naturheilverein bereitete den Verwundeten auf St. Josef an der Höhe einen sehr schönen gemütlichen Abend. Nach einer Ansprache des Vorsitzenden, Herrn Vögeli, wechselten ein Kinder-Tanzduett, rezitatorische und Bühnenvorträge in bunter Reihenfolge. 21 Kinder führten ein hübsches Weihnachtsmärchen auf, das viel Beifall fand. Zum Schluß sprach ein Verwundeter im Namen seiner Kameraden dem Naturheilverein und besonders den Vortragenden den herzlichsten Dank für die sehr schönen Darbietungen aus.
Zwei tapfere Bonner Kriegsfreiwillige, Söhne des Herrn Professors Dyroff und des Herrn Balthasar Domgörgen haben, wie uns ihr Hauptmann mitteilt, aus der Kirche von Remenoville , während diese von den Franzosen beschossen wurde und zum Teil schon in Trümmern lag, die prachtvolle Monstranz, den Kelch und andere heilige Geräte gerettet.
Eine Geländeübung in der Dunkelheit unternahm am Samstagabend der Bonner Wehrbund. Eine 60 Mann starke Abteilung vom Königlichen Gymnasium rückte nach 8 Uhr unter fröhlichem Gesang vom Sportplatz ab, um eine Verteidigungsstellung auf der Südostseite von Endenich einzunehmen. Die übrigen Abteilungen, die sich aus Angehörigen der Gewerbetreibenden und arbeitenden Jugend zusammensetzen, machten einen Marsch durch den dunkelsten Wald über Kasselsruh nach Ippendorf, von wo sie zum Angriff auf die bei Endenich besetzte Stellung vorrückten. In dem Hohlweg unterhalb des Kreuzberges kam es bei der Mordkapelle unter den ungünstigsten Verhältnissen für die Angreifer zum Zusammenstoß, deren Lage als verloren zu betrachten war, zumal ihnen nicht gelang, ihre Partrouillen rechtzeitig einzuziehen. So befanden sich die Angreifer in der Minderheit und waren ganz in die Falle geraten, die ihnen von der Gegenpartei gestellt war. Beide Parteien zogen dann vereint in die Stadt, wo um 10¼ Uhr am Kaiser Wilhelm-Denkmal der Zug aufgelöst wurde. Die Uebung war für die Teilnehmer, von denen die wenigsten zuvor in der Dunkelheit Beobachtungen im Gelände gemacht hatten, sehr lehrreich.
Immer wieder kommen dem Wehrbund denn auch Zuschriften von inzwischen eingezogenen früheren Kameraden zu, die ihrer Dankbarkeit für die im Wehrbund genossene Vorbildung, besonders aber für die Gewöhnung an körperliche Anstrengungen, die sie in großen Vorteil gegenüber anderen Rekruten setze, Ausdruck geben. Um so bedauerlicher ist es, daß die Beteiligung am Wehrbund nicht eine viel größere ist. Das Ergebnis der vom Ministerium angeordneten militärischen Vorbildung der Jugend ist mit Rücksicht auf die schwer bedrohte Lage unseres von allen Seiten von Feinden umstellten Vaterlandes, soweit die Teilnahme in Bonn Frage kommt, ein fast beschämendes. Nach der ganzen Lage der Dinge hätte man auch heute, nachdem viele junge Letue bereits eingezogen sind, damit rechnen dürfen, daß dem Wehrbund etwa 500 Mitglieder in Bonn mehr angehörten, als es tatsächlich der Fall ist. Die große Mühe, die sich die ausbildenden Herren mit der Bonner Jugend geben, wird ihnen von dieser durch die unzulängliche Beteiligung sehr schlecht gelohnt.
Es sei deshalb darauf hingewiesen, daß gerade im Januar der Wehrbund neue Ausbildungsgruppen für solche zusammenstellt, die bisher der Organisation noch nicht angehört haben. Die Behauptung, daß die Mitglieder des Wehrbundes früher als andere junge Leute zu den Fahnen einberufen werden, . Die Eltern, die aus diesem Grunde ihren Söhnen die Beteiligung verbieten, bringen sie nur um die Vorteile, die ihnen der Wehrbund bietet und für die inzwischen Eingezogene nicht dankbar genug sein zu können glauben.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Mittwoch, 13. Januar 1915
Antrag betr. Nutzbarmachung unbebauter städtischer Grundstücke zu landwirtschaftlichen Zwecken und Verwertung der Küchenabfälle zu Zwecken der Viehzucht. Es ist folgender Antrag bei der Stadtverordneten-Versammlung eingegangen: Die Stadtverwaltung wird ersucht, in eine sofortige Prüfung der Frage einzutreten, ob und in welchem Umfange unbebaute städtische Grundstücke landwirtschaftlichen Zwecken – vor allem zum Anbau von Kartoffeln und Gemüsen – nutzbar gemacht werden können; ob sich eine Bebauung derartiger Grundstücke durch die Stadtverwaltung selber empfiehlt, oder eine Verpachtung an Interessenten mit der Verpflichtung sofortiger landwirtschaftlicher Ausnutzung, oder endlich unentgeltliche Ueberlassung an dritte Personen unter derselben Bedingung. Die Stadtverwaltung wird ersucht sofortige Erhebungen darüber anzustellen, ob und in welcher Weise sich eine Verwertung der Küchenabfälle im Bezirke der Stadt Bonn zu Zwecken der Viehzucht ermöglichen läßt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Im Bonner Bürgerverein wird am Donnerstag Herr Rechtsanwalt Henry für die Mitglieder einen Vortrag halten über „Sieben Wochen in der Verband- und Erfrischungsstelle „Prinzessin Viktoria“ in Lille.“
Butter und Eier, die infolge des Krieges stark im Preise gestiegen waren, sind in den letzten Tagen im Preise wieder etwas gefallen. Bei frischer Butter ist auf dem Markte durchschnittlich ein Abschlag von 10 Pfennig aus Pfund festzustellen. Butter und Eier fanden zu den ungewöhnlich hohen Preisen nicht mehr genügend Abnehmer.
Ein Körbchen schöner, dicker, frischer Eier brachte dieser Tage eine Frau aus Ippendorf hier zum Markte und erzählte den neben ihr stehenden Verkäuferinnen, daß man solche Eier nur dann erhalte, wenn man wie sie, die Hühner nur mit bestem Weizen füttere. Ein Polizeibeamter, der in der Nähe stand und das Gespräch gehört hatte, stellte den Namen der Frau fest, und sie wird sich demnächst wegen verbotener Getreidefütterung zu verantworten haben.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Konditoren
haben in der Dienstag-Morgenausgabe der Deutschen Reichszeitung nachzuweisen versucht, daß in ihrem Gewerbe sozusagen überhaupt kein Weizenmehl verbraucht würde, daß ferner das Tortenessen kein Luxus und keine Verschwendung sei, weil man – man höre und staune – mit einer 3 Mark-Torte, zu der nur 100 Gramm (?) Mehl gebraucht würden, 10 (?) Personen sättigen könne. (...) Wenn wir von den Sahne- und Cremetorten absehen, die – wie ihr Name schon sagt – größtenteils aus Sahne oder Creme bestehen, so bleiben noch eine ganze Menge Torten, Kuchen und kleinere Konditoreiwaren, die zum weitaus größten Teil aus Weizenmehl bestehen. Wer aber von dem Weizenmehlverbrauch der Konditoren keine Ahnung hat, erhielt davon einen Begriff, als er vor einigen Tagen sah, wie vor einer sehr bekannten Bonner Konditorei ein großer mit Säcken Weizenmehl vollbeladener Wagen abgeladen wurde.
Und schließlich meine ich, daß die Konditoreien doch zu Weihnachten ein überaus glänzendes Geschäft gemacht haben, glänzender als in den früheren Jahren. Warum entrüsten sie sich, wenn der Bundesrat jetzt auch ihnen Vorschriften auferlegt, die ein Opfer für das Vaterland (und nicht einmal ein sehr großes) fordern. Haben nicht andere Gewerbe viel, viel mehr opfern müssen, als jetzt die Konditoren?
Ich fürchte, es kommt die Zeit, in der wir das Geld, das wir heute für den Gaumenkitzel verschwenden, sehr viel besser für notwendigere und nützlichere Dinge gebrauchen könnten! Eine Hausfrau
Eine Frage.
Ueber „Kriegsbrotessen“ und „Kartoffeln mit der Schale kochen“ sind schon zahlreiche Artikel in den Zeitungen erschienen. Die Ermahnungen sind in Anbetracht der jetzigen Zeit ganz gut und wohl. Sie werden auch, was ich nicht bezweifele, in vielen, dem Arbeiterstande angehörenden Familien befolgt. Und zwar deshalb, weil sich viele Arbeiterfamilien eben einschränken müssen, da der oder die Ernährer derselben meistenteils im Felde stehen. An verschiedenen Orten sind Rundschreiben betreffend die obigen Ermahnungen den Einwohnern zugeschickt worden, welche mit Unterschriften von gut situierten und vermögenden Leuten versehen sind. Nun möchte ich doch einmal die Frage aufwerfen: Essen die oben erwähnten Herrschaften auch Kriegsbrot, kochen sie auch die Kartoffeln mit der Schale? Man braucht nur in die Schaufenster der Konditoreien zu sehen, dann kann man die Sparsamkeit der besseren Leute beurteilen. Dann was in diesen Schaufenstern ausgestellt ist, wird doch selbstverständlich von keinem dem Arbeiterstande angehörenden Mann gekauft. Er kann sich das eben nicht leisten. Das Mehl, welches nun für diese zur jetzigen Zeit unnötigen Sachen gebraucht wird, würde doch besser zur Herstellung von Brötchen, Graubrot etc. verwandt. Wie man ja allgemein hört, sollen bald keine Brötchen mehr gebacken werden. Das für die Konditorsachen verwendete Mehl wird doch, richtig gesagt, verschwendet. Und dies geschieht nur zum Wohl der besseren Kundschaft, die uns, die arbeitende Klasse, zur Sparksamkeit im Haushalt ermahnen. Ein armer Familienvater.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Donnerstag, 14. Januar 1915
Reichs-Woll-Woche. Wir erhalten folgenden Aufruf: Der Kriegsausschuß für warme Unterkleidung plant in der Zeit vom 18. – 24. Januar d. Js. Eine Reichswollwoche, um in erster Linie wollene Decken und ferner solche Kleidungsstücke zu sammeln, die zu wollenen Decken, Aermelwesten, Unterkleidern verwandt oder umgearbeitet werden können.
So soll denn auch in Bonn am 22. und 23. d. Mts. Erneut eine Wollsammlung stattfinden. Der Freiwillige Hilfsausschuß für durchfahrende Truppen hat es mit seinen bewährten Kräften wieder übernommen, diese Wollsammlung zu leiten.
Der Zweck dieser Reichswollwoche besteht darin, für unsere im Felde stehenden Truppen die in den Familien noch vorhandenen überflüssigen Sachen und getragenen Kleidungsstücke (Herren- und Frauenkleidung, auch Unterkleidung) zu sammeln. Es sollen nicht nur wollene, sondern auch baumwollene Sachen, sowie Tuche eingesammelt werden, um daraus namentlich Ueberziehwesten, Unterjacken, Beinkleider, vor allem aber Decken anzufertigen. Gerade an Decken besteht für die Truppen ein außerordentlicher Bedarf, da sie den Aufenthalt in den Schützengräben erleichtern und erträglich machen. Mit großem Erfolge sind daher bereits von sachverständiger Seite aus alten Kleidern aller Art Decken in der Größe von 1,50 bis 2 Meter hergestellt worden, die einen hervorragenden Ersatz für fabrikmäßig erzeugte wollene Decken bilden und deren Herstellungskosten nur ¼ einer fabrikmäßig hergestellten wollenen Decke betragen. Auch fehlt es an der Front außerordentlich an Handtüchern, was von den Truppen sehr unliebsam empfunden wird.
Zu der erneuten Wollsammlung bedarf es in erster Linie der tätigen Mitarbeit aller deutschen Frauen. Diese sollen jetzt in ihren Schränken nachsehen, was sie entbehren können, um es denen zu widmen, die mit ihrer Brust und ihrem Blut uns alle beschützen. Gebt soviel Ihr irgendwie entbehren könnt! Laßt Euch in Eurer Gebefreudigkeit dadurch nicht erlahmen, daß die Sammlungen in letzter Zeit öfters an Eure Tür klopfen. Das bedingt die Not der Zeit. Ebenso wie unsere Truppen vor dem Feinde immer wieder und erneut allen Angriffen gegenüber trotzen müssen, so haben wir daheim die vaterländische Pflicht, alles herzugeben, was wir irgendwie entbehren können und was unseren Truppen ihre schwierige Lage auch nur um ein wenig erleichtern kann.
Daher nochmals, deutsche Hausfrauen, frisch ans Werk. Sammelt aus Schränken und Truhen, was Ihr an Entbehrlichem findet und haltet es zur Abholung bereit, wenn die Helfer des Freiwilligen Hilfsausschusses am 22. und 23. d. Mts. an Eure Tür klopfen.
Nur diejenigen Familien, in denen ansteckende Krankheiten herrschen, dürfen im Interesse der Allgemeinheit an dem Liebeswerk auf diese Weise sich nicht beteiligen.
Die Herrichtung der gesammelten Sachen zu Decken, Unterwesten, Ueberziehhosen, Unterhosen, wird den Arbeitsstätten der hiesigen Frauenvereine und des Freiwilligen Hilfsausschusses übertragen werden. Auf diese Weise wird durch diese Wollsammlung auch hier im Heimatgebiet die Not derjenigen Familien gelindert werden, die durch die Einberufung ihres Ernährers in schwierige Lage geraten sind.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Katzenfelle. Wir machen nochmals auf die Sammlung von Fellen aller Art aufmerksam, die für unsere in Kälte und Nässe für uns kämpfenden Soldaten verarbeitet werden sollen. (Sammelstellen sind: Pelzhändler Baer, Wesselstraße, und die Darlehenskasse in Friesdorf.)
Kriegsbrot in Bahnhofwirtschaften und Speisewagen. Der preußische Eisenbahnminister hat verfügt, daß in den Bahnhofswirtschaften fortan nur noch Kriegsbrot zur Ausgabe gelangen soll. Anstatt der üblichen belegten Weißbrötchen soll nur noch belegtes Kriegsbrot ausgelegt werden. Dieselbe Verfügung findet auch Anwendung auf die Eisenbahn-Speisewagen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
An die Konditoren!
Die Konditoren sollten es besser unterlassen, ein solches Lamento über die neue Verordnung anzustellen, denn sie haben bisher viele gute Geschäftsjahre gehabt. Nun können sie auch einmal ein mindergutes, und wenn es sein muß, ein schlechtes Jahr in den Kauf nehmen. Manches Geschäft steht jetzt zum Teil still, aber man macht doch nicht ein solches Aufsehen, weil jeder vernünftige Mensch einsieht, daß es nichts nützt, und daß es im Krieg nicht anders sein kann. Versetzen wir uns einmal in die Lage, der Feind käme in unser Land, wo wären wir da, und was wäre aus uns geworden. Denken wir an die armen Ostpreußen und all die Armen, wo der Feind gewütet und ihr Hab und Gut vernichtet hat. Wir können uns des Nachts ruhig in unser behagliches Bett legen, während die armen tapferen Krieger für uns Tag und Nacht im Felde kämpfen, alle erdenklichen Strapazen und Entbehrungen für uns ertragen und ihr Leben für uns hingeben.
Ist es da nicht unsere heiligste Pflicht, für unsere Braven im Felde zu sorgen, damit sie nicht Mangel am Nötigsten zu leiden brauchen? Ich möchte meinen Mitschwestern ans Herz legen, sich des Genusses der feinen Backwaren möglichst zu enthalten. Wir wollen zu Gott hoffen, daß bald wieder bessere Zeiten kommen. Dann wollen wir uns den Konditoreigenüssen wieder doppelt hingeben. Vorläufig wollen wir den lieben Gott um einen baldigen ehrenvollen Frieden bitten.
Eine Patriotin aus Bonn.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Unser tägliches Brot.
Der englische Gedanke einer Aushungerung Deutschlands muß Schiffbruch erleiden, wenn wir mit den vorhandenen Lebensmitteln sparsam wirtschaften. Wir haben weder Mangel an tierischen noch an pflanzlichen Nahrungsstoffen, es wird nur infolge der reichlichen Versorgung in Friedenszeiten im Schlendrian der Gewohnheit unglaublich viel falsch verwendet und verschwendet. Wie unser täglich Brot beschaffen sein soll, erklärte kürzlich der bekannte Berliner Hygieniker Prof. Rubner in einem, im Reichstagsgebäude gehaltenen Vortrag mit einigen lapidaren Forderungen:
Esset das kräftige und nahrhafte Roggenbrot anstatt des Weizenbrotes!
Bringet die Kartoffel mehr zu Ehren, schälet sie aber nicht leichtsinnig! Sie gehört zur besten und billigsten Nahrung.
Beachtet mehr die Milch! Sie hat den denkbar größten Nährwert.
Wir Deutsche essen viel zu viel Fleisch, auch zu viel Weizenbrot und zu viel teure Eier. Besonders den Kindern mag weniger Fleisch und Weizenbrot, dafür aber mehr Milch gegeben werden, und sie werden besser gedeihen. Von Grund auf – sagte Rubner – muß jeder Deutsche seine Ernährung den heutigen Verhältnissen anpassen, mag ihn auch die veränderte Lebensweise zu einigen persönlichen Opfern zwingen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Freitag, 15. Januar 1915
Bonner Wehrbund. Am Sonntag vereinigen sich die verschiedenen Abteilungen des Wehrbundes, nachmittags um 3 Uhr, auf dem Exerzierplatz zu einem gemeinsamen Exzerzieren, dem sich um 4 Uhr eine Geländeübung anschließt. An dem größeren Appell, der am Sonntag, 31. Jan., stattfinden soll, können nur diejenigen Mitglieder teilnehmen, die am nächsten Sonntag und an dem darauffolgenden am Exerzieren teilgenommen haben.
In der Generalversammlung der Bäckerinnung hielt Herr Oberbürgermeister Spiritus folgende Ansprache: „Sehr geehrte Herren! Wir sind als Vertreter der Aufsichtsbehörde Ihrem Wunsche, teilzunehmen an Ihren Beratungen, sehr gern gefolgt. Ist es uns doch schon eine Freude, im Kreise der Bäckermeister weilen und an ihren Standesinteressen teilnehmen zu können. Abgesehen hiervon, ist unsere Anwesenheit dadurch erfolgt, um an den wichtigen Beratungen teilzunehmen. Unser Vaterland steht in einer großen ernsten Zeit. Ein gewaltiges Ringen mit einer Welt von Feinden hat Deutschland und sein Verbündeter auszuführen. Wir sind getragen von dem felsenfesten Vertrauen auf den Erfolg unserer Waffen. Was auch bisher von unseren tapferen Kriegern geleistet worden ist, wir sind noch nicht am Ende. Ernste, große Zeiten stehen uns noch bevor. Mit demselben Vertrauen, daß wir auf unser Heer zu setzen berechtigt sind, soll unser Vaterland auch auf diejenigen blicken, die in der Heimat zurückblieben. Alle haben wir die ernste Pflicht an unserem Teile, dafür zu sorgen, daß unser teures Vaterland aus dieser schweren Zeit erfolgreich und glorreich hervorgehe. Ein wichtiger Punkt ist hier die Volksernährung. In gewöhnlichen Zeiten findet ein Ausgleich unter den verschiedenen Ländern statt. Jetzt ist dieser Ausgleich aufgehoben. So fehlt uns auch jetzt während der Kriegszeit die Zufuhr von Brotgetreide. Wir brauchen aber auch die Zufuhr nicht. Deutschland ist in seiner eigenen Kraft stark genug, über diese Schwierigkeiten hinwegzukommen, wenn jeder an seinem Platze seine Pflicht tut, wenn das Brot nicht vergeudet wird, wenn jeder Haushalt, jede Hausfrau dafür sorgt, daß unser Brot nicht unnötig verfüttert wird, dann werden wir diese schwere Zeit aus eigener Kraft überstehen. Ich wende mich hier an unsere Bonner Bürgerschaft, alle, ohne jede Ausnahme, können dafür sorgen, daß nichts verschwendet wird, daß mit allen Nahrungsmitteln hausgehalten wird. Aber nicht mit der Allgemeinheit haben wir uns heute hier zu beschäftigen, sondern es ist der Stand des ehrbaren Bäckergewerbes, der in hervorragendem Maße dazu beitragen kann, daß in dieser Hinsicht gesorgt wird. Ihr Stand ist in dieser Zeit mehr denn je eine Stütze des Vaterlandes, er muß es sein und wird es sein. Es sind ja schwere Aufgaben, die Ihnen auferlegt werden, an die Sie herantreten. Es ist nicht leicht für den Bäckermeister, spielend darüber hinweg zu gehen. Sie müssen sich darüber klar sein, daß Sie Opfer bringen müssen, und ich weiß, daß Sie vor solchen Opfern nicht
zurückschrecken werden. Gehen Sie an die neue Verordnung nicht mit einer gewissen Voreingenommenheit heran. Es läßt sich manches so ausführen, daß Ihrem Gewerbe ein allzu großer Nachteil nicht erwächst. Und auch die Schädigungen müssen überwunden werden. Heute hat jeder Mensch, mag er stehen wo er will, Schädigungen zu erleiden; ein jeder ist von Sorge gedrückt, aber wir wollen uns nicht drücken lassen. Blicken wir freudig und hoffnungsvoll in die Zukunft. Halten wir uns immer das Wohl des Vaterlandes vor Augen, dann wird auch das wirtschaftliche Leben erfolgreich aus dieser schweren Krisis hervorgehen. In diesem Sinne bitte ich Sie, die Verhandlungen zu führen". Großer Beifall dankte dem Oberbürgermeister für seine Worte.
Der stellvertr. Obermeister, Herr Virnich, dankte noch besonders im Name der Bäckerinnung dem Oberbürgermeister für seine begeisternde Ansprache und betonte, daß der Bäckerstand noch nie versagt habe, wenn das Vaterland in Not war. Stets sei er bereit gewesen, Opfer zu bringen.
Herrn Ehrenobermeister Chrysant schloß sich den Worten an und bemerkte, daß das gesamte deutsche Bäckergewerbe so denke, selbst auf die Gefahr hin, daß das persönliche Interesse darunter leiden müsse. Und nicht zum wenigsten huldige der rheinische Bäckerverband dem Grundsatze: Erst das Vaterland, die Allgemeinheit, dann das Sonderinteresse. Wir werden uns zu den neuen Verordnungen so stellen, wie es zum Besten des Vaterlandes ist und werden auch über diese Schwierigkeiten hinwegkommen Alle Behörden seien durchaus erfüllt von der Sorge für unseren Stand, für seine ungeschmälerte und ungeminderte Erhaltung. - Dann verlas Ehrenobermeister Chrysant die einzelnen Paragraphen der Verordnung und gab dazu, wo es nötig und aus der Versammlung erbeten wurde, die Erläuterungen. Die neue Verordnung bestimmt im großen und ganzen, daß Roggenbrot mehr als 30 Prozent Roggenmehl enthalten muß, die anderen Bestandteilen aus anderen Mehlen, aber kein Weizenmehl. Weizenbrot, daß nicht mehr als 100 Gramm beträgt, also die üblichen Brötchen, dürfen gebacken werden, aber aus dem vorgeschriebenen Weizenmehl, d.h. einer Mischung von 70 Teilen Weizenmehl und 30 Teilen Roggenmehl. Weizenauszugmehl darf nicht mehr verwandt werden. Die Vorräte an Weizenmehl, die bei den einzelnen Bäckern noch liegen, müssen in den nächsten Tagen angegeben werden. Das Mehl darf aber auch nur in der vorgeschriebenen Mischung verbacken werden. Bei der Kuchenbereitung darf nicht mehr als die Hälfte des Gewichtes des verwendeten Mehles Weizenmehl sein und muß bei 90 Teilen Mehl einen Zuckerzusatz haben von mehr als 10 Teilen. Der Bäcker darf auch nicht den Teig verbacken, den ihm die Kundschaft zum Backen bringt, wenn er nicht bestimmt weiß, daß der Teig den Bestimmungen entspricht. Die Backzeit ist von morgens 7 Uhr bis abends 7 Uhr, die Nachtarbeit ist also vollständig aufgehoben. In dieser Arbeitszeit müssen auch alle Vorbereitungsarbeiten geschehen. Roggenbrot über 50 Gramm darf nur in den Verkehr gebracht werden, wenn es 24 Stunden alt ist. Da nun die Verordnung heute in Kraft tritt, darf der Bäcker heute nur Brot verkaufen, das er gestern (Donnerstag) gebacken hat und das 24 Stunden alt ist.
Zuwiderhandlungen gegen diese Bestimmungen werden mit sehr schweren Strafen belegt.
Zur Frage der Sonntagsarbeit bemerkte Herr Beigeordneter Piehl auf eine Anfrage aus der Versammlung, daß die alte Verordnung, nach der bis 12 Uhr gebacken werden dürfte, aufgehoben sei und vorläufig von 7 Uhr morgens bis 7 Uhr abends gearbeitet werden dürfte.
In der Versammlung wurde ferner vorgeschlagen, daß statt der bisherigen Brötchen Röggelchen, Knüppelchen, Spitzbrötchen gebacken werden sollen. Diese Frage soll aber ebenso wie die Preisfrage in der nächsten Versammlung verhandelt werden.
Ehrenobermeister Chrysant bemerkte noch, daß er wünsche, daß das Publikum volles Verständnis für die viel schwierigere Lage des Bäckers haben möge, und daß die Kundschaft es den Bäckern nicht entgelten lasse, sondern auch dem, von dem sie bisher ihre Brötchen bezogen habe, treubleibe, und auch jetzt das Großbrot beziehe, und so dem Bäcker helfe, über die schwere Zeit hinwegzukommen.
Zum Schluß wandte sich Oberbürgermeister Spiritus nochmals an die Versammlung, um seiner Freude Ausdruck zu geben über den guten, vaterländischen Geist, den die Versammlung bei der Bearbeitung und Behandlung der Verordnung gezeigt habe. Von keiner Seite seien Klagen oder Beschwerden laut geworden, alle seien mit freudigem Mute an die Bearbeitung herangegangen. Er hoffe aber auch, daß die Bonner Bürgerschaft volles Verständnis habe für die Sorgen und die jetzige schwierige Lage der Bäcker. „Mit dem Wunsche, daß Ihr schönes Gewerbe auch weiterhin blühen und gedeihen werde, schließe ich."
Der Vorsitzende, Bäckermeister Virnich dankte nochmals dem Oberbürgermeister, dem Beigeordneten Piehl und dem Ehrenobermeister Chrysant für ihr Erscheinen und ihre tätige Mitarbeit an der heutigen Besprechung und schloß die Versammlung, nachdem beschlossen worden war, die anderen Punkte der Tagesordnung in der nächsten Versammlung zu erledigen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Zum Besten des Bonner Lazarettzuges hielt gestern abend in der Aula des Kgl. Gymnasiums Herr Willy Heim (Schriftsteller A. Wolff) einen Vortrag über das Thema: „Warum wir siegen müssen.“ Redner suchte darzulegen, daß der endliche, wenn auch mit furchtbar schweren Opfern erkaufte Sieg sich auf unsere Seite legen muß, und zwar aus dem Grunde, weil Wahrheit und Recht mit uns sind. Dabei bauen wir nicht auf unsere physische Kraft, sondern auch auf die in unserem Volke ruhende sittliche Kraft, der die physische entspringt. Wir müssen siegen, weil in der ganzen Welt jeder Glaube an Wahrheit und Tech zerstört würde, wenn Deutschland in diesem Kampfe unterliege, In uns sei der heilige Zorn wachgeworden, weil frevelnde Hände es gewagt hätten, unser höchstes irdisches Heiligtum, das Vaterland, anzutasten. Wenn wir über tapfere Soldaten, weitragende Gewehre und furchtbare Kanonen verfügen, so sei das allein nicht ausschlaggebend. Die Erziehung jedes einzelnen Soldaten zur strengsten Pflichterfüllung, die moralische, sittliche Kraft unseres Heeres würden erst dazu beitragen, daß wir den Gegner bezwingen. Wenn auch Fehlschläge kommen sollten, so könnten wir trotzdem getrost in die Zukunft blicken im Bewusstsein, für eine gute Sache zu kämpfen, die Gottes Beistand finden werde. Sollte – Redner wies auch mahnend auf die sich hier und da bei uns geltend machenden Anzeichen einer gewissen sittlichen Zersetzung hin – unser Volk als Sieger aus diesem schweren Kampf hervorgehen, so würden wir das erste Volk der Erde sein. Aber auch dann möchten wir uns immer bewußt bleiben, daß wahre Größe, wahrer Reichtum nur im Besitz sittlicher Güter liege und daß wir äußerlich groß und reich geworden sind, weil wir sie besaßen. Der Redner fand für seine gedankenreichen Ausführungen vielen Beifall.
Der Schutz der Hasenjagd ist im Regierungsbezirk Köln auf den 15. Januar festgesetzt worden. Die Schonzeit beginnt als am 16. Januar.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Der Ausschuß für hauswirtschaftliche Kriegshilfe läßt in diesen Tagen ein Flugblatt verteilen, das für die Hausfrauen bestimmt ist und ihnen über die Ernährung in Kriegszeiten Aufschluß geben soll. Ende des Monats wird ein öffentlicher Vortrag das gleiche Thema behandeln.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Samstag, 16. Januar 1915
Kriegshilfstag. Für den Kriegshilfstag der Stadt Bonn, der bekanntlich am Kaisers-Geburtstage und an dem darauf folgenden Tage abgehalten werden soll, hat der Herr Kunstmaler Karl Nonn aus Bonn einen Entwurf für eine Postkarte hergestellt, der den Beifall des leitenden Ausschusses gefunden hat. Diese Karte wird demnach als offizielle Postkarte am Kriegshilfstag verkauft werden.
Der Auschuß für hauswirtschaftliche Kriegshilfe läßt in diesen Tagen ein Flugblatt verteilen, das für die Hausfrauen bestimmt ist und ihnen über die Ernährung in Kriegzeten Aufschluß geben soll. (...) Es liegt auf den Hausfrauen ein großes Stück Veratwortung für das Gelingen des Krieges. Die Frage, welche Nahrungsmittel dürfen wir verbrauchen, bei welchen müssen wir den Verbrauch einschränken, von welchen empfiehlt es sich, wenn man kann, größere Vorräte zu halten, ist nicht nur für den Einzelhaushalt von Bedeutung. Die Lebensmittel, die wir in Deutschland haben, reichen aus bis zur nächsten Ernte, aber eine vernünftige Einteilung ist nötig, damit wir nicht mit den einen vor der Zeit zu Ende sind und von den anderen auf einmal und zur Unzeit, ein übergroßes Angebot zu erwarten haben. Nur dann, wenn die Nahrungsmittel für das ganze Volk und für die ganze, noch unübersehbare Dauer des Krieges gesichert sind, können wir ihn bis zum erfolgreichen Ende durchführen. Es ist deshalb vaterländische Pflicht für jede Hausfrau, daran mitzuwirken. Lest die Flugblätte, bewahrt sie auf und handelt danach!
Stadttheater. Morgen wird in der Nachmittagsvorstellung Rosenows erfolgreiche Komödie „Kater Lampe“ zum ersten Mal wiederholt. Abends ist „Wie einst im Mai“.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Kaisergeburtstag findet in den katholischen Kirchen eine Kollekte statt, deren Ertrag dem Kaiser als Geburtstagsgeschenk zum Besten der durch den Krieg invalide gewordenen Krieger überreicht werden soll.
Die Bonner Verband- und Erfrischungsstelle „Prinzessin Viktoria" auf dem Nordbahnhof in Lille, über die wir des öfteren ausführlicher berichtet haben, erfreut sich – so entnehmen wir aus einer uns zur Verfügung gestellten Denkschrift des Herrn Rechtsanwalts Henry – einer überaus regen Benutzung. Von der Bahnhofskommandantur wurde in der zuvorkommendsten Weise auf der rechten Seite der Haupthalle in Lille eine Nebenhalle von 120 Metern Länge zur Verfügung gestellt, die eine durchschnittliche Breite von 17 bis 18 Metern aufweist, die gegen die Haupthalle durch massives Mauerwerk mit großen Scheiben abgeschlossen und mit Glas überdeckt ist. Die Halle wurde sofort zweckentsprechend eingerichtet, zunächst zum Aufenthaltsort für Mannschaften in einer Länge von 50 Metern mit rund 600 Sitzplätzen. Daneben liegen die Koch- und Spülküchen und die notwendigen Vorratsräume. Neben dem Mannschaftsraum wurde ein kleinerer Erfrischungsraum für Offiziere, ein etwa 30 Meter langer Warteraum für Verwundete und ein großer Verbandraum mit kleinen Nebenräumen eingerichtet. Sämtliche vier Haupträume haben Ausgänge zur Haupthalle.
Nach vieler Arbeit und Mühe konnte am 9. November, also am fünften Tage nach der Ankunft, der Betrieb in der Erfrischungshalle, und am 10. November die Tätigkeit in der Verbandhalle in vollem Umfange aufgenommen werden. Bis heute sind mindestens 5.500 Leute behandelt und in der Erfrischungshalle wenigstens rund 400.000 Portionen, zu je einem halben Liter gerechnet, ausgegeben worden. Mitunter, namentlich in den ersten Wochen, als die besonders heftigen Kämpfe um Ypern wüteten, war häufig ein Massenandrang zu verzeichnen. Wenn auch in erster Linie für die Versorgung der Verwundeten gesorgt wurde, so sind Erfrischungen auch an gesunde Mannschaften abgegeben worden. Daß sich unter diesen Umständen die Verband- und Erfrischungsstelle einer besonderen Beliebtheit erfreut, ist selbstverständlich.
Im Küchenbetrieb sind vier Köche, mehrere angeworbene französische Frauen und zehn bis zwölf Soldaten bei Tage, und in der Nacht abwechselnd je ein Koch und acht Soldaten reichlich beschäftigt. Da man nie weiß, wann größerer Zudrang zu erwarten ist, muß eben zu jeder Tages- und Nachtzeit die Küche bereit sein.
Man sieht also, daß die Verband- und Erfrischungshalle eine nicht ganz kleine, aber auf jeden Fall sehr dankbare Aufgabe zu erfüllen hat. Wenn ihr das gelungen sein sollte, so ist das nicht zuletzt der Unterstützung und Förderung zuzuschreiben, die Fürst zu Schaumburg-Lippe der Organisation, die den Namen seiner Frau Tante, I.K.H. Frau Prinzessin Viktoria, trägt, in reichem Maße zuteil hat werden lassrn. Auch von anderen Seiten ist die Stelle reichlich unterstützt worden. Allen, die für die Förderung der schönen Sache eingetreten sind, sei an dieser Stelle nochmals der beste Dank ausgesprochen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Wollsammlung. Es wird besonders darauf hingewiesen, daß die neue Wollsammlung der von dem Ausschuß für hauswirtschaftliche Kriegshilfe (Vereinigte Bonner Frauenvereine) veranstalteten nicht entgegensteht. Beide Sammlungen ergänzen sich vielmehr in glücklicher Weise und es steht zu hoffen, daß die neue Wollsammlung am 22. und 23 ds. Mts die Unterstützung aller Kreise in weitem Maße finden wird.
Freiwillige Sanitäts-Kolonne vom Roten Kreuz Bonn. Am Montag, den 18. Januar, abends 9 Uhr, beginnt in der Halle in der Quantiusstraße ein neuer kostenloser Ausbildungskurs. Anmeldungen werden am Montag abend an obiger Stelle angenommen.
Die Hauptsache. Ein Soldat sandte aus dem Felde an seine Mutter folgenden Brief: „Liebe Mutter! Die Sach ist net so einfach. Bier gibt es auch keines. Mit Gruß Euer Sohn W.“ – So, jetzt kann sich die Mutter einen Begriff vom Krieg machen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Sonntag, 17. Januar 1915
Lichtbildervortrag über die Schlacht bei Tannenberg. Wir machen noch mal auf den Vortrag der Berliner Urania aufmerksam, der morgen abend im Bürgervereinssaal stattfindet. Sämtliche Lichtbilder, die von dem Vortragenden gezeigt werden, sind auf den Verwüstungsstätten in Ostpreußen aufgenommen.
Im Metropoltheater werden die beiden hervorragenden dreiaktigen Dramen: „Vermißt gemeldet“ und „Die achte Großmacht“ gegeben.
Im Viktoriatheater wird das große Römerdrama aus der Zeit des Kaisers Konstantin gegeben: „In diesem Zeichen wirst du siegen“.
Im Palasttheater wird das Kriegsdrama „Deutsche Helden“ gegeben, außerdem der Detektiv-Schlager „Die Villa im Walde“.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Zum Nachtbackvorbot. Die Bäcker-Zwangs-Innung macht in der heutigen Nummer unseres Blattes bekannt, daß für das Bäckergewerbe das Ansetzen des Sauerteiges auch Sonntags abends für eine Stunde durch einen Arbeiter zugelassen ist.
Unsere braven Feldgrauen. Im „Briefkasten“ des General-Anzeigers vom 10 Dezember frug eine hier wohnende Frau, deren Mann im Felde steht, an, ob sie einen Mietrest von 3 Mk. bezahlen müsse. Sie bekomme 12 Mk. Mietunterstützung, müsse aber 15 Mk. bezahlen. Das sei ihr aber nicht möglich. Diese Notiz hat mehrere Soldaten vom Infanterie-Regiment Nr. 68 – ältere Leute aus Bonn und Umgebung – veranlasst, uns auf einer Feldpostkarte um die Adresse des Vermieters oder der Mieterin zu bitten, um der Frau aus er Not zu helfen. Sie erklären sich bereit, „die Miete auf längere Zeit zu zahlen, damit die arme Frau ihre Unterkunft behält.“
Straßenraub. Der 20jährige Schmiedegeselle Georg Eiberi aus Höchst a. M., der zu den Ulanen ausgehoben, aber noch nicht eingezogen ist, hatte versucht, abends in eine dunklen Straße einer Frau das Handtäschchen zu entreißen, wobei die Ueberfallene zu Boden gerissen wurde. Auf ihr Schreien ließ der jugendliche Straßenräuber von seinem Opfer ab und entfloh, wurde jedoch von Soldaten eingeholt. Der der Tat geständige Angeklagte, der bald ins Feld ziehen möchte, um seinen Frevel zu sühnen, wurde vom Außerordentlichen Kriegsgericht für den Bereich der Festung Köln, das die Jugend, die bisherige Unbescholtenheit und die Reue des Angeklagten als mildernde Umstände gelten ließ, wegen versuchten Straßenraubs zu 9 Monaten Gefängnis verurteilt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Im Bonner Bürgerverein erzählte Herr Rechtsanwalt Henry von seinen Erlebnissen während seines siebenwöchigen Aufenthaltes in der Verbands- und Erfrischungsstelle „Prinzessin Viktoria“ in Lille, die bekanntlich von der Bonner Organisation des Rotes Kreuzes eingerichtet und mit Unterstützung der Militärbehörde in der Halle des Liller Hauptbahnhofs von Bonner Herren geleitet wird. In sehr anschaulicher Weise schilderte der Redner seine Eindrücke auf der 24-stündigen Eisenbahnfahrt, der Ankunft, der aus 56 Köpfen (Aerzte, geschäftlichen Leitern, Sanitätern, Ingenieuren, Köchen, Handwerkern) bestehenden Gesellschaft in Lille, die mit nicht geringen Schwierigkeiten verbundenen Vorarbeiten für die Einrichtung der Verbands- und Erfrischungsstelle (die Halle war vorher von einer Kavallerie-Truppe als Stall benutzt worden), die ersten Tage nach der Fertigstellung und die über alles Erwarten guten Erfolge in der Verpflegung unserer Verwundeten. Was es dort für unsere Aerzte und Sanitäter, für das Küchen- und Hilfspersonal zu tun gibt, ersieht man am besten aus der Tatsache, daß in der Bonner Verbands- und
Erfrischungsstelle bis jetzt 3.500 Verwundete verbunden und 400.000 Portionen (das sind 200.000 Liter) Suppe, Kaffee und Kakao verabreicht worden sind. Der Umstand, daß Frau Prinzessin Adolf zu Schaumburg-Lippe, die Protektorin des Unternehmens, der Verbands- und Erfrischungsstelle ihren Namen gegeben, hat den Leitern über manche Schwierigkeiten hinweggeholfen. Auch dem Neffen der Frau Prinzessin, Fürst Adolf zu Schaumburg-Lippe, ist man großen Dank schuldig. ER war nicht nur manches Mal Fürsprecher für die Bonner, er verhalf der Verbands- und Erfrischungsstelle auch zu einem Auto. Was das in Lille bedeutet, kann nur ermessen, wer das Liller Straßenpflaster kennt.
Rechtsanwalt Henry berichtete von der großen Freude, die jedes Mal unter den Truppen herrscht, wenn neue Liebesgabesendungen ankommen. (...) Er erzählte ferner von erfolglosen Bombenwürfen französischer Flieger auf den Liller Hauptbahnhof, von der ebenso erfolglosen Beschießung deutscher Flieger durch französisches und englisches Militär und rühmte zum Schluß – es würde zu weit führen, alle interessanten Einzelheiten des Vortrages zu erwähnen – die prachtvolle Haltung unserer Soldaten, die in der Front stehen, oder verwundet aus dem eigentlichen Kampfgebiet in Lille ankommen. Keiner klagt, keiner ist unzufrieden, alle sind tapfer und geduldig im Ertragen noch so großer Strapazen und Beschwerden, alle halten kameradschaftlich und brüderlich zusammen. Und in allen Augen leuchtet ein unbedingtes Vertrauen auf den endlichen Sieg unserer Waffen. Wenn man einen in Schützengraben fragt: „Kommen wir durch?“ dann sieht er den Frager erstaunt an, als wenn er die Frage nicht verstehe, und antwortet dann; „Ja, natürlich kommen wir durch, und wenn es alles kostet.“ (...)
Rechtsanwalt Henry schloß seinen Vortrag mit einem Kaiserhoch. (...)
Automatensteuer. Für alle an öffentlichen Orten und Plätzen aufgestellten Automaten und Musikwerke muß die Versteuerung für das Jahr 1915 spätestens bis Ende des Monats bei dem hiesigen Zollamte, Friedrichsplatz Nr. 9, unter Vorlegung der Jahreskarte erfolgen
Aus einem Feldpostbrief aus Frankreich
Im Uebrigen leben wir hier gerade wie zu Hause. Die Bewohner der Ortschaft leben in gutem Einvernehmen mit uns. Als wir aus unserem letzten Orte B. ... wegmachten, haben die Frauen den ganzen Tag geweint, weil sie glaubten, wir müßten zurück und die Franzosen und Engländer mit ihren Indern und Zuaven kämen wieder. Letztere sind eine wahre Landplage für die Bewohner. Bekanntlich läßt die Verpflegung unserer Feinde viel zu wünschen übrig. Vor allem haben sie nicht die wohlorganisierten Train-Kolonnen wie Deutschland sie besitzt. Sobald die ordnungsgemäße Verpflegung des Frontsoldaten aufhört, ist er auch nicht mehr kriegstüchtig. Bekanntlich ist auch der deutsche Train eine der gefürchtetsten Truppen, weil er das Feld vom überflüssigen Korn, den Boden vom Speck und den Keller vom Wein säubert und diese den Kameraden der Front zuführt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Eine Soldatenfrau
empfiehlt, von jedem deutschen Staatsbürger, dessen monatliches Einkommen mehr als 200 Mark beträgt, einen Beitrag von 5 Mark monatlich zum Besten notleidender Kriegerfamilien einzuziehen. Mit der bisherigen geringen Unterstützung können sich diese Familien nicht monatelang über Wasser halten. Viele Frauen sind krank und können nicht selber durch ihrer Hände Arbeit Geld verdienen. Viele Deutsche leben im Reichtum und Ueberfluß. Warum zieht man diese nicht zu größeren Abgaben für die Notleidenden heran?
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Montag, 18. Januar 1915
Stadttheater. Man schreibt uns: Die Erstaufführung „Wie einst im Mai“ erfolgte gestern bei ausverkauftem Hause. Viele konnten an der Abendkasse Billets nicht mehr erlangen. Die morgige Wiederholung beginnt schon um 6 ½ Uhr und endet kurz nach 9 Uhr, sodaß die Fahrgelegenheiten der Straßenbahn und der Vorortbahnen zu gelegener Stunde genutzt werden können.
Einem Herzschlage erlag gestern Nachmittag der 6jährige Sohn des Inhabers des Instituts „Blitz“ auf einem Spaziergange am Rhein.
Ein Zusammenstoß fand gestern zwischen einem Kraftwagen und einem Wagen der elektrischen Straßenbahn an der Ecke Bonngasse und Friedrichstraße statt. Der Kraftwagen wurde leicht beschädigt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Lichtbilder-Vortragsreihe der Ortsgruppe Bonn des Deutschen Wehrvereins (Siebter Vortrag). Oberbibliothekar Dr. Hirsch: „Ostpreußen (Bilder aus meiner Heimat in Kriegs- und Friedenszeiten)“. Das traurige Bild der einmonatigen Russenherrschaft in Ostpreußen, das auch hier schon in Vorträgen geschildert worden ist, gewann am Samstag abend eine neue Beleuchtung. In wirkungsvollem Gegensatz gab der Redner Bilder und Skizzen seiner schönen Ostpreußenheimat mit ihren blauen Seen, grünen Feldern in weiter Ebene und mit dem Meeresstrand als gewaltigen Abschluß. An dieser Heimat hängt der Ostpreuße mit heißer Liebe. Redner schilderte dann die Schreckens- und Leidenszeit. Russische Kosakenheere überfluteten das stille Land, raubten, sengten und plünderten. Mit welcher Gründlichkeit das geschehen ist, bewiesen mit deutlicher Sprache die vielen Lichtbilder. Ganze Dörfer und Städte sind von den fliehenden Russenheeren absichtlich in den Grund geschossen und niedergebrannt worden. Manche Schädigungen hätten nach Ansicht des Redners vermieden werden können, wenn die Bewohner ihr Hab und Gut nicht in wilder Flucht verlassen hätten. (Hier scheint uns der Redner etwas graue Theorie zu geben, Red) Viele Ortschaften, aus denen die nicht geflüchteten Einwohner den Wünschen der Russen nachkamen, seien zum größten Teil verschont geblieben. Der Hauptschaden liege nicht in den verwüsteten Ortschaften oder in dem zerstörten Eigentum, sondern darin, daß die Haupterwerbsquelle der ostpreußischen Bewohner, Viehzucht und Landwirtschaft, auf lange Jahre unterbunden worden ist. Es wird viele Jahre anstrengender Arbeit und Mühe kosten, ehe die Folgen der einmonatigen Russenherrschaft wettgemacht ist. – Der Vortragende fand vielen Beifall. Der Rednerertrag ist für die Geschädigten in Ostpreußen bestimmt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die alte Geschichte. An der Rheinbrücke wollte ein junger Mann auf einen Wagen der elektrischen Straßenbahn springen, der sich in voller Fahrt befand. Er sprang aber neben das Trittbrett, stürzte und wurde, da er sich an dem Wagen festhielt, eine Strecke mitgeschleift. Mit einigen Hautabschürfungen und einem total beschmutzten Anzug kam der Unvorsichtige dieses Mal davon. Der Unfall hätte sehr leicht schlimme Folgen haben können. Er mag darum anderen zur Mahnung dienen.
Verein Beethovenhaus. In der Generalversammlung, die unter dem Vorsitz des Herrn Geheimrats Zittelmann stattfand, erstattete Prof. Dr. Knickenberg den Bericht für das Vereinsjahr 1913/14. Besonders die zweite Hälfte des Jahres 1914 sei infolge des Krieges sehr ruhig verlaufen. In den letzten Wochen wurde das Beethovenhaus infolge des Todes des Ehepaares Loyal, des Hausmeisters, für den Fremdenbesuch völlig geschlossen. Der Besuch war auch nicht so stark, wie in sonstigen Jahren, doch hatten 1913: 7067 zahlende Personen das Haus besucht, dazu kommen eine große Zahl von Schulen, sodaß man rund 7500 Besucher zählen kann. Im Jahre 1914 dagegen betrug die Besucherziffer nur 3110 (zahlende Personen), mit den Schulen zusammen 3300. Auch die Einnahmen durch den Verkauf von Büchern, Photographien und Ansichtskarten zeigt in den beiden Berichtsjahren einen großen Unterschied. 1913 wurden hierdurch eingelöst: 2753,55 Mark, 1914 aber nur 1128,50 Mark. Auch die Erwerbungen sind zurückgegangen, teils, weil immer mehr Stücke in feste Hände kommen, dann auch weil unerschwingliche Preise gefordert werden. (...) - Herr Professor F. A. Schmidt berichtete, daß die Sammlung von Bildnissen und Reliquien des Beethovenhauses sich in den beiden letzten Jahren um 53 Katalognummern mit 150 Blättern vermehrt habe. Besonders zu erwähnen ist eine Beethovenmaske in Bronze, genau nach der bekannten Maske von 1812, aber mit geöffneten Augen. (...)
Es grünt und sprosst, aus allen Sträuchern gucken winzig kleine grüne Blättchen hervor, Rosen und Hortensien machen neue Triebe, an allen Zweigen schwellen neue Knospen. Erfreulich ist diese, durch das ungemein milde Wetter hervorgerufene Erscheinung nicht; denn es besteht die Gefahr, daß die Februar- und Märzfröste alles Keimen und Sprießen zerstören werden. Der unausgesetzte Regen der letzten vierzehn Tage düngt den Boden in vorläufig unerwünschtem Maße. Trotz der milden Temperatur sehen wir also das Wetter keineswegs mit freundlichen Augen an, umsomehr noch, als Nässe und immer wieder Nässe seine tägliche Begleiterscheinung sind.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Montag, 19. Januar 1915
Vorläufige Beschlagnahme sämtlicher Woll- pp. Decken ordnet für den Befehlsbereich des 8. Armeekorps der Kommandierende General an. Sämtlichen Fabrikanten und Händlern ist die Veräußerung der bei ihnen lagernden eigenen und fremden Bestände sowie der eigenen bei Spediteuren und Lagerhäusern lagernden Bestände an wollenen, wollgemischten, halbwollenen und baumwollenen Decken sowie an Filzdecken bis auf weiteres verboten. Die Fabrikanten und Händler haben dem Generalkommando in Koblenz, Kastorpfaffenstraße, binnen drei Tagen nach Bekanntmachung dieser Verfügung ein Verzeichnis dieser Bestände mit Angabe von Stoffart, Zahl, Größe, Gewicht, bisheriger Preis und Aufbewahrungsort einzureichen, soweit es sich um mindestens 50 Stück insgesamt handelt. Zuwiderhandlungen gegen diese Verfügung werden mit Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft. Wir verweisen auf die amtliche Bekanntmachung in dieser Nummer.
Im Metropoltheater wird ein Film aus dem Leben der Verbannten in Sibirien gezeigt. „Gehetztes Wild“ heißt das Drama, das in vier Akten die Leiden und Verfolgungen einer polnischen Freiheitskämpferin in packender Weise schildert.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Unsere Feldgrauen als Sprachreiniger. Dieser Tage lief beim Central-Komitee der Deutschen Vereine vom Roten Kreuz eine Gabe mit folgendem Begleitschreiben:
Aus der äußersten Ecke Belgiens, aus den Kämpfen von Ypern, senden wir mit gleicher Post als Anweisung die aus 2 Unteroffizieren und 15 Mann bestehende Korporalschaft der Feld-Luftschiffer-Abteilung aus Strafgeldern für Benutzung von fremdsprachlichen Ausdrücken die gesammelten 15 Mark mit der Bitte, dieselben für Kinder gefallener Kameraden nützlich verwenden zu wollen.
Solche Strafgelder lassen sich sehr leicht in der Heimat zugunsten des Roten Kreuzes einziehen!
Die Bonner Liedertafel läßt es sich in dankenswerter Weise angelegen sein, die hier in Lazaretten untergebrachten verwundeten Krieger durch Gesangsverträge usw. zu erfreuen. Auch am Sonntag war ein großer Teil der Sänger im Lazarett St. Joseph an der Höhe. In bunter Folge wechselten schön vorgetragene Lieder und Einzelvorträge ernster oder humoristischer Natur. Besonders gefielen zwei Strauß’sche Walzer, die offensichtlich „Stimmung“ hervorriefen. Im Namen der verwundeten Krieger dankte ein Unteroffizier mit herzlichen Worten. Er sagte, daß das Konzert den 50 verwundeten Soldaten, die am Morgen von Soissons aus den Schützengräben eingetroffen waren, eine besondere Freude gemacht habe.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Eine SoldatenfrauSo sehe ich gestern die Ueberschrift eines Eingesandt in der Reichszeitung. Dieselbe will von jedem, der über 200 Mark monatlich verdient, einen Abzug von 5 Mark haben. Das wäre ganz schön. Aber eine Kriegerfamilie erhält doch Unterstützung. Wie geht es denn mit einem arbeitslosen Familienvater mit einer Anzahl Kinder? Derselbe hat nichts. Es wird immer gesagt, jeder helfe das Vaterland zu verteidigen. Wie wäre es nun, wenn die wohllöbliche Militärverwaltung einmal die reklamierten Leute einzöge und für uns Arbeitslose sorgte? So z.B. an der Geschoßfabrik, Elektrischen Bahn, Staatsbahn, Post und sonstigen für den Staat arbeitenden Werkstätten. Das ist doch eine ganze Menge militärpflichtiges Personal. Unsere Söhne, die im Feld stehen, sagen sich, wir müssen unser Blut opfern fürs Vaterland und die bleiben schön zu Hause und verdienen auch noch ihr schönes Geld. Wir wollen also hoffen, daß unsere wohllöbliche Militärverwaltung diese dringenden Worte hört und uns armen arbeitslosen Familienvätern zu Hülfe kommt. Sie würde dadurch vielen Dank ernten. Ein Familienvater
(Anmerkung der Redaktion: Die Frage, wie in Kriegszeiten den Arbeitslosen geholfen werden kann, gehört noch immer zu den ungelösten Problemen. Der Familienvater irrt sicher aber, wenn er glaubt, daß die Stellen der militärdiensttauglichen Angestellten und Arbeiter staatlicher Institute nun ohne weiteres durch Arbeitslose ausgefüllt werden können. Er vergisst, daß viele dieser Arbeiter eine mehr oder weniger lange Ausbildungszeit hinter sich haben und daß gerade in Kriegszeiten die Bahn- und Postverwaltungen und alle für den Staat arbeitenden Werkstätten ein tüchtiges, eingearbeitetes, verlässliches Personal haben müssen. Ein Gelegenheitsarbeiter kann nicht von heute auf morgen Weichensteller oder Schrankenwärter werden. Soweit ihre alten Kräfte durch Hilfspersonal ersetzen konnten, ist das bereits geschehen. Leider konnte damit noch nicht alle Arbeitslose Beschäftigung finden.)
Mehr Ruhe!
Legt man sich abends nach angestrengter Arbeit zu Bett und glaubt eben eingeschlafen zu sein, dann hört man, obwohl man annehmen dürfte, daß die harte Kriegszeit auch den Leichtsinnigen ernster gestimmt hätte, von weitem, immer näher kommend einen Trupp singender und spektakelnder Menschen, die betrunken die Nachtruhe des Nächsten stören. Wäre in dieser Richtung nichts zu machen? Unsere Verwaltung macht Gesetze über das, was wir essen, was wir trinken, oder richtiger; wie lange wir trinken. So wäre der Vorschlag wohl berechtigt und würde wohl von vielen Mitbürgerinnen und Mitbürgern geteilt: Man setze die Polizeistunde für alle Wirtschaften auf 10 Uhr fest und achte streng auf deren Einhaltung. Bis 10 Uhr kann ein jeder seinen Durst gestillt haben und mancher Familie wird dann mancher Groschen erspart. Einer, der’s gut meint.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Mittwoch, 20. Januar 1915
Die Lebensmittelversorgung unserer Bevölkerung fordert: Bepflanzt alle brach oder ungenützt liegenden Grundstücke, oder überlasst sie unentgeltlich zur Bepflanzung an Minderbegüterte, oder stellt sie der Stadt Bonn zu diesem Zwecke zur Verfügung.
Allgemeine Studentenversammlung. Wie der Rektor unserer Universität bekannt gibt, findet am Freitag, den 22. Januar, abends 7 Uhr, im Auditorium XVIII eine Besprechung einer alle wehrfähigen Studierenden angehenden Angelegenheit statt. Das vollständige Erscheinen aller wehrfähigen Studierenden ist wegen der Wichtigkeit des Gegenstandes dringend erwünscht.
Die Literarhistorische Gesellschaft veranstaltet in diesem Winter drei Vortragsabende im Saal der Buchhandlung Friedr. Cohen, an welchen Geheimrat Professor B Litzmann vaterländische Dramen vortragen wird. Die Reihe wird am Montag, den 25. Januar, mit Kleists „Prinz von Homburg“ eröffnet.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Vaterländische Reden und Vorträge. (Zwanzigster Abend) Rabbiner Dr Emil Cahn: „Kriegerische Volkspoesie.“Das freie Landknechtsleben zog mit seiner wilden Buntheit und der frischen Lebensbejahung an den Augen der Zuhörer vorbei und mit ihm das deutsche Landsknechtslied, das noch heute erklingt. Das freie ungezwungene Leben mit Krieg und Sieg, Brand und Beute, Raufen und Saufen, Schlemmen und Prassen zeitigte eine Poesie, die sich durch die Jahrhunderte bis auf den heutigen Tag frisch erhalten hat. Das Große und Gemeine berühren sich in dieser Poesie. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts, als das deutsche Landsknechtswesen zu Ende ging, war es auch mit der kriegerischen Volkspoesie zu Ende. Es folgte eine sangesarme Zeit, die durch den 30jährigen Krieg und noch länger fortdauerte. Erst mit dem Wiederaufblühen des Soldatentums wagte sich die Volkspoesie wieder hervor. Es begann eine neue Epoche des Landsknechtsliedes, das beispielsweise den Soldatenkönig, den alten Dessauer, den alten Fritz und andere gewaltige Führer zum Gegenstand der Verherrlichung nahm. Von nun an wurde die Melodie entscheidend und blieb es bis auf den heutigen Tag. Die Melodie schaffte den Text und änderte den Text. Das Vaterlandsgefühl gewinnt in der kriegerischen Volkspoesie immer größeren Raum, das seit 1870/71 zum Grundton jedes Soldatengesanges geworden ist. „Liebe, Scheiden und Meiden, Freiheit, der gute Kamerad und der Tod auf freiem Felde, das sind die Leitmotive des Soldatenliedes. Wie echt und kraftvoll gesund diese Poesie ist, davon zeugen prächtige Proben, die Redner einstreute und damit eines jeden Zuhörers Herz erfreute. Was die Kriegspoesie unserer heutigen Zeit anlangt, so ist sie nicht – also meinte der Vortragende -, die der Zeitungen und der literarischen Blätter, sondern der Unbekannten, Unbenannten, die draußen im Felde stehen. Diese Kriegspoesie der Schützengräben, der Wachtposten, der Flieger usw. wird aber erst später nach dem Kriege ihre ewige Sprache reden.
Strickt Strümpfe! Es ist bekannt geworden, daß erfreulicherweise unsere Truppen im allgemeinen jetzt mehr als je mit warmen Unterkleidern versehen sind. Nur einzelne haben aus irgend einem Grunde von dem großen Zustrom nichts erhalten und müssen auch jetzt noch mit dem Nötigen versehen werden. Aber die augenblickliche günstige Lage soll uns nicht vergessen lassen, da die Wollsachen, die jetzt in den Händen unserer Krieger sind, halb aufgebraucht sein werden, und daß also nichts verkehrter wäre, als mit dem Stricken aufzuhören. Man halte sich also nach wie vor an die Beibringung von wollenen Socken, Pulswärmern, Handschuhen, Ohrenschützern, Halstüchern und „Sturmhauben“.
Bei den Verwundeten in der Nervenheilanstalt brachte der Gesangverein „Arion“ am vergangenen Sonntag verschiedene Chorlieder und Einzellieder zum Vortrag. Unter W. Poschadels Leitung gelangten die einzelnen Vorträge in vortrefflicher Weise zu Gehör, wofür die Zuhörer mit reichem Beifall dankten. Damen des Vereins verteilten Liebesgaben.
Die Bestimmungen über die Sonntagsruhe soll ein bisheriger Maler und Anstreicher, dessen Frau einen Zigarrenladen betreibt, übertreten haben. Er hatte angeblich um 4½ Uhr nachmittags Zigarren und Zigaretten verkauft. Vor dem Schöffengericht wollte er glauben machen, er habe Zigaretten und Zigarren „verschenkt“, um Soldaten eine Freude zu machen. Ein Polizeibeamter, der den Vorgang bemerkt hatte, erklärte, daß es sich nicht um Soldaten, sondern um Zivilpersonen gehandelt habe. Vom Schenken könne keine Rede sein, da er gesehen habe, daß ein junger Mann die Börse wieder einsteckte. Das Schöffengericht hielt die Uebertretung für erwiesen und erkannte auf eine Geldstrafe von 10 Mark.
Ein hiesiger Bäckermeister und eine Verkäuferin , die sich ebenfalls gegen die Bestimmungen der Sonntagsruhe vergangen hatten, weil sie zu verbotener Zeit Backwaren hatten austragen lassen, wurden mit Geldstrafen von 12 und 3 Mk. bedacht.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Katholischer Gesellenverein. Die nächste Vereinsversammlung am Sonntag, den 24. Januar, soll erweitert werden zu einem patriotischen Abend. Herr Professor von Dunin-Borkowski wird dabei die Festrede halten. Außer einigen Vorträgen einer Musikkapelle und einigen gem. Liedern wird sodann ein kurzer Einakter „Flamme empor“ gegeben. Unsere Ehrenmitglieder, Mitglieder und Freund sind nebst ihren Angehörigen freundlichst dazu eingeladen. Kinder unter 14 Jahren sind nicht zugelassen. Die Veranstaltung beginnt um 8 Uhr und muß notwendigerweise um 11 Uhr zu Ende sein.
Das Verfüttern von Brot an Pferde ist im Interesse der Volksernährung verboten.
Fußball. Rhenania I-Bonn spielte am Sonntag gegen Preußen I-Schwarzrheindorf. Ergebnis: 9:0 zugunsten Rhenania. Halbzeit 1:0.
Eine Ausstellung von Aquarellen, Zeichnungen und Radierungen rheinischer Künstler wird am Sonntag von der Gesellschaft für Literatur und Kunst im Obernier-Museum eröffnet.
Ueber das Ausmahlen von Brotgetreide befindet sich in dieser Nummer eine Bekanntmachung des Reichskanzlers, die wir der Beachtung der Bäcker und Müller und der sonst in Frage kommenden Kreise dringend empfehlen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Donnerstag, 21. Januar 1915
Kein Schlagsahneverbot in Sicht. Im preußischen Handelsministerium fand gestern eine Besprechung der Vertreter des Konditorengewerbes, der Herren Brodeck, Vorsitzenden des Verbandes deutscher Konditoreninnungen, Georg Gumpert und Obermeister Paul Richter von der Berliner Konditoreninnung, mit dem Direktor der Gewerbeabteilung Ministerialdirektor v. Neyeren über die Lage statt, ob von den zuständigen Stellen Maßnahmen zur Einschränkung oder eingänzliches Verbot des Schlagsahneverbrauchs in Aussicht genommen seien. Wie wir hören, wurde den Vertretern des Konditorengewerbes die Versicherung gegeben, daß eine solche Absicht nicht bestehe, auch seien dahingehende Vorarbeiten nicht vorgenommen worden. Man dürfe annehmen, daß eine derartige Absicht auch im Landwirtschaftsministerium nicht vorhanden sei.
In den Lichtspielen (Stern) wird das spannende Detektiv-Drama „Das Panzergewölbe“ vorgeführt. Es zeigt den Detektiv Stuart Webbs in seiner hervorragenden Rolle. Mit der größten Spannung verfolgt man besonders den letzten Akt, der den Detektiv mit den Falschmünzern im Panzergewölbe eingeschlossen zeigt, das nach 15 Minuten in die Luft fliegen soll. Der Zuschauer fühlt die Todesangst der Eingeschlossenen mit und bewundert zugleich die Kaltblütigkeit des Detektivs. Auch das übrige Programm ist des Sehens wert.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Zur Verhütung von Unfällen werden die Landwirte gemahnt, Ordnung in ihren Betrieben zu halten, nichts umherliegen zu lassen und die durch Frost entstandene Glätte bei Eis und Schnee zu beseitigen. Gabeln und Rechen dürfen nicht unordentlich umherliegen, Sägen, Sensen und Aexte nicht nachlässig aufbewahrt werden. Holzteile mit hervorstehenden Nägeln, Haken an Holzteilen in Gebäuden, sowie an festen Leitern und Balken in Scheunen oder Stallungen führen ebenfalls häufig zu Unfällen. Sie sollten daher entfernt werden. Schippen-, Gabel- oder Spatenstiele sind rechtzeitig zu erneuern, Hämmer und Aexte and den Stielen genügend zu befestigen, Karren- oder Wagenteile, sowie verschlissene Kettenteile rechtzeitig zu ersetzen.
Bei Holzzerkleinern sollte man besondere Vorsicht walten lassen und möglichst eine Schutzbrille benutzen. Wenn eine Verletzung entstanden ist, lasse man sich von einem kundigen Helfer, einer Krankenschwester oder einem Mitglied der Sanitätskolonne des Roten Kreuzes einen vorläufigen Verband anlegen und begebe sich baldigst zum Arzt. Augenverletzungen sollte man ohne jeden Verzug vom Augenarzte behandeln lassen.
Besonders in der Dreschperiode entstehen sehr viele schwere Verletzungen, darunter häufig solche mit tödlichem Ausgang dadurch, daß die Göpelwerke, Zahnrädergetriebe, Kuppelungen und Triebstellen nicht immer ordnungsgemäß mit Schutzkästen versehen sind. (...) Bei mangelhaft geschützten Maschinen nehmen die Arbeiter nur zu leicht an, daß bei ihrer Bedienung eine Gefahr nicht bestehe. (...) Bei Maschinen, die in Betriebsräumen aufgestellt sind, müssen, wie das Reichsversicherungsamt schon wiederholt erkannt hat, stets alle erforderlichen Schutzvorrichtungen angebracht sein.
Ausgerechnet 150 Krauskohlköpfe sollte ein junger Mann aus Beuel einem „guten Bekannten“ vom Felde weggehamstert haben. Vor dem Schöffengericht beteuerte der junge Mann seine Unschuld. Seinen Aussagen standen immerhin verdächtige Zeugenaussagen entgegen. Vielleicht könne er den Krauskohlfür seine Kaninchen, vielleicht aber auch für den Kochtopf weggenommen haben. Aber – es konnte kein direkter Beweis erbracht werden, daß er sich die 150 Krauskohlköpfe zugeeignet habe. Infolgedessen beantragte der Amtsanwalt Freisprechung. Das Gericht, das ebenfalls dieser Ansicht war, entsprach dem Antrag.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Der Flottenverein „Jungdeutschland“, Ortsgruppe Bonn, veranstaltet am Samstag den 23. Januar 1915, nachmittags um 4½ Uhr in der Aula des städtischen Gymnasiums eine vaterländische Feier. Es werden einige Kriegsgedichte vorgetragen, sodann wird ein Vereinsmitglied über das Thema „Was muß der Jungdeutsche über die Ursachen des Krieges wissen?“ einen Vortrag halten. Der Reingewinn der Veranstaltung wird dem Ehrenpräsidenten des Flottenvereins „Jungdeutschland“ S. Exe. Dem Herrn Großadmiral von Köster zur Verwendung für Lazarette im Bereich des Reichskriegshafens Kiel überreicht. Schon im Dezember 1914 konnte die Ortgruppe Bonn dorthin eine Weihnachtsspende im Betrage von 250 Mark senden.
Ermittelung von Kriegsgefangenen. Bei der Hilfsstelle zur Ermittelung von Kriegsgefangenen sind wieder Gefangenenlisten aus verschiedenen Lagern und Lazaretten eingegangen, darunter eine aus Tizi Ouzou (Algier). Die zahlreichen Namen sowie mehrere in Lazaretten verstorbene Gefangene wurden in der letzten Aussprache, zu der sich weit über 100 Personen eingefunden hatten, verlesen. Wie Herr Zinnecke u. a. mitteilte, sind in nächster Zeit Nachrichten aus französischen und englischen Lagern und Lazaretten über bereits verstorbene Gefangene zu erwarten. Es sollen dann die bestreffenden Angehörigen, soweit ihre Adressen bekannt sind, unmittelbar durch die Post benachrichtigt werden. (...)
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Mehr Ruhe! Dem Herrn Einsender des Artikels „Mehr Ruhe“ in Nr. 29 der „Deutschen Reichszeitung“ pflichte ich voll und ganz bei. Besonders in der verflossenen Sonntagnacht nahm das Gegröle fast gar kein Ende. Es ist in der jetzigen schweren Zeit wirklich nicht verständlich, daß es noch Leute gibt, die sich in solcher Weise austoben müssen. Ein Anwohner der Breitestraße.
Ein doppeltes Bravo dem Herrn Einsender des Eingesandts „Mehr Ruhe!“ Dem Vorschlag, die Polizeistunde für Wirtschaften auf 10 Uhr abends festzusetzen, stimmen wir voll und ganz zu. Eine Anzahl Kessenicher Frauen.
Dem Artikelschreiber „Mehr Ruhe“ kann ich in seinem Schlusssatze nur zustimmen, daß sämtliche Wirtschaften und Cafes abends, wenn auch noch nicht um 10, so doch um 11 Uhr geschlossen sein müssen. In Jülich und anderen Städten wird diese Verordnung schon seit Kriegsausbruch streng gehandhabt und die Wirtschaften durch Patrouillen kontrolliert. Mir ist ein Fall bekannt, daß eine Wirtschaft wegen Uebertretens des Verbotes drei Tage geschlossen wurde. Die Behörde würde sich jedenfalls den Dank vieler sichern, wenn sie hier einmal energisch zugreifen würde. Einer für viele.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Freitag, 22. Januar 1915
Bonner Wehrbund. Die verschiedenen Abteilungen des Bonner Wehrbundes vereinigen sich am Sonntag nachmittag wieder um 3 Uhr zu einem gemeinsamen Exerzieren auf dem Exerzierplatz auf dem Venusberg. Um 4 Uhr schließt sich eine Geländeübung an.
Der Flottenverein „Jungdeutschland“, Ortsgruppe Bonn, veranstaltet am Samstag, 28. Jan., nachmittags um 4 ½ Uhr, in der Aula de Städt. Gymnasiums eine vaterländische Feier. Es werden einige Kriegsgedichte vorgetragen, sodann wird ein Vereinsmitglied über das Thema. „Was muß der Jungdeutsche über die Ursachen des Krieges wissen“ einen Vortrag halten. Der Reingewinn der Veranstaltung wird dem Ehrenpräsidenten des Flottenvereins „Jungdeutschland“ Se. Exzellenz dem Herrn Großadmiral v. Köster zur Verwendung für Lazarette im Bezirke des Reichskriegshafens Kiel überreicht werden. Schon im Dezember 1914 konnte die Ortsgruppe Bonn dorthin eine Weihnachtsspende im Betrage von 250 M. spenden.
Der Haus- und Grundbesitzerverein hielt am Dienstag abend im Hähnchen seine diesjährige Hauptversammlung ab. Der Vorsitzende Herr Rechtsanwalt Dr. Alex Meyer I erstattete Bericht über die Verhältnisse im Verbande der Rhein.-Westf. Haus- und Grundbesitzervereine, über die Tätigkeit des Schutzverbandes für Deutschen Grundbesitz, der am 31. Oktober eine Eingabe an den Bundesrat eingereicht hat über die Folgen des Kriegsausbruches und der Kriegsgesetzgebung für die Hausbesitzer. In der Eingabe werde verlangt, daß die Staatsregierung Fürsorge treffen möge, die durch den Krieg verursachten Mietausfälle, denen die unentgeltliche Hergabe der Wohnung gegenübersteht, auf weitere Kreise (Reich, Staat, Gemeinde) abzuwälzen, die sich neben dem Grundbesitz und dem Hypothekenkapital beteiligen sollen. (...) Im Laufe des Abends kamen insbesondere noch zur Sprache die Grundsätze, nach denen in Bonn Mietunterstützungen gewährt werden, sowie die Gesamtleistungen, zu denen die Stadtgemeinde Bonn sich bisher genötigt sah. Nach dem Bericht des Vorsitzenden sind von der Stadtgemeinde Bonn bis Mitte Januar ungefähr 200000 Mark an Mietzuschüssen zugunsten der Vermieter gezahlt worden. Im Monat Dezember wurden 35469 Mark an 1585 Vermieter gezahlt. (...)
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Warum sollen wir die Butter sparen? Warum sollen wir Magermilch kaufen? – Die Milch, die unsere Landwirtschaft erzeugt, muß, wenn sie nicht verderben soll, gleich verwendet werden. Nun werden wir belehrt: Spart die Butter! Kauft Magermilch! Gut. Was soll denn aus der Sahne werden, deren Erzeugung doch keiner willkürlichen Beschränkung unterliegt? Ich dächte, sie wird am vorteilhaftesten verbuttert; und da Butter keine Dauerware ist, muß sie verzehrt werden, solange Vorrat da ist. In der Tat ist in diesen Wochen die Butter um 10 Pfennige billiger geworden. – Wer belehrt mich über die aufgeworfenen Fragen? Eine gutwillige Hausfrau.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Reichs-Wollsammmlung. In den Schaufenstern der Firmen Peter Linden, Bahnhofstraße und Gebr. Sinn, Markt, sind Musterdecken, wie sie aus Tuchflicken zusammengesetzt werden sollen, zur Ansicht ausgestellt.
Im Walde bei Tahure haben sich unsere Truppen ein kleines Heiligtum geschaffen, eine Waldkapelle aus Baumstämmen, Aesten und Laub. Dort finden sie sich, wenn es ihnen eben möglich ist, abends zum Rosenkranzgebet zusammen. Eine photographische Aufnahme der Kapelle auf einer Postkarte wurde in einem Schaufenster unserer Geschäftsstelle ausgehängt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Wir Friseure tragen an den Folgen des Krieges vielleicht schwerer, als jeder andere Beruf. Der weitaus größte Teil unserer Kundschaft ist im Felde, und viele der Daheimgebliebenen rasieren sich mit ihrem eigenen Rasierapparat. Es klingt kaum glaubhaft, aber es ist Tatsache: bis jetzt, wo ich diese Zeilen schreibe (4 Uhr nachmittags) beträgt meine ganze Tageseinnahme 60 Pfennige! Und davon soll ich meine Familie ernähren, die Miete zahlen und den Gehilfen löhnen (!). Gewiß: auch wir Friseure sind zu Opfern für das Vaterland bereit, aber dieser Rückgang der Tageseinnahme geht über unsere Kraft. Da muß etwas geschehen. Und ich meine, es wäre uns schon sehr viel geholfen, wenn die Rasierapparate etwas weniger gebraucht würden. Es gibt viele Herren, die während der Kriegszeit ihr altes, sehr schönes Gehalt beziehen und trotzdem aus Sparsamkeitsgründen keine 15 Pfennige fürs Rasieren ausgeben. Das ist falsch, meine Herren, und es ist nicht vaterländisch gedacht. Es ist hunderte Male gesagt worden: heute darf niemand mehr an seine eigenen, kleinen Interessen denken; viel mehr steht auf dem Spiele: Was sind den meisten 15 Pfennige? Wir Friseure aber müssen unser Geld nur mit 15 Pfennigen einnehmen. Wer mir entgegnet, das Rasieren in der Rasierstube sei unhygienisch, dem antworte ich: früher hatte dieser Einwand Berechtigung, heute aber nicht mehr. Durch polizeiliche Vorschriften ist für die Hygiene sozusagen alles Mögliche getan worden. Jeder gute Friseur, der etwas auf sich hält, wird noch ein Uebriges tun.
Ich möchte dringend wünschen, daß meine Worte beherzigt werden. Für den einzelnen Kunden macht es wenig aus, für uns aber handelt es sich in dieser Kriegszeit um sehr viel, um unsere Existenz. Ein Friseur.
„Wozu der Lärm?“ – möchte man mit Mephistopheles fragen. Weil ein paar junge Burschen nachts singend durch die Straßen zogen, sollen – so verlangen die Schreiber der Eingesandt „Mehr Ruhe“ – die Wirtschaften 10 Uhr abends polizeilich geschlossen werden. Denken die Einsender nicht daran, daß auch die Gastwirtschaft ein Gewerbe ist, ein Gewerbe, das allein in Bonn viele, viele Familien ernährt und von dem wieder viele andere Gewerbe leben? Ich erinnere nur an die Kellner und das sonstige Personal einer größeren Gastwirtschaft, an die Lieferanten: Bäcker, Metzger, Bierbrauer usw. Eine große Anzahl Wirtschaften hat am Tage sehr wenige Gäste, der Hauptverkehr ist in den Abendstunden. Wenn nun die Bonner Polizei wirklich dem Wunsche der Einsender willfährt, müssen diese Wirtschaften entweder ganz schließen, oder sie sind gezwungen, den größten Teil ihres Personals zu entlassen. Die Bäcker, Metzger, Brauer usw. verdienen dann natürlich nicht mehr, was sie bis jetzt von den Wirten haben. Was ist dann schlimmer: die paar skandalierenden Nachtschwärmer (die von der Straße ferngehalten werden können, wenn die Polizei auf dem Posten ist) oder der wirtschaftliche Bankrott vieler Familien und mancher Gewerbe? Der Krieg trifft erklärlicherweise die Gastwirte besonders hart. Man erschwere ihr Los aber nicht noch mehr durch eine so frühe Polizeistunde. Ein Wirt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Samstag, 23. Januar 1915
Studentenversammlung. Dem Aufrufe des Hrn. Rektors der hies. Universität waren die meisten Studenten gefolgt. Das Auditorium XVIII war bis zum letzten Platz gefüllt. Die erschienen Herren Geheimrat Brinkmann, Prof. der Theologie Clemen und Sanitätsrat Dr. Gudden wurden von dem Vorsitzenden der Studentenschaft begrüßt. Dann wurde Herrn Geheimrat Brinkmann das Wort erteilt. Er führte folgendes aus: „Burschen heraus!“ heißt es im Studentenliede. Auch jetzt soll dieses Wort die Losung sein und zwar zum Eintritt in den Wehrbund. Gleich beim Beginn des Wintersemesters ist der Wehrbund gegründet worden. Viele Studenten sind eingetreten. Andere fehlen noch. Der Wehrbund hält seine Uebungen in der städtischen Turnhalle ab. Aber auch draußen werden Marsch- und Gefechtsübungen abgehalten. Andere Universitäten sind dem hiesigen Beispiele gefolgt, so Frankfurt und Münster. Herr Geheimrat Brinkmann schloß: Kommilitonen, treten Sie ein in den Wehrbund, es kommt dem Vaterland zugute. – Dann ergriff noch kurz Herr Sanitätsrat Dr. Gudden das Wort. Besonders seien Herz und Fuß zu pflegen. Das Herz sei häufig nicht trainiert. Das könne gut im Wehrbunde erzielt werden. Auch der Fuß müsse gepflegt werden durch Marschübungen. Am Schlusse dankte der Vorsitzende der Studentenschaft den Rednern, deren Ausführungen mit Beifall aufgenommen wurden.
Vaterländische Volksfeier. Unser Kaiser hat zwar gebeten, in dieser ernsten Zeit von allen Festlichkeiten, wie sie sonst zu seinem Geburtstag üblich sind, abzusehen, aber so wenig man ein Gewitter verbieten kann, so wenig wird es das deutsche Volk sich nehmen lassen, gerade in diesem Jahre nach Formen zu suchen, durch die es der Würde der Zeit gemäß ihrer Liebe für den obersten Kriegsherrn an seinem Geburtstage Ausdruck geben kann. In Köln ist eine große Feier von der Stadt selbst im großen Saal des Gürzenich in Aussicht genommen. In Bonn hat der Vorstand des Bonner Wehrbundes es in die Hand genommen, am Abend des Kaisergeburtstages im Saal des Bonner Bürgervereins eine Vaterländische Volksfeier zu veranstalten. Zu diesem Abend hat die Bonner Liedertafel unter der bewährten Leitung des Herrn Musikdirektors Werth und Herr Landgerichtsrat Buecheler mit seinem Quartett seine Mitwirkung zugesagt. Herr Geheimrat Brinkmann, der sich in den Kreisen des Wehrbundes durch seine herzerfrischenden Erzählungen aus früheren deutschen Kriegen so zahlreiche Freunde gewonnen hat, wird auch an diesem Abend die Hauptansprache halten. Um den ausdrücklichen Wünschen des Kaisers Rechnung zu tragen, wird von einem Restaurationsbetrieb während der Veranstaltung abgesehen. Zum Besuch der Feier, zu der ein Eintrittsgeld nicht erhoben wird, ist jeder Bonner Bürger mit seiner Familie herzlich eingeladen.
Kriegshilfstag. Der Herr Oberpräsident der Rheinprovinz hat die Haus- und Straßensammlungen anläßlich der an Kaisers Geburtstag und dem darauf folgenden Tage stattfindenden Kriegshilfstage genehmigt. Damit steht der Veranstaltung nichts mehr im Wege und die Vorbereitungen dafür sind in vollem Gange. 17 Ausschüsse haben sich in den einzelnen Stadtbezirken und auch für die Vororte Dottendorf, Endenich, Dransdorf und Grau-Rheindorf gebildet und eine große Zahl von Helferinnen haben sich diesen Ausschüssen bereits zur Verfügung gestellt. Es steht daher zu erwarten, daß bei der bewährten Organisation das Ergebnis des Hilfstages ein recht gutes sein dürfte. Viele, die durch die gebotenen Umstände verhindert werden, an Kaisers Geburtstag zu feiern, werden gerne das sonst für diese Feier verausgabte Scherflein zum Besten der Kriegshilfe beitragen.
Sanitätshunde. Den Besuchern des Venusberges bietet sich täglich die Gelegenheit, die interessanten Uebungen mit den in der Ausbildung begriffenen Sanitätshunden zu beobachten. Wenn man die Führer mit ihren Hunden in Reih und Glied anmarschieren sieht, so freut sich jeder Tierfreund über die schönen Hunde, die für den edlen Zweck zur Verfügung gestellt sind. Die Hunde – deutsche Schäferhunde, Dobermänner und Rottweiler – gehen schon so erzogen neben ihren Führern her, als befänden sie sich seit Monaten in der Ausbildung und trotzdem bemühen sich die Führer erst seit 14 Tagen unter der Anleitung des Dressurleiters Herrn Joh. Hölzken, den Tieren die nötige Dressur beizubringen. Eine mühsame Tätigkeit, die an die Selbstbeherrschung, Geduld und Ausdauer der Führer die größte Anforderung stellt. Gestern fand durch den Leiter der Meldestelle Herrn Polizei-Kommissar Flaccus die erste Besichtigung der Hunde in den Gehorsamkeitsübungen statt. Es war erstaunlich, wie weit einige Führer ihre Hunde in der kurzen Zeit ihrer Ausbildung schon gebracht hatten. Herr Polizeikommissar Flaccus ermahnte die Führer, Tag und Nacht mit den Hunden zu arbeiten, damit diese recht bald ins Feld geschickt werden könnten. Trotzdem 1400 Sanitätshunde bereits im Felde seien, fehlten noch 400, die baldmöglichst folgen sollten. Nach der Besichtigung fand eine größere Marschübung statt. Auf dem Rückweg durch die Stadt wurde die Kolonne von dem Publikum mit großem Interesse verfolgt. Es wäre sehr zu wünschen, daß der Sanitätshundssache auch in bezug auf Unterstützung, mehr Interesse entgegengebracht würde, denn wieviel Gutes diese Hunde im Felde bereits geleistet haben, besagen die vielen Berichte der Geretteten, die fast täglich in den Zeitungen bekannt werden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Universität. Angesichts der Kriegslage wird die Universität von einer größeren Kaisergeburtstagsfeier absehen und nur eine würdige, schlichte Feier in der Aula der Universität abhalten. Die Festrede hält Universitätsprofessor Dr. Ulrich Wilcken. Wegen Raummangels werden die Korporationen ersucht, sich je nur durch einen Chargierten mit der Fahne vertreten zu lassen. Die Feier findet statt am 27. Januar, mittags 11 ½ Uhr. Der sonst übliche Studentenkommers in der Stadthalle fällt in diesem Jahr aus.
Reichswollwoche. „Deutsche Frauen! Seht in euren Schränken nach, was ihr entbehren könnt, um es denen zu widmen, die mit ihrem Blut uns alle beschützen! Sammelt aus Schränken und Truhen, was ihr an Entbehrlichem findet und haltet es bereit, wenn unsere Helfer an eure Türe klopfen.“ So hieß es in einem Aufruf an unsere Mitbürger, und, um es vorweg zu nehmen, die Sammlung ist von bestem Erfolg begleitet gewesen. Um die Frauen auch noch weiter an den Hilfstag zu erinnern, veranstalteten die jugendlichen Helfer – der Jugendverein an St. Marien und unsere Pfadfinder – am gestrigen Tage Umzüge mit Trommeln und Pfeifen durch die verschiedenen Stadtteile. Etwa 30 hübsch geschmückte Wagen und viele Fahrräder folgten dem „Musikkorps“. Auf diese Weise waren die Frauen auf das Kommen der Einsammlerinnen vorbereitet, und sie fanden denn auch in den meisten Fällen die Gaben zum Abholen bereit. Den ganzen Tag über wurde fleißig gearbeitet, und am Abend lagen ganze Berge Wollsachen an den einzelnen Sammelstellen aufgestapelt. Neben gebrauchten Kleidungsstücken wurde auch vieles Neue hergegeben. Eine Firma am Markt stiftete allein 100 Decken und eine andere an der Remigiusstraße 85 Stück. Auch Wollstoffe zum Anfertigen der sehr begehrten Decken wurden eingesammelt, außerdem Handtücher, Teppiche und Läufer in großer Menge. Natürlich läßt sich heute noch nicht übersehen, was alles für unsere braven Truppen eingekommen ist, und es wird noch manchen Tag dauern, ehe alle die Sachen gesichtet und geordnet sind.
Am heutigen Samstag wird bekanntlich noch eine Nachlese gehalten, und diejenigen, welche am gestrigen Tage keine Gelegenheit hatten, ihr Scherflein beizutragen, können dies heute noch nachholen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die große Wollsammlung in Bonn scheint nach dem Erfolg des gestrigen ersten Tages ein ungeahnt großartiges Ergebnis fördern zu wollen. Die jungen Damen, die das Sammeln übernommen haben, kamen fast aus keinem Hause mit leeren Händen, und die Pfadfinder und Mitglieder der katholischen Jugendvereine, die schon am frühen Morgen mit fröhlichem Trommelschlag und Pfeifenklang ihre schwarz-weiß-rot geschmückten Wagen und Karren durch die Straßen führten, lieferten immer neue Wagenladungen Kleider und Decken beim Freiwilligen Hilfsausschuß ab. Man hat wieder einmal den Beweis dafür erhalten, daß die Gebefreudigkeit der Bonner Bürgerschaft nicht erlahmt, solange unsere tapferen Krieger und unsere notleidenden Brüder in Ostpreußen und Elsaß-Lothringen ihrer Hilfe bedürfen. Die Organisationen, d ie diese Sammlung leiten, hatten dieses Mal besonders um wollene Decken und Stoffe gebeten, die sich leicht zu wollenen Decken verarbeiten lassen. Die Bitte ist nicht vergebens gewesen. Einige Sammlerinnen erzählten uns, daß sie in ihrem Bezirk eine Anzahl ganz neue Decken erhalten haben, die die Geber eigens für die Sammlung der „Reichs-Woll-Woche“ gekauft hatten. In einem Hause der Kölnstraße nahm eine Dame den prachtvollen Teppich ihres Salons und legte ihn auf das Liebesgabenwägelchen. Und aus vielen Häusern trugen die Sammlerinnen wahre Berge an Damen- und Herren-Bekleidungsstücken jeder Art, neugestrickte Socken, Kopfwärmer, Leibbinden; dazu auch neue Vorräte an Tabak und Zigarren, Pfeifen und Stöcke für die Verwundeten, auch Musikinstrumente fehlten nicht.
Heute ist der letzte Sammeltag. Wir brauchen nicht noch einmal an die offene Hand der Bonner zu appellieren. Jeder gibt, was er entbehren kann, und jeder gibt es freudig und gerne; denn es sit ja für die große Sache unseres Vaterlandes.
Von der Vaterlandsliebe unserer Volksschüler. Die Schüler und Schülerinnen der Remigiusschule sammelten in acht Tagen 585 Pfund Metalle für die Kriegshilfe.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Sonntag, 24. Januar 1915
Vaterländische Feier.
Zu einer dem Ernst der Zeit angemessenen, würdigen Ehrung unseres Kaisers und Königs, auch an diesem 27. Januar, haben sich, von demselben, patriotischen Empfinden geleitet, der Alldeutsche Verband, der Männer-Gesangverein Concordia, der Flottenverein, die Deutsche Kolonialgesellschaft, der Deutsche Sprachverein, der Deutsche Wehrverein und die vereinigten evangelischen Bürgervereine Bonns zusammengefunden. Die Feier findet Mittwoch abends 8 Uhr in den oberen Festsälen der Lese- und Erholungsgesellschaft statt. Den Kaiserspruch wird Herr Pastor Kremers sprechen, die Festrede, unter dem Thema: „Der Krieg und der deutsche Kaisergedanke“ wird Herr Dr. Rosenmund halten. Der Männer-Gesangverein Concordia wird unter der Leitung des Herrn Prof. Grüters die Feier durch Gesangvorträge verschönen.
Im Viktoria-Theater, in dem verwundete Krieger jeden Montag von 4-7 Uhr freien Eintritt haben, wird heute und morgen ein besonders hervorragendes Programm gegeben, u.a. der fesselnde Wildwest-Film „In der elften Stunde“.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Ausstellung von Aquarellen, Zeichnungen und Radierungen rheinischer Künstler im Obernier-Museum. Die Bemerkung, daß es sich rheinische Künstler handelt, ist, was den Umfang und die Beteiligung an der Ausstellung anlangt, zum mindesten gewagt. – Das Tasten, Suchen nach neuer Ausdrucksform und neuen Ausdrucksmöglichkeiten ist typisch in unserem heutigen Kunstleben. Auch in dieser kleinen, wenn auch wahllos zusammengestellten Ausstellung spürt man den Gärungsprozeß nach Wahrheit, wenn auch naturgemäß die Ausdrucksmittel der Schwarz-weißkunst verschieden behandelt werden. In der Technik am reifsten erscheint P. Prött, der Kölner Ansichten bringt, die sich zum Teil zu monumentalem Stil erheben. Das gilt vor allem von der Ansicht des Vorplatzes des Domes mit dem Straßenverkehr und der gewaltigen Masse des Domes als Abschluß. Isselmann fällt durch eine Ansicht von Rees angenehm auf, die bei sparsamem Strich ausgezeichnet in Fläche und Perspektive wirkt. Die Kriegsbilder Grünefelds sind nicht besser und schlechter, als man sie sonst zu schauen bekommt. Man sieht, wie schwer es ist, die Schrecknisse des Krieges nicht nur illustrationsmäßig darzustellen. Nauen erfreut durch den Rhythmus der Bewegung. Das Streben von Seehaus nach Verinnerlichung und Klarheit wird (namentlich wenn man seine letzten Arbeiten betrachtet) immer mehr ersichtlich. Daraufhin schaue man den „Laubengang“ und den „Ausschnitt eines Cafés“ an.
Menses Holzschnitte sind technisch hervorragend, von der Zeichnung kann man das nicht immer sagen.
Eine alte Taschendiebin stand am Samstag vor der Strafkammer. Es handelte sich um eine 40jährige Frau, die sich von ihren Mädchenjahren an als Taschendiebin „bewährt“ hat und trotz Strafe auf Strafe (über achtmal ist sie im Zuchthaus gewesen) nicht zu bessern ist. Kürzlich wurde sie wiederum wegen Taschendiebstahls mit einer Zuchthausstrafe bedacht. Sie trat die Strafe an, wurde aber beurlaubt, weil ihr Mann ins Feld mußte. Kaum frei, übte sie wieder ihr altes Gewerbe aus und zwar erleichterte sie einige Frauen auf dem hiesigen Wochenmarkt um ihre Geldbörse. Das Gericht hielt die Angeklagte trotz ihres Leugnens für überführt und erkannte auf eine Zuchthausstrafe von zwei Jahren und fünf Jahren Ehrverlust. Bei der Urteilsbegründung simulierte die Angeklagte einen epileptischen Anfall, der sich aber bald legte.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Ein Rekrut vom Ers.-Bat. Nr. 69 war am 10. November zum Zwecke einer Eheschließung (Kriegstrauung) für zwei Tage nach Bonn beurlaubt worden. Statt nach abgelaufenem Urlaub sofort zu seiner Truppe zurückzukehren, trieb er sich noch annähernd vier Wochen am Rheine herum. Schließlich wurde er von der Polizei aufgegriffen und nach Trier gebracht. Das Urteil des Trierer Kriegsgerichts lautete auf eine Gefängnisstrafe von zwei Monaten unter Anrechnung der erlittenen Untersuchungshaft. Das Gericht nahm zugunsten des Angeklagten an, ihm sei damals nicht bewußt gewesen, daß die Rheinprovinz sich im Kriegszustand befindet. Andernfalls wäre Gefängnisstrafe nicht unter 6 Monaten erkannt worden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Montag, 25. Januar 1915
Der Flottenverein „Jungdeutschlandbund“, Ortsgruppe Bonn, veranstaltete am Samstag nachmittag im Städt. Gymnasium eine Kaisergeburtstagsvorfeier, die durch ihre Anspruchslosigkeit und ihre Anpassung an das Verständnis der zahlreich erschienenen Jungdeutschen besonderen Beifall fand. Von jungen Mitgliedern hörten wir eine Reihe Gedichte, die dem Weltkriege ihr Entstehen verdankten; ganz besonders gefiel uns das mit wahrer Innerlichkeit gesprochene Gedicht: „Zwei Ehrenkreuze“. Darauf wußte der jugendliche Ortsgruppenvorsitzende in einem durch klare Gliederung ausgezeichneten Vortrag seinen Mitgliedern die mannigfaltigen Gründe des Krieges um Deutschlands Sein auseinanderzusetzen. Durch Vermeiden jeglicher Abschweifung und aller Einzelheiten wurde Redner dem gestellten Thema: „Was muß der Jungdeutsche über die Ursachen des Krieges wissen?“ besonders gerecht. Die Veranstaltung fand einen würdigen Abschluß durch ein begeistertes Kaiserhoch der Jungdeutschen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Der Städtische Gesangverein wird, wie wir hören, zu Anfang März ein besonderes Konzert zum Besten der Bonner Kriegshilfe veranstalten, in welchem das deutsche Requiem von Brahms und das Beethovensche Violinkonzert aufgeführt werden sollen. Letzteres wird Adolf Busch aus Wien spielen, der mit Rücksicht auf den guten Zweck seine künstlerische Kraft bereitwilligst zur Verfügung gestellt hat. Die Chorproben zum Requiem haben bereits begonnen. Dieselben finden, um auch den der Verwundetenpflege sich widmenden Damen Gelegenheit zur Mitwirkung zu geben, abends 8 Uhr bis 9 ½ Uhr statt und zwar in der Regel Montags.
Der zweite Wollsammlungstag zeitigte ebenfalls ein günstiges Ergebnis. In reichem Maße wurden wiederum von den Bürgern Decken, wollene Kleidungsstücke usw. zur Verfügung gestellt, so daß die Pfadfinder und sonstigen Helfer bis in den Abend hinein reichlich zu tun hatten. Nicht allein Wllwaren wurden gegeben, sondern hie und da überreichte man Geldspenden, die jetzt schon eine hübsche Summe ausmachen. Das Gesamtergebnis der Sammlung läßt sich trotz eifriger Sortierung noch nicht übersehen. Das eine steht fest, daß die Wollsammlungstage die an sie geknüpften Erwartungen übertroffen haben. Inzwischen ist man bereits fleißig an der Arbeit, die verschiedenen Wollsachen zu Decken usw. zu verarbeiten. Allen denen, die opferwillig zu diesem Wollsammlungstag beigesteuert haben, sei auch an dieser Stelle nochmals herzlich Dank gesagt.
Auch in der Umgegend ist fleißig gesammelt worden. So erbrachte die Wollsammlung in Dransdorf einen großen Leiterwagen voll fast neuer Kleidungsstücke, Wolldecken usw. Bei der ersten Sammlung wurde gleichfalls viel Wolle gesammelt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Durch Leuchtgas vergiften wollte sich in der Sonntagnacht in der Rheingasse ein junger Mann. Als man, durch den Gasgeruch aufmerksam gemacht, in das Zimmer eindrang, war der Lebensmüde schon bewußtlos. Einem Arzt gelang es aber, ihn wieder ins Leben zurückzurufen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Das war keine Antwort. Der Wirt in der Freitag-Nummer der Reichszeitung argumentiert: Die Wirtschaften dürfen nicht um 10 Uhr geschlossen werden, weil dadurch die Wirte selbst, ferner Bäcker, Metzger, Bierbrauer, Kellner usw. geschädigt würden. Aber welcher Schaden ist größer? Der, welcher der Volksgesundheit, dem Nationalvermögen durch den ungeheuren Alkoholkonsum jahraus, jahrein zugefügt wird, oder der, den einige Gewerbe erleiden, wenn eben dieser Alkoholkonsum eingeschränkt würde. Um den Fall an einem extremen Beispiel deutlich zu machen: Früher befstand die menschenunwürdige Sklaverei. Als die Kultur der Menschheit stieg, forderten die Edelsten und Besten die Abschaffung des Sklaventums. Niemand unter uns, auch kein Gastwirt, wird sagen, das sei nicht gut gewesen. Wie aber nun, wenn die damaligen Sklavenhändler Zeter und Mordio geschrieen hätten, weil sie durch die Aufhebung der Sklaverei in ihrem Gewerbe geschädigt würden? – Ist es nicht ebenso mit unseren Wirten? Sonderinteressen haben hinter den großen Interessen der Allgemeinheit immer zurückzutreten. Das wollte ich auch dem Schreiber des „Eingesandts“ in der Freitag-Nummer zu bedenken geben. Cand. phil. C.
Dem Einsender „Wozu der Lärm“ erwidre ich, daß die Handhabung der für Preußen um 11 Uhr abends festgesetzten Polizeistunde (aber hier nicht gehandhabt) wohl gefordert werden kann im Interesse der allgemeinen Volkswohlfahrt. Da ich selbst im Wirtsgewerbe groß geworden, kann mir der Einsender wohl nicht wiederlegen, daß durchschnittlich nach 11 Uhr im Wirtsgewerbe wohl nicht viel mehr zu verdienen ist und meist wenig verzehrt wird, so daß Licht und sonstige Unkosten sich kaum mehr decken. Daher sind vom 11 Uhr-Wirtschaftsschluß auch keine Bäcker, Metzger, Kellner etc. mehr betroffen. Meist sind es Kartenbrüder oder Bierbankgeneralstäbler, die die Zeit ausnützen, aber wenig mehr verzehren. Also nochmals: Um 11 Uhr strenge militärische Wirtschaftspatrouille und Schluß, dann bleibt auch den Leuten noch etwas übrig, um dem armen Friseur, der in derselben Nummer der Reichszeitung einen Notschrei erläßt, von seinen Klagen abzuhelfen. Einer für Viele.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Dienstag, 26. Januar 1915
Postdienststunden an Kaisers Geburtstag. Am 27. Januar, dem Geburtstage S. M. des Kaisers, sind die Postschalter beim Hauptpostamt und bei sämtlichen Zweigstellen von 8–9 Uhr vorm. Und von 11 Uhr vormittags bis 1 Uhr nachmittags geöffnet. Es findet eine einmalige Brief-, Geld- und Paketbestellung statt. Die Briefbestellung beginnt um 10¼, die Geld- und Paketbestellung um 8 Uhr vormittags.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Der Bonner Wehrbund machte am Sonntag nachmittag nach einem gemeinsamen Exerzieren aller Abteilungen auf dem Venusberg eine Geländeübung, die einer Partei die Aufgabe stellte, alle Zugänge zur Gronau zu besetzen, während die andere Partei, die von einer starken Abteilung des Königlichen Gymnasiums gebildet wurde, sich über Dottendorf der Gronau zu nähern hatte. Die angreifende Partei benutzte bei ihrem Anmarsch Wege, über deren Zulässigkeit für den aufgestellten Uebungsplan verschiedene Ansicht bestehen konnte, es gelang ihr aber, ihre Annäherung derartig zu verschleiern, daß es ihr gelang, die Gegenpartei unbemerkt von allen aufgestellten Wachen und Patrouillen auf der Gronau vollständig zu überraschen. An die Uebung schloß sich noch eine Aufstellung und ein Vorbeimarsch der Abteilungen auf dem Kaiserplatz zur Vorbereitung des dort am nächsten Sonntag nachmittag stattfindenden Appells an.
Die Bonner Liedertafel gab am Sonntag ihr 25. Konzert seit Kriegsausbruch zur Aufheiterung verwundeter Krieger. Zu diesem „Jubiläums-Konzert“ hatten sich über 100 Sänger im Vereinslazarett von der Heydt in Godesberg eingefunden. Musikdirektor Josef Werth hatte ein Programm zusammengestellt, das wohl imstande war, alle Gemütsregungen der Zuhörer in Schwingung zu bringen. Insbesondere waren es wiederum die schlichten Weisen des Volksliedes, mit denen sich die Sänger in die Herzen unserer braven Feldgrauen hineinsangen. Der reiche Beifall, noch mehr aber die freudigen aufmerksamen Mienen der Soldaten bewiesen das zur Genüge. Fräulein Luise Kau und Herr Heinz Mirgel erfreuten durch Einzelvorträge. Auch sie fanden für ihre geschmackvollen Vorträge herzlichen Beifall. Nach freundschaftlicher Verabschiedung und nachdem das Versprechen gegeben, recht bald wieder einmal nach Godesberg zu kommen, wurde die Rückfahrt dieser Jubiläums-Sangesfahrt angetreten.
Kriegshilfetag. Von der Stadtverwaltung wird uns geschrieben: Es wird besonders darauf hingewiesen, daß die Helferinnen, die für die Kriegshilfe der Stadt Bonn sammeln, durch eine polizeilich abgestempelte Armbinde mit der Bezeichnung „Kriegshilfstag der Stadt Bonn“ und eine polizeilich abgestempelte Ausweiskarte legitimiert sind. In den letzten Tagen sollen von Unbefugten angeblich für das Rote Kreuz Postkarten verkauft worden sein. Dieser Postkartenverkauf hat mit der Vereinigung vom Roten Kreuz der Stadt Bonn nichts zu tun. Es wird daher vor derartigen Verkäuferinnen eindringlich gewarnt. Die Sammlung für die Kriegshilfe findet nur am 27. und 28. ds. Mts. statt.
Stadttheater. Man schreibt uns: An Stelle einer Festvorstellung zu Kaisergeburtstag, welche nach den erlassenen Bestimmungen unterbleiben soll, hat die Theaterleitung für den Vorabend drei recht geeignete, von patriotischem Geist getragene Stücke zu einem Vaterländischen Abend verbunden und auf ihre Einstudierung viel Mühe verwandt, die hoffentlich einen entsprechend guten Besuch zeitigen wird. Die in den Titeln Vorwärts, Woerth und Das Eiserne Kreuz angedeuteten geschichtlichen Stoffe, bei welchen die Vermeidung von direkten Beziehungen zur Gegenwart nur angenehm empfunden werden wird, lassen erwarten, daß auch hier weilende Krieger (Genesende und andere) und Schüler die Gelegenheit benutzen werden, um den wichtigen, diesmal aber still verlaufenden Tag würdig einzuleiten. Zur Verteilung an Soldaten empfiehlt sich die Verwendung von Dutzendkarten; für die heranwachsende Jugend haben die billigen Schülerkarten Geltung.
Keine Maskeraden zu Karneval! In der heutigen Nummer unseres Blattes macht die Polizeiverwaltung bekannt, daß die sonst üblichen Veranstaltungen an den Fastnachtstagen nicht gestattet werden. Es wird darauf hingewiesen, daß eine polizeiliche Erlaubnis zu solchen Veranstaltungen auf keinen Fall erteilt werden wird, und daß Maskeraden auf den Straßen und in den Wirtschaften nicht geduldet werden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Ein junges Mädchen, die 19jährige Anna Busch aus der Kommanderiestraße, ist gestern morgen schwer verunglückt. Als sie früh um ½6 Uhr in der Brückenstraße auf das Trittbrett der schon abfahrenden Siegburger Bahn springen wollte, stürzte sie und kam mit dem rechten Bein unter die Räder. Der Unterschenkel wurde ihr abgefahren. Man legte ihr im Lazarett der Beethovenhalle den ersten Verband an und brachte sie dann in die Klinik. Ihr Befinden ist noch sehr bedenklich.
Wir berichteten erst vor wenigen Tagen von einem jungen Manne, der an der Rheinbrücke auf dieselbe Weise verunglückt ist, jedoch ohne so schlimme Folgen davongetragen zu haben. Dieser schwere Unglücksfall sollte doch nun endlich jedem eine ernste und dringende Mahnung sein. Das junge Mädchen wollte pünktlich in der Geschoßfabrik sein, wo es arbeitete. Der Rüffel, der ihm das Zuspätkommen eingetragen hätte, wenn es erst mit dem folgenden Zug in Siegburg angekommen wäre, ja selbst der Verlust der Stelle wäre bei weitem nicht so schmerzlich gewesen, als diese Folge ihrer Unbedachtsamkeit.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Beuel, 26. Jan. Der kath. Bürgerverein Beuel wird die diesjährige Kaisergeburtstagsfeier am Sonntag den 31. Januar abends 8 Uhr im Vereinslokale Gasthof zur Rheinlust durch einen Kriegsvortrag des Herrn Kaplan Lüstraeten und entsprechende Ansprachen sowie Gesangvorträge gebührend begehen. Ist von einem rauschenden Feste auch Abstand genommen worden, so glaubte der Verein doch die Pflicht zu haben, den Ehrentag des obersten Kriegsherrn nicht vorübergehen lassen zu dürfen, ohne dem Schirmherrn des Vaterlandes auch öffentlich in treuer Liebe zu gedenken.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Umgegend“)
Das letzte Wort. Wenn Alkoholabstinenten und Gegner der Alkoholabstinenz miteinander streiten, ist noch niemals Einigkeit erzielt worden. Jeder hat Gründe und – wie er meint – Beweise für die Richtigkeit seiner Auffassung, jeder kann medizinische Gutachten und Beispiele aus dem Leben anführen, und schließlich – jeder hat Recht. Denn die Abstinenzfrage ist ebensosehr eine Frage des persönlichen Geschmacks und des körperlichen Wohlbefindens, wie es der Vegetarismus ist. Dem Einen schadet auch eine kleine Menge alkoholischer Getränke, der andere meint, im Interesse seiner Gesundheit von Zeit zu Zeit einen oder zwei Schoppen trinken zu müssen. Weil das von jeher so war, wird es auch in der Zukunft immer Alkoholproduzenten und Alkoholkonsumenten geben. Der „Cand. phil. C.“ hat darum Unrecht, wenn er meint, auf die „Sonderinteressen“ der Wirte und der ihm nahestehenden Gewerbe brauche keine Rücksicht genommen zu werden. Tausende, ja Millionen Menschen im deutschen Reiche leben vom Gastwirtschaftsbetrieb. Die Mehrzahl aller Deutschen unterstützen das Gastwirtschaftsgewerbe. Und da meint der „Cand. phil“, auf alles das brauche keine Rücksicht genommen zu werden! Ich sage: es ist unsere Pflicht, den durch den Krieg sehr in Bedrängnis geratenen Wirten zu helfen und ihre Lage durch eine frühe Polizeistunde nicht noch mehr zu erschweren. Es ist unsere Pflicht – trotz der „Weisheit“ eines Cand. phil., und trotz der Bemühungen der übrigen Rufer nach einer frühen Polizeistunde, eine Pflicht, deren Nichtachtung zu sehr schlimmen Folgen führen könnte. Die maßgebenden Stellen der Behörde besitzen – dessen bin ich gewiß – die rechte Einsicht und werden sich um das Geschreibsel recht wenig kümmern. Das ist mein letztes Wort. Ein Wirt.
„Wir sind oft verlegen um gute Zeitungen“ versicherte mir gestern der Chauffeur eines Kriegsautos des 8. Armeekorps, als ich ihm ein Paket Zeitungen für die Soldaten in den Schützengräben übergab. Gern nähme ich noch mehr mit, wenn ich dieselben bekommen könnte, unsere Soldaten sind so dankbar für jede wahrheitsgetreue Berichterstattung. Ich fahre heute noch bis Namur, und am Samstag an die Front.“
Wir dürfen eigentlich keine Gelegenheit die sich uns bietet vorüber gehen lassen, ohne daß wir unsern tapfern Helden im Felde zur besten Lektüre zu verhelfen suchen. Hier in Bonn können wir auf die einfachste Weise dies tun, da so viele Kriegsautos unsere Stadt durchfahren. Man kann dieselben des öfteren zur kurzen Rast vor Gasthäusern, der Post, dem Rathause oder sonst wo halten sehen. Bonn ist nicht so groß, als daß man dann nicht schnell nach Hause eilen könnte, um ein Pack Zeitungen zur Mitgabe zu holen. Nicht nur die Erwachsenen, sondern auch ihre Kinder, namentlich die größeren Knaben, die ihr so gern unseren tapferen Soldaten eine Freude bereiten möget, hier ist euch Gelegenheit dazu geboten. Wenn ihr ein Kriegsauto irgend wo stehen seht, dann geht schnell nach Hause und bittet eure Mutter um ein Paket der „Deutschen Reichszeitung“ und bringt dieselbe eiligst hin. Es ist ein Gruß aus der Heimat. Wenn die Soldaten dann später erfahren, daß sie durch euch Kinder zu so guter Lektüre gekommen sind, so werden sie sich doppelt freuen. Ihr braucht nur an der Türe des betreffenden Hauses wo das Kriegsauto hält, zu warten bis der Chauffeur heraustritt, und gebt ihm dann mit den Worten „für die Soldaten“ die „Deutsche Reichszeitung“ in die Hand. Haltet immer ein Paket Zeitungen bereit. Ihr braucht dieselben nur sorgfältig aufzuheben, zu ordnen und mit einem Bindfaden über’s Kreuz zu verschnüren. G. T.
Städtischer Kartoffel-Verkauf. Eine unbemittelte Frau erzählte mir, daß sie vor einiger Zeit an der Verkaufsstelle Ecke Thomasstraße 2 Zentner Kartoffel für 8,50 Mark gekauft habe. Diese seien grün, schwarz und halb faul. Ich habe mich darüber nicht gewundert, denn wer wie ich das Ausladen dieser Kartoffel beobachtet hat, konnte dies voraussehen. Die Kartoffel wurden beim Ausladen schlimmer behandelt als Kohlen. W.
In Koblenz wurde am Sonntag eine Bekanntmachung angeschlagen, daß von nun ab sämtliche Wirtschaften, Kasinos usw. um 12 Uhr abends zu schließen sind. Animierkneipen, Schnapsschänken usw. um 10 Uhr und früher. Ich dachte mir es wird dann wohl auch bald in Bonn ein Licht aufgehen! Die Bäcker, Metzger usw. sollen froh sein, daß die Leute sich nicht so lange in den Wirtschaften aufhalten und das Geld versaufen, denn dann bleiben die Leute kaufkräftiger und die Rechnungen werden jedenfalls prompter bezahlt. Also Polizeistunden 11 Uhr oder 12 Uhr spätestens. Kein Bierbankgeneralstäbler.
(Wir schließen hiermit die Diskussion über dieses Thema. Die Red.)
Zu viel des Guten! Unsere in der Genesung befindlichen Verwundeten werden in Vorträge, Konzerte, Theatervorstellungen und überall dahin geführt, wo die „Gesellschaft“ Zerstreuung sucht. Daß man damit den Kriegern nicht immer einen Gefallen erweist, geht aus der Antwort hervor, die ein Verwundeter einem Arzt gab. Auf die Frage, wie es ihm in der „Götterdämmerung“ gefallen habe, erwiderte er: „Lieber drei Tage Schützengraben“!
Diese offenherzige Antwort gibt Geheimrat Schwalbe in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift Veranlassung zu prüfen, ob in der „Auffrischung“ der rekonvaleszenten Krieger nicht etwas zu viel des Guten getan wird. (...) „Ich habe“, sagte Schwalbe, „einige Hundert Soldaten in dem Vortrag eines nationalökonomischen Professors über die wirtschaftlichen Folgen des Krieges gesehen und durch Betrachtung mancher Gesichter den Eindruck gewonnen, daß diese einfachen Männer dem (für mich außerordentlich interessanten) Vortrage, der in einem überfüllten, sehr warmen und schlecht ventilierten Saale stattfand, einen Spaziergang im Freien oder doch ein einfaches Spiel vorgezogen hätten. Diese Wahrnehmung habe ich in langdauernden Opern- und Theatervorstellungen machen können.“
Man kann sie auch in Bonn machen. Die Verwundeten werden hierhin und dorthin eingeladen, heute zum Kaffee, morgen zum Tee, übermorgen zu einem Vortrag, dann ins Theater oder ins Konzert. Ob das nicht manches Mal zu viel des Guten ist? C. K.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Mittwoch, 27. Januar 1915
Sammelt altes Metall zum Nutzen unseres Vaterlandes! Auf diesen Aufruf im heutigen Anzeigenteil möchten wir ganz besonders aufmerksam machen. Alle können hier mitwirken, die Großen und die Kleinen, alle können sammeln helfen, denn in jedem Haushalte finden sich Gegenstände aus Aluminium, Blei, Zinn, Messing, besonders auch Kupfer, die nicht mehr gebraucht werden. Da ist es die vaterländische Pflicht eines jeden, diese Metallsachen den Sammelstellen zu überweisen, damit sie wieder nutzbar gemacht werden können zum Dienste des Vaterlandes. Das feindliche Ausland, besonders England sucht unsere Metallzufuhr zu hindern. Da heißt es, auch in diesem Punkte zu zeigen, was deutsche Art und Sparsamkeit vermögen. Sagt nicht, das, was ich habe, ist zu wenig, gebt auch die kleinste Gabe, viele Wenig machen ein Viel. Das gesammelte Metall wird nur für Lieferungen an das Heer und die Marine verwendet. Der Erlös fließt unseren Kriegsinvaliden zu. Diesem doppelten Zwecke der Sammlung sollte jeder dienen, keiner darf sich ausschließen. Sammelstellen hier in Bonn sind aus der Anzeige ersichtlich.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Schneefall. An den beiden letzten Tagen traf wiederholt Schneefall ein. Während sich in den Straßen der Schnee bald in Schmutz und Wasser auflöste, blieben die umliegenden Felder und Höhen mit einer weißen Schneedecke überzogen. Allenthalben sah man die Jugend mit Schlitten vor die Stadt ziehen, um sich dort in frischfröhlicher Fahrt zu ergötzen. Ueber Nacht trat Frost ein und heute früh waren die Wege durch das Glatteis schwer zu begehen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Der Geburtstag unseres Kaisers
muß in diesem Jahre eine Dankesabtragung an unseren edlen Herrscher sein. Das deutsche Volk darf und wird es seinem Kaiser nimmer vergessen, wie er mit aller Kraft in den unvergeßlichen Julitagen 1914 den Frieden aufrecht erhalten wollte. Vertrauensvoll schaute die Welt auf ihn, und als die letzten Wege vergeblich gegangen, da stand das deutsche Volk auf und scharte sich wie ein Mann um seinen Herrscher. Der Kaiser hat seine erzenen, wunderbaren Worte, die er in der denkwürdigen Reichstagssitzung gesprochen, herrlich gehalten. Kaisers Geburtstag ... Und der Kaiser im Felde bei seinem Heere! Deutschland umstellt von Feinden. Ueberall jedoch die eisernen Mauern unserer Armeen, die den Frieden im Lande schützen. Unseres Kaisers Friedens-Kulturarbeit bewährt sich selbst in diesem Völkerringen, in dem er mit zäher Energie, mit eiserner Macht, sein Land vor den beutegierigen Feinden bewahrt. Es mag sich wohl von selbst verstehen, daß in solcher Zeit allerorten von Kaiserfeiern im Kommersstil abgesehen wird, es wäre unwürdig. Dagegen finden heute auf Wunsch des Kaisers in den Kirchen Deutschlands Festgottesdienste statt. Die Volksschulen begehen den Kaisersgeburtstag still und schlicht in den Klassenzimmern, der Kreis-Krieger-Verband Bonn-Stadt wird von einer öffentlichen Feier Abstand nehmen, dahingegen an den Festgottesdiensten in allen Kirchen der Stadt Bonn sich beteiligen. Abordnungen aller Krieger- und Militärvereine des Verbandes werden mit Fahnen und Standarten in der Münsterkirche, evangelischen Kirche, Synagoge und in der Altkatholischen Kirche vertreten sein.
Die Festgottesdienste beginnen in allen Kirchen Bonns vormittags um 10 Uhr.
Und so wird heute All-Deutschland voll Dankbarkeit und Zuversicht seine Gedanken auf unseren Kaiser lenken, der heute vermutlich in das bedeutungsvollste Jahr seiner Regierung tritt. Und wir alle wollen uns wieder ins Gedächtnis rufen, was der Monarch zu seinen Soldaten sagte, als er 1888 den Thron seiner Väter bestieg:
Wir gehören zusammen. Ich und ihr, mag Sturm sein oder Frieden.
Kaisergeburtstagsfeiern.
Städtisches Gymnasium und Realgymnasium. Nachdem sich die Schüler der unteren Klassen und der Vorschule gestern vormittag zu einer schlichten und würdigen Vorfeier in der Aula zusammengefunden hatten, vereinigten sich gestern nachmittag die Schüler der oberen Klassen mit ihren Angehörigen zu einer größeren Feier, in deren Mittelpunkt die Festrede des Herrn Oberlehrers Dr. Jungmuth stand. Er sprach über das Thema: Kaiser Wilhelm II. und der Weltkrieg. Dabei würdigte er die großen Verdienste unseres Kaisers um die Erhaltung des Friedens und gab in großen Zügen eine Geschichte des Weltkrieges. An das Kaiserhoch, in das die Festrede endete, schloß sich der gemeinsame Gesang der Nationalhymne. Vorher hatten Schüler der verschiedenen Klassen Kriegsgedichte aus unserer Zeit rezitiert. Ein sehr gut ausgebildetes Schülerorchester trug den Triumphmarsch aus „Tarpeja“ von Beethoven vor und begleitete den vorzüglichen Schülerchor zu dem machtvollen altniederländischen Volkslied: Wir treten zum beten ...
Die Städtische Realschule hatte ihre Schüler und deren Angehörige ebenfalls auf gestern nachmittag zur Kaisergeburtstagsfeier eingeladen. Vorträge des Schülerchores, den Herr Lehrer Rech leitete, wechselten mit Deklamationen. Herr Oberlehrer Dr. Schmidt wies in seiner Festrede auf die starke Einigkeit des deutschen Volkes hin und schilderte den Zuhörern die Vorgänge, die in Deutschland dem großen Kriege kurz voraufgingen, und die ihm in der gewaltigen, einigen Erhebung des deutschen Volkes folgten. Seine Rede klang in eine Hoch auf den Friedens- und – so hoffen wir – Siegeskaiser aus. Dann sangen die Anwesenden gemeinsam: Stolz weht die Flagge ...
P. Thimotheus Kranich, der Dichterpater aus dem O.S.B. der kunstsinnigen Beuroner Mönche, sprach am Montag abend zu den Mitgliedern der Bonner Ortsgruppe des Katholischen Frauenbundes über „Das Frauenlob des Evangeliums“. An den großen Frauengestalten des Evangeliums und an Aussprüchen Jesu Christi erklärte P. Thimotheus die Tugenden der Frau: Entsagung, Tapferkeit im Leid, Pflichtbewußtsein als Mutter und Gattin, Güte und Liebe. Und er wies darauf hin, wie sich diese Tugenden in die Not der Gegenwart übertragen lassen, wie sie seit dem Mobilmachungstag jeden Tag wieder neu mit ungeahnter Kraft flammengleich emporschlugen und wie sie sich fernerhin auswirken müßten, wenn auch die deutsche Frau an dem Kampf und dem – so hoffen wir – endlichen Sieg für die Existenz unseres Vaterlandes teil haben wollen.
Ein falscher Ritter des Eisernen Kreuzes ist von der Bonner Strafkammer zu sieben Monaten Gefängnis verurteilt worden. Der frühere Photograph Luhmer hatte sich eine Unteroffiziers-Uniform zu beschaffen gewußt und ein Eisernes Kreuz angesteckt, und betrog nun als „Verwundeter“ in unglaublich raffinierter Weise mildherzige Bonner Bürger um große Geldbeträge, Nahrungsmittel und sonstige Liebesgaben. Luhmer hat vom Kriege nichts gesehen, ja er hat noch nicht einmal gedient. Um anderen glaubhaft zu machen, daß er im Felde gewesen sei und unter Einsetzung seines Lebens waghalsige Aufträge mit gutem Erfolg ausgeführt habe, schrieb er Postkarten an seine eigene Adresse. Und zwar so, als ob sein Leutnant ihm für seine Tapferkeit danke und ihn als einen mutigen Helden verehre. Einmal zeigte er den leuten eine solche Karte, auf der zu lesen stand, der angebliche Leutnant habe ihm zum Dank dafür, daß er des Leutnants Leben gerettet habe, 2500 Mk. überwiesen. Ein andermal telephonierte er seiner Hauswirtin mit verstellter Stimme, als ob er der Herr Leutnant sei, der seinen „lieben, tapferen Unteroffizier“ zu sprechen wünsche. Der Schwindel kam aber, obwohl er mit der größten Geriebenheit eingefädelt war, aus. Luhmer wird nun hinter Schloß und Riegel Gelegenheit haben, über seine „Heldentaten“ nachzudenken.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
An unsere Stadtväter. Die Arbeiter und Angestellten der Geschoßfabrik Siegburg arbeiten jetzt Sonntags und Werktags, bei Tage und bei Nacht. Für die 6 Wochentage berechtigt sie die Wochenkarte der Siegburger Bahn zur Benutzung der Fahrgelegenheit. Am Sonntag, dem siebenten Wochentag, aber müssen die Leute den vollen Fahrpreis (mit Brückengeld 90 Pfg.) bezahlen. Ist das richtig? Frauen und Mädchen, deren Männer und Brüder jetzt dem Vaterlande große Opfer bringen, müssen von den 3 Mark, die sie in Siegburg täglich für die Familie verdienen, am Sonntag 90 Pfg. an die Bahn abgeben. Dazu kommt dann noch die Art der Verladung. Die Wagen, welcher der Aufschrift im Wagen gemäß 36 Sitzplätze und 24 Stehplätze enthalten, nehmen mehr als die doppelte Zahl, 120-150 Personen auf. Auf gemeinsame Beschwerde über die Beförderungsart und den hohen Preis am Sonntag, folgt jetzt vom 1. Februar ab die Erhöhung des Preises für die Wochenkarten von 1,25 Mark auf 1,50 Mark pro Woche. Unsere Stadtverwaltung muß doch auch ein Interesse daran haben, daß die Bürger bei so anstrengender Tätigkeit ordnungsgemäß befördert werden und den Sonntag nicht so teuer bezahlen müssen. Hoffentlich nehmen sich unsere Stadtverordneten einmal dieser Sache an und vertreten die Bürger, welche auf so schwierige Art ihren Erwerb suchen müssen. F.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Donnerstag, 28. Januar 1915
Kaisergeburtstagsfeiern
Der Kaiser wurde gestern, dem Ernst der Zeit entsprechend, ohne lauten Jubel, ohne prunkende Veranstaltungen, aber mit einer ganz besonders warmen Herzlichkeit gefeiert. Ueberall, wo man sich zusammengefunden hatte, um des Kaisertages zu gedenken, hörte man Worte einer aufrichtigen, begeisterten, zu jedem Opfer entschlossenen Vaterlandsliebe und das Gelöbnis unverbrüchlicher Treue zu Kaiser und Reich. Die Straßen der Stadt, über denen in den Vormittagsstunden die freundliche Sonne eines hellen, klaren Wintertages lag, zeigten reichen Flaggenschmuck. Ueberall standen junge Mädchen, die mit unermüdlichem Eifer für die Kriegshilfe sammelten. Und die zahlreiche Spaziergänger gaben gern und freudig ihren Beitrag zu dem guten Zweck.
Wie immer, bildete auch in diesem Jahre eine der schönsten und anregendsten Feierlichkeiten zu Kaisers Geburtstag der
Akademische Festakt in der Universitätsaula.
Die Feier war diesmal so stark besucht, daß der Saal – geschmückt mit grünen Topfpflanzen und einer lorbeerbekränzten Kaiserbüste – die Zahl der Gäste kaum zu fassen vermochte. Die Studentenverbindungen, von denen die meisten Mitglieder ja im Felde stehen, waren durch einen Chargierten in Wichs vertreten. Unter den Klängen des Hohenfriedberger Marsches betraten die Professoren und Dozenten und die Ehrengäste die Aula. (...) Nachdem die Angehörigen des Lehrkörpers und die Ehrengäste Platz genommen hatten, betrat Herr Prof. Dr. phil. Et jur. A. Wilcken die Rednerkanzel, um die Festrede zu halten. Er wies in den einleitenden Worten auf die einzigartige Bedeutung dieser Kaiserfeier hin. Noch niemals habe man den Geburtstag des Kaisers mit den gleichen Empfindungen gefeiert wie in diesem Jahre, da man ein ganz besonders inniges Bedürfnis habe, das Gelöbnis unverbrüchlicher Treue abzulegen. Wie ein reinigender Gewittersturm hat der Krieg alles hinweggefegt, was Deutsche jemals trennen konnte. In restloser Einmütigkeit ist das Volk von 67 Millionen Deutschen zusammengeschlossen. Das war nur möglich, weil dieser Krieg kein Angriffskrieg, kein Präventionskrieg war. (...)
Die Festrede von Professor Dr. Wilcken wird unter dem Titel „Werden und Vergehen der Universalreiche“ in den nächsten Tagen bei Cohen in Druck erscheinen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Der Kriegshilfstag der Stadt Bonn zum Besten der bedürftigen Familien unsrer wackeren Krieger, der von den vaterländischen Vereinigungen aus Anlaß des Geburtstages unseres Kaisers hier veranstaltet wird, hatte am gestrigen ersten Tag ein gutes Ergebnis. Kein Wunder auch: die jugendlichen Sammlerinnen waren schon vom frühen Morgen an mit großem Eifer tätig. Während ein Teil mit der Sammelbüchse von Haus zu Haus ging, hielten andere wiederum Straßen und Plätze besetzt und boten Schleifen in den deutschen und österreichischen Farben sowie Künstlerkarten mit dem Bildnis unseres Kaisers zum Kauf an. Und wer beides schon erstanden der hatte im Laufe des Tages noch reichlich Gelegenheit, einen Nickel in die vorgehaltenen Sammelbüchsen zu werfen. Gute Einnahmen hatten die jungen Damen, die am Morgen vor den verschiedenen Gotteshäusern Aufstellung genommen hatten, und ebenfalls auch diejenigen, die sich die Haltestellen der Straßenbahnen und die Wagen der Straßenbahn selbst als Feld ihrer Tätigkeit ausersehen hatten. Auch die Gastwirtschaften, die sich des nationalen Feiertages wegen eines guten Besuches zu erfreuen hatten, boten für die eifrigen Sammlerinnen gute Einnahmequellen.
Auf die Neugier ihrer lieben Mitmenschen spekulierte eine junge Sammlerin, die auf den trefflichen Einfall kam durch eine Anzeige in der „Seufzerecke“ des General-Anzeigers „alle patriotischen Damen und Herren freundlichst einzuladen, zwischen 3–5 Uhr nachmittags an den Rhein zu kommen, und zwar vom Alten Zoll bis zur Mehlems Fabrik.“ Dieser Teil der Anlagen war nämlich dem spekulativ veranlagten Fräulein als Sammelfeld angewiesen worden. Und da sie befürchtete, bei ungünstigem Wetter schlecht abzuschneiden, nahm sie zu dieser List ihre Flucht. Die junge Dame hatte richtig gerechnet. Man wollte doch wissen, was da eigentlich los sei, und half so der Sammlerin, ihr gutes Werk zu einem befriedigenden Abschluß zu bringen.
Der volle Ertrag der gestrigen Sammlung läßt sich bis jetzt noch nicht übersehen, es kann aber heute schon gesagt werden, daß für unsere bedürftigen Kriegerfamilien ein recht ansehnliches Sümmchen vereinnahmt worden ist.
Hoffentlich hat auch der heutige zweite und letzte Sammeltag ein günstiges Ergebnis.
Zum Geburtstag unseres Kaisers.
Kein lauter Festjubellärm wie in früheren Jahren. Statt dessen überall schlichtstille, aber auch würdige Feiern. So viel ist gewiß: Wie nie zuvor flog gestern eines jeden Deutschen Herz und Sinn mit doppelter Liebe und Verehrung unserm Kaiser – und wills Gott, bald Siegeskaiser – entgegen.
Bei prächtigem Winterwetter – in der Nacht und den Tag über hatte es geschneit – läuteten die Glocken den Tag ein. In den Straßenzeilen wogten und wehte – reicher denn sonst – die schwarz-weiß-rote Fahne, häufig mit schwarz-gelbem Wimpel unsrer österreichisch-ungarischen Bundesbrüder vereint. Viele Schaufenster waren geschmückt mit Kaiserbüsten, Bildnissen und Blumen. Den ganzen Tag übe war reger Verkehr in den Straßen.
Die Festgottesdienste
in den Kirchen der Stadt waren überaus gut besucht. In der Münsterkirche fand morgens 10 Uhr ein Militär-Gottesdienst statt, dem sehr viele Soldaten, auch verwundete Krieger, bewohnten. Kaplan Reinermann hielt die Festpredigt. In der evangelischen Kirche sprach Pfarrer Kremers, in der altkatholischen Kirche Prof. Mühlhaupt und in der Synagoge Rabbiner Dr. Cohn.
Die Universitätsfeier
gestaltete sich zu einer Kundgebung, die von vaterländischem Geist und Gefühl getragen war. (...) Das Städtische Orchester und der Bonner Männer-Gesang-Verein brachten zum Schluß das altniederländische Dankgebet „Wir treten zum Beten“ eindrucksvoll zum Vortrag.
Königliches Gymnasium.
Die Kaisergeburtstagsfeier in der Aula des Gymnasiums war sehr gut besucht. (...) Mit dem Gesang „Heil dir im Siegerkranz“ wurde die Feier geschlossen.
Städtisches Lyzeum.
In der Aula des Städtischen Gymnasiums hielt Mittwoch morgen das Städtische Lyzeum seine sehr stimmungsvolle Feier ab, (...) Schulrat Baedorf gab der Feier durch eine überaus eindrucksvolle Festrede, die des Kaisers Religiosität und Pflichtgefühl hervorhob, einen würdigen Schluß.
In der Lese- und Erholungsgesellschaftfand gestern abend eine Kaisersgeburtstagsfeier statt, die vom Alldeutschen Verband, dem B. M.-G.-V. „Concordia“, der Deutschen Kolonial-Gesellschaft, dem Deutschen Sprachverein und dem Deutschen Wehrverein und den vereinigten evangelischen Bürgervereinen Bonns veranstaltet wurde. (...) Mit dem Gesang des Liedes „Deutschland, Deutschland über alles“ wurde die schöne Feier geschlossen.
Die Klostermann’schen Anstalten
versammelten sich um 11½ Uhr in der vor kurzem neu ausgebauten Aula im Maarflachweg zu einer gemeinsamen Schulfeier zu Ehren des Geburtstages unseres Kaisers. Lieder und Gedichte, fast durchweg dem weltgeschichtlichen Erleben der Gegenwart entnommen, verliehen der Feier eine dem Ernst der Zeit und der Tiefe des gegenwärtigen vaterländischen Empfindens entsprechende Bedeutung. (...)
Die Vaterländische Volksfeier,
die der Bonner Wehrbund gestern abend im Bonner Bürgerverein veranstaltete, und der viele Ehrengäste, u.a. auch Oberbürgermeister Spiritus, beiwohnten, war so gut besucht, daß die Stühle nicht ausreichten. (...) Mit dem gemeinschaftlichen Gesang „Deutschland über alles“ nahm die Feier ein Ende.
Godesberg. 28. Jan. Zur Kaisersgeburtstagsfeier durchzog am Vorabend das Tambourkorps des Kath. Jünglingsverein den Ort mit einem Zapfenstreich. Am katholischen Pfarrhaus brachte Dechant Dr. Winter das Kaiserhoch aus. In der Aula des Pädagogiums hatten sich am Vorabend zur Feier 700 Gäste eingefunden, darunter viele verwundete Krieger aus den hiesigen Lazaretten. Der Knabenchor und das Orchester der Anstalt, sowie das Collegium musikum trugen stimmungsvolle Musikstücke vor. Herr Prof. Dr. Heinr. Kühne brachte das Hoch auf den Kaiser aus. Bei der Schulfeier der Fortbildungsschule wies der Schulleiter, Herr Lehrer Forsbach darauf hin, wie der Kaiser sich im Frieden und auch jetzt im Kriege bewährt habe. Am Festtage selbst war der Gottesdienst in den Kirchen abgehalten, auch einzelne Privatlazarette hielten ihre Sonderfeier. Bei der Feier des Wehrbundes, die gestern in der Tonhalle stattfand, hielt Schulrat Dr. Küppers die Kaiserrede. Ein vaterländisches Konzert, das nachmittags im Rheinhotel Dreesen abgehalten wurde, hatte sich eines regen Besuches zu erfreuen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Kaisersgeburtstag
Ist in Bonn stiller verlaufen als sonst. Die übliche Parade auf der Hofgartenwiese konnte naturgemäß nicht stattfinden, der Kreis-Kriegerverband hatte keine besondere Feier und die Volksschüler versammelten sich nicht wie sonst in der Beethovenhalle. Aber man hatte den Eindruck, als ob die Bonner den gestrigen Tag als patriotischen Fest- und Feiertag tiefer erlebt hätten; als ob einem jedem bewußt gewesen wäre, daß das neue Lebensjahr, in das der Kaiser gestern getreten ist, vermutlich das Entscheidungsjahr über das Geschick unseres Vaterlandes sein wird. Dieses Gefühl hatte man nicht nur, wenn man am Vormittag in die überfüllten Gotteshäuser trat, man hörte es auch aus den Worten der Festredner bei den einzelnen Kaisersgeburtstagsfeiern und man sah es an dem winterlich festtäglichen Straßenbild, das dieses Mal mit seinen schneebedeckten Dächern, den schwarz-weiß-roten und schwarz-gelben Fahnen, unter denen hier und da auf rotem Grunde der weiße Halbmond aufleuchtete, eher einen ernststimmenden, denn einen fröhlichen Anblick bot. Von früh bis spät verkauften junge Damen auf den Straßen patriotische Schleifchen, Kaiser-Postkarten und Ansteck-Nadeln. Jeder kaufte gerne; denn es galt ja dem Wohl unserer Krieger.
Dem feierlichen Hochamt im Münster, das in Vertretung des erkrankten Herrn Dechant Böhmer, Herr Kaplan Reinermann zelebrierte, wohnten die katholischen Soldaten der Garnison mit den Offizieren und Vertretern der Behörden bei. Das städtische Orchester und der Münsterchor unter Veith’s Leitung verherrlichten den Gottesdienst durch hervorragende Musik und Chorvorträge. Herr Kaplan Reinermann hielt die Festpredigt. Abordnungen aller Krieger- und Militärvereine des Kreis-Kriegerverbandes Bonn-Stadt nahmen mit ihren Fahnen und Standarten an den Festgottesdiensten im Münster, in der evangelischen Kirche, in der Synagoge und in der altkatholischen Kirche teil.
Die Volksschulen feierten Kaisersgeburtstag mit Gesängen und Rezitationen der Kinder und mit Ansprachen der Lehrpersonen in ihren Räumen.
Ueber 100.000 Flaschen „Roisdorfer“ hat die Roisdorfer Brunnenverwaltung (W. Custor in Roisdorf) wiederum dem Roten Kreuz und verschiedenen Militärlazaretten zur Verfügung gestellt.
Vier Bonner Pfadfinder befinden sich in Brüssel, um dort auf Wunsch des Kommandanten Ordonanzdienste zu verrichten.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Wo kann gespart werden an Weizenbrot?
Tausende Kameraden liegen in Bonn, Heilung und Gesundung zu finden von den Wunden, die sie auf dem Felde der Ehre erhielten. Der größte Prozentsatz ist von Herzen gesund, erfreut sich eines guten Hungers und einer regen Verdauung. Sie haben gekämpft für des Vaterlandes Ehre und Bestand wider eine Welt voll Feinde; nun haben aber noch viele den Wunsch, der volkswirtschaftlichen Kraftprobe, die das Vaterland zu bestehen hat, ihr Scherflein beizutragen. Sie sind alle voll des Lobes über die Verpflegung und beklagen sie sich bitter, daß ihnen zum Früh-, 10 Uhr- und Nachmittagskaffee kein Kriegsbrot gereicht wird. Müssen auch hier die Weizenmehlvorräte erst aufgebraucht werden, um anzufangen am Sparen, wenn die Vorräte zur Neige gehen? – Den berufenen Behörden möge diese Kriegerbitte genügen, dafür Sorge zu tragen, daß diesbezüglich Wandel geschaffen wird. Dort kann gespart werden. Einer für Viele.
Zu viel Wirtschaften. Wirtschaften dürften wohl in Bonn zu viel sein, alleine in der Meckenheimerstraße von Nr. 2 bis Nr. 18 gibt es 7 Stück; dazu kommt, daß in dieser schweren Zeit ungefähr die Nacht von wüsten Burschen und Frauenzimmern Lärm herrscht, am Morgen muß man zu ihrer Schande noch die Spuren von dem entdecken, was zu viel genossen wurde. – Ob es da wohl nicht an der Zeit wäre, um 10 Uhr die Wirtschaften zu schließen und ihre Zahl zu vermindern. Vielleicht gibt es für die Herren Wirte und alle Angestellten nach dem Kriege oder auch jetzt schon irgend einen anderen Erwerbszweig. – Gewiß wäre die Verminderung der Wirtschaften eine Wohltat, warum, wenn es denn sein muß, kann man nicht zu Hause gemütlich im Familienkreise seinen Wein oder Bier verzehren. Einer, der gerne um 10 Uhr Wirtschaftsschluß hätte.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Freitag, 29. Januar 1915
Bei der Kaisergeburtstagsfeier in der Lese- und Erholungsgesellschaft führte Herr Pastor Kremers aus, daß in diesem Jahre der Tag nicht bei fröhlichem Gläserklang gefeiert werden könne, dazu sei die Stunde zu ernst. Eine große Enttäuschung habe der Kaiser, der allezeit den Frieden gewollt habe, erlebt, als wie ein Blitz aus heiterem Himmel die Nachbarn uns mit Krieg überziehen wollten. Unvergeßlich werden uns die ersten Tages der Augusts bleiben, da wir die Einheit der ganzen Nation sahen. Große Dinge sind seitdem schon geschehen. Nicht nur die Glocken der Heimat, sondern auch die in Polen, Belgien und einem Teile Frankreichs läuteten zum Geburtstage unseres Kaisers. Der Krieg hat die bösen Geister des Neides und der Zwietracht verscheucht, er hat einen neuen Orden, den Schützengrabenorden gestiftet, dem alle angehören, vornehm und gering, reich und arm. Das Ausland versteht diese treue Gefolgschaft, die das deutsche Volk dem Kaiser leistete, nicht. Es erblickt darin nur Tyrannei und Unterdrückung. Es weiß nicht, daß es ein tiefes sittliches Verhältnis ist, das das deutsche Volk mit dem Kaiser verbindet, das auf beiden Seiten seine Rechte und Pflichten hat. Es ist das große Werk unseres Kaisers, daß er Heer und Marine auf diese Höhe gebracht hat; daß er alle Kräfte der Technik und der Wissenschaft in den Dienst der Volksverteidigung gestellt hat. Mit großer Freude kann er jetzt auf sein Werk blicken. Er hat verstanden, das Volk zu lenken und zu leiten, sodaß heute alle mit Vertrauen ihm folgen. Ein einziger Heilruf schallt durch das Land. Kaiser Wilhelm II. ist eigentlich der erste ganz deutscher Kaiser. Er fühlt mit allen Deutschen in der ganzen Welt. In ihm sind verkörpert die Eigenschaften, die die deutsche Art ausmachen: Gradheit, Offenheit, herzhafter Mut, Fröhlichkeit und das Vermögen, Freundschaft zu halten. Wie bitter ist sein Vertrauen auf die Freundschaft aber getäuscht worden. Im Vertrauen unbedächtigt, in Treue felsenhaft, in Liebe wundermächtig, das ist des Kaisers Art. Was wir ein jeder im Stillen gelobt, das wollen wir heute geloben vor Gott und ihm, wir wollen durchhalten mit ihm in Treue felsenhaft bis zum letzten Bissen. Es soll die Welt nicht mehr schmähen dürfen unseres Kaisers Majestät. So dringe unser Geburtstagswunsch hinaus in den Donner der Geschütze. Er soll wissen, daß wir, sein ganzes deutsches Volk, zu ihm halten wird in Treue felsenhaft, in Liebe wundermächtig. So stimmt mit mir ein, meine verehrten Anwesenden, in den Ruf: Unser lieber Kaiser Wilhelm II, er lebe hoch, hoch, hoch!
In der Festrede, die Herr Dr. Rosenmund über „Der Krieg und der deutsche Kaisergedanke“ hielt, führte er aus:
Kaiser Wilhelm verlebt seinen 56. Geburtstag fern von Berlin im Hauptquartier seiner Armeen auf feindlichem Boden. Und es ist sein Verdienst, daß seine Heere den uns aufgezwungenen Krieg schnell und weit in Feindesland hineintragen konnten. Unsere Gegner beehren ihn dafür auch mit gründlichem Haß und häufen auch um seine Person Lügen auf Lügen, die darin gipfeln, daß Deutschlands Kaiser die friedlichste aller Welten in diesen furchtbaren Krieg gestürzt hat, wie er denn überhaupt, „besessen“ vom preußischen Militarismus, die Welt erobern möchte. Die Schamlosigkeit dieser Lüge, die Kaiser Wilhelm die Schuld an diesem Kriege aufbürdet, ist längst enthüllt; und was es mit der Warnung an die Welt vor seinen Welteroberungsplänen auf sich hat, wissen wir auch, die wir die Schlagworte der englischen Geschäftspolitik denn auch bereits sattsam kennen. Wohin Mr. Churchill aber mit dem Schreckgespenst des preußischen Militarismus zielt, das er vor den amerikanischen Pressevertretern erscheinen ließ, offenbarte er, als er durch sie dann die Welt zum Kampfe aufrief, um die „Freiheit“ gegen diesen Militarismus zu schützen!
Die Freiheit, an welche Mr. Churchill denkt, ist doch die englische Freiheit, d.h. die Freiheit für die herrschende Klasse dort, welcher er angehört und die ihn mit der Stellung über die Marine betraut hat, ungestört sich in der Macht über Krone und Volk von England zu erhalten und über Englands staatliche Kräfte für ihre Interessenpolitik zu verfügen, eine Politik, deren Ziel eben ist, die ganze Welt sich, d.h. ihrer Kaste, tributpflichtig zu machen. Und diese Freiheit kann sich allerdings mit dem preußischem Militarismus nicht vertragen, es sei denn, daß er sich für sie mißbrauchen läßt. Es war dieser Militarismus aber der englischen Nobility und Gentry auch an sich schon immer zuwider. Und die Vollendung dieses Militarismus in der Gestalt, wie sie unter der treibenden Kraft des deutschen Kaisergedankens Wirklichkeit geworden, also die deutsche Heeresverfassung erscheint ihr schon durch ihr Dasein als eine Bedrohung für sie auch im tiefsten Weltfrieden. Und das keineswegs bloß wegen der ungeheuren Kriegsstärke, welche dieser Militarismus in sich birgt; nein, ebenso sehr und mehr noch als politische Institution. Was sollte auch aus ihrer Machtstellung zwischen und über Krone und Volk werden, wenn die deutsche Heeresverfassung, diese erfolgreichste Verbindung von Krone und Volk, zum Dienst für den Staat in Krieg und Frieden, nach England hin als Vorbild wirken sollte; dann wäre es doch für die herrschende Klasse dort mit der Macht zu Ende. Im Besitz der Macht aber zu bleiben, das ist natürlich der oberste Gesichtspunkt ihrer Politik. So ist denn dieser Krieg, den Englands Machthaber gegen Deutschland führen, nicht bloß ein solcher für ihr Monopol in Handel und Seegewalt in der Welt, sondern auch ein Kampf zur Sicherung ihrer Macht daheim, in England. Und von diesem Zweck aus empfangen das englische Kriegsziel und die englische Kriegführung denn auch ihren Charakter. Um ihre Kaste im Besitz der Macht zu sichern, wollen sich die Leiter der englischen Politik eben nicht mit einem Siege über uns begnügen, sondern sie trachten uns als Volk und Staat zu vernichten und mit dem Reich das Kaisertum und den Kaisergedanken zu begraben, und so diese Heeresverfassung, diesen deutschen Militarismus aus der Welt zu schaffen, der eine ewige Gefahr für die englische „Freiheit“ wäre. Gegen diese Machtpolitik im Dienste der „englischen Freiheit“ kämpfen wir denn in diesem Krieg für unsere deutsche Freiheit und wir kämpfen einen schweren Kampf. Aber wir werden siegen. Denn mögen die feindlichen Heere, welche England gegen uns in Bewegung gesetzt unserem Heere in der Kopfzahl noch so sehr überlegen sein, mögen Englands Streitkräfte zur See uns mächtig überragen, mögen unsere Gegner uns an Kriegsmut gleichen, ihnen allen fehlt zum Siege die sittliche Kraft, die uns als Volk und Heer beseelt, die als ureigenste Kraft die deutsche Nation unbesiegbar machte, wenn sie einmütiger Wille leitete, und die sich jetzt unwiderstehlich siegreich unter dem Zeichen des deutschen Kaisergedankens durchsetzen wird, der für uns nicht allein das Symbol der Einheit, sondern auch der Ausdruck unseres Willens zum Leben mit der Freiheit in der Welt bedeutet.
Deutscher Wehrverein. Heute, Freitag, 29. Jan., abends 8¼ Uhr findet der achte Vortrag der Ortsgruppe Bonn des Deutschen Wehrvereins statt. Herr Dechant Dr. Winter aus Godesberg, der im Jahre 1906 als Delegierter an der Konferenz der Friedensapostel in London teilgenommen hat, wird über seine persönlichen Eindrücke und Erlebnisse in London, den Empfang bei König Eduard usw. sprechen. In Rücksicht auf die gegenwärtige politische Lage dürfte der Vortrag außerordentlich interessant und anziehend werden, zumal uns auch der Vortragende als guter Redner von anderen Vorträgen her bekannt ist. Wir wollen nicht verfehlen, auch an dieser Stelle nachdrücklich auf den Vortrag hinzuweisen und unseren Lesern den Besuch desselben zu empfehlen. Die Lichtbilder, die der Vortragende demonstriert, sind nach den von ihm selbst in London angefertigten Photographien hergestellt.
Sanitätshunde. Aus Anlaß des Geburtstages unseres Kaisers versammelte sich am Mittwoch die Kolonne der Sanitätshundeführer im Kaisergarten. Herr Polizeikommissar Flaccus eröffnete die Versammlung mit der Kaiserrede. Darauf wies der Kolonnenführer, Herr Hölzke, auf die zahlreichen Erfolge hin, die gerade die Sanitätshunde der Meldestelle Bonn bis jetzt zu verzeichnen gehabt hätten.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Krieg und Küche. Ueber dieses zeitgemäße Thema sprach gestern abend vor einer außerordentlich großen Zahl Zuhörerinnen Frau Dr. Wegscheider-Ziegler im Dreikaisersaal. Das, was die Rednerin vom Sparen im Haushalt, von der Verwendung unserer Nahrungs- und Gebrauchsmittel sagte, war durchaus beherzigenswert. Der Krieg hat eben jedem Einzelnen Beschränkungen auferlegt. Wir sind gezwungen, sie uns aufzuerlegen und müssen versuchen, mit Ersatzmitteln in unserer Ernährung auszukommen. Wenn nun die Hausfrauen, Köchinnen usw. die Winke befolgen, die Rednerin in bezug auf Kohle und Koks, Eiern, Käse, Butter, Fett, Fleisch, Mehl, Zucker usw. gab, sind die Folgen dieses Krieges nicht in so scharfem Maße fühlbar, und der Plan unserer allzuliebenswürdigen Vettern jenseits des Kanals, uns auszuhungern, wird nur Schreckgespenst bleiben, also nicht Wirklichkeit werden.
Der sehr lehrreiche Vortrag wird am Sonntag Nachmittag in Kessenich wiederholt werden.
Frost. In der vergangenen Nacht sank das Thermometer am Wetterhäuschen im Hofgarten auf 6 Grad unter Null.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Das Ende der Petroleumnot.
1 Liter Petroleum für 8 Pfennige.
Es klingt zunächst unglaublich. Aber die Erfahrung eines unserer Leser, dessen Freundschaft wir diese Mitteilung verdanken, lehrt, daß man sich tatsächlich mit einer Auslage von 8 Pfennigen 1 Liter Petroleum beschaffen kann. Und zwar so: man löst in einem Liter kochenden Wassers ein halbes Pfund Soda auf und gießt, nachdem das Wasser vom Feuer genommen worden ist, ein Viertelliter Petroleum hinzu. Diese Mischung läßt man erkalten, und das billige Petroleum ist fertig. Unser Gewährsmann versichert nun, daß er seit einigen Tagen sein Zimmer, den Hausflur und das Treppenhaus mit dieser Petroleummischung beleuchtet. Die Flüssigkeit ist wegen des Sodazusatzes nicht so klar wie reines Petroleum und die Lampe verliert ein ganz klein wenig an Leuchtkraft. Aber diese unbedeutenden Nachteile sind eigentlich nicht vorhanden, wenn man an die riesigen Vorteile denkt, die dieses billige Petroleum in der jetzigen Zeit der Petroleumnot dem Publikum, besonders dem „kleinen Manne“ bietet. Man mache einmal den Versuch.
Die Kriegshilfstage haben in Bonn ein höchst erfreuliches Ergebnis gehabt. Wie viel die jungen Damen gestern und vorgestern in unermüdlichem Eifer sammelten, läßt sich natürlich noch nicht angeben, nicht einmal schätzungsweise. Aber das eine kann schon jetzt gesagt werden. Die Freigebigkeit der Bonner Bürgerschaft für die Kriegshilfe, die sich in den letzten Monaten mehr als einmal in überaus glänzender Weise bewährte, hat nicht nachgelassen. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Sie wächst mit der Größe der Aufgaben, vor die unsere tapferen Krieger gestellt sind.
Kauft dunkle Brötchen! Der Vorstand de Bonner Bäcker-Innung bittet uns, das Publikum zu ermahnen, nur bei solchen Bäckern zu kaufen, die dunkelbraun gebackene Brötchen abgeben. Die helle Farbe ist ein Beweis dafür, daß der Bäcker das Mehl nicht vorschriftsmäßig gemischt hat.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Samstag, 30. Januar 1915
Freiwillige Krankenpflege. Auf Anordnung des Hrn. Territorialdelegierten für freiwillige Krankenpflege in der Rheinprovinz entsandte der Vaterländische Frauen-Verein Stadtkreis Bonn wiederum 6 Schwestern in das Etappengebiet, zum ersten Male nach dem Osten. Die Schwestern traten gestern von Koblenz aus die Reise nach Lodz an.
Ein allgemeiner Appell aller Abteilungen des Bonner Wehrbundes findet am Sonntag nachmittag statt. Die Abteilungen vereinen sich dazu um 3 Uhr auf dem Arndtplatz, von wo aus sie geschlossen zur Auguststraße am Hofgarten marschieren. Dort findet eine Aufstellung zur Besichtigung seitens der Behörden statt, die um 4 Uhr erwartet wird. Nach der Besichtigung findet am Kaiser-Wilhelm-Denkmal auf dem Kaiserplatz ein Vorbeimarsch statt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Kriegsgedichte. Wir bitten unsere Leser dringend, die Einsendung von Kriegsgedichten möglichst zu beschränken, da durch die Prüfung der meist nicht druckreifen Reime der Redaktionsdienst zu stark belastet wird.
Das Stadtverordneten-Kollegium, das gestern tagte, hat eines seiner tüchtigsten Mitglieder durch den Tod verloren. Gestern nacht starb nämlich nach langer Erkrankung Konsul Louis Wessel. Oberbürgermeister Spiritus widmete dem verstorbenen Stadtverordneten einen herzlichen Nachruf, den wir in seinem Wortlaut an anderer Stelle zum Abdruck bringen. Der städtische Kriegshilfetag hat – trotzdem die Sammlung noch nicht ganz abgeschlossen ist – laut Mitteilung des Herrn Oberbürgermeisters im Kollegium – bis jetzt eine Reineinnahme von 18.000 Mark ergeben. Der Vorsitzende verlas ein Schreiben des Generalfeldmarschalls von Hindenburg, in dem dieser der Stadt Bonn für die Beihilfe zur Hindenburg-Spende seinen besten Dank ausspricht.
Die Pflasterung eines Kohlelagerplatzes auf dem Schlachthofgelände wurde genehmigt, ebenso die Bewilligung eines weiteren Kredits von 100.000 Mark für die Errichtung eines Gasautomaten. Mit der Uebernahme eines Fehlbetrags von 4423,39 auf den städtischen Haushalt, mit welchem Betrag die Rechnung des Städt. Gesangvereins für 1913/14 abschließt, erklärte sich die Versammlung einverstanden. Gegen die Verpachtung einiger Grundstücke war nichts zu erinnern. Es wurden einige Wahlen, insbesondere Kommissionswahlen, vorgenommen.
Eine Anfrage von Dr. Krantz und seiner Freunde wegen der Lebensmittel- und Fleischversorgung der Stadt wurde eingehend beantwortet. In den Unterstützungsausschuß wurden die noch abkömmlichen Mitglieder des Teuerungsausschusses, Feldmann und Kaiser, und außerdem die Herren Kalt und Gentrup gewählt. Auf eine Anfrage wegen der Metallsammlung teilte Abgeordneter Piehl mit, daß es sich empfehle, so lange mit der Hergabe von Metall zu warten, bis die Vaterländischen Vereine die Angelegenheit in die Hand genommen hätten. Aus diesem Grunde sei auch die bereits in den Schulen begonnene Metallsammlung vorerst eingestellt. (...)
Zur Kriegshilfe. Der Bonner Männer-Gesang-Verein „Apollo“, der seit Beginn des Krieges sich in den Dienst der Wohltätigkeit stellt, wird morgen Sonntag ein Konzert mit Kaisergeburtstagsfeier auf Kasselsruhe geben. Herr Kessel hat sein Lokal unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Der Ertrag ist für das Rote Kreuz bestimmt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Zur Nachahmung empfohlen. Eine hiesige Firma am Markt sandte aus Anlaß des Kaisergeburtstages an eine große Anzahl im Felde stehende arme Soldaten Paketchen mit Unterzeug, Kopfschützern und sonstigen praktischen Sachen. Jeder Sendung waren folgende Verse beigefügt:
„Es wird es muß bald tagen,“ – Dies Raunen geht durch’s Land, - Die treu den Feind geschlagen, - Dir Held reich ich die Hand. – Als Dank am hehren Kaiser-Tag – Bring ich Dir diese Gabe dar, - Nichts mög auch mehr gefährden! – Der Friede muß auf Erden.
Zur Erflehung des Friedens finden auf Anordnung des Papstes am 7. Februar in allen Pfarr- und Klosterkirchen Europas besondere kirchliche Feiern statt. Das Allerheiligste bleibt den ganzen Tag über zur öffentlichen Anbetung ausgesetzt. Abends soll die Feier mit dem sakramentalen Segen geschlossen werden. Der Papst hat ein Gebet zur Erflehung des Friedens verfasst, das an dem Abend nach dem Rosenkranz verrichtet wird. Zugleich ermahnt der Papst die Gläubigen, an diesem Tage die hl. Eucharistie zu empfangen. – In den außereuropäischen Diözesen findet die kirchliche Feier am 21. März statt.
Die Bonner Landstürmer in Libramont haben den Geburtstag des Kaisers, wie uns aus Librament geschrieben wird, schlicht aber herzlich und – trotz der Kriegszeit – gemütlich gefeiert. Morgens um 10 Uhr versammelten sie sich ohne Unterschied der Konfession zum katholischen Gottesdienst zusammen. Ein deutscher Pater aus dem belgischen Kloster Chanty zelebrierte die hl. Messe und hielt eine Ansprache, die von großer Begeisterung des Deutsch-Belgiers für den deutschen Kaiser zeugte. (Der Pater ist schon 22 Jahre in Belgien.) Nachdem zog die Kompanie mit klingendem Spiel zum Kompaniesammelplatz. Es war das erstemal, daß die Spielleute aus der Kompanie marschierten, ein schönes Bild für unsere neuen belgischen Landsleute. Dann folgte eine kurze Ansprache des stellvertretenden Kompanieführers, danach Parademarsch, welcher trotz unserer 40 – 45 Jahre großartig klappte. Abends war gemütlicher Bierabend bei Münchener Bier. Natürlich haben wir auch einen Gesangverein, welcher unter Leitung seines Dirigenten, Herrn Lehrer Diedrichs, geradezu Großartiges leistete. Es war ein schöner Abend, den jeder Landsturmmann nie vergessen wird. G.K.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Sonntag, 31. Januar 1915
Getreide- und Mehlvorräte am 1. Februar 1915. Wer in der Nacht vom 31. Januar zum 1. Februar 1915 Vorräte von Weizen (auch Dinkel und Spelz), Roggen, allein oder mit anderer Frucht gemischt, und Hafer, sämtlich auch ungedroschen, Weizen-, Roggen-, Hafer- und Gerstenmehl in seinem Gewahrsam hat, ist verpflichtet, diese Vorräte in das von Zählern übergebene Anzeigeformular einzutragen. Von der Anmeldung sind befreit:
a) Vorräte an gedroschenem Getreide oder an Mehl, die zwei Zentner insgesamt nicht übersteigen. Wer weniger als diese Menge in Gewahrsam hat, hat die am Schlusse der Anzeige vorgesehene Erklärung zu unterschreiben.
b) Vorräte, die sich im Eigentume der Kriegs-Getreide-Gesellschaft m.b.H. und der Zentraleinkaufsgesellschaft m.b.H. befinden.
Alle Angaben haben in Zentnern zu erfolgen. Jede andere Gewichtsangabe ist verboten.
Ungedroschenes Getreide ist nach dem zu schätzenden Körnerertrag anzugeben.
Als Mehl ist auch das zur menschlichen Ernährung dienende Schrot und Schrotmehl anzugeben.
Es sind nur die im eigenen Gewahrsam befindlichen Vorräte anzugeben, aber auch dann, wenn sie anderen Eigentümern gehören, ausgenommen sind die oben unter b) erwähnten.
Gehören die Vorräte nicht dem Anzeigenden, sondern einem anderen, so ist der Eigentümer mit Namen und Wohnort, außerdem Gewicht und Art des ihm gehörenden Getreides und Mehles anzugeben.
Die vorhandenen Vorräte sind vollständig anzugeben. Es ist unzulässig, irgendwelche Abzüge für den Bedarf des Haushalts, des gewerblichen oder landwirtschaftlichen Betriebs zu machen.
Landwirte sollen die Menge des zur Frühjahrsbestellung nötigen Saatgutes nach gewissenhafter Berechnung und ferner die Zahl der zu ihrer Hauswirtschaft gehörigen Personen angeben. Hierher gehören Familienmitglieder, Gesinde, Pensionäre, Arbeiter einschließlich ihrer Angehörigen, Deputanten, Altenteiler, Anstaltsinsassen, soweit sie in dem landwirtschaftlichen Betriebe regelmäßig Beköstigung erhalten oder durch fortlaufende Lieferung von Brotgetreide oder Mehl zu ernähren sind.Bäcker und Konditoren haben außer der Vorratsanzeige die in der Zeit vom 1. bis einschließlich 15. Januar 1915 verbackene Mehlmenge anzugeben.
Händler haben außer der Vorratsanzeige die in der Zeit vom 1. bis einschließlich 15. Januar 1915 verkaufte Mehlmenge anzugeben.
Die zuständige Behörde ist berechtigt, zur Nachprüfung der Angaben die Vorrats- und Betriebsräume des Anzeigepflichtigen zu untersuchen und seine Bücher prüfen zu lassen.
Die Anzeige ist in der Zeit vom 1. bis einschließlich 5. Februar 1915 unter der Versicherung abzugeben, daß die Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht sind. Anzeigen ohne Unterschrift gelten als nicht abgegeben.
Getreide- und Mehlmengen, die sich mit dem Beginn des 1. Februars 1915 auf dem Transporte befanden, sind unverzüglich nach dem Abladen von dem Empfänger anzuzeigen.
Wer die geforderten Anzeigen nicht in der gesetzten Frist beantwortet, oder wer wissentlich unrichtige oder unvollständige Angaben macht, wird mit Gefängnis bis 6 Monaten oder mit Geldstrafe bis 1500 M. bestraft.
Im Metropoltheater wird eine Geschichte aus dem internationalen Mädchenhandel, betitelt „Leichtsinn“, im Film gezeigt. Die Hauptrolle spielt die bekannte Kopenhagener Künstlerin Gudrun Houlberg. Außerdem weist das Programm noch zwei gute lustige Geschichten auf: „Gute Freunde“ und „Eine Frau auf Pump gesucht“.
Im Viktoria-Theater (Gangolfstr.) wird dem Publikum ein neuer Asta-Nielsen-Film vorgeführt. „Das Feuer“; außerdem ein historischer Einakter aus der zeit Ludwigs XIII.: „Der sprechende Brunnen“ und ein zeitgemäßer Kriegsfilm: „Silvesternacht im Schützengraben“.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Eifelverein. Die hiesige Ortsgruppe ladet die Mitglieder und Freunde ihrer Bestrebungen auf Montag, 1. Februar, abends, zur 29. ordentlichen Jahreshauptversammlung in den oberen Gartensaal im Hähnchen ein. Hieran schließt sich ein Vortrag des Herrn Rektor Zender über die bodenständige Sinnesart des Eifelvolkes im Spiegel alter Volksüberlieferungen und ihren vaterländischen Opfergeist im großen Völkerringen der Gegenwart.
Gedenket der Vögel! Bei den Schneefällen der letzten Tage ist es unserer Vogelwelt fast unmöglich geworden, Nahrung zu finden. Tausende unserer fröhlichen Sänger müssen eingehen, wenn nicht für sie gesorgt wird. Wir alle hoffen auf eine gute Ernte in diesem Jahre. Um diese zu schützen, ist es notwendig, dafür Sorge zu tragen, daß unsere Singvögel den Winter überleben und beim Vertilgen von Raupen, Schnecken und wie das Ungeziefer sonst so heißt, eifrig mithelfen.
Einschränkung des Brotverbrauchs in den Wirtschaften. Der Oberbürgermeister ersucht uns, nochmals auf den Erlaß des Ministers für Handel und Gewerbe und des Ministers des Inneren vom 4. November 1914 aufmerksam zu machen, der sich gegen den verschwenderischen und gedankenlosen Verbrauch des Brotes richtet. Heute noch werde in vielen Gast- und Speisewirtschaften den Gästen Brot und anderes Gebäck zum beliebigen Genuß und ohne Sondervergütung zur Verfügung gestellt. Wird für das genossene Brot besondere Bezahlung verlangt, so wird ein solcher überflüssiger Verbrauch des Brotes alsbald eingeschränkt werden. Dies mag in der Menge wenig ausmachen; es handelt sich jetzt aber darum, das Gebot, eine verständige Sparsamkeit mit dem Brote walten zu lassen, täglich möglichst weiten Kreisen der Bevölkerung in Erinnerung zu bringen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Populärwissenschaftlicher Vortrag. Prof. O.Francke – Hamburg über „Deutschland und China vor und nach dem Kriege“: Eins der größten Hemmnisse für die Entwicklung unserer Außenpolitik erblickt Professor Francke in der deutschen Angst vor der „Gelben Gefahr“. In deutschen Zeitungen habe man in diesen Kriegsmonaten oft von dem „Eindringen schlitzäugiger Mongolen in europäische Kultur“ gelesen. Machen wir uns einmal von den Gefühlen des gerechten Zornes frei – sagte Prof. Francke – und denken wir über die Dinge ruhig und objektiv nach, dann finden wir in der Beteiligung Japans in dem Krieg gegen uns durchaus nichts Mongolisches, nichts Schlitzäugiges, sondern etwas Westeuropäisches, die Ergebnisse der englischen Schule. Wie England im Verein mit Frankreich im Osten eine Atmosphäre des Mißtrauens und Abneigung gegen das Deutschtum zu erzeugen versuchte und in Japan mit Erfolg (das englisch-japanische Bündnis im Jahre 1902) erzeugt hat, wie die Engländer sich 1904 durch den Krieg Japans gegen Rußland Genugtuung verschafften und wie sie durch die Maschinerie ihrer skrupellosen, von geradezu teuflischer Infamie geleiteten Politik gegen Deutschland dirigierten unter immer wiederholten Freundschaftsversicherungen an die ostasiatischen Völker, das zeigte der erfahrene Orientkenner und kluge Politiker in einem glänzenden Vortrag. Er vergaß dabei auch nicht die Fehler und Ungeschicklichkeiten unserer
politischen Lehrlingszeit im Osten. China machte sich über die Freundschaftsversicherungen und die Bürgschaftsverträge seiner ungewählten Beschützer schließlich seine eigenen Gedanken und vertraute nur noch Amerika und Deutschland, die sich beide in dem Gewirre von Abmachungen und Verträgen freigehalten hatten. So gewann sich Deutschland in China im Laufe der Jahre eine Vertrauensstellung. Und eben diese Vertrauensstellung machte es uns möglich, deutsche Kultur und Arbeitsart in China zu verbreiten. Ungemein segensreich wirkte vor allem unser Tsingtau, dessen heldenmütige Verteidigung (...) die chinesischen Sympathien für Deutschland noch wesentlich steigerte. Mit Tsingtau wollten wir Deutsche nicht in die politischen Interessen der Chinesen eingreifen, es war uns vielmehr um einen Stützpunkt für den friedlichen Handel und eine freundschaftliche Annäherung an das chinesische Volk zu tun. Nun aber liegt es, eine Beute gierigen Neides, in Trümmern. Ob wir Tsingtau wiedergewinnen oder nicht, was an uns liegt, wird geschehen, um China zu einem wirtschaftlich und militärisch starken, unabhängigen Reich zu machen. Unsere Aufgaben werden wir nach dem Kriege (...) mit noch größerem Eifer fortsetzen. Die Türkei und auch China wissen, daß sie den Aufteilungsbemühungen der Ententemächte nur durch ihre Freundschaft mit Deutschland entgehen können. Sie wissen, daß jetzt auf den westeuropäischen Schlachtfeldern auch ihr Schicksal entscheiden wird. Wir aber müssen alle Rassenangst, alle Furcht vor der „Gelben Gefahr“ unter uns bekämpfen. Auf die Hautfarbe kommt es nicht an, sondern auf den inneren Wert und die Kraft eines Volkes. Wenn es aber einmal eine „Gelbe Gefahr“ geben sollte, dann hat Europa es verschuldet. Und es hat sie dann verdient.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)