Dienstag, 1. Oktober 1918
Opfertage für die Kolonialkriegerspende. Noch ist bei weitem nicht genügend für die schwer Geschädigten in den Kolonien zusammengekommen, für die, die für Deutschlands Ehre einen aussichtslosen Kampf bis zum bittern Ende kämpften, einen Heldenkampf ohnegleichen in der Weltgeschichte. Insbesondere war die frühere Haussammlung nicht ausreichend. So haben sich die Vaterländischen Vereinigungen u. a. die Deutsche Kolonial-Gesellschaft, Abteilung Bonn-Godesberg, und der Frauenbund der Deutschen Kolonial-Gesellschaft, Abteilung Bonn, entschlossen, eine Straßensammlung abzuhalten. Sie findet Samstag, den 5. Oktober, nachmittags von 3 Uhr an bis zur Dunkelheit, und Sonntag, den 6. Oktober, von morgens 8 Uhr mit Mittagspause bis zum Eintritt der Dunkelheit statt. Bonner Töchter rechnen es sich zur Ehre an, Abzeichen, Ablösungszeichen und Postkarten zu verkaufen. Die Lichtspieltheater bringen zum 28. September bis 6. Oktober einen kolonialen Trickfilm. In der Lese spricht Samstag abend Ihre Exzellenz Frau Schnee über „Deutsch-Ostafrika-Leben während des Krieges. Ihr Vortrag, dessen Einnahmen für die Kolonialkriegerspende bestimmt sind, wird fesselnd sein. Sonntag sind Militärkonzerte. Bei den Bezirkspfarrern liegen während der Sammeltage auch Listen zum Einzeichnen auf die Kolonialkriegerspende auf. Der Bonner Opfersinn zeige sich von vollem Verständnis für die Wichtigkeit der Veranstaltungen. Wir wollen uns nimmer die Kolonien rauben lassen und nimmer vergessen, wie deutsches Blut und deutscher Schweiß sie düngten.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Ueber das Gebot der Stunde sprach gestern abend, von der Deutschen Vaterlandspartei eingeladen, Herr Landtagsabgeordneter Dr. Bacmeister im großen Saal der Lesegesellschaft. […]
Was die Ereignisse im Westen betrifft, so meinte der Redner, daß unser letzter Rückzug auf die Siegfriedlinie noch einmal als eine der größten strategischen Taten der Weltgeschichte gefeiert werden würde, denn letzten Endes entspringt auch die gewaltige Offensive der Engländer, Franzosen und Amerikaner gerade jetzt der Erkenntnis, daß die Ernährungsschwierigkeiten des Vielverbandes [der Alliierten] eine uferlose Vermehrung der amerikanischen Truppenmassen nicht ertragen. Die Entente ist zu dieser Offensive gezwungen, und im Rahmen des Gesamtbildes legen wir den Feinden noch immer das Gesetz des Handelns auf. […]
Was uns jetzt fehlt, ist nur eine führende Persönlichkeit, die an Stelle des bloßen Verteidigungsgedankens, den politischen Offensivgedanken in unser Volk hineinträgt, die den Gedanken der Tatkraft, des Optimismus und der Siegeszuversicht ausstrahlt. Wie aber auch die Wahl des neuen Kanzlers ausfallen mag, aus der nationalen Not wird uns sicher noch einmal die Entschlußkraft erwachsen, und die notwendige Siegeszuversicht für die uns auch die gegenwärtige Kriegslage Grund genug gibt. Das Gebot der Stunde aber ist, daß jeder, der sich der Bedeutung dieses Weltkrieges für unser Volk und der wirtschaftlichen und politischen Bedeutung unseres Volkes klar bewußt ist, überall hinausgehen muß in das Land, um Siegeszuversicht zu predigen.
Den gedankenreichen Vortrag eröffnete und beschloß Geheimrat Litzmann von der Bonner Universität mit kernigen Ansprachen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Kartoffelversorgung und Kriegküchenpreis. Für viele Leser bildete die jüngste Mitteilung des Lebensmittelamts eine Ueberraschung, aber keine erfreulicher Natur. Die Kartoffeln sollen 9,30 M. ab Lager und 12 M. im Kleinverkauf kosten. Die Preise in der Kriegsküche werden gleichzeitig erhöht, sodaß die „Bedürftigen“ die Wahl haben, wo sie mehr geschröpft werden wollen. Ist das der Erfolg unserer vielgepriesenen kriegswirtschaftlichen Organisation? Wie soll es eine kinderreiche Familie ermöglichen, 12 M. für den Zentner Kartoffeln zu zahlen? Die Kriegsküchenbenutzer, soweit sie keine hochgelohnten Arbeiter sind, denen es „auf einige Groschen“ mehr nicht ankommt, müssen gegen eine weitere Verteuerung der Lebenshaltung Widerspruch erheben. Wären kleine Pensionäre und Angestellte im Lebensmittelausschuß vertreten, dann kämen solche Beschlüsse wohl nicht zustande. Aber man läßt diese Stände nicht in den Ausschuß hinein. Diese haben nur zu zahlen und den Mund zu halten. In anderen Städten gestattet man gerade den Angestellten, an der Lebensmittelversorgung teilzunehmen. Die nicht dem Arbeiterstand angehörigen Verbrauchergruppen müssen sich tüchtig wehren, dann wird man vielleicht auf dem Rathaus einsehen, daß auch sie ein Recht haben, ein Wort mitzureden, wenn es gilt, die Preise festzusetzen, die gerade sie am härtesten treffen. Zum mindesten würde durch diese Vertreterschaft erreicht, daß es mehr nach Berlin dränge, wie diese Lebensmittelteuerung auf den unbemittelten Mittelstand wirkt, auf den man im Frieden weit mehr Rücksicht nimmt als heute. T.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Ernährungsfragen. In einer sozialdemokratischen Versammlung Samstag abend im Volkshause sprach Genossenschaftssekretär Schäfer aus Köln über unsere Ernährungswirtschaft. Der Versammlung wurde eine Eingabe über Mindestforderungen zur Ernährungs- und Unterstützungsfrage bekannt gegeben, die die Vorstände des hiesigen sozialdemokratischen Vereins und des Kartells der freien Gewerkschaften an die Stadtverwaltung richten wollen. Als Mindestforderungen für die Ernährung werden genannt Wochenmengen von vier Pfund gutem Brot, zehn Pfund Kartoffeln, ein Pfund Nährmittel, 70 Gramm Fett, während der fleischlosen Wochen eiweißhaltige Nahrungsmittel. Außerdem sollen die Schwer- und Rüstungsarbeiter Wochenzulagen von vier Pfund Kartoffeln, 1½ Pfund Brot, 1½ Pfund Nährmitteln und 40 Gr. Fett erhalten, die Schwerstarbeiter nach den bisherigen Grundsätzen weiterbeliefert werden. Ferner wird u. a. eine Aenderung der Klasseneinteilung vorgeschlagen, durch die die Klasse A erheblich erweitert würde, und eine Erhöhung der Kriegerfamilienunterstützung.
(Ob dem Lebensmittelamt nunmehr auch von den übergeordneten Stellen die erforderlichen Lebensmittel zur Verfügung gestellt werden, ist eine andere Frage. Die Schriftleitung.)
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Mittwoch, 2. Oktober 1918
Unsere Schuljugend bei der Kriegsanleihe-Werbearbeit. In einer neulichen Versammlung der sämtlichen Vertrauensleute der städtischen Werbeorganisationen beantragte Rechtsanwalt F. J. Klein, die hiesigen Schulen zu ersuchen, dahin zu wirken, daß die Schüler eine allgemeine Werbetätigkeit für die 9. Kriegsanleihe innerhalb der Stadt, abgesehen von der Werbung bei Verwandten und näheren Bekannten, vor dem 10. Oktober nicht entfalten möchten. Diesem Antrage stimmte die Versammlung einmütig zu. Es wurden hierbei die unbestreitbaren großen Verdienste der Schulen um die früheren Kriegsanleihen anerkannt, indessen erwogen, daß bei einer Werbung durch Erwachsene durchweg erheblich höhere Beträge zu erzielen seien als durch eine solche von Schülern. Leute, die zu größeren Zeichnungen befähigt seien, wiesen, nachdem sie von den Schülern kleine Anteilscheine der Sparkasse erworben, vielfach die Werbeversuche der städtischen Vertrauensleute mit dem Einwand zurück, sie hätten schon „gezeichnet“.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Einen Einbruchsdiebstahl hatten vor einigen Wochen fünf Burschen in einem Pelzgeschäft am Markt verübt. […] Die Ermittelung der Diebe war so rasch möglich geworden, weil einer von ihnen am Orte der Tat einen Knopf verloren hatte. Er war Pole und mußte sich täglich bei der Polizei melden, wo einer der Kriminalbeamten den Knopf gesehen hatte, den er sofort wiedererkannte.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Deutsche Vaterlandspartei hat Montag abend im Anschluß an ihre Versammlung an Generalfeldmarschall v. Hindenburg folgendes Telegramm gesandt: „Nach einer Rede des Abgeordneten Bacmeister über „Das Gebot der Stunde“ senden Mitglieder der Vaterlandspartei Euer Exzellenz aus tiefstem Herzen die freudige Versicherung unerschütterlichen Vertrauens auf ruhmreichen Sieg unter Ihrer Führung. Im Auftrage Professor Berthold Litzmann.“
Soldatenheim. Am verflossenen Sonntag konnte der erste Vorsitzende des Soldatenheims, Herr Klutmann, wieder eine große Anzahl Feldgrauer begrüßen. In markigen Worten ermahnte derselbe die Anwesenden zu unerschütterlichem Vertrauen zu unserer obersten Heeresleitung, wenn auch einmal, wie das Kriegsglück so mit sich bringe, unerwartete Rückschläge kommen und führte als Beispiel unentwegten Vertrauens in sein deutsches Volk und seine Stärke unseren alten E. M. Arndt an, welcher auch in viel schwererer Zeit den Mut nicht verloren habe. […]
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Donnerstag, 3. Oktober 1918
Nachmittags-Briefbestellungen. Infolge des früheren Eintritts der Dunkelheit beginnen vom 1. Oktober ab die zweite Orts-Briefbestellung um 3 statt um 4 und die dritte um 5½ statt um 6 Uhr.
Die Jung-Flieger-Abteilung Bonn veranstaltet am Samstag, den 5. Okt., eine Besichtigung der „Rea“ (Riesen-Flugzeug-Ersatz-Abteilung Köln). Die Vorführung verspricht äußerst interessant zu werden, da sie einen Einblick in das Leben unserer Bombenflieger gestattet. Es ist allen Personen, die sich bereits zur Abteilung gemeldet haben, aber denen die Mitgliedspapiere noch nicht zugestellt worden sind, und sämtlichen männlichen Mitgliedern des Deutschen Luftflottenvereins über 15 Jahren gestattet, an dieser Veranstaltung teilzunehmen. Die Kosten einschließlich Fahrt betragen etwa 3 M. Treffpunkt 1¾ Uhr Rheinuferbahn.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Ueber Kartoffeltransporte aus dem Landkreis Bonn schreibt man uns aus Dransdorf: Wie verlautbar wird, sollen die Bürgermeistereien im Landkreis Bonn die Kartoffeln für ihre Verbraucher von auswärts mit der Bahn erhalten, und die Kartoffeln, die hier erzeugt werden, mit der Bahn fortgeschickt werden. Man sollte doch meinen, die Herren hätten doch bessere Einsicht und ließen die hier erzeugten Kartoffeln, die für die Verbraucher nötig sind, hier. Dadurch würde jedenfalls für manchen viel Arbeit gespart und obendrein an der Bahn die Verladereien, was für die Kartoffeln von Vorteil wäre; zudem die Bahn ja immer über Wagenmangel klagt. So sollen die Verbraucher einer Bürgermeisterei ihre Kartoffeln zentnerweise am Bahnhof Duisdorf abholen. Diese Last und Jagerei nach den Kartoffeln! Warum sollen die Verbraucher dieses Jahr die ihnen zustehenden Kartoffeln nicht in die Keller erhalten wie voriges Jahr? Die Herren, die dieses anordnen, sollten mal an Stelle der kleinen Leute mit einem Handwagen ½ - 1 Stunde nach dem Bahnhof laufen und dort noch vielleicht über 1 Stunde warten, dann würden sie gewahr werden, was es heißt, als kleine Bürger in einer Bürgermeisterei zu wohnen.
(Wir bringen diese Zuschrift mit dem Wunsche zur Wiedergabe, daß den kleinen Verbrauchern auf dem Lande die Ernährungsbedingungen möglichst erleichtert werden. Die Schriftl.)
Die Krautfabriken des Vorgebirges werden im Laufe der nächsten Woche ihren Betrieb wieder beginnen. Sie werden wohl in diesem Jahre noch mehr als bisher in Anspruch genommen werden, denn Obstmarmelade kann bei der geringen Obsternte dieses Jahres im Haushalt kaum bereitet werden. Kraut darf nur aus Zuckerrüben, nicht aus Futterrüben oder Runkeln bereitet werden, und zwar darf für jede Person nur 1 Zentner Rüben verarbeitet werden. Möhren und Karotten dürfen mit zur Verwendung kommen. Aus einem Zentner Zuckerknollen gewinnt man 14 – 15 Pfund Kraut. Jeder, der Kraut kochen lassen will, muß sich auf dem Bürgermeisteramt einen Erlaubnisschein ausstellen lassen. In den Krautfabriken wird Kraut nur gegen Bezugsschein verkauft.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Godesberger Volkszeitung ist am 1. Oktober in den Besitz des Zentrumsparteisekretärs Hensen in Bonn übergegangen, der auch die Redaktion übernimmt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Godesberg“)
Freitag, 4. Oktober 1918
Nachrichten des Lebensmittelamts der Stadt Bonn.
[…]
Kartoffeln. Auf die am 1. Oktober erlassene und in den Tageszeitungen veröffentlichte Verordnung über Kartoffelverbrauchsregelung im Stadtkreise Bonn, die alles nähere über den zulässigen Verbrauch an Kartoffeln sowie über Einkellerung von Kartoffeln in den Privathaushaltungen enthält, wird auch an dieser Stelle verwiesen.
Anträge auf Abgabe der zum Einkellern für die Zeit vom 2. Dezember 1918 bis 27. April 1919 freigegebenen 165 Pfund sind unter Vorlage des Lebensmittelkartenumschlages und der Kartoffelkarten in der Zeit vom 21. bis 30. Oktober im Zimmer 7 des Lebensmittelamtes zu stellen. Der Kaufpreis muß vor der Aushändigung des Bezugsscheines bei der Kasse des Lebensmittelamtes entrichtet werden.
Gegen den Schleichhandel in Schuhen. Auf Grund einer Verordnung darf neues, bedarfscheinpflichtiges Schuhwerk nur feilgehalten, angeboten oder gegen Entgelt veräußert werden: 1. von Herstellern, die Gesellschafter einer Schuhwarenherstellungs- und Vertriebsgesellschaft sind, und zwar nach den vom Ueberwachungsausschuß der Schuhindustrie erlassenen Bestimmungen; 2. von denjenigen Schuhwarenhändlern, die auf Anweisung des Hauptverteilungsausschusses des Schuhhandels beliefert werden; 3. von Handwerkern, die eine Bodenlederkarte haben. Zuwiderhandlungen werden mit Gefängnis bis zu einem Jahr und mit Geldstrafe bis zu 15.000 Mark oder mit einer dieser Strafen bestraft. Auch kann daneben auf Einziehung der Schule erkannt werden.
Aenderung der Verordnung zum Schutze der Mieter.
Von zuständiger Seite wird uns mitgeteilt: Die Bundesrats-Verordnung zum Schutze der Mieter vom 23. Sept. 1918, die bereits mit ihrer Verkündigung in Kraft getreten ist, hat die Befugnisse der Mieteinigungsämter wesentlich erweitert. […]
Das städtische Einigungsamt für Miet- und Hypothekenangelegenheiten in Bonn bleibt, wie bisher, weiter mit der Aufgabe betraut, bei Streitigkeiten irgendwelcher Art über das Mietverhältnis und die Mietsache sowie ferner bei Streitigkeiten zwischen Hypothekengläubigern und Hypothekenschuldnern zum Zwecke eines billigen Ausgleichs der Interessen zu vermitteln. Weiter ist das Einigungsamt als Schiedsstelle zur Regelung von Streitigkeiten über Sammelheizungs- und Warmwasserversorgungsanlagen in Mieträumen bestimmt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Kolonialkrieger-Spende. Es wird erneut darauf hingewiesen, daß am Samstag, 5., und Sonntag, 6. ds. Mts., Straßensammlungen anläßlich der Opfertage für die Kolonialkriegerspende stattfinden. Ihre Exzellenz Frau Schnee, die Gattin des Gouverneurs von Deutsch-Ostafrika, hat es übernommen, über Deutsch-Ostafrikas Leben während des Krieges am Samstag, 5. ds. Mts., in der Lese zu sprechen. Die Lichtspieltheater bringen während der Opfertage einen kolonialen Trickfilm. Bei den Herren Bezirkspfarrern liegen während der Opfertage Listen zum Einzeichnen für die Spende auf.
Mitbürger! Wenn Euch am 5. und 6. Oktober ds. Js. die Sammelbüchsen entgegengestreckt werden, dann opfert Euer Scherflein auf dem Altar des Vaterlandes und spendet reichlich. Denn es gilt für eine hohe vaterländische Sache, es sollen die Leiden unserer so ehrenhaft kämpfenden Kolonialkrieger gelindert werden.
Mitteilungen der Ortskohlenstelle. Den Zentralheizungsbesitzern wird, wie früher bereits bekannt gemacht wurde, die Hälfte ihres Koksbedarfs zugeteilt werden. Von der hiernach zustehenden Koksmenge kann indes mit Rücksicht auf die geringe Zuweisung durch den Reichskommissar z. Zt. nur ein Teil geliefert werden. Es ist Anordnung getroffen worden, daß die Kohlenhändler zunächst denjenigen in den Kundenlisten eingetragenen Verbrauchern, welche keine Vorräte besitzen, vorläufig eine Fuhre im Gewichte von etwa 50 Zentner liefern.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Bonner Wehrbund. Die Jugendkompagnie tritt am Sonntag, den 6. Oktober, am Springbrunnen am Baumschuler Wäldchen nachmittags 2½ Uhr zu einer Uebung an.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Samstag, 5. Oktober 1918
Die Freie Bonner Fleischer-Innung erläßt unter den Mitgliedern der Gesellschaft für christliche Kunst in München einen Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen und Modellen für eine eiserne, an die Kriegszeit erinnernde Amtskette des Obermeisters der Innung.
Das Soldatenheim, das seit vier Jahren jeden Sonntag Unterhaltungsabende für unsere Feldgrauen veranstaltet und auch die Verwundeten in den Lazaretten durch gute Darbietungen aller Art aufheitert, wird dabei von einer großen Anzahl Damen und Herren aus der Bürgerschaft, Vereinen usw. unermüdlich unterstützt, es nimmt aber weitere Anmeldungen gern entgegen. Kunstbegabte Damen und Herren, die den Veranstaltungen noch fernstehen, können hier ein Werk echter Nächstenliebe und Dankbarkeit erfüllen, es ergeht an sie die Bitte, die Arbeit des Soldatenheims zu unterstützen. Die Feldgrauen werden ihnen Dank wissen. Anmeldungen und nähere Auskunft bei dem Ausschußmitglied L. Schroeder, Sürst 8.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Der Bonner Wochenmarkt war gestern nicht besonders gut beschickt, hauptsächlich mit Kopf- und Endiviensalat, Gemüse und Kleinzeug. Der Verkauf war durchweg flott. […] Hiesige Tomaten kommen in letzter Zeit ziemlich reichlich auf den Markt, sind aber durch die anhaltend kalte Witterung größtenteils noch grün und unreif. Obst und hiesige Zwiebeln waren auf dem ganzen Markt nicht zu haben, ebenfalls keine Kürbisse, Bohnen und kein Rotkohl, dagegen viele Pilze und große Auswahl in Blumen. Unser Großmarkt auf dem Stiftsplatz hatte auch gestern wieder sozusagen keine Zufuhren. Ebenfalls ließ beim städtischen Verkauf auf dem Wochenmarkt die Auswahl an Waren viel zu wünschen übrig; auch der Verkauf war sehr ruhig. Außer Weißkohl, wovon jede gewünschte Menge abgegeben wird, war nur Sellerie, Breitlauch und fremde Zwiebeln zu haben, das Pfund zu 60 Pfg., von letzterem wurden aber nur zwei Pfund pro Person abgegeben.
Der erste Bezirk des Sieg-Rheinischen Turngaues veranstaltet am Sonntag, 6. Okt., auf dem Exerzierplatz auf dem Venusberg ein Kriegsjugendwetturnen. Zahlreiche Anmeldungen sind hierzu ergangen. Die Jugend wird in einem Fünfkampf in volkstümlichen Uebungen zeigen, daß der Geist Jahns auch in dieser schweren Kriegszeit lebendig ist und die deutsche Turnerschaft allezeit ihre ganze Kraft einsetzt, durch die Pflege der Leibesübung die Ertüchtigung und Wehrhaftigkeit unserer Jugend zu erstreben.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Vaterlandspartei, Ortsgruppe Bonn und Umgebung. Auf Einladung des Vorstands wird Donnerstag, den 10. Oktober, abends 8¼ Uhr im großen Saal der Lese der Abgeordnete Dr. Beumer-Düsseldorf über die Kriegsziele unserer Feinde sprechen. In dieser Lebensfrage klar zu sehen, fordert der Ernst der Stunde. Dr. Beumer ist bekanntlich einer unserer erfahrensten, weitestblickenden vaterländischen Parlamentarier und dabei ein ganzer Mann, dem das Wort zu Gebote steht wie wenigen. Deshalb werden die Mitglieder der Partei dringlichst eingeladen. Auch Gäste sind herzlich willkommen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Sonntag, 6. Oktober 1918
Unsern verehrlichen dichtenden Mitarbeitern! Herzerfreulich ist für den Schriftleiter eines Blattes immer, die rege Anteilnahme, das Mitleben, Mitfühlen und vor allem Mithelfenwollen des einzelnen Lesers am gewohnten, liebgewordenen Blatte täglich neu zu erkennen. So freut es auch uns immer wieder, wenn schriftstellerische Beiträge aus dem Leserkreise eintreffen. Infolgedessen ist es uns doppelt schmerzlich, heute all unsere verehrlichen Mithelfer bitten zu müssen, von der Einsendung von Gedichten, und seien sie noch so vaterländisch, gut und kunstvoll, mit Rücksicht auf den knappen Raum bis auf weiteres absehen zu wollen. Die Schriftleitung.
Universität. Bei der gestrigen Immatrikulation sprach der Rektor, Geheimrat Zitelmann, in seiner Ansprache an die Studierenden zuerst von dem Ernst der gegenwärtigen Zeit und führte dann etwa folgendes aus: Wir stehen mitten in einer politischen Umwälzung, deren Folgen sich noch gar nicht übersehen lassen. Es ist an dieser Stelle und zu dieser Zeit nicht meines Amtes, zu den Vorgängen politisch Stellung zu nehmen und ihre Vorteile und Nachteile zu erörtern, ich spreche vielmehr jenseits von jedem Parteistandpunkt, wenn ich sage, was meines Erachtens für jeden zweifellos sein muß, welcher Partei er auch angehöre: Wehe dem Volk und dem Staat, in dem diejenigen, die durch ihren Beruf zu geistigen und sittlichen Führern des Volkes bestimmt sind, ihren Einfluß auf die Massen verlieren. […] Schon jetzt bietet sich Ihnen Gelegenheit, sich als solche künftigen Führer zu erweisen. Wie Sie wissen, ist auch außerpolitisch unsere Lage zurzeit ungünstig. Der ungeheuren Uebermacht unserer Feinde an Zahl und Material ist es gelungen, unsere Linien hier und da zurückzudrücken, und einer unserer bisherigen Verbündeten hat sich aus dem Bündnis losgemacht. Es wäre frevelhaft, sich über die Gefahr zu täuschen. Ebenso frevelhaft aber ist es und noch mehr, wenn jetzt in manchen Kreisen des Volkes die wildesten Gerüchte weitergetragen und geglaubt werden und mancher schon alles verloren sieht. Als ob das alte Wort, daß wir Deutsche Gott fürchten und sonst nichts auf der Welt, seine Wahrheit ganz verloren hätte! Das ist unwürdig; denn Mannhaftigkeit zeigt sich gerade in der Stunde der Not. Und hier ist es die Pflicht jedes Gebildeten und so auch jedes einzelnen von Ihnen, jedes Mannes und jeder Frau, daß Sie einen Mittelpunkt von Vertrauen, Zuversicht und Glauben bilden und diese auf andere ausströmen. Es verbinden geheime Fäden das Heimatland mit dem kämpfenden Heer, und auch der Kampfwille des Heeres muß erlahmen, wenn er nicht gestützt wird durch eine große Welle von gläubiger Siegeszuversicht und Siegeswillen daheim. In diesem Sinne können Sie schon heute wirken.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Bonner Stadttheater. Spielplan vom 7. bis 13. Okt.: Mittwoch (Reihe A): „Hildebrand“, Drama in drei Akten von Lilienfein. Freitag (Reihe A): „Coriolanus“.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Montag, 7. Oktober 1918
Deutsch-Ostafrikas Leben während des Krieges. Am Samstag, dem ersten der beiden Bonner Opfertage für die Kolonialkriegerspende, sprach auf Veranlassung der hiesigen Kolonialgesellschaft und des Frauenbundes der Kolonialgesellschaft die Frau des Gouverneurs von Deutsch-Ostafrika, Dr. Schnee, über das Leben in Deutsch-Ostafrika während des Krieges. Leider sprach sie mit einem stark englischen Einschlag, so daß manches Wort nur schwer verständlich war. […]
Lazarettzug K. 1. Unser Aufruf zur Zeichnung neuer Beiträge für den Betrieb des Lazarettzuges hat bei einem Teil der Bürgerschaft in dankenswerter Weise Widerhall gefunden. Aber bis jetzt ist doch nur ein kleiner Teil der für die nächsten Monate notwendigen Summe aufgebracht. Wir erneuern deshalb noch einmal unsere Bitte, weitere Mittel zu stellen. […] Die Verwundeten wurden von der 114. Fahrt in Euskirchen, Bonn, Brühl und Köln ausgeladen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
August Macke-Ausstellung. Im Obernier-Museum wurde Sonntag mittag eine August Macke-Ausstellung eröffnet. August Macke, den wir zu unseren Bonner Mitbürgern zählen durften, hat, wie viele hoffnungsvolle deutsche Talente in diesem Weltkriege, sein Leben für die deutsche Sache geopfert. Er war ein kraftvoller Könner von ausgesprochener Eigenart. Wie seine seinerzeitige Beteiligung an der Kölner Sonderbund-Ausstellung, deren führenden Kreisen er angehörte, bekundete, gehörte er zu jenen Künstlern, die unerschrocken neue Wege gingen, unbekümmert um die Zweifler und Spötter am Grabenrande. Wir werden auf die Ausstellung, die von der Gesellschaft für Literatur und Kunst dem Andenken des Künstlers gewidmet ist, der zugleich ein prächtiger liebenswürdiger Mensch war, noch näher zurückkommen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Teuerungszulage für Rentenempfänger. Die den Rentenempfängern – unter denen sich bei den heutigen Verhältnissen doch die meisten in Notlage befinden – gewährte monatliche Zulage ist bis heute noch nicht ausgezahlt worden. Die den Beamten im Staatsdienst bewilligte einmalige Teuerungszulage dagegen sofort! Weshalb verzögert man denn die Auszahlung der Zulage bei den Rentenempfängern, die doch gewiß unter der Teuerung mehr zu leiden haben wie die Beamten? Ein Rentenempfänger.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Im Gangolfhause finden von heute ab täglich Konzerte statt.
Soldatenheim. Seit nunmehr 4 Jahren veranstaltet das Bonner Soldatenheim regelmäßig Sonntags Unterhaltungs-Abende für unsere Feldgrauen. Daß diese Veranstaltungen einem wirklichen Bedürfnis entsprechen, beweist der regelmäßige und überaus starke Besuch. Für jeden Sonntag werden reichhaltige Vortragsfolgen ernsten, heiteren und auch belehrenden Inhalts gedruckt und sämtlichen Lazaretten und Kasernen zugeschickt. Selbstverständlich ist der Besuch kostenlos und ohne Trinkzwang. Zahlreiche aus dem Felde zugehende Briefe beweisen, wie sich unsere braven Krieger draußen der genossenen frohen Stunden dankbar erinnern. […]
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Dienstag, 8. Oktober 1918
Wissenschaftliche Vorträge. Heute abend 6½ Uhr beginnen die wissenschaftlichen Vorträge dieses Winters im Bürgervereinssaale mit einem Vortrage des beliebten Redners Dr. Donders aus Münster über die Wege der Zeit zu Christus. Für besinnliche Menschen redet der Weltkrieg eine eindringliche Sprache, die, richtig verstanden, zur Einkehr zwingt und zu Gott hinführt. Auf diese wohltätige Folge der erschütternden Ereignisse will der Redner näher eingehen und die neuen, aber harten Fügungen Gottes zweckentsprechend deuten und zu ihrer Beherzigung auffordern.
Das Meister-Konzert zugunsten der Hinterbliebenen gefallender Krieger, das der Reichsverein „National-Flugwehr“ am morgigen Mittwoch, abends 8 Uhr, im Bonner Bürgerverein unter Mitwirkung von Kammersänger Theodor Lattermann, Hamburg, und Kapellmeister Winternitz veranstaltet, wird ein Offizier mit einer Ansprache über die allgemeine Kriegslage, die Bedeutung der Flieger in unserem Kriege und über deren Zukunft einleiten. Der Reichsverein, der bereits 1913 gegründet worden ist und eine große Anzahl im Felde stehender Krieger ausgebildet hat, hat es sich zur Aufgabe gemacht, ein großes Fliegerheer heranzubilden, das der uns drohenden Gefahr eine wirksame Abwehr sein wird. Die Gründung vorn Ortsgruppen soll helfen, die Jugend zu tüchtigen Fliegern auszubilden. Beiträge und Stiftungen zur Förderung sind zu richten an die Deutsche Bank, Depositenkasse A, Berlin W. 8, Mauerstraße, Konto: Reichsverein „National-Flugwehr“.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
In Groß-Bonn tritt seit einigen Tagen der Kraftmensch Siegmund Breitbarth auf. Ihm merkt man gar nichts von der allgemeinen Lebensmittelknappheit an. Er sprengt Ketten, hantiert mit zentnerschweren Felsblöcken, schlägt mit der Faust Nägel in ein Brett, trägt vier erwachsene Menschen an einer 160 Pfund schweren Kugelstange, legt sich mit dem bloßen Rücken auf ein mit Nägeln bespicktes Brett, während er auf der Brust einen schweren Amboß trägt, auf den drei Männer mit Eisenhämmern schlagen. Vorzügliches leisten auch drei Kunstradfahrer und drei Fangkünstler, sowie die Tanzkünstlerin Tamara, der bekannte Humorist Willy Thiele und die Miniatur-Soubrette Lilly Walter-Schreiber.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Pilzwanderungen. Die im Auftrag des örtlichen Kriegsausschusses für Sammel- und Helferdienste unter der kundigen Führung des Rektor Emons an den letzten drei Mittwochen veranstalteten Pilzwanderungen haben regen Zuspruch gefunden. Ungefähr 150 Personen haben daran teilgenommen. Fast alle konnten ein gutes Gewicht für 8 – 10 Köpfe, manche 10 – 15 Pfund mit nach Hause nehmen. Nach einem einleitenden Vortrag über den Bau und die Arten der Pilze, sowie Mahnung zum schonenden Sammeln zerstreuten sich die Teilnehmer im Walde, um sich nach 1 bis 2 Stunden an dem vereinbarten Treffpunkt wieder zu sammeln. Unter Aufsicht und mit Hilfe des Führers konnte jeder sein Sammelergebnis sichten. Es folgte dann noch eine Aussprache über Putzen, Kochen, Würzen und Trocknen der Pilze. Da die Witterung für das Sammeln der Pilze sehr günstig ist, möge hier nochmals darauf hingewiesen werden, daß am nächsten Mittwoch, d. 9. ds. Mts, mit der letzten diesjährigen Pilzwanderung nochmals Gelegenheit geboten wird, sich ein nahrhaftes und wohlschmeckendes Pilzgericht zu sammeln, in der heutigen fleischarmen Zeit eine besonders willkommene Beihülfe zur Ernährung. Die städtische Pilzbestimmungsstelle auf der Franziskanerstraße 1a bleibt auf vielseitigen Wunsch noch bis Mitte Oktober geöffnet. [...]
Zur 9. Kriegsanleihe. Aus Werbebriefen von Schülerinnen an ihre Eltern: „M., den 28.9.1918. Meine lieben Eltern! Mein Brief kommt diesmal mit einer wichtigen Bitte. Heute morgen hörten wir in einem kleinen Vortrage, daß Deutschland unbedingt Kriegsanleihe zeichnen müsse. Wir dürfen jetzt nicht den Mut verlieren bei dem Rückschlage an der Front. Seit vier Jahren stehen wir in Feindesland, und doch hat der Feind nicht den Mut verloren. Wir dürfen also auch den Mut nicht sinken lassen, jetzt, wo es drauf und dran geht. Wenn wir jetzt auf die Knie gezwungen werden, dann werden wir uns so bald nicht erheben, denn der Feind wird uns wie Sklaven behandeln. In Rumänien hat er seinem Verbündeten die Petroleumquellen vernichtet, Städte, Brücken und Eisenbahnen zerstört, wie soll es dann uns gehen? Jetzt lauert der Feind, ob wir noch nicht müde sind zu zeichnen. Wehe Deutschland wenn es zagt! Schon um unserer Ehre willen müssen wir dem Vaterlande zur Seite stehen, denn Schiller sagt: „Nichtswürdig ist die Nation, die nicht ihr alles freudig setzt an ihre Ehre.“ – Unsere Schule hat bis jetzt 153.000 Mark für Kriegsanleihe aufgebracht, so daß wir von der Regierung öffentlich belobigt wurden. Ich hoffe also, liebe Eltern, bald Nachricht von Euch zu erhalten, daß ich zeichnen darf. Mit Spannung warten alle Kinder auf die Post von ihren Eltern. Empfangt die besten Grüße von Eurer dankbaren Gertrud.“
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Mittwoch, 9. Oktober 1918
Zur Beschaffung von Weihnachtsgaben für die Truppen hat die Stadt Bonn wieder, wie im Vorjahre, etwa 85.000 M. aufzubringen. 45.000 M. soll davon die Stadtverordnetenversammlung bewilligen, der Rest soll durch die Vaterländischen Vereinigungen und den Vaterländischen Frauenverein aufgebracht werden.
Für Weihnachtsgaben an die zum Heeresdienst einberufenen städtischen Beamten, Angestellten und Arbeiter sollen die Stadtverordneten 4500 M. bewilligen.
Für den Bonner Lazarettzug 5000 M. zu bewilligen, wird infolge einer Bitte des Stiftungsausschusses des Zuges den Stadtverordneten in ihrem Finanzausschuß vorgeschlagen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Personenstandsaufnahme. Wie alljährlich, findet am 15. Okt. die Aufnahme des Personenstandes von Haus zu Haus statt. Die gewissenhafte Ausfüllung der Hauslisten A und B ist dringend geboten; unrichtige und unvollständige Angaben können mit Geldstrafen bis zu 300 Mk. belegt werden. Besonders zu beachten ist, daß bei allen Personen, die über 14 Jahre alt sind, der Stand und gegebenenfalls die Arbeitsstelle anzugeben ist. Bei den infolge der Mobilmachung zum Heeresdienste einberufenen Personen empfiehlt sich die Angabe des Dienstgrades, des Truppenteils und des Zeitpunktes der Einberufung, da diese Angaben dazu dienen, die Außerhebungsetzung der Einkommenssteuer zu bewirken. Hierdurch werden viele Rückfragen und unnötige Zustellungen von Steuerzetteln vermieden. Es liegt im eigensten Interesse eines jeden Bürgers, den mit der Personenstandsaufnahme betrauten Personen in möglichster Weise entgegenzukommen und die erforderlichen Angaben bereitwilligst und eingehend zu machen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Fliegeralarmvorrichtung, die, nebenbei bemerkt, vorbildlich für andere Städte geworden ist. erfordert jährlich 1654 Mark laufende Kosten, um deren Bewilligung die Stadtverordneten durch die Finanzkommission gebeten werden.
Die Miesmacher sind gegenwärtig wieder eifrig am arbeiten, und die augenblicklich sehr ernste Lage gibt ihnen scheinbar Nahrung. Nichts aber ist verkehrter, als auf solche Flaumacher zu hören, da es gilt, den Kopf hochzuhalten. Viele werden ungeduldig, weil unsere Feinde noch keine Antwort auf unsere Friedensnote gegeben haben, und doch ist gerade der Umstand, daß die Antwort möglichst überlegt wird, der beste Grund zum Glauben, unsere Gegner würden sich den gemachten Angeboten nicht verschließen. Unverzeihlich freilich ist es, wenn Leute, die das Vertrauen ihrer Mitbürger genießen, hingehen und über unsere Heerführer unwahre Erzählungen verbreiten. Derartiges Verhalten kann nicht scharf genug gerügt werden. Auf jeden Fall soll man sich nicht durch törichte Redereien beirren lassen. Wir dürfen immer noch Vertrauen haben und ungebeugten Mutes sein.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Donnerstag, 10. Oktober 1918
Stimmungen. Stimmungen sind Wechselerscheinungen, Schwankungen des Gemütes, Hebungen und Senkungen der Gefühle. Jeder Mensch ist Lust- und Unlustgefühlen unterworfen, völlige Gleichgültigkeit den Dingen und Erscheinungen gegenüber bewahrt keiner. Aber der eine läßt sich mehr von Gefühlen beeinflussen wie der andere. Und der Starke steht fester im Wellenschlage des täglichen Lebens als der Schwache. Wer sich beherrschen gelernt, ist der Meister der Gefühle. Wie wenig innerlich Starke unter uns leben, zeigt die heutige Stimmung oder besser das weite Gerede von der schlechten Stimmung im deutschen Volke. – Was ist geschehen? Ein sieggewohntes Geschlecht erlebt es, daß sein unvergleichliches, stets und überall vordrängendes Heer aus wohlerwogenen Gründen seiner großen Feldherren zurückgeht aus eigenem Willen und auf eigenen Wagen, daß eine friedliebende Regierung hasserfüllten Feinden die Friedenshand bietet, und die Folge: in der gesicherten Heimat, fern von aller Kriegsgefahr und wohlgehütet von Not und Sorgen – hat man keine Stimmung. Kleinmütig sitzt man und klagt und was das Schlimmste ist: die Stimmung wirkt auf den Erfolg der Kriegsanleihe. Das ist töricht, das ist Selbstbetrug. Wir können und dürfen uns bei der Erfüllung unserer Pflicht gegen das Vaterland nicht von Stimmungen leiten lassen; denn wenn wir jetzt bei „gedrückter Stimmung“ die Zeit der Kriegsanleihe versäumen, so läßt sich dies niemals weder in bösen noch in guten Tagen auch bei „gehobener Stimmung“ wieder gutmachen. Notwendigkeiten fordern jetzt von uns, Notwendigkeiten bestimmen jetzt unser ganzes Denken und Handeln, und Notwendigkeiten allein rufen uns zum Zeichnen auf die 9. Kriegsanleihe. Die Notwendigkeit der Erhaltung unserer Freiheit und Würde mahnt uns zur Pflichterfüllung gegenüber dieser Kriegsanleihe mehr als je, und Stimmungen führen zur Knechtschaft und Untergang, das möge sich jeder merken.
Gaben für deutsche Gefangene in England. Wie uns mitgeteilt wird, können Angehörige von Kriegs- und Zivilpersonen in England durch Vermittlung der Städtischen Zentralstelle für Auskunftserteilung und Hilfe jeder Art während der Kriegszeit, Bonn, Franziskanerstraße 8, Erdgeschoß, auch in diesem Jahre je ein Weihnachtspaket in Auftrag geben. Die Anträge hierzu müssen längstens Dienstag, 15. Oktober, mündlich gestellt werden.
Auch die Runkelrüben werden jetzt öffentlich bewirtschaftet. Das ist nötig, um den außerordentlich starken Heeresbedarf an getrockneten Runkelrüben zu decken und um der Kaffeeersatzindustrie geeignete Rohstoffe zur Verfügung zu stellen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Die Sicherheit der Kriegsanleihe unantastbar. Es wird bald eine Erklärung erscheinen, wonach Reichsregierung und Reichstag für die Sicherheit der Kriegsanleihen die Verantwortung übernehmen. Regierung und Reichstag erklären, daß die Sicherheit der Reichsanleihen unantastbar ist. Bei allen Steuern, die kommen, werden die Kriegsanleihen nie ungünstiger gestellt werden als andere Vermögenswerte. Diese Erklärung ist von allen Parteiführern unterschrieben.
Es soll mit dieser Erklärung nicht gesagt werden, daß niemand Kriegsanleihe zeichnet. Im Gegenteil, der Stand der 9. Kriegsanleihe ist ausgezeichnet und wird mindestens den Ertrag der 8. erreichen. Aber es soll gerade dem Ausland gegenüber die völlige Sicherheit der finanziellen Stärke des deutschen Staates betont werden. Uns zum Nutz, ihm zum Trutz!
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Das Soldatenheim stand am vergangenen Sonntag unter der bewährten Leitung seines ersten Vorsitzenden Herrn Klutmann. Getragen von dem Wunsche, daß die eingeleiteten Friedensangebote uns bald den ersehnten Frieden bringen möchten, begrüßte Herr Klutmann die erschienenen Feldgrauen, sie mahnend, zu unserer Heeresleitung sowohl, wie auch zu unserem neuen Ministerium das vollste Zutrauen zu hegen und vor wie nach treu zu Kaiser und Reich zu stehen [...]
Auch euren Spaten, ihr Landleute! (Von Felix Joseph Klein, Bonn) „Uns kann keiner etwas, ob wir deutsch oder französisch sind, unsere Aecker, unsere Felder bleiben dieselben. Wir wollen schon, wenn wir nur Frieden, nur Ruhe haben, mit unserem Spaten der Erde abringen, was wir zum Leben notwendig haben!“ Ein frivoles, ein törichtes Wort, käme es wirklich aus eurem Munde, wäre nicht der feindliche Agent sein Souffleur. – Ihr, deutsche Landleute, wolltet es euch zu eigen machen? Glaubt ihr, der Feind habe keinen Gefallen an eurem Spaten, eurer Arbeit? Er ließe euch wirtschaften, wie es euch gefällt? Denkt ihr nicht daran, daß er auch euch auf dem Boden, den ihr jetzt noch euer Eigen nennt, als seine Sklaven Frondienste leisten lassen würde, wenn er Herr des Landes wäre? Ihr antwortet. „Bangemachen gilt nicht.“ Sehr schön,, wenn ihr felsenfest vertraut, daß Deutschland unüberwindlich, und in frischer Luft kühlen Kopf bewahrt. Aber das müsst ihr euch auch sagen: Nie starren so viele Augen aus allen Ländern auf ein einzig Volk wie jetzt auf uns, ob es einig und stark, klug genug, jede Kraft zum Gelingen des großen inneren Werkes aufzubieten. Bejaht mit mehr als reichlicher Kriegsanleihezeichnung diese Frage, verbietet mit ihr dem Feind den Eintritt in unser Land, erwerbt mit dem Zeichenschein besten Berechtigungsschein zur Teilnahme an Deutschlands Zukunft, auf die wir alle hoffen. Mehr als je hat der Trierische Genossenschaftsverband gegenwärtig Kriegsanleihe gezeichnet. Erhebende Volkszeichnungen – diese zahllosen Zeichnungen aus kleinsten bäuerlichen Betrieben und Kleingewerbebetrieben. Wollt ihr hinanstehen, abwarten? Wie lange noch?
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Freitag, 11. Oktober 1918
Abgesagte Tagungen. Mit Rücksicht auf die schicksalsschweren Entscheidungen, die in diesen Tagen fallen, haben verschiedene evangelische Verbände ihre für nächste Woche angesetzten Tagungen abgesagt. Der Gustav Adolf-Verein hat seine nach Berlin auf den 14. und 15. Oktober einberufene 5. Kriegstagung auf unbestimmte Zeit verschoben. Ebenfalls abgesagt hat der Evangelische Pressverband für Deutschland seine für die gleichen Tage in Leipzig vorgesehenen Versammlungen. Der Deutsche Protestanten-Verein verlegt seine ursprünglich für den 16. Oktober ausgeschriebene Tagung auf den 27. November.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Die neuen Lebensmittelkarten
für die Zeit vom 21. Oktober 1918 bis 9. Februar 1919 und die Reichsseifenkarte für die Monate Februar bis Juli 1919 werden in den nächsten Tagen durch die Bezirksverwalter den Hausständen zugestellt. Die Umschläge der Lebensmittelkarten sind bereitzuhalten und den Bezirksverwaltern auf Verlangen auszuhändigen.
Die alten Lebensmittelkarten verlieren mit dem 20 Oktober 1918 ihre Gültigkeit und sind zu vernichten, jedoch bleiben die Zusatzwarenkarten für Schwer- und Schwerstarbeiter weiter bestehen.
Die neuen Lebensmittelkarten sind nur gültig, wenn sie den Stempel „Lebensmittelamt Stadt Bonn Abt. VIII“ tragen.
[...]
Fleisch.
Am Samstag werden in den Metzgergeschäften Rindfleisch, Kalbfleisch, Leberwurst und Blutwurst verkauft. Für jede Person werden 150 Gramm, an Kinder unter 6 Jahren 75 Gramm Fleisch einschließlich Wurst verteilt.
Fett.
Auf die Abschnitte Butter und Fett der Speisefettkarte werden in der kommenden Woche 50 Gramm Butter ausgegeben.
Einkellerung von Kartoffeln.
Bürger, die Kartoffeln zum Einkellern wünschen, müssen sofort nach Empfang der neuen Lebensmittelkarten unter Vorlage des Lebensmittelkartenumschlages und der neuen Kartoffelkarten die Einkellerung im Zimmer 7 des Lebensmittelamtes beantragen.
Der Kaufpreis für die Kartoffeln ist bei der Bestellung der Kartoffeln mitzubringen.[...]
Der Preis beträgt:
a) für Kartoffeln, welche die Besteller in eigenen Säcken am Lager Schlachthof selbst abholen, 9,50 Mk.,
b) für Kartoffeln, welche dem Besteller frei Keller angefahren werden, 11,50 Mk.
für den Zentner. [...]
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Nachrichten des Städtischen Lebensmittel-Amtes.“)
Wiederverwendung gebrauchter Briefumschläge. Das Reichspostamt hat im Hinblick auf die Knappheit der Briefumschläge jetzt erlaubt, gewöhnliche Briefsendungen zu befördern, auf deren Umschlägen die erste Aufschrift durch eine neue ersetzt ist. Die alte Aufschrift muß sorgfältig durchkreuzt oder durchstrichen sein. Die zweite Aufschrift muß deutlich und so eingerichtet werden, daß die Stempelabdrücke, postdienliche Vermerke und fReimarken nicht beeinträchtigt werden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Samstag,12. Oktober 1918
Die Städtische Sparkasse Bonn zeichnete auf die neunte Kriegsanleihe zehn Millionen Mark. Die Gesamtzeichnungen auf alle Kriegsanleihen betragen hiernach 60 Millionen Mark.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Handwerkslehrlinge im letzten Lehrjahre, die wegen Einziehung zum Kriegsdienst die Lehre vorzeitig abbrechen müssen, sollten sich rechtzeitig vorher zur Gesellenprüfung melden, da ihre Zulassung in der Regel erfolgen kann und sie sich durch die Gesellenprüfung für später einen nicht zu unterschätzenden Vorteil sichern. Die Lehrherren haben die moralische Pflicht, ihre Lehrlinge zu beraten und sie im gegebenen Falle zur vorzeitigen Prüfung anzuhalten.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Einschränkungen im Bahnverkehr. Auch im kommenden Winter wird sich bei der Eisenbahnverwaltung der Kohlenmangel bemerkbar machen. Deshalb werden erforderlichenfalls die Speisewagen aus solchen Zügen fortfallen, die während der Tagesstunden verkehren, in denen die Einnahme einer Hauptmahlzeit nicht unbedingt erforderlich ist. Während des Sommers sind Züge wieder eingeführt worden, die im vorigen Winter ausgefallen waren. Ein Teil dieser Züge, hauptsächlich Personenzüge, die vorher nur an Wochentagen verkehrten, im Sommer aber auch an Sonntagen gefahren wurden, soll, wenn die Betriebslage es erfordert, wieder an Sonntagen fortfallen. Der Schnellzugverkehr soll erst in letzter Linie Einschränkungen erfahren.
Gegen den Preiswucher mit Schuhwerk. Um dem Preiswucher mit Lederschuhwerk entgegenzutreten, veröffentlicht die Reichsstelle für Schuhversorgung die Preise, an die sich die Verkäufer halten müssen. Diese betragne bis auf weiteres für fabrikmäßig hergestellte Schuhwaren mit dem Stempel „September 1918“ oder dem eines späteren Monats bei bester Ausführung, auf Rahmen genäht, für Herrenstiefel höchstens 48 Mark, für Damenstiefel höchstens 44 Mark und für Damenhalbschuhe 38 Mark. Für mittlere und geringere Fabrikate sind die Preise erheblich geringer, [...] Die Preise müssen den Schuhwaren auf der Sohle oder im Schaftfutter aufgestempelt sein. Fehlt dieser Stempel, so ist er unrechtmäßig entfernt, zeigt er einen höheren Preis als nach den obengemachten Angaben möglich erscheint, so ist der Stempel gefälscht. Wer Stempel unkenntlich macht oder fälscht, oder Schuhe zu einem höheren als dem festgesetzten Preise verkauft oder anbietet, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 10.000 Mark, ferner mit Einziehung der Ware bestraft. Außerdem ist die Schließung des Geschäfts zu gewärtigen. – Bleibt nur die Doktorfrage, wo überhaupt noch im offenen reellen Handel Lederschuhwerk erhältlich ist.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Weg mit dem Kleinmut!
Gewaltiges Ringen tobt im Westen. Fast an der ganzen Front vom Meer bis zu den Vogesen wird mit beispielsloser Erbitterung gekämpft. Franzosen, Engländer, Amerikaner, farbige Hilfsvölker stürmen gegen unsere Linien an. Der Generalissimus der Alliierten will die Entscheidung erzwingen. Er wirft alle Kräfte, über die er verfügt, ins Feuer. Mit einem ungeheuren Aufwand an Kriegsgerät und Material aller Art läßt er seine Armeen anrennen. Es liegt in der Natur der Sache, daß solch machtvolle Angriffe in starrer Verteidigung nicht abgewehrt werden können. Aber die deutschen Streiter harren aus, so hart und furchtbar die Aufgabe auch sein mag, deren Bewältigung von ihnen gefordert wird. Unsere Gedanken, unser Wünschen und Hoffen ist unablässig bei ihnen. Und das muß so sein und bleiben! Wir dürfen die Kämpfenden nicht ohne die starke Rückendeckung des Vertrauens lassen, das wir ihnen entgegenbringen. Wohin sollte es führen, was wäre gewonnen, wenn wir dem Kleinmut hingäben und verzagten? Gerade jetzt muß sich unsere Zuversicht bewähren. In den hellen Tagen der Siege ist es leicht, auszuharren und auszudauern. Schweres, Hartes wird von Heer und Heimat verlangt. Aber wer auf dem Boden der Wirklichkeit geblieben ist, den kann es nicht überraschen, daß der gewaltige Generalangriff der Alliierten fast auf allen Fronten zur Auslösung gekommen ist. Jetzt heißt es, auf die Zähne beißen. In dem heißesten Feuer muß sich die dem Vaterland gelobte Treue bewähren. Bedenkt jeder, was auf dem Spiele steht, hält sich jeder vor Augen, daß die Freiheit und Bestand der Heimat, daß die Zukunft der kommenden Geschlechter gesichert oder untergeht und gefährdet sein werden, je nach dem wir bestehen oder unterliegen; so kann es niemand schwer fallen, treu und nach besten Kräften die Pflicht zu tun, des Kleinmuts Meister zu werden.
(Volksmund, Rubrik „Bonner Angelegenheiten“)
Sonntag, 13. Oktober 1918
„Wer ist so feig, der könnte, der jetzt noch könnte zagen?“ denken mit Recht die Anwohner des Mauspfads, rühmlich bekannt von früheren Gelegenheiten als besondere Vaterlandsfreunde, und haben schon in der zweiten Werbewoche auf die neunte Kriegsanleihe weit mehr gezeichnet als auf die letzte im ganzen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Ist Hamstern wahre Vorsicht?
Die Front der deutschen Truppen ist aus strategischen Rücksichten stellenweise zurückgenommen worden, und die Feinde versuchen weiteres Zurückdrängen so lange es die Jahreszeit noch gestattet. Unsere feldgrauen Helden erschweren ihnen das jedoch mit allen Kräften. Immerhin mag nahe an der Kampfzone wohnenden Deutsche, z. B. solchen an einzelnen Stellen der lothringischen Grenze, der Gedanke gekommen sein, Vorkehrungen zu treffen für den Fall, daß das Kampfgebiet auf sie zurücken sollte. Daß sich solche Leute für den Plan etwaigen zeitweiligen Aufgebens ihrer bisherigen Heimstätte auch bares Geld bereitlegen, ist einigermaßen erklärlich. Dennoch wäre es richtiger, daß auch diese Deutschen weiter im Binnenlande sich Guthaben bei der Sparkasse oder Bank sicherten und nur etwas Reisegeld in bar behielten.
Trauriges Verkennen des eigenen Interesses und feiges Verhalten läge aber vor, wenn man jetzt sogar anderwärts in der Heimat das Ansammeln von viel barem Geld als größte Weisheit ansähe. Barvermögen behütet man unbedingt am sichersten, schützt es vor Diebstahl und Schaden durch Brand usw., wenn man es nicht im eigenen Heim behält, sondern wirklich vertrauenswürdigen Stellen zum Verwahren und Verwalten übergibt. Dies sind öffentliche Sparkassen, gute Banken (auch die Post mit ihren Postscheckrechnungen) usw.
Die August Macke-Ausstellung im Obernier-Museum vermittelt einen guten Ueberblick über das Schaffen des so früh als Opfer des Krieges dahingeschiedenen Künstlers, den wir zu den Unsrigen zählen durften, weil er schon seit den Kinderjahren in Bonn gelebt hat. Eine lyrisch-dekorative Richtung mit gelegentlichen Zugeständnissen an den Impressionismus beherrscht seine Anfänge; wahrscheinlich hat ihm die erste Reise nach Paris 1907 die entscheidenden Anregungen gebracht. Damals begann das Problem der Farbenzerlegung im Sinne des Neo-Impressionismus ihn zu erregen. Später nahm der Kubismus ihn in seinen Bann, freilich, ohne ihn dauernd zu fesseln. Das Liebespaar im Walde von 1912 (Nr. 3) und das Schaufensterbild von 1913 (Nr. 68) gehören in diese Zeit. Bald machte er sich auch hiervon frei, aber es bleibt als Nachwirkung eine bewusste Vereinfachung der Form. Sein eigentliches Lebenselement ist jedoch von Anfang an die Farbe. Hell von der Sonne beleuchtete Gestalten badender Mädchen erscheinen neben tief beschatteten Figuren, sehr suggestiv wirkend, aber durchaus unplastisch empfunden (Nr. 7). Die schönsten Werke entstammen fast durchweg den Jahren 1912 bis 1914, der letzten Schaffenszeit Mackes, die mit Recht besonders reich auf der gegenwärtigen Ausstellung vertreten ist. Als Höhepunkte möchten wir herausheben das träumerische Rokokobild (Nr. 23), das große Triptychon aus dem Zoologischen Garten (Nr. 6), das Haus im Park (Nr. 38). Reiseeindrücke und Dinge des Alltags weiß er durch geheimnisvoll wirkende Beleuchtung und durch Stilisierung der Umgebung aus dem vertrauten Kreise des Beschauers in fremde, ferne Sphären zu entrücken, mit dem poetischen Zauber des Unbekannten zu umkleiden. Fast alle diese Bilder sind von einer nicht definierbaren, verträumten Stimmung erfüllt. Die Geschehnisse vollziehen sich zeitlos, jenseits von Ort und Raum; wir werden in einem gewissen Abstand von den Dingen gehalten. Am nächsten vielleicht bleibt Macke der Natur in seinen Bildern aus Tegernsee von 1910 (Nr. 27, 36, 41,72) und in den leuchtenden Blumenstücken. Wie in den Figurenbildern die Menscheneins sind mit der Umgebung, so wird auch in den Landschaften der gleiche Einklang mit den Lebewesen angestrebt. Die Menschen stehen gleichsam im Banne der sie umgebenden Natur. Von der Vielseitigkeit der Begabung Mackes zeugen die ausgestellten Wandteppiche und Stickereien, wie die plastischen und keramischen Arbeiten. Ohne Zweifel ist durch den frühen Tod dieses jungen Meisters eine der schönsten Hoffnungen der neuen Kunst vernichtet worden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Ansprache an die Bürgerschaft.
Vor Eintritt in die Tagesordnung der gestrigen Stadtverordnetensitzung richtete Oberbürgermeister Spiritus an die Versammlung folgende Ansprache: „Die Tagesordnung, die ich Ihnen heute vorlege, gibt ein Bild der großen Aufgaben, mit denen diese Stadtverordneten-Versammlung sich in dieser schweren Zeit zu befassen hat. Unter anderem werden Sie gebeten, Mittel zu bewilligen, um unseren heldenmütigen Kriegern, auf die wir mit heißem Danke und unerschütterlichem Vertrauen blicken, die Grüße der Heimat zum Weihnachtsfeste zu bringen. Für die segensreiche Einrichtung des Bonner Lazarettzuges wird eine weitere Zuwendung gesucht. Die auf allen Gebieten der Lebenshaltung bestehende große Teuerung erfordert dringend, daß den städtischen Beamten, Angestellten, Lehrern und Arbeitern abermals erhebliche Zulagen gewährt werden. Wichtige Fragen der Lebensmittelversorgung und der städtischen Kriegsküchen werden Ihrer Entscheidung unterbreitet. Ich weiß, daß die Stadtverordneten-Versammlung dieser Tagesordnung mit Verständnis und Wohlwollen gegenübertreten wird und daß ihre Beschlüsse gefaßt werden in Liebe zum Vaterlande und mit der Einmütigkeit, die Sie, meine Herren Stadtverordneten, in wichtigen Fragen während des Krieges stets bekundet haben.
Vaterlandsliebe und Einigkeit sind aber im gegenwärtigen Augenblicke für alle Bürger der Stadt mehr wie je von nöten. (Bravo.) Ungemein ernst ist die Zeit. Nur engster Zusammenschluß aller, Unterdrückung unnötigen Kleinmuts und unangebrachter Verzagtheit, Vertrauen zu unserem tapferen Heere und feste Entschlossenheit zum Durchhalten können uns über diese Zeit hinwegbringen. (Bravo.) Gern hätte ich bei der geplanten vaterländischen Versammlung in diesem Sinne Worte an die Bürgerschaft gerichtet, aber wegen der Erkrankung der für den Abend gewonnenen Redner, der Herren Dr. Jörg und Rudolf Herzog, kann leider die Veranstaltung am Dienstag nicht stattfinden. Ich wende mich daher von dieser Stelle aus an meine Mitbürger in der sicheren Hoffnung, daß die Tage spannungsvoller Erwartung, und was nach ihnen auch kommen mag, in Bonn eine Bürgerschaft finden, die fest entschlossen ist, in Zuversicht und Stärke alles Denken und Handeln einzusetzen für das Vaterland. (Bravo.)
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Montag, 14. Oktober 1918
Die evangelische Gemeinde versammelte sich gestern abend in gewaltiger Zahl in der Kirche am Kaiserplatz zu einem Volksgottesdienst, zu dem die gegenwärtige politische und militärische Lage die Veranlassung gegeben hatte. Alle fünf Pfarrer der Gemeinde wirkten mit. Einleitend wurde betont, es solle denen, die an der Spitze unseres Volkes stehen, gezeigt werden, daß ein einiges Volk hinter ihnen stehe. In drei Kanzelansprachen wurden die Aufgaben „Unsere deutsche Not“, „Unser deutsches Recht“ und „Unser deutscher Glaube“ in dem Sinne behandelt, daß Deutschland unbesiegt sei und keinen schmachvollen Frieden zu schließen brauche. Im Anschluß daran gelobte die Gemeinde in feierlicher Form, „zu stehen zu deutscher Ehr und Pflicht, zu unserem Volk in Not und Tod, zu Gott und seinem Gebot und seiner Verheißung in Treu und Glauben“. Der eindrucksvolle Gottesdienst schloß mit dem gemeinsamen Gesange des Lutherliedes „Ein’ feste Burg ist unser Gott“, wobei die Glocken der Kirche läuteten.
Die fleischlosen Wochen. In den „Mitteilungen aus dem Kriegsernährungsamt“ wird gesagt: Da das Ergebnis der letzten Viehzählung gezeigt hat, daß bei stärkeren Eingriffen in den Rindviehbestand, der bis auf weiteres die Last der Fleischversorgung nahezu allein zu tragen haben wird, Gefahr für die künftige Fleisch-, Milch- und Fettversorgung bestehen würde, bleibt größte Sparsamkeit im Fleischverbrauch geboten. Die fleischlosen Wochen sollen daher auch für die Monate November, Dezember und Januar beibehalten werden, doch ist mit Rücksicht auf die Weihnachtsfeiertage ihre Zahl auf drei, d. h. je eine im Monat herabgesetzt worden. Sie entfallen auf die Wochen 18. bis 24. November, 16. bis 22. Dezember und 6. bis 12. Januar. Für rechtzeitige Fleischausgabe für die Weihnachtsfeiertage soll gesorgt werden. Die Zulagen für Kranke und Schwerarbeiter werden auch in den fleischlosen Wochen weiter gewährt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Man schreibt uns: An allen Bahnhöfen und Haltestellen entwickelt sich augenblicklich ein flotter Güterverkehr. An landwirtschaftlichen Produkten wird weit mehr verladen, wie sonst das ganze Jahr hindurch. Große Mengen Weiß- und Rotkohl, sowie Wirsing, Rüben, Knollensellerie und Karotten werden angefahren und lose in die Eisenbahnwagen verladen. Daneben werden die ersten Zuckerrüben zur Verarbeitung in die Zuckerfabriken in Brühl, Dormagen und Euskirchen eingeliefert und die von dort eintreffenden Preßlinge und Rückstände als geschätzte Futtermittel in Empfang genommen. Auch mit Körnerfrüchten der verschiedensten Art werden noch immer einzelne Wagen beladen. Im Laufe dieses Monats sollen für Gemeinden, Vereine und Genossenschaften Briketts und im November Steinkohlen für den Winterbedarf mit der Rheinuferbahn eintreffen. Kartoffeln zum Einkellern und zur nächsten Saatbestellung sind bisher nicht eingelaufen.
Konzert. Schön und eindrucksvolle gestaltete sich das gestrige Konzert im Stadttheater zu Ehren Hindenburgs und Ludendorffs, dessen Reinertrag den Hinterbliebenen der im Kriege gefallenen Bonnern zufließt. [...]
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Warnung. Trotz wiederholten Warnungen und Belehrungen läßt es die Bevölkerung immer noch an der nötigen Vorsicht beim Auffinden von Blindgängern und Zündern von Fliegerbomben und Abwehrgeschossen fehlen. Jede unsachgemäße Berührung kann den Blindgänger und scharfen Zünder zur Entladung bringen. So wurden in den letzten Tagen einem Manne, der einen Blindgänger aufhob, durch das infolgedessen platzende Geschoß beide Arme und Beine abgerissen. Ebenso ist die größte Zurückhaltung geboten bei der Besichtigung neidergegangener oder abgeschossener Flugzeuge: Nichts anrühren; Fort mit brennenden Zigarren oder Pfeifen wegen der durch etwas auslaufendes Benzin bestehenden großen Feuergefahr. Vor einigen Tagen ereignete sich ein großes Unglück dadurch, daß die hinzuströmende Landbevölkerung ein abgeschossenes, halbverbranntes Flugzeug untersuchte und zum Teil bestieg. Eine Bombe, die sich noch im Flugzeug befand, platzte plötzlich und tötete 13 Personen und verletzte über 20 meist schwer. Am gleichen Tage kletterte ein Knabe in ein an anderer Stelle abgestürztes Flugzeug und machte sich am Maschinengewehr zu schaffen. Die Waffe entlud sich und tötete ein Kind. Pflicht der Eltern und Schulen ist es, immer wieder die Kinder nachdrücklich auf die großen Gefahren der Neugierde hinzuweisen. Jedermann bedenke, daß er durch leichtsinnige Handlungen nicht nur sich selbst, sondern auch Andere ins Verderben stürzen kann.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Dienstag, 15. Oktober 1918
Gesellschaft für Literatur und Kunst. Ausstellung „August Macke“ im Oberniermuseum. „Es lag im großen Plane der Schöpfung, daß sie untergingen. Auch die übrige Menschheit trägt keine Schuld an ihrem Verlust.“ Diese Worte Hermann Grimms über zu früh verstorbene Große der Kunst fallen einem unwillkürlich ein, wenn man den künstlerischen Nachlaß August Mackes, der in der 68. Ausstellung der Gesellschaft für Literatur und Kunst zusammengestellt ist, betrachtet. Macke war ein Universalgeist auf seinem Gebiet. So finden wir unter den ausgestellten Werken seiner Hand Gemälde in Oel, Aquarelle, Pastelle, Zeichnungen in Farbstift, Kohle, Aquatinta; außerdem Plastiken, Keramik, Stickereien und Teppiche. An seinen Gemälden ist vor allem die Farbenfreudigkeit, das Schwelgen in Farbtönen hervorzuheben. Diese Buntheit und Mannigfaltigkeit der Farben sowie die eigenartige kubistische Auffassung hauchen den Bildern ein höchst pulsierendes Leben ein. Aus der reichen Fülle des Gebotenen können wir natürlich nur einzelnes hervorheben. Eine Hauptregel beim Anschauen der Gemälde Mackes möchten wir darin sehen, daß man sie nur bei guter Beleuchtung und aus einer angemessenen Entfernung auf sich wirken lassen darf. Grade hierdurch kommt z. B. sein „Seiltänzer“, zu dem wir auch einigen Vorstudien begegnen, zur vollen Geltung. Flächenwirkung ist es, was Macke erstrebt. Bevorzugte Farben sind blau, rot und grün, die teils Wärme, teils Empfindung ausstrahlen. Zu nennen wären hier vor allem seine „Vier Mädchen“, zu denen wir ein kleines Gegenstück als Stickerei vorfinden, die uns in Linienfluß und Farbenwirkung den Unterschied des Materials sichtlich vor Augen führt. Bewundernswert ist es auch, wie Macke gelegentlich neben der Farbenwirkung die des Lichtes behandelt. So weist z. B. sein „Haus im Park“ fast märchenhafte Beleuchtungseffekte auf. In den „Frauen vor dem Hutladen“ treffen wir auf eine andere Note des Künstlers. Dieses Bild mutet im Gegensatz zu den meisten anderen mehr luftig, gracil, geradezu gotisch an. Bei seinem Bildchen „Türkisches Café“ weiß man nicht, was man mehr bewundern soll, die beinahe banale Einfachheit in der Komposition oder in der Farbengebung. Der „Wallberg bei Tegernsee“ zeigt uns Macke auch als hervorragenden Landschaftsmaler, während das „Bildnis seiner Frau“ den Künstler als plastisch gestaltenden und tief empfindenden Porträtmaler dartut. Dies beweisen auch die allerliebsten Kinderbildnisse. Aus der Fülle des Gebotenen möchten wir schließlich noch „Lesende Frau“, „Beschneites Bäumchen“, „Viktoriabrücke“ hervorheben. – in den ausgestellten Stickereien tritt uns namentlich eine Vorliebe für morgenländische Vorwürfe entgegen. Macke überträgt auch auf dieses Gebiet seine reiche, künstlerische Intuition. Ferner gewahren wir zwei Sessel mit Stickereien, an alte Bauernmuster erinnernd und doch so komponiert, daß Inhalt und Form eins sind. Die in einem Glasschrank ausgestellte Keramik gemahnt an ländlich-einfache Vorbilder. Die Plastiken „Sitzendes Mädchen“ und „Jünglingskopf“ könnten griechischen Gräbern entstiegen sein. Die Holzskulpturen tragen gleich den übrigen Werken den Stempel Mackescher Eigenart. Bei den Kohlezeichnungen bewundert man aufs neue den Formenguß und die Linienführungen. Selbstverständlich findet sich unter den ausgestellten Sachen manches, das noch als unreif, unausgeglichen zu gelten hat, aber trotzdem für die Entwicklung des Künstlers von höchster Bedeutung ist. Verrät doch eigentlich alles Dargebotene das Suchen und Ringen des noch nicht fertigen, noch abgeklärten Künstlers. Alles in allem kann man der Gesellschaft für Literatur und Kunst dankbar sein, daß sie uns durch diese Ausstellung einen Blick in den aufsteigenden Entwicklungsgang eines leider zu früh Dahingeschiedenen tun läßt. –z.
Die Kriegsküche in der Universität konnte gestern die einmillionste Mittagsmahlzeit ausgegeben.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Vaterlandspartei. Man schreibt uns: Die Ortsgruppe Bonn und Umgebung der Deutschen Vaterlandspartei beabsichtigt, am Montag den 21. Oktober 1918, abends 8¼ Uhr, im Saale des Bonner Bürgervereins eine geschlossene Mitgliederversammlung zu veranstalten, um Gelegenheit zur Aussprache über die gegenwärtige Lage des Vaterlandes zu bieten. Näheres wird noch durch Anzeige bekannt gegeben.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Elektrische Bahnen. Infolge der unter dem Personal der elektrischen Bahnen in Bonn zur Zeit stark auftretenden Erkrankungen muß für die nächste Zeit mit nicht unerheblichen Betriebseinschränkungen gerechnet werden. In erster Linie können bis auf weiteres nicht mehr alle Anhängerwagen gefahren werden.
Die Casselsruhe bildete auch am Sonntag wieder das Ziel zahlreicher Spaziergänger, die sich dort am Konzerte der Kapelle des Ers.-Bat. Inf.-Reg. 160 erfreuten, sowie an den Liederspenden des Sing- u. Theatervereins Harmonie Bonn-West. Reicher Beifall wurde der Kapelle und den Sängern zuteil.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Mittwoch, 16. Oktober 1918
Grippe-Ferien in allen Schulen. Mit Rücksicht auf die vielen Erkrankungen an Grippe sind vom heutigen Mittwoch ab sämtliche Schulen bis auf weiteres geschlossen worden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Unsere Tapferen an der Westfront. Auch in Bonn wird leider viel geschwatzt über Kampfunlust an der Front, während die täglichen Berichte beweisen, mit welchem unvergleichlichen Schneid unsere Leute sich einer riesigen Uebermacht gegenüber verhalten. Es ist eine Schmach, daß sich deutsche Zungen finden, die solches Gewäsch auf dem Wochenmarkt, an Straßenecken und sonstigen Stellen, wo sich Klugpfeifer jeglichen Geschlechts zusammenfinden, kritiklos nachplappern. Gewiß gibt es Mannschaften, die nach mehrjährigem Frontdienst nicht mehr das alte teutonische Feuer in sich verspüren. Dafür sind aber tausende andere unserer Tapferen, die sich klar darüber sind, daß ein Wanken der Front unsagbares Elend vor allem über unser Rheinland bringen würde. In einem Privatbrief von der Front, den wir nicht genügend zur Beherzigung empfehlen können, heißt es:
Kein Zweifel ist jetzt mehr möglich: Deutschland ist besiegt, denn es bettelt ja schon um Gnade, und obendrein gerade bei dem, der letzten Endes unser Hauptfeind ist. Und das Traurigste von der ganzen Sache ist, daß wir militärisch noch lange nicht besiegt sind. Das zeigt sich gerade jetzt in dem wunderbaren Rückzug deutlich, der in einer Ordnung, einer Ruhe vor sich geht, die gerade das Gegenteil von einem Besiegtsein aufs beste beweisen. Ich wünschte, gar mancher Verzagende aus der Heimat könnte gerade jetzt hier draußen sein. Er würde da nicht nur die wunderbare militärische Kraft bewundern können, sondern, was weit wichtiger ist, er würde sehen können, wie fürchterlich das französische Land zu leiden hat, und mit ihm seine Bewohner. Tag für Tag kann man jetzt das tragische Schauspiel der Evakuierung erleben. Ein Dorf nach dem andern muß von den Bewohnern geräumt werden. Mit nur einer ganz geringen Habe und den notwendigen Lebensmitteln versehen, müssen die Armen ihre Heimat verlassen, ganz gleich, ob jung und ob alt, ob Mann, ob Weib, und sie müssen dies in der sichern Kenntnis, daß vielleicht schon morgen ihr ganzes Dorf nur ein Trümmerhaufen noch ist. Das sollte die Heimat sehen und erleben, und wir alle hier sind uns darin einig, daß aller Hader und Zank aufhören würde. Ein Beispiel sollten wir uns an diesen Franzosen nehmen, die keinen Augenblick verzagen. Weiß Gott, man muß sich schämen, ein Deutscher zu sein. Soweit sind wir gekommen.
Die augenblicklichen Großkämpfe in Flandern sind ein erneuter Beweis für die zähe Ausdauer unserer Leute, die darin kaum einen Ansporn finden, wenn in der Heimat das unglaublichste Zeug über Fahnenflucht, Ueberlaufen usw. verzapft wird. Es ist gegenüber der heldenmütigen Verteidigung unserer Stellungen im Westen eine wahre Affenschande, daß die daheim hinterm warmen Ofen sich solch Geschwätz leisten. Man lese nur was ein gewiß unverfänglicher Zeuge, die englische Zeitung Manchester Guardian, in einer ihrer jüngsten Ausgaben bemerkt:
Die Geschichten von einer Demoralisation des deutschen Heeres möge man nur ruhig zur Seite legen. Die Kämpfe, versichert man mir, sind niemals erbitterter und [heftiger] gewesen als jetzt. Und wenn man das Gegenteil sagt um unserem Publikum zu schmeicheln, so tut man nur dem Mute, der Ausdauer und der Standhaftigkeit unserer Truppen Unrecht.
Das dürfte wohl genügen, um unüberlegten Redereien etwas entgegenzutreten.
Auf dem Bonner Wochenmarkt […] Im allgemeinen war der Markt nicht besonders gut beschickt, aber der Verkauf war durchweg flott. […] Beim städtischen Verkauf auf dem Wochenmarkt war der Zuspruch nicht so flott wie sonst. Weißkohl ist noch immer reichlich vorhanden und wird bis auf weiteres noch in jeder gewünschten Menge abgegeben. […] Außerdem wurden noch Aepfel zu 35 Pfg. das Pfund, hiesiger Blumenkohl zu 80 Pfg. bis 1,30 Mk. das Stück, Wirsing, Karotten, Kohlrabien, Sellerie, Möhren und Spinat verkauft.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Das Martyrerkapellenfest, das Fest der hl. Ortspatrone Cassius, Florentius, Malusius und Genossen, wurde am Sonntag in der Pfarre Endenich in feierlicher Weise begangen. Die Pfarre Endenich hatte zu dieser Feier reichen Flaggenschmuck angelegt, und die Martyrerkapelle und ihre Umgebung waren von den Klosterschwestern in sinniger Weise ausgeschmückt. Bei dem schönen Herbstwetter stellten sich zu der Morgenprozession, die das Allerheiligste aus der Pfarrkirche nach der Martyrerkapelle begleitete, wie auch beim Hochamte sehr viele Teilnehmer aus Endenich und der Umgegend ein. Bei der Vesper und der Festpredigt, die der Pater Vacundus vom Kloster Kreuzberg hielt, konnte die Kapelle die große Zahl der Andächtigen kaum fassen. Bei der Abendprozession fehlten der ernsten gefahrvollen Zeit wegen die Fackeln; aber die Zahl der Teilnehmer war aus demselben Grunde überaus groß. […]
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Donnerstag, 17. Oktober 1918
Die Hundertjahrfeier der Niederrheinischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde und das 75. Stiftungsfest des Naturhistorischen Vereins der preußischen Rheinlande und Westfalens, die nächsten Sonntag in einer gemeinsamen Festsitzung im Hörsaal 9 der Universität gehalten werden sollten, sind der Grippe wegen verschoben worden. Auch die schon für Samstag angesetzte Hauptversammlung des Naturhistorischen Vereins mit den Sitzungen seiner Unterabteilungen fallen aus.
Die Grippe. Zur Beseitigung unnötiger Befürchtungen wird mitgeteilt, daß die Zahl der an Grippe Erkrankten zurzeit auch in Bonn groß ist, die Anzahl der Todesfälle aber gering ist. Durch den Hinzutritt von Lungenentzündung, die meist schnell verläuft, tritt bei einer verhältnismäßig geringen Zahl der Erkrankten der Tod ein. Derartige Todesfälle durch Lungenentzündung, die sich dem Grippekatarrh hinzugesellten, sind auch früher bei epidemischem Auftreten der Grippe beobachtet worden. Von einer Pesterkrankung, der sogenannten Lungenpest, wie törichte Gerüchte verbreiten, kann gar keine Rede sein. Die ärztliche Erfahrung lehrt, daß bei schnell auftretenden, stark über ganze Länder ausgebreiteten Grippeepidemien, wie die jetzige es ist, zwar viel mehr Menschen zu gleicher Zeit erkranken, als bei irgend einer andern epidemischen Krankheit, daß sie aber in den befallenen Orten nach etwa vier- bis sechswöchiger Dauer wieder erlöschen.“
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Ein Gymnasiast im Hilfsdienst verunglückt. Ein 16jähriger Gymnasiast, der im Hilfsdienst mit dem Ausladen von Kartoffeln beschäftigt war, geriet am Montag abend auf dem hiesigen Güterbahnhof zwischen die Puffer zweier zusammenstoßender Eisenbahnwagen. Der Knabe wurde so schwer verletzt, daß er bald darauf in einem Krankenhause starb. Der Verunglückte hatte seinen Mantel, der über einem Puffer hing, noch schnell in Sicherheit bringen wollen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
100 Jahre. Am 18. Oktober 1818, also morgen vor 100 Jahren, wurde die Rheinische Friedrich Wilhelms-Universität in Bonn ins Leben gerufen. Wegen des Ernstes der Zeit hat die Universität von einer feierlichen Veranstaltung Abstand genommen. Diese Feier wäre ohnehin, wie alljährlich das Gründungsfest, am 3. August abgehalten worden. Wenn am 3. August kommenden Jahres die Verhältnisse es gestatten, soll die Feier an diesem Tage abgehalten werden. Wir haben die Bedeutung dieses Ereignisses in einigen Aufsätzen Ende Juni dieses Jahres gewürdigt und beschränken uns daher heute mit einem Hinweis auf den denkwürdigen Tag. Bei der morgigen Uebergabe des Rektorats an den neuen Rektor wird des Tages wahrscheinlich ebenfalls kurz gedacht werden. Zahlreiche frühere Schüler sind im Stillen bemüht, der rheinischen Alma mater zu ihrem Ehrentage Gaben zu sammeln und auch die Universität selbst bereitet alles vor, um den Tag entsprechend seiner Bedeutung würdig zu gestalten.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Freitag, 18. Oktober 1918
Neues Operettentheater. „Die Fledermaus“ von Johann Strauß. Spielleitung: Direktor Adalbert Steffter. In einer bis auf den „Frosch“ völlig neuen Besetzung flattert zurzeit die unsterbliche „Fledermaus“ wieder einmal über die Operettenbühne. Flott und leichtbeschwingt, wie es sich für dieses Kind der Nacht gehört; im übrigen natürlich streng traditionell. Es ist recht schade, daß der Bühnenraum des Operettentheaters ja klein und beschränkt ist, um das Straußsche Werk, das doch geradezu Massen von Menschen – auf der Bühne, wie auch im Orchester – vertragen kann, voll zur Geltung zu bringen. Immerhin muß der redliche Wille, mit kriegsmäßig beschränkten Mitteln Vollwertiges zu leisten, anerkannt werden, um so mehr als die einzelnen Darsteller geradezu wetteifern, der „Fledermaus“ das nötige künstlerische Gewicht zu verleihen. […]
Der Flottenverein Jungdeutschland veranstaltet am Sonntag seine zweite Wohltätigkeitsvorstellung. Das Programm bietet wie immer neben hervorragenden Kriegsfilmen auch ein paar köstliche Lustspiele, die gerade in der jetzigen schweren Zeit zur Aufheiterung dienen mögen. Da die Schulen zurzeit geschlossen sind, so findet diesmal der Vorverkauf nur im Metropoltheater statt. Der Reinertrag der Veranstaltung wird der Weihnachtsspende für unsere tapfere Marine überwiesen werden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Gegen die Grippe. Man schreibt uns: Prof. Oscar Loew, München, ist der Ueberzeugung, daß die große Verbreitung der spanischen Krankheit auf die kalkarme Nahrung zurückzuführen ist. Milch und Käse, die kalkreichsten Nahrungsmittel, bekommen wir nicht, Gemüse zu wenig, Kartoffeln enthalten fast keinen Kalk und den Ueberschuß an Magnesia im kleiereichen Brot bindet Kalk überdies. Loew empfiehlt daher, Kalk täglich zu nehmen und zwar wie folgt: Man kauft in der Apotheke 100 Gramm kristallisiertes Calcium chloratum (CA Cl2), löst diese in 6 Liter Wasser (8 Flaschen) auf und nimmt davon zu jeder Mahlzeit 2 Eßlöffel voll, kleine Kinder die Hälfte. […]
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Universität. In der Aula fand heute am 100. Gründungstage unserer Rheinischen Friedrich Wilhelms- Universität die feierliche Uebertragung der Rektoratsgeschäfte vom alten auf den neuen Rektor statt. Der bisherige Rektor Geheimrat Marx gab zunächst einen Ueberblick über die Ereignisse des vergangenen Jahres, erwähnte die Stiftungen und die Veränderungen im Lehrkörper. Die Zahl der immatrikulierten Studenten betrug im letzten Halbjahr 6007, mit Gasthörern 6909. Gefallen sind im letzten Semester 83, insgesamt 590. Der Senat brauchte keine Gerichtssitzung abzuhalten. Zum Schlusse dankte der Rektor denen an der Front für den der Heimat gewährten Schutz. Der neue Rektor Geheimrat Zitelmann wies darauf hin, wie ganz anderes der heutige 100. Gründungstag begangen worden sei, wenn der Krieg nicht gekommen wäre. Er besprach die politische Lage und forderte zu Mut und Entschlossenheit auf. In seinem wissenschaftlichen Vortrag sprach er über die Unvollkommenheit des Völkerrechtes und die Aussichten des Völkerrechtes in dem bestimmt zu erwartenden Völkerbunde.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Samstag, 19. Oktober 1918
Mißbrauch des Schecks zum Geldhamstern. Der vorübergehend eingetretene Mangel an Bargeld ist zum Teil darauf zurückzuführen, daß das Geld durchaus unnötiger Weise zurückgehalten wird. Da es dringend notwendig ist, dafür Sorge zu tragen, daß das Bargeld in Umlauf bleibt, haben einige städtische Kassen vorübergehend die Annahme von Schecks ausgeschlossen, weil die Wahrnehmung gemacht worden ist, daß gerade die Ausstellung von Schecks zum Zwecke des Geldhamsterns benutzt worden ist.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Der Bonner Wochenmarkt war gestern schlecht beschickt, auch der Verkauf war nicht besonders flott. […] Vorwiegend war Gemüse, Endivien- und Feldsalat vorhanden. Unser Großmarkt auf dem Stiftsplatz hatte gestern ausnahmsweise wieder einmal etwas bessere Zufuhren als bisher. Der städtische Verkauf auf dem Wochenmarkt erfreute sich bei großem Vorrat an Waren eines recht regen Zuspruchs. Weißkohl war auch gestern wieder so reichlich vorhanden, daß jede gewünschte Menge abgegeben werden konnte. […]
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Eine Richtigstellung geht uns wie folgt zur Veröffentlichung zu: In zahlreichen Zeitungen und Schreiben wird die Behauptung aufgestellt, das Generalkommando des 11. Armeekorps habe eine Verordnung hinsichtlich des Hamsterns mit dem Inhalt herausgegeben, „wonach es vermieden werden müsse, daß man die kleinen Diebe hängt und die großen laufen läßt. Man sollte die ungeschoren lassen, die Zeit und Geld daransetzen, um etwas auf den Mittagstisch zu bekommen oder etwas zur Hebung des gesunkenen Gesundheitszustandes der Familie zu tun. Zum Spaß würden solche Fahrten sicherlich nicht unternommen.“ […] Eine Verordnung in dem oben behaupteten Wortlaut ist vom Generalkommando nicht erlassen, und entsprechen die diesbezüglichen Behauptungen nicht den Tatsachen. Wird ein Kleinhamsterer abgefaßt, so unterliegt er der Bestrafung; in erster Linie muß es Aufgabe der Behörden sein, die Großhamsterer zu erfassen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Sonntag, 20. Oktober 1918
Neues Operettentheater. „Tischleindeckdich, Esel streck dich, Knüppel aus dem Sack.“ Spielleitung Benno Nora. Außerordentlich lebhaft war der Andrang zur ersten Kindervorstellung der Winterspielzeit. Viele der kleinen Schaulustigen mußten auf die Wiederholung des Spiels vertröstet werden und gingen betrübt fort von der lockenden Stätte, wo sich das beliebte allbekannte Grimmsche Kindermärchen abspielen sollte. […] August Kuhl, Willi Gentsch und Markus Posch als schlauer Wirt, Kellner und Hausknecht ließen sich von dem zweibeinigen Knüppel aus dem Sack um der guten Sache willen weidlich verprügeln, was natürlich den lieben Zuschauerlein den üblichen, herzhaften Spaß machte. Und so endete das lustige Spiel mit Schmaus und Tanz und Hochzeitsaussichten unter dem stürmischen Beifall der kleinen Besucher.
Gegen die Sommerzeit. Mit Rücksicht auf die dauernden Störungen, die die Einführung der Sommerzeit in den landwirtschaftlichen Betrieben verursacht, beschloß der Vorstand der rheinischen Landwirtschaftskammer, eine Eingabe an den Landwirtschaftsminister zu richten, diese neue Einrichtung nicht über den Krieg hinaus weiterbestehen zu lassen. […]
In dieser fleischlosen Woche gibt es ein Ei und 150 Gramm Weizenmehl.
Die erhöhten Preise für die Kriegsküchen-Mahlzeiten treten am 28. Oktober in Kraft.
Die eingeschränkte Verkaufszeit, auf die sich die Mehrzahl der hiesigen Verkaufsgeschäfte geeinigt hat, beginnt am morgigen Montag.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Fußballsport. Mit besonderem Interesse wird das heute Sonntag stattfindende Meisterschaftsspiel des Bonner Fußball-Vereins gegen den bewährten alten Liga-Gegner, den Kölner Ballspielklub, von den Bonner Sportsfreunden begrüßt werden.
Die Zustellung unserer Zeitung leidet zur Zeit sehr unter den vielen Erkrankungen unserer Träger und den mit Bezirken und Abonnenten unbekannten Ersatzleuten und Aushülfskräften. Wir bitten unsere Abonnenten um Nachsicht. Was zur Besserung der schlimmen Zustände geschehen kann, geschieht.
General-Anzeiger für Bonn und Umgegend. Hermann Neusser.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Landwirtschaftskammer. Der Vorstand beschloß, sich an der Stiftung des verstorbenen Ministerialdirektors Exzellenz Thiel, deren Mittel zur Ausbildung junger kriegsbeschädigter Landwirte dienen soll, mit einem größeren Betrage zu beteiligen. […]
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Montag, 21. Oktober 1918
Infolge plötzlicher Erkrankung der einen oder anderen Austrägerin und wegen Mangels an Aushilfe können wir die sonst selbstverständliche rechtzeitige und regelmäßige Zustellung unserer Zeitung leider nicht immer gewährleisten. Wir bitten unsere Bezieher daher um Nachsicht.
Verlag der Bonner Zeitung.
Notgeld der Rheinprovinz wird, wie wir erfahren, in den nächsten Tagen schon von der Landesbank in Düsseldorf in den Verkehr gebracht werden. Auch die Stadt Bonn wird so schnell wie möglich weiteres Notgeld herstellen lassen, und zwar nicht nur Scheine zu 25 und 50 Pfg., sondern auch zu 5 und 10 Mark. […]
Das Milchhäuschen auf dem Stiftsplatz ist in der Nacht zum Samstag von einem beladenen Kraftwagen angefahren und bös zugerichtet worden. Seine ganze Inneneinrichtung mit Gas- und Wasseranschluß ist zertrümmert, das Häuschen selbst fast zerstört worden. Der Kraftwagen und sein Lenker sind noch unbekannt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Ein unsinniges Verhalten, das für unser Geschäftsleben sehr schädlich ist, zeigt in den jüngsten Tagen ein Teil unserer Bürgerschaft. Ebenso wie zu Beginn des Krieges, wird auch jetzt von gewissen Bürgern eifrig Bargeld gehamstert, und da ein Narr viele macht, so stürmen die gleichen Schichten auch unsere Sparkassen und Banken, um ihr Guthaben abzuheben. Ein solches Vorgehen ist durch die politische und militärische Lage in keiner Weise berechtigt. Unsere Millionenheere stehen, wie aus der Karte zu erkennen ist, noch tief in Frankreich und in Belgien und der Verlauf der letzten Kämpfe läßt ersehen, daß da, wo das Gelände für uns von Bedeutung ist, sich unser Widerstand sogar verstärkt. Man nehme sich ein Beispiel an dem französischen Volke, das seit über vier Kriegsjahren die deutschen Heere auf seinem Boden hat und trotzdem seiner Regierung und dem wirtschaftlichen Verkehr nicht derartige unnütze Schwierigkeiten bereitete wie unsere deutschen neurasthenischen Gemüter. Wir sind überzeugt, daß im Falle einer tatsächlichen Gefahr für die Guthaben unserer Bürger die Banken selbst ihre Einleger und Kunden darauf aufmerksam machen würden, um den dann notwendig werdenden Geschäftsgang der Rückzahlungen in aller Ruhe im Stile der Hindenburgischen Nervenbetätigung abzuwickeln.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Dienstag, 22. Oktober 1918
Einen Fliegeralarm hatte Bonn gestern Nachmittag von 4.56 Uhr bis 5.35 Uhr. Ein Angriff feindlicher Flieger erfolgte hier nicht.
Kartoffeleinkellerung. Bei dem großen Mangel an geschlossenen Eisenbahnwagen werden die Kartoffeln fast ausschließlich in offenen Wagen hier angeliefert. Dies hat den Nachteil, daß bei Regenwetter die Kartoffeln unter Umständen durchnässt hier ankommen. Da dem Lebensmittelamt keine genügenden Trockenräume zur Verfügung stehen, ist es erforderlich, daß die Bürgerschaft die Kartoffeln nach Erhalt in trockenen Räumen, Waschküchen usw. ausbreitet und gründlich austrocknen läßt. Bei der heutigen Lage muß jeder Bürger mithelfen, daß er bald seinen Winterbedarf an Kartoffeln erhält, deshalb ist es dringend zu empfehlen, die Kartoffeln, auch wenn sie feucht sind, abzunehmen und in trockenen Räumen auszubreiten. Die Güte der bisher angelieferten Kartoffeln ist einwandfrei. Es wurden bis jetzt fast ausschließlich die Sorten „Industrie“ und „Op te date“ angeliefert.
Ausbau von Klinken und Türgriffen. Nach einer Mitteilung der Handwerkskammer zu Köln hat diese auf Donnerstag, den 24. Oktober, nachmittags 5 Uhr in Bonn im Saale der Kaiserhalle eine Versammlung der im Stadtbezirk Bonn ansässigen Schlosser- und Tischlermeister anberaumt zur Besprechung des Ausbaus der beschlagnahmten Türdrücker usw. Im Interesse der zur Besprechung anstehenden Angelegenheiten ist es dringend erwünscht, daß der Einladung seitens der hiesigen Tischler- und Schlossermeister recht zahlreich entsprochen wird.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Bekämpfung der Grippe-Epidemie. Aus unserem Leserkreis wird uns geschrieben: Die Friedensbekämpfungsmittel dieser Krankheit waren nach alter Erfahrung: Alkohol, Schwitzen, bis der kranke Körper fieberfrei ist, dann aber sorgfältiger Schutz gegen neue Erkältungen. Ein auf der Genesung befindlicher Grippekranker ist gegen Erkältungen doppelt empfindlich, daher die häufigen, lange andauernden, sogar lebensgefährlichen Folgeerscheinungen bei der Grippe. Hauptbedingung ist deshalb bei Schwitzkuren an kühlen Tagen ein bis zu 18-20 Grad geheiztes Krankenzimmer. Unzählige Kranke ziehen sich nach dem Schwitzen in einem kalten Zimmer um, erkälten sich hierdurch neu und erhöhen den Krankenzustand. In der heutigen Zeit oft mangelhafter Ernährung muß sich der von der Grippen genesende Mensch infolge der geringeren Widerstandsfähigkeit seines Körpers vor allen Dingen sorgfältig gegen neue Erkältungen schützen. Nasskalte Füße, stilles Stehen oder Sitzen in unbeheizten Räumen (Kirchen) bringt erfahrungsgemäß Krankheitsrückfälle. Unbeheizte Eisenbahnwagen sollte es in so starken Epidemie-Zeiten nicht geben. Bei Grippe-Erkrankungen ist außerdem wichtig, nicht abzuwarten, bis sich der Zustand verschlimmert, sondern möglichst bald zur Bekämpfung der Krankheit zu schreiten. Wo die wenigen vorhandenen Aerzte nicht ausreichen, da muß notgedrungen öffentliche Aufklärung uns in der Krankheitsbekämpfung zur Seite stehen.
Das Operettentheater hatte Samstag nachmittag unsere Bonner Jugend zu einem Ausflug ins Märchenland eingeladen. Wie sehr zeitgemäß diese Einladung war, zeigte die gute Besetzung aller Plätze. Auch das Thema war zeitgemäß: „Tischlein deck dich, Eselein streck dich. Knüppel aus dem Sack.“ Es wurde flott gespielt, gesungen und getanzt, und den fröhlichen Beifall, der nach jedem der sechs Bilder das Theater durchhallte, möge Benno Nora bezeugen, daß sein sicher kinderverstehendes und kinderfreundliches Herz ihn bei der Inszenierung des Märchens auf den richtigen Weg gewiesen hat.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Grippe in Köln. Die Zahl der Neuerkrankungen an Grippe bewegt sich in aufsteigender Linie, so daß die städtische Verwaltung nunmehr dem Beispiel anderer Städte gefolgt ist und die Schulen schließen läßt. [...] Es handelt sich bei dem Schluß um eine rein vorbeugende Maßregel, die zu größerer Beunruhigung keine Veranlassung bietet. Die Krankheit hat in den letzten Tagen zugenommen. Auch eine Reihe von Todesfällen an Lungenentzündung ist leider zu beklagen. Bei den Ortskrankenkassen liegen zahlreiche Krankmeldungen vor; dagegen ist die Verbreitung in manchen Werken und Betrieben verhältnismäßig gering. Die städtischen Hospitäler haben bis jetzt den Andrang an Kranken noch aufnehmen können und werden auch weiter dazu in der Lage sein, wenn, was erhofft werden kann, in den nächsten Tagen die Krankheit ihren Höhepunkt erreicht hat, so daß in den Hospitälern der Zu- und Abgang an Grippekranken sich ausgleicht.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Mittwoch, 23. Oktober 1918
Deutsche Vaterlandspartei. Die Ortsgruppe Bonn und Umgebung der Deutschen Vaterlandspartei hat sich Montag abend in einer sehr zahlreich besuchten Versammlung nach einer Rede des Vorsitzenden, Geheimrats Litzmann, über die gegenwärtige Lage, einstimmig auf folgende Kundgebung geeinigt.
Die Ortsgruppe Bonn und Umgebung der Deutschen Vaterlandspartei, in vollem Bewusstsein der schweren Verantwortung, die in dieser Stunde auf jedem von uns lastet, fordert ihre Mitglieder und Freunde in Bonn und Umgebung auf, in Wort und Schrift und Tat einmütig einzutreten für die Losung: Ueber alles das Vaterland. Und um kein Mißverständnis über die Bedeutung und Tragweite dieses Wortes aufkommen zu lassen, erklären wir:
1. Wir sind bereit, mit allen Kräften einzutreten für einen Frieden, der den Besitzstand des Reiches an Land und Werten einschließlich der Kolonien für alle Zukunft wahrt.
2. Wir stellen uns auf den Boden des kaiserlichen Erlasses vom 30. September 1918 und scharen uns in unverbrüchlicher Treue um das Herrscherhaus, das Preußen und Deutschland geschaffen und das sich stets mit der Tat zu den Wahlspruch Friedrichs des Großen bekannt hat: Der König ist der erste Diener des Staates.
3. Wir stehen einmütig und bedingungslos hinter jeder Regierung, die uns auf dieser Grundlage einen ehrenvollen Frieden erringt.
4. Wir vertrauen, daß die Regierung, wenn ein Frieden unter diesen Bedingungen jetzt nicht zu erlangen ist, keinen Augenblick zögern wird, das deutsche Volk zum letzten Kampf aufzurufen; denn wir sind der Ueberzeugung, daß dann Männer und Frauen ohne Unterschied der Partei und des Standes sich zu einer geschlossenen, durch keine Drohung der Gewalt von außen, durch keine Parteiung von innen zu durchbrechende Front zusammenschließen können und werden.
5. Wir geloben, was wir sind und haben bis zum letzten einzusetzen, daß wir diesen letzten Kampf um Deutschlands Leben und Ehre mit Gottes Hilfe gewinnen.
Die Grippe. Infolge des Auftretens der Grippe sind in letzter Zeit allerlei Vorbeugungsmittel empfohlen worden, so u. a. Calcium chlorat oder das Beimengen von Kalk zum Mehl. Es sei darauf hingewiesen, daß derartige Kuren keinesfalls verallgemeinert werden dürfen. Die Grippe ist lediglich eine Infektionskrankheit, und ob ihre Verbreitung durch die jetzigen Ernährungsverhältnisse begünstigt wird, ist schon aus dem Grund stark zu bezweifeln, weil in anderen Ländern, die vom Krieg überhaupt nicht berührt werden, die Grippe ebenfalls stark auftritt, sogar noch zahlreicher und schwerer als bei uns. Wer eine regelmäßige Vorbeugungskur auf sich nehmen will, der frage zum wenigsten einen Arzt, ob das in Aussicht genommene Vorbeugungsmittel seinem Gesundheitszustande zuträglich ist.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Der Andrang zum Zwiebelverkauf auf dem Markt ist viel zu groß, weil jeder bestrebt ist, die ihm zustehenden drei Pfund so bald wie möglich zu erhalten. Es sei noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Stadt mit Zwiebeln sehr reichlich eingedeckt ist und jede Zuteilung befriedigen kann: jeder kann also bis Ende nächster Woche noch seine Zwiebeln auf Warenmarke 6 bekommen. Voraussichtlich wird sogar vor Weihnachten noch eine zweite Kopfmenge ausgegeben werden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Kupferne Wasserleitungshähne. Auf eine Anfrage aus dem Kreise Rheinbach wegen Auswechselung der kupfernen Wasserleitungshähne hat der Herr Staatssekretär des Reichs-Wirtschaftsamts die Mitteilung ergehen lassen, daß die kupfernen Wasserleitungshähne der Beschlagnahme nicht unterliegen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Donnerstag, 24. Oktober 1918
Universität. Die Professoren und Dozenten der Universität Bonn sowie die Vertreter-Versammlung der Bonner Studentenschaft haben folgende Kundgebung beschlossen:
„Die auf Einladung des Rektors versammelten Professoren und Dozenten der Universität Bonn und die Vertreter-Versammlung der Bonner Studentenschaft erklären einstimmig:
Wir stehen geschlossen hinter der jetzigen Regierung bei ihrem Bestreben, den Frieden zu erwirken.
Wir erwarten dabei, daß sie niemals einen Frieden schließen wird, der Deutschland Schmach antut, der deutsche Erde preisgibt, der die freie Entwicklung der Lebenskräfte des deutschen Volkes hemmt.
Wir erwarten dies in dem Vertrauen auf die seit mehr als vier Jahren trotz Aushungerung und ungeheurer Uebermacht bewährte Heldenkraft unseres Heeres und unserer Flotte und dem Opfersinn unserer Bevölkerung daheim in allen ihren Schichten.“
Der Verband der Freunde evangelischer Freiheit in Rheinland und Westfalen fordert alle seine Freunde auf: „Wachet, stehet im Glauben, seid männlich und seid stark! Wir danken unseren Truppen um den kraftvollen und zähen Widerstand, den sie dem Feinde entgegensetzen. Unsere Truppen sollen erfahren, daß ihre Opfertat für Haus und Herd daheim von uns unvergessen bleibt. Aber Du, deutsches Heimatvolk, zeige Deinen Mut und Deine Entschlossenheit zum Aeußersten, Deutschland ist nicht verloren, solange Du Dich nicht verloren gibst. Kraft ist der sicherste Weg zum wirklichen Frieden.“
Landesverrat. Es ist eine bekannte Tatsache, daß während des Krieges sowohl deutsche und verbündete Heerespflichtige als auch Kriegs- und Zivilgefangene und andere feindliche Staatsangehörige sich heimlich auf Schleichwegen ins neutrale Ausland begeben haben. Deutsche und verbündete Staatsangehörige bezweckten, sich ihrer Wehrpflicht zu entziehen, feindliche Ausländer, aus der Gefangenschaft zu entkommen, sich ins feindliche Heer zu begeben oder sich der Arbeit in Deutschland zu entziehen. Das Gelingen der Flucht war in vielen Fällen darauf zurückzuführen, daß ihnen von anderen zum Entweichen durch Verschaffung von Zivilkleidern, durch Begleitung bis zur Grenze und durch Zeigen von Schleichwegen Beihilfe geleistet wurde. Den Grund zu dieser Beihilfe bildete meistens schnöde Gewinnsucht, indem dafür Geldbeträge angenommen wurden. Ein derartiges Treiben gewissenloser Menschen kann nicht scharf genug verurteilt werden. Die Gerichte haben denn auch in zahlreichen Fällen gegen derartige Personenschmuggler wegen Landesverrats hohe Freiheitsstrafen verhängt. Und dies mit Recht. Denn jeder, der einen Kriegs- oder Zivilgefangenen, einem ausländischen Arbeiter oder einem wehrpflichtigen deutschen oder verbündeten Staatsangehörigen zur Flucht über die Grenze verhilft, leistet dem Feinde Vorschub und benachteiligt die deutsche Kriegsmacht, begeht also Landesverrat.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Schließung des Viktoriabades? Heute morgen erreichte mich das schier unglaubliche Gerücht, die städt. Badeanstalt solle wegen Kohlemangels gänzlich geschlossen werden. Ich würde es verstehen, wenn sich der Beschluß auf das kohlenverschlingende Schwimmbad bezöge, das von Erwachsenen augenblicklich weniger und umso mehr von rüpelhaften Jungen benutzt wird; aber auch die Wannen- und Dampfbäder zu sistieren, geht so sehr gegen mein hygienisches Gewissen, daß ich an eine wirkliche Ausführung der Drohung nicht recht glauben kann. Wenn Kohlen für Kinos, Theater, Operetten und andere Vergnügungslokale zu beschaffen sind, sollten sie wahrlich einer geradezu unentbehrlichen Pflegestätte der Gesundheit in der Stadt der Kliniken und Lazarette nicht fehlen, zumal tausende Bürger erkrankt sind und Dampf- oder Heißluft- oder warme Wannenbäder begehren. Sicher ist die städtische Gesundheitskommission nicht zu Wort gekommen, wenn man jenen verhängnisvollen Beschluß wirklich gefaßt hat. Uebrigens werden doch augenblicklich massig Kohlen gespart durch die Aussetzung des Unterrichts in etwa 250 Schulklassen. Das sei nur nebenbei und nicht als Grund für Offenhaltung des Viktoriabades angeführt. Und die vielleicht anderthalb Dutzend Angestellten des Bades! Sollen sie ohne Beschäftigung und Verdienst sein? Na, vorläufig tröste ich mich mit der Hoffnung, daß das Gerücht auf falschen Grundlagen beruht und die Verwaltung umsichtig genug ist, eine Maßregel zu vermeiden, welche sich mit einer pflichtgemäßen Sorge für den Gesundheitszustand der Stadt schwerlich vereinen läßt. W.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Ueber die amtlichen Bestimmungen zur Bucheckernsammlung herrschen bei den Sammlern noch viele Unklarheiten. Die Bucheckern an sich sind zwar nicht beschlagnahmt, ihre Verwendung zur Herstellung von Oel ist jedoch unter Kontrolle gestellt und an die Bedingung geknüpft, daß die Hälfte der Ernte der Versorgung des Feldheeres und der allgemeinen Fettversorgung nutzbar gemacht wird. Dafür werden die öffentlichen Wälder mit ganz geringen Einschränkungen der Sammlung freigegeben, und auch die privaten Waldbesitzer sind gehalten, ihre Waldungen für die sogenannten öffentlichen Sammlungen zu öffnen. Diese letzteren werden im Auftrag des zuständigen Kriegswirtschaftsamts von den mit fast jeder Schule verbundenen Ortssammelstellen eingerichtet und stets gemeinsam, in erster Linie von der Schuljugend unter Leitung der Lehrerschaft ausgeübt. Es können aber auch andere Vereinigungen, Jugendkompagnien, Lazarette usw. Sammlungen veranstalten und sich zu diesem Zwecke den Ortssammelstellen unterstellen, bei denen das Nähere zu erfahren ist. [...]
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Freitag, 25. Oktober 1918
Die Grippe. Ob die Grippe schon ihren Höhepunkt erreicht hat, läßt sich zur Zeit nicht mit Sicherheit erkennen. Die Zahl der Krankmeldungen bei den Krankenkassen nimmt noch zu. Andererseits ist die Zahl der Gesundmeldungen bei einzelnen Betrieben und Krankenanstalten größer als die Zugänge an Kranken. In manchen Werken und Betrieben ist die Verbreitung der Krankheit überhaupt gering. Auch die Krankheitsziffern in den Schulen waren sehr verschieden, sie schwanken zwischen 7 und 70 von Hundert. Im Schnitt waren 30 von 100 Kindern erkrankt. Da außerdem sehr viele Lehrpersonen erkrankt waren, war der Schulunterricht nur mit größten Schwierigkeiten durchzuführen. Auch war die weitere Einschleppung der Krankheit in die Schulen zu befürchten, weil vielfach Kinder aus Familien, in denen die Grippe herrschte, die Schule besuchten. Die allgemeine Schließung der Schulen im Stadtbezirk war daher angebracht. Die Wiedereröffnung wird rechtzeitig durch die Presse bekannt gemacht werden. Von weiteren öffentlichen Maßnahmen, Schließung der Theater, Versammlungsverboten u. a. wird vor der Hand abgesehen.
Da die Krankheit leicht übertragbar ist, sich rasch entwickelt und der Krankheitserreger weit verbreitet ist, stoßen vorbeugende Maßnahmen allgemeiner Art auf erhebliche Schwierigkeiten. Jeder, dem seine Lebensweise und sein Beruf es gestatten, sollte aber den Massenverkehr meiden und sich von allen Gelegenheiten fernhalten, wo er mit vielen Menschen in nahe körperliche Berührung kommt und von anderen angehustet werden kann. Der Einzelne soll sich zweckmäßig dadurch gegen die Krankheit zu schützen suchen, daß er sorgfältig auf Reinlichkeit bedacht ist. Es wird von berufener Seite empfohlen, Nase und Rachen mit schwacher Lösung von Wasserstoffsuperoxyd oder warmem Wasser, dem etwas Kochsalz zugesetzt ist, auszuspülen. Wenn, trotz aller Vorsicht, eine Erkrankung eintritt, so soll man die Krankheit nicht hinschleppen, sondern sich alsbald ins Bett begeben und erforderlichenfalls ärztliche Hilfe zuziehen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Viktoriabad. Von amtlicher Seite wird uns geschrieben: Die zeitweilige Schließung des Viktoriabades würde von selbst dann eintreten müssen, wenn der weiter anhaltende Kohlenmangel den Betrieb unmöglich macht. Selbstverständlich ist die Verwaltung um die Beschaffung der Heizstoffe nach Kräften bemüht, doch können diese aus Schulen und anderen Gebäuden nicht entnommen werden. Der Betrieb des Schwimmbades erfordert im jetzigen Umfange keinen unverhältnismäßigen Kohlenaufwand, doch ist der Besuch desselben an Stärke dem aller anderen Bäder gleich, während die Schwitzbäder nur geringen Zuspruch haben.
Rote Rüben gegen Grippe. Dr. Joseph Häusle in Feldkirch, der als hervorragender Kenner der Naturheilkräfte bekannt ist, schreibt der „Wiener Reichspost“: „Ein sehr einfaches, aber gutes Mittel gegen die spanische Krankheit sind rote Rüben. Man gibt dem Patienten einen großen Suppenteller voll Salat von roten Rüben im Laufe von sechs bis acht Stunden zu essen. Ich habe viele Kranke gesehen, die abends 40 Grad Fieber hatten und nach Genuß der roten Rüben in der Frühe vollständig fieberfrei waren.“
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Provinzialmuseum. Im Provinzialmuseum finden gegenwärtig größere Umräumungen und Verpackungsarbeiten zum Schutz der kostbaren Altertümer und Kunstwerke wegen Fliegergefahr statt, weshalb das Museum einige Tage geschlossen bleibt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Samstag, 26. Oktober 1918
Wegen der Grippe muß der Straßenbahnverkehr eingeschränkt werden. Von Sonntag ab fährt die Linie 3 nicht mehr bis zur Drachenfels-, sondern nur noch bis zur Reuterstraße, und Linie 1 fährt nicht mehr bis Grau-Rheindorf, sondern nur noch bis zum Betriebsbahnhof der Straßenbahn.
Freiwillige Hilfsdienstpflichtige für das besetzte Gebiet. Die Kriegsamtstelle Koblenz erläßt folgenden Aufruf: „ Vaterländischer Hilfsdienst! Aufforderung der Kriegsamtstelle Coblenz zur freiwilligen Meldung gemäß § 7 des Hilfsdienstgesetzes. Zu Bauarbeiten (Baracken-, Stellungs- und Straßenbauten) im besetzten Gebiet werden dauernd Arbeitskräfte gebraucht. Nur hartnäckigster Widerstand im Westen kann uns einen ehrenvollen Frieden bringen und unsere Heimat vor dem Einfalle der erbarmungslosen Feinde schützen. Das weiß heute jeder Deutsche! Deshalb werden auch alle nicht mehr wehrpflichtigen (über 48 und unter 17 Jahre alten) Arbeiter, die mit Bauarbeiten vertraut sind, zur Meldung aufgefordert. Die Meldungen sind zu richten an die zuständigen Hilfsdienstmeldestellen, bei denen auch die Lohn- und Arbeitsbedingungen zu erfragen sind. Den Meldungen ist beizufügen: ein polizeiliches Führungszeugnis und eine zum Aufkleben bestimmte Fotographie.“
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Kriegsgericht. Unter dem Verdacht der Selbstverstümmelung stand ein Musketier vor dem Kriegsgericht. Er war eines Tages in ärztliche Behandlung gekommen, jedoch hatte seine Wunde bei dem Arzte sofort durch ihr eigenartiges Aussehen Bedenken erregt. Der Musketier erzählte über die Entstehung der Verletzung, daß er sich verbrüht habe. Die Brandblase habe er aufgestochen und das Bein dann mit essigsaurer Tonerde behandelt, die er vor mehreren Jahren gekauft habe. Der als Sachverständiger gehörte Arzt war der Ansicht, daß die Essigsäure die Ursache der Verwundung gewesen sei. Das Kriegsgericht vertagte die Entscheidung, um vorher noch einen anderen Sachverständigen über die Möglichkeit der Entstehung der Wunde zu hören. – Wegen Fahnenflucht war ein Musketier angeklagt. Er hatte sich heimlich aus seiner Garnison entfernt und war nach Holland gegangen. Dort hatte er als Gärtner gearbeitet und seinen Lebensunterhalt durch Schmuggeln erworben. Schließlich war er nach Deutschland zurückgekehrt und hatte sich freiwillig gestellt. Er wurde zu vier Monaten Gefängnis verurteilt, wovon drei Monate durch die erlittene Untersuchungshaft für verbüßt erklärt wurden. Ein Musketier aus Köln hatte sich heimlich von seiner Truppe entfernt und einen gefälschten Urlaubspaß benutzt, auf den er in Köln Lebensmittel zu erhalten versuchte. Er wurde zu drei Monaten Gefängnis verurteilt, auf die ein Monat und 14 Tage der erlittenen Untersuchungshaft angerechnet werden sollten.
Gegen Verhelfung zur Flucht. Die Gerichte haben in zahlreichen Fällen gegen Personenschmuggler, die Heerespflichtigen sowie Kriegs- und Zivilgefangenen zur Flucht ins Ausland verhalfen, wegen Landesverrats hohe Freiheitsstrafen verhängt. Und dies mit Recht. Denn jeder, der einen Kriegs- oder Zivilgefangenen, einem ausländischen Arbeiter oder einem wehrpflichtigen deutschen oder verbündeten Staatsangehörigen zur Flucht über die Grenze verhilft, leistet dem Feinde Vorschub und benachteiligt die deutsche Kriegsmacht, begeht also Landesverrat.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Ein erweiterter Geschäftsverkehr auf die Dauer von 10 Stunden ist am nächsten Sonntag als am Sonntag vor Allerheiligen gestattet. Die Ladengeschäfte dürfen mit Ausnahme der Hauptgottesdienstzeiten bis abends 7 Uhr für den Verkauf geöffnet bleiben.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Eine große Volksversammlung hat der Sozialdemokratische Verein Bonn-Rheinbach auf Sonntag, nachmittags 4½ Uhr, nach dem großen Saale des Bürgervereins einberufen. Reichstagsabgeordneter J. Meerfeld (Redakteur an der Rheinischen Zeitung) wird über „Deutschlands Schicksalsstunde“ sprechen. Die gesammte Bürgerschaft, Männer und Frauen, ist eingeladen. Es ist zu erwarten, daß sich zu dieser Versammlung die Bürgerschaft einfinden wird. Auf diese Versammlung sei auch an dieser Stelle noch besonders ausdrücklich verwiesen.
(Volksmund, Rubrik „Bonner Angelegenheiten“)
Sonntag, 27. Oktober 1918
Die höheren und Volksschulen bleiben auch diese Woche noch geschlossen. Da die Erkrankungen an Grippe im allgemeinen den Höhepunkt erreicht zu haben scheinen, ist mit der Wiedereröffnung der Schulen am Montag, 4. November, zu rechnen. Nähere Bekanntmachung erfolgt noch.
Die Hausfrauen seien darauf hingewiesen, daß die Moha G. m. b. H. Montag, Dienstag Mittwoch und Donnerstag dieser Woche im Saale der Weinwirtschaft Schwarz an der Kaiserstraße ihre Moha-Kochschränke vorführen läßt. Die Kochschränke sollen eine vielseitige Verwendbarkeit besitzen, es soll in ihnen zu gleicher Zeit gekocht, gebacken und gebraten werden können.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Zur Kartoffeleinkellerung. Der Andrang zur Kartoffelstelle, Am Hof 1, ist zur Zeit so stark, daß die Hausfrauen in den meisten Fällen längere Zeit warten müssen, ehe ihre Bestellung entgegengenommen werden kann. Um diese unnütze Zeitvergeudung möglichst zu vermeiden, empfiehlt es sich, die frühen Morgen- oder Abendstunden zur Kartoffelbestellung zu benutzen. Wer morgens gleich nach 8 Uhr oder nachmittags um 3 Uhr sich auf dem Bureau Zimmer 7 einfindet, hat nach den bisherigen Erfahrungen Aussicht, sofort anzukommen.
Die städtischen Rheinbadeanstalten sind nach dem Oberwinterer Hafen geschleppt worden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Warnung für die Kartoffelerzeuger des Stadtkreises Bonn. Der durchschnittliche Ernteertrag ist im Stadtkreise Bonn auf 70 Ztr. für den Morgen Anbaufläche festgestellt worden. Den Kartoffelerzeugern des Stadtkreises wird auf dieser Grundlage der Ertrag ihrer Ernte berechnet. Die Landwirte, die an Schleichhändler, Hamsterer Kartoffeln abgeben, schaden durch ihre unverantwortliche Handlung nicht nur die Allgemeinheit, sondern auch sich selbst. Der Kommunalverband muß die den Eigenbedarf des Kartoffelerzeugers übersteigende Kartoffelmenge einziehen und verteilen. Wer daher Kartoffeln ohne Bezugsschein abgibt, setzt sich der Gefahr aus, daß ihm selbst für seinen Bedarf keine Kartoffeln übrig bleiben, außerdem macht er sich strafbar.
Landkreis Bonn: Die Grippe ist auch im Landkreis Bonn so stark aufgetreten, daß in einzelnen Schulen 50 – 60 Prozent der Schulkinder fehlten; auch viele Lehrpersonen sind von der Krankheit befallen. Deshalb sind gemäß Verfügung des Landratsamtes Bonn alle Schulen des Kreises bis 3. November einschließlich geschlossen worden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Montag, 28. Oktober 1918
Die Sozialdemokratie hatte gestern Nachmittag eine öffentliche Versammlung in den Bonner Bürgerverein einberufen. Der Andrang war so stark, daß der große Saal und der mit ihm zusammenhängende kleinere lange vor dem angekündigten Termin überfüllt waren, daß auch eine zweite Versammlung, die in einem Saale des ersten Stockes veranstaltet wurde, dem Andrange noch nicht genügte und Hunderte Besucher zu keiner der beiden Versammlungen mehr Einlaß finden konnte. Im großen Saale sprach Reichstagsabgeordneter Meerfeld aus Köln. Es handle sich jetzt darum, zu einem Rechtsfrieden nach den Wilsonschen Grundsätzen zu kommen; ein Gewaltfriede würde die deutschen Arbeiter zu Sklaven ausländischer Kapitalisten machen. Den Glauben an den Völkerbund wolle die Arbeiterschaft noch nicht sinken lassen; die Gefahr drohe aber, daß durch einen Gewaltfrieden von drüben her der Völkerbund nicht zustande komme, daß es weder Abrüstung noch Schiedsgericht geben, daß der Friede nur ein Waffenstillstand sein werde. Preußen-Deutschland war bisher kein Staat, den man lieb gewinnen konnte, und doch haben wir Sozialdemokraten keinen Zweifel daran gelassen, daß wir den Staat halten wollen, weil er unser Vaterland ist und wir in diesem Staate das neue bessere Deutschland aufbauen wollen. Wir haben in Deutschland gelitten an einer maßlosen Ueberschätzung der eigenen Macht und einer ebenso maßlosen Unterschätzung der Gegner, und das Schlimmste ist, daß sogar unsere Heerführer die Unterschätzung der gegnerischen Macht teilten. Die Gegner haben mehr Menschen, mehr Geld, mehr Rohstoffe, mehr Nahrung; wir konnten nur einen Verteidigungskrieg führen, alle Eroberungspläne hätten von vornherein abgewiesen werden müssen. Der schlimmste Fehler war der uneingeschränkte Ubootkrieg, er hat Amerika in den Krieg getrieben und den Krieg um Jahre verlängert. Das deutsche Volk hätte einen besseren Frieden haben können, als er uns jetzt winkt, aber gewisse Schichten, die bisher die Macht hatten, haben die Verständigung stets hintertrieben. Das Volk wird die Schuldigen zur Rechenschaft ziehen. Die Alldeutschen haben sich mit Blutschuld bedeckt; sie wollten die halbe Welt erobern und maßlose Kriegsentschädigungen einstecken. Heute sagen die Gegner: Wie Du mir, so ich Dir. Als Beispiel erwähnte der Redner u. a. eine Entschließung der Ortsgruppen Bonn des Alldeutschen Verbandes. Die deutsche Regierung sei, wenn auch wohl nicht mit bewusster Absicht, mitschuldig an diesem Kriege; [...] Der Geist der Gewalt, der uns in der ganzen Welt so verhaßt gemacht hat, [...] muß mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden. Die neue Regierung weiß, daß der Krieg beendet werden muß, weil wir gegen die ungeheure Uebermacht nicht lange bestehen können. Die Sozialdemokratie hat sich entschlossen, in der Regierung mitzuarbeiten, um zu retten, was zu retten ist, um den Volksstaat vor der Vernichtung zu bewahren und dann ein neues, besseres und schöneres Deutschland nach ihren Ideen aufzubauen. [... ] Ludendorffs Talente seien nicht anzuzweifeln, aber politisch sei er uns höchst verhängnisvoll gewesen. Er hatte den Ehrgeiz, ein politischer Führer zu sein, obwohl er nur der Vollstrecker des Willens einer konservativen Klique war. [...] Nationale Verteidigung ist schön und hehr, wenn sie möglich uns das Ziel lockend ist. Aber um der sog. Ehre willen noch weitere Hunderttausende zu opfern, den Krieg über den Winter hinaus fortzusetzen, im nächsten Frühjahr unsere schöne Rheinprovinz verwüsten zu lassen und schließlich einen noch schlechteren Frieden annehmen zu müssen, dazu sagen wir nein und abermals nein. Wilson wollen wir sagen, daß er an seinen Idealen festhalten muß, daß es danach keine Unterdrücker und Unterdrückte geben kann; wir wollen ihm zurufen, in was für einem Urteil er in der Geschichte dastehen würde, wenn er sich von den kapitalistischen Eroberungsgelüsten im gegnerischen Lager bestimmen ließe. Eine unmittelbare Gefahr liegt für unser Rheinland noch nicht vor. Wir sehnen den Frieden herbei und hoffen, daß er nicht mehr fern ist. Wir wollen kein Bettlervolk werden, sondern gleichberechtigt an der Tafel der Völker sitzen und mit ihnen gemeinsam eine neue Welt aufbauen, in der der Mensch das Maß aller Dinge ist, in deren Mittelpunkt nicht mehr der Profit steht, wo vielmehr „Gleichheit alles dessen gilt, was Menschenantlitz trägt.“ – An der Aussprache beteiligten sich vier Redner, deren Ausführungen in dem überfüllten Saale fast gar nicht zur Geltung kamen. Der Abgeordnete Meerfeld antwortete ihnen. Auf die Frage, wann wir Frieden bekommen werden, sagte er: Ein weiterer Widerstand, etwa den Winter hindurch, wäre Wahnsinn. Wir müssen so bald wie möglich Schluß zu machen suchen. Der Schluß wird kommen, weil er kommen muß. Den Bolschewismus brauche man in Deutschland nicht zu fürchten, die Verhältnisse seien doch hier ganz anders als in Rußland. Regelrechte Putsche seien nicht ausgeschlossen, könnten aber durch die Einigkeit der Arbeiterklasse, durch die Klugheit der Regierung und durch soziale Reformen vermieden werden.[...]
Wenn wir auf die zum Teil sehr anfechtbaren Ausführungen des Abg. Meerfeld nicht erwidern, so tun wir das nur um des neuen Burgfriedens willen. Eine baldige und ihn und seine Utopien gründlich in ihrem wahren Lichte beleuchtende Antwort wird übrigens Meerfeld sicher von niemand geringerem als – Wilson erhalten.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Einschränkung der Personenzüge. Durch die zahlreichen Erkrankungen an Grippe – gegenwärtig sind 45.000 Bedienstete im Betriebe der preußisch-hessischen Staatseisenbahn infolge der Grippe dienstunfähig – müssen zur Gewinnung von Lokomotiv- und Zugbegleitpersonal weitere Zugeinschränkungen vorgenommen werden. Diese Maßnahme ist in erster Linie erforderlich, um ernste Schwierigkeiten bei der Abwickelung des kriegswichtigen und des Nahrungsmittelverkehrs, insbesondere bei der Kartoffelversorgung, abzuwenden. [...]
Der gestrige geschäftsfreie Sonntag brachte regen Verkehr in unserer Stadt. In den Geschäftsstraßen flutete in den Nachmittags- und Abendstunden eine solch große Menschenmenge, wie man sie sonst nur an den freien Sonntagen vor Weihnachten gewohnt ist. Den Hauptprofit an diesem Massenbesuch hatten die Vergnügungslokale, die sämtlich ausverkaufte Häuser zu verzeichnen hatten.
Mehr Butter. Die Einfuhr von Butter aus den Niederlanden ist wieder gestattet.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Im Reiche der modernen Zauberei. Am Donnerstag und Freitag abend jeweilig 7½ Uhr wird unser bekannter Bonner Zauberkünstler, Herr A. Kretschmar, im großen Saale des Bonner Bürgervereins eine Anzahl neuer Zauberstücke zur Darstellung bringen. Wir hatten wiederholt Gelegenheit, die Kunst des äußerst begabten Zaubermeisters zu bewundern und zu würdigen. Er reicht mit seinen Darbietungen vollkommen an die Kunst unsere gefeiertesten Meister heran und verdient ein volles Haus. Es sei außerdem bemerkt, daß Herr Kretschmar stets im Soldatenheim und auch in den Lazaretten stets gerne mit seiner Kunst die Verwundeten erfreut.
Gegen die Geldhamsterei schreibt die Bonner Handelskammer: In letzter Zeit ist beobachtet worden, daß weit über den eigentlichen Bedarf hinaus bei Sparkassen und Banken Bargeld abgehoben worden ist. Uebertriebene Angst, Gedankenlosigkeit und Kleinmut sind die Ursachen dieser Erscheinung. Auch nichtswürdige Agenten, vom Feinde bezahlt, haben ihre Hände im Spiel und suchen durch unwahre Gerüchte die Bevölkerung zu pflichtvergessenem Tun zu bringen. Ungebrochen ist unsere Front im Felde, ungebrochen unsere Kraft im Inneren. Ein Grund zu feiger Furcht ist nicht vorhanden. [...] Die Zeit erfordert, daß ein jeder sich seiner Pflichten als Staatsbürger bewußt bleibt und in der Erfüllung dieser Pflichten nicht erlahmt. Die ganze Welt blickt auf uns und unser Tun. Deshalb sei ein jeder besorgt, daß wir uns nicht schämen müssen, Deutsche zu sein. Wenn durch Geldhamsterei ein Mangel an Bargeld entstanden ist, so ist er doch nur vorübergehend und wird in kurzer Zeit behoben sein. In Ueberweisungs- und Verrechnungsverkehr kann nach wie vor in jeder zuständigen Summe ausgeglichen werden. An die Geschäftswelt ergeht die dringende Mahnung, daß sie den Spar- und Bankverkehr in seitherigem Maße aufrecht erhält und alles überflüssige Geld an Banken und Sparkassen unverzüglich abführt.
Die Handelskammer zu Bonn
F. Soennecken, Vorsitzender. Dr. Uhlitzsch, Syndikus.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Dienstag, 29. Oktober 1918
Schwerbeschädigte im Berufsleben. Das Vorurteil gegen die Wiederbeschäftigung Schwerbeschädigter ist bei den privaten Unternehmen noch immer nicht ganz geschwunden, obwohl die bisher gesammelten Erfahrungen die Verwendbarkeit solcher Leute einwandfrei nachgewiesen hatten. Unter Schwerbeschädigten versteht man im allgemeinen solche, die mit Renten von 50 Prozent oder mit höherer Rente entlassen wurden. Daß diese Leute noch sehr gut als Arbeiter ihr Fortkommen zu finden vermögen, das haben die Versuche in den technischen Betrieben zur Genüge gezeigt, so in den Munitionsbetrieben, bei den Bekleidungsämtern, in den militärischen Betrieben, wo die Heeresverwaltung selbst eine große Zahl von Kriegsbeschädigten mit gutem Erfolg beschäftigt. [...]
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Der Einsender des Artikels „Schließung des Viktoria-Bades“ hat Recht, jedes Wort von ihm möchte ich und mit mir viele, unterschreiben. Es ist jetzt an der Zeit, mehr an die Gesundheit des Volkes als an seine Unterhaltung zu denken. Außer der Volksernährung ist gewiß der Volkshygiene das Hauptinteresse entgegenzubringen. Wohl durch den Mangel an Seife bedingt, hat leider die Reinlichkeit der Menge sehr nachgelassen. Heim-Badegelegenheit findet man bedauerlicherweise in Bonn fast nur in ganz großen Wohnungen; darum muß das öffentliche Bad gerade jetzt aufbleiben, um es denen, welche daheim weder Dusche noch Wanne haben, zu ermöglichen, heiße und kalte Bäder zu nehmen. Ja nicht einmal erhöhen sollte man die Preise, da doch hauptsächlich Mittelstand und Volk die Anstalt besucht und vor allem das Schwimmbad viele viele Kinder. Wäre es nicht möglich, einen billigen Tag einzuschalten?
Die Schulen wurden geschlossen um weiteren Ansteckungen vorzubeugen, aber fest eng aneinandergedrückt stehen Frauen und Kinder bei Sturm und Wetter mit schlechtem Schuhwerk und warten, warten. Die Zwiebeln und Fische und anderes werden an einigen Stellen verausgabt. Warum nicht in den Spezereigeschäften? Seit Jahren sieht man zu allen Zeiten des Tages Frauen und Kinder auf den Milchmann warten. Auf dem Hof des Milchhändlers stehen sie immer noch Reihe, weil der Händler die Milch nur zwischen 3 und 5 Uhr verausgaben kann. Jetzt bringen Frauen und Kinder, wie dies im Sommer geschah, die Milch sauer nach Hause, aber dafür eine Krankheit, die sie sich im Regen geholt. Es ist Krieg? Und es ist nicht zu ändern? Vielleicht doch. In Straßburg hatte man z. B. bei Beginn des Krieges Milchläden eingerichtet. Nie sah ich dort Frauen und Kinder auf der Straße stehen und warten – warten. Und dieses Stehen und Warten während des Krieges hat gewiß geschadet, abgesehen davon, daß auch für sie der Spruch gilt „Zeit ist Geld“. L. W.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Eingesandt“)
Heringsteilhaber gesucht. Bekanntlich wird in dieser Woche auf zwei Warenkarten ein Hering ausgegeben. Diese Anordnung, die dem Mangel „an Masse“ entsprungen ist, hat unter den alleinstehenden Personen große Beunruhigung hervorgerufen, da sie befürchten, bei der Austeilung zu kurz zu kommen. Die Folge ist, daß vielfach Einzelpersonen sich mit Freunden und Bekannten zusammentun, um wenigstens einen halben Hering zu retten. Daß es aber auch noch Leute gibt, die wirklich alleinstehen, also weder Freund noch Bekannte haben, geht aus einer Anzeige in der heutigen Nummer unseres Blattes hervor, wonach eine alleinstehende Dame eine Partnerin zum Ankauf eines städtischen Herings sucht. – Wie wir verraten können, ist die Furcht der „Alleinstehenden“ unbegründet, da auch auf die einzelne Warenkarte halbe Heringe verabfolgt werden. Inzwischen hat sich bereits ein Wohltäter gemeldet, der in hochherziger Weise der alleinstehenden Dame seine zwei Heringe ablassen will.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Unterhaltungen Dienstag, den 29. Okt. Lustspiele: Groß-Bonn (mit Weinklause) 8 Uhr. Lichtspiele: Im Stern ½4 Uhr, Metropoltheater 4 Uhr, Konzerte: Gangolfhaus 4 Uhr, Fürstenhof 4 Uhr.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Mittwoch, 30. Oktober 1918
Eine Totenfeier zu Ehren gefallener Krieger veranstaltet der Kreis-Kriegerverband Bonn-Stadt am Nachmittag des Allerheiligentages auf dem Nordfriedhofe (Ehrenfriedhofe). Die Bonner Liedertafel wird wieder mitwirken.
Auf den Friedhöfen herrscht seit einigen Tagen rege Tätigkeit. Es gilt, die Ruhestätten der Verstorbenen für das bevorstehende Allerheiligen- und Allerseelenfest instandzusetzen. Die Zahl der frischen Gräber ist heuer zu Allerheiligen größer als sonst; denn die Grippe mit ihren häufigen bösen Folgekrankheiten hat manches Menschenleben dahingerafft.
Die Tätigkeit der Gendarmen auf den Bahnhöfen. Von amtlicher Stelle gehen uns folgende Ausführungen zu, die dazu beitragen sollen, das Verständnis zu heben für die Notlage, aus welcher heraus die Tätigkeit der Gendarmen und sonstigen Kontrollorgane auf den Bahnhöfen usw. als unabweisbare Notwendigkeit erscheint, und um der Mißstimmung, welcher diese Tätigkeit oft begegnet, entgegenzuwirken.
Sieben Pfund Kartoffeln in der Woche erscheinen wohl jedem zu wenig. Und dennoch sind zahlreiche Menschen, ohne daß sie es wollen, tagaus, tagein am Werke, auch diesen Mindestbetrag von sieben Pfund pro Woche zu gefährden. Es sind das die Leute, die täglich im großen wie im kleinen Hamsterverkehr Kartoffeln ohne Erlaubnis aufkaufen. Die von ihnen gehamsterten Kartoffelmengen summieren sich derartig, daß Zweifel aufkommen müssen, ob das Land imstande sein wird, die zur Lieferung von sieben Pfund pro Kopf und pro Woche erforderlichen Mengen noch aufzubringen. [...]
Es kann daher gar nicht eindringlich genug darauf hingewiesen werden, daß die Kontrollorgane – Gendarmen und Polizei – mit ihrer Tätigkeit lediglich den Interessen der Gesamtmasse des Volkes dienen und daß sie bei der Erfüllung ihrer Pflichten auf ein Verständnis für die Notwendigkeit ihrer Tätigkeit Anspruch haben. [...]
Volkszählung, Einquartierung, Kartoffeln.
Am 4. Dezember d. J. findet wiederum eine Volkszählung statt. Sie hat vornehmlich den Zweck, eine Grundlage für die Zuteilung der Nährmittel zu geben. Aus diesem Grunde ist es von äußerster Wichtigkeit, daß die Einwohnerzahl unter allen Umständen genau erfaßt wird.
Die Feststellungen, die die Bezirksverwalter in den letzten Tagen über eine etwaige Einquartierung gemacht haben, sind in vielen Familien dahin aufgefaßt worden, daß nun sofort mit der Einquartierung gerechnet werden muß. Das ist jedoch keineswegs der Fall. Die städtische Verwaltung wird nach wie vor in erster Linie versuchen, die Einquartierung in öffentlichen Gebäuden, Schulen usw. unterzubringen und sie nicht in die Bürgerquartiere zu legen. Nur in dem Fall, daß bei einer etwaigen Demobilmachung die Belegziffer sehr erheblich wird, muß auf Bürgerquartiere zurückgegriffen werden, und dafür sind jetzt die Feststellungen gemacht worden, damit auf Grund dieser Feststellungen ein Einquartierungskataster in aller Ruhe und Sachlichkeit bearbeitet werden kann.
[...]
Die fleischlosen Wochen
haben noch immer wieder zahlreiche Verstöße in einzelnen Haushaltungen mit sich gebracht. Es darf aber nicht sein und kann nicht weiter geduldet werden, daß die harte notwendige Einschränkung unserer an sich sehr schmalen Fleischversorgung nur für einen Teil der Bevölkerung gilt, während der andere im Wege heimlicher Versorgung sich fortgesetzt über diese Kriegmaßnahme hinwegsetzt. Das Gewissen der letzteren kann daher nicht eindringlich genug geschärft werden. Leider gibt es noch immer Menschen, die sich keiner irgendwie gearteten Verbrauchsbeschränkung unterwerfen und für die natürlich die fleischlosen Wochen auch nicht bestehen. Da muß endlich die Selbstzucht der Bürger eingreifen und sie an den Pranger stellen. [...]
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Erhöhung der Lustbarkeitssteuer. Die Stadtverordneten werden sich am Donnerstag mit der Abänderung der bisherigen Lustbarkeitssteuer-Ordnung befassen. Der Finanzausschuß empfiehlt eine Erhöhung der Lustbarkeitssteuer in der Weise, daß die Kartensteuer für jede angefangene halbe Mark Eintrittsgeld um 5 Pfg. heraufgesetzt wird. Zu den Pauschsteuersätzen soll ein Zuschlag von Hundert zu Hundert erhoben werden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Ortskohlenstelle gibt bekannt, daß die Kohlenmarken für Oktober, die wegen Mangel an Arbeitskräften nicht beliefert werden können, im November ihre Gültigkeit weiter behalten.
Festgenommen wurden drei Fahnenflüchtige. In der gemeinsamen Wohnung fand die Polizei ein frischgeschlachtetes Schwein, das die drei in der Nacht zum Sonntag in Alfter gestohlen haben. Auch haben sie schon in der Nacht zum 25. Oktober in Alfter Hühner und Wäsche gestohlen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Donnerstag, 31. Oktober 1918
Die Wohnungen der Ueberängstlichen. Die zuständigen Stellen sind von maßgeblicher Seite angewiesen worden, ihr besonderes Augenmerk auf die Wohnungen zu richten, die von Ueberängstlichen schon verlassen worden sind. Diese Wohnungen sollen aufgrund des Notstandsgesetzes an erster Stelle für Wohnungsbedürftige mit Beschlag belegt werden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Auf dem Bonner Wochenmarkt waren gestern unter anderem auch ausnahmsweise einmal Baumnüsse und Eßkastanien zu haben, ebenfalls Mispeln und Quitten. Sonst war der Markt im allgemeinen nicht besonders gut beschickt. Der Verkauf war aber durchweg flott. Hauptsächlich war Gemüse, Endivien- und Feldsalat sowie Kleinzeug vorhanden. Wirsing kommt in letzter Zeit etwas reichlicher auf den Markt, Rotkohl dagegen im öffentlichen Verkehr überhaupt nicht. Auch gabs wieder hier und da hiesige Trauben, Knoblauch, Teltower Rübchen, Senf- und Einmachgurken, sowie hiesige Tomaten, letztere aber überwiegend unreif und grün. Hiesiger Blumenkohl war in teils schöner Ware von 70 Pfg. das Stück an zu haben, dicke Sellerieknollen von 25 Pfg. das Stück an. Auf unserem Großmarkt auf dem Stiftsplatz waren die Zufuhren gestern nicht nennenswert. Auch der städtische Verkauf auf dem Wochenmarkt hatte gestern nicht viel Auswahl an Waren, auch der Verkauf ließ zu wünschen übrig. An Weißkohl wurde noch jede gewünschte Menge abgegeben, hiesige Zwiebeln nur drei Pfund pro Person zu 28 Pfg. das Pfund gegen Warenkarte Nr. 6. Außerdem wurden noch Kohlrabien, Kürbisse, Mohrrüben, Wirsing, Sellerie und Breitlauch verkauft.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Lichter auf den Friedhöfen verboten. Jede Beleuchtung im Freien ist durch Polizeiverordnung verboten. Aufgrund dieser Bestimmung ist der fromme Brauch, die Gräber am Allerheiligen- und Allerseelentage mit brennenden Kerzen und Lampen zu schmücken, unzulässig.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)