Dienstag, 1. Januar 1918
Eine stimmungsvolle Silvesterfeier mit musikalischen, gesanglichen und humoristischen Darbietungen sowie Gedichtvorträgen bot der Ausschuß des Soldatenheims gestern nachmittag den Verwundeten in der Beethovenhalle. Besonderen Beifall fanden die von Frau Palm gesungenen Lieder, die humorvollen Beiträge von Fräulein Lenzen, der Vortrag eines Verwundeten, ein Cellovortrag des Herrn Edelstein und ein flottgespielter lustiger Einakte. Die Verwundeten wurden dabei mit Punsch bewirtet. Zum Schluß erfreute der Männergesangverein Apollo die Verwundeten noch mit einigen Chorliedern.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Das neue Jahr wird auch in Bonn mit heißen Wünschen begrüßt. Wenn wir, dank der weitschauenden Klugheit unserer Heerführer und der todesmutigen Kraft unserer Lieben an der Front, von einem Einbruch des Feindes auch im ereignisreichen abgelaufenen Jahre verschont geblieben sind, so hat der Kampf auf den Schlachtfeldern doch in zahlreichen Familien schmerzhafte Wunden geschlagen, und die Lazarettzüge, die uns die Opfer des großen Ringens brachten, haben uns immer wieder mit dem leiblichen Auge an den bitteren Ernst dieses furchtbaren Krieges gemahnt. Groß waren auch die Opfer, die das zur Neige gegangene Jahr vielen Familien in materieller Hinsicht auferlegte, Opfer finanzieller und physischer Art. Und was die Stadtverwaltung für die Gemeinschaft der Bürger und zum Unterhalt der Minderbemittelten, der Kriegerfrauen und Kinder geleistet hat, bildet ein Kriegskapitel für sich. Schwer wurde es den Dezernenten, die für Nahrung, Heizung und Kleidung zu sorgen hatten, ihre Aufgaben gerecht zu werden, und die Sorgen werden für sie wie für die einzelnen Bürger im neuen Jahre zunächst kaum geringer werden. Leider hat sich auch manche unschöne Erscheinung gezeigt. Die Verschiebungen auf dem Arbeitsmarkt haben die Neigung zu Putz und Vergnügungen auch in die Kreise getragen, die nicht bedenken, daß die Arbeitslöhne auch wieder einmal sinken, und daß sie besser täten, für spätere Zeiten einen Sparroschen zurückzulegen. Ueberhaupt klaffen die Gegensätze infolge der wirtschaftlichen Verschiebungen, in deren Brandung die Pensionäre und die festbesoldeten Beamten und Angestellten einen besonders schweren Stand haben. Die verheerende Wirkung des Schleichhandels, von welchem sich selbst die Kommunen nicht freihalten können, wie das Beispiel von Neukölln lehrt, trägt dazu bei, die Existenzmöglichkeit bestimmter Kategorien des Mittelstandes und der Arbeiterschaft noch weiter zu erschweren. Möge das neue Jahr die Möglichkeit schaffen, daß in unserem Wirtschaftsleben gesundere Zustände einkehren, auf daß die zwingende Parole „Durchhalten“ nicht durch das „Jeder für sich, Gott für uns alle“ in einen schwer zu lösenden Widerspruch gesetzt wird. Glücklicherweise bietet unsere militärische Lage einen sonnigen Zukunftsblick. Erwartungsvoll sehen wir den nächsten Wochen entgegen, die uns den Frieden im Osten und entscheidungsvolle Ereignisse im Westen bringen sollen. Möge dort wie hier die Entscheidung zum Wohle unseres geliebten Vaterlandes fallen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Von der Rheinschiffahrt. Das im ganzen Rheingebiet herrschende Frostwetter hat im Laufe der Woche das allgemeine Sinken des Stromspiegels noch erheblich beschleunigt. Dazu treibt der Rhein eine Menge Eisschollen, die teilweise schon eine beträchtliche Dicke aufweisen. Die Verschiffungen nach dem Oberrhein sind wegen der Eisgefahr nahezu völlig eingestellt worden, während die auf der Fahrt befindlichen Dampfer und Kähne meist den Winterhafen aufgesucht haben, um den Wiedereintritt besserer Fahrwasserverhältnisse abzuwarten. [...]
Das Verdienstkreuz für Kriegshilfe wurde Frau Geheimrat Professor Dr. Ribbert und Fräulein Oberlehrerin a.D. Hedwig Reinbrecht verliehen. Beide Damen haben sich im Vorstande des Nationalen Frauendienstes, in den seit einiger Zeit die Hauswirtschaftliche Kriegshilfe übergegangen ist, hervorragend betätigt. In allen kriegswirtschaftlichen Fragen haben sie in wertvoller Mitarbeit dazu beigetragen, daß der Sinn der Bonner Hausfrauen mehr und mehr für die Opfer und Entbehrungen der Kriegszeit angeregt werde. Viele Sammlungen sind durch ihr verdienstvolles Eintreten zu gutem Erfolge geführt, und in letzter Zeit hat sich namentlich die Gründung der Schuhmacherwerkstätte in der Universität für die ärmere Bevölkerung in hervorragender Weise bewährt. – Das Verdienstkreuz für Kriegshilfe ist dem Dressurmeister der Sanitätshund-Meldestelle Bonn, Kaufmann Johan Hölzken, verliehen worden.
Schwere Ausschreitung. Ein 23 Jahre alter Abstecher aus Bonn hatte am Abend des 25. November d. J. in Gesellschaft eines Mannes, der unbefugt Vizefeldwebeluniform trug, sowie zweier Mädchen in einer Kölner Wirtschaft für 250 M. Wein und Sekt geschlemmt. Als dann die Polizeistunde geschlagen hatte, zog das vierblättrige Kleeblatt kurz nach Mitternacht über den Rhein nach Deutz, wo die Mädchen in ein verrufenes Haus geschleppt werden sollten. Dies flüchteten aber noch im letzten Augenblick und erbaten die Hilfe eines Schutzmannes gegen den mit gezücktem Seitengewehr sie verfolgenden falschen Feldwebel. Auf des Letzteren Pfiff hin eilte auch der Abstecher herbei, der mit den Worten „Ich schieße euch über den Haufen!“ einen Revolver auf den Beamten anlegte. Die Waffe, die mit fünf Patronen geladen war, versagte jedoch, und es gelang dem Schutzmann, nach schwerem Ringen mit Hilfe mehrerer inzwischen herbeigeeilter Soldaten der Deutzer Bahnhofswache, den Angreifer zu überwältigen. Dieser wurde jetzt vom Außerordentlichen Kriegsgerichte der Festung Köln wegen verbotenen Waffentragens und tätlicher Widerstandsleistung gegen einen in rechtmäßiger Amtsausführung handelnden Beamten der Staatsgewalt zu insgesamt acht Monaten Gefängnis verurteilt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Mittwoch, 2. Januar 1918
Das neue Jahr wurde verhältnismäßig still, noch stiller wie seine Vorgänger, begonnen. Zwar hatte die hohe Obrigkeit die Polizeistunde stillschweigend von 11 auf 1 Uhr hinausgeschoben und auch das Gaswerk zwei Stunden länger das nötige Licht geliefert, aber der Mangel an stark wirkenden Getränken ließ zusammen mit dem Ernst der Kriegszeit die übermäßige Silvester- und Neujahrsfröhlichkeit früherer Jahre nicht aufkommen. Als dann die Kirchenglocken feierlich den Beginn des neuen Jahres verkündeten, rief man sich wohl aus den Fenstern das „Prost Neujahr“ zu, vereinzelt wurde auch mit Pistolen und Feuerwerk geknallt, bald aber war es wieder still, und nur um 1 Uhr, als die Wirtschaften ihre Gäste entließen, belebten sich noch einmal für kurze Zeit die Straßen. Möge das neue Jahr die Friedenshoffnungen, mit denen es begonnen hat, erfüllen und die nächste Jahreswende in eine glückliche Friedenszeit fallen.
Eine besondere Weihnachtsfreude wurde den Teilnehmern der Kinderspeisung der hauswirtschaftlichen Kriegshilfe (Nationaler Frauendienst) geboten. Zwei Gönnerinnen hatten, in Erinnerung an die verstorbene 1. Vorsitzende der Kinderspeisung, die 200 Kinder zu dem Weihnachtsspiel: „Wie Klein-Else das Christkind suchen ging“ eingeladen, und durch das überaus freundliche Entgegenkommen der Direktion des Operettentheaters, die für unsere Kinder die besten Plätze reserviert hatte, konnten sie am Samstag dieser Aufführung beiwohnen. Die strahlenden Augen und der große Jubel bewiesen das Entzücken der Kinder. Zu Beginn der Schule – während der Ferien mußte ausgesetzt werden – sollen die Kinder wieder ihr Mittagessen bekommen, auch wird die fünfte Stelle der Kinderspeisung in Kessenich wieder eröffnet werden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Die Neujahrsnacht war in Bonn ungewöhnlich lebhaft. Ein selten klarer Sternenhimmel leuchtete in die kalte Winternacht, als gegen 12 Uhr Glockengeläut weithin verkündete, daß das neue Jahr seinen Einzug halte. Böllerschüsse dröhnten durch die Luft und manch kräftiges „Prosit Neujahr“ ertönte hoffnungsfreudig auf den Straßen. In den öffentlichen Lokalen wurde bei verlängerter Polizeistunde Sylvester lebhaft gefeiert, und auch in den Familien konnte der Uebergang zum neuen Jahr feierlich begangen werden, denn unsere Gaswerksverwaltung hatte in der Sylvesternacht erst recht spät die Gassperre eintreten lassen.
Wohl selten ist ein Jahreswechsel mit so vielen Wünschen und Hoffnungen begeleitet worden. Erwartungsvoll sehen wir den Ereignissen im angebrochenen Jahr 1918 entgegen. Wird es uns den Frieden und den ehrenvollen Abschluß des Weltkrieges bringen? Nach den Ereignissen im Osten sind die feindlichen Weltmächte in starker Gefährdung. Die Hoffnung ist deshalb begründet, daß der Zeitpunkt des allgemeinen Friedensschlusses nicht mehr allzufern ist. Aber wir fassen den Jahreswechsel in rechter Weise auf, auch wenn wir das neue Jahr mit dem treudeutschen Entschluß begrüßen, mit unseren Tapferen an der Front unter allen Umständen auszuharren bis der Entsieg für unsere gerechte Sache erfochten ist.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Primaner im Hilfsdienst. Das rheinische Provinzialschulkollegium hat den höheren Schulen für die männliche Jugend eine Verfügung zugehen lassen, welche vorsieht, daß an Wissen und Können der im Hilfsdienst tätig gewesen Schüler nicht derselbe Maßstab angelegt wird, wie an den Leistungen derer, die den Schulbesuch nicht unterbrochen hatten, und diese Rücksicht auch für die Zeugnisse und für die Versetzung geltend gemacht. Auf Unterprimaner, deren Jahrgang zum Heerdienst einberufen wird, trifft diese Verfügung insofern nicht zu, als sie nur dann zur Notreifeprüfung zugelassen werden, wenn sie den Schulbesuch nicht unterbrochen haben; sie werden sich also im Hilfsdienst nicht betätigen können.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Donnerstag, 3. Januar 1918
Fliegerangriff. Bei dem Fliegerangriff auf die offene Stadt Mannheim wurde der Verlust von zwei Menschenleben und die Verletzung einiger Personen dadurch hervorgerufen, daß sich die Getöteten und Verletzten nicht in Deckung begaben. Die Bevölkerung wird daher wiederholt ermahnt, die Vorschriften über das Verhalten bei Fliegerangriffen genauestens zu beachten. Es ist durchaus kein Zeichen von Mut, wenn jemand trotz der Warnungszeichen bei einem Fliegerangriff auf der Straße bleibt, vielmehr gehört ein großes Maß an Leichtsinn dazu. Mit Recht hat es dann auch die Staatsbehörde abgelehnt, solchen Personen, die durch Nichtachten der Vorsichtsmaßnahmen von feindlichen Fliegern getroffen werden, irgendwelche Entschädigungen jetzt oder später zu gewähren.
Auch das Abblenden und Verdunkeln der Wohnungen und Geschäftsräume nach Eintritt der Dunkelheit wird noch immer nicht vorschriftsmäßig durchgeführt. Die Bevölkerung wird daher erneut ermahnt, diese Vorschriften aufs genaueste zu befolgen, da nach der nunmehr gültigen militärischen Verordnung keine polizeilichen Strafverfügungen mehr erlassen werden können, sondern sämtliche Uebertretungen sofort durch das außerordentliche Kriegsgericht abgeurteilt und in der Regel mit Gefängnis und nur bei Vorliegen mildernder Umstände mir Haft bezw. Geldstrafe belegt werden.
Universität. [...] Wie der Rektor am Schwarzen Brett bekannt gibt, wird vom nächsten Montag ab der Hörsaal 18 (Speisesaal) täglich von 5 bis 9 Uhr nachmittags den Studierenden zum Aufenthalt offen stehen. Einlaßkarten sind vom Rektor täglich von 12 bis 1 Uhr persönlich in Empfang zu nehmen. Da nur eine beschränkte Zahl von Einlaßkarten zur Verfügung steht, wird erwartet, daß nur solche Studierende beiderlei Geschlechts sich bewerben, die wirklich unter Heizungsschwierigkeiten des Abends zu leiden haben. Von 7 Uhr ab ist die Verbindung des Hörsaal 18 mit allen übrigen Räumen der Universität aufgehoben.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Kohlenverteilung. Man schreibt uns: Während mein Kohlenlieferant mir gestern nur zwei von fünf Karten für den Januar und zwar mit Steinkohlen beliefern durfte, auf behördliche Anordnung hier, wie er sagte, sah ich gestern glücklichere Menschen. Auf der Kaiserstraße lag eine dicke Schütte von gewiß 60 Zentnern Braunkohlen und Briketts vor dem Hause und wurden am helllichten Tage in den Keller gebracht. Mit dem Neid der Besitzlosen und Frierenden sah ich auf diese Glücklichen und eigenartige Gedanken stiegen in mir auf. Wie wäre es, wenn die angedrohte Revision bei diesen Großbeziehern und dann noch in Briketts, beginnen würde? Und dann, warum sind diese Bezieher erfolgreicher in der Heranschaffung von Briketts wie das Kohlenamt?
(Wir vermuten, daß die Bürger in der Kaiserstraße die Briketts durch die Aufwendung höherer Beförderungskosten beschafften. Jedoch hören wir gerne ein aufklärendes Wort der Ortskohlenstelle. Die Schriftl.)
Weihnachtsbescherung Bonner Kriegerwitwen und Waisen. Man schreibt uns: Die im Auftrage der Vaterländischen Vereinigungen vom Freiwilligen Kriegsausschuß für durchfahrende Truppen veranstaltete Weihnachtsbescherung der Bonner Kriegerwitwen und –Waisen hatte am Nachmittage des 31. Dezembers die geräumige Turnhalle des städt. Lyzeums bis auf den letzten Platz gefüllt. 285 Witwen mit 631 Kindern, im Ganzen 916 Personen, waren zur Bescherung geladen worden. Mit dem Vorstand der Vaterländischen Vereinigungen, der Vertretung der hiesigen Geistlichkeit sowie der militärischen Behörden war auch Oberbürgermeister Spiritus erschienen. Erwartungsvoll blickte die große, frohgemute Kinderschar auf die beiden mächtigen Christbäume und die langen Reihen der Gabentische, die auch noch die weiten Nebenräume füllten. Eingeleitet und beendet wurde die Feier durch den gemeinsamen Gesang der schönen alten Weihnachtslieder, wobei besonders die frischen Kinderstimmen wohltuend hervortraten. Dazwischen trug Frau Anni Gentrup, begleitet von Musikdirektor Sauer, mit ihrem klangvollen Sonor zwei Lieder vor.
In seiner Ansprache betonte Dr. Krantz, daß die Reichhaltigkeit der heutigen Bescherung in erster Linie der hochherzigen Spende der Frau Prinzessin zu Schaumburg-Lippe zu danken sei. Das auf ihre Anregung zugunsten dieser Weihnachtsbescherung vor zwei Monaten im Bonner Bürgerverein veranstaltete Konzert hatte einen überaus reichen Ertrag ergaben. Weiter bilden die aufgesparten Bestände des Freiwilligen Hülfsausschusses eine angenehme Grundlage für die Geschenke. Durch da Entgegenkommen des städtischen Bekleidungsamtes und des Lebensmittelamtes wurden dann die verfügbaren Summen preiswert in zweckmäßige Gaben umgetauscht, sodaß heute abend jedem Haushalt ein willkommener Zuschuß zu seinen Lebensmitteln und jeder Frau und jedem Kind Schuhe und warme Kleidung zugeteilt werden können. Dazu auch noch für etwas Weihnachtsgebäck und Aepfel gesorgt werden. Trotz der wachsenden Einschränkungen, die das vierte Kriegsjahr jeder Familie gebietet und trotz der Trauer, die der Krieg wohl in jedes Haus hineingetragen hat ist jetzt um die Jahreswende die allgemeine Stimmung zuversichtlicher als zuvor. Von Rußland aus scheint der Friede nahe zu sein. Damit gewinnen wir die große Hoffnung, daß dieser furchtbare Krieg in absehbarer Zeit mit einem ehrenvollen Frieden enden werde, und daß dann unser geliebtes Vaterland in all seinen Volkskreisen sich an den Segnungen fleißiger und friedlicher Arbeit wieder wird erfreuen können. Bis dahin aber heißt es aufrecht stehen und in Pflichttreue und vaterländischem Opfergeist durchhalten.
Die Verteilung der Gaben vollzog sich in umsichtiger Anordnung und der hülfsbereiten Mitwirkung der beteiligten Damen rasch und ohne Störung.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
„Gitt dem Panz e Kolljeh“. Ihren Artikel in der Freitags-Zeitung vom 28. Dez. [Arbeiterin in Köln kauft teuren Schmuck] haben wir gelesen. Die Sache scheint doch etwas unwahrscheinlich, denn eine Schwerarbeiterin kann sich, wenn sie sich ehrlich durchschlagen will kein „Kolljeh“ von 1.200 Mark erlauben. Wir möchten doch den Aufgeber des Artikels bitten, das bekannte Geschäft namhaft zu machen. Die Leute müssen doch der Verkäuferin bekannt sein, da sie angibt, die Käuferin sei eine Schwerarbeiterin gewesen. Es kann ja auch ein Dienstmädchen oder eine Herrschaft in bäuerlicher Verkleidung gewesen sein. Mehre ungläubige und wahrheitsliebende Schwerarbeiterinnen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Eine große Kohlenersparnis kann dadurch erzielt werden, daß die Feuerung an den Küchenherden, die meist für die Verhältnisse viel zu groß ist, kleiner gemacht wird, indem man sie mit Lehm oder aber am zweckmäßigsten mit Schamotte ausschmiert. Nach einer gründlichen Reinigung der Feuerung wird dieselbe angefeuchtet und dann dick mit den ebengenannten Mitteln bestrichen. Man wird finden, daß die Heizung für den Familiengebrauch stark genug ist, daß aber, und dies ist in der jetzigen Zeit von größter Wichtigkeit, an Brand eine ungeheure Ersparnis eintritt. Viele Familien haben bereits davon Gebrauch gemacht und sind ohne Ausnahme gut damit gefahren.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Freitag, 4. Januar 1918
Verordnung. Der Gouverneur der Festung Köln hat bestimmt: Zeichnungen (Konstruktionszeichnungen, Entwurfzeichnungen, Schaltungsschemta, Rohpläne, Werkstattzeichnungen, Blaupausen usw.) dürfen nur mit Genehmigung der für den Versandort zuständigen Kommandobehörde (stellv. Generalkommando, Gouvernement usw.) ins Ausland versandt werden. Zuwiderhandlungen werden mit Gefängnis bis zu einem Jahre, im Milderungsfalle mit einer Geldstrafe bis zu 1500 Mk. bezw. Haft bestraft.
Die Höchstpreise für Zündhölzchen sind weiter erhöht worden. Der Kleinhandelshöchstpreis ist für das Paket zu zehn Schachteln um 5. Pfg. heraufgesetzt worden. Für eine Schachtel Sicherheitshölzer oder überall entzündbare Hölzer beträgt der Höchstpreis jetzt fünf Pfennig (früher für zwei Schachteln neun Pfennig), für zwei Schachteln imprägnierte bunte oder flache Hölzer elf Pfennig (früher für eine Schachtel fünf Pfennig).
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Kohlenversorgung der am Nieder- und Mittelrhein gelegenen Städte. Die Vereinigten Spediteure und Schiffer, Rheinschiffahrts-Gesellschaft m. b. H. in Duisburg-Ruhrort, schreiben der Köln. Volksztg.: Seit ungefähr acht Tagen ist die Schiffahrt nach dem Oberrhein eingestellt. Bis vor wenigen Tagen konnte nicht gefahren werden, weil der Oberrhein Treibeis führte; während der Wasserstand inzwischen so weit zurückgegangen ist, daß von einem glatten Durchkommen der Schiffe nach dem Oberrhein kaum noch die Rede sein kann. Hier an der Ruhr liegen seit zehn Tagen zirka 150 bis 200 Schiffe für den Oberrhein mit Kohlen beladene Kähne nutzlos herum. Viele - selbst für die Kriegswirtschaft tätigen – Werke am Mittel- und Niederrhein haben empfindliche Betriebseinschränkungen vornehmen müssen. Es scheint uns deshalb die Frage berechtigt: Weshalb versorgt man mit den hier fertig liegenden Rheinschiffen nicht die mittel- und niederrheinischen Städte? Es wäre interessant, hier eine bündige Erklärung des Kohlenkommissars zu bekommen. Es schleppen zwar hin und wieder verschiedene Schiffe von hier nach dem Nieder- und Mittelrhein. Tatsache ist aber, daß ungefähr 200 deutsche Schiffe hier vollkommen nutzlos herumliegen. Die Kähne sind beladen, können aber nicht schleppen. Würde man die Schiffe schon vor ungefähr acht Tagen nach den nieder- und mittelrheinischen Städten geschickt haben, so wären die Kähne in den nächsten Tagen sehr wahrscheinlich wieder frei für weitere Ladungen. Der Kahnumlauf würde also durch diese Maßnahme bedeutend gefördert worden sein. Es wird oft auf die Transportschwierigkeiten, die die ausreichende Kohlenversorgung in Frage stellen, hingewiesen. Ist es nicht gerade eine unverantwortliche Verschärfung dieser Transportkrisis, wenn man einige hundert Schiffe hier beschäftigungslos herumliegen läßt?
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
11 Treibriemen im Werte von mehreren tausend Mark, die aus Diebstählen herrühren, wurden bei einer Verkäuferin in der Wesselstraße beschlagnahmt. Sie hatte die Treibriemen mit dem Einverständnis des Geschäftsinhabers von einem Kaufmanne aus dem Rosental, der mehrfach vorbestraft ist, für 1500 Mark gekauft. Dieser will sie von einem angeblich 19 Jahre alten Kriegsinvaliden für 720 Mark, dieser wiederum für 270 Mark von einem unbekannten Soldaten am Bahnhof in Köln gekauft haben. Drei Riemen sind in einer hiesigen Brauerei entwendet worden. Die Eigentümer der übrigen acht sind noch nicht ermittelt. Die beteiligten Personen wurden von der Kriminalpolizei festgenommen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Samstag, 5. Januar 1918
Schuhsohlen aus Leder, die aus kernigem Blank- oder Bodenleder ausgestanzt und wenigstens 2 Millimeter stark sind, dürfen nur noch bis zum 28. Februar verkauft werden. Die Preise dürfen bei einer Länge von 2 bis 3 Zentimeter 4 Pfennig, bei einer Länge von mehr als 3 Zentimeter 5 Pfennig nicht überschreiten. Für Verpackung, Karton und Aehnliches darf keine besondere Bezahlung genommen werden. Der Vertrieb von Sohlenschonern, die nicht aus kernigem Blank- oder Bodenleder ausgestanzt sind und nicht eine Stärke von wenigstens 2 Millimeter besitzen, ist seit dem 31. Dezember verboten. Durch diese Bestimmungen sollen die noch vorhandenen Restbestände an brauchbaren Sohlenschoners noch verbraucht, aber die Kunden vor Wucherpreisen und schlechter Ware geschützt werden.
„Groß-Bonn“ am Markt hat seit dem 1. eine neue Vortragsfolge. Besonders hervorgehoben wird ein Dressurakt mit seltenen tropischen Vögeln.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
[...] Kartoffeln.
Von größter Bedeutung ist es, die in den Haushaltungen eingelagerten Kartoffeln möglichst ohne Verlust zu erhalten. Dies wird nur durch gewissenhafte Beobachtung nachstehender Maßnahmen erreicht:
Die Kartoffeln müssen in trockenen, kühlen und frostsicheren und leichtbelüftbaren Räumen sorgfältig gelagert und je nach Bedürfnis wiederholt verlesen werden. In Fäulnis übergegangene Kartoffeln sind sofort auszulesen, da Fäulnis ansteckend ist.
Die Kartoffeln dürfen nicht zu hoch aufgeschüttet werden. Eine höhere Aufschüttung als 80 Zentimeter ist im allgemeinen von Nachteil. Grundsätzlich zu vermeiden ist die Lagerung von Kartoffeln in Säcken oder geschlossenen Kisten. [...]
Sind Frostschäden entstanden, so werfe man die Kartoffeln nicht weg; denn auch erfrorene Kartoffeln sind eßbar. Man lege die zu Stein erfrorenen Kartoffeln 24 Stunden in Wasser von 10-15 Grad Wärme und koche sie unmittelbar darauf mit der Schale. [...]
Alle Haushaltungen werden noch einmal darauf hingewiesen, daß ein sparsames Haushalten mit den eingelagerten Kartoffeln dringend geboten ist. Wer seine Kartoffeln vorzeitig verzehrt hat, kann als Ersatz nur Steckrüben bekommen. Dies gilt auch für diejenigen Kartoffelerzeuger, die mit den geernteten Mengen nicht bis zu dem vorgeschriebenen Zeitpunkte ausreichen.[...]
Lebensmittelkarten sind Wertpapiere.
Beim Lebensmittelamt werden noch immer Anträge auf Ersatz verloren gegangener Lebensmittelkarten gestellt. Die Bevölkerung wird daher noch einmal dringend ermahnt, mit den Lebensmittelkarten sorgfältig umzugehen. Da es sich um die Lebensmittelzuteilung des einzelnen handelt, muß beim Verlust der Karte streng geprüft werden, ob die Karten auch tatsächlich verloren gegangen sind, oder ob es sich, was leider nicht selten der Fall ist, um einen Betrugsversuch handelt. Die notwendigen Untersuchungen bringen Unannehmlichkeiten und Störungen in der Versorgung mit sich. Die Lebensmittelkarten sind Wertpapiere und müssen als solche behandelt werden. Vor allem aber darf man sie nicht kleinen Kindern anvertrauen, wenn keine Sicherheit besteht, daß sie ihnen nicht verloren gehen oder gestohlen werden. [...]
Bekleidungsamt.
[...] Die Abgabe getragener Kleider wird nochmals in Erinnerung gerufen. Viele Angehörige der wohlhabenden Stände verfügen noch über alte Bekleidungsgegenstände, die für sie keinen Wert haben und die sie nur aus Bequemlichkeit in den Schränken hängen lassen, anstatt sie unseren heimkehrenden Kriegern und der minderbemittelten Bevölkerung zukommen zu lassen. Durch die Reichbekleidungsstelle sind die Preise für abgetragene Altkleider so wesentlich erhöht worden, daß keiner mehr zögern sollte, seine entbehrlichen Altsachen abzuliefern und der Allgemeinheit zuzuführen. Die Annahmestelle Martinstraße Nr. 18 ist täglich von morgens 9-12 Uhr und nachmittags von 2-5 Uhr geöffnet.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Nachrichten des städtischen Lebensmittelamtes.“)
Die Halbstarken. Der Bursche, welcher in das Milchhäuschen an der Ecke Poppelsdorfer Allee und Quantiusstraße einbrach, hat weiterhin im Venusbergweg einen Straßenraub verübt und war an einem Wäsche- und einem Zigarrendiebstahl beteiligt. Die Mitschuldigen dieser Diebstähle, ein 17jähriger Arbeiter und zwei hiesige Soldaten, wurden ebenfalls festgenommen, außerdem zwei Frauenspersonen im Alter von 20 und 21 Jahren, die den Soldaten Unterkunft gewährt hatten.
Das Verhalten der Bürgerschaft bei dem letzten Schneefall gibt Veranlassung, auf die strenge Durchführung der Vorschriften der Straßenpolizeiordnung eindringlichst hinzuweisen. Nach jedem Schneefall sind die Schneemassen zu beseitigen und die Bürgersteige sind dauern von Schnee und auch von Eis freizuhalten. Bei eintretender Schnee- oder Eisglätte ist mit abstumpfenden Stoffen (Sand, Sägemehl, Asche usw. zu streuen. Den Aufforderungen der Polizeibeamten ist Folge zu leisten, da sonst Strafe eintritt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Sonntag, 6. Januar 1918
Beschlagnahme von Sackpapier.
Durch Bekanntmachung vom 5. Januar ist die Beschlagnahme aller Mengen von Papier zur Herstellung geklebter Papiersäcke (Sackpapier) angeordnet worden. Vom 20. Januar ab darf Sackpapier nur gegen Bezugsschein der Reichssackstelle in Berlin veräußert oder geliefert werden. Die Verarbeitung von beschlagnahmten Sackpapier zur Herstellung geklebter Papiersäcke von mehr als 8000 Quadratzentimeter Sackflächeninhalt bleibt zulässig. Der genaue Wortlaut der Bekanntmachung ist bei den Landratsämtern, Bürgermeisterämtern und Polizeidienststellen einzusehen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Gesuche um Zurückstellung vom Militärdienst. Das Oberbürgermeisteramt gibt auf Veranlassung des Bezirks-Kommandos das folgende bekannt: Künftig sind sämtliche Gesuche um weitere Zurückstellung nicht durch die Zivilbehörden, sondern unmittelbar dem Bezirkskommando einzureichen und zwar spätestens 4 Wochen vor Ablauf der Zurückstellungsfrist. Gesuchsteller, die diese Anordnung außer Acht lassen, haben zu gewärtigen, daß sie 14 Tage vor Ablauf der Zurückstellungsfristen Gestellungsbefehle erhalten und nach Ablauf der Zurückstellungsfrist eingestellt werden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Vermieter haltet die Augen auf!
Der Ortsverein Bonn zur Bekämpfung der öffentlichen Unsittlichkeit hat unterm 21. Dezember 1917 einen interessanten Bericht öffentlich bekannt gegeben. In diesem Berichte ist darauf hingewiesen, daß eingegangene Mitteilungen über das Leben und Treiben alleinstehender weiblicher Personen Gegenstand der letzten Sitzung gewesen sei.
Der Bericht appelliert an das Ehrgefühl der Bonner Bürger und ermahnt die Vermieter zur Vorsicht bei der Vermietung von Wohnungen.
Einen großen Fehler begehen die Vermieter dadurch, daß diese Wohnungen vermieten, ohne sich vorher über die neuen Mieter genau zu erkundigen. Dadurch ist es vorgekommen, daß Wohnungen an angebliche Eheleute vermietet worden sind, die tatsächlich, wie die jüngste Volkszählung dargetan, überhaupt nicht verheiratet waren und in wilder Ehe zusammen gelebt.
Zweizimmer-Wohnungen sind an alleinstehende weibliche Personen vermietet worden, wovon das eine Zimmer an einen sog. möblierten Herrn, dem nebenbei auch Kost und Wohnung erteilt wird, untervermietet wird. Alle Begleiterscheinungen müssen aber zu erkennen geben, daß der Grund dieser Untervermietung tiefer liegt. Wenn auch nicht ohne Weiteres das Strafgesetz einschreiten kann, so laufen doch in diesem Falle Vermieter Gefahr, mit den Strafbestimmungen in Konflikt zu kommen. Das Strafgesetz besagt, daß sich Personen strafbar machen, die durch ihre Vermittlung oder durch Gewährung von Gelegenheit der Unzucht Vorschub leisten. Es wäre wirklich ein Segen, wenn alle Vermieter rücksichtslos in ihren Wohnungen jeden anstößigen Verkehr untersagen wollten. Der Vermieter hat hierzu nicht nur das Recht, sondern die Pflicht. Die Leichtfertigkeit der Vermieter hat zu sehr unliebsamen Konsequenzen in der gegenwärtigen Kriegszeit geführt; das beweisen die vor Gericht schwebenden und noch anzustellenden Ehescheidungsklagen.
Es müßte, wo die Vermieter nicht aus freien Stücken in gegebenen Fällen jeden anstößigen Verkehr in den Mietwohnungen untersagen, ein Druck ausgeübt werden, daß jeder anstößige Verkehr behoben wird. Das sind wir insbesondere unseren im Felde stehenden Kriegern schuldig, deren Ehefrauen gegen die eheliche Treue verstoßen.
So viel aus den Bestrebungen des Ortsvereins Bonn zur Bekämpfung der öffentlichen Unsittlichkeit hervorgeht, wird der Vorstand des genannten Vereins etwaige Beschwerden wohlwollend prüfen und auch die geeigneten Maßnahmen treffen, ohne daß der Beschwerdeführer Gefahr läuft, als Denunziant verurteilt zu werden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Montag, 7. Januar 1918
Der sozialdemokratische Landtagsabgeordnete Hänisch sprach gestern nachmittag im Volkshause an der Sandkaule über den „Kampf um den Frieden und um das neue Preußen“. Er führte etwa aus: Die Versuche, das Friedenswerk von Brest-Likowsk zu zerstören, gehen in erster Linie von England aus. Aber auch gewisse Kreise in Deutschland gefährden mit ihrem Geschrei nach der Einverleibung Kurlands Litauens sowie gegen die Selbständigkeit Polens den deutsch-russischen Verständigungsfrieden. Es wäre aber dummes Zeug, zu glauben, daß nach einem so gewaltigen Erdbeben die früheren Grenzen wieder hergestellt werden könnten. Es ist durchaus verständlich, daß das deutsche Volk wünscht, für den Verlust von Kiautschau und vielleicht auch der Südseeinseln durch ein einheitliches deutsches Kolonialreich in Afrika entschädigt zu werden, das unsere Rohstoffeinfuhr sichert. Man kann auch vernünftig darüber reden, ob es wünschenswert ist, für unsere überschüssige Volkskraft in den bisher russischen Gebieten neues Siedlungsland zu bekommen. Auch auf dem Balkan kann der frühere Zustand nicht wiederhergestellt werden; Serbien muß einen freien Zugang zum Meer haben. Bulgarien muß seine mazedonischen Stammesgenossen mit sich vereinigen. Alle solche Veränderungen sollen aber auf dem Wege der friedlichen Verständigung erfolgen, nicht dadurch, daß eine Partei der anderen restlos ihren Willen aufzwingt. Keine der kriegsführenden Mächtegruppen wird die andere jemals völlig niederzwingen können, es muß also schließlich doch einmal zu einer Verständigung kommen; warum soll da diese Verständigung nicht heute schon möglich sein? Auch wir Sozialdemokraten lehnen einen Frieden ab, der gegen die deutsche Ehre geht, die Selbständigkeit des Reiches antastet oder auch nur einen Fetzen Landes von unserem Reiche abreißt; der Friede muß die wirtschaftliche Entwicklungsfreiheit Deutschlands unbedingt gewährleisten. Eine dauernde Verständigung mit Rußland ist für den Weltfrieden viel wichtiger, als wenn wir unsere Grenzen im Osten ein paar Kilometer weiter vorschieben würden. Wenn wir den Frieden im Osten erst haben, dann kommen die anderen Staaten von selbst nach. Der Krieg hat überall die gewaltigsten Umgestaltungen hervorgerufen. Die gelbe Gefahr, vor der der Kaiser vor 20 Jahren warnte, ist zur Tatsache geworden. London ist endgültig nicht mehr der Bankier der Welt, das ist jetzt Neuyork. Der Krieg hat dem Nationalismus im alten Sinne das Grab gegraben, nach dem Kriege wird einem englisch-amerikanischen Imperium ein mitteleuropäisches Imperium, dem hoffentlich auch das russische Reich angehört gegenüberstehen. Nikolaus II. kann sich jetzt schon selbst der Schönheiten Sibiriens freuen, während die von der Polizei aller Länder verfolgten Lenin und Trotzki mit unseren Regierungen verhandeln. England, das vor dem Kriege konservativste Land, führt das Frauenwahlrecht ein. Auch wir stehen schon mitten in dem Umgestaltungsprozeß. Es werden der Kohlebergbau verstaatlicht, Elektrizität, Tabak und viele andere Dinge monopolisiert werden müssen, um die riesigen Steuern aufzubringen, das Reich wird die Rohstoffe einführen und verteilen müssen, es wird der größte Unternehmer sein. Wir kommen also in einen Uebergangszustand zwischen Kapitalismus und Sozialismus hinein, und es wird Aufgabe der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften sein, die Entwicklung zum Sozialismus bewußt weiter zu treiben. Der Reichskanzler hört über jeden Schritt die Parteiführer, bei der Ernennung der Minister hat sich das Bild geändert, kurz die Demokratie marschiert. [...] (Auf den Inhalt der Rede kommen wir noch zurück.)
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Die deutsche Vaterlandspartei hielt gestern im Bürgerverein eine gut besuchte Mitgliederversammlung ab. Geheimrat Lietzmann begrüßte einleitend die Erschienenen und gab als Grund der Zusammenkunft die inzwischen bekanntgewordenen Friedensbedingungen an. Viele würden zu dieser Weihnachtsbescherung ingrimmig aufbegehrt haben. Die Gefahr sei unheimlich nahe gerückt, daß unser siegreiches Schiff noch kurz vor dem Hafen scheitere. Redner erklärte, wenig Vertrauen zu den führenden Männern in dieser wichtigsten Wendung der Kriegsgeschichte zu haben. „Ja, wenn wir einen Bismarck hätten, oder wenn Hindenburg sage: „Habt Vertrauen“ dann wolle er sich wohl bescheiden. So aber bange er vor dem Kommenden. Doch wolle die Vaterlandspartei, trotz schwerer Bedenken, einstweilen von einer grundsätzlichen Kundgebung absehen.
Pfarrer D. Weber legte dann in längeren interessanten Ausführungen dar, wofür das deutsche Volk in diesem Kriege leide und kämpfe. Für Recht, für Ehre, für unsere Freiheit, unser Eigentum, für unsere ganze Zukunft. Dem Riesen England sei es eingefallen, uns zu drücken, vom Weltmarkt zu verdrängen, uns klein zu machen. Das dürften wir uns nicht gefallen lassen. Wir brauchten die Welt zum wirtschaftlichen und völkischen Leben. Um den uns zukommenden Platz an der Sonne hätten wir zu kämpfen. Dafür müßten wir uns durchhungern und durchkämpfen bis zum glücklichen Ende. In diesem Kriege müsse England ein für allemal niedergerungen werden, sonst sei es um unser Vaterland geschehen. Ueberall seien die Engländer noch als Störenfriede aufgetreten, wie sie jetzt die Störer des Weltfriedens gewesen. „Wir kämpfen um die Befreiung unserer Brüder im Osten, in Kurland, Livland; wir kämpfen für die Freiheit der Vlamen; wir kämpfen um unsere Zukunft und nach dem Worte Hindenburgs um unseren Sieg!“
Die deutsche Vaterlandspartei will in den nächsten Wochen eine ganze Reihe aufklärender Vorträge veranstalten, um in die breiten Massen das Verständnis für Deutschlands Notwendigkeit zu tragen und um unserer Regierung daran einen starken Rückhalt zu geben.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Bonner Stadttheater! Wir möchten die Kassenverwaltung darauf aufmerksam machen, sich doch etwas mehr um den Kartenverkauf kümmern zu wollen. Man stellt sich frühmorgens auf, um seine Karten zu erhalten. Ist nun der erste Schwarm eingelassen, so heißt es: „Alles ausverkauft!“ Dabei sind erste einige Personen abgefertigt. Nun haben wir beobachtet, wie einige Personen bis zu 10 Karten erhalten und nun für die anderen nichts mehr übrig bleibt wie „Galerie“ oder im besten Falle „Parterre“. Wie kommt das? Wir möchten doch höflichst bitten, auch hier wie in Köln einen geregelten Verkauf einzuführen. Einige Theaterfreunde, die niemals Karten bekommen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Vom Rhein. In der vergangenen Woche ist der Wasserstand des Rheines bei im allgemeinen kalten Frostwetter andauern zurückgegangen. Da vorerst noch keine Aussicht auf Wasserzuwachs besteht, ist mit einer baldigen Belebung der Schiffahrt nicht zu rechnen, auch wenn bei Eintritt von Tauwetter der Verkehr nicht mehr durch das Treibeis behindert werden sollte. Die Schiffer sind denn auch bei der Annahme von Reisen sehr zurückhaltend. Die Kahnmieten rheinaufwärts sind beträchtlich gestiegen. In den Ruhrhäfen liegt eine große Anzahl beladener Schiffe mit Kohlen für den Mittel- und Oberrhein, die besseres Fahrwasser abwarten. Die auf der Reise befindlichen Kähne müssen durchweg geleichtert werden. Die Arbeiten gehen bei dem niedrigen Wasserstand nur langsam voran. Viele Schiffe sind auf Grund geraten. Infolge der Stockung in der Schiffahrt macht sich am Oberrhein bereits empfindlicher Kohlenmangel bemerkbar.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Dienstag, 8. Januar 1918
Sammlung von Abfallstoffen jeder Art. Für die Rohstoffversorung unserer Kriegswirtschaft und für die Volksernährung ist es eine zwingende Notwendigkeit, eine möglichst restlose Ausnutzung und Wiederverwertung aller gewerblichen und Haushaltsabfälle herbeizuführen. Aus diesem Grunde ist in Bonn in Anlehnung an die Berliner Landesstelle ein örtlicher Kriegsausschuß für Sammel- und Helferdienst eingerichtet, dessen Leitung im Auftrage des Lebensmittel-Ausschusses Herr Dr. Krantz übernommen hat. Der Nationale Frauendienst (Hauswirtschaftliche Kriegshilfe) hat sich hinsichtlich seiner Sammeltätigkeit diesem örtlichen Kriegsausschuß angeschlossen. Die Sammelstelle befindet sich im Hause Stockenstr. 3 und ist werktäglich vormittags von 9 bis 12 und nachmittags von 3½ bis 6 Uhr geöffnet. Die Sammelstelle ist im Gegensatz zu der im Schlachthof nach wie vor befindlichen Metallsammelstelle so bequem wie möglich für die Bevölkerung gelegt worden. Zunächst werden Kaffeegrund, Obstkerne, Papierabfälle, Gummiabfälle, Korke, Frauenhaar, Konservendosen, Sparmetalle aller Art, Flaschen, Stoffe und Sacklumpen und Küchenabfälle gesammelt. Alles Nähere, auch über die zu zahlenden Vergütungen, ist in der heutigen Anzeige des Kriegsausschusses ersichtlich.
Bürger bedenkt, daß in diesem schweren Kampfe heutzutage nichts wertlos ist. Stärkt vor allen Dingen den Sinn der Jugend für eine eifrige Sammeltätigkeit, und ihr Hausfrauen, seht noch einmal alle Winkel eurer Wirtschaft durch, ihr werdet doch noch vieles finden, was lediglich als Schmutzfänger dient, aber bei der Ablieferung an die Sammelstelle dem Vaterlande nützen kann. Viele Wenig machen ein Viel. Wir hoffen auch, daß unsere bei allen Kriegsmaßnahmen so gern und erfolgreich mitarbeitende Lehrerschaft bei den Schulkindern den lebhaftesten Eifer für alle geplanten Sammlungen wecken wird. Wie wir hören, ist auch beabsichtigt, Sammelbücher herauszugeben, in die den Kindern bei der Ablieferung einzelner Gegenstände Marken geklebt werden und die dann das sammelnde Kind bei Ablieferung eines mit Marken vollgeklebten Buches berechtigen, einen bestimmten Betrag oder Lebensmittel, wie Zucker, Graupen, Gries usw. in Empfang zu nehmen. Der Opfersinn der Bonner Bevölkerung wird auch bei dieser neuen Sammlung vaterländischer Kriegswirtschaft, wie wir hoffen, nicht versagen.
Für die Verteilung von Nähfäden und Nähzwirn haben Kleinhändler, Verarbeiter und Anstalten bis 14. Januar dem städtischen Bekleidungsamt ihren Bedarf anzumelden. Wir verweisen auf die heutige Bekanntmachung des Oberbürgermeisters.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Schwere Einbruchdiebstähle. Aus Godesberg, 7. Jan., wird berichtet: der großen Anzahl von Einbruchdiebstählen, die in der letzten Zeit hier in Godesberg und besonders in Mehlem vorgefallen sind, ist unsere Polizei nunmehr auf der Spur. Durch Abhaltung mehrerer Haussuchungen hat man hier und in Bonn noch größere Teile der gestohlenen Sachen versteckt vorgefunden, wie Treibriementeile, Schuhe, Decken, Konserven, Zigarren usw., die alle von diesen Diebstählen herrühren und von den Bestohlenen anerkannt worden. Auch von den zwei geschlachteten Schweinen, die kürzlich in Mehlem aus dem Rauchfange nachts gestohlen worden sind, fanden sich noch größere Vorräte vor. Alles Uebrige war bereits verkauft, wie überhaupt alles Wertvolle, was dem Verderben ausgesetzt war, vom Dieb und seinen Hehlern stets rechtzeitig veräußert worden war. Als Täter aller dieser Verbrecherfälle ist ein Soldat festgestellt worden, der sich schon längere Monate hindurch in einer Genesungskompagnie in einem Städtchen am Rhein oberhalb Godesbergs befindet und von dort aus sein Räuberhandwerk betreibt. Da er in früheren Jahren in Godesberg und Mehlem als Gartenarbeiter viel beschäftigt war, besaß er große Ortskenntnisse. In der Rheinstraße in Rüngsdorf hatte er für die Unterstellung seiner Beute ein Zimmer gemietet. Außerdem waren bei seiner Schwester hier und bei sonstigen Verwandten in Bonn Hehlerräume vorhanden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und Fern.“)
Ein Mahnruf an Wohnungsvermieter. Kommt man heute, um sich eine Wohnung anzusehen, so ist in den meisten Fällen die erste Frage: Haben Sie auch Kinder? Im bejahenden Falle ist die Wohnung dann nicht zu haben. Und so etwas kann man erfahren in einer Zeit der großen Wohnungsnot. Die Vermieter sollen doch Nachsicht gebrauchen und sich auch etwas nach der ernsten Zeit richten. Vielfach ist der Vater, dessen Kinder wegen die Mutter die Wohnung nicht haben kann, im Felde und leidet für die Vermieter mehr Not, als der Vermieter Unannehmlichkeiten durch Kinder erduldet. Wenn wir nicht so reich an Kindern wären, wo würde heute Deutschland sein? F. T.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Deutsche Vaterlandspartei. Die Ortsgruppe Bonn und Umgebung der Deutschen Vaterlandspartei hielt am Sonntag in Bonn, Beuel und Godesberg Versammlungen ab, um die durch die deutsch-russische Friedenskundgebung vom 25. Dezember geschaffene Lage zu besprechen. […]
In der Beueler Versammlung, die sehr gut besucht war, behandelte als erster Redner Kaplan Schopen aus Godesberg die Frage: Wofür kämpft und leidet das deutsche Volk? Der zweite Redner, Pfarrer Lahusen aus Beuel, sprach über das Glück des Friedens. Geheimrat Dyroff aus Bonn, der die Versammlung leitete, dankte den Rednern für ihre mit großem Beifall aufgenommenen Vorträge und erinnerte daran, daß der Mangel an Nationalbewußstsein auch die Ursache der napoleonischen Unterjochung gewesen sei. Die Versammlung schloß mit dem gemeinsamen Gesang von Deutschland über alles. In derselben Zeit wie in Beuel fand in Godesberg eine Versammlung der Deutschen Vaterlandspartei statt, in der Dr. R. F. Günther aus Bonn denselben Gegenstand behandelte und in einstündiger Rede unser Verhältnis zu England, dem unversöhnlichen Gegner, auseinandersetzte und darlegte, daß unser Heer für das Dasein des deutschen Volkes kämpfe, für die Erhaltung des Deutschtums und für die Mehrung der deutschen Volkskraft. Die Versammlung war über alles Erwarten gut besucht.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Mittwoch, 9. Januar 1918
„Weiße Woche“. In der Woche zwischen dem 12. und 21. Januar veranstaltet die hauswirtschaftliche Kriegshilfe (Nationaler Frauendienst) eine Haussammlung von weißer und bunter Wäsche für Säuglings- und Wöchnerinnenfürsorge. Es bedarf wohl keiner Erklärung, wie groß die Not und wie dringend nötig die Sammlung ist. Die Sammlerinnen, die von Haus zu Haus gehen, sind mit einem gestempelten Ausweis versehen und bitten um freundliche Aufnahme und Bereitstellung der Wäschegegenstände. Alles wird dankbar angenommen. […]
15 Gemüsebauern aus dem Landkreise Bonn hatten sich vorgestern wieder vor der hiesigen Strafkammer zu verantworten, weil sie im vorigen Sommer die Höchstpreise, insbesondere für grüne Bohnen, überschritten hatten. Das Gericht erkannte gegen sie auf insgesamt 86.710 Mark Geldstrafe. Eine Landwirtsfrau aus Duisdorf, die sechs Zentner Bohnen über Höchstpreis verkauft hatte, wurde zu 15.000 M. Geldstrafe verurteilt. […]
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Die Benagelung der Schuhe durch Angestellte des städtischen Bekleidungsamtes in den Volksschulen hat sich sehr bewährt. Aus diesem Grunde beabsichtigt der Lebensmittel-Ausschuß eine erneute Nachprüfung des Schuhwerks aller Volksschulkinder vorzunehmen und wird bei der Stadtverordneten-Versammlung hierfür einen Betrag von 10.000 Mark anfordern. Die Nachprüfung des Schuhwerks geht in der Weise vor sich, daß während der Schulzeit die Schuhmacher des städtischen Bekleidungsamtes, unter Leitung des Herrn Albeck in den einzelnen Klassen sämtliches Schuhwerk der Schüler nachsehen und dort, wo es notwendig ist, sofort die erforderlichen Ausbesserungen vornehmen. Das ist eine umfangreiche und mühselige Arbeit, die sich jedoch in heutiger Zeit, wo der Mangel an Schuhwerk so außerordentlich ist, aufs beste bewährt. Zukünftig soll allerdings ein geringer Prozentsatz (etwa 5 Prozent) der tatsächlich entstehenden Kosten von den Schülern eingezogen werden. Für Bedürftige sorgt nach wie vor die Stadt unentgeltlich. Ebenso plant man auch die höheren Schulen in den Bereich dieser systematischen Schuhausbesserung einzubeziehen.
Die Petroleumversorgung ist wiederum etwas schlechter geworden und denjenigen, die auf die Belieferung mit Petroleum angewiesen sind, kann nicht dringend genug zur Sparsamkeit geraten werden.
Das städtische Lebensmittelamt hat einen vorzüglichen Petroleumsparbrenner eingekauft, der als Nachtlampe Verwendung finden kann. Der Brenner besteht aus einem Glasröhrchen, einem entsprechenden Docht und kann auf jede Medizinflasche überhaupt auf jede Flasche, in der Petroleum ist, aufgesetzt werden. Diese Brenner werden in der Kleinverkaufsstelle, Franziskanerstraße 1, zum Preise von 10 Pfennig abgegeben und verbrennen in 10 Stunden etwa nur für 1 Pfennig Petroleum.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Nachrichten des städtischen Lebensmittelamtes.“)
Der Kampf um den Frieden und um das neue Preußen ist von der sozialdemokratischen Partei energisch aufgenommen worden. Um den Frieden kämpft die Partei von jeher. […] Der sozialdemokratische Abgeordnete Hänisch, der sich am Sonntag nachmittag im Volkshause in mehrstündiger Rede über diese Kämpfe verbreitete, ist ein maßvoller Politiker, dem auch Gegner ruhig zuhören können. Kein Widerspruch wurde laut, und am Schlusse meldete sich auch trotz wiederholter Aufforderung kein Gegner zum Wort, trotzdem freie Aussprache zugesagt war. Dabei war die Rede reich an berechtigte Ausfälle gegen die Gegner. […] Eine im Sinne des Verständigungsfriedens und des Eintretens für ein neues besseres Wahlrecht gehaltene Entschließung wurde von der gut besuchten Versammlung ohne Widerspruch angenommen.
(Volksmund, Rubrik „Bonner Angelegenheiten“)
Donnerstag, 10. Januar 1918
Deutscher Sprachverein. Die Fahrkarten unserer städtischen Straßenbahn weisen seit Jahresfrist auf der Rückseite die Verdeutschung von 12 gebräuchlichen Fremdwörtern aus dem Verkehrsleben auf. Dazu sind seit voriger Woche größere Tafeln gekommen, die an den vorderen Glasfenstern sämtlicher Wagen inwendig angebracht und von der Verwaltung der Straßenbahn und vom hiesigen Deutschen Sprachverein unterzeichnet sind. Auf ihnen werden gegen 60 Wörtern aus dem Geschäfts-, Gewerbe- und Verkehrsleben als Fremdwörter und in deutscher Uebersetzung angegeben, so daß jeder Fahrgast Gelegenheit findet, sich auf den Reichtum und die Schönheit seiner Muttersprache zu besinnen. […]
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Die Ortskohlenstelle berichtet: Auf mehrfache Vorstellungen hat der Reichskohlenkommissar die für die Stadt Bonn zuständige Kohlenmenge erhöht; die erhöhte Menge entspricht aber bei weitem nicht dem Bedarf. Es ist also nach wie vor notwendig möglichste Sparsamkeit beim Brennstoffverbrauch walten zu lassen. […] Wiederholt wird darauf hingewiesen, daß die Abgabe von Kohlenmarken an die Händler im Voraus, bevor Lieferung der Brennstoffe erfolgt, unzweckmäßig ist und vielfach dazu führt, daß Kohlenmarken verfallen. Bei der Ortskohlenstelle werden viele Klagen darüber laut, daß die Kohlenhändler die bestellten Kohlen oder Briketts nicht in die Wohnung liefern. Bei dem Mangel an Personal und Fuhrwerk ist es den Händlern unmöglich, in allen Fällen die Lieferung in die Wohnungen vorzunehmen. Es empfiehlt sich, soweit irgend möglich, die Kohlen beim Händler abzuholen oder abholen zu lassen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Gemüseversorgung ist in letzter Zeit auch wieder geringer geworden. Glücklicherweise ist das Lebensmittelamt in der Lage, noch immer reichliche Aepfelzufuhren auf den Wochenmarkt zu bringen. Letzteres wird hier noch viel zu wenig anerkannt, wenn man bedenkt, daß in anderen Städten gerade in Obst zur Zeit und schon seit Wochen die allerempfindlichste Knappheit herrscht. Da aber auch die Aepfelbestände zur Neige gehen, so kann den Bürgern nicht dringend genug geraten werden, sich recht bald einen möglichst hohen Bestand aufzukaufen und diesen zu Hause einzulegen. Zur Zeit werden die Aepfel noch ohne jede Gewichtsbeschränkung an die Bonner Käufer abgegeben.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Nachrichten des städtischen Lebensmittelamtes.“)
Stadttheater. Sobald hier eine Oper angesagt ist, sind in höchstens nach Ablauf einer Stunde des angesagten Vorverkaufs sämtliche Sitzplätze ausverkauft. Die Kalamität liegt zweifellos daran, daß bei dem kleinen Theater viel zu wenig Opern sind – alle 14 Tage eine Oper – für eine Stadt, wie Bonn nebst Umgebung. Könnte bei der Direktion nicht angeregt werden wöchentlich 1 – 2 Opernvorstellungen zu geben. Sie dürfen sicher gut besucht sein; so geht der größte Teil leer aus. Vielleicht wenigstens ab und zu eine Oper mit aufgehobenem Abonnement. Einige, die stets vergeblich „stehen“.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Keller-Räuber. In erschreckender Weise mehren sich tagtäglich die Einbruchdiebstähle. Ungeniert und durch die allgemeine Dunkelheit begünstigt treiben die Einbrecher ihr „Handwerk“. In den letzten Tagen hat man dafür die Paulstraße und Breitestraße ausersehen und aus mehreren Kellern sind die notdürftigsten Nahrungsmittel wie Kartoffeln, eingemachte Bohnen, Kappus und Aepfel ungestört weggenommen worden. In der vorigen Nacht haben die Diebe schon zum zweiten Male in dem Keller des Hauses Ecke Breite- und Paulstraße eingebrochen und Vieles hinausgeschleppt; da sich in demselben ein Kolonialwarengeschäft befindet, vermuteten die Diebe große Beute.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Freitag, 11. Januar 1918
Auf dem Güterbahnhof wurde in der Nacht zum gestrigen Donnerstag ein Landsturmmann, der dort Posten stand, von einem rangierenden Zuge überfahren und getötet. […]
Die Kriminalpolizei nahm drei Burschen im Alter von 17 bis 19 Jahren fest, die in eine Wohnung der Heisterbacherhofstraße eingedrungen waren und dort die Brotkarten gestohlen hatten. Fener wurden zwei Jungen von zehn bezw. vierzehn Jahren festgenommen, die in der letzten Zeit eine Reihe Keller- und Ladendiebstähle ausgeführt und dabei Lebensmittel und alle möglichen Gebrauchsgegenstände erbeutet hatten.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Noch immer häufen sich die Anträge auf verloren gegangene Lebensmittelkarten und damit die Klagen, daß Familien, die durch ihre Nachlässigkeit in diese Lage kommen, Unannehmlichkeiten entstehen. Es ist aber nicht zu vermeiden und muß vielmehr im Interesse der Allgemeinheit durchgeführt werden, daß diese Nachlässigen, die die Rationierung der Bevölkerung aufs allerunangenehmste durchkreuzen, auch entsprechend bestraft werden. Nachdem so viele Warnungen erfolgt sind, erscheint es geradezu als eine unglaubliche Bummelei, wenn noch immer solche Verluste gemeldet werden, Verluste, über die man vor allen Dingen auch noch zweifelhaft sein kann, ob sie nicht nur vorgeschützt werden, um dem Eigennutz des Einzelnen zur Erlangung doppelter Rationierung zu dienen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Nachrichten des städtischen Lebensmittelamtes.“)
Seine Erlebnisse an der Kampffront schilderte gestern abend vor einem gewählten Zuhörerkreise in der Lese der Felddivisionspfarrer Kolfhaus. „Ist die Heimat noch bereit, dem großen Kämpfen dort ihr ganzes Herz zu schenken! Zur Front zurückkehrende Soldaten erzählen oft von tauben Ohren und wenig Verständnis, die sie für ihr Ringen gefunden.“ Das Verständnis für das gewaltige Geschehen draußen zu fördern, war nach diesen einleitenden Sätzen des geistlichen Redners, der im Zivildienst Pfarrer in Godesberg ist, Bestreben. […] Man merkt hier überall die Nähe des Jenseits. Sehr wird der Pfarrer von den Beerdigungen in Anspruch genommen; der Soldat hält etwas auf recht feierliche Bestattungen und so geschieht alles, ihm darin entgegen zu kommen. Es werden viele dort der Mutter Erde wieder übergeben; zu viele; in wenigen Monaten füllen sich Friedhöfe, die einer Stadt von 3 – 4000 Bewohnern auf Jahrzehnte genügten. […] Auch lichte freundliche Bilder, leise lockender Humor wußte der Redner von draußen zu zeigen; aber sie sind selten: hart und grausam, ohne jede Romantik ist der moderne Krieg. Hart ist auch der Weg zum heiß ersehnten Frieden; er muß mit hartem Sinn gegangen werden, bis er erreicht wird. „Gott schicke ihn bald.“
Pfarrer Lorenz, der einleitend zu des Redners Vorstellung gesprochen, forderte zum Schluß in markigen Worten zu Vertrauen, zu Einhalten, Durchhalten und Anhalten auf.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Wünsche der Kriegsbeschädigten. 1. Bei der jetzt herrschenden Jahreszeit, verbunden mit Schneefall und Glatteisbildung wäre es erwünscht, wenn auch in Bonn morgens von 4.30 Uhr bis 6 Uhr einige Straßenlaternen brennen würden, um den zur elektrischen Bahn Siegburg-Bonn bzw. umgekehrt sich begebenden Kriegsinvaliden eine wesentliche Erleichterung im Begehen der Straßen zu verschaffen. Wenn auch nicht eine vollständige Beleuchtung gefordert wird, so wäre wenigstens die Beleuchtung der Straßenecklaternen dadurch gerechtfertigt, da doch auch Kriegsinvaliden Steuerzahler sind. 2. Die Arbeiter und Arbeiterinnen der Kgl. Werke zu Siegburg, welche die elektrische Bahn Bonn-Siegburg benutzen müssen, erheben Beschwerde wegen Nichtheizung der Züge und stellen die Frage, warum denn die Züge der Rheinuferbahn sämtlich geheizt werden und nicht auch die Wagen der nach und von Siegburg verkehrenden Züge. Bund der Kriegsbeschädigten und ehem. Kriegsteilnehmer. Ortsgruppe Bonn.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Samstag, 12. Januar 1918
Im Namen des Gesamtverbandes der Evangelischen Arbeitervereine Deutschlands (156.000 Mitglieder) hat D. Weber in Bonn dem Herrn Reichskanzler den Ausdruck der Ueberzeugung unterbreitet, daß die deutsche Reichsregierung unter keinen Umständen ihre Stellung in bezug auf die Angliederung von Kurland, Livland und Teilen von Estland an das Deutsche Reich aufgeben werde und daß sie unter keinen Umständen in die völlige Freigabe Belgiens durch Deutschland und die damit eintretende Befestigung der Weltstellung Englands auf Kosten Deutschlands willigen werde, daß die Sicherstellung unserer militärischen Notwendigkeiten für die selbstverständliche unbedingte Voraussetzung jeder Regelung in Ost und West sei und daß sie Hindenburg und Ludendorff eine maßgebende Mitwirkung in allen irgendwie strategischen Fragen zugestehen werde.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Das weiße Fähnchen. In der nächsten Woche wird in unserer lieben Stadt Bonn ein Notsignal gehißt werden, das von einer eigenartigen Genossenschaft ausgeht: Es sind die vereinigten Säuglinge, die Kriegskinder, die sich mit beweglicher Klage an das Herz der Vaterstadt wenden. Nicht nur der „Mutterliebe zarte Sorgen“, nein – der Mutterliebe schwere Sorge, die Sorge selbst sitzt am Bettchen unsere Kleinsten. Sie haben nichts sich zu wärmen und zu kleiden, Windeln, Hemdchen und Söckchen, sie sind nicht vorhanden. Dunkel und kalt ist der Raum, wo sie zum Leben erwachen, hart ist das Lager, das sie empfängt, ihre nackte Hilflosigkeit braucht Tücher und Hüllen. Hier nutzt kein Geld, sie brauchen Opfer! Die Vaterstadt Bonn, sei Schützer und Helfer, erfülle Kriegspatenschaft an den winzigen Menschlein, an den warmen kleinen Leben, die zum Lichte drängen in allerschwerster Zeit. Ihr Großmütter und Mütter, Ihr Hausfrauen und Töchter, schaut in Eure Schränke und Kommoden und sucht ein Scherflein aus Eurem Weißzeug, damit ein Säugling Euch danke durch ein Lächeln, daß sein erster Lebensweg vor Not geschützt sei! Gebt mit freundlichem Gesicht den jungen Helferinnen, die für die Kindlein unserer Vaterstadt bitten kommen, damit wir alle zusammenstehen in dieser Liebespflicht für unseres Vaterlandes Wachstum. Laßt uns helfen dem kommenden Geschlecht, das mühselig seinen Einzug hält in unsere schöne Vaterstadt, es bedarf unseres Schutzes. Laßt uns suchen und finden! Laßt uns die Hände breiten um die Wiege unserer Kleinsten!
Der Bonner Wochenmarkt war gestern ziemlich gut beschickt. Im ganzen waren etwa 40 Verkäuferinnen erschienen. Gemüse, wie Krauskohl, Wirsing, Rosenkohl usw., war verhältnismäßig reichlich vorhanden. Blumenkohl, Spinat und Feldsalat dagegen überhaupt nicht. […] Der Verkauf war im allgemeinen sehr flott und der Markt gegen ½10 Uhr schon wieder fast vollständig geräumt.
Der Großmarkt auf dem Stiftsplatz hatte dagegen gestern fast gar keine Zufuhren. Nur hier und da war eine Verkäuferin mit einigen Körben mit Gemüse, wie Krauskohl, Wirsing und Rosenkohl und etwas Kleinzeug wahrzunehmen. Die Waren waren so wie sie auf den Markt kamen im Augenblick auch schon wieder verkauft.
Der städtische Verkauf auf dem Wochenmarkt hatte gestern wieder recht regen Zuspruch. Aber auch hier ließen die Zufuhren außer in Aepfeln und Krauskohl viel zu wünschen übrig. Fische waren überhaupt nicht zu haben. […]
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Nachrichten des städtischen Lebensmittelamtes.
[…] Ersatznahrungsmittel für Schwerkranke. Die Annahme, als genüge die Abgabe einer ärztlichen Bescheinigung ohne weiteres zum Bezuge der gewünschten Zusatznahrungsmittel für Kranke, ist irrig. Es muß vielmehr der Verwaltung überlassen bleiben, je nach Vorrat die Mengen der angeforderten Nahrungsmittel zu bestimmen. Täglich gehen über hundert derartige Anträge ein. Bei den geringen Vorräten ist es aber einfach unmöglich, allen Wünschen gerecht zu werden, so gern das Lebensmittelamt dies auch tun würde. Die ärztlichen Bescheinigungen sind 4 Wochen gültig und müssen nötigenfalls nach dieser Zeit erneuert werden.
Eier. Auf jede für die kommende Woche gültige Eierkarte gelangt 1 Ei zum Preise von 42 Pf. zur Ausgabe. Der Verkauf beginnt am Mittwoch, den 17. Januar, nachmittags. Es werden sogen. Kalkeier abgegeben, die sich nur zu Backzwecken eignen.
Kriegsküchen. […] Die Beschaffung von Löffeln ist außerordentlich schwierig geworden. Das Verleihen von Löffeln an Teilnehmer, die das Essen in den Speiseräumen der Kriegsküchen einnehmen, muß daher unterbleiben. Die Gäste müssen sich einen Löffel mitbringen. […]
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Lebensmittelverkauf“)
Die deutsche Vaterlandspartei hat, wie auf verschiedene Anfragen klargestellt sei, für ihre verschiedene Versammlungen hier und Umgegend unserem Blatte keine Anzeige zugesandt, es konnte also auch keine Anzeige unterdrückt oder von der Aufnahme ausgeschlossen werden, wie vermutet wird. Der Parteileitung ist die Beschäftigung mit ihr an dieser Stelle anscheinend unerwünscht. Weshalb von einer weiteren Berichterstattung über ihre Versammlungen und sonstige Veranstaltungen abgesehen wurde. Was wir auch für die Folge beizubehalten gedenken.
(Volksmund, Rubrik „Bonner Angelegenheiten“)
Sonntag, 13. Januar 1918
Die Kinderlesehalle Münsterschule wird Mittwoch, den 16. Januar, wieder eröffnet.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Gegen die Papiernot. Am heutigen Sonntag werden in allen größeren Städten Deutschlands Versammlungen der Buchdrucker- und Schriftgießer-Organisationen stattfinden, in denen die Folgen der Papiernot besprochen werden sollen. Die Buchdrucker und anderen graphischen Arbeiter befürchten, daß der wachsende Papiermangel sie für die Folge sehr schädigen wird, da die Beschäftigungsmöglichkeit für die Arbeiter in den einzelnen Druckereien verringert wird. Sie wollen sich an den Reichskanzler wenden und auf die Notwendigkeit der besseren Papierversorgung der Druckereien aus sozialen Gründen hinweisen.
Für 7000 Mark Leder wurde gestern nacht aus einer hiesigen Lederfabrik gestohlen.
Am Schöffengericht Bonn hatten sich am Freitag der 47jährige Pflasterer Heinrich Ko. und dessen jetzt 17jährige Tochter Ottilie von hier zu verantworten, weil sie nach einer Gerichtssitzung zwei Zeugen auf dem Heimwege schwer beleidigten und sie sogar des Meineides bezichtigten; eine Erscheinung, der Zeugen häufig ausgesetzt sind. Beide Angeklagte waren am 22. November vom Kriegsgericht zu Bonn wegen Kartoffeldiebstählen, die sie an zwei Stellen in der Gemarkung Godesberg begangen hatten, zu 1 Monat Gefängnis bzw. 30 Mark Geldstrafe verurteilt worden. Beim Ausgange aus dem Sitzungslokal riefen sie den beiden Hilfsfeldhütern Fuchs und Krutwig aus Godesberg, die als Zeugen gegen sie vernommen worden waren, zu: „Ihr Lumpen, ihr Meineidigen, ihr müßt vergehen wir Gras auf der Erde“. Als auf der Straße diese Angriffe fortgesetzt wurden, kehrten beide Zeugen sofort um und stellten beim Staatsanwalt Strafantrag. In der vorgestrigen Sitzung wurde nun den beiden Angeklagten als strafmildernd zugestanden, daß sie sich damals wegen der verhältnismäßig hohen Bestrafung in begreiflicher Aufgeregtheit befunden und daß sie ferner nachträglich ihre Entschuldigung bei den beiden Beleidigten zum Ausdruck gebracht hatten. Deshalb erachtete das Gericht ein Monat Gefängnis gegen Heinrich Ko. ausnahmsweise für eine ausreichende Sühne, während bei dessen Tochter, die damals noch jugendlich war und ihrer Beschimpfung eine weit weniger häßliche Form gegeben hatte, von einer Freiheitsstrafe abgesehen und auf eine Geldstrafe von 30 Mark erkannt wurde. Außerdem wurde den Klägern das einmalige Einrücken des Urteils in den Bonner General-Anzeiger zuerkannt. […]
Strafkammer Bonn. Die 23jährige Ehefrau des zum Heere einberufenen Richard Hi. von hier hatte im November einen von der Stadt Bonn auf sie ausgestellten Schein über Kohlenzulage dahin gefälscht, daß sie aus „drei“ Mark „dreißig“ Mark machte, und den Mehrertrag für den Ankauf von Kohlen zu erschwindeln suchte. Als sie damit an die Armenkasse kam, um das Geld zu erheben, wurde der Betrug sofort entdeckt. Das Gericht ließ im vorliegenden Falle Milde walten in Berücksichtigung ihrer gesamten Lage und erkannte gegen sie wegen Urkundenfälschung auf nur 2 Wochen Gefängnis. […]
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
An die Frauen Bonns! Wenn auch die Weihnachtstage vorüber sind, so habt Ihr Bonner Frauen hoffentlich doch den köstlichen Schatz der Liebe, den die Weihnacht in Euren Herzen entzündet hat, mit hinübergenommen in das neue Jahr. An Euch geht der Ruf, Herzen und Hände zu öffnen, um von Eurem Reichtum abzugeben. Zunächst wende ich mich da an Euch, Ihr Mütter Bonns. Versetzt Euch in Gedanken zurück in die Zeit, als Ihr für Euren Erstgeborenen all die kleinen Sachen, Windeln, Jäckchen, Hemdchen, all das zierliche Zeug genäht habt zu einer Zeit, als die Stoffe dafür noch reichlich zu kaufen waren. Laßt von der Liebe, die Ihr damals empfandet, überströmen auf die heutigen jungen Mütter, die es so schwer haben, denen das Notwendigste fehlt. Geht an Eure Leinenschränke, sie sind noch heute der Stolz der Hausfrauen. Tretet Ihr mit Gedanken der Liebe an Eure Schätze, so findet sich ganz sicher ein Stück, das Ihr entbehren könnt; hier ein Bettuch, dort eidn paar Servietten, die entbehrlich geworden sind, sich aber zu Windeln eignen, ein Herrenhemd, ein enger Unterrock, alte Taschentücher und vor allen Dingen Kleinkinderwäsche. Alles, was weiß ist oder wärmt, kann verwendet werden. Nehmt es heraus und legt es zurecht; in der „Weißen Woche“ vom 12. bis 21. Januar werden Sammlerinnen in jedes Haus kommen, die die Sachen abholen und zur Sammelstelle bringen. Unendlich groß ist die Not für die kleinen Wesen; ein großer Mensch kann sich einschränken mit dem, was er hat, aber das Neugeborene bringt nichts mit auf die Welt und sollte gerade heute, wo es Ersatz zu schaffen gilt für all die Menschenleben, die der Krieg gefordert hat, doppelt gehegt und gepflegt werden. Das kleine Menschenkind kann Wärme und Behaglichkeit nicht entbehren, wenn es gedeihen soll, deshalb ist es notwendig, daß jeder gibt, was er irgendwie entbehren kann. Wenn dann später die Fahnen den Frieden verkünden, dürfen auch wir Frauen die Gewißheit haben, daß wir mitgeholfen haben, den Sieg zu erringen, nicht den Sieg durch Kampf und Tod, sondern den über uns selbst, der notwendig ist, wenn wir Altgewohntes und Liebgewordenes zum Wohle des Vaterlandes opfern müssen. C. v. Z.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Montag, 14. Januar 1918
In einem hiesigen Warenhause wurde in der Nacht zum gestrigen Sonntag eingebrochen. Die Diebe nahmen für etwa 5000 Mark Wäsche mit.
Zehn Hühner und ein Hahn sind vorige Nacht von einem Grundstück der Nordstraße gestohlen worden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Das 2½-Pfennig-Stück. Man schreibt uns: Durch die Einführung von Postwertzeichen im Werte von 7½ Pfennig ist es notwendig geworden, auch eine Münze zu schaffen, die den Erwerb eines einzelnen solchen Postwertzeichens ermöglicht. Es wurde daher die Einführung einer neuen Münze im Werte von 2½ Pfennig beschlossen. Von der Durchführung dieses Beschlusses wird aber einstweilen Abstand genommen werden müssen, weil die für eine solche Münze in Betracht kommenden Metalle zur Zeit nicht zur Verfügung stehen. Das 2½-Pfennig-Stück wird mithin erst nach dem Kriege zur Ausprägung gelangen. Mit seinem Erscheinen im Zahlungsverkehr wird das 2-Pfennig-Stück entbehrlich, da es zwecklos ist, zwei Münzen, deren Zahlwert so dicht beeinander liegt, gleichzeitig im Verkehr zu haben. Auch kann das 1-Pfennig-Stück bei ausreichender Prägung das 2-Pfennig-Stück vollkommen ersetzten.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Kathol. Akademiker-Vereinigung für Bonn und Umgebung. Wegen neuerdings erfolgter Fahrteinschränkungen auf den badischen Eisenbahnen kann der Vortrag von Herrn Geheimrat Professor Dr. Finke – Freiburg i. Br. am Montag den 14. Januar nicht stattfinden. Der Vortrag wird verlegt auf einen späteren Tag.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Dienstag, 15. Januar 1918
Deutsche Vaterlandspartei. Sonntag, den 20. Jan., veranstaltet die Ortsgruppe Bonn und Umgebung zwei feierliche Kundgebungsversammlungen deutschen Siegeswillen in Bonn (11½ Uhr Bürgerverein) und Godesberg (6 Uhr Kurpark), in der eine Botschaft der Hauptleitung verlesen und der Vorsitzende der Ortsgruppe eine Ansprache halten und eine zu fassende gemeinsame Entschließung begründen wird.
Sammlung von Abfallstoffen jeder Art.
Fast die ganze Welt steht gegen uns und verschließt uns die auswärtigen Quellen jeder Art.
Wenn wir die Abfallstoffe, die sonst achtlos umkommen, nutzbringender Verwertung zuführen, so schaffen wir neue Werte und heben dadurch unser Nationalvermögen.
Für die Rohstoffverwertung unserer Kriegswirtschaft und für die Volksernährung ist es eine zwingende Notwendigkeit, daß eine möglichst restlose Ausnutzung und Wiederverwertung gewerblicher und Haushaltsabfälle stattfindet.
Nichts ist heutzutage wertlos.
Die kleinsten Mengen, die aus dem einzelnen Haushalt kommen, vergrößern sich in der Gesamtheit einer Stadt zu ansehnlichen Massen.
Der Kriegsausschuß für Sammel- und Helferdienste, dem sich für die Sammeltätigkeit die hauswirtschaftliche Kriegshilfe (Nationaler Frauendienst) angeschlossen hat, richtet daher an alle Mitbürger die dringende Bitte, aus vaterländischen Grundsätzen die Sammeltätigkeit nach jeder Richtung zu unterstützen.
Die Sammelstelle befindet sich in der Stockenstraße 3 und ist werktags täglich vormittags von 9 bis 12 Uhr und nachmittags von 3½ bis 6 Uhr geöffnet. [...]
Mitbürger! Laßt diese Mahnung zur Besserung unserer Kriegswirtschaft nicht an Euch vorübergehen, denkt daran, daß Ihr damit dem Vaterlande helft.
Bonn, den 7. Januar 1918
Oertlicher Kriegsausschuß für Sammel- und Helferdienst
D. Krantz
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Die Bekleidung bedürftiger Erstkommunikanten.
Wir erhalten folgende Zuschrift: In diesem Jahre wird es ganz besonders schwer fallen, den bedürftigen Erstkommunikanten die notwendigen Kleidungsstücke zu beschaffen. Wohlhabende Katholiken haben gewiß in Schränken und Kommoden noch manche Herren- oder Damenkleider oder Unterzeuge, welche für sie selbst entbehrlich, die aber für die armen Kinder noch passend gemacht werden könnten. In der großen Stiftspfarre, die besonders auch von den ärmeren Klassen bewohnt wird, gibt es viele arme Kinder, deren Väter und Brüder draußen für uns kämpfen, denen aus solchen abgelegten Kleidern für ihre erste Kommunion geeignete Anzüge bereitet werden könnten. Ich bitte daher dringend, solche noch brauchbaren Sachen entweder an die Franziskanerinnen des Klosters in der Maargasse zu senden, oder mir Nachricht zu geben, damit ich sie abholen lassen kann.
Berndorff, Pfr.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Kleiderstreckung ist jetzt eine ebensolche Notwendigkeit geworden, wie die Streckung der Nahrung. Fräulein Luise Duben aus Köln wird am Montag, den 21. Januar, 6 Uhr, auf Veranlassung der „Hauswirtschaftlichen Kriegshilfe“ in der Lese einen Vortrag halten und zeigen, wie man aus Decken, Vorhängen, alten Wäschegegenständen und auch aus Herrenkleidung vortreffliche Bekleidungsstücke herstellen kann. Außerdem wird sie an Beispielen zeigen, wie man schadhaft gewordene Strümpfe ausbessern kann, indem man aus alten Beinlängen geschnittene neue Sohlen, Fersen und Spitzen einsetzt. Die „Hauswirtschaftliche Kriegshilfe“ wird in dieser Woche an Montags und Donnerstags Strümpfe zum Flicken in der neuen Sammelstelle Stockenstraße 3 annehmen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Mittwoch, 16. Januar 1918
Oel statt Butter. Diese Woche wird keine Butter abgegeben. Es gibt auf die Butter- und Fettmarke zusammen 70 Gramm Oel.
Schwerer Raub. Zwei ausländische Arbeiter wurden am Montag abend unter dem Vorwande, sie könnten ein Kleidungsstück kaufen, von einem Mädchen an den Rhein gelockt. In der Nähe des Männerasyls überfielen vier Männer die beiden Ausländer, schlugen sie nieder, verstopften ihnen den Mund und mißhandelten sie so lange, bis sie regungslos dalagen. Dann untersuchten sie die Kleidung der Ueberfallenen und raubten ihnen 200 Mark, während sie das in das Hemd eingenähte Geld nicht fanden. – Die vier Räuber, zwei Fahnenflüchtige und zwei Kriegsbeschädigte, ferner das Mädchen, das die Ueberfallenen geführt hatte, und noch ein zweites Mädchen, wurden gestern von der Kriminalpolizei ermittelt und festgenommen.
Aus dem städtischen Lebensmittelamt.
Zu der Schweineschlachtung sei darauf hingewiesen, daß der Endtermin für die Genehmigung von Hausschlachtungen vom 15. Januar auf den 31. Januar hinausgeschoben worden ist. Nach dem 31. Januar dürfen Hausschlachtungen unter keinen Umständen mehr genehmigt werden. Die Schweinehalter tun daher gut, in den nächsten beiden Wochen ihre Schweine, auch wenn sie die sog. Schlachtreife noch nicht erlangt haben, abzuschlachten oder sie dem Kommunalverband Stadtkreis Bonn zur Verfügung zu stellen. Näheres teilt hierüber die Abteilung 2 des Lebensmittelamtes mit.
Brot.
Vom 4. Februar ab fallen die bisher als Brotersatz gegebenen Kartoffeln, 1 ½ Pfund wöchentlich, weg. Das Brot soll dann mit Kartoffelzubereitungen gestreckt werden. Auf den Kopf der Bevölkerung und den Tag werden von der Reichsgetreidestelle 200 Gramm Mehl und 20 Gramm Kartoffelzubereitungen zur Verfügung gestellt, das entspricht einer Wochenmenge von vier Pfund Brot. [...]
In der letzten Zeit mehren sich die Eingaben, aus denen hervorgeht, daß einzelne Familien ihre eingekellerten Kartoffelnvorzeitig aufgezehrt haben. Derartigen Anträgen um erneute Kartoffelzuteilung kann unter keinen Umständen Folge gegeben werden; denn dadurch würden die anderen Bürger benachteiligt werden. Als Ersatz für zu früh verbrauchte Kartoffeln werden nur Steckrüben ausgegeben. Die Hausfrauen seien wiederholt gewarnt; denn bis zu 23.Februar, dem Zeitpunkt bis zu dem die eingekellerten Kartoffeln reichen müssen, ist noch eine lange Zeit. [...]
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Kostenfreie Benutzung des Stadttheaters. Kapellmeister Sauer beantragt den Erlaß der Kosten für Heizung, Beleuchtung und Feuerwehr für die von ihm im Stadttheater veranstalteten sieben Symphoniekonzerte. Der Finanzausschuß befürwortet den Antrag und die Deckung der Kosten aus unvorhergesehenen Ausgaben des Haupthaushaltsplanes.
Ein Ei zum Preise von 42 Pfg. wird in dieser Woche abgegeben.
11 Grad Wärme brachte uns der gestrige Tag; gewiß eine ungewöhnliche Erscheinung im „Hartmond“. Frischfröhlicher Frost um diese Zeit ist ja schöner und gesunder, bei der jetzigen Kohlenknappheit aber sind solch warme Tage nur zu begrüßen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Für die Benagelung der Schuhe der Schulkinder wird von den Stadtverordneten ein Kredit von 10.000 Mark gefordert.
Die Metropol-Theater-Lichtspiele bezeichnen ihren neuen Film: „Weib gegen Weib“ als das Tagesgespräch Bonns, als eine künstlerische Schöpfung von märchenhafter Pracht und Schönheit. Außerdem bringen sie den ersten großen Film ihrer Hanny-Weisse-Serie, mit der Darstellerin in ihrem neuesten Filmwerk: „Der Versicherungskobold“ Lustspiel voll sprühenden Humors in 3 Akten von Paula Klär, sowie die Neuheit Grete Weixler in dem neuesten Schlager: „Der Kinokönig“, Lustspiel in 2 Akten, ferner Naturaufnahmen und Kriegsberichte.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Donnerstag, 17. Januar 1918
Die Vertreterversammlung der Bonner Studentenschaft sendet uns folgende Erklärung zur Veröffentlichung:
Vor kurzem sind in mehreren Fällen von einem kleinen Kreise Heidelberger Studierender unter Führung eines gewissen Ernst Toller Aufrufe in der Presse erschienen, die zu irrigen Ansichten über den in der Deutschen Studentenschaft herrschenden Geist Anlaß geben könnten. Dieselben setzen sich einmal für den Professor W. Förster in München ein, das andere Mal nehmen sie Stellung gegen die „Deutsche Vaterlandspartei“.
Nachdem bereits der Ausschuß der Heidelberger Studentenschaft in einer besonderen Erklärung gegen die kleine Gruppe um Herrn Toller Stellung genommen hat, möchten wir als zuständige Vertretung der gesamten Bonner Studentenschaft auch unsrerseits nicht verfehlen,, diesen Bestrebungen entgegenzutreten und unseren Standpunkt demgegenüber klar stellen. Wir sind dabei der festen Ueberzeugung, mit unseren im Felde stehenden Kommilitonen eins zu sein.
Wir Bonner Studenten erklären, in keiner Weise von jenen Umtrieben berührt zu sein, und verwerfen diese Bestrebungen in ihrer ganzen Grundrichtung. Wir wollen mit allen Kräften solchen unpatriotischen Kundgebungen gewisser Gruppen entgegenarbeiten und deutsch-nationalen Geist in jeder Weise heben. Dabei berufen wir uns auf das zu allen Zeiten vaterländische Verhalten unserer Studentenschaft, auf die von uns ins Leben gerufenen Bismarcks-Huldigungsfeiern und unsere führende Stellung dabei, nicht zuletzt auf die von unseren Kommilitonen gebrachten großen Blutopfer während des Weltkrieges.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Zionistische Vereinigung Bonn. Wie wir hören, veranstaltet die Zionistische Vereinigung in Bonn am Sonntag einen Vortragsabend, in dem Herr Dr. Fritz Löwenstein – Berlin über das Thema „Judenfrage und Weltpolitik“ sprechen wird. Er wird hierbei die von Berlin und Konstantinopel zustimmend behandelten Pläne zur Schaffung einer öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstätte in Palästina und die Ostjudenfrage als genauer Kenner des einschlägigen Stoffes behandeln.
Fürsorge für unsere Jugend. Man schreibt uns: Das massenhafte Eindringen der Frauen in die Geschoß- und Munitionsfabriken, Eisen-, Straßenbahn-Dienste, das Fehlen der festen Hand des Vaters hat vielfach die Bande der Familie gelockert. Da galt es, der Gewalt der Verhältnisse ein Gegengewicht zu bieten durch Fürsorge für die, die zu schützen unsere Pflicht ist, für unsere Jugend. Die schon in Friedenszeiten unter Leitung des Stadtschulrates Dr. Baedorf wohl ausgebaute Jugend-Wohlfahrtspflege unserer Stadt hat sich in diesen schweren Zeiten besonders hoch entwickelt und sorgt für Bewahranstalten, Kinderhorte, Kinderspeisungen, Tagesheime. Bestehen doch in unserer Stadt allein nahezu 20 Horte. Zur Durchführung dieser fürsorgerischen Maßnahmen ist die freiwillige Mitarbeit zahlreicher Frauen unerläßlich. Nicht vergeblich erging in Bonn der Ruf nach dieser Mitarbeit in der Fürsorge für die heranwachsende Jugend. Eine stattliche Anzahl von Hortleiterinnen versammelte sich Dienstag dieser Woche im Gesangsaal des Städt. Lyzeums. Herr Oberbürgermeister Spiritus sprach in begeisternden Worten über Notwendigkeit der Jugendfürsorge und sagte Dank für die lange treue Mitarbeit, die ein unvergeßliches Ruhmesblatt in der Kriegsgeschichte der Stadt Bonn bleiben werde. Dann überreichte er jeder der eingeladenen Damen eine Ehrennadel und Herrn Schulrat Dr. Baedorf eine Ehrenurkunde.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Holz für die Flugzeugindustrie. In Anbetracht des großen Bedarfs an Flugzeughölzern ist es im vaterländischen Interesse dringend notwendig, der Flugzeugindustrie möglichst große Mengen Flugzeughölzer zuzuführen. Gewünscht werden: Kiefern, Linde, Ahorn, Ulme, Rotbuche, Fichte, Birke und Erle. Merkblätter, bezüglich der an die Fluhhölzer gestellten Ansprüche können von der Forstabteilung der Landwirtschaftskammer für die Rheinprovinz in Bonn, Endenicher Allee 60, bezogen werden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Freitag, 18. Januar 1918
Die gefallenen Studenten der Universität Bonn. Die Zahl der Bonner Studenten, die im Weltkriege bisher für das Vaterland gestorben sind, beträgt nach der neuesten Ehrentafel der Universität 461. Sie ist sehr groß, der Krieg hat von der akademischen Jugend ebenso wie von allen Schichten der Bevölkerung unerhört zahlreiche Blutopfer gefordert. Vergleicht man jedoch die Gefallenenzahlen der einzelnen Kriegssemester miteinander, so ergibt sich die unter diesen Verhältnissen erfreuliche Tatsache, daß, obwohl die Zahl der Kriegsteilnehmer ständig gestiegen ist und sich mehr als verdoppelt hat, die Zahl der Gefallenen trotzdem immer geringer geworden ist. Die folgende Zusammenstellung gibt für jedes Semester die Zahl der gefallenen Studenten nach Fakultäten und insgesamt in der letzten Spalte die der Kriegsteilnehmer an. Danach sind im ersten Kriegssemester 4,48 v. H. der Kriegsteilnehmer gefallen, im zweiten 3,47 v. H., im dritten 2,14 v. H., im vierten 1,56 v. H., im fünften 1,43, v. H., im sechsten 1,04 v. H. und im laufenden siebten Kriegssemester, das allerdings noch nicht abgeschlossen ist, nur 0,52 v. H. [...]?
Die Vorräte an Kartoffeln und anderer Lebensmitteln in den Kellern der tief liegenden Stadtteile werden durch das immer noch steigende Hochwasser gefährdet. Die Bürger in den gefährdeten Stadtteilen mögen daher ihre Vorräte so schnell wie möglich in Sicherheit bringen.
Der Reichsverband für den deutschen Gartenbau wendet sich in einem Aufruf an alle Bevölkerungskreise in Stadt und Land, um jeden, der viel oder wenig Grund und Boden als Eigentum oder in Pacht besitzt und einen Spaten regieren kann, zur Erzeugung von Nahrungsmitteln zu bewegen. [...] Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen, und wer nicht wenigstens von dem kleinen vaterländischen Fleckchen Bodens, das ihm zur Verfügung steht, Früchte für den eigenen Bedarf heranzieht, sollte in seinen Lebensmittelbezügen gekürzt werden. Erfreulich zu beachten ist es, daß immer mehr Zier- und Blumengärtnereien ihre Betriebe für den Anbau von Nahrungsmitteln eingestellt haben und daß in den Gewächshäusern und Frühbeeten schon heute alle Vorbereitungen getroffen werden, um für die kommende Frühjahrsbestellung das erforderliche Saat- und Pflanzengut heranziehen zu können. Jeder der im Gartenbau bewährten Meister im Gartenbau und der lernbegierige Schüler tue seine Pflicht!
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Hochwasser. Im Laufe des gestrigen Vormittags ist an den Bonner Werftanlagen der Rhein über die Ufer getreten. Das Hochwasser kam so unerwartet, daß viele Güter, die in der Nähe der Landebrücken lagerten, umspült wurden, ehe man daran denken konnte, sie in Sicherheit zu bringen. [...] Heute morgen 8 Uhr wurden am hiesigen Hochwasserpegel 6.83 Meter gemessen.
Unsere Rheinanlagen stehen zum größten Teil unter Wasser. An vielen Stellen, namentlich im unteren Stadtteil, reicht das Wasser bis an die Häuser heran. Die Anwohner des Rheinwerfts und der anliegenden Straßen werden von der Stadtverwaltung dringend ersucht, ihre Keller unverzüglich zu räumen, damit nichts von den jetzt doppelt wertvollen Nahrungsmittelvorräten verloren geht. [...]
Kaisersgeburtstag. Die Universität feiert den Geburtstag unseres Kaisers mit einem Festakt in der Aula. Die Festrede hält Geheimer Regierungsrat Professor Winter.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Soldatenheim. Der unter der Leitung des Ausschußmitgliedes Herrn Boismard stattgefundene Unterhaltungsabend am vergangenen Sonntag im Soldatenheim, Josefstraße 16, war wieder sehr abwechslungsreich. Vom Münsterchor mit seinem tüchtigen Chordirektor Dr. Veith an der Spitze wurden mehrere meist Weihnachtslieder ganz vorzüglich zu Gehör gebracht. Besonders eindrucksvoll war der Chor: „Gegrüßet seist du Himmelskind“, wobei das Tenorsolo in vorzüglicher Weise wiedergegeben wurde. Von Herrn Chordirektor Veith am Klavier wirksam unterstützt sang Frl. Keese einige hübsche Lieder mit seelenvollem Ausdruck. Auch die Duette, welche die Damen Frl. H. und M. Schewards sangen, fanden großen Beifall. [...] Frl. Lenzen und Herr Koep sorgten mit ihren hübschen heiteren Vorträgen für die nötige Abwechslung. Dieselbe heitere Note schlug an das Theaterstück, welches Mitglieder des Jugendvereins von Endenich (Präses: Herr Kaplan Fremy) mit gutem Erfolg zum Schlusse des Abends aufführten.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Samstag, 19. Januar 1918
Die Vertreterversammlung der Bonner Studentenschaft veröffentlicht folgende Erklärung:
In der letzten Zeit sollen Fälle vorgekommen sein, wo für größere geldliche Unterstützungen seitens der Universitäten die Würde eines Ehrendoktors verliehen worden ist. Die Studentenschaft dankt für weitere tatkräftige Unterstützung, möchte aber Verwahrung dagegen einlegen, daß bei der Verleihung dieser Würde, die bisher nur aufgrund hervorragender wissenschaftlicher Leistungen erworben werden konnte, sich amerikanische Verhältnisse entwickeln.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Hochwasser. Der Rhein ist gestern in den frühen Morgenstunden noch weiter gestiegen. Um 10 Uhr vormittags erreichte das Wasser mit 6,84 Meter seinen höchsten Stand. Von da ab ging es langsam zurück und zwar bis 4 Uhr nachmittags 3 Zentimeter. Die Rheinanlagen und auch die Fahrwege standen gestern vollständig unter Wasser. Die schmutziggelben Fluten umspülen die Gärten im oberen Teil der Anlagen und weiter die am Rheinufer gelegenen Häuser. Vielfach wurden Notbrücken an den Häusern vorbei aufgeführt und einzeln sieht man auch Nachen durch die Anlagen fahren, die die Verbindung mit den angrenzenden Straßen herstellen. Der Schiffsverkehr ist sehr eingeschränkt. Nur mit größter Kraftanwendung gelingt es den wenigen Frachtschiffen, die rheinaufwärts hier vorbeifahren, gegen die starke Strömung anzukämpfen. Mit umgelegten Kaminen müssen sie unter der Rheinbrücke herfahren. Im Laufe des Nachmittags wurde von Coblenz Stillstand im Wachsen des Wassers gemeldet. Da auch von der Ahr, der Mosel, der Nahe und von anderen Nebenflüssen Zurückgehen des Wassers gemeldet wird, kann man hoffen, daß die größte Gefahr vorüber ist.
Im Laufe der vergangenen Nacht ging das Wasser bis 6,76 Meter zurück. Um zwei Uhr nachts trat Stillstand ein und gegen Morgen stieg das Wasser wieder langsam. Um 8 Uhr früh zeigte der hiesige Pegel wieder 6,80 Meter.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Kaisersgeburtstag. Kardinal v. Hartmann macht im Kirchlichen Anzeiger bekannt: Zum ersten Male seit Beginn des Weltkrieges feiern wir das Geburtstagsfest unseres allergnädigsten Kaisers und Königs unter dem Zeichen von Friedensverhandlungen. Solange aber diese nicht zum Abschluß gebracht sind, können wir, dem Wunsche unseres allgeliebten Kaisers und dem Ernste der Zeit entsprechend, die Geburtstagsfeier unter den sonst üblichen festlichen Veranstaltungen begehen, sondern müssen sie beschränken auf eine stilles Gedenken und eine treue Fürbitte. Es ist daher auch in diesem Jahre die Feier Sr. Majestät des Kaisers und Königs in den Städten, in welchen mehrere Pfarrkirchen sind, nicht bloß in der Hauptkirche, sondern auch in den übrigen Pfarrkirchen abzuhalten. In letzteren ist sie jedoch so anzuberaumen, daß die Feier in der Hauptkirche, zu der wie bisher die Behörden einzuladen sind, nicht beeinträchtigt wird. Wir zweifeln nicht, daß die Gläubigen unserer Erzdiözese am Kaisersgeburtstage aus dankbarem Herzen für Kaiser und Reich, für Heer und Marine eifrige Gebete zum Himmel emporsenden werden, nicht minder für die Erlangung eines glorreichen Sieges und eines dauernden ehrenvollen Friedens. – Die Bischöfe Preußens haben sich entschlossen, für die Zwecke der „Kirchlichen Kriegshilfe“ am diesjährigen Geburtstagsfest unseres Kaisers, Sonntag, den 27. Januar, eine allgemeine Kirchenkollekte abhalten zu lassen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Sonntag, 20. Januar 1918
Flieger-Alarm.
Ein Probealarm für den Fall von „Luftgefahr“ findet erneut am Mittwoch, 23. Januar, vormittags 10.30 Uhr, auf die Dauer von 10 Minuten statt. Es handelt sich wieder um eine vorbeugende Maßnahme, um die Signale usw. auszuproben und der Bevölkerung Gelegenheit zu geben, sich mit den Alarmsignalen vertraut zu machen. Das Garnisonskommando wird die Alarmierung veranlassen.
Die Warnungssignale werden in erster Linie durch das Sirenensignal auf der Umformerstation des städtischen Elektrizitätswerkes am Mühlheimer Platz, durch die Dampfpfeifen der Bonner Aktien-Brauerei, der Firma L. Wessel, der Wessels Wandplattenfabrik, der Firma Soennecken (Feld), der Holzhandlung Wilh. Streck und der Wagenfabrik Miesen sowie durch eine Anzahl Hornisten der hiesigen Truppenteile abgegeben, und ferner werden Kirchenglocken 5 Minuten lang Sturm läuten. [...]
Zum Besten des Vereins „Jugendhort“ (früher Mädchenhort) wird Herr Geheimrat Clemen am 28. Januar, abends 7½ Uhr, einen Lichtbildervortrag in der Lese halten. Herr Geheimrat Clemen, der seit Kriegsbeginn von der Obersten Heeresleitung mit der Feststellung des Zustandes der Baudenkmäler an den verschiedensten Kriegsschauplätzen in Ost und West betraut ist und die Westfront in allen Abschnitten der großen Kämpfe besucht hat, wird in seinem Vortrag in der Lese n vielen, vorwiegend aus jüngster Zeit stammenden Aufnahmen – zum Teil auch Fliegeraufnahmen – den Anteil darlegen, den die Franzosen und Engländer an den großen Zerstörungen auf dem westlichen Kriegsschauplatz haben.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Die schwere eiserne Turmspitze der Remigiuskirche wurde anfangs dieser Woche durch den Sturm aus der Verankerung gerissen; sie blieb glücklicherweise am Turm hängen. Dachdecker errichteten rund um den Turm ein Gerüst und holten am Samstag früh das gefahrdrohende Eisenstück herunter.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Eil- und Telegrammbestellung. Zu Beginn des Winterhalbjahres mußte infolge der erheblichen Einschränkung der Straßenbeleuchtung die Nachtbestellung der Eilsendungen und Telegramme eingeschränkt werden, sie fällt jetzt in die Zeit von 9 Uhr abends bis 7 Uhr morgens aus. Eilsendungen jedoch mit dem Vermerk „auch nachts“, sowie Telegramme, die den Vermerk „nachts“ tragen, oder bei denen zu erkennen ist, daß sie wirklich dringender Natur sind, werden auch während der Sperrzeit zugestellt.
Die Erfassung sämtlicher Abfallstoffe ist dringend geboten. Bezüglich der Metallgegenstände war den Beisitzern monatelang Gelegenheit gegeben, diese freiwillig gegen hohe Uebernahmepreise abzuliefern. Um den Entschluß zur freiwilligen Ablieferung zu erleichtern, wird noch für jedes Kilogramm eine Prämie von einer Mark gezahlt. Durch letzteres sind bereits erhebliche Mengen der beschlagnahmten Gegenstände bei der Sammelstelle abgeliefert worden. Größere Mengen befinden sich aber noch im Besitze der Bewohner Bonns. Die Ablieferung hat erheblich nachgelassen, was wohl darauf zurückzuführen ist, daß die bei der Beschlagnahme gesetzte Frist wiederholt verlängert wurde und man glaubt, die Enteignung würde nicht folgen. Technische Schwierigkeiten sind die Ursache, die einer früheren Veröffentlichung der Enteignungsverfügung bisher entgegenstanden. Die Enteignung der Einrichtungsgegenstände wird bestimmt und noch in diesem Monat kommen.
Es liegt daher im eigensten Interesse der Besitzer, ihre Einrichtungsgegenstände aus Kupfer und Kupferlegierungen möglichst schnell zur Sammelstelle zu schaffen, um sich die höhere Entschädigung und Prämie noch zu sichern.
Liefert recht bald ab, denn hierdurch dient man nicht allein sich selbst, sondern vor allem der Wehrkraft des Vaterlandes.
Auch die Abfallstoffe jeder Art, die noch im Hause in dunklen Ecken lagern und nur hinderlich sind, sucht heraus und bringt sie schnell zur Sammelstelle Stockenstraße 3.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Montag, 21. Januar 1918
Deutsche Vaterlandspartei. Die von der Ortsgruppe Bonn und Umgebung auf gestern morgen in dem Bonner Bürgerverein einberufene „feierliche Kundgebung deutschen Einheitsgedankens und Siegeswillen“ war außerordentlich zahlreich besucht. Sie begann sehr stürmisch. Als der Vorsitzende, Geheimrat Litzmann, die Versammlung eröffnet und begrüßt hatte, erhob sich ein Mitglied des in größerer Anzahl erschienenen Bundes der Kriegsbeschädigten und ehemaligen Kriegsteilnehmer, verwahrte sich gegen die Ziele der Deutschen Vaterlandspartei und verlangte freie Aussprache. Der Vorsitzende verweigerte die freie Aussprache unter Hinweis auf den in der Einladung angegebenen Zweck der Veranstaltung. Nun begann ein großer Lärm. Man schrie und pfiff. Der Vorsitzende forderte die Ruhestörer auf, den Saal zu verlassen, es seien nur Mitglieder und Freunde eingeladen worden. Etwa ein halbes Hundert Personen verließen dann, von der Polizei gedrängt, unter lärmendem Widerspruch und Hochrufen auf den „Scheidemannfrieden“ den Saal.
Als wieder Ruhe eingetreten war, nahm Geheimrat Litzmann das Wort. Es sei bedauerlich, daß Brüder deutscher Zunge und deutschen Stammes in dieser Stunde gegen vaterländische Kundgebungen und vaterländisches Empfinden Widerspruch erheben. Aus dem Kreise der noch im Saal befindlichen Kriegsbeschädigten sei ihm eine feierliche Verwahrung dagegen zugegangen, daß in dieser Weise gerade die Männer, die für das Vaterland gekämpft haben, auf dem Boden des Vaterlandes gegen das Vaterland aufstehen. (Lebhafter Beifall.) Geheimrat Litzmann hielt dann ohne jede weitere Störung seine vorgesehene Ansprache. Er erinnerte daran, daß vor 47 Jahren, am 18. Januar 1871, im Spiegelsaal von Versailles das neue deutsche Reich gegründet wurde. In der jetzigen großen Schicksalsstunde Deutschlands müssen wir uns fragen: wie können wir uns des großen Erbes von 1871 würdig erweisen. Die Zeichen der Zeit sind wirr und schwer zu deuten. Viele wissen nicht, ob sie hoffen dürfen oder fürchten müssen. Es gibt nur einen Weg: wir müssen unsere Seelen füllen mit der Gesinnung, die sich in den Dichterworten ausspricht: Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern, in keiner Not uns trennen und Gefahr, und: Nichtswürdig ist die Nation, die nicht ihr alles setzt an ihre Ehre. (Beifall.) Diese Gesinnung jedem Deutschen, auch den Brüdern, die jetzt gegen uns stehen, ins Herz zu geben, dazu und zu keinem anderen Zweck ist die Deutsche Vaterlandspartei ins Leben gerufen worden. Ueber alles steht ihr das Vaterland. Die Deutsche Vaterlandspartei bittet den Kaiser: Landgraf, werde hart! [...] Auch wir ersehnen mit heißer Inbrunst den Frieden; aber der Friede muß uns die Gewähr dafür bieten, daß Kaiser und Volk weiterhin imstande sind, im Sinne der kaiserlichen Botschaft vom 18. Januar 1871 „Mehrer des Reiches zu sein an Gütern und Gaben des Friedens auf dem Gebiete nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung“. [...] Das Recht, für alle das Wort zu führen, geben der Deutschen Vaterlandspartei das Vaterland und Hindenburg. Was Hindenburg will, das wollen wir auch. Und Hindenburg will. Gott sei gedankt, daß wir ihn haben, den Mann, der will und kann. (Lebhafter Beifall.) Hindenburg vertraut auf uns, er hofft auf uns, das im festen Siegeswillen zusammengeschlossene deutsche Volk. So lange wir den von Hindenburg und Ludendorff festgelegten Kurs halten, so lange sind wir sicher, daß wir den Hafen eines Friedens erreichen, der der gebrachten Opfer wert ist. [...]
Die Versammlung bekundete durch Erheben von den Sitzen einmütig ihr Einverständnis mit den Ausführungen des Geheimrats Litzmann und mit der vorgeschlagenen Entschließung. Sie sang dann zum Schluß die erste Strophe von „Deutschland über alles“.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Vortrag der Vaterlandspartei. Im großen Saale des Bonner Bürgervereins hielt gestern Mittag Geheimrat Litzmann einen zündenden Vortrag in Erinnerung des Gründungstages des Deutschen Reiches. Freilich gelangte er erst zu seinen Auseinandersetzungen, nachdem die Ruhestörer anderer Gesinnungen aus dem Lokal entfernt worden waren. [...]
Auch in Köln kam es gestern in der Vaterlandspartei zu störenden Auftritten. Die dortige Ortsgruppe der Deutschen Vaterlandspartei hatte auf Sonntagvormittag 11 Uhr eine Versammlung im großen Saal des Fränkischen Hofes einberufen, wo Kaplan Schopen aus Godesberg über das Thema „Von Bismarck bis Hindenburg“ sprechen sollte. Schon um 10 Uhr war der geräumige Saal nebst Galerie bis auf den letzten Platz gefüllt, und immer strömten noch neue Menschenmengen zu. Den weitaus größten Teil der Versammlungsbesucher hatte die Sozialdemokratie gestellt. Um 11 Uhr verkündete der Versammlungsleiter, daß der Referent am Erscheinen verhindert sei. Das Telegramm sei gestern abgesandt, aber durch ein Versehen erst jetzt eingetroffen. Als die Versammlung für geschlossen erklärt wurde, erhob sich ein großer Lärm. Man wollte von der Sozialdemokratie einen Redner stellen bei vollständiger Redefreiheit. Der Einberufer drohte, von seinem Hausrecht Gebrauch zu machen. Man schrie. „Nieder mit Tirpitz – hoch der Friede“, und dann erscholl aus Hunderten von Kehlen die Arbeitermarseillaise, während sich der Saal langsam leerte.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Zu einem bedauerlichen Zwischenfall kam es gestern in der Kundgebung der Deutschen Vaterlandspartei für Bonn und Umgebung im Bürgerverein. Geheimrat Litzmann hatte zu Beginn der Versammlung die „Mitglieder und Freunde“ der Vaterlandspartei begrüßt und die Tagesordnung bekannt gegeben. Bevor er zu seiner Ansprache kam, verlangte ein Kriegsbeschädigter im Namen der anwesenden Kriegsbeschädigten die Zulassung einer Aussprache, die auf der Tagesordnung nicht vorgesehen war. Geheimrat Litzmann verwies auf die Tagesordnung sowie darauf, daß nur „Mitglieder und Freunde“ zugelassen seien. Wer das nicht sei, möge den Saal verlassen. Dagegen erhoben die anwesenden Kriegsbeschädigten lauten Protest. Sie wurden darauf aus dem Saal gewiesen, gingen aber nicht sofort, sondern erst, nachdem die Polizei einschritt. Dabei ging es nicht ruhig ab. Man hörte Zwischenrufe wie Geht in den Schützengraben! – Wir haben unsere Knochen fürs Vaterland geopfert! – Fuhrmann! – Ihr Kriegsverlängerer! usw. Nachdem wieder Ruhe eingetreten war, nahm die Versammlung den beabsichtigten Verlauf, worüber wir noch berichten werden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Dienstag, 22. Januar 1918
Zur Behebung der Schuhnot, namentlich auf dem Lande, kommt als wesentlichstes Mittel die Ausnutzung des vorhandenen Oberleders bis zur letzten Möglichkeit in Frage. Ersatzsohlen, namentlich aus Holz, sind im Handel genügend zu haben. Schwierigkeiten entstehen aber dadurch, daß es den Schuhmachermeistern, welche bisher nur Leder verarbeitet haben, sehr schwer wird, die Ersatzsohlen in richtiger Weise zu verwenden. Um diesem Mißstande durch geeignete Maßnahmen möglichst abzuhelfen, hat der Kölner Regierungspräsident unter seinem Vorsitz eine Schuhkommission gebildet, der u. a. auch der Vorstand des Bekleidungsamts der Stadt Bonn, Stadtverordneter Gentrup, angehört. Die Kommission hat für den Regierungsbezirk in der Gewerbeförderungsanstalt für die Rheinprovinz in Köln, Maternusstraße 9, unter Leitung des Geheimen Regierungsrats Romberg eine Lehrwerkstätte für Schuhmachermeister eingerichtet, in der die Ausbesserung alter Schuhe und daneben auch die Herstellung neuer Schuhe unter Verwendung von Ersatzstoffen gelehrt werden. Die Kurse dauern jedesmal sechs Tage, von Montag bis Samstag. Als Lehrer wirken zwei Meister, die in der Lehrwerkstätte der Ersatzsohlengesellschaft in Berlin ausgebildet sind. Zu jedem Kursus sollen aus Köln, Bonn und den Landkreisen je drei bis vier Meister herangezogen werden, so daß etwa 40 an einem Kurse teilnehmen. Die Entsendung der Meister erfolgt durch die Kommunalverbände. Für die Unterbringung und Verpflegung der Kursusteilnehmer zu mäßigen Preisen kann durch das Entgegenkommen des katholischen Gesellenhospitiums in Köln Vorsorge getroffen werden. Durch die Kurse werden in kurzer Zeit die Schuhmachermeister im ganzen Regierungsbezirk in der Verwendung der Ersatzstoffe unterrichtet werden können.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Die Kartoffelversorgung in Bonn. Es dürfte die Bürgerschaft interessieren, in welcher Weise das Lebensmittelamt die der Stadt Bonn zugewiesenen Kartoffeln sichergestellt hat. Anfang Januar ds. Js. fand eine eingehende Besichtigung der hiesigen Kartoffelbestände und eine Prüfung der für die Versorgung getroffenen Maßnahmen durch den Sachverständigenbeirat der Reichskartoffelstelle in Berlin statt. Der Sachverständigenbeirat hatte schon in einer großen Reihe anderer Städte die Kartoffeleinlagerung besichtigt. Dieser Sachverständigenbeirat hat über das Ergebnis seiner Prüfung folgendes Gutachten abgegeben:
„Die Läger der Stadt Bonn befinden sich in der denkbar besten Beschaffenheit. Die Stadt Bonn hat sich die allergrößte Mühe gegeben, um die Kartoffeln gut zu lagern. Die Vorkehrungen können als vorbildlich bezeichnet werden. Die Beschaffenheit sämtlicher Kartoffeln ist daher auch eine sehr gute. Der Abgang durch Schwund ist infolge der sorgfältigen Behandlung sehr gering. Die Läger werden dauernd von Sachverständigen überwacht.
Die Mieten sind vorschriftsmäßig angelegt, die Kanäle und Lüftungen sind vorhanden, die Temperaturen in den Mieten werden dauernd festgestellt und waren am Tage der Revision normal. Wegen des starken Frostwetters konnten die Mieten nicht geöffnet werden, es soll aber nur allerbeste Ware zum Einmieten gelangt sein.
Die Stadt Bonn hat von allen Städten, bei welchen ich bis jetzt eine Prüfung vorgenommen habe, sowohl was Versorgung als auch die Lagerung anlangt, die besten Vorkehrungen getroffen.
Der Vorsitzende des Sachverständigenbeirats der Reichskartoffelstelle gez.: Wilm.“
Die Reichskartoffelstelle übersandte diesen Prüfungsbericht dem Oberbürgermeister zur Kenntnis zu und fügte dem folgendes hinzu:
„Die Reichskartoffelstelle spricht der dortigen Stadtverwaltung für die im Interesse der Kartoffelversorgung getroffenen mustergültigen Maßnahmen ihre volle Anerkennung aus.
gez. Schmieding.
(Diese Anerkennung ist außerordentlich erfreulich. Sie beweist erneut, daß wir in Herrn Beigeordneten Piehl den richtigen Mann am richtigen Platze haben. Red.)
Das Ende der Gummibesohlung. Eine Verordnung der Ersatzsohlen-Gesellschaft untersagt die Herstellung von Sohlen, Absätzen, Ecken und Ferseneinlagen aus Gummi jeder Art. Nur zu Ausbesserungszwecken dürfen noch dünne Gummisohlenplatten hergestellt werden.
Strafkammer Bonn. Gegen die Gemüsehändlerin E. aus Godesberg war ein Strafbefehl über 100 Mark erlassen worden, weil sie im Juli für ein Pfund Schotenerbsen 60 Pfg. verlangt hatte, deren Höchstpreis auf 45 Pfg. stand, und für ein Pfund Zwiebeln 25 statt 22 Pfg. Das Schöffengericht Bonn hatte am 3. Oktober auf Freisprechung erkannt, wogegen die Staatsanwaltschaft Berufung einlegte. Das Urteil in der gestrigen Sitzung der Strafkammer lautete auf 100 Mark Geldstrafe oder 10 Tage Gefängnis. – Der Monteur Josef B. von hier, der am 20. August gelegentlich einer Ausbesserung des Motors im Bonner Proviantamt sich 25 Pfund Weizenmehl von dort mitgenommen hatte und dieserhalb vom Schöffengericht am 9. November zu 3 Monate Gefängnis verurteilt worden war, soll zur Beobachtung seines Geisteszustandes einer Anstalt überwiesen werden. - […]
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Diebstähle. In der Nacht zum Montag wurden bei einem Einbruchsdiebstahl in einem Zigarrengeschäfte an der Josefstraße für etwa 3500 Mark Waren entwendet. – Aus der Waschküche eines Hauses der Bonngasse stahlen Diebe, welche die Tür mit Nachschlüsseln geöffnet hatte, für 60 M. Wäsche. – In einem Geschäfte der Kölnstraße wurden in der Nacht zum Montag Lebensmittel entwendet.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Mittwoch, 23. Januar 1918
Die Brotversorgung nach dem 1. Februar. Seit dem 5. November v. J. werden bekanntlich neben einer täglichen Kopfmenge von 200 Gramm Mehl wöchentlich anderthalb Pfund Kartoffeln zur Verfügung gestellt, mit denen das Brot gestreckt werden sollte. […] – Da nach dem 1. Februar keine Kartoffeln als Brotersatz mehr ausgegeben werden, muß die Bürgerschaft, wie im vergangenen Jahre, wenn auch in etwas geringerem Umfange, auf die Steckrübe zurückgreifen. Es werden in Bonn wöchentlich sechs Pfund Steckrüben ausgegeben werden. Schon jetzt kann allen Familien nur dringend geraten werden, wenigstens zweimal in der Woche die Kartoffelvorräte mit Steckrüben zu strecken.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Das Schweineschlachten auf dem Lande. Die Beschwerden über das Schweineschlachten auf dem Lande, das ohne jede Rücksicht auf die Lage der Verhältnisse angeordnet worden ist, haben insofern einen Erfolg gehabt, als nach einer neuerlichen Entscheidung der Landesfleischstelle zu Berlin unter Umständen eine Ausnahme gemacht werden darf. Major Seidler von dieser Landesfleischstelle hat nämlich hierüber folgende Erklärung abgegeben: „Die Kommunalverbände sind angewiesen, von der verordneten Abschlachtung Ausnahmen zu gewähren, dort, wo der Nachweis des genügenden Futtervorrats erbracht wird, ohne auf menschliche Nährstoffe (Getreide, Kartoffeln) zurückgreifen zu müssen.“
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Vaterlandspartei und freie Aussprache. Eine freie Aussprache hat die Deutsche Vaterlandspartei bisher noch nirgendwo gestattet. Fürchtet sie diese Aussprache? Oder was hält sie ab, sich ihren Gegnern öffentlich auseinander zu setzen? Der Kampf, wie er neuerdings gegen sie geführt wird, ist allerdings wenig erbaulich: Pfarrer Traub ist an verschiedenen Orten buchstäblich niedergeschrien, -gebrüllt, -getrampelt worden; anderswo hat es wüste Radauszenen gegeben; in Köln hatten die Gegner schon eine Stunde vorher den Saal, in dem der bekannte Kaplan Schopen aus Godesberg für die Vaterlandspartei sprechen sollte, dicht besetzt, es kam nur zu einem erregten Wortwechsel zwischen den Veranstaltern und den Gegnern, Kaplan Schopen hatte sich telegraphisch entschuldigt, und die Versammlung ging auseinander ohne sonstige Unerfreulichkeiten. Aber eine Partei, wie die Vaterlandspartei, darf vor einer öffentlichen Aussprache nicht zurückschrecken, und besser ist es, die Vorwürfe, die gegen sie vorzubringen sind, sofort zurückzuweisen, als sich vor ihnen verkriechen. Die Mitglieder des Bundes der Kriegsbeschädigten und ehemaligen Kriegsteilnehmer haben auch ein Recht, gehört zu werden, und die Vaterlandspartei sollte sich bemühen, gerade diese Leute wiederzugewinnen, die durch schroffe Zurückweisung nur verbittert werden. Die Ausführungen von Professor Zitelmann über die belgische Frage in der Versammlung der Vaterlandspartei im Katholischen Vereinshause in Bonn haben Angehörige dieses Bundes ruhig angehört und in sich aufgenommen. Es kann also nicht behauptet werden, sie seien jeder Belehrung unzugänglich. Ich bin überzeugt, die Vaterlandspartei könnte manches Mißtrauen zerstreuen, wenn sie eine Aussprache zuließ. So lange sie aber jeder Auseinandersetzung ausweicht, muß sie schon auf sich nehmen, daß jede Ausstreuung und jede Behauptung über sie geglaubt wird.
(Volksmund, Rubrik „Bonner Angelegenheiten“)
Donnerstag, 24. Januar 1918
Universität. Das soeben erschienene Verzeichnis der Vorlesungen an der Universität Bonn und der landwirtschaftlichen Akademie Bonn-Poppelsdorf für das Sommerhalbjahr 1918 kündigt für die Universität 432 Vorlesungen und Uebungen an, in der katholisch-theologischen Fakultät 28, in der evangelisch-theologischen 25, in der juristischen 46, in der medizinischen 107, in der philosophischen Fakultät 217, 6 über Künste und Fertigkeiten und 3 technische Vorlesungen. […] – An der landwirtschaftlichen Akademie Bonn-Poppelsdorf kündigen 23 Dozenten insgesamt 78 Vorlesungen an.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Godesberg, 23. Jan. Der am 11. Januar veröffentlichte Aufruf des Bürgermeisters Zander zur Gründung eines gemeinnützigen Bauvereins, der für die wenigerbemittelte Bevölkerung die notwendige Anzahl Kleinwohnungen schaffen soll, hat in der Bürgerschaft sofort freudigen Widerhall gefunden. Vom ersten Tage an liefen auf dem Bürgermeisteramte Zeichnungen ein, so daß nach fünf Tagen schon 61.000 Mark zur Verfügung standen. Diese Summe hat sich bis heute auf 151.000 M. erhöht. Der Finanz- und der Wohnungsausschuß des Gemeinderats wollen eine Beteiligung der Gemeinde mit 30- bis 50.000 M. vorschlagen. Der Bauverein selbst soll Anfang Februar gegründet werden. Es ist sehr erwünscht, daß die gute Sache bis zum 1. Februar noch durch weitere Zeichnungen gefördert wird. Es braucht zunächst nur ein Viertel des Zeichnungsbetrages eingezahlt zu werden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Rheinland und Nachbargebiete“)
Schluß der „weißen Woche“. Die „weiße Woche“ ist zu Ende und hat ein so schönes Ergebnis gebracht, daß alle Voraussagen der Schwarzseher widerlegt und die kühnsten Erwartungen weit übertroffen worden sind. Die Hauswirtschaftliche Kriegshilfe fühlt daher das Bedürfnis, allen, die zu dem reichen Erfolg beigetragen haben, den wärmsten herzlichsten Dank auszusprechen, sowohl den unermüdlichen Sammlerinnen in Sturm und Regen, als auch den freundlichen Gebern großer und kleiner Gaben, die alle gleich willkommen waren. Es ist ein schönes Zeichen für den Gemeinsinn und die Gebefreudigkeit unserer lieben Stadt Bonn, daß in der jetzigen Zeit eine derartige Sammlung in solchem Umfang gelingen konnte. Fast kein Haus hat versagt, auch dort, wo die Sammlerinnen mit leeren Händen fortgingen, mögen besondere Umstände obgewaltet haben. Nicht nur in den wohlhabenderen Stadtteilen, sondern auch in den weniger begüterten Vierteln wurde mit Freude und Eifer gespendet, und so kann viel Not gelindert werden. Dem schwergeprüften Säugling, dessen Notschrei über papiernen Windelersatz aus einer Redaktionsstube bis an unser Ohr drang, können wir tröstend zurufen: „Ihr Bonner Säuglinge seit jetzt vor aller Not gesichert: ihr werdet in Zukunft so weich und warm gewickelt und gebettet sein, daß ihr euren Eintritt in unsere liebe Vaterstadt nicht zu bereuen habt.“
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Neues aus Altem. Der große Saal der Lese faßte kaum die Zahl der Frauen, die dem Rufe der „Hauswirtschaftlichen Kriegshilfe“ gefolgt waren, um zu hören und zu sehen, was Fräulein Düben aus Köln ihnen zu sagen und zeigen hatte. „Neues aus Altem“ hieß ihr Vortrag und was sie im Anschluß an ihre klaren Worte, die zunächst vom Reinigen, Auseinandertrennen und Färben der alten Sachen handelten, vorführte, erregte das größte Interesse der Anwesenden. Da sah man Kleider aus Tüchern, Sofabezügen, Vorhängen, Kindersachen aus alten Kleidern und Stoffresten; geflickte Strümpfe, Mäntel und Kleider aus Herrenanzügen und alles machte den Eindruck der größten Sauberkeit und Ordentlichkeit. Die Vorführung hat gezeigt, wie die Not erfinderisch macht, hat manche gute Anregung gegeben und wird dazu helfen, weiter durchhalten zu können, auch wenn die Stoffe noch knapper werden und die Zuteilung noch geringer.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Freitag, 25. Januar 1918
Arndt-Eiche in Eisen. Seit einigen Tagen zeigt ein geschmackvolles Standschild in der Gangolfstraße am Eingange des Bekleidungsamtes, daß sich dort das Bonner Kriegswahrzeichen befindet. Dadurch wird der Bürgerschaft immer wieder ins Gedächtnis gerufen, daß sie des hehren Zwecks der Anrdt-Eiche, der Bonner Kriegswohlfahrtspflege, besonders der Witwen und Waisen von Bonner Kriegern gedenkt und nach Kräften hierfür spenden möge.
Unsere Schuld den gefallenen Kriegern gegenüber erlischt nimmer! Grade an dem kommenden Geburtsfeste unseres Kaisers möge die Bürgerschaft reichliche Spenden darbringen und besonders jene Beträge, die sonst für Festessen und glänzende Veranstaltungen ausgegeben wurden, für die Arndt-Eiche und ihre Schutzbefohlenen opfern!
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Kriegsnotgeld. Die Kreise Bonn-Stadt, Bonn-Land und Sieg geben, wie die heutige amtliche Bekanntmachung besagt, wieder Kriegsnotgeld aus, und zwar Zehn- und Fünfpfennigstücke, Fünfzig- und Fünfundzwanzigpfennigscheine. Das Notgeld ist, wie das bisherige, nur im Gebiet der genannten drei Kreise umlauffähig. Sowohl das gemünzte, wie das Papiernotgeld trägt auf der Vorderseite die Wertangabe und auf der Rückseite das Bild der Rheinbrücke. Das Geld wird durch die Sparkasse und die Banken ausgegeben. Da aber die Präge-Anstalt und die Druckerei nur nach und nach liefern können, so wird die Ausgabe sich über einen gewissen Zeitraum verteilen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Samstag, 26. Januar 1918
Lebensmittelschwindel. Ein Monteur aus Bonn war als militärischer Kraftwagenführer an mehreren Fronten, vor allem auf den türkischen Kriegsschauplätzen tätig gewesen, hatte sich auch den Eisernen Halbmond erworben und war infolge einer Unfallverletzung entlassen worden. Nach seiner Entlassung aus dem Heeresdienst ließ er sich in Bonn als Lebensmittelgroßhändler nieder. Ein möbliertes Zimmer in einem Hause der Ermekeilstraße war sein Geschäftsraum. Zahlreichen Leuten in Bonn und Umgebung erzählte er, er könne ihnen bedeutende Mengen an Butter, Speck und anderer begehrenswerter Waren verschaffen, brauche dazu aber einen Geldvorschuß, den er in vielen Fällen auch erhielt. Ein Herr in Godesberg vertraute ihm sogar einen Vorschuß von 5300 Mark für eine Haferflockenlieferung an. Mit der Einnahme des Vorschusses hörte die Tätigkeit dieses Händlers natürlich auf. Die Strafkammer, vor der er sich gestern zu verantworten hatte, verurteilte den Betrüger zu zwei Jahren Gefängnis.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Eine Antwort an die studentische Vertreterversammlung. Aus studentischen Kreisen wird uns geschrieben: Durch die von dem Vorsitzenden der Vertreterversammlung abgegebene Erklärung muß der Eindruck erweckt werden als ob es sich um eine Meinungsäußerung der Bonner Studenten schlechthin handele. In der Tat handelt es sich aber nur [um] Vertreter von Korporationen. Wir verwahren uns dagegen, daß öffentlich über unsre Ueberzeugung verfügt wird, ja, daß der Anschein erweckt wird, als stelle sich die Bonner Studentenschaft als solche auf den Boden der Vaterlandspartei. Wir mißbilligen es auch, daß die anderer Ueberzeugung und der Herausforderung durch das Gebaren der deutschen Vaterlandspartei entsprungene Kundgebung der Heidelberger Kommilitonen als „Umtriebe“ bezeichnet wird.
Wir halten es für unsere Pflicht, gegen die politischen Ziele der Vaterlandspartei aufzutreten, da diese durch den erstrebten Machtfrieden Deutschland nicht nur die dauernden, ungeheuren Kosten eines wahnsinnigen Wettrüstens auferlegen, sondern auch durch Verhinderung einer auf dem Boden des Rechts und der Sittlichkeit begründeten Verständigung der Völker den Krieg zu einer dauernd drohenden Geißel machen wird. Wir betonen, daß wir uns mit demselben Recht auf die gebrachten Blutopfer berufen können, und daß wir uns gegen die Bezeichnung „unpatriotisch“ entschieden verwahren müssen, zumal unsere Auffassung nicht nur von der Reichstagsmehrheit, sondern laut Antwort auf die Papstnote auch von der deutschen Regierung geteilt wird.
Zum Mehrverbrauch an Gas. Gar mancher, der in diesen Tagen seine Gasrechnung erhält, wird sich wundern, daß er trotz aller Sparsamkeit den Vermerk auf dem Quittungsformular findet, zu viel Gas verbraucht zu haben, und daß für jedes zu viel verbrauchte Kubikmeter Gas 50 Pfg. Strafe zu zahlen ist. Dieser Mehrverbrauch findet seine Erklärung darin, daß die diesmalige Rechnung über annähernd fünf Wochen Gasverbrauch ausgestellt ist, während sonst durchschnittlich alle drei, höchstens vier Wochen der Gasverbrauch aufgenommen wird. Es ist also nicht gesagt, daß der jetzt angegebene Mehrverbrauch auch wirklich bezahlt werden muß, das stellt sich erst bei der Gesamtrechnung über ein ganzes Jahr im März dieses Jahres heraus.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
[…] Brotversorgung.
Die Vorentnahme von Brot an den Samstagen und Sonntagen für die kommende Woche hat zu Schwierigkeiten in der Brotversorgung geführt, die eine Aufrechterhaltung dieses auch in anderen Städten nicht üblichen Vorzuges nicht mehr gestatten.
Es wird daher in nächster Zeit angeordnet werden, daß die Vorentnahme des Brotes an den Samstagen und Sonntagen für die kommende Woche nicht mehr stattfinden darf. Brot für die neue Woche darf alsdann nur noch von Montag ab entnommen werden.
Bäckereien, die nach dem Erlaß des Verbotes noch an den Samstagen und Sonntagen Brot für die kommende Woche abgeben, haben unnachsichtlich Geschäftsschließung zu erwarten.
Die Hausfrauen werden gebeten, durch sparsamste Einteilung des Brotes unter allen Umständen dafür zu sorgen, daß die Brotmenge jeder Woche bis einschließlich Sonntag reicht. Auch verlangt eine geregelte Versorgung, daß die Wochenbrotmenge einer Familie nicht auf einmal genommen wird. […]
Seifenpulver.
Nach einer neuen Bestimmung dürfen fortan an eine Person in einem Monat statt 250 Gramm nur noch 125 Gramm Seifenpulver abgegeben werden. Die jetzt noch im Verkehr befindlichen auf 250 Gramm lautenden Seifenkarten für Seifenpulver bleiben bis zur Neuausgabe von Seifenkarten bestehen, jedoch darf auf diese nur die Hälfte von 250 Gramm = 125 Gramm Seifenpulver verabfolgt werden. Bleibt der Bezug einer Person in einem Monat unter dieser zugelassenen Höchstmenge, so wächst der Minderbetrag der Höchstmenge des nächsten Monats nicht zu, dagegen ist der Vorausbezug der Menge für 2 Monate gestattet. Feinseife und Seifenpulver darf nur gegen Ablieferung der für den laufenden oder nächstfolgenden Monat gültigen Seifenkarten abgegeben werden. Die Seifenkarte gilt unabhängig vom Orte der Ausgabe in allen Orten des Reiches.
Bekleidungsamt.
Das Tischtuchverbot für Gastwirtschaften wird noch nicht überall gewissenhaft durchgeführt. Es wird daher eine strenge fortlaufende Prüfung angeordnet. Die Wäschebestände der Betriebe, die das Verbot nicht beachtet haben, werden sofort enteignet. […]
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Nachrichten des städtischen Lebensmittelamtes.“)
Kaisergeburtstagsfeiern. Die hiesigen höheren Schulen hielten gestern bereits ihre üblichen Kaisergeburtstagfeiern. Heute haben sie einen schulfreien Tag.
In der Feier der städtischen Realschule, die in der Aula des städtischen Gymnasiums stattfand, bot der von Herrn Rech geleitete Schulchor eine Reihe vorzüglicher Leistungen dar. Wie die Chorlieder, waren auch die Gedichtvorträge dem vaterländischen Fest und zugleich dem Ernst der Zeit angepaßt. […] Die Festrede hielt Oberlehrer Dr. Krieg, der darin kurz die Eigenschaften schilderte, die den Kaiser jedem Deutschen lieb und wert machen müssen. Er schloß mit dem Ausdruck des Vertrauens, daß der Kaiser, seine großen Heerführer und seine Ratgeber, den rechten Frieden zur rechten Zeit schließen werden. Direktor Professor Dr. Korten überreichte 15 Schülern der Anstalt, die im vorigen Herbst bei der Obsternte in der Etappe bis zum Schluß wacker mitgeholfen haben, oder sich als Jungmannen in der Heimat, und drei weiteren Schülern als Anerkennung für gute Leistungen und musterhafte Führung ein Buch als Geschenk des deutschen Kronprinzen.
Am städtischen Gymnasium und Realgymnasium fand die Feier des Geburtstages des Kaisers am Freitag nchmittag 5 Uhr in der Aula statt. […] Unter den Gedichten, die Stimmung und Gesinnung des Deutschen im Ringen um seine Zukunft wiedergaben, beanspruchten diejenigen der flämischen Dichter E. Hiel und G. Geselle besonderes Interesse. […] Ein begeistertes Kaiserhoch bildete den Schluß der Feier.
In der Feier des städtischen Lyzeums und der damit verbundenen Studienanstalt trug der von Herrn Zoumer geleitete Schülerinnenchor eine Anzahl auch schwieriger Lieder sehr fein und vollendet vor. Die von mehreren Schülerinnen aufgesagten Gedichte waren durchweg dem weltgeschichtlichen Erleben der Gegenwart entnommen und verfehlten ihren Eindruck nicht. Die Festrede hielt Oberlehrerin Frl. Dr. Rüggeberg. Sie schilderte, zum Teil aus eigener Erfahrung, das falsche Urteil, das sich im Auslande, zumal in Frankreich und England, über uns Deutsche herausgebildet hat. Namentlich in Frankreich, zeitigte seit 1871 das Gift des Hasses und der Verleumdung um so schlimmere Blüten, je mehr der Deutsche in der Welt zu Ansehen und Einfluß gelangte. Die Ausführungen schlossen mit einem Kaiserhoch.
Am morgigen Geburtstage des Kaisers die Häuser reich zu beflaggen und dadurch in dieser ernsten Zeit der Treue und Anhänglichkeit zum Kaiser besonderen Ausdruck zu geben, bittet Oberbürgermeister Spiritus die Mitbürger.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Sonntag, 27. Januar 1918
Kaisersgeburtstag. Zum heutigen Geburtstag des Kaisers hatten gestern bereits zahlreiche Gebäude Fahnenschmuck angelegt. Hoffentlich wird die Bürgerschaft, der Bitte des Oberbürgermeisters entsprechend, am heutigen Festtage selbst allgemein ihre Häuser beflaggen. Von den Volksschulen wurde Kaisersgeburtstag gestern mit kurzen Klassenfeiern und im übrigen durch Unterrichtsfreiheit begangen. Auch die Synagoge hielt gestern bereits ihren Kaisersgeburtstags-Festgottesdienst ab. Heute vormittag finden in den Kirchen aller Bekenntnisse Festgottesdienste statt. Um die Mittagsstunde läuten die Glocken. Die Universität hält um 1½ Uhr in der Aula ihre übliche akademische Feier. Für den Abend hat der Kreiskriegerverband seine Vereine und die gesamte Bürgerschaft zu einer größeren Feier in den Bonner Bürgerverein eingeladen. […]
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Noch weniger Zigarren. Wie wir erfahren, wird am 1. Februar die Herstellung von Zigarren um ein weiteres Drittel und die von Rauchtabak um ein Fünftel der bisherigen Erzeugung herabgesetzt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Keine Verlängerung der Polizeistunde. Es wird uns mitgeteilt, daß am heutigen Kaisersgeburtstage eine Verlängerung der Polizeistunde nicht stattfindet. Die Wirtschaften müssen daher um 11 Uhr geschlossen sein.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Montag, 28. Januar 1918
Kaisergeburtstag. Kaisergeburtstag, der vierte im Weltkriege, wurde gestern schlicht und würdig, ohne prunkhafte Festveranstaltungen gefeiert. Die ganze Stadt trug reichen Fahnenschmuck. Die Garnison und die Bürgerschaft nahmen zahlreich an den Festgottesdiensten in den Kirchen aller Bekenntnisse teil, zu denen auch der Kreis-Kriegerverband Abordnungen mit Fahnen entsandt hatten. Die Offiziere der Garnison versammelten sich dann auf der Hofgartenwiese zur Paroleausgabe, wobei die Musikkapellen der beiden Bonner Ersatzbataillone spielten. Um 12 Uhr mittags ertönte von den Kirchtürmen feierliches Glockengeläut. Von 12 bis 1 Uhr konzertierte in der Poppelsdorfer Allee eine Militärkapelle.
Die Universität versammelte um 11½ Uhr ihre Mitglieder, eine größere Anzahl Ehrengäste, Abordnungen der Studentenschaft und viele Gäste zu einer akademischen Feier in der festlich geschmückten Aula. Der Rektor, Geheimrat Marx, trug bei dieser Gelegenheit zum erstenmal das aus Eisen gefertigte Bildnis Friedrich Wilhelms III, an der Ehrenkette, das das Goldbildnis des Stifters der Universität an die Goldsammlung der Reichsbank verpfändet worden ist. […] Zum Schluß bemerkte er: Auch in diesem Kriegsjahre habe die Universität an der alten akademischen Form der Kaisergeburtstagsfeier festgehalten. Sie fühle sich sicherer denn je im Schutze des deutschen Heeres und seiner Führer und blicke fest und zuversichtlich der Zukunft entgegen, und von froher Zuversicht seien die Wünsche getragen, mit denen sie den Kaiser in sein neues Lebensjahr begleite. – Als das Kaiserhoch und die erste Strophe der Nationalhymne verklungen waren, verließen die Professoren wieder im feierlichen Zuge unter den Klängen des Preußenmarsches die Aula.
Im Anschluß an die Kaisergeburtstagsfeier in der Aula besuchten der Rektor und eine Anzahl anderer Professoren den studentischen Speisesaal. Geheimrat Marx erwähnte in seiner Ansprache, wenn es nach dem Willen unserer Feinde gegangen wäre, dann wehe jetzt die Trikolore über dem Universitätsgebäude, und der Rektor empfange seine Weisungen von einem französischen Unterpräfekten. Daß diese Gefahr glücklich abgewehrt sei, dazu hätten auch zahlreiche Studenten der Universität Bonn mitgeholfen, und darüber freue er sich besonders. Der Rektor leitete dann zu einem Kaiserhoch über, in das alle Anwesenden begeistert einstimmten. […]
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Starker Straßenbahnverkehr war gestern auf den Kreisbahnen zu beobachten. Namentlich wurde die Bonn-Königswinterer Bahn in außerordentlichem Maße von Ausflüglern in Anspruch genommen, die den hellsonnigen Tag im Gebirge auskosten wollten. Das Fahrpersonal war infolgedessen besonders angestrengt, denn die Wagen vermochten die Fülle der Fahrlustigen, die sich an den Stationen herandrängten, kaum zu fassen. Auf den Plattformen und in den Abteilen herrschte in den ersten Nachmittagsstunden wie gegen Abend bei den Rückfahrten trotz eingelegter Sonderzüge ein ungemütliches Gedränge, das gar manchem Fahrgast die Freuden seiner Wanderung unlieb beeinträchtigte. […]
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Mehlem, 26. Jan. Auf dem hiesigen Bahnhof geriet gestern nachmittag eine Schaffnerin beim Rangieren unter die Räder eines Eisenbahnwagens wobei ihr beide Beine und eine Hand abgefahren wurden. Die Aermste wurde sofort in das Markusstift nach Godesberg verbracht, wo sie schon nach wenigen Stunden ihren schweren Verletzungen erlegen ist.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und Fern.“)
Städtische Fortbildungsschulen. Am 31. März werden aus den Fortbildungsschulen alle Schüler und Schülerinnen entlassen: 1. die bis zum 31. März 1918 das 17. Lebensjahr vollendet haben, 2. die bis zum 31. März 1918 die Fortbildungsschule drei volle Jahre regelmäßig und mit Erfolg besucht haben. Durch Beschluß des Schulvorstandes der Fortbildungsschulen können auf Antrag Schüler und Schülerinnen, bei denen diese Voraussetzungen fast gegeben sind, vorzeitig entlassen werden. Anträge auf vorzeitige Entlassung sind im Büro der Fortbildungsschulen, Bornheimerstraße 9, Zimmer 8, 1. Obergeschoß bis zum 9. Februar 1918 mündlich von den Eltern oder dem Vormund der betreffenden Schüler oder Schülerinnen vormittags zwischen 7 – 12 Uhr und nachmittags zwischen 3 – 6 Uhr zu stellen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Dienstag, 29. Januar 1918
Pfadfinderkorps Bonn. Am Sonntag beging auch das Pfadfinderkorps Bonn den Geburtstag des Kaisers. Einleitend fanden im Kottenforst bei herrlichem Wetter unter reger Teilnahme zwei größere, gut verlaufende Geländespiele statt. Es folgte im Waldheim eine kurze, aber eindrucksvolle Feier. Nach Einbruch der Dunkelheit wurden beim lodernden Schein eines großen Feuers dem Tage und der Zeit entsprechende Lieder gesungen und Gedichte vorgetragen. Nach einer zündenden Ansprache, in deren Hoch alle Anwesenden begeistert einstimmten folgten bei hellem Schein des Flammenzeichens noch einige patriotische Lieder.
2000 Paar Schuhe (Segeltuch-Schnürstiefel mit Lederbesatz und Holzsohle) hat das städtische Bekleidungsamt den hiesigen Schuhgeschäften zum Verkauf überwiesen. Schuhausbesserungen können der Werkstelle des städtischen Bekleidungsamtes übertragen werden.
Die neuen Backvorschriften, wonach Schwarzbrot und Feinbrot 10 v. H. Kartoffelzubereitungen enthalten muß, ferner das Verbot, Brot und Mehl vor Beginn der entsprechenden Versorgungswoche (also vor Montag) zu verkaufen, werden im Anzeigenteil dieser Zeitung bekannt gemacht.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Bonner Bürgerverein. Zu einer glänzenden vaterländischen Kundgebung gestaltete sich die Kaisersgeburtstagsfeier des Bonner Bürgervereins. Ein Prolog, den Herr Direktor Bourdin in vorzüglicher und stimmungsvoller Weise vortrug, leitete die Feier ein. In der Festrede bat der Vorsitzende, Justizrat Schumacher II, dem Kaiser als Geburtstagsgeschenk das Gelöbnis der Treue und opferwilligen Durchhaltens darzubringen, indem er darauf verwies, daß infolge der Tapferkeit unserer Heere uns die Schrecken des Krieges im eigenen Lande erspart worden seien. Zum Schluß zeigte Redner den Kaiser als Friedenskaiser, dem auch der Sieg zuteil werde.
Einst sprach zu Friedenszeiten in der Kaiserstadt Aachen Kaiser Wilhelm das Wort: Ich stelle mich, mein Haus und mein Volk unter das Kreuz, so seinen Glauben offen bekennend und Volk und Reich dem Schutz des Allerhöchsten anbefehlend! Dieses Zeichen ist fürwahr in diesem Kriege ein Wahrzeichen geworden! Des braven Kriegers Brust schmückt das Eiserne Kreuz als Lohn für Tapferkeit und Pflichterfüllung. Unter des Roten Kreuzes warmherzigen Strahlen lindert christliche Liebe der Krieger Schmerzen und Not. Und überall, zumal in Feindeslande, kündet des Kreuzes Zeichen die Stätte, wo tapfere Helden ausruhen von Mühen und Leiden. „In diesem Zeichen, dem im Frieden Du vertraust, wirst, Kaiser Wilhelm, dDu auch siegen!“ –
Vorzügliche Darbietungen des bekannten B.-Quartetts unter Leitung des Herrn Chordirektors J. J. Veith und des Herrn Bollig und ein Vortrag des Herrn Bohnen wechselten mit gemeinschaftlichen Liedern ab. Eine Sammlung zugunsten der Arndt-Eiche in Eisen ergab den Betrag von 200 M.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Kriegsküche. Wann wird endlich die Kriegsküche an der Reuterstraße eröffnet? Mehrere Familien warten mit Sehnsucht darauf, denen die Poppelsdorfer Kriegsküche zu weit entfernt ist. Eine Hausfrau, die gerne sparen möchte.
Rübenkraut statt Südfruchtmarmelade. Sehr geehrte Redaktion! Eine Hausfrau, welche im allgemeinen sehr zufrieden und durchaus fürs „Durchhalten“ ist, bittet freundlich um Aufnahme dieser Zeilen in Ihrer Zeitung. Es handelt sich um den einzigen Brotaufstrich in dieser entbehrungsreichen Zeit. Warum stellt man nicht einfaches reines Rübenkraut her? Auch die allerzufriedensten Menschen werden die allgemeine Klage über die Marmelade berechtigt finden. Da Rübenkraut in der Herstellung so billig ist, müßte dies doch zu erreichen sein. Da Südfruchtmarmelade von unseren Kindern überhaupt nicht gegessen wird, was ja begreiflich ist, stehen die Mütter ratlos da. Ich hoffe sehr, daß diese Zeilen dazu beitragen, gerade für die ärmere Bevölkerung hier Wandel zu schaffen. Eine Hausfrau im Namen vieler.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Durchlaßkarten für hoffende Frauen werden vom 1. Februar 1918 ab in der Kartenausgabestelle des städt. Lebensmittelamtes ausgegeben. Frauen, die im Besitz der Durchlaßkarte sind, sind längerem Warten vor den Verkaufsstellen und in den Geschäftsstellen enthoben.
Sonderausgabe an Lebensmitteln für Neuvermählte. Neuvermählte, die in Bonn einen eigenen Haustand gründen, erhalten zur Beschaffung eines Grundstocks für die Wirtschaftsführung einmalig besondere Bezugsscheine für Lebensmittel. Die Bezugsscheine erhalten nur solche Neuvermählte, von denen mindestens der eine Ehegatte vor der Eheschließung länger als ein halbes Jahr Bonner Einwohner war. Wieviel und welche Lebensmittel abgegeben werden, bestimmt das Lebensmittelamt nach Maßgabe der jeweilig zu Verfügung stehenden Lebensmittel. Auf Anträge, die in der Woche vom 27. Januar bis 2. Februar gestellt werden, werden abgegeben: 30 Pfund Kartoffeln, 2 Pfund Weizenmehl, 2 Pfund Gries, 5 Pfund Zucker, 2 Pfund Malzkaffee, 2 Pfund Butter oder andere Fette, 10 Stück Eier. Anträge sind mündliche in Zimmer 7 des Lebensmittelamtes zu stellen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Mittwoch, 30. Januar 1918
Kaisersgeburtstagsfeier im Soldatenheim. Der Einladung des Soldatenheimausschusses zur Kaisersgeburtstagsfeier im Bonner Bürgerverein waren Montag nachmittag Generalleutnant v. Boetticher mit vielen Offizieren, 1400 bis 1500 Soldaten, Vertreter der Stadt, die Militärseelsorger u.a. gefolgt. Exzellenz v. Boetticher brachte mit kernigen Worten das Kaiserhoch aus. Der zweite Vorsitzende des Ausschusses, Herr Klumann, behandelte in seiner Festrede die Bedeutung der Hohenzollern für Preußen und für Deutschland. Er schloß mit Bismarcks denkwürdigem Wort: Wir Deutsche fürchten Gott, sonst nichts in der Welt. Eine abwechselungsreiche und geschickt zusammengestellte Vortragsfolge unterhielt die Besucher aufs beste, dazu hatten die vaterländischen Vereinigungen für Rauchwaren gesorgt. Den Schluß bildete ein flottgespieltes Lustspiel „In Zivil“.
Eine vaterländische Filmvorstellung für die Bonner Jugend veranstaltet am nächsten Sonntag um 11½ Uhr vormittags in den Bonner Lichtspielen der Flottenverein Jungdeutschland. Der berühmte, das Kriegsjahr 1917 darstellende Film des Bild- und Filmamts „Soll und Haben“ gelangt zur Vorführung, der die Kriegsereignisse daheim und im Felde in glänzender Folge vorbeigleiten läßt und uns so einen unvergleichlichen Eindruck von dem so gewaltigen Geschehen um uns her darbietet, indem er die großen Schlachten an der Westfront, die Kämpfe im Osten, den Siegeszug in Italien, das Wirken und Schaffen daheim und bei unseren Verbündeten unmittelbar uns vor Augen führt.
Das Bier. Ein Vertreter des Kriegsernährungsamtes hat mitgeteilt, daß die Weiterbelieferung der Brauereien mit Gerste einstweilen eingestellt werden müsse. Infolge der außerordentlich schlechten Haferernte sei das Bedürfnis nach Ersatzfuttermitteln immer dringender geworden. Unter diesen Umständen habe man sich zum Verzicht auf das Bier entschließen müssen. Im übrigen sei noch nicht sicher, ob die einstweilen bereitzustellenden Reserven tatsächlich verbraucht würden oder den Brauereien, sei es auch nur leihweise, wieder zur Verfügung gestellt werden könnten.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Ueber die Selbstanfertigung von Straßen- und Hausschuhen hält am Donnerstag nachmittag und abends im Kath. Vereinshaus Frau Annemarie Walter aus Wien einen Vortrag.
Mitteilungen der Ortskohlenstelle. Es wird nochmals darauf aufmerksam gemacht, daß die Haushaltungen der Lebensmittelkartenumschläge A und B auf dem städtischen Gaswerk, Karlstraße, je zwei Zentner Koksgruß zum Preise von 0,75 Mk. den Zentner entnehmen können. Körbe oder Säcke sind mitzubringen. Die Lebensmittelkartenumschläge sind vorzulegen, Kohlenmarken sind nicht erforderlich. Größere Vorräte an Rohbraunkohle liegen noch zur Abgabe an die Inhaber der Lebensmittelkartenumschläge A und B zum Preise von 1,05 Mk. für den Zentner bereit. Hierfür sind besondere Kohlenmarken bei der Ortskohlenstelle anzufordern. Koksgruß wie auch Rohbraunkohle eignen sich vorzüglich zur Streckung der vorhandenen Brennstoffbestände. In letzter Zeit war die Ortskohlenstelle genötigt, mehrere Strafverfahren zu veranlassen, weil Koks ohne Bezugsschein verabfolgt und entnommen worden war. Die Händler werden darauf hingewiesen, daß nach der bestehenden Verordnung erst dann die Belieferung ausgeführt werden darf, wenn der Bezugsschein vom Empfänger vorgelegt worden ist. Auch die Entnahme ohne Marken oder Bezugsschein ist strafbar. Zur Anzeige gebrachte Fälle, in denen Kohlenmarken verliehen oder verschenkt worden sind, geben Veranlassung, auf die Strafbarkeit dieser Handlung hinzuweisen, Kohlenmarken sowohl wie Bezugsscheine sind streng persönlich und nicht übertragbar. Die Karten müssen mit dem Namen und der Wohnung der Inhaber versehen sein. Falls diese Eintragungen von der Ortskohlenstelle noch nicht geschehen sein sollten, sind sie vom Karteninhaber nachzuholen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Verkauf von Speisefett. Auf die Abschnitte Butter und Fett der Speisefettkarte werden in dieser Woche je 25 Gramm Butter, mithin insgesamt 50 Gramm Butter verausgabt. Der Preis für die Butter ist auf 3,45 für das Pfund festgesetzt.
Festgenommen wurden von der Kriminalpolizei zwei hiesige Frauen wegen Verbrechens gegen § 218 des Str.-G.-B., ferner ein Arbeiter, ein Soldat, ein Kriegsbeschädigter und eine Arbeiterin, die dem Vater des Kriegsbeschädigten 300 Mark und Lebensmittel sowie einem Fuhrunternehmer im Florentiusgraben Hafer, Wäsche und Möbelstücke entwendet und in der Nacht zum Sonntag versucht hatten, in ein Zigarrengeschäft in der Breitestraße und in ein Weißwarengeschäft an der Meckenheimerstraße einzubrechen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Donnerstag, 31. Januar 1918
Gartenbauverein Bonn. Die gestrige Monatsversammlung, die erste im neuen Jahre, leitete der zweite Vorsitzende, Herr Thilmann. Er erwähnte unsere militärischen und politischen Erfolge des vergangenen Jahres, betonte, das deutsche Volk könnte vollständig beruhigt in die Zukunft blicken, wenn es Hindenburgs Mahnung zur Einigkeit befolge, und brachte ein begeistert aufgenommenes Kaiserhoch aus. [...]
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Die zunehmende Knappheit an Tabaken hat zu einer abermaligen Herabsetzung des den Fabriken eingeräumten Kontingents genötigt. Sie tritt mit dem 1. Februar in Kraft. Die Herstellung von Zigarren wird um ein Drittel, von Rauchtabak um ein Fünftel der bisherigen Erzeugung eingeschränkt. Damit erleidet die Versorgung des Handels, der bisher schon den Bedarf der Zivilbevölkerung nur in sehr eingeschränktem Maße befriedigen konnte, eine weitere starke Einbuße. Unter diesem Zeichen ziehen auch die Preise weiter an, was wiederum zu neuen Klagen der Raucher über die Preise und angebliche Wucherpreise führt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Vom Rhein. Der Schiffsverkehr kann sich wieder voll entfalten. Da durch die Unterbrechung der Schiffahrt sich viel Massengut angesammelt hat, ist für die nächste Zeit lebhaftes Verfrachtungsgeschäft sowohl rheinauf- wie rheinabwärts zu erwarten. Besonders der Versand von Kohlen nach den oberrheinischen Häfen wird lebhaft betrieben. Mangel an Schiffsraum und Schleppkraft ist vorderhand nicht wahrscheinlich, da für längere Zeit volle Belastung der großen Kähne und völlige Ausnutzung der Schleppkraft gesichert ist.
Die vielen Wucherpreise, die zur Zeit am Bonner Gericht schweben, müssen, wie man uns schreibt, eine sehr ungünstige Vorstellung über den Charakter der Bewohner des Vorgebirges erwecken. Da müssen wohl Leute wohnen, die durch die Bank von der herzlosesten, gemeinsten Habsucht verseucht sind, so wird man denken. Daß es auch am Vorgebirge manche Wucherseelen gibt, soll nicht geleugnet werden. Aber Unrecht wäre es, von diesen Wucherprozessen auf den Charakter der Bewohner der Bewohner im Allgemeinen zu schließen. Wucherseelen beteiligen sich nicht an den Werken der christlichen Caritas, wie es z. B. in Bornheim in diesem Sommer noch geschehen ist. An die 70 Ferienkinder aus Essen sind monatlang in der freundlichsten Weise hier aufgenommen und verpflegt worden, ohne alle Aussicht auf irgendwelchen Lohn. Als nun doch noch nachträglich 0,50 Mk. für jeden Tag bezahlt werden sollte, da nahmen die meisten das Geld nicht an, indem sie erklärten, sie hätten dies aus christlicher Nächstenliebe getan. Wie sind denn solche edeldenkenden Menschen plötzlich zu Wucherern geworden? Die Sache erklärt sich leicht. Händler aus den Industriegebieten boten den hiesigen Erzeugern für Bohnen Preise an so hoch, wie diese sie nie würden gefordert haben. Hätten sie die Angebote abgewiesen, so würde man sie wahrscheinlich für dumme Bauern gescholten haben. Jetzt, wo sie die Angebote angenommen haben, schimpft man sie Wucherer, obwohl doch von einem Missbrauch fremder Not zum eigenen Vorteil nicht die Rede sein kann. Von der Höhe der Strafe kann man sich eine Vorstellung machen aus folgendem Fall: Eine gewisse Frau Häuser aus Brenig, deren Mann im Felde steht, hat 30 Pfund Himbeeren über den Preis verkauft. Dafür hat sie ein Strafmandat bekommen von 1000 Mark.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)