Freitag, 1. November 1918
Ueber den gestrigen Fliegerangriff auf Bonn folgender amtlicher Bericht herausgegeben:
Bonn, 31. Okt.. Amtlich. Heute nachmittag wurde die offene Stadt Bonn von feindlichen Fliegern angegriffen. Leider ist eine größere Anzahl von Personen getötet und verletzt worden. Nähere Angaben folgen nach genauer Feststellung.
In der gestrigen Stadtverordnetenversammlung sprach Oberbürgermeister Spiritus den Hinterbliebenen der Opfer des Fliegerangriffs und den Verletzten und Geschädigten die Anteilnahme der Stadt Bonn aus. Er schlug vor, die Getöteten auf Kosten der Stadt ehrenvoll zu bestatten. In einer längeren Ansprache ermahnte der Oberbürgermeister sodann zur Einigkeit und zum gegenseitigen Vertrauen. Er schilderte die Lebensmittelversorgung als gut, besprach die Ursachen der Geldknappheit und betonte, daß es sich um eine vorübergehende Krise handle, und machte beruhigende Mitteilungen über die Grippe, die ihren Höhepunkt in Bonn überschritten und in den letzten Tagen schon nachgelassen habe. Endlich sprach der Oberbürgermeister noch über die Einquartierungen. Stadtv. Henry, der Vertreter unseres Wahlkreises im Reichstag, erklärte, es sei kein Grund zu Beunruhigung vorhanden; nach menschlichem Ermessen werde unsere Front nicht durchbrochen werden. Die Stadtverordneten beschlossen die Erhöhung der Kinderfahrpreise auf der Straßenbahn und die Erhöhung der Lustbarkeitssteuer. Sie beschlossen die Ausgabe von städtischem Notgeld und besprachen endlich die hohen Eintrittspreise für den nächsten Volksunterhaltungsabend. Wir verweisen auf unseren ausführlichen Bericht.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Fabrikarbeiter und Arbeiterinnen, Dienstmädchen und Stundenfrauen sucht in unbeschränkter Zahl die Hilfsdienstmeldestelle des städt. Arbeits- und Wohnungsnachweises Friedrichsplatz 1. Anmeldung von 9 – 1 und 4 – 6 Uhr.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Samstag, 2. November 1918
Ueber den Fliegerangriff vom Donnerstag wird heute vormittag folgender amtlicher Bericht ausgegeben: Bonn, 2. Nov. Amtlich. Dem Fliegerangriff auf Bonn vom 31. Oktober sind leider 26 Tote, 36 Schwer- und etwa 20 Leichtverletzte zum Opfer gefallen. Der Sachschaden ist nicht bedeutend.
Zu dem Fliegerangriff muß gesagt werden, daß die weitaus meisten der Toten und Verwundeten auf den Straßen getroffen worden sind, in den Häusern sind nur sehr wenige Menschen zu Schaden gekommen. Die Zahl der Opfer wäre also wohl viel geringer gewesen, wenn sofort beim Ertönen der Sirenen jeder so schnell wie möglich in einem Hause Deckung wenigstens gegen Bombensplitter gesucht hätte. Leider wird auch sehr viel darüber geklagt, daß Haustüren geschlossen gehalten und nicht geöffnet, ja daß Einlaßbegehrende sogar rücksichtslos zurückgewiesen wurden. In diesen Fällen haben die betreffenden Hausbewohner, auch ihre Dienstboten und Angestellten, gegen ihre selbstverständliche Pflicht der Nächstenliebe verstoßen und sich dabei noch strafbar gemacht.
Die Einschlagstellen der Bomben wurden gestern sehr viel besichtigt. Wenn dabei in den meisten Fällen auch zunächst die Neugier befriedigt werden sollte, so lehrte doch der Augenschein alle, daß ein Fliegeralarm wirklich ernst zu nehmen ist.
Ihre Königliche Hoheit die Frau Prinzessin Adolf zu Schaumburg-Lippe hat gestern die einzelnen Unfallstellen besucht und eingehend besichtigt. Die Frau Prinzessin beabsichtigt, heute und in den nächsten Tagen auch die in den Krankenhäusern untergebrachten verwundeten Opfer des Fliegerangriffs zu besuchen. Die Verwundeten in den Krankenhäusern wurden heute früh von Oberbürgermeister Spiritus und Beigeordneten Piehl besucht.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Die Totenfeier an den Heldengräbern. Auf dem Nordfriedhof schlummern 518 deutsche Soldaten. Dem Gewühl der Schlacht waren sie entzogen; die Heimat durften sie wiedersehen; doch selbst liebevollste Pflege vermochte sie nicht von ihren Wunden zu heilen, sie dem Leben und dem Vaterlande wiederzugeben. Sie starben den Heldentod im Vaterlande. Sie fanden, glücklicher wie ihre Kameraden draußen, in heimatlicher Erde eine Ruhestätte. Auf dem Nordfriedhofe ruhen auch 22 Streiter unserer Feinde, Russen, Franzosen. Sie waren durch die Gefangenschaft dem blutigen Streiten entzogen. Auch sie fand der Tod; fern der Schlacht; auch ein ehrlicher Soldatentod. Nicht vergönnt war es ihnen, ihr Vaterland wieder zu schauen. Ergreifend schlicht sind diese 340 Soldatengräber. Aus Heide ragt ein weißes Kreuz, das Zeichen der Erlösung. Lichter Birken leichte Zweige singen ihnen das Schlummerlied ewiger Natur. Ernst mahnend stehen ringsum düstere Nadelhölzer. So ehrt die Stadt die tapferen Streiter, die in ihren Mauern die Augen schlossen, in den Gräbern des Heldenfriedhofes.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Allerheiligen. Der gestrige Allerheiligentag hatte eine recht traurige Einleitung durch den am Vortage erfolgten feindlichen Fliegerangriff. Tiefer Ernst und Trauer beherrschte die Gemüter. Sie waren in echter Allerheiligen-Stimmung. Die Friedhöfe, deren Gräber neu geziert waren, wurden wie alljährlich stark besucht. Auf dem Nordfriedhof fand am Nachmittag die Garnisonsfeier wie an den Vorjahren an den Heldengräbern statt, wo sich eine große Anzahl Teilnehmer versammelt hatte. Nach einem Trauermarsch der Kapelle des Inf.-Reg. 160 hielt der Vorsitzende des Kreis-Krieger-Verbandes Bonn, Stadt: Herr Jansen, eine Ansprache und legte einen Kranz an den Heldengräbern nieder. [...] Die Bonner Liedertafel trug die „Himmelssehnsucht“ von Lindpaintner vor. Herr Pfarrer Lorenz hielt eine Ansprache, in der er an Körners Worte: „Vergiß die Toten nicht“ anknüpfte und frug, ob wir heut noch mit unserem Kleinmut der Toten wert seien. [...] Herr Dechant und Oberpfarrer Böhmer betonte ebenfalls die Pflicht treuen Gedächtnisses für die verstorbenen Helden, wies auf die Grundlosigkeit des Kleinmutes, die menschliche Eigensucht und die gewaltigen Pläne der Vorsehung Gottes hin. Zum Schluß erinnerte er an die Heldentaten des deutschen Volkes in den letzten vier Jahren und sprach die Hoffnung aus, daß deutsche Entschlossenheit, deutscher Unternehmergeist und deutsche Arbeitsamkeit dafür sorgen werde, daß unser Vaterland seinen bisherigen Platz im Rate der Völker behaupte. Die Liedertafel sang Rheinthalers „Die Träne fließt zum Staub“, die Infanterie-Kapelle spielte Kremers „Altniederländisches Dankgebet“, womit die ergreifende Feier schloß.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Sonntag, 3. November 1918
Die Eintrittspreise zum heutigen Volksunterhaltungsabend. Herr Landgerichtsrat Bücheler schreibt uns: Die in der Stadtverordnetensitzung bemängelte Erhöhung der Eintrittspreise zum nächsten Volksunterhaltungsabend ist gegen den Wunsch des Veranstalters nötig geworden aus folgendem Grunde: Herr J. Gleß hatte im Juni seine Mitwirkung in dem geplanten Schubertabend einschließlich der öffentlichen Hauptproben gegen eine bestimmte Vergütung endgültig zugesagt. Den Abend sollte das Streichquartett A-Moll einleiten, der Vortrag der Winterreise sollte folgen. Nachdem sämtliche Künstler gewonnen waren, forderte Herr Gleß plötzlich unmittelbar vor der Veröffentlichung der Vortragsfolge unter Ablehnung weiterer Absprache die doppelte Vergütung. Notgedrungen wurde deshalb von der bewährten Einrichtung der öffentlichen Hauptprobe mit ihren höheren Eintrittspreisen für diesesmal abgesehen, die Verpflichtung gegenüber den übrigen Künstlern wieder rückgängig gemacht, dagegen mußte der Eintrittspreis für den Abend selbst erhöht werden, weil sonst dessen Kosten die vorhandenen Mittel allzu übermäßig in Anspruch genommen würden. [...]
Ein Volkszeichnungstag für die 9. Kriegsanleihe findet am heutigen Sonntag in ganz Deutschland statt. Die hiesigen Banken und Sparkassen haben zur Entgegennahme von Zeichnungen ihre Geschäftslokale morgens von 11 bis 1 Uhr geöffnet.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Beschlagnahme von Cocablättern, Cocain und Pfefferminzkraut. Am 2. November 1918 ist eine Bekanntmachung betreffend Beschlagnahme und Bestandserhebung von Cocablättern und Cocain erschienen, durch welche Cocablätter (Folia Cocae), Cocain und seine Salze als Roh-, Halbfertig- und Fertigwaren beschlagnahmt werden, sofern die Vorräte eines Eigentümers nicht weniger als 500 Gramm betragen. Gleichzeitig ist eine Bekanntmachung betreffend Beschlagnahme und Bestandserhebung von Pfefferminzkraut, -tee, -blättern erschienen. Der Wortlaut der beiden Bekanntmachungen ist in der heutigen Nummer unseres Blattes abgedruckt.
Treibriemen und Uebergangswirtschaft. Vom Kriegsausschuß der deutschen Industrie wird uns geschrieben: Zahlreichen stilliegenden Betrieben sind während der letzten Jahre Treibriemen fortgenommen worden und es besteht bei diesen Betrieben vielfach die Sorge, daß bei der Rückkehr zur Friedenswirtschaft die Wiederbeschaffung der Treibriemen besondere Schwierigkeiten machen und die Aufnahme der Arbeit verzögern werde. Demgegenüber wird dem Kriegsausschuß der deutschen Industrie, der auch dieser Frage stets seine besondere Aufmerksamkeit, namentlich im Interesse der stillgelegten Betriebe, gewidmet hat, mitgeteilt, daß diese Sorge unbegründet ist. Zur raschen Versorgung der stilliegenden Betriebe werden zur gegebenen Zeit ausreichende Mengen Treibriemen bereitgestellt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Grippe scheint ihren Höhepunkt überschritten zu haben. Die Erkrankungen sind im Abnehmen und die Zahl der Todesfälle hat sich vermindert. Die Schließung der Schulen im Stadtbezirk bleibt indessen noch einige Tage aufrecht erhalten. Der Tag des Wiederbeginns wird in der nächsten Woche bekannt gegeben.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Montag, 4. November 1918
Garnverteilung. Wie die Reichsbekleidungsstelle mitteilt, sollen im November durch die Kommunalverbände Baumwollnähfäden, Strick- und Stopfgarne zur Verteilung gelangen, und zwar 100 Meter auf den Kopf der Bevölkerung, also die doppelte Anzahl der bisher verteilten Menge.
Ausfallende Züge. Die Eisenbahndirektion in Köln gibt im Anzeigenteil der Zeitung eine Anzahl Züge bekannt, die wegen der Grippeerkrankung unter den Eisenbahnbeamten und wegen der übrigen Schwierigkeiten vorübergehend ausfallen müssen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Der Fliegerangriff auf Bonn.
Von amtlicher Seite wird uns geschrieben:
Die feindlichen Flieger, die am Nachmittage des 31. Oktober die offene Stadt Bonn angriffen, hatten es, wie sich aus den Bombeneinschlagstellen an den verkehrsreichen Punkten der inneren Stadt ergibt, lediglich auf die friedliche Bevölkerung abgegeben. Auch der Zeitpunkt des Angriffs am Nachmittage, an dem der Straßenverkehr am lebhaftesten ist, beweist diese nichtswürdige Absicht unserer Gegner.
Die abgeworfenen Bomben waren durchweg solche mit geringer Durchschlagskraft, aber mit umso größerer Splitterwirkung, also auf Wirkung gegen lebende Ziele, d. h. gegen Frauen und Kinder, berechnet. Auf diesen Umstand ist die bedauerlich hohe Zahl von 27 Toten und 35 Schwerverletzten zurückzuführen. Leider traten weitaus die meisten Verlust auf der Straße oder an Türen, Fenstern und ähnlichen ungeschützten Orten ein. Die Alarmierung der Stadt war rechtzeitig.
Die Bevölkerung der bedrohten Gebiete wird erneut darauf hingewiesen, die Ruhe zu bewahren und beim Ertönen der Alarmzeichen sich in Deckung zu begeben, um sich vor weiteren Verlusten zu bewahren. Der ruchlose Anschlag auf Bonn steht nicht vereinzelt da. [...]
Bekämpfung des Schleichhandels. Bei dem preußischen Landesfleischamte ist eine besondere Stelle geschaffen worden, die sich ausschließlich mit der Bekämpfung des Scheichhandels mit Vieh und Fleisch befaßt. Sie soll im Zusammenwirken mit den Provinzial- und Bezirksfleischstellen sowie den Gemeindeverbänden den unerlaubten Schlachtungen entgegentreten.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Beerdigungsfeier der Opfer des Fliegerangriffs findet am Donnerstag, den 5. ds. M., 1045 Uhr auf dem Nordfriedhof statt. Eine Militärkapelle beginnt mit dem Choral. Die Bonner Männer-Gesangvereine werden sich zu einem Chore vereinigen und Trauerlieder singen. Die Geistlichen werden Ansprachen halten. Nach der Niederlegung der Kränze erfolgt ein Grablied und ein Choral der Militärkapelle. Der Feier voraus geht um 9 Uhr in der Münsterkirche ein feierliches Seelenamt.
Eine Probe für alle Bonner Gesangvereine findet am Montagabend 8.30 Uhr im Bonner Bürger-Verein statt.
Unterhaltungen am Montag den 4. Nov. Bonner Bürgerverein 6.30 Uhr: Wissenschaftlicher Vortrag. Stadttheater (Reihe A): Die lustigen Weiber von Windsor. Lichtspiele: Im Stern 3.30 Uhr. Metropoltheater 4 Uhr. Konzerte: Gangolfhaus 4 Uhr, Fürstenhof 4 Uhr.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Dienstag, 5. November 1918
Zum Fliegerangriff auf Bonn wird uns noch geschrieben: Es ist inzwischen durch die Zeitungen und amtlich festgestellt, daß der Alarm frühzeitig gegeben ist, daß die meisten Toten und Verletzten auf den Straßen gefunden sind und daß es auch jetzt als das Beste angesehen und empfohlen wird, möglichst bald nach dem Alarm in Deckung zu gehen. Schreiber dieser Zeilen hat während des Krieges im Interesse der Heeresverwaltung wiederholt in das besetzte Gebiet reisen müssen, hat schon im Sommer 1915 die Bomben in Charleville und Sedan, später in den nächsten Jahren an anderen Orten im Westen, noch diesen Sommer in Antwerpen, Brügge und Gent kennen gelernt und beobachten können und immer gesagt, daß die Bonner Bevölkerung diese Sache zu leicht nähme. Als Beweis will ich hier nur eine Gelegenheit anführen. Vor etwa zehn Tagen wurde einmal am Spätnachmittage Alarm gegeben, als ich zufällig in der Nähe des Bahnhofes war und es als selbstverständlich erachtete, den Keller unter dem Bahnhofsgebäude aufzusuchen, in dem sich dann bald etwa 25 Personen zusammenfanden, merkwürdigerweise nicht mehr. Denn auf den Straßen nahm der dort ziemlich starke Verkehr seinen Fortgang, es hätten viel mehr Leute in den Keller kommen können und müssen. Aber auch von den Vorhandenen benahmen sich viele ganz unsachlich. Fast jeden Augenblick kletterte irgend einer der meist weiblichen Personen, die Treppe hinauf, bis zur obersten Stufe und schaute mehrere Minuten nach den Wolken: ob denn nun die Flieger bald kämen? Man wurde unwillkürlich an die Zeiten erinnert, als vor fünf und sechs Jahren die ersten Zeppeline kamen. Ich fühlte mich verpflichtet, den Leuten zu sagen, sie müßten unten im Keller bleiben, aber das wurde mit allgemeinem Gelächter aufgenommen. Möge das jetzige traurige Ereignis jetzt endlich die Leute belehren, Polizei und Stadtverwaltung haben oft genug gewarnt, daß man einen Fliegerangriff nicht als Kinderspiel auffassen soll. – Dann noch eins. Es ist schon in Frankfurt vor mehreren Monaten durch die Gerichte energisch festgestellt worden, daß bei Alarm jeder Hausbesitzer die Pflicht hat, Vorübergehende aufzunehmen. Das scheinen in Bonn viele Hausbesitzer und Mieter des Unterhauses nicht zu wissen. Auch müßte besonders jedes Wirtshaus einen Kellerraum freihalten und seinen Gästen zur Verfügung stellen können. Es gibt dem Vernehmen nach Wirtshäuser, die sich am 31. Oktober geweigert haben, ihren Gästen eine Kellerunterkunft zu gewähren. Das letzte Unglück hat doch gezeigt, daß selbst in dem beschädigten Hause an der Dechenstraße der Keller durchaus sicheren Schutz geboten hat. Manche Leute scheuen den Keller in der Befürchtung, sie könnten verschüttet werden und ersticken und würden nicht rechtzeitig befreit. Diese Möglichkeit soll nicht bestritten werden, aber die bisherigen Erfahrungen, namentlich in den oft heimgesuchten Saarstädten, sprechen gegen diese Befürchtung. […]
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Ein offenes Bekenntnis für das deutsche Volkskaisertum. Man schreibt uns: In einer gut besuchten Sitzung nahm der Vorstand der Zentrumspartei im Wahlkreise Bonn-Rheinbach nach einem ausgezeichneten Vortrage des Reichstagsabgeordneten Henry über die Lage einstimmig folgende Entschließung an:
Der Vorstand des Vereins der Zentrumspartei im Wahlkreise Bonn-Rheinbach gibt der zuversichtlichen Ueberzeugung Ausdruck, daß es der unerschütterlichen Tapferkeit unserer Truppen unter ihrer genialen Führung gelingen wird, den Feind von unsern Grenzen fern zu halten und spricht ihnen wiederholt seinen unauslöschlichen Dank aus.
Der Vorstand begrüßt es, daß das deutsche Volk nunmehr die Leitung seiner Geschicke selber in die Hand genommen hat, bringt der neuen Volksregierung volles Vertrauen entgegen und billigt die von ihr zur Herbeiführung des Friedens unternommenen Schritte.
Der Vorstand fordert die Zentrumswähler des Wahlkreises Bonn-Rheinbach auf, durch Ruhe , Besonnenheit, entschlossene Zuversicht und Opferbereitschaft unser Heer in seinem heldenhaften Abwehrkampf und die Regierung in ihren Bemühungen für eine baldige ehrenvolle Beendigung des Krieges zu unterstützen.
Getreu den Grundsätzen der Zentrumspartei und um der Einigkeit und Einheit des deutschen Volkes willen, spricht er sich mit Entschiedenheit für das monarchische Prinzip aus und versichert dem jetzigen Träger des deutschen Volks-Kaisertums seine Anhänglichkeit.
Er ist überzeugt, auch hierin die Meinung der gesamten Zentrumswählerschaft des Wahlkreises Bonn-Rheinbach zum Ausdruck zu bringen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Studentisches Wohnungswesen. Man schreibt uns: Angesichts der augenblicklichen und vor allem des nach Kriegsschluß bevorstehenden erheblichen Mangels an Studentenwohnungen in Bonn, hat die dortige Ortsgruppe des Verbandes für Studentisches Wohnungswesen erneut ihre Tätigkeit aufgenommen. Sie sucht in jeder Weise die Bestrebungen der Universität und der Studentenschaft auf Hebung des Angebotes zu unterstützen und wendet sich vor allem an diejenigen Kreise der Bevölkerung, die in nächster Zeit in der Lage sind, zu angemessenem Preise an Studenten oder Studentinnen ein Zimmer zu vermieten. Daß die Wohnungsnot sehr groß sein wird, ergibt sich allein aus der Tatsache, daß sich im Laufe der letzten 4 Jahre die Zahl der Hochschulstudierenden, die ihre Examina noch nicht gemacht haben, verdoppelt hat, daß nach Abzug der Gefallenen noch etwa 40.000 Studenten in Deutschland ohne Wohnung sind, selbst wenn die früheren Wohnungen sämtlich zur Verfügung ständen. Nachdem diese jedoch zum Teil von anderen Mietern belegt sind, ist der Mangel an Studentenzimmern noch drückender. Die Ortsgruppe fördert gleichzeitig die Erhaltung, Ermutigung und Vermehrung des gediegenen Vermieterinnenstandes. Mitgliedsbeitrag 5 M., für Korporationen 10 M. Geschäftsstelle der Ortsgruppe Bonn, Coblenzer Straße 176, Telephon 483.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Ein sehr trauriges Wiedersehen erlebte ein hiesiger Krieger, der gleich zu Beginn des Krieges eingezogen wurde und seine junge Frau, damals 21 Jahre alt, zurücklassen mußte. Schon in der ersten Kriegszeit geriet er in französische Gefangenschaft, die er meist in Afrika verleben mußte. Da erhielt die Frau vor kurzer Zeit die frohe Kunde, daß ihr Mann ausgewechselt und über die Schweiz zurückkehren würde. Tag und Stunde des frohen Wiedersehens waren fast sich zu bestimmen. Da wurde die junge Frau plötzlich von der heimtückischen Grippe befallen, und als ihr Mann in der vorgestrigen Nacht heimkehrte, war sie schon eine Leiche. Der traurige Fall erregt hier allgemeine Teilnahme.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Lengsdorf.“)
Mittwoch, 6. November 1918
Kein Grund zur Beunruhigung. Aus dem Zentralbureau des Oberpräsidiums der Rheinprovinz wird uns geschrieben: Der Generalquartiermeister weist in einem Schreiben an den Oberpräsidenten der Rheinprovinz darauf hin, daß die augenblickliche Kriegslage keinen Grund zur Beunruhigung für die Bevölkerung der Rheinprovinz bietet. Die von militärischer Seite eingeleiteten Erkundungen bezweckten lediglich, die Möglichkeit der Unterbringung militärischer Einrichtungen für den Fall zu prüfen, daß es zu einem Waffenstillstande und zur Räumung der besetzten Gebiete im Westen kommen sollte, wodurch naturgemäß wenigstens eine vorübergehende stärkere Belegung der westlichen Grenzgebiete bedingt werden würde.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Fliegeralarm. Gestern mittag erfolgte um 1 Uhr wegen Luftgefahr Fliegeralarm, der etwa eine halbe Stunde andauerte. Soweit wir in Erfahrung bringen konnten, ist im Bereich unserer Stadt ein Angriff nicht erfolgt. Die wahrgenommenen Explosionen rührten von Signalbomben und Abwehrgeschossen her.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Trauerfeier für die Opfer des Fliegerangriffes. Die innige Anteilnahme der gesamten Bevölkerung an dem Leide, das durch den feindlichen Fliegerangriff am 31. Oktober vielen Einwohnern unserer Stadt und der Umgegend bereitet worden ist, zeigte sich bei der heutigen Trauerfeier für die Opfer des Fliegerangriffes.
Um 9 Uhr vormittags wurde in der Münsterkirche ein Seelenamt gelesen, das Dechant Böhmer zelebrierte. Wohl selten vereinigte die Münsterkirche eine so gewaltige Trauergemeinde in sich, wie heute morgen. Die Stadt Bonn war vertreten durch Oberbürgermeister Spiritus, Beigeordneter Bottler und Beigeordneter Baurat Piehl. Auch mehrere Stadtverordneten wohnten dem Trauergottesdienste bei. […]
Auf dem Nordfriedhof fand um 10¾ Uhr die Beerdigungsfeier statt. In einem quadratischen Grabe des Ehrenfriedhofes für unsere gefallenen Helden standen 11 Särge mit 6 Verstorbenen aus Bonn und 5 aus der Umgegend von Bonn. Die Grabwände und Grabränder zierten Pflanzengrün und Blumenschmuck. Die Angehörigen der Verstorbenen umstanden in großer Zahl das Ehrengrab. An sie schlossen sich an die Vertreter der Behörden, unter ihnen Oberbürgermeister Spiritus, das Beigeordneten- und Stadtverordnetenkollegium, eine Abordnung der Studentenschaft, die Militärvereine, Gesangvereine u. Innungen. Eine schier unübersehbare Menschenmenge umsäumte den Ehrenfriedhof. […]
Oberbürgermeister Spiritus führte aus: In tiefer Trauer steht die Bonner Bürgerschaft mit den Hinterbliebenen an dieser offenen Gruft. Auf diesem großen weiten Friedhofe wohnen tausende und abertausende Bonner Bürger und Bürgerinnen. Aber an keinen von ihnen ist der Allbezwinger Tod so unerwartet, so grausam herangetreten, als wie an die Opfer dieses ruchlosen feindlichen Angriffes. Friedliche Männer, harmlose Frauen und unschuldige Kinder sind dahingerafft. Viele liegen in den Hospitälern und Lazaretten der Stadt Bonn und sehen einer ungewissen Zukunft entgegen. Großes Leid ist über die Angehörigen und Hinterbliebenen hereingebrochen. Hier Trost zu spenden, ist Menschenwort und Menschenkraft nicht möglich. Trost kann nur spenden der allmächtige Gott im Himmel. Seine Gnade wollen wir auf die Gebliebenen und Hinterbliebenen herniederflehen. Wir, die Bürgerschaft der Stadt Bonn, und weite Kreise darüber hinaus können nur unserem tiefen Leide und unserer aufrichtigen Klage Ausdruck geben über das entsetzliche Unglück, das über uns gekommen ist.
Wir wollen nie vergessen, was an diesem Tage geschehen ist. In den Büchern der Stadt Bonn wird der 31. Oktober 1918 als ein Tag des Entsetzens verzeichnet stehen. Die Erinnerung aber an die Opfer jener ruchlosen Tat soll bei uns in Ehren gehalten werden für uns und für kommende Geschlechter. Dessen zur Bekundung lege ich diesen Kranz der Stadt Bonn an der Gruft dieser Toten nieder.
Unter den überaus zahlreichen Kranzspenden befand sich auch einer der Frau Prinzessin Adolf zu Schaumburg-Lippe. […]
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Donnerstag, 7. November 1918
Auf die neunte Kriegsanleihe, deren Zeichnungsfrist gestern mittag abgelaufen ist, sind nach den vorläufigen Feststellungen bei der hiesigen Reichsbank und deren Vermittlungsstellen rund 24 Millionen Mark gezeichnet worden (gegen 30.350.000 M. bei der achten Kriegsanleihe). Die beiden Sparkassen haben aber von den insgesamt 19 Millionen, die sie zeichneten, elf Millionen bei der hiesigen Reichsbank angemeldet und acht Millionen an die Landesbank in Düsseldorf weitergegeben. Diese acht Millionen sind den 24 Millionen hinzuzuzählen, ferner die bei der hiesigen Genossenschaftsbank für Rheinpreußen angemeldeten und an die Zentralgenossenschaftskasse in Berlin weitergeleiteten Zeichnungen, die bis gestern abend auf acht Millionen festgestellt wurden. Insgesamt beträgt das Ergebnis für Bonn danach bisher rund 40 Millionen Mark (gegen rund 51 Millionen bei der achten Kriegsanleihe).
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Arndt-Eiche in Eisen. Die vor kurzem seitens des Soldatenheims veranstaltete Aufführung des von Herrn Fritz Koep verfaßten „Bonner Brückenmännchen“ hat als Rein-Einnahme den überaus hohen Betrag von 821,62 Mark ergeben, welcher der Arndt-Eiche in Eisen überwiesen worden ist. Dem Ausschuß des Soldatenheims, das nunmehr 3 Jahre in überaus segensreicher Weise wirkt, sei für die reiche Zuwendung auch an dieser Stelle der wohlverdiente Dank ausgesprochen. Zur Erinnerung an die von dem Soldatenheim während des Weltkrieges bewiesene Wohlfahrtspflege soll an der Arndt-Eiche ein entsprechendes Schild angebracht werden und demnächst in feierlicher Weise angeheftet werden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Das städtische Viktoriabad ist wegen Kohlenmangel bis auf weiteres geschlossen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Freitag, 8. November 1918
Wiedereröffnung der Schulen. Von der städtischen Verwaltung wird uns mitgeteilt: Da die Erkrankungsfälle an Grippe weiterhin abgenommen haben und die Zahl der Gesundmeldungen ständig zunimmt, wird der Unterricht in sämtlichen Schulen des Stadtbezirkes am Montag, 11. November 1918, wieder aufgenommen.
Zentrumspartei. Reichstagsabgeordneter Henry hat sein Amt als Vorsitzender der Zentrumspartei im Wahlkreise Bonn-Rheinbach niedergelegt. An seine Stelle trat Kaplan Rembold in Bonn.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Annahme von Notgeld. Eine Verfügung des Finanzministers bestimmt, daß auch das von größeren industriellen Werken ausgegebene Notgeld von den Regierungshauptkassen und Kreiskassen bis auf weiteres im örtlichen Verkehr als vollgültiges Zahlungsmittel anzunehmen ist. Es ist möglichst häufig bei den Ausgabestellen in Reichsgeld umzuwechseln. Auch zur Annahme des Notgeldes ist bei Zahlungen aus den staatlichen Kassen niemand verpflichtet.
Eine öffentliche Volksversammlung wird am Sonntag vormittag von der Zentrumspartei im Bonner Bürgerverein veranstaltet. Das Mitglied des Herrenhauses, Generalsekretär Stegerwald und Reichstagsabgeordneter Rechtsanwalt Henry werden über den Weg zum Frieden reden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Verkauf sterilisierter Milch. Von Dienstag den 12. d. M. ab wird in den städtischen Verkaufsstellen (Lebensmittelgeschäften) sterilisierte Milch in Flaschen mit dreiachtel und siebenzehntel Liter Inhalt verkauft.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Samstag, 9. November 1918
Aufregung auch in Bonn. Gestern nachmittag bildeten sich im Bahnhofsgebäude sowie vor dem Bahnhof und der Rheinuferbahn größere Ansammlungen, die auf irgend etwas warteten, angeblich auf die Führer der Arbeiter und Soldaten aus Köln oder auch auf die Marinesoldaten aus Kiel. Durch Neugierige, die aus der ganzen Stadt herbeiströmten, vergrößerte sich die Ansammlung gegen Abend, doch da es weder etwas zu sehen noch zu hören gab, ging man ebenso ruhig, wie man gekommen war, wieder heim. Zu Ausschreitungen ist es nicht gekommen. Die Züge und die Straßenbahn verkehrten ohne Störung.
Vorgestern abend war die Rheinbrücke abgesperrt worden auf die Nachricht hin, daß sich in Siegburg die Militärgefangenen befreit hätten. Man befürchtete, daß sie nach Bonn ziehen würden, das ist jedoch nicht geschehen.
Deutsche Vaterlandspartei. Die überaus zahlreich besuchte Mitgliederversammlung der Deutschen Vaterlandspartei am 7. November im großen Saal der Lese war eine Kundgebung der Treue zu Kaiser und Reich. Der leitende Gedanke „auf Kaiser und Reich beruht nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Gegenwart und Zukunft Deutschlands“, wurde in ernsten, tief zu Herzen gehenden Worten von den verschiedenen Rednern mit außerordentlichem Nachdruck und männlichem Freimut betont. Ohne Kaiser kein Reich, ohne Reich kein Deutschland mehr. Und daher die Losung: Wenn alle untreu werden, so bleiben wir doch treu.
Im Stadttheater ist gestern abend die angesetzte Vorstellung ausgefallen, wohl im Zusammenhange mit den Unruhen in Köln.
Der Flottenverein Jungdeutschland teilt uns mit, daß die geplante vaterländische Filmvorstellung am morgigen Sonntag wegen der Zeitverhältnisse und der Verkehrsstörungen ausfällt. Auf Wunsch wird den Abonnenten der Betrag für diese Vorstellung zurückerstattet.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Ein Arbeiter- und Soldatenrat in Bonn. Heute Vormittag fanden in den Frühstunden Verhandlungen auf dem Rathaus zwischen Vertretern der Soldaten und der Stadtverwaltung über Bildung eines Arbeiter- und Soldatenrates statt. Gestern abend wurden hier die Gefängnisse durch vier Soldaten geöffnet und das Straßenbild gewann durch das Passieren von entlassenen Gefangenen mit roten Rosetten an der Jacke ein eigenartiges Bild. Ansammlungen, die gestern nachmittag und gestern abend am Bahnhof erfolgten, verliefen ohne Ruhestörung. Inwieweit die Gerüchte zutreffend sind, daß die militärischen Kleiderkammern und das Proviantlager hier geplündert wurden, konnten wir noch nicht feststellen.
Abgesagt. Die für morgen in Bonn angesetzte Zentrumsversammlung kann nicht stattfinden, da die beiden Redner wegen der Verkehrsstörungen Berlin nicht verlassen können.
Einquartierung in Bonn. Von der Stadtverwaltung wird uns geschrieben: In der Zeitung häufen sich die Anzeigen, welche die Uebernahme von Einquartierung nachsuchen. Wenn auch nicht verkannt werden kann, daß in manchen Familien wegen Alter und Krankheit der Mitglieder nicht unerhebliche Schwierigkeiten für einen solchen Fall entstehen, so möge die Bürgerschaft doch daran erinnert werden, daß es ihre Pflicht ist, den aus dem Felde zurückkehrenden Kriegern, welche lange Jahre hindurch die Heimat geschützt haben, in dankbarer Anerkennung durchweg eine freundliche Aufnahme zu bieten.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
„Arbeiter- und Soldatenräte“ werden jetzt auch bei uns allenthalben errichtet. Im allgemeinen ist, von einigen bedauerlichen Ausschreitungen des Volks abgesehen, die aber bald unterdrückt wurde, der Uebergang der Nacht noch ziemlich ruhig und glimpflich vor sich gegangen. Es fragt sich nur, ob sie die Ruhe überall aufrecht erhalten können. Alles kommt jetzt auf die Ruhe und Selbstzucht der neuen Ordnungsorgane an. Wird es ihnen gelingen, auch den Ausschreitungen der untersten Volksklassen entgegenzutreten? Das läßt sich bisher nicht überall behaupten. In Köln haben ja Zuchthausgefangene und Dirnen losgelassen, die die Bürgerschaft lebhaft beunruhigen. Bereits ist es auch zu Ausschreitungen gekommen. Die Zuchthäusler sind in Geschäfte eingedrungen und haben sich neu eingekleidet; die Dirnen treiben sich schamlos auf den Straßen umher. Der Arbeiter- und Soldatenrat hat die Aufrechterhaltung der Ordnung übernommen. Nahezu die gesamte Kölner Garnison ist zu den Arbeiter- und Soldatenrat übergegangen. Gestern abend spät sind Führer des Arbeiter- und Soldatenrates aus Cöln nach hier in Bonn eingetroffen, die auch hier sofort ihre Tätigkeit begannen. Der Kölner Arbeiter- und Soldatenrat in Köln formulierte seine Forderungen in zwei großen Versammlungen im Gürzenich und in der Kölner Bürgergesellschaft: 1. sofortiger Friede; 2. Vereidigung des Heeres auf die Verfassung; 3. Freilassung sämtlicher politischer Gefangener; 4. Abschaffung aller Dynastien im deutschen Reiche; 5. Einstellungen aller militärischen Einberufungen; 6. Annullierung der Kriegsanleihen und Schonung der von den kleinen Leuten gezahlten Beträge; 7. Abschaffung des militärischen Grußes. Diese Forderungen dürften auch anderswo aufgestellt worden sein.
Nach den bisher vorliegenden Nachrichten beschränkt sich die Bewegung vorläufig noch auf eine Anzahl größerer und mittlerer Städte; in München ist nach einer gewaltige Versammlung auf den Theresienwiesen die Republik ausgerufen worden. Aus Berlin heißt es noch immer: es sei alles ruhig. Der Oberkommandierende in der Marken hat die Bildung der Soldatenräte untersagt. Es bleibt abzuwarten, ob dieses Vorgehen Erfolg haben wird. Davon dürfte es auch abhängen, ob die Bewegung rein örtlicher Natur bleiben oder von tiefeingreifender Bedeutung wird. Inzwischen ist an der Front eine Waffenruhe von zweiundsiebzig Stunden zugestanden worden zur Annahme der Fochschen Bedingungen.
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Ueber die Sitzung, die heute früh im Rathause stattfand, wird uns von zuständiger Stelle mitgeteilt:
Anwesend waren unter dem Vorsitz des Oberbürgermeisters Spiritus der Bahnhofskommandant, der Vertreter des Cölner Soldatenrates Mandel, der Bürgerausschuß, Vertreter des Sozialdemokratischen Vereins und der Gewerkschaften. Der Vertreter des Soldatenrates gab zunächst einen Bericht über die Lage in Cöln und die hier in der Nacht vom 8. zum 9. entstandene Lage. Er schlug vor, auch hier in Bonn mit größter Beschleunigung, namentlich mit Rücksicht auf den Sicherheitsdienst, einen ausführenden Arbeiter- und Soldatenrat zu bilden.
Nach längerer Aussprache einigte man sich auf folgendes:
1. Es wird ein Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat gebildet.
2. Dieser Rat besteht aus drei Vorsitzenden Kuhnert, Dr. Krantz, Schmitz und drei Schriftführern Kalt, Kollaß, Vins.
3. Es werden ein Sicherheits-Ausschuß, ein Transport-Ausschuß, ein Verpflegungs-Ausschuß, ein Presse-Ausschuß, ein Gesundheits-Ausschuß gebildet.
4. Diese Ausschüsse bestehen aus folgenden Mitgliedern: a) Sicherheits-Ausschuß: Bottler, Heinen, Vorsitzende, Sames, Bloemers, Wittkugel, Wellmann, Beisitzer; b) Transport-Ausschuß; Dr. Lühl, Hauptmann Geyk, Romold, Schoppe, Beyer, Schmok, Butscheidt, Beisitzer; c) Verpflegungs-Ausschuß; Piehl, Kuhnert als Vorsitzende, Gentrup, Kalt, Niedermeyer, Roßberg, Wellmann als Beisitzer; d) Presse-Ausschuß; Piehl, Dr. Krantz als Vorsitzende, Butscheidt, Kollaß, Sames, Bins als Beisitzer; e) Gesundheits-Ausschuß; von Gartzen, Kalt, Vorsitzende, Niedermeyer, Schultze, Prof. F. A. Schmidt, Olbertz, Wellmann, Heinrich Cisak, Beisitzer.
5. Oberbürgermeister Spiritus gab die Erklärung ab, daß die Stadtverwaltung dem Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat jederzeit mit Rat und Tat zur Seite steht.
6. Der Sicherheits-Ausschuß soll schleunigst eine Bekanntmachung erlassen, durch die strenge Bestrafung bei Ordnungswidrigkeiten, namentlich bei Plünderung und Raub, angedroht wird und nach der es den Bürgern verboten ist, nach 9 Uhr abends auf der Straße zu sein.
7. Der Oberbürgermeister stellt dem Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat als Geschäftsräume den Stadtverordneten-Sitzungssaal und das Zimmer 13 zur Verfügung.
8. Der Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat soll neben einem von ihm zu beschaffenden Stempel bis auf weiteres den Stadtstempel führen.
9. Es soll eine Auskunftsstelle errichtet werden, in der über alle Maßnahmen, namentlich zureisenden Truppenteilen usw., Rat erteilt werden kann.
(Volksmund, Rubrik „Bonner Angelegenheiten“)
Sonntag, 10. November 1918
Die Lage in Bonn. Die Menschenansammlungen, die sich Freitag nachmittag vor dem Bahnhof gebildet hatten, zerstreuten sich erst am späten Abend. Vier Soldaten gingen zum Gefängnis und erwirkten die Freilassung sämtlicher Gefangenen. Zu bedauerlichen Ausschreitungen kam es am Güterbahnhof, wo ein militärisches Ausrüstungslager geplündert wurde. Auch in den Kasernen sollen die Kleiderkammern geleert worden sein. Während der ganzen Nacht fielen in den verschiedensten Stadtteilen Schüsse, doch sind Verwundungen nicht bekannt geworden. […]
Die Straßen der Stadt waren gestern von Soldaten sehr belebt. Fast alle trugen keine Kokarde mehr oder nur noch eine Kokarde, einzelne hatten auf der Brust rote Schleifen, Matrosen auch rote Bänder an den Mützen, Kraftwagen mit Soldaten, vereinzelt auch Zivilpersonen durcheilten die Straßen; auf allen diesen Kraftwagen wurde eine rote Fahne mitgeführt. Militärische Streifwachen mit umgehängtem Gewehr, den Lauf nach unten, gehen durch die Straßen und versehen den Sicherheitsdienst.
Universität. Um falschen Gerüchten entgegenzutreten, hat der Rektor einen Anschlag anbringen lassen, in dem es heißt, daß die Universität offen bleibt und der Unterricht ungestört weiter geht.
Neues Operettentheater. Am heutigen Sonntag finden zwei Aufführungen der Operette „Schwarzwaldmädel“ statt. Die Nachmittagsvorstellung beginnt 2½ Uhr, die Abendvorstellung beginnt um 6 Uhr. Durch diesen früheren Anfang ist die Abendvorstellung kurz nach 8 Uhr beendet. Diese Aenderung des früheren Anfangs ist infolge der neuen Verordnung notwendig geworden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Sicherung von Leben und Eigentum. Angesichts der politischen Umwälzung, die sich gegenwärtig im ganzen Reich vollzieht, und die auch in Bonn am heutigen Samstag zur Bildung eines Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrates geführt hat, sei unter Hinweis auf die im Inseratenteil zur Veröffentlichung gelangenden Anordnungen der neuen Sicherheitskommission unserer Stadt audrücklich darauf hingewiesen, daß aus allen Meldungen, die uns über die Neuordnungen in den einzelnen Städten des Reiches vorliegen, immer wieder hervorgeht, daß man ausdrücklich gewillt ist, Leben und Eigentum der Bürger in der entschiedensten Weise zu schützen. Es sind in den ersten Tagen der Umwälzung wie anderwärts so auch in Bonn Plünderungen der Kleiderkammern der Kasernen, der Militärdepots und einzelner Ladengeschäfte erfolgt. Das wird jedoch zweifellos nur eine Ausnahme bleiben, denn es heißt in den Anordnungen der neuen Sicherheitskommission ausdrücklich, daß Plünderer sofort erschossen werden.
Zum Schulanfang. Allenthalben wird es mit Freuden begrüßt, daß mit Montag der Unterricht in allen Schulen wieder aufgenommen wird. Die Kinder werden von allem Straßenunfug bewahrt und kommen wieder in geregelte Tätigkeit. Auf verschiedene Anfragen hin sei wiederholt, daß auch für die Kinder der Münsterschule der Unterricht wieder beginnt. Die Verteilung der Unterrichtsstunden auf die schon hergestellten Klassenräume wird ihnen Montag 8 Uhr auf den beiden Schulhöfen durch den Rektor mitgeteilt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
In Erwartung der Dinge, die kommen sollten, war gestern unsere Stadt. Die Nachricht der Kölner Bewegung war gestern schon im Laufe des Vormittags nach Bonn gekommen, natürlich wie immer in übertriebener Darstellung. Man erwartete allgemein, daß die Bewegung auch auf unsere Stadt übergreifen werde. Am Nachmittag sammelten sich am Bahnhof der Rheinuferbahn eine große Menschenmenge an, welche eine Abordnung des Kölner oder Kieler Soldatenrates erwartete. Es war wohl nur Neugierde, welche die meisten trieb. Die ersten Neugierigen wurden durch andere abgelöst und so ging es bis zum Abend hinein. Durch die Stadt verbreiteten sich die wildesten Gerüchte, die in der Tat geeignet waren, einen Teil unserer Geschäftsleute mit bangen Befürchtungen zu erfüllen. Viele im Innern der Stadt räumten ihre Schaufenster aus und ließen die Rolladen herunter; andere schlossen ihre Betriebe. Soldaten belebten vielfach das Straßenbild. Viele trafen von Köln ein, wo ihnen Seitengewehre und Achselstücke abgenommen worden waren. Gestern abend zog eine große Gruppe zu den hiesigen Gefängnissen, aus denen man dann die Gefangenen entließ. Zu Unruhen ist es bisher nirgendwo in Bonn gekommen.
Wie es heißt, soll eine Abordnung des Kölner Soldatenrates mit dem hiesigen Garnison-Kommando verhandelt haben. Darüber ist uns bis zur Stunde aber nichts näheres bekannt geworden.
Im Sitzungssaale des Rathauses fand heute früh eine Sitzung statt, in der ein Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat mit mehreren Ausschüssen gebildet wurde. In der Stadt wiederholte sich zum Teil das gestrige Bild. Auch hier nahmen Soldaten mit roten Abzeichen den ankommenden oder abfahrenden Soldaten Waffen, Achselstücke und Kokarde ab. Die Straßen zeigten reges Leben. Es ist auch heute im Innern der Stadt nicht zu Unruhen gekommen. Wie es heißt, sollen aus dem Proviantdepot und den Militärmagazinen in der Nacht verschiedene Sachen herausgeholt worden sein. Für die Bevölkerung liegt kein Anlaß vor, wegen ihres Besitzes in Besorgnis zu sein. Das Vorgehen in anderen Städten hat dies gezeigt.
Vor einer großen Versammlung, die sich heute vormittag auf dem Markte gebildet hatte, sprachen Mitglieder des Ausschusses. Sie forderten die Bürger zu Ruhe und Ordnung auf und teilten u. a. mit, daß sich ohne Ausweis abends nach 9 Uhr niemand auf der Straße befinden dürfe. [...]
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Montag, 11. November 1918
Die neue Lage in Bonn hat sich seit Samstag weiter gefestigt. Zu Ausschreitungen ist es auch gestern und in den beiden letzten Nächten nicht gekommen. Die Anordnungen des Sicherungsausschusses werden allgemein pünktlich befolgt. Der Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat, der jeden Vormittag 8 Uhr im Sitzungssaale des Rathauses tagt, hat heute morgen den Hauptmann Arimond zum Stadtkommandanten gewählt.
Zentrum und Sozialdemokratie hielten gestern im Saale des Bonner Bürgervereins Volksversammlungen ab. In der Zentrumsversammlung führte Reichstagsabgeordneter Henry u. a. aus: Heute hängt alles davon ab, wie wir uns zu den beiden Tatsachen: verlorener Krieg und Revolution stellen. Wir müssen diese Dinge so zu lenken suchen, daß sie für uns von Nutzen sind. Wir haben den Krieg verloren, weil er zuletzt über unsere Kraft ging. Die Frage, wer schuld an dem Kriege ist, muß später untersucht und beantwortet werden, die Schuldigen müssen dann vor das Volksgericht gestellt werden. Die Hauptschuld lag in dem System, das die Geschicke eine 70-Millionen-Volkes in ganz wenig Hände legte. Dieses System, das die Militärgewalt über die Zivilgewalt stellte, ist zusammengebrochen und soll zusammengebrochen bleiben. Wir wollen hoffen, daß wir zu einem wirklichen Rechtsfrieden kommen, aber wir haben diesen Frieden noch nicht. Die sozialdemokratischen Abgeordneten haben sich auch für einen Rechtsfrieden ausgesprochen aber nicht für einen Vernichtungsfrieden. Dazu ist erforderlich, daß unsere Front draußen festhält und sich nicht auflöst. Wir müssen uns die Frage vorhalten: sollen denn die 1.600.000 Toten umsonst gefallen sein, weil wir im Inlande Ruhe und Nerven verloren haben? Was die Revolution uns noch bringen wird, wissen wir noch nicht. Aber wir wollen diesen Männern Vertrauen schenken und mitarbeiten. Der Kaiser hat gewiß gefehlt, aber heute ist noch nicht die Zeit, darüber zu reden. Er hat es gut mit dem Volke gemeint. Wir müssen uns mit beiden Füßen auf den Boden der gegebenen Tatsachen stellen und mitarbeiten, damit aus dieser Bewegung etwas wird für das Wohl unsres lieben deutschen Vaterlandes und Volkes. Die Geschlossenheit der innern Front muß bewahrt bleiben, um uns vor einem Bürgerkrieg zu bewahren. Auch hier in Bonn wollen und müssen wir alles tun, um dem neu gegründeten Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat sein Wirken möglichst zu erleichtern. Herr Wellmann vom Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat forderte die Anwesenden auf, sich möglichst zahlreich zur Bürgerwehr zu melden. Herr Schmitz vom Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat forderte die Soldaten auf, wieder ihre Kokarden und Achselstücke zu tragen und sich von keinem abnehmen zu lassen. Im übrigen möge man Ruhe und Ordnung bewahren. […]
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Bessere Straßenbeleuchtung. Seit Samstag sind die Einschränkungen in der Straßenbeleuchtung aufgehoben. Straßen und Plätze sind wieder hell erleuchtet.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Lage in Bonn. Die Ruhe ist auch gestern nirgends gestört worden. Die Straßen sind kaum mehr belebt gewesen als an anderen Sonntagen. Wohltuend empfand der seßhafte Bürger die abendliche Ruhe nach 9 Uhr auf den Straßen, die ihm sonst Sonntags vielfach durch auswärtige jugendliche Radaumacher nicht gegönnt wurde. Gestern wurde vom Sicherheitsausschuß eine Bürgerwehr eingerichtet, die neben den Soldaten für die Sicherheit in der Stadt sorgen wird.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Dienstag, 12. November 1918
Der Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat trifft bis auf weiteres täglich im Rathause zu Sitzungen zusammen. In der Leitung der Sitzungen wechseln sich die drei Vorsitzenden ab: am Sonntag führte Herr Kuhnert, gestern Herr Dr. Krantz den Vorsitz. Heute wird ihn Herr Schmitz haben. Die Sitzungen sollen um 9 Uhr vormittags beginnen; um 8 Uhr tritt der Vorstand des Rates zusammen, um Tagesordnung usw. vorzubereiten. Der Arbeiter-, Bürger- u Soldatenrat beschloß gestern auf Antrag des Mitgliedes Vins, daß die Sitzungen insofern öffentlich sein sollten, als die Presse zugelassen wird und ohne jede Beschränkung eigene Berichte geben kann. Die Zeitungen wurden von dem Beschluß sofort benachrichtigt, sodaß ihre Vertreter dem letzten Teil der Sitzung beiwohnen konnten.
In der Sitzung am Sonntag nahm der Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat (dessen Namen wir fortan „A.B.S.“ abkürzen werden), die Berichte der einzelnen Ausschüsse entgegen. Er faßte u.a. folgende Beschlüsse:
Den Bäckern, Kolonialwarenhändlern usw. wird es streng verboten, auf noch nicht gültige Marken im voraus Lebensmittel abzugeben.
Die in Bonn lagernden Vorräte der Reichsbekleidungsstelle, insbesondere die innerhalb der Bürgerschaft gesammelten 3000 Anzüge, werden für die Bonner Einwohnerschaft beschlagnahmt.
Der Bonner A.B.S. arbeitet vollständig unabhängig vom Kölner Arbeiter- und Soldatenrat.
Auf eine Anfrage des Oberbürgermeisters Spiritus wird beschlossen, daß die Geschäfte der Stadtverwaltung und der übrigen Behörden in der bisherigen Weise vom Oberbürgermeister usw. weiterzuführen sind, jedoch in dem Rahmen, der sich durch die Einrichtung des A.B.S. ergibt. Die bisherigen städtischen Ausschüsse bleiben bestehen. Neugewählt wird ein vereinigter Finanz- und Verfassungsausschuß, dem die drei Vorsitzenden, sowie die Herren Wellmann, Rossberg. Rowold, Kolaß und Vollmar, ferner als beratende Mitglieder Oberbürgermeister Spiritus sowie die Beigeordneten Bottler und Piehl angehören.
Aus der gestrigen Sitzung ist hervorzuheben:
Es soll eine Bürgerwehr eingerichtet werden. Mit der Organisation und der Leitung wird Hauptmann Arimond beauftragt, der zugleich zum Bürgerwehrkommandanten gewählt wird. Die Mitglieder der Bürgerwehr erhalten angemessene Vergütung. Herr Witkugel hat mitteilen lassen, daß er krankheitshalber in der Bürgerwehr und dem Sicherheitsdienst überhaupt nicht mitwirken könne. An seine Stelle wird Herr Burckhardt zum polizeitechnischen Berater der Bürgerwehr bestimmt. Oberbürgermeister Spiritus widmete den bisherigen Polizeiinspektor Witkugel warme Worte der Anerkennung und des Dankes für seine langjährige Tätigkeit im Dienste der öffentlichen Sicherheit der Stadt Bonn.
Zum Punkt „Notstandsarbeiten“ berichtete Beigeordneten Dr. v. Garzten, daß Dienstag nachmittag 5 Uhr im Bonner Bürgerverein eine Versammlung der Arbeitgeber abgehalten werden solle.
Der A.B.S. beschließt, daß Kinos, Theater usw. ihren Betrieb fortsetzen können, jedoch um 8 Uhr abends schließen müssen.
Auf eine Anregung aus der Mitte des Rates wird beschlossen, da jeder Geschäftsmann usw. verpflichtet ist, Zinsscheine der Kriegsanleihe als gesetzliche Zahlungsmittel auch in Zahlung zu nehmen. Der Sicherheitsausschuß wird eine entsprechende Bekanntmachung erlassen. Dabei soll der Einwohnerschaft eingeschärft werden, daß es gewissenlos ist, das Geld zurückzuhalten anstatt dem Verkehr zuzuführen.
Auf eine Anregung wird mitgeteilt, daß nach einem Beschluß des Sicherheitsausschusses Kinder nach Eintritt der Dunkelheit sich nicht mehr auf den Straßen aufhalten dürfen.
Ueber das Auftreten der Matrosen wird von verschiedenen Seiten geklagt. Es wird beschlossen, die letzten in der Stadt noch anwesenden Matrosen so bald wie möglich zu entwaffnen und aus der Stadt zu entfernen. Hauptmann Arimond wird mit den notwendigen Maßnahmen beauftragt.
Es wird mitgeteilt, daß im Hamburger Hof Sonntag abend um 11 Uhr noch Zechgelage gehalten worden sind. Die Angelegenheit wird dem Sicherheitsausschuß überwiesen.
Auf Anregung des Beigeordneten Piehl wird beschlossen, je einen Vertreter des A.B.S. zur hiesigen Bahnhofskommandantur, zum Proviantamt, zum Proviantdepot und zur Garnisonsverwaltung zu entsenden. Ferner wird beschlossen, auf der Bahnstrecke Bonn-Jünkerath die Verpflegungstransporter im Einvernehmen mit Euskirchen zu überwachen. Es wird auch eine Verordnung beschlossen, daß alles in Bonn noch lagernde Getreide sofort auszudreschen ist.
Zur Einquartierungsfrage berichtet Beigeordneter Schultze: Für Bonn sei eine ganz bedeutende Einquartierungslast vorgesehen gewesen, man hätte alle Schulen und Säle belegen und doch noch Bürgerquartiere in Anspruch nehmen müssen. Jetzt sei jedoch nur noch mit kleineren Einquartierungen zu rechnen, und da sich auch die Universität bereit erklärt habe, Einquartierungen aufzunehmen, werde man vielleicht mit einigen Schulen, Sälen, den Universitätsräumen und Kasernen auskommen, sodaß die Einwohnerschaft voraussichtlich von Einquartierungen befreit bleibe. Auf Antrag des Herrn Vins soll ein Ausschuß sofort darüber bestimmen, welche Schulen gegebenenfalls zu schließen sind.
Auf Anregung des Beigeordneten Piehl wird die Metallmobilmachung in Bonn für beendet erklärt.
Eine recht wichtige Sache! Der vierte Punkt der von uns angenommenen Waffenstillstandsbedingungen besagt: Räumung des linken Rheinufers. Es erhebt sich jetzt überall die Frage, ob auch diejenigen wehrpflichtigen Deutschen, die infolge Entlassung vom Militärdienst, Reklamation oder aus sonstigen Gründen augenblicklich nicht bei den Waffen stehen, ebenfalls das linke Rheinufer verlassen müssen. Es ist dies eine Frage von weitreichender Bedeutung, die schleunigst geklärt werden muß. Und zwar umso mehr, als die feindlichen Besatzungstruppen bereits in den nächsten Tagen einrücken dürften.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Jetzt und in den nächsten Wochen keinerlei Entlassung von Arbeitern.
Der Kgl. Gewerbeinspektor schreibt uns: Es ist unabweisbare vaterländische Pflicht aller Arbeitgeber, sämtliche Arbeite zunächst irgendwie weiter zu beschäftigen, auch wenn die Rüstungsarbeiten plötzlich aufhören sollten. Eine große Arbeitgeber-Versammlung in Köln am 9. ds. Mts. hat sich einstimmig auf den Standpunkt gestellt, daß die Ehrenpflicht aller Arbeitgeber, groß und klein, ist, und das die Kostenfrage in der jetzigen Zeit dabei keine Rolle spielen darf. Arbeitsvermittlung und Rohstoffbezüge sollen geregelt werden. – Ein Vertreter der Gewerkschaften hat in der Versammlung die Erklärung abgegeben, daß auch keinerlei Arbeitseinstellung seitens der Arbeiter erfolgen werde.
Arbeitgeber und Arbeitnehmer, haltet in der Not des Vaterlandes zusammen! Denkt an die gemeinsamen Interessen! Nur wenn Ihr Hand in Hand arbeitet, ist der Wiederaufbau des deutschen Wirtschaftslebens möglich!
Sicherheitsdienst. Die Arbeiter des Elektro-Stadtwerks in Dottendorf – 45 Mann – haben sich zur unentgeltlichen Mitwirkung beim Sicherheitsdienst zur Verfügung gestellt. In der heutigen Nummer unseres Blattes werden die Bürger der Stadt Bonn nochmals dringend ersucht, sich sofort zum Eintritt in die Bürgerwehr zu melden. Amtsgerichtsrat Arimond ist zum Kommandanten der Bürgerwehr bestellt.
Ein hiesiger Universitätslehrer beging gestern aus Gram über das schwere Geschick, das Deutschland getroffen hat, in seiner Wohnung Selbstmord.
Geschlossen. Der „Hamburger Hof“, Bahnhofstraße und das damit verbundene Weinrestaurant Cassiusgraben 11 sind gestern auf Anordnung des Sicherheitsausschusses geschlossen worden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die sozialdemokratische Versammlung am Sonntag war sehr stark besucht. Der Vorsitzende Kolaß teilte mit, der Redner, Reichstagsabgeordneter Dr. Quark, sei wegen der Verkehrsschwierigkeiten nicht eingetroffen. Er gab dann ein Bild der Lage in Bonn. Herr Kuhnert, einer der drei Vorsitzenden unseres Arbeit-, Bürger- und Soldatenrates, führte u.a. aus: Wir haben als Volk uns zu lange beeinflussen lassen, und auch heute ist ein sehr großer Teil unserer Mitbürger noch nicht so weit, die errungene Freiheit auszunutzen; das Strammstehen und Zusammenklappen vor einem „großen Tier“ ist dem deutschen Michel nun einmal in Fleisch und Blut übergegangen. Als Rüpel braucht man sich selbstverständlich auch nicht zu benehmen. Nun haben im ganzen Reich die Arbeiterschaft und das aufgeklärte Bürgertum die Herrschaft an sich gerissen. Kaiser Wilhelm hat endlich eingesehen, daß auch für ihn ein Zylinderhut vorhanden ist. Bis vor wenigen Tagen war die bisher herrschende Kaste willens, unsere gesamte Flotte mit Mann und Maus in einer großen Schlacht gegen England zu opfern. [...] Die Matrosen haben diese Machtpolitik nicht mitgemacht, sie sagten sich, Deutschland habe schon genug Blut geopfert, durch einen solchen Gewaltstreich würden die Friedensbedingungen nicht gebessert, wohl aber die ruhige wirtschaftliche Fortentwicklung Deutschlands infrage gestellt. Das war die Ursache der jetzigen Bewegung, die sich über ganz Deutschland fortgepflanzt hat. Auch an der Front sollen in den letzten Tagen Verbrüderungen zwischen deutschen und feindlichen Soldatem stattgefunden haben, und auch in Frankreich sollen sich die Dinge ähnlich wie bei uns entwickeln, es soll auch da mit den Kriegshetzern aufgeräumt werden. Wenn das richtig ist und wir durch die Völkerverbrüderung zu einem Frieden kommen, so wird es ein Dauerfrieden sein. Der Redner ging dann auf die Aufgaben des Bonner Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrates ein. [...] In Bonn hat auch das Bürgertum bei der Neuordnung der Dinge seine ausgiebige Vertretung erhalten, sodaß keiner Ursache hat, der Bewegung Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Der Vorsitzende Kolaß verlas die bis dahin noch nicht bekannten Waffenstillstandsbedingungen, wobei er durch vielfache Pfuirufe unterbrochen wurde. Er berichtete, er habe in Köln die Angaben, da sich die Soldaten an der Front verbrüderten, bestätigt erhalten. Man könne so doch noch die Hoffnung haben, daß es zu einem gerechten Frieden ohne Ansprüche auf beiden Seiten komme. [...] In der nun folgenden Aussprache wurde zum Teil eine recht scharfe Tonart angeschlagen. Ein Redner wollte Wilhelm von Hohenzollern als den Urheber des Weltkrieges an den Galgen haben; ein anderer bezeichnete als die drei Feinde des Volkes Feudalismus, Kapitalismus und Ultramontanismus. Frau Dr. Wegscheider sprach für das Wahlrecht der Frauen. Gegenüber dem Vorwurf eines Redners, daß man in Bonn nicht einen Arbeiter- und Soldatenrat, sondern einen Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat habe, erwiderte Herr Kuhnert: Während in anderen Städten die Arbeiterschaft die übergroße Mehrheit der Bevölkerung ausmacht, zählt sie in Bonn nicht einmal 35 Prozent der Gesamtbevölkerung. Es wäre nicht demokratisch, wenn wir unter diesen Verhältnissen das Bürgertum ausschalten wollten. Wir sind durch die Zusammensetzung des Rates nicht enttäuscht worden. Wir werden die Interessen der Arbeiter, die mit denen der Gesamtheit identisch sind, vertreten, und sollte uns das in der Zusammenarbeit mit den Vertretern des Bürgertums nicht möglich sein, so werden wir den bürgerlichen Herren den Stuhl vor die Tür setzen. Der Redner bat, dem Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat Vertrauen entgegenzubringen, er gebrauche es besonders in Hinblick auf die harte Arbeit, die sich aus den Waffenstillstandsbedingungen ergebe. Diese Bedingungen stellten das Schwerste dar, was je einem Volke zugemutet worden sei, sie würden aber hoffentlich durch die demokratische Bewegung in den gegnerischen Ländern erträglich gemacht werden. Gegenüber einem Tadel wegen der Anordnung, daß Plünderer sofort zu erschießen seien, betonte der Vorsitzende Kolaß, es solle nicht blindlings in die Volksmenge geschossen werden. Da aber aus den Gefängnissen und selbst aus dem Zuchthause in Rheinbach auch die schlimmsten Verbrecher befreit worden seien, müßten scharfe Maßregeln angekündigt werden. Die Versammlung erklärte sich zum Schluß mit allen gegen acht Stimmen mit der Zusammensetzung des Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrates einverstanden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Mittwoch, 13. November 1918
Eine Arbeitgeberversammlung, die der Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat einberufen hatte und von seinem Vorsitzenden Kuhnert geleitet wurde, beschäftigte sich gestern abend im Bonner Bürgerverein mit einer der wichtigsten Fragen der Uebergangswirtschaft, der Beschaffung von Arbeit für die zurückkehrenden Krieger. Beigeordneter Dr. v. Gartzen erwähnte in seinem einleitenden Vortrag, daß während der Uebergangszeit mit einer größeren Arbeitslosigkeit unbedingt gerechnet werden müsse, nur über ihre Dauer könne man verschiedener Meinung sein. Auch in Bonn werde die Arbeitslosigkeit umfangreich sein. Für die Arbeitslosen, besonders die heimkehrenden Krieger müsse mit allen Kräften gesorgt werden. [...] Die Arbeitgeber müssen es als ihre Pflicht betrachten, die Arbeiter beim Aufhören der Kriegsindustrie noch einige Zeit zu beschäftigen. Die Kostenfrage darf in der jetzigen Zeit, da es sich um die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung handelt, keine Rolle spielen. Nötigenfalls ist die Arbeitszeit zu verkürzen, wobei die bisherigen Löhne aber beizubehalten sind. Ferner müssen Notstandsarbeiten in Angriff genommen werden. Für Bonn kommen infrage die Inangriffnahme der Kleinwohnungsbauten, die Friedhoferweiterungen, die Baugrubenaushebung von geplanten größeren Bauten und andere Erd- und Straßenarbeiten, so lange es an Baustoffen selbst fehlt. Bei den zuständigen Behörden muß die Freigabe der beschlagnahmten Rohstoffe usw. erwirkt werden. Soweit die Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung nicht ausreichen, muß eine ausreichende Erwerbslosenfürsorge einsetzen. Es muß nicht nur für die unselbständigen Arbeiter, sondern auch für die Handwerker, kleinen Beamten und Privatangestellten gesorgt und im Zusammenarbeiten mit den Handwerksorganisationen usw. eine Mittelstandsfürsorge betrieben werden. [...]
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Der Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat erklärte sich in seiner gestrigen Sitzung damit einverstanden, daß die hiesigen Banken bei der Reichsbank höhere Beträge hinterlegen und in dieser Höhe kurzfristige Schecks von 50, 20, 10 und 5 Mark ausgeben, um dem bis aufs Äußerste gestiegenen Kleingeldmangel entgegenzutreten. Diese Schecks sollen als gültige Zahlungsmittel gelten. [...] Wie Beigeordneter Bottler des weitern ausführte, sei durch das Gerücht, daß von Köln aus Plünderer hierher nach Bonn kommen sollten, große Beunruhigung bei der Bevölkerung hervorgerufen worden. An diesen Gerüchten sei kein wahres Wort; zur Beunruhigung liege kein Grund vor, da der Sicherheitsausschuß in der Lage sei, für Ruhe und Ordnung zu sorgen. [...] Um dem Verschleppen von Militärsachen aus den Kasernen vorzubeugen, sollen fortan Soldaten mit Paketen nicht mehr aus den Kasernen heraus gelassen werden; jetzt schon werden in den einzelnen Kasernen alle Pakete, Rucksäcke usw. durchsucht. Es wurde vorgeschlagen, das Bezirkskommando nach der Hundsgasse in das Gebäude der ehemaligen Bonner Bank zu verlegen. Den Bürgern soll mitgeteilt werden, daß diejenigen, die die Stadt verlassen, dies auf eigene Gefahr für das zurückgelassene Hab und Gut tun. Bezüglich der bevorstehenden Einquartierung wird noch einmal darauf hingewiesen, daß Bürgerquartiere voraussichtlich nicht in Anspruch genommen werden.
Der Beschluß von gestern bezügl. Schließung des Hamburger Hofes wurde heute Vormittag aufgehoben.
Taghell ist die Nacht erleuchtet. Wer in der vergangenen Nacht, bewaffnet mit seinem Schein, durch den die Erlaubnis erteilt ist, auch zwischen 9 Uhr abends und 5 Uhr früh die Straßen unserer Stadt zu begehen, einen Rundgang unternahm, um sich als Zeitungsmann einen Eindruck des nächtlichen Bonn zu verschaffen, der wurde angesichts der Fülle von Licht lebhaft an die alte Zeit vor dem Kriege erinnert. Nur die Stille und Leere der Straßen wirkten eigenartig. [...] Die Bürgerwehr machte sich erfreulicherweise überall scharfäugig bemerkbar. Jeder Passant mußte seinen Ausweis vorzeigen. Dem Schreiber dieser Zeilen ist es innerhalb zehn Minuten dreimal begegnet, daß er „auf seinem Schein bestehen“ mußte. Am Hof vor dem Universitätsgebäude, auf dem Marktplatz und auf dem Münsterplatz wurden wir angehalten, und es wäre uns sogar ein viertes Mal in der Remigiusstraße passiert, wenn wir uns nicht in Begleitung der Patrouille vom Markt befunden hätten.
Das Rathaus war im zweiten Stockwerk hell erleuchtet, und als wir die Wache nach dem Grunde dieser nächtlichen Erscheinung fragten, erhielten wir die Auskunft, daß der Arbeiter- und Soldatenrat auch nachts sich dort betätige, namentlich um der Hamsterei zu begegnen. Man habe gerade einen Sergeanten mit einem halben Sack Kaffee erwischt, der oben verhört werde. [...] Ueberhaupt hatte man den Eindruck, daß die reiche Beleuchtung in Verbindung mit den patrouillierenden Wachen wohl geeignet ist, allem Diebesgesindel gründlich das Handwerk zu legen, namentlich angesichts des Umstandes, daß die Wachen mit geladenen Gewehren die Straßen durchwandern. Nur beobachteten wir, daß in den von den Mittelpunkten der Stadt abgelegenen Straßen Patrouillen weit weniger oder gar nicht anzutreffen sind. Heute in den Frühstunden bemerkte man Bürschchen von 10 bis 12 Jahren, die sich gruppenweise in der Innenstadt herumtrieben. Auf diesen Schlag unserer Bonner Jugend müssen die Wachen ein besonderes Augenmerk haben. [...]
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
An unsere Mitbürger
richten wir hiermit die dringende und herzliche Bitte, in ihrem eigenen Interesse doch all den tollen, übertriebenen oder vollständig aus der Luft gegriffenen Gerüchten wie sie z. B. gestern nachmittag und abend verbreitet wurden, keinen Glauben zu schenken. So hieß es gestern abend, es seien 50 Zuchthäusler von Köln nach Bonn unterwegs, um hier zu plündern. Wir bitten alle diejenigen, denen derartige Gerüchte zugetragen werden, die Verbreitung der augenblicklichen Behörde, dem Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat, namhaft zu machen. Die Bürgerschaft weiß doch aus Erfahrung, daß wir alle im Kriege genügend unnötig aufgeregt worden sind.
Die Schriftleitung
Räumung des linken Rheinufers. Diese Waffenstillstandsbedingung bedeutet nicht etwa, daß die Zivilbevölkerung ihre Heimat verlassen muß, sondern bezieht sich nur auf Militärpersonen. In der Erläuterung wird sodann auch gefordert, daß die Betriebe auf dem linken Rheinufer ihre Personalstärke nicht vermindern dürfen. Dies zur Beruhigung vieler.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Donnerstag, 14. November 1918
Sitzung des Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrats der Stadt Bonn.
Vorsitz: Herr Kuhnert.
Zu Beginn der Sitzung erklärt Herr Kuhnert: Es kommen sehr häufig an einzelne Mitglieder des Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrats Zuschriften, die sich über das ein oder andere Mitglied des A.B.S. beschweren. Es kommen auch Zuschriften mit ungeheuren Beschuldigungen gegen Mitbürger. Fast alle Zuschriften sind anonym, können daher nicht verfolgt werden und wandern grundsätzlich in den Papierkorb.
Hauptmann Arimond berichtet über den Sicherheitsdienst. Dieser Dienst hat auch vorige Nacht gut gearbeitet. Für die Organisation der Bürgerwehr wird noch heute dem Sicherheitsausschuß ein fertiger Entwurf vorgelegt werden können. Es ist gedacht, jede der vier Kompanien auf 200 Mann zu bringen. – Es wird angeregt, die Lehrerschaft zum Eintritt in die Bürgerwehr aufzufordern. Festgestellt wird, daß die Bürgerwehr ihre Führer im Einverständnis mit dem Sicherheitsausschuß selbst bestimmt. Es werden Klagen über häufige nächtliche Kraftwagenfahrten vorgetragen. Die Kraftwagenfahrten, vor allem nachts, sollen so viel wie möglich eingeschränkt werden.
Es wird mitgeteilt, daß zur Verpflegung der zurückmarschierenden, zum Teil schon in der Eifel befindlichen ersten Armee vorige Nacht bereits die ersten notwendigen Maßregeln getroffen worden sind, weiteres soll geschehen. Die Armee befindet sich, wie ein nach Bonn entsandter Vertreter berichtet hat, noch in guter Ordnung, es fehlt ihr aber dringend an Lebensmitteln. In Bonn sind noch genügend Lebensmittel der Heeresverwaltung vorhanden. Es sollen hier drei große Verpflegungsstationen für durchziehende Truppen eingerichtet werden, etwa in der bisher ungenutzten Kriegsküche an der Reuterstraße, in dem Schuppen an der Hindenburgstraße und in einem Güterschuppen. Der Lebensmittelaussschuß wird gleich nach der Vollsitzung des A.B.S. zusammentreten und Einzelheiten beschließen.
[...]
Der A.B.S. beschließt auf Anregung, das Gepäck der von Bonn abreisenden Soldaten auf dem Bahnhof zu untersuchen und doppelt vorhandene oder überflüssige militärische Bekleidungsstücke sowie unrechtmäßig erworbene Sachen zurückzuhalten.
Beigeordneter Dr. v. Gartzen teilt ein Schreiben des bisherigen Reservelazaretts mit, daß zur Pflege und Wartung der noch in großer Zahl in Bonn liegenden Schwerverwundeten und Schwerkranken, die vorerst noch nicht abtransportiert werden können, das vorhandene Lazarettpersonal und die Kommandierten dringend voll und ganz benötigt werden. Der Reservelazarettdirektor bittet daher, schleunigst zu veranlassen, dass das vorhandene Personal, auch das außerhalb Bonns beheimatete, weder entlassen noch beurlaubt wird. [...]
Auf Antrag aus der Mitte der Versammlung wird ausdrücklich festgestellt, daß die in diesen tagen von den hiesigen Banken ausgegebenen kleinen Schecks für Bonn gesetzliche Zahlungsmittel sind und von jedem in Zahlung genommen werden müssen.
Zum Schluß wird ein Telegramm von der ersten Armee bekannt gegeben, daß eine größere Abordnung nach Bonn unterwegs sei, um die Verpflegung zu regeln. Dadurch wird, wie betont wird, die Verpflegung der durchziehenden Truppen bedeutend erleichtert.
Im Lazarett Beethovenhalle wird Samstag 5½ Uhr ein bunter Abend zum Besten einer Weihnachtsbescherung für die Verwundeten veranstaltet.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Keine Flucht vor feindlichen Besatzungstruppen. Die Reichsleitung ersucht dringend, auf die Bevölkerung einzuwirken, daß sie ruhig an ihren Wohnsitzen bleibe und nicht aus Furcht vor feindlicher Besatzung fliehe. Die Ernährungslage verbietet es, jetzt größere Bevölkerungsverschiebungen vorzunehmen, da die Zuziehenden in anderen Kommunalverbänden nicht mitversorgt werden können. Flüchtende würden daher dem größten Elend entgegensehen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Der Telegrammverkehr hat sich seit einiger Zeit außerordentlich gesteigert, sodaß der Betrieb bei dem durch die Kriegsverhältnisse eingeschränkten Bestand an Personal und Leitungen sehr erschwert ist. die Schwierigkeiten sind jetzt noch wesentlich vermehrt, weil das Betriebspersonal allerorten in große, Umfang an Grippe erkrankt ist, infolgedessen haben sich vielfach die Telegrammassen nur dadurch bewältigen lassen, daß sie zum Teil mit der Post versandt worden sind. [...]
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Freitag, 15. November 1918
Liberaler Bürgerverein. Die gestern abend im großen Saal der Lese abgehaltene Versammlung des Liberalen Bürgervereins war recht gut besucht, allerdings nicht so zahlreich, wie man hätte erwarten müssen. Ein großer Teil des liberalen Bürgertums steht den sich überstürzenden politischen Ereignissen noch zu teilnahmslos gegenüber, zieht, wie hervorgehoben wurde, die Unterhaltung am Stammtisch der berufenen Aufklärung und Belehrung vor, schenkt dabei selbst den grundlosesten Gerüchten Glauben und bringt selbst noch neue Unruhen schon aufgeregte Bevölkerung. Der Vorsitzende, Dr. Krantz, schilderte nach kurzen Ausführungen über die allgemeine Lage und über die Aufgaben des Liberalen Bürgervereins die Ereignisse in Bonn während der letzten acht Tage. Schon Donnerstag voriger Woche war ein Bürgerausschuß aus je vier Vertretern der Liberalen, des Zentrums und der Sozialdemokratie im Rathause zusammengetreten, der von der Stadtverordnetenversammlung bevollmächtigt war, in allen dringenden Fällen selbständig zu handeln. Nachdem es noch Freitag in Bonn ruhig gewesen war, kamen in der Nacht zum Samstag 15 bewaffnete Matrosen nach Bonn, befreiten die Gefangenen, erbrachen das Proviantmagazin an der Endenicher Straße, erzwangen die Uebergabe des Garnisonskommandos und veranlassten die Wahl eines Soldatenrates. Darauf kam als Vertreter des Kölner Arbeiter- und Soldatenrates der Gefreite Mandel mit 50 Mann nach Bonn, um die Unordnung zu beseitigen, was auch einigermaßen gelang. Es wurde dann der Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat gebildet, dem außer den Vertretern der Soldaten acht Vertreter der Sozialdemokratie und der freien Gewerkschaften sowie je vier Vertreter der Liberalen und des Zentrums angehören. Der Oberbürgermeister und die Beigeordneten haben sich sofort zur Weiterarbeit bereit erklärt. Für die wichtigste Aufgabe, die Sicherheit zu gewährleisten, erwies sich das Militär als zu schwach, es wurde daher die Bildung einer Bürgerwehr beschlossen und ihre Organisation und Führung dem Amtsgerichtsrat Arimond übertragen. In kurzer Zeit werden wir eine genügend starke und wohldisziplinierte Bürerwehr haben, um Leben und Eigentum unserer Einwohner schützen zu können. Dr. Krantz bat alle Beamten, auf ihrem Posten zu bleiben, durch den Rücktritt würden die Verhältnisse nicht verbessert, vielmehr verschlechtert. Er berichtete weiter über die sehr schwierigen, aber auch zum Teil schon gelösten Aufgaben des Transport- und Verpflegungsausschusses. Auch die gewaltige Aufgabe, den heimkehrenden Kriegern Arbeit und Verdienst, auf die sie ein Recht haben, zu beschaffen, werde gelöst werden können, da die Arbeitgeber dieser Aufgabe einmütig den besten Willen entgegenbringen. [...] Die größten Schwierigkeiten werde noch der Durchzug der Truppen mit sich bringen, es sei aber auch hierfür so gut wie möglich vorgesorgt. Die Furcht vieler Einwohner vor der kommenden feindlichen Besatzung sei unnötig. Die Besatzungstruppen kommen nicht als Feinde hierher, sondern nötigenfalls sogar zu unserem Schutze. [...] Sodann ist im Hinblick auf die kommenden Wahlen zur Nationalversammlung, an der alle Männer und Frauen über 20 Jahre teilnehmen werden, jeder kleinliche Parteihader abzustreifen. [...]
In der Aussprache sicherten Professor Pflüger und Geheimrat Schultze für die nationalliberale Partei, Dr. Brüggemann für den fortschrittlichen Verein das Zusammenarbeiten im Sinne der von Dr. Krantz gemachten Ausführungen zu. Es wurde auf die Gefahr hingewiesen, die unserem Volkstum durch die feindliche Besatzung nicht dadurch drohe, daß sie hart mit der Bevölkerung verfahre, sondern daß sie durch größte Rücksichtsnahme und absichtliche Liebenswürdigkeit die Stimmung für Frankreich geneigt mache. Dieser Gefahr müsse durch Aufklärung, vor allem in den Schulen, begegnet werden. [...] Nachdem ein Redner noch einmal die Zusammengehörigkeit aller liberalen Parteien unterstrichen und Frau Schumm im Namen des Verbandes der Bonner Frauenvereine die Bereitwilligkeit der Frauen, an dem Wiederaufbau des Vaterlandes mitzuarbeiten, versichert hatte, schloß Dr. Krantz die Versammlung mit einem warmen Appell, für die Erhaltung des Liberalismus und des Deutschtums zu wirken.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Wie sollen wir unsere heimkehrenden Truppen empfangen?
Es gelangen fortgesetzt Zuschriften an uns, in welchen angeregt wird, unseren unbesiegt heimkehrenden Feldgrauen einen würdigen Empfang zu bereiten. Wir geben diese Anregung unserer Stadtverwaltung und dem Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat weiter. Eine Zuschrift lautet:
Sind unsere Soldaten keine Sieger??? Weshalb werden sie nicht als solche begrüßt? Wenn auch der Sieg nicht ganz unser ist, so sind wir ihnen dennoch zu großem Dank verpflichtet, sie verteidigten treu unser geliebtes Heimatland.
Wäre es nicht angebracht, unsere tapferen Helden mit Flaggenschmuck zu begrüßen? Mit trauriger Miene sahen wir gestern die ersten Feldgrauen durch unsere Stadt ziehen.
Sollen wir nicht unseren Dank zum Ausdruck bringen, dadurch, indem wir bitten: Bürger, Fahnen heraus!!!
In einer anderen Darstellung heißt es:
In wenigen Tagen kehrt das in tausend Schlachten siegreiche, ungeschlagene Deutsche Heer, auf Anordnung der Deutschen Regierung, nach Deutschland zurück.
Das Deutsche Volk muß den tapferen Beschützern der heimatlichen Erde, denen wir alles zu verdanken haben, Willkommen bieten. Der beste Ort dafür sind sämtliche Rheinbrücken, welche die Deutschen Heere überschreiten müssen. Auf diesen Brücken müßten Ehrenpforten mit ehrenden Willkommensprüchen errichtet werden, damit unsere Tapferen sehen, die Heimat hat ihre Taten nicht vergessen.
Ein weiterer Aufruf lautet:
An Alle!
Erfreue, wer kann, die unbesiegt Heimkehrenden mit einer kleinen Gabe als Zeichen der Dankbarkeit; denkt derer, die unser Vaterland verteidigt haben.
Der Verkehr in den Straßen unserer Stadt ist von heute ab bis 10 Uhr abends gestattet. Die Wirtschaften, Theater, Kinos usw. dürfen bis 9 Uhr offen halten. Die Straßenbahnen werden ebenfalls wieder eine Stunde länger verkehren, also bis 10 Uhr. Der Ausschank von Branntwein und Liqueuren ist bis auf weiteres vollständig untersagt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Ueber den Rücktransport unseres Front- und Besatzungsheeres nach der Heimat scheinen in den maßgebenden Stellen endgültige Bestimmungen noch nicht getroffen zu sein. Während man noch gestern amtlich die Ansicht vertrat, von heute an müßten stündlich sieben bis acht Militärzüge verkehren, um die Heimbeförderung in Angriff zu nehmen und innerhalb der vertragsmäßigen Frist zu bewältigen, ist jetzt in Aussicht genommen, daß das Heer zu Fuß bis an die Landesgrenze oder wenigstens bis weit nach Belgien hinein ziehen soll, wo dann die größeren Zugtransporte zusammengestellt werden. Soviel scheint jedenfalls festzustehen, daß von Freitag den 15. d. M. an eine ganz erhebliche Einschränkung des Zivilpersonenverkehrs in Aussicht genommen ist, und daß namentlich beabsichtigt ist, daß Zivilreisende nur mit besonderer Genehmigung zum Zugverkehr zugelassen werden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Samstag, 16. November 1918
Universität. Der Rektor macht bekannt: Das Gerücht, daß die Universität geschlossen wird, ist unrichtig. Die Universität bleibt geöffnet, der Unterricht wird fortgeführt. Nur werden die Vorlesungen und Uebungen, die bisher in den Hörsälen des Universitätsgebäudes gehalten worden sind, ab von Montag, den 18. November ab für einige Wochen in andere Räume verlegt werden, da die Hörsäle nach einer eingetroffenen Verfügung zu Einquartierungszwecken frei gemacht werden müssen. Die Anzeige, welches die neuen Vorlesungsräume sind, wird an den schwarzen Brettern der Portale des Universitätshauptgebäudes – eilige Anschläge – und des Westflügel dieses Gebäudes, sowie in einem Schaufenster der Buchhandlungen Fritz Cohen und Ludwig Röhrscheid bekannt gemacht werden.
Bonner Stadttheater. Das Stadttheater wird in der kommenden Woche wiedereröffnet. Der Spielplan vom 18. bis 25. November lautet: Donnerstag, Reihe A: „Matthäus Dreibuchen“, ein Stück aus dem Volke von Waldemar Weber und Paul Bourfeind, Freitag, Reihe B: „Der Bibliothekar“, Schwank von Moser. Beide Vorstellungen beginnen wahrscheinlich um 6 Uhr.
Der Meisterverein für das Maler- und Anstreichergewerbe in Bonn bittet die Mitbürger, in und an ihren Häusern die notwendigen Anstreicherarbeiten ausführen zu lassen, damit die heimkehrenden und vom Hilfsdienst freigewordenen Meister und Gesellen Arbeit erhalten.
„Groß-Bonn“ am Markt hat vom heutigen Samstag ab einen vollständig neuen Varietéspielplan.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Neues Operettentheater. Welch ungeminderte Zugkraft die reizende Operette Schwarzwaldmädel ausübt, mag aus dem Umstande hervorgehen, daß die Direktion am Montag den 18. d. M. in der Lage ist, die 25. Ausführung dieses sympathischen Werkes anzusetzen. Als nächste Aufführung bereitet die Direktion die auch in Bonn geschätzte romantische Operette „Die Glocken von Corneville“ vor.
Einquartierung. Der Oberbürgermeister veröffentlicht im Anzeigenteil unseres Blattes die Beträge, die für die Einquartierung bezahlt werden. Die Quartierleistung erfolgt ohne Verpflegung. Matratzen und Stroh werden der Bürgerschaft für die Einquartierung nicht geliefert.
Der Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat beschloß in seiner gestrigen Sitzung, die Sperrstunde für den Aufenthalt auf den Straßen auf 10 Uhr abends zu verlängern. Im Interesse der Arbeiter wurde weiterhin beschlossen, das Begehen der Straßen in den frühen Morgenstunden bereits um 4 ½ Uhr statt bisher um 5 Uhr zu gestatten. Gastwirtschaften, Theater, Kinos usw. müssen um 9 Uhr schließen. Der Ausschank von Branntwein und Likören wird gänzlich verboten. Zuwiderhandlungen werden mit Schließung der Lokale bestraft. Die Bescheinigungen zum Betreten der Straßen zur Nachtzeit werden von jetzt ab von der Polizei ausgestellt. Mit dem heutigen Tage wirkt die Bürgerwehr mit der Polizei in Uniform wieder zusammen. Der Sicherheitsausschuß ist die oberste Instanz in Sicherheitsangelegenheiten. Die Exekutive liegt in den Händen der Bürgerwehr und der Polizei, die gleichberechtigt nebeneinander zusammen arbeiten. [...] Zivilpersonen und Soldaten ist das Tragen von Waffen verboten. Militärwaffen und Munition sind von der Bürgerschaft bis zum 20. d. M. mittags 12 Uhr, im Polizeirevier abzuliefern. [...]
Ueber den Umfang der Diebstähle, die in der Nacht zum 9. November in vier militärischen Depots verübt wurden, macht Bahnhofskommandant Guilleaume Mitteilung. Der Wert der gestohlenen Sachen belaufe sich auf etwa 3 Millionen Mark. Es wurden u. a. gestohlen: Eine halbe Million Zigarren, 1 Million 500.000 Zigaretten, 20.000 Tönnchen Kautabak, 100.000 Stück Toilettenseife, 1000 Pakete Kunsthonig, 6500 Flaschen Bordeaux usw. usw. Allein um den Bordeauxwein abtransportieren zu können, wären drei Rollwagen nötig. Es sei unbedingt erforderlich, daß Umschau nach diesen Riesenbeständen gehalten werde, die teils von den Spitzbuben in den umliegenden Ortschaften versteckt worden seien. Polizeikommissar Burckardt teilte mit, daß die Kriminalpolizei in Gemeinschaft mit anderen Sicherheitsbeamten zur Wiedererlangung des geraubten Gutes fieberhaft tätig sei und auch bereits Erfolge aufzuweisen habe.
Der Vorstand des Einquartierungsausschusses Beigeordneter Schultze teilte mit, daß über Bonn eine ganze Armee, 500.000 Mann, abtransportiert werde. Der Bürgerschaft sei zu empfehlen, sich auf Einquartierung von Truppen einzurichten, da mit einem täglichen Durchmarsch von 20-25.000 Mann gerechnet werden kann. Sämtliche Schulen werden geräumt und auch die Landwirtschaftliche Akademie hat ihre Räumlichkeiten für die Einquartierung zur Verfügung gestellt.
Als Führer der Truppen in den einzelnen Quartieren sind Schüler der oberen Klassen bestimmt worden. Die hier durchziehenden Truppen gehen über Endenicherstraße, Viktoriabrücke, Ringstraße, Kölnstraße, Stiftsplatz zur Rheinbrücke. Während des Durchmarsches sind diese Straßen für Fuhrwerke gesperrt, und auch die Straßenbahnen und Vorortbahnen werden nur dann in Betrieb bleiben, wenn dies ohne Störung geschehen kann. Außerdem werden die Abzugsstraßen besonders bewacht. Der Abtransport wird von Offizieren geleitet. Um einen möglichst glatten Uebergang über den Rhein bewerkstelligen zu können, soll noch eine zweite Brück, und zwar eine Pontonbrücke, über den Rhein geschlagen werden. Der Vorschlag, die Rheinbrücke zu Ehren der Truppen mit Tannengrün usw. zu schmücken, fand allseitigen Beifall. Von jetzt ab tagt der Einquartierungs-Ausschuß, der auf 14 Mitglieder erhöht worden ist, in der Kaiserhalle. Dort wird auch über Einquartierungs-Angelegenheiten Auskunft erteilt.
[...]
Oberbürgermeister Spiritus fand zum Schluß seiner Darlegungen warme Worte der Anerkennung für unserer braven Feldgrauen. Heute oder morgen seien bereits die ersten Truppen hier zu erwarten. Ehrenpflicht eines jeden Bonner Bürger sei es, den Truppen einen warmen Empfang zu bereiten. Ueber vier Jahre hätten sie gekämpft, um den Feind aus der Heimat fernzuhalten und unbesiegt und ungebrochen kehrten sie wieder zu uns zurück. Nicht nur die Rheinbrücke, sondern auch die Straßen, die die Truppen passierten, sollten zum Empfang ein festliches Gewand tragen.
[...]
Wie Hauptmann Arimond mitteilt, bittet der Kommandeur der zweiten Gardedivision die Bonner Bürgerschaft, die von ihm befehligten Truppen, die noch königstreu seien, bei ihrem Durchmarsch durch Bonn nicht durch rote Abzeichen, Fahnen usw. aufzureizen. Heute habe er seine Truppen noch in der Hand. Er könne aber für nichts einstehen, wenn er die Herrschaft über sie verliere. Es handle sich bei seinen Truppen nur um Durchmarsch, nicht um Einquartierung. [...]
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Sitzung des Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrates der Stadt Bonn vom 14. November.
Vorsitzender: Dr. Krantz.
Hauptmann Arimond teilte mit, daß die Mitglieder des Soldatenrates vom Bataillon 160 gestern ihr Amt niedergelegt hätten, weil Stimmen laut wurden, als seien die bisherigen Mitglieder nicht vom volle Vertrauen ihrer Kameraden getragen. Es seien sieben neue Mitglieder gewählt worden. Er danke den bisherigen Mitgliedern für ihre überaus eifrige Tätigkeit.
Beschlossen wurde, im Rathause eine Auskunftsstelle für die Entlassung der Soldaten einzurichten.
[...]
Ueber Einquartierungen berichtete Geheimrat Schultze: Ueber Zahl von ankommenden Truppen, über die Dauer ihres Aufenthaltes usw. ist noch nichts bekannt. In einer besonderen Sitzung werde mit der Militärbehörde über den Verteilungsplan beraten. Der Einquartierungsausschuß wurde durch den Bahnhofskommandanten Guilleaume erweitert.
Der Vorsitzende teilte die Anregung des Hauptvorstandes mit, die Sperrzeit abends bis 10 Uhr auszudehnen, für Wirtschaften, Kinos usw. bis 9 Uhr. Der Sicherheitsausschuß solldei Frage auch noch prüfen. Es soll dann morgen darüber entschieden werden. Ein Soldat beantragte, die Kinos noch früher zu schließen mit Rücksicht auf den Kohlenmangel. [...]
Der Zivilbevölkerung ist das Verlassen des linksrheinischen Gebietes und des 10 Kilometer breiten Streifens östlich des Rheins, wie der Oberbürgermeister im Auftrage des Staatskommissars für Demobilmachung bekannt macht, verboten.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Sonntag, 17. November 1918
Zur bevorstehenden Besetzung von Bonn wird uns weiter geschrieben: Zur bevorstehenden Besetzung des Rheinlandes hat in Nr. 316 der Bonner Zeitung ein Kenner der Besatzungsfrage Ausführungen gemacht, denen wir wohl im allgemeinen zustimmen können. Soweit diese Frage uns Bonner angeht, erscheinen einige Bemerkungen dringend notwendig. Bekanntlich hat leider zu Beginn der Umwälzung eine Plünderung stattgefunden, die sich nicht nur auf die Bekleidungskammern und das Proviantamt beschränkte, sondern sich auch auf die Inhalte der Kasernen, insbesondere die Betten erstreckte. Auch deren Inhalt, Matratzen, Laken, hauptsächlich wollene Decken, wurden und werden noch heute weggeschleppt. Erst heute sah Einsender dieser Zeilen einen hochbepackten Soldaten mit einer wollenen Decke beladen daherziehen. Es wird gesagt, daß der Soldatenrat jetzt selbst die planvolle Verabfolgung des Kaserneninventars in die Hand genommen habe. Was wird nun erfolgen, wenn die fremde Besatzung nach Bonn kommt, in die Kasernen einquartiert werden soll und vor leere Bettstellen tritt? Es werden einfach wollene Decken, Betten usw. von den Bonnern requiriert werden. Diese besonders die Anwohner der Infanteriekaserne beunruhigende Frage, die aber die Gesamtheit der Bürger sicherlich berührt, dürfte die allgemeine Aufmerksamkeit aufs dringendste erheischen. Insbesondere hätte der Soldatenrat die unabweisliche Pflicht, diese Angelegenheit sofort ins Auge zu fassen und durch eine öffentliche Erklärung die Bürgerschaft zu beruhigen. Er hätte vor allem, da doch die fremde Besatzung zunächst jedenfalls in den Kasernen untergebracht werden wird, rechtzeitig Ersatz, vielleicht aus nicht ausgeplünderten Kasernen des Inlandes, herbeizuschaffen, damit die Bürgerschaft vor jedem bei dem heutigen Betten- und Deckenmangel doppelt empfindlichen Eingriff bewahrt bleibt. Auch unsere zurückkehrenden Truppen, die vorübergehend in den Kasernen untergebracht werden müssen, werden den Mangel ordentlicher Lagerstätten schwer zu beklagen haben.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Der Durchzug der heimkehrenden Truppen durch unsere Stadt hat am Samstag mittag begonnen. Alle Straßen, die von den Truppen berührt werden, haben Flaggenschmuck angelegt. Gegen 1 Uhr mittags kam das Alexander-Regiment mit klingendem Spiel hier durch. Eine tausendköpfige Menschenmenge umsäumt die Straßen und begrüßt die Feldgrauen durch Zuwerfen von Blumen und Hochrufen. Ueber 1½ Stunden währte der Durchzug. An vielen Stellen wurden die Soldaten durch die Bürgerschaft mit Zigaretten, Aepfeln und Kuchen beschenkt. Kurz nach 3 Uhr kamen die Scharfschützen an, die ebenfalls auf dem Wege zur Rheinbrücke auf das herzlichste begrüßt wurden. Für unsere Jugend war der Samstag ein Festtag erster Ordnung. Kein Bagagewagen, kein Geschütz oder Feldküche, das nicht von den Jungens mit Beschlag belegt worden war. Großer Jubel rief ein Sanitäter, der auf einem Esel daher geritten kam, bei der Jugend hervor: er wurde von hunderten Knaben begleitet und so begeistert hochheben lassen, daß sich der Mann schließlich beide Ohren zuhalten mußte. [...]
Unseren heimkehrenden Kriegern wieder Beschäftigung zu gewähren, ist eine Ehrenpflicht, zu deren Erfüllung die Handelskammer Bonn in einem besonderen Aufruf auffordert.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Fleischlose Woche. Die Woche vom 18. bis 24. November ist fleischlos.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Montag, 18. November 1918
Aufhebung der Pressezensur. Das stellvertretende Generalkommando sowie der Soldatenrat des 8. Armeekorps teilen mit: Alle Zensurbestimmungen für die Presse sowie alle Verordnungen und Anordnungen auf Grund des Gesetzes über den Belagerungszustand über die Einfuhr, Durchfuhr, den Vertrieb und die Ausfuhr von Druckschriften, Karten und Geländebeschreibungen, Zeichnungen, Ansichtskarten und Photographien, über Anzeigen in der Presse, über den Versand von Zeitungen und Zeitschriften mit Anzeigen ins Ausland, und über den Bezug und das Auslegen von ausländischen Zeitungen und Zeitschriftenwerden hiermit aufgehoben.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Truppendurchzug. Trotz des rauhen Wetters hatte sich auch am gestrigen Sonntag in der Früh eine große Menschenmenge an den Durchzugsstraßen eingefunden, um die Truppen zu erwarten. Viel Kriegsmaterial wurde im Laufe des gestrigen Tages nach der rechten Rheinseite geschafft. Hunderte und aberhunderte beladene Lastautos, Sanitätswagen, Geschütze usw., sämtlich mit Tannengrün geschmückt, kamen auf dem Wege zur Rheinbrücke hier durch. Die Rheinbrücke selbst und auch der Aufgang zum Rathause waren mit Tannenbäumen reich geschmückt. Am Rathaus prangt als Willkommensgruß die Aufschrift: „Herzlich willkommen, ihr tapferen Krieger. Die dankbaren Bonner Bürger.“ Für diese Aufmerksamkeiten sind die Truppen sehr dankbar. Einer der Soldaten erklärte einem der hiesigen Einwohner, daß sich seine Kameraden sehr gefreut hätten, als sie die festlich geschmückten Straßen erblickt hätten. Bis jetzt sei ihnen dies auf ihrem ganzen Weg noch nicht begegnet.
Gestern Nachmittag bezog die Fußartillerie-Ersatzabtlg. 2, etwa 1500 Mann, 30 Offiziere und 150 Pferde hier Quartier. Sie wurden im großen Hörsaal der Universität, im Realgymnasium usw. untergebracht. Heute wird die dritte Batterie des Fußartillerie-Battaillons Nr. 170 hier erwartet. Sämtliche durchkommenden Truppen gehören der 18. Armee – nicht 17. – an. Bei dem gestrigen Durchmarsch fielen besonders die großen Pferdetransporte auf, die von Franzosen, Belgiern und Russen begleitet waren. Diese Leute waren unterwegs aus den einzelnen Lazaretten mitgenommen worden, um später in einem Lager vereinigt zu werden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Gegen das unsinnige Geldhamstern wendet sich der Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat in großen Anschlägen. Es wird gedroht, nötigenfalls durch die Kassen feststellen zu lassen, wer große Geldbeträge im Hause aufbewahrt, um das Geld zwangsweise abliefern zu lassen, auch die Namen solcher Geldhamsterer bekannt zu machen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Dienstag, 19. November 1918
Die durchziehenden Truppen werden in Bonn herzlich empfangen. Es ist auch ganz selbstverständlich, haben sie doch unser Land vor den Schrecken des Krieges behütet. Wie würde Bonn als Nachbarstadt der Festung Köln heute aussehen, wenn es den Feinden gelungen wäre, in unser Rheinland einzubrechen! Die Truppen sind für die ihnen erwiesenen Aufmerksamkeiten überaus dankbar; Angehörige des am Samstag hier durchgekommenen Alexander-Garderegiments haben ihre Freude darüber wiederholt laut zu erkennen gegeben. Die Straßen, die für den Durchzug hauptsächlich in Betracht kommen, sind in den letzten Tagen noch weiter geschmückt worden; überall wehen Fahnen, hängen Tannen- und Blumengewinde mit „Willkommen“ – und anderen Inschriften. Die Viktoriabrücke und die Rheinbrücke sind zu beiden Seiten mit Tannen besetzt und mit Fähnchen behängt, vor dem Rathaus ist zwischen Tannengrün zu lesen: „Herzlich willkommen, ihr tapferen Krieger! Die dankbaren Bürger.“ Große Menschenmengen waren vor allem Sonntag auf den Straßen und jubelten den heimkehrenden Kriegern zu.
[…]
Wie in der gestrigen Sitzung des Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrats mitgeteilt wurde, kommt die 18. Armee mit 330.000 Mann und 140.000 Pferden durch Bonn. Der Durchzug dieser gewaltigen Truppenzahl durch Bonn wird voraussichtlich am Donnerstag beginnen. Die Truppen werden in der dafür gebauten Halle an der Endenicher Allee verpflegt werden. Arbeitsfreudige Männer und Frauen können ehrenamtlich bei der Verpflegung behilflich sein und mögen sich bei dem Leiter der Verpflegungshalle melden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
In der gestrigen Sitzung des ABS-Rates teilte Beigeordneter Schulze mit, daß Strohsäcke für Einquartierungszwecke im Hofe des Städtischen Gymnasiums für die Zivilbevölkerung zur Verfügung ständen. Wirten, die Einquartierungen übernehmen, sollen auf Antrag die Heizungskosten ersetzt werden. Wie weiter mitgeteilt wurde, ist die Spitze der 18. Armee, deren Truppen hier durchkommen, am Sonntag in Malmedy eingetroffen. Es soll auf der Etappenstraße ein Meldedienst eingerichtet werden, durch den die Stärke der täglich hier durchkommenden Truppen festgestellt wird, um deren Verpflegung und Unterbringung sicher zu stellen. Um die Gefahr der Ansteckung zu vermeiden, wird das Gesundheitsamt den Einquartierungsausschuß täglich Mitteilung machen, wo in Privathäusern ansteckende Krankheiten auftreten, damit dort keine Soldaten einquartiert werden. Es ist ein Verzeichnis sämtlicher Dienststellen des ABS-Rates hergestellt worden, das den einzelnen Ausschüssen zugestellt werden wird. Zivilanzüge für die zurückkehrenden Truppen sind in sehr beschränkter Anzahl vorhanden, weshalb es unmöglich ist, allen Anforderungen gerecht zu werden. Es wurde beantragt, militärischerseits die Bedürfnisfrage zu prüfen. In den nächsten acht Tagen können Anträge auf Anzüge nicht berücksichtigt werden. Dringend erwünscht sei, daß alle Entlassenen sofort die Arbeit aufnehmen. Direktor Vins teilte mit, daß durch das Weggehen des Plfegepersonals in den hiesigen Lazaretten unhaltbare Zustände entstanden seien. Einzelne Sanitätssoldaten gingen ganz weg, andere blieben Wochen lang aus und ließen ihre kranken Kameraden ohne Pflege liegen. Der ABS-Rat beschloß, an das Pflegepersonal der verschiedenen Lazarette eine Aufforderung ergehen zu lassen, auf ihrem Posten zu verharren. Gleichzeitig wurden zwei Herren des ABS bestimmt, die ganz energisch auf die Leute einwirken sollen, ihre Pflicht zu tun. Auch die bereits zurückgetretenen Sanitätssoldaten sollen aufgefordert werden, sofort zu ihren Lazaretten zurückzukehren, da sonst scharfe Maßnahmen getroffen würden. Ein Mitglied stellte den Antrag, man solle diese Leute wegen Pflichtverletzung verhaften und einsperren lassen. Ein Mann, der seine kranken Kameraden im Stich lasse, verdiene keine Schonung.
Beigeordneter Piehl machte die erfreuliche Mitteilung, daß sich die Verpflegung der Truppen gebessert habe. Die Verpflegungshallen in der Endenicher Allee könnten bereits heute in Betrieb genommen werden. Das Material zur Verpflegung werde vom Proviantdepot zur Verfügung gestellt. Er schlägt vor, einen Aufruf an alle arbeitsfreudigen Männer und Frauen zu erlassen, um bei der Verpflegung der Truppen ehrenamtlich mitzuwirken. Es sollen dabei aber nur solche Personen angenommen werden, die auch tatsächlich gewillt sind, mit Hand anzulegen. Dem Antrag wurde stattgegeben.
Auf der Rheinbrücke soll ein Wachlokal eingerichtet werden, damit die Wachhabenden nicht den Unbilden der Witterung ausgesetzt sind. Es wurde beschlossen, die Wache in dem Brückenhäuschen gegenüber der Zahlstelle einzurichten. Auf der rechten Rheinseite soll eventuell gleichfalls ein Wachlokal eingerichtet werden.
Der Andrang zu den Sparkassen hat jetzt nachgelassen. Am Samstag war der Verkehr an der städtischen Sparkasse wieder normal. Die Angst der Sparer, ihr Geld zu verlieren, scheint also überwunden zu sein.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
An die Bevölkerung der linksrheinischen Gebiete und der Umgebung von Köln, Koblenz und Mainz.
Die Bestimmungen des Waffenstillstandsvertrages bedeuten für die linksrheinischen Gebiete und die rechtsrheinischen Gebiete innerhalb eines mit 30 Kilometer Halbmesser um die Rheinbrücken von Köln, Koblenz und Mainz geschlagenen Kreises (sogenannte Brückenköpfe) folgendes:
1. Diese Gebiete sind durch die deutschen Armeen zu räumen, das bedeutet nur, daß die unter den Waffen befindlichen Truppen aus den Gebieten zurückgezogen werden sollen, damit der deutschen Regierung für die Dauer des Waffenstillstandes die Möglichkeit genommen wird, das linksrheinische Land als Aufmarschgebiet zu benutzen. Die gesamt Zivilbevölkerung, auch die Wehrpflichtigen und Reklamierten, können ungefährdet auch bei der nachfolgenden feindlichen Besetzung des Landes an ihrem Wohnsitz bleiben. Im Verlauf der ordnungsmäßigen Demobilmachung werden auch die aus diesen Gebieten stammenden Angehörigen des Heeres und der Marine, soweit sie von der Demobilmachung betroffen werden, in die Heimat entlassen werden.
2. Der Räumung dieser Gebiete durch die deutschen Truppen wird eine Belegung mit feindlichen Garnisonen für die Dauer des Waffenstillstandes und nicht vor dem 1. Dezember folgen. Der Feind hat sich das Recht vorbehalten, Requisitionen mit rechtmäßiger Abrechnung vorzunehmen, jedoch ist von den Bevollmächtigten der feindlichen Regierungen erklart worden, daß diese Requisitionen das tatsächliche Bedürfnis der Besatzungstruppen nicht überschreiten würden.
3. In allen geräumten Gebieten ist die Fortführung von Einwohnern untersagt. Dem Eigentum der Einwohner darf kein Schaden oder Nachteil zugefügt werden; niemand wird wegen der Teilnahme an Kriegsmaßnahmen, die der Unterzeichnung des Waffenstillstandes vorangegangen sind, verfolgt werden. Keinerlei Zerstörungen irgend welcher Art dürfen ausgeführt werden. Die Depots von Lebensmitteln jeder Art für die Zivilbevölkerung, Vieh usw. müssen an Ort und Stelle belassen werden, andererseits ist Deutschland verpflichtet, keinerlei allgemeine oder staatliche Maßnahmen zu treffen, noch besondere Befehle zu erteilen, die eine Einschränkung der industriellen Unternehmungen oder eine Verringerung ihres Personals herbeiführen sollen. Eisenbahnen und sonstige Verkehrsmittel werden weiter arbeiten.
4. Der Zusammenhang der linksrheinischen Gebiete mit dem Deutschen Reich wird in keiner Weise angetastet. Der Feind macht lediglich Anspruch auf eine Gesamtkontrolle; Leben und Eigentum der Bevölkerung ist somit nicht gefährdet. Die Bevölkerung handelt klug, wenn sie ihren Wohnsitz nicht verläßt und auch sonst keine unüberlegten Maßnahmen trifft, um eingebildeten Gefahr4en zu begegnen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Mittwoch, 20. November 1918
Eine zahlreich besuchte Versammlung Endenicher Bürger hat den Bonner Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat um Weitergabe folgender einstimmig angenommenen Entschließung an die gegenwärtige Regierung in Berlin gebeten: „Wir Bauern, Bürger und Arbeiter von Endenich fordern aus demokratischen Gründen eine möglichst beschleunigte Einberufung der gesetzgebenden Nationalversammlung, damit auch die Deutschen, denen nicht Gelegenheit gegeben ist, in den gegenwärtig alleinherrschenden Kreisen der städtischen Arbeiter- und Soldatenräte ihre Meinung zum Ausdruck zu bringen, ihr Recht als freie Deutsche geltend machen können. Wir fordern ferner, daß die gegenwärtige Regierung insbesondere die neue preußische Staatsregierung keinerlei grundlegenden kulturellen und politischen Aenderungen trifft, wozu allein die deutsche Nationalversammlung oder eine ähnliche preußische Körperschaft zuständig sein muß.“
Militärwaffen und –munition abgeben. Das Kommando der Bürgerwehr schreibt uns: Bekanntlich hat der Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat kürzlich eine Verfügung erlassen, nach der sämtliche Besitzer von Militärwaffen und Munition verpflichtet sind, diese bis zum 20. d. M. abzuliefern. Jedem Bonner Bürger wird empfohlen, sich einmal zu überlegen, welche Folgen Zuwiderhandlungen gegen diese Verfügung bei Eintreffen der feindlichen Besatzung haben könnten. Trotz alles dessen, was seit Kriegsausbruch unser Denken gefangen genommen hat, wird jedem noch in frischer Erinnerung sein, wie die bewaffnete Zivilbevölkerung Belgiens sich bei dem Einmarsch unserer Truppen am Kampfe beteiligt hat. Diese Vorkommnisse werden auch dem Führer der feindlichen Besatzungstruppen, die wir in unserer Mitte dulden müssen, zu denken geben. Es ist daher sehr wahrscheinlich, daß Haussuchungen nach Waffen und Munition angeordnet werden. Wer dabei im Besitze von Militärwaffen und Munition betroffen wird, schwebt in größter Gefahr für Freiheit und Leben und gefährdet darüber hinaus auch die gesamte Bürgerschaft. Das eigenste Interesse sollte daher jeden, der solche Waffen und Munition besitzt, zur pünktlichen Abgabe anhalten, falls nicht schon sein Pflichtgefühl ihn dazu zwingt. Wirke jeder in diesem Sinne auf seine Mitbürger ein, damit uns allen größeres Unheil erspart bleibt!
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Der Verband Bonner Frauenvereine mußte vergangene Woche den angekündigten Vortrag über die Mitarbeit der Frau in der Gemeinde ausfallen lassen, weil die von auswärts erwartete Rednerin nicht kommen konnte. Er schließt nun seine Vortragsreihe mit einem Vortrag von Frau Adelheid Steinmann über die neuen politischen Rechte der Frauen. Ist es auch in gewisser Art noch zu früh, darüber zu sprechen, da Endgültiges ja noch nicht feststeht, so ist es doch andrerseits höchste Zeit, daß die Frauen sich bekannt machen mit dem, was ihnen an neuen Rechten und Pflichten die nächste Zeit ganz sicher bringen wird, damit sie von dem Neuen nicht überrascht werden, sondern ihre neuen Pflichten mit Verständnis ausüben können. Die Bonner Frauenwelt aller Richtungen wird deshalb dringend eingeladen, diesen völlig parteilosen, rein orientierenden Vortrag zahlreich zu besuchen, der Donnerstag den 21. Nov., nachmittags 6 Uhr, im evang. Gemeindehaus, Rathausgasse 2, stattfindet.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Donnerstag, 21. November 1918
In der Dienstags-Sitzung des ABS-Rates teilte Beigeordneter Schulze mit, daß eine Bekanntmachung erlassen werden soll, wonach diejenigen Einwohner, die abgereist sind und ihre Häuser verschlossen halten, aufgefordert werden, die Häuser sofort zu öffnen und für die Einquartierung zur Verfügung zu stellen. Andernfalls würden sie behördlicherseits geöffnet und auf eigene Gefahr der Eigentümer mit Einquartierung belegt.
Oberbürgermeister Spiritus machte Mitteilung davon, daß ein großer Teil der Bürgerschaft gegen die ihnen zugewiesene Einquartierung Einspruch erhebe. Sicher sei, daß berechtigte Einsprüche wohlwollend geprüft werden sollen; ebenso sicher sei aber auch, daß unberechtigten Einsprüchen ganz entschieden entgegen getreten werde.
Die Truppendurchzüge nehmen immer noch das Interesse der Bonner Bürgerschaft in vollstem Maße in Anspruch. Kein Wunder auch, so viel Militär hat Bonn überhaupt noch nicht in seinen Mauern gesehen. Alle Waffengattungen sind vertreten; zu Fuß, zu Pferde, auf großen Lastautos kommen sie hier durch. Dazwischen rattert vom frühen Morgen bis zum späten Abend das unabsehbare Kriegsmaterial durch die Straßen. Seit einigen Tagen sind auch schon einige größere Gebäude, so die Universität, das städtischen Gymnasium, die Realschule usw. mit Truppen belegt. Vor diesen Gebäuden spielt sich oft ein rechtes Lagerleben ab. Da wird Wasser zu den dampfenden Feldküchen geschleppt, Holz herbeigeholt, Kleider ausgebürstet oder instand gesetzt und Stiefel geputzt; andere mühen sich ab, mit Seife und Pinsel den „Drahtverhau“, den sie aus dem Felde mitgebracht haben, fein säuberlich aus dem Gesicht zu entfernen. Da die meisten öffentlichen Gebäude, die für die Einquartierungszwecke freigegeben worden sind, Luftheizung und elektrische Beleuchtung haben, sind unsere Feldgrauen dort gut aufgehoben. Privatquartiere wurden bisher nur in wenigen Fällen in Anspruch genommen. Auf dem Schulhof des städtischen Gymnasiums, auf dem die Papierstrohsäcke an diejenigen Bürger unentgeltlich abgegeben werden, die für Einquartierung vorgemerkt sind, herrscht jetzt emsige Tätigkeit. In großen Haufen lagert dort das Stroh, das zum Füllen der Säcke verwandt wird. Jeder, der sich auf dem Einquartierungsamt mit einem „Bezugsschein“ versehen hat, bekommt dort auf dem Schulplatz die nötige Anzahl neue Säcke, die er dann aus den Strohvorräten selbst füllen muß. Dabei wird die Zeit nicht lang, denn bei dieser Arbeit, an der sich Groß und Klein beteiligt, geht es oft recht lustig zu. Auf allen Straßen und Plätzen begegnet man jetzt Leuten, die mit gefüllten Strohsäcken ihrem Heim zustreben. Wenn man auch nicht sicher ist, daß man schon heute oder morgen Einquartierung bekommt; besser ist besser. Wer weiß, wie lange der Vorrat an Strohsäcken reicht: 20.000 Stück sind bald vergriffen.
Die Jugend und der Truppendurchzug. Es ist herzerfreuend, wie unsere Bonner Bevölkerung und vor allem unsere Jugend die heimkehrenden Helden, die Beschützer unserer rheinischen Heimat, mit dankbarer Liebe und Begeisterung empfängt. Doch zu Auswüchsen und leichtsinnigem Gebahren halbwüchsiger Burschen und Mädchen muß immer wieder ein ernstes Mahnwort gesprochen werden. Das Aufsteigen der Jugend auf die Autos und Proviantwagen, auf Gespanne und Geschütze während der Fahrt, das Durchlaufen der geschlossenen Kolonnen hat bereits eine Reihe erheblicher Unglücksfälle zur Folge gehabt; über Unredlichkeiten und Diebstähle an den Feldküchen und Vorratswagen sind schon Klagen laut geworden; all zu freies Benehmen junger Mädchen ist schon unliebsam in Erscheinung getreten. Solche Fälle sind geeignet, auch die wohlerzogene Jugend zu gefährden und in üblen Ruf zu bringen. Leider fehlt in diesen Tagen die strenge Zucht der Schule, da die Unterbringung der Truppen ja allen andern Interessen voranstehen muß. Lehrer und Lehrerinnen haben die Verpflichtung gerne übernommen, in ihren Bezirken auch auf den Straßen nach dem Rechten zu sehen. Immerhin aber ist es strengste Elternpflicht, besonders in diesen Wochen ihre Kinder in Obhut zu halten, sie vor Ausschreitungen zu warnen und vor allem darauf zu achten, daß sie mit anbrechender Dunkelheit zu Hause sind. Aber auch tagsüber wird eine sorgfältige Familienerziehung die Jugend nicht ganz sich selbst überlassen. Gewiß lassen sich in jedem Hause bestimmte Zeiten festsetzen, in denen das Kind der Mutter, dem Vater, zur Hand geht und auch aus dem Unterrichtsgebiete der Schule bald diesen, bald jenen Stoff wiederholt übt und befestigt. Wie das erfolgreich geschehen kann, darüber geben die Lehrer gewiß recht gerne den besorgten Eltern nützliche Winke. Z.
Zentrumsversammlung. Unter gewaltigem Andrang fand gestern nachmittag im großen Saal des Bonner Bürger-Vereins eine Versammlung der Zentrumspartei statt. Es sprachen Kaplan Rembold, der die Riesenversammlung begrüßte, Professor Dr. Cardauns, Stadtverordneter Wellmann, Reichstagsabgeordneter Henry, Stadtverordneter Math. Schmitz und eine Reihe Diskussionsredner. Aus den mehrstündigen Verhandlungen ist als Kern festzuhalten, daß die Zentrumspartei den gegenwärtigen Machthabern auch weiterhin Ruhe und Ordnung zusagt, dagegen unbedingt verlangt, daß baldigst eine Nationalversammlung zur Festlegung der verfassungsmäßigen Rechte einberufen wird. Insbesondere protestiert die Zentrumspartei gegen eine Trennung von Kirche und Staat auf dem Wege der einfachen Diktatur des Herrn Adolf Hoffmann, des derzeitigen preußischen Kultusministers. Man werde sich in dieser Frage nur der Nationalversammlung beugen. Auch gekannten sich die Redner zu einem festen Zusammenhalt der Rheinlande am deutschen Vaterland. Willig wurde dabei anerkannt, daß auch unter den Männern der Sozialdemokratie viele sind, die mit dem Herzen die deutsche Sache vertreten und in eine Lostrennung der Rheinlande nicht willigen wollen. Reichstagsabgeordneter Henry betonte unter Hinweis auf eine Erklärung des Reichstagspräsidenten Fehrenbach, daß der Reichstag sich keineswegs für beseitigt betrachte. Redner kommt auf die Vorgänge bei der Umwälzung zu sprechen und erklärt, daß nach seiner Auffassung die Mehrheitsozialisten ernstlich bestrebt seien, Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten und dem Volke die Nationalversammlung zu geben. In diesem Streben wollten sie die Regierung unterstützen. Auch sie verlangten baldigst die Wahl zur Nationalversammlung, bei der die Mehrheit des Volkes über seine Zukunft entscheiden soll. Stadtverordneter Math. Schmitz machte besonders auf den Durchzug der 18. Armee aufmerksam, der in diesen Tagen erfolgt. Die damit verbundenen Einquartierungslasten möge man gerne tragen, da es sich nur um einen kleinen Dankeszoll an unsere Feldgrauen handele, die mit Leib und Leben unsere Westfront geschützt haben.
Eine Vertreterin des Katholischen Frauenbundes verwies auf die außerordentliche Bedeutung, die das erteilte Frauenwahlrecht für die Nationalversammlung besitze und teilte mit, daß am heutigen Donnerstag abend die sämtlichen Frauenvereine Bonns im Bürgervereinssaale zur Besprechung dieser Angelegenheit sich zusammenfinden würden.
Tödlicher Unfall. Die Unsitte vieler Knaben, sich an die hier durchfahrenden militärischen Fahrzeuge zu hängen oder auf ihnen eine Strecke weit mitzufahren, hat gestern nachmittag einen schweren Unfall zur Folge gehabt. Ein etwa achtjähriger Knabe aus der Adolfstraße wurde am Stiftsplatz von einem Lastwagen überfahren und so schwer verletzt, daß er heute morgen in der Klinik starb.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Freitag, 22. November 1918
Ernste Tage für Bonn und die Rheinlande.
Die Stadt prangt im Flaggenschmuck, die Fahnen, die unsern Feldgrauen ihre Grüße zugewinkt haben, als sie mit heller Begeisterung hinauszogen aus der Heimat, um eine Welt von Feinden von unsern Grenzmarken abzuwehren, die die Häuserzeilen unserer alten Gartenstadt zierten, als sich mit den Namen Hindenburg, Mackensen, Beseler, Linsingen und der vielen andern Großen unserer deutschen Heere die Nachrichten über siegreiche Kämpfe verknüpften, sie wehen auch jetzt wieder. Zur Heimkehr unserer Truppen. Ein wehmütiges Gefühl erfüllt die Brust, wenn man jetzt das schwarz-weiß-rote Fahnentuch im Winde flattern sieht, wenn die glitzernde Novembersonne diese helleuchtenden Flaggen in ihren Farben noch stärker hervortreten läßt. Nicht Sieg künden uns diese Fahnen, deren Anblick uns im Verlaufe des Weltkrieges so oft erfreuten, als sie uns die Sprache des Erfolges redeten. Nun können sie nur noch ein Gefühl verdolmetschen, wenn die endlosen Karawanen von Gespannen schwer bepackt ihre Kolonnenstraße zur Rheinbrücke ziehen, Lastautos und sonstige Kraftfahrzeuge von der Westfront kommend hier durchlaufen, um ihren Weg weiter ostwärts zu nehmen, - den Weg jenseits des Rheins, nur das eine Gefühl des Dankes, unverlöschlichen Dankes für all das, was diese verstaubten, gebräunten Männer im feldgrauen Kleide uns in all den Jahren gewesen sind: Eine lebendige Schutzwehr, eine Wehr, die mit ihrem Körper, mit der zähen Energie und dem unbesieglichen Mute des deutschen Soldaten auch gegen die stärkste Uebermacht standhielt, unbesiegt bis zum letzten Augenblick, bis zu der Stunde, wo die Feder ihnen Halt gebot. Es ist viel in der Heimat herumerzählt worden von der schlechten Moral der Truppen und ihrer Verwahrlosung im Charakter. Die Tausende von Soldaten und ihre Offiziere, die bisher hier durch kamen und im Quartier lagen, haben durchweg durch ihr Verhalten, durch ihr ganzes Wesen bekundet, daß man offenbar Einzelfälle verallgemeinert hatte, denn die Leute zeigen nichts weniger als Aeußerungen der Verwilderung. Die meisten freunden sich mit unserer Kinderwelt an und zeigen trotz der Strapazen der tagelangen Fahrten und Märsche namentlich im Verkehr mit der Jugend gemütvollen deutschen Humor. Da die Fronttruppen bisher nur in kleineren Partien hier durchkamen und die großen Armeekörper erst erwartet werden, so darf man in Erinnerung an die stramme Selbstzucht, die unsere kämpfenden Armeen in den großen Abwehrschlachten bekundeten, hoffen, daß ihr Rückmarsch sich in der gleichen Ordnung vollzieht, wie das bisher bei den durchziehenden Truppen beobachtet werden konnte.
Im Gegensatz zu dem guten Verhalten unserer Truppen zeigt ein gewisser Teil der weiblichen Bürgerschaft unserer Stadt Bonn nicht jene Würde, die dem Dichter einst die Worte ablockten: Willst Du wissen, was sich schickt, kehr nur bei edlen Frauen ein. Eine gleichfalls bedauerliche Erscheinung ist es, daß viele Eltern ihren Kindern erlauben, unsere tapferen Feldgrauen mit Luftschlangen und Konfetti zu begrüßen, just als ob es Karneval sei. Glücklicherweise hat der Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat beschlossen, daß die Bonner Geschäftsleute, die offenbar die Zeichen der Zeit verkennen, derartigen Krimskrams nicht mehr verkaufen dürfen.
Dem bitteren Ernst, der den Durchzug einer mächtigen Heeressäule von Hunderttausenden von Soldaten begleitet, werden anfangs Dezember noch ernstere Wochen und Monate für jeden deutsch-national empfindenden Mitbürger folgen. Es gilt, dieses furchtbare Schicksal mit ruhiger Würde zu ertragen und die Bitterkeit des Empfindens nicht gegenüber der zu erwartenden feindlichen Besatzung zu äußern. Auch die feindlichen Soldaten und Offiziere erfüllen für ihr Vaterland nur ihre Pflicht. Ihnen achtungsvoll, wenn auch zurückhaltend zu begegnen, scheint uns an sich und auch im wohlverstandenen Interesse unserer Vaterstadt das einzig Richtige zu sein. Daß in Einzelfällen auch während der Besatzung Personen beiderlei Geschlechts versuchen werden, sich mit den fremden Offizieren und Soldaten anzubiedern, und ihre Sprachbrocken zu verwerten, läßt sich wohl kaum verhindern. Aber von der Bürgerschaft im Ganzen darf man zweifellos mit aller Bestimmtheit erhoffen, daß sie das nationale Unglück, das uns betroffen hat, auch in den Zeiten, wo es uns durch die fremde Besetzung besonders augenfällig zum Bewußtsein kommt, mit jener Ruhe und Würde tragen werde, die uns der Tatsachen wert erscheinen läßt, daß wir als Angehörige der ersten Kulturnation der Welt gelten.
In der gestrigen Sitzung des ABS-Rates machte ein Hauptmann der 18. Armee die Mitteilung, da die Fronttruppen dieser Armee erst in 5 – 6 Tagen hier eintreffen. Zwei Regimenter werden am 24. oder 25. d. M. erwartet, um den Sicherheitsdienst in der Stadt zu übernehmen. Vorerst werden die Versprengten gesammelt und abtransportiert. Außer den Truppen der 18. Armee würden voraussichtlich auch noch Teile der 7. Armee mit schätzungsweise 200.000 Mann hier durchmarschieren. Bis jetzt seien nur Rekrutendepots durchgekommen. Der Abtransport der Truppen werde über eine bestimmte Kolonnenstraße gehen. Es sind drei Straßen dafür bestimmt: je eine für Kraftwagen, für Fußtruppen und für Fahrzeuge.
Oberbürgermeister Spiritus begrüßt es, daß das Generalkommando Vorsorge für die Sicherheit und Ordnung in der Stadt Sorge trägt, befürchtet aber, daß unsere schmale Rheinbrücke nicht ausreichen würde, um die Heeresmassen, wenn sie noch durch die Truppen der 7. Armee vermehrt werden, ohne erhebliche Schwierigkeiten abzutransportieren. Er ist der Auffassung, daß diesem Umstande durch die Errichtung weiterer Brücken Rechnung getragen werden müsse. Von anderer Seite wurde mitgeteilt, daß vorgesehen sei, bei Hersel oder Obercassel eine zweite Brücke über den Rhein zu schlagen. Außerdem sollen noch die Fähren oberhalb unserer Stadt sowie Schiffe zum Abtransport der Truppen mit herangezogen werden.
Die Auskunftsstelle der 18. Armee befindet sich im Nordischen Hof an der Poppelsdorfer Allee, die Versprengten-Sammelstelle in der Infanterie-Kaserne an der Ermekeilstraße.
Wie Herr Rentner Essingh mitteilte, bereitet der Abzug der Versprengten große Schwierigkeiten, da es den Leuten anscheinend in Bonn zu gut gefalle. Der ABS-Rat möge darauf hinwirken, daß in der Kaserne eine Kontrolle ausgeübt werde. Ein gemischter Ausschuß wird der Sache näher treten. Herr M. Schmitz ersucht die Bürgerschaft, nur solche Mannschaften als Quartiergäste aufzunehmen, die sich durch Quartierbillette ausweisen können.
Vorsitzender Dr. Krantz schlägt vor, eine Verordnung zu erlassen, die den Verkauf von Luftschlangen, Konfetti und Explosivkörper verbietet, damit der karnevalistische Anstrich beim Truppendurchzug in Wegfall komme. Das Verbot soll erlassen werden. Der Vorsitzende verlas ein Schreiben, in dem der ABS-Rat ersucht wurde, dafür Sorge zu tragen, daß junge Mädchen sich bis abends 10 Uhr ungestört auf der Straße aufhalten können. Der Vorsitzende und mit ihm die Versammlung waren jedoch der Ansicht, daß es besser sei, wenn junge Mädchen in den späten Abendstunden möglichst zu Hause blieben. Es ginge nicht an, daß man jedem Mädchen einen Sicherheitsposten mitgeben könne. (Man beobachtet schon tagsüber junge Mädchen in großer Zahl, die sich den Soldaten gegenüber recht frei benehmen.) Es wurde ferner darauf hingewiesen, daß alles aufgeboten werden müsse, um unsere Jugend von den Fahrzeugen und Pferden der durchziehenden Truppen fernzuhalten. Unbeschadet der Vorliebe unserer Jungens für das Militär müsse streng darauf geachtet werden, damit nicht Unfälle passieren, wie schon einige zu verzeichnen seien.
Von mehreren Seiten wurde darauf hingewiesen, daß Pferde sowohl aus den Kasernen wie auch aus den Schulen, die mit Einquartierung belegt sind, von Zivilpersonen gestohlen werden. Ja, aus den Kolonnen der durchmarschierenden Truppen wurden am hellichten Tage Pferde gestohlen. Es sind Fälle bekannt geworden, wo hier und in der Umgegend Pferde zu 50, 60 und 100 Mark verkauft worden sind. Es gebe Personen, die gewerbsmäßig Sachen und Lebensmittel von den Soldaten kaufen und sie zu Wucherpreisen absetzen. Man beschloß, gegen dieses Vorgehen energisch einzuschreiten und berufsmäßige Aufkäufer sofort verhaften zu lassen.
Die nächste Sitzung ist Samstag.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Wehrpflichtigen des linken Rheinufers. Staatssekretär Erzberger sandte an das hiesige Ersatzbataillon 160 ein Telegramm, wonach, wie nochmals betont sei, nach dem 11. November vorschriftsmäßig entlassene Soldaten auf dem linken Rheinufer nicht Gefahr laufen interniert oder gefangen zu werden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Lengsdorf:
Die Grippe war hierselbst und in Röttgen so stark aufgetreten, daß in beiden Gemeinden die Schule seit dem 24. Oktober geschlossen war, und am 19. November der Unterricht wieder aufgenommen werden konnte. Am schlimmsten war es hier in lengsdorf. Am Sonntag den 3. November wurden hier sieben Beerdigungen gehalten, und bei diesen Todesfällen war fast nur die Grippe der Anlaß. Dagegen sind in Ippendorf und Duisdorf auch viele Grippeerkrankungen vorgekommen, aber keine mit tödlichem Ausgange.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Lengsdorf“)
Samstag, 23. November 1918
Die Urteilformel „Im Namen des Königs“ ist durch eine Verfügung des Justizministers abgeschafft worden. Es soll einfach heißen: Es wird erkannt usw. Auch die Bezeichnung „Königliches“ Landgericht oder Amtsgericht fällt den neuen Verhältnissen entsprechend weg.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Für die Verpflegung der durchziehenden Truppen sind, wie bereits kurz mitgeteilt, auf dem Grundstück der Landwirtschaftlichen Akademie, Ecke Endenicher und Nuß-Allee drei große Hallen errichtet worden. Jede dieser Hallen hat einen Flächeninhalt von 300 Geviertmeter und ist mit Heizung und elektrischem Licht versehen. In der mittleren Halle ist der Küchenbetrieb eingerichtet, während die beiden anderen Baracken als Speisehallen dienen. Sechs Kessel zu je 500 Liter und vier kleinere Kessel, die je 150 Liter fassen, ermöglichen es, zu gleicher Zeit 3000 Mann mit Essen und Kaffee zu versorgen. Je nach Bedarf läßt sich jedoch der Betrieb noch auf das sechsfache, ja sogar das zehnfache steigern. Die Speisen werden recht schmackhaft zubereitet und so reichlich ausgegeben, daß auch ein ausgehungerter Soldatenmagen zufrieden gestellt werden kann. Am Eröffnungstage wurden 1354 Portionen und am Donnerstag 1300 Portionen Mittagessen ausgegeben. Es gibt meist Eintopfgerichte, dicke Suppen, Graupen oder Nudeln mit Obst. Gestern Freitag erhielten die Soldaten Wirsing mit Kartoffeln und Fleisch. Das Essen wird von Frauen und Mädchen gereicht, die ehrenamtlich tätig sind. Bei großem Andrang können die Soldaten sich auch selbst an drei Schaltern, die zur Ausgabe von Essen an der Küchenhalle angebracht sind, das Essen holen. Die Speisehallen sind wohnlich eingerichtet und bieten Raum für je 300 Personen; außerdem beherbergigen die Speisehallen noch Wachlokale für Sanitäter und Mannschaften der Bürgerwehr. Das an die Küchenhalle anschließende Lebensmittellager ist von der Militärverwaltung gut beschickt worden. Ganze Viertel Ochsenfleisch hängen an den Wänden; Brote, Fleisch- und Gemüsekonserven, Mehl, Zucker, Teigwaren, Gerstenkaffee, kurzum alles, was zu einem Massenküchenbetrieb notwendig ist, liegt dort wohlgeordnet auf Lager. Die Leitung des ganzen Betriebes ist Herrn Lorenz Niedermair übertragen; dem Küchenbetrieb steht Herr Stadtverordneter Schmitt vor, der auch in Lille einen ähnlichen Betrieb geleitet hat.
Das Viktoriabad sollte nach einem Beschluß des ABS-Rats für Wannen- und Brausebäder wieder geöffnet werden. In Erwartung, daß dies inzwischen geschehen sei, begeben sich täglich Soldaten und Bürger nach der Anstalt, wo ihnen aber das Schild „Geschlossen“ entgegenstarrt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Beutegeschütze. Man schreibt uns: Auf dem alten Zoll und auf dem Kaiserplatz, vor dem Kaiser Wilhelm-Denkmal stehen eroberte Kanonen. Wenn leider im Monate Dezember eine Besatzung durch Ententetruppen erfolgt, können diese Kanonen einen Anlaß bieten, daß die Stadt in unförmlicher Weise aufgefordert wird, diese wegzuschaffen oder dergl. Wäre es nicht besser die Kanonen für die Zeit der Besetzung in das gesicherte rechtsrheinische Gebiet zu bringen?
Zur Einigung der Liberalen. Zwischen der Fortschrittlichen Volkspartei und der Demokratischen Vereinigung haben gestern abend Unterhandlungen stattgefunden, die zu einer Vereinigung beider Bonner Parteien einschließlich der auf dem Boden der gleichen Anschauungen sich stellenden Mitglieder der Nationalliberalen Partei führten.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Sonntag, 24. November 1918
Englische Besatzung für Bonn? Wie die Liberté meldet, soll Köln von englischen Truppen besetzt werden. Die Zweite und Vierte Armee mit australischen und kanadischen Kontingenten sollen das benachbarte Gebiet besetzen.
Neues Operettentheater. Die Direktion des Neuen Operettentheaters erfreute gestern nachmittag die Jugend mit dem Görnerschen Märchenspiel „Königin Tausendschön und Prinzessin Häßlich“. Es wird darin das alte Märchenmotiv von der bösen Stiefmutter verarbeitet, sie und ihre hochmütige Tochter werden gestraft, während die arme mißhandelte Stieftochter für ihre Tugenden belohnt wird, ihre Häßlichkeit durch den Schönheitssaft der Hexe verliert und sogar Gräfin wird. Die Aufführung ging in der üblichen trefflichen Besetzung flott und rasch vor sich; das Spiel war der Auffassungsgabe der Kleinen aufs beste angepaßt und auch die Szenerie recht wirkungsvoll, so daß am Schluß jedes der fünf Bilder kräftig Beifall gespendet wurde. Die kurzen Pausen wurden zudem noch von der Musik (Kapellmeister Hoffmann) angenehm ausgefüllt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Von glaubwürdiger Seite wird berichtet, daß am vorigen Sonntag in einer öffentlichen Versammlung, in der das weibliche Element stark vertreten war, eine Dame den traurigen Mut gezeigt hat, ihre Mitbürger aufzufordern, gegen die einrückenden Franzosen sich recht freundlich zu zeigen, denn sie kämen nicht als Feinde, sondern als Freunde. (Ganz so bestimmt hat die betreffende Dame diese Anschauung doch nicht geäußert. Die Schriftl.) Dieser Vorgang erinnert an ein geschichtliches Ereignis aus dem Jahre 1794. Schon damals gab es in Bonn solchen Franzosenfreunde. Einer derselben – wir sind der Chronik dankbar, daß sie uns seinen Namen, Matthieu, aufbewahrt hat – beschloß, den Franzosen entgegenzugehen und sie feierlich zu begrüßen. So machte er sich eines Morgens, umgetan mit einem nach damaliger Sitte reichgestickten Staatsrock und in der Hand einen Stock mit goldenem Knopf, auf und ging den von Godesberg her anrückenden „Freunden“ entgegen. Schon in der Dottendorfer Feldmark traf er auf sie. Aus seiner Anrede aber wurde nichts. Denn sofort ergriffen ihn ein paar Franzosen. Der eine nahm ihm die goldene Uhr und Kette fort, der zweite zog den Geldbeutel aus der Hosentasche, der dritte ergriff den Stock mit goldenem Knopf und ein vierter zog ihm den Staatsrock aus. Mit einigen Kolbenstößen flog Freund Matthieu in den Chausseegraben, wo er so lange liegen blieb, bis die Franzosen vorbeigezogen waren. Dann schlich er, gründlich von seiner Franzosenfreundschaft geheilt, auf Umwegen nach Hause. Nicht soll der Wunsch gehegt werden, daß der Dame vom vorigen Sonntag ein ähnliches Geschick beschrieben sein möge, aber verdient hätte es wahrlich. Dr. W.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Eingesandt“)
In der Samstagssitzung des ABS-Rats verlas der Vorsitzende Herr Kuhnert ein Telegramm aus Remagen, in dem gebeten wurde, von Bonn aus keine Arbeiter mehr dorthin zu schicken, da die Anfuhrstraßen zur neuen Rheinbrücke so weit gediehen seien, daß die erste Straße bereits Sonntag dem Verkehr übergeben werden könne. Dies bedeutet für die Bonner Brücke eine große Entlastung. Eine längere Aussprache rief der Antrag des Reservelazarett-Direktors hervor, im Interesse der Soldaten das Viktoriabad sobald als möglich zu öffnen, und zwar nicht nur die Brausebäder, sondern auch die Schwimmhallen. Im Grundsatz war man mit diesem Vorschlag einverstanden, aber von mehreren Seiten wurde auf den Kohlenmangel, der gerade jetzt durch die Transportschwierigkeiten ganz besonders fühlbar geworden ist, hingewiesen. Oberbürgermeister Spiritus bemerkte, daß es zwar sehr erwünscht sei, den Truppen hier Badegelegenheit zu bieten, unter den heutigen mißlichen Verhältnissen in der Kohlenversorgung sei er indes nicht dafür, daß die Schwimmhalle eröffnet werde. Der erste und einzige Grundsatz müsse sein, zuerst die Bürgerschaft mit Heizmaterial zu versorgen. Der Antrag wurde der Ortskohlenstelle zur Prüfung überwiesen.
Herr Kalt teilte mit, daß mehrere Bonner Lazarette aufgehoben werden sollen. Er stellte den Antrag, in erster Linie die Beethovenhalle frei zu machen, da die Halle für andere Zwecke sehr notwendig sei. Der ABS-Rat erklärte sich hiermit einverstanden.
Das Bezirkskommando ist wegen Verlegung geschlossen worden. Durch Anschlag wird bekannt gemacht, wohin sich die hier weilenden Truppen bei An- und Abmeldungen zu wenden haben. Nähere Auskunft in allen Fragen wird in der Zentralauskunftsstelle im Nordischen Hof (Poppelsdorfer Allee und Quantiusstraßen-Ecke) erteilt.
Es wurde beschlossen, den Militärpersonen der Jahrgänge 1896/99, die nicht zur Entlassung kommen, keine Anzüge mehr zu geben, da die geringen Vorräte nicht im Entferntesten ausreichen, um die jetzt Entlassenen mit Kleidungsstücken zu versorgen.
Auf Anfrage teilte Beigeordneter Bottler mit, daß infolge der knappen Zufuhren an Kohlen man jetzt noch nicht in der Lage sei, die Gassperre aufzuheben. Es sei besser, jetzt zu sparen, als später die Beleuchtung ganz einstellen zu müssen.
Der Vertreter des Generalkommandos, Hauptmann Weniger, erklärte, daß das 59. Infanterie-Regiment hier in Bonn den Sicherheitsdienst ausüben werde. Die Mannschaften werden in der Fortbildungsschule und in der Infanterie-Kaserne untergebracht. Des weiteren gab der Vertreter des Generalkommandos die für Bonn wichtige Erklärung ab, daß die 7. Armee, die zusammen mit der 18. Armee hier durchkommen soll, nach neuerer Entscheidung ausschließlich über die Remagener Rheinbrücke und mit Fähren befördert wird. Die Remagener Brücke ist bereits vom 25. ds. ab für eine Kolonne, vom 29. ab für zwei Kolonnen bereit. Nur die schweren Lastwagen gehen über die Bonner Brücke, da die Rampen der Remagener Brücke nocht nicht beständig genug seien. Zur weiteren Entlastung der Bonner Brücke werden außerdem noch zwei Pontonbrücken über den Rhein geschlagen werden, und zwar die eine oberhalb Mondorf, die andere bei Niederdollendorf. Mit dem Bau der Brücken soll bereits am Montag begonnen werden.
Auf den Antrag des Militärvertreters, die Rheinbrücke noch einmal auf ihre Tragfähigkeit prüfen zu lassen, gab Beigeordneter Piehl die Erklärung ab, daß an maßgebender Stelle keine Bedenken über die Tragfähigkeit der Brücke beständen. Lastautos überfahren die Brücke in Abständen von 50 Metern und für den Uebergang der Fußgänger sei nichts zu befürchten. Da drei Kolonnen nebeneinander die Brücke passieren, wird während dieser Zeit der Uebergang für Zivilpersonen gesperrt. Die Brückentore werden schon heute Sonntag ausgehoben.
Oberbürgermeister Spiritus sprach namens der Bonner Bürgerschaft der Militärverwaltung den Dank dafür aus, daß sie einen Ausweg gefunden hat, Bonn durch die Ueberleitung der 7. Armee nach Remagen zu entlasten.
Es wurde beschlossen, daß Gastwirtschaften zwei Drittel ihrer Betten für Einquartierung bereit halten müssen.
Eine Kommission für den Besatzungsausschuß wurde gebildet, die je nach Bedarf noch erweitert werden kann. Dieser Kommission gehört auch der engere Vorstand des ABS-Rats an. Nach Schluß der Sitzung trat schon die Kommission mit der Verwaltung zu einer Sitzung zusammen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Bonner Husaren werden Sonntag nachmittag Bonn verlassen und nach Meppen ziehen.
Helft unseren heimkehrenden Kriegern durch Abgabe getragener Kleidungsstücke. Die Annahmestelle des städtischen Bekleidungsamtes, Martinstraße Nr. 18, nimmt täglich vormittags von 9 – 12 Uhr solche entgegen und zahlt höchste Preise.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Montag, 25. November 1918
Während der feindlichen Besetzung Vereins- und Versammlungsfreiheit. Herr Dr. Brüggemann teilt uns mit, daß er heute morgen folgendes Telegramm des Staatssekretärs Erzberger erhalten hat: Linksrheinischer Bevölkerung ist Erörterung innerpolitischer Fragen während Besetzung gewährleistet.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Die gestrige Volksversammlung im vollbesetzten großen Saale des Bürgervereins gestaltete sich zu einer imposanten Kundgebung liberal und demokratisch gesinnter Bürger und Bürgerinnen unserer Stadt im Sinne des republikanischen Gedankens. Als Vertreter der fortschrittlichen Volkspartei sprach Herr Stadtsekretär Holstenberg aus Düsseldorf. Er gab einen Ueberblick über die großen politischen Umwälzungen unserer Tage, die zur Abschüttelung der Diktatur Ludendorffs geführt haben und die bürgerlichen Parteien zu einer Neuordnung ihres Programms zwingen, da das alte Programm nicht mehr in die neue Zeit hineinpaßt. Wir haben ein gewaltigen Trümmerfeld vor uns, für dessen Aufräumung wir so bald als möglich Sorge tragen müssen. Deshalb brauchen wir vor allem die baldige Einberufung der Nationalversammlung, ohne die es keinen Frieden gibt. [...]
Alsdann legte im Namen der demokratischen Vereinigung Herr Johannes Scherer den Standpunkt seiner Partei gegenüber dem republikanischen Gedanken dar, indem er sich ohne Einschränkung auf den Boden der sozialen Republik stellte. Anstatt des bisherigen Mehrheitswahlrechts forderte er das sogenannte Verhältniswahlrecht, das auch die Minderheiten zu Worte kommen läßt und als notwendige Vorbedingung dazu eine neue gerechte Verteilung der Wahlkreise. Weiterhin trat er für eine gesunde Bodenreform ein, die der Sozialisierung der industriellen Betriebe voranzugehen habe, eine radikale Abschaffung der Familienstammgüter, an deren Stelle Kriegerheimstätten zu treten berufen seien; nur auf diesem Wege könne die als Lohndrücker wirkende „industrielle Reservearmee“ beseitigt werden.
Kernige und packende, oft von Beifallsstürmen unterbrochene Worte fand hierauf Herr Geheimrat Landsberg von der Bonner Universität als Vertreter des nationalliberalen Gedankens. Am Schlusse seiner Ausführungen formulierte er folgende Sätze, die von den Erschienenen genehmigt wurden:
„1. Die am 24. November tagende, von liberalen und demokratischen Ordnungsfreunden einberufene Volksversammlung faßt folgende Beschlüsse:
Sie stellt sich auf den Boden der demokratisch-republikanischen Staatform und verurteilt alle kommunistisch-bolschewistischen Treibereien.
2. Sie fordert im Namen der Gerechtigkeit und zur Sicherung eines baldigen Friedens die schleunige Einberufung einer verfassungsgebenden Nationalversammlung und befürchtet von ihrer weiteren Hinauszögerung Anarchie, Reichsverfall und gewaltsames Eingreifen unserer Feinde.
3. Diese beiden Beschlüsse sollen als öffentliche Kundgebung der Reichsregierung und der Presse übermittelt werden.
4. In Bonn soll die Wahl zur Nationalversammlung von allen liberalen und demokratischen Parteigruppen gemeinsam vorbereitet werden
5. Die Volksversammlung betraut mit dem Auftrage hierzu den von ihr gebildeten Wahlvorbereitungsausschuß; der Ausschuß erhält das Recht zur Zuwahl.“
[...]
Als Vorsitzender eröffnete und schloß die Versammlung Herr Dr. Krantz, nachdem er die Namen der Vertrauensmänner für die Wahlvorbereitung ausgegeben und von den Versammelten die allgemeine Zustimmung hierzu erhalten hatte.
Unsere Menschenverluste im Weltkrieg.
Nach einer privaten Bearbeitung der deutschen Verlustlisten bis zum 24. Oktober 1918 beträgt unser Gesamtverlust
1,611,104 an Toten,
3,683,143 an Verwundeten,
772,522 an Vermißten;
6,066,769 insgesamt
(Nach Abzug der Gefangenen verbleiben tatsächlich noch 151,248 Vermißte, von denen die meisten tot sein dürften. Die Gesamtzahl der Toten wird unter Hinzurechnung der noch nicht berücksichtigten Verlustlisten auf rund 2 Millionen geschätzt.)
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Universität. Folgende Bekanntmachung ist an verschiedenen schwarzen Brettern der Universität zu lesen: Auf meine Anfrage an die Waffenstillstandskommission, ob auch diejenigen in Bonn immatrikulierten Studierenden, die ihren Wohnsitz im Sinne des Rechts nicht im linksrheinischen Gebiet haben, als „Einwohner“ im Sinne des Abschnitts 6 der Waffenstillstandsbedingungen gelten, und damit ungefährdet in Bonn bleiben können, habe ich soeben folgende Antwort erhalten: „Telegramm: Rektor Zitelmann Bonn. „Alle dort immatrikulierten Studenten können ruhig dort bleiben. Staatssekretär Erzberger.“ Der Rektor Zitelmann.“
„Was ist nur vorgegangen in der Heimat? Wir haben seit Wochen keine Zeitungen mehr gelesen!“ Diese Frage kann man des Oefteren von unseren tapferen heimkehrenden Frontsoldaten hören. Ueberreicht daher den nach Aufklärung suchenden Kriegern die von Euch gelesene Deutsche Reichs-Zeitung, nicht nur solche von heute und gestern, sondern auch die in den letzten Wochen erschienenen, damit sie über die Vorgänge im Vaterland der Wahrheit gemäß unterrichtet werden.
Die Uniform als Zivilrock. Wegen Mangels an Zivilkleidern werden die Mannschaften ersucht, Militäranzüge weiter zu tragen. Der militärische Stand fällt fort, wenn die militärischen Abzeichen abgenommen und die Knöpfe durch Zivilknöpfe ersetzt werden. Vollends ist aber der Charakter der Uniform genommen, wenn ein anderer Kragen aufgesetzt wird. Das versteht jeder Schneider und er kann in dieser Richtung auch die besten Ratschläge geben. Auf alle Fälle ist bei dem Mangel an Zivilkleidern nicht darauf zu rechnen, daß nun sofort alle aus dem Heeresdienst Entlassenen einen Zivilanzug erhalten. Das kann sich bei der Schnelligkeit, mit der die Demobilisierung eingeleitet werden muß, erst allmählich vollziehen. Das möge man bedenken und nicht mit allzu unmöglichen Forderungen an die städtische Verwaltung oder andere Dienststellen herantreten. Nur eine völlig geordnete Abgabe kann jedem zu seinem Recht verhelfen. In erster Linie sorge aber jeder aus dem Heeresdienst Entlassene, daß er auch die richtigen Entlaßpapiere besitzt, denn sonst kann es ihm blühen, daß er von den Besatzungstruppen interniert wird, weil er sein Ausscheiden aus dem Heeresdienst nicht nachweisen kann.
Der Einquartierungsausschuß macht wiederholt darauf aufmerksam, daß die Einquartierung ohne Verpflegung erfolgt. Der sich etwa auf Quartierzetteln gedruckt oder handschriftlich vorfindende Vermerk „mit Verpflegung“ ist ungültig.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Dienstag, 26. November 1918
Fremdtruppen am Rhein. Inmitten der sich überstürzenden Nachrichten über die Entwicklung unserer inneren und äußeren Angelegenheiten, die so oft einander widersprechen und sich gegenseitig ausschalten, steht für uns Rheinländer nun das eine fest, daß wir im Laufe der nächsten Woche die Besetzung mit Fremdtruppen erhalten werden. Das dies eine Sache ist, die jeden berührt, zeigt auch ein Schreiben, das der Staatssekretär Erzberger als Vorsitzender der Deutschen Waffenstillstandskommission an Professor Kamp, den Herausgeber der Zeitschrift für Volksernährung, unter dem 22. November gerichtet hat. Ihm waren Vorschläge über die Beköstigung der Fremdtruppen unterbreitet worden. Er hat darauf erwidert, daß er die Zuschrift mit bestem Dank erhalten habe, die Anregung für das übrige Besetzungsgebiet von Interesse sei und dort weiter verfolgt werden soll. Für Anregungen solcher Art sei er stets dankbar, umso mehr, da die gesamte Bevölkerung mitarbeiten müsse, damit die kommende schwere Zeit überhaupt erträglich gemacht werde.
Die Schaufensterbeleuchtung mit Gas- oder elektrischem Licht ist des Kohlenmangels wegen bis auf weiteres verboten.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Reklamierte Heeresangehörige, die sich im linksrheinischen Gebiet aufhalten und noch nicht ordnungsgemäß entlassen sind, haben sich unverzüglich beim nächsten Bezirkskommando oder, wo solches nicht mehr vorhanden, bei der nächsten militärischen Dienststelle unter Vorlegung ihrer ordnungsgemäßen Reklamationspapiere zwecks Entlassung aus dem Heeresdienste zu melden. Andernfalls laufen sie Gefahr, von den Ententetruppen gefangen genommen zu werden.
Heeresgruppe Gallwitz
Schleunige Ablieferung von Waffen und Munition. Das Kommando der Bürgerwehr schreibt uns:
Bekanntlich hat der Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat kürzlich eine Verfügung erlassen, nach der sämtliche Besitzer von Militärwaffen und Munition verpflichtet sind, diese bis zum 20. d. Mts. abzuliefern. Jedem Bonner Bürger wird empfohlen, sich einmal zu überlegen, welche Folgen Zuwiderhandlungen gegen diese Verfügung bei Eintreffen der feindlichen Besatzung haben könnten. Trotz alles dessen, was seit Kriegsausbruch unser Denken gefangen genommen hat, wird jedem noch in frischer Erinnerung sein, wie die bewaffnete Zivilbevölkerung Belgiens sich bei dem Einmarsch unserer Truppen am Kampfe beteiligt hat. Diese Vorkommnisse werden auch dem Führer der feindlichen Besatzungstruppen, die wir in unserer Mitte dulden müssen, zu denken geben. Es ist daher sehr wahrscheinlich, daß Hausdurchsuchungen nach Waffen und Munition angeordnet werden. Wer dabei im Besitze von Militärwaffen und Munition getroffen wird, schwebt in größter Gefahr für Freiheit und Leben und gefährdet darüber hinaus auch die gesamte Bürgerschaft, Das eigenste Interesse sollte daher jeden, der solche Waffen und Munition besitzt, zur pünktlichen Abgabe anhalten, falls nicht schon sein Pflichtgefühl ihn dazu zwingt. Wirke jeder in diesem Sinne auf seine Mitbürger ein, damit uns allen größeres Unheil erspart bleibt!
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Sitzung des Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrates der Stadt Bonn vom 25. November.
Vorsitzender: Herr Schmitz.
Der Sicherheitsausschuß hat, wie Beigeordneter Bottler berichtete, am Samstag mit dem Regiment Nr. 59 über die Verteilung der Wachen zwischen Regiment und der Bürgerwehr Vereinbarungen getroffen.
Ein Mitglied des A.-B.S.-Rates beantragt, die Polizeistunden für Wirtschaften auf 10 Uhr und das Verbot des Betretens der Straßen auf 11 Uhr festzulegen. Beigeordneter Bottler berichtete, daß der Sicherheitsausschuß für die bisher geltenden Zeitfestsetzungen sei. Der Vorsitzende bemerkte, der Vorstand habe die Absicht gehabt, eine Verlängerung zu beantragen. Der Vorstand werde sich wegen der Angelegenheit nochmals mit dem Sicherheitsausschuß ins Benehmen setzen.
[...]
Ein Mitglied des Arbeiterausschusses beklagte sich über das Vorgehen der Offiziere der 18. Armee dem Transportausschuß gegenüber. Es sei ihnen gedroht worden, daß die am Bahnhof tätigen Mitglieder des Transportausschusses verhaftet würden, wenn sie sich nicht fügten, die Tische seien umgestoßen worden. Eine Reihe von Fahrscheinen sei abhanden gekommen. Gegen ein derartiges Vorgehen der Offiziere müsse eingeschritten werden.
Geheimrat Schultze vom Einquartierungsausschuß teilte mit, daß die 216. Infanterie-Division die Bewachung der öffentlichen Gebäude übernommen habe. Für Einquartierungszwecke sollen der Bürgerschaft noch 2500 Papierstrohsäcke leihweise überlassen werden.
Die Gesundheitskommission teilte die Bitte der Militärverwatung mit, das Viktoriabad wieder zu eröffnen und den Soldaten zur unentgeltlichen Benutzung zur Verfügung zu stellen. Die erforderlichen Kohlen werde die Militärverwaltung liefern. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, soll das Viktoriabad für Soldaten geöffnet werden.
Die Frage der Bezüge der Ausschussmitglieder ist dahingehend geregelt worden, daß soldatische Mitglieder täglich 6,50 Mark, nichtsoldatische Mitglieder bis zu 11 Mark erhalten. Bei höheren Forderungen soll von Fall zu Fall entschieden werden.
Der Vorsitzende legt folgende Entschließung als Antrag des Vorstandes vor:
Der Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat der Stadt Bonn stellt sich auf den Boden der neuen Regierung in ihrem Bestreben, Ruhe und Sicherheit aufrechtzuerhalten. Als unbedingte Notwendigkeit wird die baldige Einberufung der Nationalversammlung gefordert.
Der A.-B.-S.-Rat stimmte zu.
Herr Sarnes bemerkte, daß der Aufzug von Soldaten mit aufgepflanztem Bajonett und mit Stahlhelm seht unangenehm gewirkt habe. Außer den Ausschreitungen in der Nacht zum 9. November sei nichts mehr vorgekommen, so daß man sich einen derartigen Aufzug sparen könne. Die Militärmusik habe am Denkmal auf dem Kaiserplatz Heil Dir im Siegerkranz gespielt. In der heutigen Zeit sei dies nicht angebracht. Seine Partei sei mit allen Mitteln an der Arbeit, für die Aufrechterhaltung der Ordnung zu sorgen. In Siegburg habe man große Versammlungen mit Besucherzahlen von 5000 Mann abgehalten, um eine Flut von Arbeitslosen von der Stadt Bonn abzuhalten. Die Maßnahmen des Generals Hutier seien geeignet, ein derartiges Bestreben durch die aufreizenden Gegensätze zu durchkreuzen. Die Bajonette und Pickelhauben müssen unbedingt verschwinden, sie sind eine Herausforderung des ganzen Bürgertums.
[...]
Ein soldatisches Mitglied teilte mit, daß er sich in Köln über die Existenzberechtigung der Soldatenräte nach Abzug der Garnisonen erkundigt habe, es sei ihm die Auskunft gegeben worden, daß die Soldatenräte weiter bestehen bleiben. Der Vorsitzende bemerkte, die Frage werde geprüft. Wenn die Besatzung überall wie in Straßburg verfahre, werde sich die Sache ja bald von selbst entscheiden.
[...]
Nächste Sitzung: Dienstag vormittag.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Mittwoch, 27. November 1918
Alle Wehrpflichtigen, die vor dem 1. August 1914 ihren Wohnsitz nicht im linksrheinischen Gebiet hatten, müssen, wie das stellvertretende Generalkommando und der Soldatenrat der 8 Armee bekannt machen, das bis zu 10. Dezember 1918 verlassen haben, da sie sich sonst der Gefahr der Internierung aussetzen.
Streupflicht der Anlieger an den Durchmarschstraßen. Die Straßen sind jetzt infolge der Novemberwitterung frühmorgens sehr glatt und es ist unabweisbare Pflicht der Anlieger, den Durchmarsch der Truppen durch Bestreuen der Straßen mit Asche oder anderem abstumpfenden Material zu erleichtern. Jeder bedenke, daß es seine vaterländische Pflicht ist, auch an seinem Teil dazu beizutragen, daß der uns durch unsere Feinde mit aller Härte aufgezwungene Rückmarsch ordnungsmäßig verläuft, damit nicht noch viele Deutsche gezwungen werden, in Feindeshand zuguterletzt ins Gefängnis zu kommen.
Die Beethovenhalle, die seit Kriegsbeginn als Lazarett gedient hat, wird zurzeit geräumt. Am letzten Samstag hatten die Schwestern des Lazaretts noch einmal eine schlichte Weihnachtsfeier für die Verwundeten veranstaltet, die Kosten dafür waren schon früher durch einen „bunten Abend“ und durch Spenden aufgebracht worden. Der Chefarzt des Reservelazaretts III, Geheimrat Schmidt, nahm in seiner herzlichen Ansprache Abschied von den noch etwa 80 Verwundeten und dankte den Schwestern für ihre unermüdliche, treue Fürsorge. Pfarrer Dr. Richter gedachte der über vierjährigen aufopfernden Tätigkeit der Aerzte. Beide Redner dankten zum Abschied den tapferen Kameraden für alles, was sie in vierjährigen Kämpfen und Opfern für das Vaterland getan, und wünschten ihnen baldige Gesundung und Heimkehr. Im kommenden Frieden sollte wieder aufgebaut, was zerstört und verloren se; denn Deutschland könne nicht untergehen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat. In der gestrigen Sitzung rief die Mitteilung, daß die Militärbehörde den vom ABS-Rat eingesetzten Transportausschuß ohne vorheriges Einvernehmen mit dem Rat aufgelöst hat, großen Unwillen bei einigen Mitgliedern hervor. Die Mitglieder Niedermair und Schmock erhoben gegen dieses eigenmächtige Vorgehen des Offizierkorps der 18. Armee energischen Einspruch. Sie forderten die Wiedereinsetzung des Transportausschusses, damit wenigsten der Zivilbevölkerung die nötigen Reiseausweise beschafft werden könnten. Es ginge nicht an, das ein mit den Verhältnissen nicht vertrauter Schalterbeamter oder eine Beamtin die Reiseerlaubnis geben oder verweigern könne. Wie Herr M. Schmitz mitteilte, sei der Major, der die Auflösung des Transportausschusses angeordnet habe, der Meinung gewesen, dem ABS-Rat damit einen Gefallenen zu tun. [...] Man könne ja auch froh sein, daß der militärische Reiseverkehr jetzt durch das Militär geregelt werde. Am besten treffe man wegen des Reiseverkehrs für die Zivilbevölkerung Abmachungen mit dem Bahnhofsvorstand. [...] Die Zivilpersonen müßten sich die Reiserlaubnis erst vom zuständigen Polizeikommissar bescheinigen lassen und aufgrund dieser Bescheinigung soll dann die Erlaubnis am Bahnhof erteilt werden. Die Versammlung erklärte sich mit diesem Vorschlag einverstanden. [...]Wegen des in der vorigen Sitzung erwähnten Aufrufs des Oberbefehlshabers Hutier sei eine Einigung mit der Militärbehörde erzielt worden. Am Schluß des Aufrufs wird der Satz hinzugefügt: „Die Tätigkeit des ABS-Rats der Stadt Bonn im bisherigen Umfange und soweit sie nicht in die militärischen Kommandogewalt eingreift, wird durch die vorstehenden Bestimmungen nicht berührt.“ Hierdurch sei der ABS-Rat von der Militärbehörde anerkannt worden. [...]
Dolmetscher gesucht. Die städtische Verwaltung sucht Herren, die die französische oder englische Sprache vollkommen beherrschen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Kundgebung der Bonner Polizei-Beamten in der Versammlung der städtischen Beamten und Angestellten der Stadt Bonn am 22. November 1918. Die Umwälzung im Deutschen Reich hat besonders die Polizei in Mitleidenschaft gezogen. An der großen Abneigung, die gegen die Polizei allgemein in der Forderung der Entwaffnung derselben zum Ausdruck kommt, tragen weniger die einzelnen Polizei-Beamten, als die ganze Einrichtung die Schuld. Der alte Polizeistaat ist nunmehr zusammengebrochen und ein neuer Staat nach freiheitlichen Richtlinien ist im Werden begriffen. Die jetzt beginnende Neuordnung auf demokratischer Grundlage stellt deshalb gerade der Polizei hohe und wichtige Aufgaben. Es ist die Pflicht eines jeden Polizei-Beamten, hierbei mitzuhelfen, weil die Polizei auch im neuen Staatsleben zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung nicht entbehrt werden kann. Wenn das neue Staatsgebäude, zu dem jetzt der Grundstein gelegt worden ist, ein festes, dauerndes Gefüge erhalten soll, so wird gerade die Polizei ein Eckpfeiler werden müssen, der allen späteren Stürmen Trotz bietet. Es heißt jetzt auch die Polizei auf diese neuen Verhältnisse einzustellen. Sie darf in dem neuen Hause nicht mehr als ein notwendiges Uebel und als eine vom Publikum gefürchtete Einrichtung gelten, sondern sie muß als die zuverlässigste Stütze des gesamten Staatsordnung, frei von jeder Bevormundung und Bürokratie, getragen von dem Vertrauen der Bürgerschaft ein Beschützer und Berater für jeden Bürger sein. [...]
Kriegsnotgeld. Die Kreise Bonn-Stadt, Bonn-Land und der Siegkreis geben unter ihrer Gewähr weiteres in diesen Kreisen gültiges Kriegsnotgeld in Scheinen zu 50 und 25 Pfg. aus. Diese Scheine haben auf der Vorderseite auf farbigem Untergrund das Bonner Wappen und in Mittel- und Eckschildern die Wertangabe; die farbige Rückseite enthält die Bonner Rheinbrücke und zu beiden Seiten derselben die Wertangabe. Die 50 Pfg.-Scheine sind grün, die 25 Pfg.-Scheine blau.
Vom Rhein. Ein ungewöhnlich kleiner Wasserstand ist gegenwärtig zu verzeichnen. So klein wie jetzt ist der Rhein lange nicht gewesen; im allgemeinen herrscht um diese Jahreszeit gutes Fahrwasser. Bei dem klaren, mit Nachtfrost verbundenem Wetter ist mit weiterem Rückgang zu rechnen. Die tiefgehenden Schiffe können schon längst nicht die volle Last nehmen, und vielfach sind zu tief beladene Fahrzeuge vor Anker gegangen. [...]
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Donnerstag, 28. November 1918
Truppendurchzug. Von heute ab werden die großen geschlossenen Verbände der 18. Armee durch Bonn über den Rhein ziehen. Es wird nun, nachdem in den letzten Tagen verhältnismäßig wenig Kraftwagen, Fahrzeuge usw. hier durchgekommen sind, in den nächsten acht Tagen einen militärischen Hochbetrieb in Bonn geben. Die von heute ab durchmarschierenden Truppen sind die eigentlichen Fronttruppen, die all den vielen Durchbruchversuchen der Feinde immer wieder standgehalten und dadurch unser schönes Rheinland davor behütet haben, Kriegsschauplatz zu werden. Der Dank dafür mag auch in Bonn zum Ausdruck kommen: durch freundliche Aufnahme der hier einquartierten und herzliche Begrüßung der durchziehenden Truppen.
Die Polizeistunde für das Betreten der Straßen ist auf 11 Uhr, die für Wirtschaften und Vergnügungsstätten auf 10 Uhr ausgedehnt worden.
Englische Besatzungstruppen für Bonn. Die frühere Meldung, daß Engländer die Festung Köln (und damit auch das im Festungsbereich liegende Bonn) besetzen würden, wird bestätigt durch eine Meldung der Nouvelle Correspondance. Danach teilte General March mit, daß die amerikanische Armee Koblenz gegen den 1. Dezember erreichen und diesen Brückenkopf zu diesem Zeitpunkt besetzen werde. Die Engländer würden Köln und die Franzosen Mainz besetzen.
Staatssekretär Erzberger, der Vorsitzende der deutschen Waffenstillstandskommission, macht bekannt: im linksrheinischen Gebiet laufen unzählige Gerüchte um über die Stärke und Art der künftigen Besatzungstruppen. Alle diese Nachrichten sind falsch, da der Oberbefehlshaber der Alliierten noch keinerlei Entscheidung in dieser für das linke Rheinufer bedeutsamen Frage getroffen hat. Sobald bestimmte Nachrichten vorliegen, werden sie alsbald veröffentlicht werden, wie auch über die Regelung des Personenverkehrs nach den besetzten Gebieten.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Die Lebensmittelvorschriften bleiben bestehen. Der Staatssekretär des Kriegsernährungsamts tritt der vielfach verbreiteten Ansicht entgegen, daß mit dem Eintritt der neuen Regierungsform die bisherigen Lebensmittelvorschriften außer Kraft getreten seien. Er weist demgegenüber darauf hin, daß gerade im gegenwärtigen Augenblick de Einhaltung der Vorschriften über Abgabe von Nahrungsmittel nur gegen Karte, Verfütterungsverbote usw. mit verschärfter Genauigkeit durchgeführt werden müssen, wenn eine Stockung der Lebensmittelversorgung in den wichtigsten Verbrauchsgebieten vermieden werden soll. Es stehe noch in keiner Weise fest, wann die von den Ententeländern in Aussicht genommenen Lebensmittel eintreffen und zur Verteilung kommen würden.
Ein Ahnungsloser. Ein Feldgrauer von der Front trank gestern am Schanktisch eines Lokals an der Bahnhofstraße ein Glas Bier und ließ sich eine Zigarre geben. Harmlos gab er dem Wirt einen Fünfzigpfennigschein. „Was soll ich damit?“, fragte dieser. „Ein Glas Bier macht 35, eine Zigarre 1 Mark.“ Der Soldat stutzte, zahlte dann aber schweigend und ging seiner Wege. Er war der Heimat fremd geworden.
Den Fronttruppen zum Willkomm.
Da es nicht möglich ist, allen durch Bonn kommenden Truppenteilen einzeln den Gruß der Stadt zu entbieten, hat der Oberbürgermeister namens der Bürgerschaft die nachstehende schriftliche Begrüßung an die 8. Armee gerichtet, die nach Vervielfältigung durch Vermittlung der militärischen Kommandostellen jedem Truppenteil zugeht.
An die durch Bonn rückenden Fronttruppen der 18. Armee.
In den nächsten Tagen überschreiten die Divisionen der 18. Armee bei Bonn den Rhein. Die Bürgerschaft der Stadt entbietet den tapferen Kriegern herzlichen Gruß und begeistertes Willkommen. Heißer Dank des Vaterlandes ihnen, die im Jahre langen Kampfe Leben und Gesundheit für die Heimat einsetzten. Unvergessen bleibt deutscher Mut und deutsche Treue in Not und Tod. Schwer lastet auf uns der Druck der Zeit. Doch den Glauben an Deutschlands Zukunft kann ein heldenhaftes Heer und ein aufrechtes Bürgertum nie verlieren!
Der Oberbürgermeister.
Spiritus.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Notbrücken für den Rheinübergang der Truppen sind bezw. werden geschlagen bei Mondorf, bei Niederdollendorf, bei Mehlem, bei Brohl und bei Neuwied. Der Oberpräsident der Rheinprovinz als Chef der Rheinstrombauverwaltung macht bekannt: Während des Brückenbaus werden etwa 3 Kilometer oberhalb jeder Brücke Wahrschauer aufgestellt und außerdem 1000 Meter ober- und 500 Meter unterhalb Wachtpontons festgelegt. Die Schiffsführer haben auf den Zuruf und die Flaggenzeichen der Wahrschauer genau zu achten und den Weisungen der Mannschaften des Wachtpontons Folge zu geben. Eine auf den Wachpontons aufgezogene blauweiße Flagge gilt als Zeichen, daß die Brückenstelle nicht durchfahren werden darf. Das Schwenken einer roten Flagge gibt an, daß die Talfahrt frei ist, einer weißen Flagge, daß die Bergfahrt frei ist. Die Durchfahrt durch die Oeffnungen der Brücken darf erst erfolgen, wenn auf der Brücke die für die Durchfahrt durch Rheinbrücken in der Rheinschiffahrts-Polizeiverordnung vorgeschriebenen Flaggenzeichen gegeben werden. Die Oeffnungszeiten der Brücken werden noch bekannt gegeben werden. [...]
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Die maßgebenden Stellen unseres Bonner Apparates werden gebeten, nachstehende Ausführungen einer geneigten Ueberprüfung unterziehen und Abhilfe schaffen zu wollen.
1. In der Infanterie-Kaserne der Argelanderstraße liegen unzählige Werte militärischer Ausrüstungsgegenstände frei herum und werden tagtäglich von der Bonner Jugend in Gegenwart der Soldaten fortgeschleift. Spaten, Pickelhacken. Patronentaschen, Seitengewehre, ja selbst scharfe Patronen sind im Besitze der Jugend! Auf dem Kasernenhof fahren Lastautos über letztere, sodaß häufig genug auf diese Weise höchstgefährliche Entladungen vorkommen. Erstens der Gefahr und zweitens der Werte wegen müßte hier sofort eingeschritten werden. Und bei dieser Gelegenheit möchte ich die Frage aufwerfen: Was bezweckt die regelmäßige Schießerei in dieser Gegend? Selbst abends nach 9 und 10 Uhr fallen oft scharfe Schüsse, die häufig dann vom Venusberg aus anscheinend beantwortet werden. Was kann ein einziger Schuß, der auch aus jugendlichem Leichtsinn abgegeben wird, für die Stadt Bonn bedeuten, ist in 14 Tagen die Besatzung da? Man erinnere sich gewisser Vorgänge in Belgien und ziehe die Konsequenzen – ab sofort und rücksichtslos!
2. Dringlichst genug kann nicht empfohlen werden, für die Instandsetzung aller Straßenlampen jetzt schon zu sorgen. Je nachdem man uns mit einer Besatzungsart beehrt, müßten die Straßenbeleuchtungen zum Schutze der Zivilbevölkerung beitragen. Andererseits läßt sich bei eintretender Dunkelheit der Verkehr – auch für Frauen – nicht einstellen, auch nicht, wenn der Feind da ist.
3. Jetzt schon müßte m. E. auf das energischste eingeschritten werden gegen den Unfug, Kinder und – ja, ich nenne es absichtlich in einem – Mülleimer nach eingetretener Dunkelheit auf der Straße zu dulden. Deshalb warne ich Beide in einem, weil man nicht mehr sagen kann, welcher Unfug hier der größere ist. Unerwachsene suchen in der Dunkelheit wahrlich nichts gutes mehr auf der Straße und müßten von der Bürgerwehr einfach durchweg zur Anzeige gebracht werden. In einigen Tagen hörte die Belästigung Erwachsener auf! Und jeder, der seinen Mitbürger durch Stehenlassen des Mülleimers gefährdet, müßte durch entsprechend hohe Strafe dazu gebracht werden, sich jetzt schon mit dem Gedanken vertraut zu machen, was es für ihn und die betr. Straße bedeuten kann, geschieht durch die Nachlässigkeit eines Bonners einem der Herren der Besatzung ein Leid.
[...] Sch.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Freitag, 29. November 1918
Ausstellung von Verwundeten-Arbeiten. Am 2., 3. und 4 Dezember wird in Bonn zum letzten Mal eine Ausstellung nebst Verkauf von Arbeiten unserer Verwundeten stattfinden, und zwar im Saal der Cohenschen Buchhandlung, am Hof 30, 1. Stock, Die Bonner Bürgerschaft, die den bisherigen Ausstellungen stets lebhafte werktätige Teilnahme entgegenbrachte, wird ihr Interesse auch dieses Mal hoffentlich betätigen, namentlich da wieder eine reiche Auswahl von hübschen und praktischen Sachen für den Weihnachtstisch vorhanden ist. Der Erlös soll diesmal, da er zur Neuanschaffung von Rohstoffen nicht mehr nötig ist, nach Abzug der Unkosten einem Kriegsbeschädigtenheim oder ähnlichen Einrichtung für unsere tapferen Feldgrauen, die ihre Gesundheit für uns hingaben, zur Verfügung gestellt werden, mit der besonderen Anweisung, den Insassen dafür hin und wieder eine besondere Freude zu bereiten.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Die Wehrpflichtigen im besetzten Gebiet.
Die Bekanntmachung in der Presse vom 27. November 1918, daß alle Wehrpflichtigen, die vor dem 1. August 1914 ihren Wohnsitz nicht im linksrheinischen Gebiet hatten, und diesen Wohnsitz verlassen müßten, um nicht interniert zu werden, ist weder vom stellv Generalkommando 8. A.-K. noch vom Soldatenrat Koblenz erlassen worden. Das Ministerium des Inneren teilt vielmehr unterm 22. November 1918 mit, daß wehrpflichtige deutsche Arbeiter und Beamte in den zu räumenden Gebieten des Rheins nicht zurückzuziehen sind. Arbeitskräfte haben auf ihren Arbeitsstellen zu bleiben. [...]
Arbeiter- und Bürgerrat. Wie der Vorsitzende Dr. Krantz in der gestrigen Sitzung mitteilte, ist der Soldatenrat aus dem ABS.-Rat ausgeschieden, da die militärischen Formationen aufgelöst sind und deshalb eine Vertretung dafür nicht mehr erforderlich ist. Hauptmann Strübb [in den anderen Zeitungen: Strich] wird in der Folge als Vertreter der militärischen Vertrauensleute an den Sitzungen teilnehmen. Der Rat wird nunmehr unter dem Namen „Arbeiter- und Bürgerrat“ tagen. Er wird nach wie vor die militärischen Interessen der entlassenen Mannschaften aufs beste vertreten. An die Ausschussmitglieder wurden neue Armbinden in den Farben schwarz-rot-gold ausgegeben.
Oberbürgermeister Spiritus verlas einen schriftlichen Gruß der Stadt Bonn an die durchziehenden Fronttruppen, der an anderer Stelle unseres Blattes zum Abdruck gelangt. Der Vorsitzende teilte mit, daß ein Vertreter des Kriegsministers gestern hier war, um Erkundungen darüber einzuziehen, ob der Durchzug der Truppen glatt vonstatten ginge und wie die Stimmung der Bevölkerung sei. Mit der Auskunft, die ihm der Vorsitzende geben konnte, war der militärische Berater sehr befriedigt.
[...]
Wie der Vorsitzende mitteilte, hat ihm der Kapellmeister der 59er die Erklärung abgegeben, daß entgegen der Behauptung eines Mitglieds des Arbeiterrats seine Kapelle auf dem Kaiserplatz am vorigen Samstag „Heil dir im Siegerkranz“ nicht gespielt habe.
Auf die Anfrage, welche Besatzung hierher nach Bonn komme, bemerkte der Vorsitzende, daß nach den neueren Mitteilungen wahrscheinlich Engländer kommen würden; Bestimmtes könne man natürlich noch nicht sagen. Wer aber auch komme, die Hauptsache sei, daß die Bevölkerung sittlichen Ernst und Nationalstolz bewahre. Namentlich die Weiblichkeit müsse gewarnt werden. Man solle keine feindliche Haltung äußern, aber Nachlaufen brauche man ihnen nicht. Er schlage vor, daß nach dem Rezept der Belgier allen weiblichen Personen, die mit dem Feind kokettieren, der Kopf kahl geschoren werde. Der Vorschlag rief große Heiterkeit hervor. (Wir empfehlen eine vollständige Rasur. Die Schriftl.)
Es wurde nochmals darauf hingewiesen, die vier Bonner Kasernen so bald wie möglich für die Besatzung instand zu setzen, da es sonst wie in Trier gehen könne, wo die feindlichen Soldaten einfach bei Bürgern Quartier bezogen hätten.
Bezüglich der Verpflegung der Truppen berichtete Baurat Piehl, daß die Verpflegung der Soldaten gut geregelt sei. Man habe auch Vorkehrungen getroffen, daß die Nahrungsmittelversorgung der Bürgerschaft nicht unter der Fahrtbehinderung, die durch die Truppendurchzüge hervorgerufen werde, zu leiden habe. In der Milchversorgung seien aber kleine Störungen nicht zu vermeiden. In der Frage der Versorgung der Soldaten mit Entlassungs-Anzügen bemerkte Baurat Piehl, daß das Städtische Bekleidungsamt augenblicklich nicht in der Lage sei, Zivilkleidung zu liefern. Für jetzt müsse jeder sehen, bei Verwandten oder Bekannten Zivilkleidungsstücke zu erhalten, da die Franzosen in anderen Städten die abgeänderten Uniformen nicht als Zivilkleidung anerkannt hätten. [...]
Herr Schmock fand es an der Zeit, daß man jetzt, da der Krieg doch sozusagen zu Ende sei, ganz energisch gegen den Wucher und den Schleichhandel vorgehe, damit endlich wieder ein ehrliches Geschäftsgebaren Platz greife.
[...]
Die nächste Sitzung findet am Samstag statt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Deutsche Demokratische Partei. Eine stark besuchte Mitgliederversammlung der Fortschrittlichen Volkspartei und der demokratischen Vereinigung beschloß gestern abend die sofortige Gründung der Deutschen Demokratischen Partei in Bonn, da keine Stunde zu verlieren sei, wenn man die neue Partei vor dem Eintreffen der feindlichen Besatzung noch unter Dach und Fach bringen wolle. Es wurde ein geschäftsführender Auschuß unter dem Vorsitz von Dr. Brüggemann gewählt zur Werbung weiterer Mitglieder, zur Vorbereitung einer großen Werbeversammlung und der ersten Hauptversammlung.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Samstag, 30. November 1918
Der Durchzug der 18. Armee hat bisher noch nicht den Umfang angenommen, den man nach den umfangreichen Vorkehrungen – Sperrung der vier Marschwege für den privaten Fuhrwerksverkehr, Einstellung des Straßenbahnbetriebs – erwarten durfte. Den ganzen Tag fuhren schwere und leichtere Kraftwagen, Fuhrwerke, Geschütze usw. über die Brücke, im ganzen sind es aber wohl nicht mehr als auch Ende voriger Woche schon. Von Fußtruppen sind erst einige Regimenter durchgezogen. Die Rheinbrücke brauchte für den Fußgängerverkehr der Zivilbevölkerung noch nicht gesperrt zu werden, das für diesen Fall fahrbereit liegenden Fährschiff Hochstaden brauchte daher bislang nicht zu verkehren.
Einquartierungsausschuß. Die Ausgabe von Strohsäcken zu Einquartierungszwecken wird von heute an eingestellt. Bei allem Bestreben, die Belegung von Bürgerhäusern mit Einquartierungen in gerechter Weise durchzuführen, können Unstimmigkeiten, die den Eindruck ungerechter Verteilung erwecken, nicht vermieden werden. Die Bürgerschaft wird gebeten, diesbezügliche Beschwerden mit Rücksicht auf die ungeheure Arbeitslast des Einquartierungsgeschäftes tunlichst zu unterdrücken.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Für die heimkehrenden Truppen bat durch einen kurzen Aufruf in der Zeitung um eine Liebesgabe der Hilfsausschuß für Truppen. Am selben Abend spendete der Bonner Bürgerverein für diesen Zweck 300 Mk.; eine Sammlung am langen Tisch ergab 207,75 Mk. und einige weitere Zeichnungen beliefen sich auf 300 Mk., sodaß dem Hilfsausschuß sofort 807,75 Mk überweisen werden konten.
Bonner Straßenbilder vom Durchzug der Truppen.
Es ist ein buntes Bild, was unsere Straßen jetzt belebt.
Es bietet Fröhliches und Trübes sich dem Auge dar;
Der Menschenstrom wog durcheinander, jeder strebt
Zu schauen möglichst viel von unserer Kriegerschar.
Da kommen sie in langen Reihen anmarschiert,
Die Mütze schön geschmückt, ein Sträußlein an der Brust
Und das Marschieren geht noch gerade wie geschmiert,
Sodaß es anzuseh’n ist eine Lust.
Wir freuen uns für jeden, der da kehrt zurück,
Daß Gott bewahrte ihn in dieses Krieges Schrecken.
Es streift voll Wehmut alle unser Blick,
Wie schön, wenn wir was Liebes auch entdecken.
Wenn die Kapelle spielend zieht an uns vorüber,
Vergessen wir auf kurze Zeit das Schwere, was uns drückt.
Der Bönnschen Jugend ist es auch bei weitem lieber,
Wenn solchen Ohrenschmaus zu hören ihnen glückt.
Das ist ein Fest jetzt für die Kinderwelt,
Genoß doch nie sie solche seltene Freuden
Jetzt wird von ihnen alles auf den Kopf gestellt,
Voll Trauer denken sie schon an der Krieger Scheiden.
Stolz wie die Spanier reiten Buben auf dem Pferde,
Wie sie sich brüsten, ist gar drollig anzuseh’n;
Und als Besitzer fühlen sie sich von der ganzen Erde
Sie finden diese Zeit ja gar zu schön.
Soldaten zieh’n vorbei mit fröhlichem Gesang,
Gottlob, daß sie verlernten nicht das Singen;
Wir lauschen noch, wie sie die Straße geh’n entlang,
Doch schon wird aufgenommen man von anderen Dingen.
Bagagewagen in unendlich großer Menge,
Mit Tannenbäumen, Bändern schön geziert.
Sie fahren sicher und vorsichtig durch’s Gedränge,
Die Kinder oben drauf lustig und ungeniert.
Ein großer brauner Hund, der mit im Krieg gewesen,
Sitzt auf dem Vordersitz dicht hinter seinem Herrn;
Man kann’s aus treuen Hundeaugen lesen,
Bei dem Gebieter war sogar im Krieg er gern.
Ein kleiner Knabe, der zehn Pfenn’ge nennt sein eigen,
Geht zu der Blumenhändlerin mit flinkem Schritt,
Er will den Kriegern auch die Dankbarkeit erzeigen,
Drum nähm’ für sein Vermögen er gern Blumen mit. -
Für dieses Geld spricht sie, kann ich nicht Blumen geben,
Die sind zu teuer jetzt, wie kannst Du denken das?
Und er hätt’ Blumen ja gehabt gern für sein Leben,
Für seine Feldgrau’n und das Auge wird ihm naß.
Die Blumenfee sagt: Ist’s für die, so sollst Du haben
Ein ganzes Sträußchen, das du kannst verteilen;
Für sie sind ja nicht gut genug die schönsten Gaben,
Wie konnte unser Junge nun zu seinen Feldgrau’n eilen.
Und alle Kinder möchten uns’re Krieger schmücken,
Ihr kleines Ärmchen reicht oft kaum zu ihm empor;
Der Kriegsmann muß sich oft gehörig bücken,
Wenn eine kleine Hand ihr Sträußlein hält ihm vor.
Ein Offizier hat unter’m Mantel warm geborgen,
Ein winzig kleines Hündchen, treu in seinen Armen;
Von diesem Ausguck schaut die ganze Welt es an ganz ohne Sorgen.
Das ist Barbarentum, was auch mit Tieren hat Erbarmen!
Die jungen Mädchen schlagen züchtig ihre Augen nieder,
Wenn an so vielen Herr’n der Welt sie geh’n vorbei.
Doch ist zu interessant es, und sie gucken wieder,
Es ist nicht schlimm, nur eine kleine Spielerei! –
So sind umgeben wir von ungezählte Bildern,
Die uns erstaunen oft, betrüben und ergötzen;
Wenn man versuchen wollte alles dies zu schildern,
Man könnt’ es nicht auf tausend Bogen setzen!
So zieht ihr Tapfern nun zur teuren Heimat hin.
Der Dank begleitet euch bis in die weit’sten Fernen;
Für euch, die ihr bewahret euren treuen Sinn,
Lebt unser Gott noch über lichten Sternen. –
Kjeidsen
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Sozialdemokratische Partei Bonn veranstaltet heute abend 7.30 Uhr eine große Frauenveranstaltung. Ueber die Menschenrechte der Frau spricht Frau Röhl aus Köln.
Die Zentrumspartei (Freie deutsche Volkspartei) wird am Sonntag den 1. Dez., morgens 11 Uhr, im großen Saale des Bonner Bürgervereins eine große Volksversammlung abhalten. Es werden reden: Reichstagsabgeordneter Chrysant, Lehrer Schultheis und Arbeitersekretär Klüber über das Thema: Was uns nottut.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Wäre es jetzt nicht gerade am Platze, daß die Chefs, Firmen und Behörden sich sozusagen auf ihre Pflicht besinnen und Platz schafften für die heimkehrenden Frontsoldaten, indem sie die Damen, die doch bloß durch das Einrücken der Männer ins Feld, in die Betriebe und Kontors hereinkamen, baldigst entließen. Durch die Damen wird bloß tatkräftigen und arbeitsfreudigen Feldgrauen der Verdienst genommen. Ist das der letzte Dank der Frauenwelt, daß Männer betteln gehen sollen? Also hinter die Kochtöpfe, in den Haushalt! Nehmt Euch einen Mann und verheiratet Euch, Ihr Damen! Im Ehestand dient Ihr am besten einer guten Sache. Ein Feldgrauer im Namen Vieler.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)