Mittwoch, 1. August 1917
Das städtische Kleider- und Schuhhaus an der Gangolfstraße ist nun eröffnet worden. Schon seit vielen Monaten sind bekanntlich in einer besonderen Annahmestelle gebrauchte Kleider und Schuhe gesammelt worden, damit sie instandgesetzt und dann an Bedürftige abgegeben würden. Mancher Vaterlands- und Menschenfreund hat aus seinen Vorräten an Kleidern das städtische Kleider- und Schuhlager bereichert, aber sehr viele, die es auch könnten, haben das bisher nicht getan; denn es sind erst etwas über 8000 Stück umsonst oder gegen Bezahlung zur Sammelstelle gebracht worden. Was aber sind 8000 Bekleidungsstücke in einer Stadt wie Bonn, zumal da auf Weisung der Reichsbekleidungsstelle der dritte Teil der Männerkleidung auch noch für die heimkehrenden Krieger verwahrt werden muß! Es möge doch jeder seine Schränke und Behälter nachsehen und alles, was er selbst nicht mehr tragen kann oder mag, der städtischen Annahmestelle Martinstraße 18 überweisen, er hilft damit seinen ärmeren Mitbürgern; denn die Kleider- und Schuhnot ist jetzt schon groß, sie wird voraussichtlich noch größer. Wer der Annahmestelle ein gutes Kleidungsstück abgibt, bekommt außer der Bezahlung dafür, wenn er auf diese nicht verzichtet, auch einen Bezugsschein für ein neues Stück.
Im Erdgeschoß des großen Warenhausbaues an der Gangolfstraße (des früheren Kunsthauses Zirkel) befindet sich, wie bisher schon, die Bezugsscheinausgabe. Im ersten Stock ist der Verkaufsraum. In langen Gestellen sind hier die Schuhe und Stiefel, nach Größen geordnet, die Frauen-, Mädchen-, Knaben- und Männerkleider übersichtlich zur Schau gestellt; alle Sachen sind tadellos aufgearbeitet, so daß sie zum großen Teil von neuen Gegenständen nicht zu unterscheiden sind. Die Preise sind für die heutigen Verhältnisse ganz außerordentlich niedrig, sie entsprechen nur den Ausgaben für den Ankauf und die Aufarbeitung. Der zweite Stock dient als Lagerraum für die Vorräte, die einstweilen noch nicht zum Verkauf bestimmt sind. Im Dachgeschoß endlich arbeiten viele Schuhmacher, Schneider und Schneiderinnen emsig an den Stücken, die, vorher keimfrei gemacht, ihnen aus der Annahmestelle an der Martinstraße geliefert werden, um sie möglichst dauerhaft und vornehm wieder herzurichten. Der ziemlich umfangreiche Betrieb wird von erprobten Fachleuten geleitet, den Stadtverordneten Gentrup und Kalt sowie (für Schuhwaren) Herrn Albeck. Verkauft werden vorerst nurSchuhe und Sommerkleidung, und zwar an die Angehörigen der Lebensmittelkarten A sowie an Schwer- und Schwerstarbeiter. Kinderreiche Familien werden bevorzugt. Schwer- und Schwerstarbeiter, die nicht der Klasse A angehören, erhalten nur für ihren eigenen Bedarf Sachen, nicht aber auch für ihre Familienangehörigen. Der verhältnismäßig geringe Vorrat zwingt zur Einschränkung; es wird daher an jede Familie zunächst nur ein Paar Schuhe abgegeben.
Soldatenheim. Der erste Sonntagnachmittag in den neugemieteten Räumen des kath. Vereinshauses, Josefstraße 46, ließ sich sehr vielversprechend an. Schon gleich am vergangenen Sonntag fanden sich die Soldaten zahlreich im Soldatenheim ein, so daß bei der Unterhaltung um 6 Uhr der große Saal des Vereinshauses vollbesetzt war. Kolonnenführer A. Schneider hieß die Feldgrauen herzlich willkommen und sprach die Hoffnung aus, daß das Soldatenheim auch in seiner neuen Verfassung die alte Zugkraft auf die Soldaten ausüben werde. Es wurde dann eine abwechslungsreiche und gediegene Unterhaltung geboten: Chor- und Einzellieder, Gedicht- und Musikvorträge, humoristische Darbietungen und zwei lustige kleine Theaterstücke.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Bonn an der Schwelle des vierten Kriegsjahres. Wenn man in unserem deutschen Vaterlande heute Rückschau hält, dann darf Bonn mit Ehren genannt werden. Bürgerschaft und Verwaltung unserer rheinischen Universitätsstadt haben sich in rascher Erkennung des Ernstes der Ereignisse mit ruhiger Würde, opferfreudigem Sinn und organisatorischem Weltblick in die veränderten Verhältnisse hineingelebt. Vom ersten Mobilmachungstage an, wo außer unserem Königshusaren-Regiment und unseren 160ern zahlreiche Söhne unserer Vaterstadt zum Schutze der Heimat mit hinauszogen, den Feinden entgegen, bis zur heutigen Stunde hat unser zur ernsten Lazarettstadt gewordenes heitere Bonn gezeigt, daß es willig und gern alle schweren Kriegsopfer, von denen niemand in Staat und Reich verschont bleiben konnte, in Liebe und Treue für unsere große gemeinsame Sache mittragen half.
Gar manche wirtschaftliche Existenz ist auch hier im Verlaufe dieser drei Kriegsjahre gefährdet oder vernichtet worden. Gar manche Familie hat der Krieg durch Not und Tod auf den Schlachtfeldern seelisch und gar manchesmal auch wirtschaftlich hart getroffen, und die wachsenden Ernährungsschwierigkeiten, wie die Verteuerung der Lebenshaltung überhaupt, haben namentlich dem Mittelstande arge Wunden geschlagen.
So weit die Möglichkeit vorlag, hat unsere städtische Verwaltung eingegriffen, und es ist uns eine gewisse Genugtuung, daß gar manche unserer kriegsorganisatorischen Maßnahmen von anderen rheinischen Kommunalverbänden als mustergültig beurteilt werden.
Daß man auch in Bonn dankerfüllt allezeit unserer lieben Feldgrauen an der Front in diesen drei Jahren der Kämpfe und stolzen Erfolge gedacht hat, das bewies die Unzahl von Feldpostpaketen, die hinausgingen, das zeigte sich an den Zuwendungen, die dem freiwilligen Hilfsausschuß, unseren Lazaretten, dem Roten Kreuz, dem Bonner Lazarettzug, dem Vaterländischen Frauenverein, der Bonner Volksspende, der Arndteiche und den zahlreichen vaterländischen Sammlungen im Verlaufe der drei Kriegsjahre zuteil wurden. Nicht zuletzt bekundete sich der zielbewußte Sinn unserer Bürgerschaft für unsere deutsche Sache durch die rege Beteiligung an den Zeichnungen für unsere Kriegsanleihen.
Wenn wir die Verhältnisse ungeschminkt betrachten, wie sie sich in den drei Kriegsjahren bei uns hinter der Front entwickelt haben, so muß man allerdings bekennen, daß sich in Bonn und seiner mit einem fruchtbaren Boden reich gesegneten Umgebung neben der Entwicklung eines unversieglichen, prachtvollen vaterländischen Opfersinnes, der trotz der Hingabe von Gut und Blut allseitig lebendig geblieben ist, auch manche häßliche Schatten über unsere rheinischen Fluren gesenkt haben. Die Geldbörse gar mancher reichen Hausfrau hat, um es in dürresten Worten zu sagen, ein betrübendes Bündnis geschlossen mit der Gewinnlust des gewerblichen Handels mit landwirtschaftlichen wie sonstigen Erzeugnissen. Die Folge dieses der Sorge um die nächsten Angehörigen entsprungenen Vorgehens ist, daß wir an der Schwelle des vierten Kriegsjahres in Bonn Gemüse und Obst, das am Vorgebirge gezüchtet wird, nur zu wucherischsten Preisen ergattern können. Alle Ermahnungen unserer Behörden an unsere begüterten Hausfrauen, nicht durch wilde Preisangebote dem Beamten und Arbeiter die Lebenshaltung bis zur wirtschaftlichen Erdrosselung zu erschweren, sind ohne vollen Erfolg geblieben.
An dieser bedauerlichen Tatsache gemessen, muß man dem Mittelstande und dem Arbeiter es an der Schwelle des vierten Kriegsjahres besonders danken, daß er in ruhiger Zuversicht auf den endgültigen Sieg unserer deutschen Waffen sich tapfer durchringt. Dank gebührt aber auch dem Unternehmertum, das durch Teuerungszulagen es den Arbeitern und Angestellten vielfach ermöglicht hat, die Not der Zeit einigermaßen zu überwinden.
Wenn wir an der Schwelle des vierten Kriegsjahres für unseren landwirtschaftlich so reich gesegneten Bonngau einen Wunsch äußern sollen, so ist es der, daß das Verantwortlichkeitsgefühl in allen Schichten unserer Bevölkerung dafür wachsen möge, daß nicht das hämische Franzosenwort: „Jeder für sich, Gott für uns alle“, sondern die deutsche Losung: „Alle für einen, einer für alle“ mehr nachgeachtet werde, denn mehr wie je gilt für das beginnende vierte Kriegsjahr nicht nur militärische und politisch, sondern auch in der bedeutsamen Ernährungsfrage das Wort des Freiheitsdichters: „Nimmer wird das Reich zerstöret, wenn wir einig sind und treu.“
Kartoffel-, Gemüse- und Brotversorgung in Bonn. Von amtlicher Stelle wird uns berichtet: Die Kartoffelzufuhr ist zur Zeit im allgemeinen gut, obgleich es sich noch immer nicht klar übersehen läßt, in welcher Weise die Belieferung der nächsten Wochen ausgeführt werden wird. Die Witterung ist in den letzten Tagen für die Entwicklung der Winter-Kartoffeln gut gewesen. Ende dieser Woche werden voraussichtlich die Kartoffeln für 14 Tage, also für die Zeit vom 6. bis 20. August ausgegeben. Das geschieht aus dem Grunde, um die städtischen Lager zu entlasten. Es wird jedoch dringend empfohlen, die gekauften Frühkartoffeln im Privathaushalt sorgfältig am kühlen, luftigen Ort aufzubewahren und mit der Menge haushälterisch umzugehen.
Die Gemüsezufuhr beginnt auch besser zu werden. Erfreulicherweise haben die Hamsterfahrten auf das Land etwas nachgelassen. Auch die Höchstpreis-Uebertretungen sind nicht mehr so zahlreich, obgleich eine große Zahl von Hausfrauen sich noch immer nicht daran gewöhnen kann, daß nur durch eine straffe Zucht das erstrebte Ziel für die Allgemeinheit erreicht werden kann. Wir haben eine so reichliche Kohl- und Bohnenernte wie selten. […]
Die als Brotersatz ausgegebene Fleischzulage wird am Samstag, 11. August zum letzten Male verteilt. Vom 13. August ab wird dann die erhöhte Brotration ausgegeben, und zwar erhalten dann die Versorgungsberechtigten anstelle der bisherigen 3 Pfund – 3½ Pfund, die Schwerarbeiter anstelle der 4½ Pfund – 5 Pfund, die Schwerstarbeiter anstelle der 5½ Pfund – 6 Pfund, die hoffenden und stillenden Frauen anstelle der bisherigen 5 Pfund – 6 Pfund Brot. Leider ist es noch nicht möglich, die Zulagen an die Jugendlichen wieder einzuführen. […]
Die Wohnungsfrage in Bonn. Die Frage, ob wir nach dem Kriege mit einer Wohnungsnot, besonders mit einem Mangel an Kleinwohnungen werden zu rechnen haben, dürfte für die meisten Städte unbedingt bejaht werden. Schon jetzt macht sich an verschiedenen Orten Wohnungsmangel bemerkbar. […] In Bonn betrug der Zugang an neuen Wohnhäusern 1912 102, 1913 31, 1914 50, 1915 20, 1916 aber nur 7. Der Zugang an neuen Wohnungen betrug 1912 205, 1913 231, 1914 174, 1915 49, 1916 aber nur 11. […]
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Godesberg, 1. Aug. Die Obstdiebstähle mehren sich hier täglich. Zumeist sind es fremde Ausflügler, die gelegentlich ihres Besuches eine Kostprobe vom Godesberger Obst stibitzen wollen. Am Samstag nachmittag hatten zwei Herren aus Köln ihre zwei Rucksäcke mit Aepfeln aus einem eingefriedeten Garten am Burgfriedhof gefüllt. Auf ihrem Weitergange dieserhalb gestellt, ließ der eine seinen gefüllten Rucksack im Stich und entkam durch die Flucht; der andere entkam mit seiner Beute. Zwei aus der Flur zurückkehrende Frauen wurden ihre mit Aepfeln gefüllte Säcke beschlagnahmt, da sie über deren rechtmäßigen Erwerb sich nicht ausweisen konnten.
Geislar, 30. Juli. Man schreibt uns: In der hiesigen Gemarkung mehren sich die nächtlichen Felddiebstähle in erschreckender Weise. Ganze Kartoffeläcker, Bohnen- und Gurkenfelder werden abgeräubert, und was noch übrig bleibt, wird verdorben. Vor einigen Nächten wurde sogar geschnittener Roggen, der auf Haufen stand, im Felde gedroschen und dann mitgenommen. Was von den Dieben nicht gesammelt werden konnte, wurde in die Erde getreten. Das schlimmste bei der Sache ist, daß es meist arme Leute sind, die von den Dieben heimgesucht werden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und Fern.“)
Donnerstag, 2. August 1917
Einschränkung des Gasverbrauchs. Eine Verordnung des Reichskommissars für Elektrizität und Gas, Professor Fiedler, verbietet neue Hausanschlüsse sowie das Aufstellen von Gasbade- und Gaszimmeröfen. Die öffentliche Beleuchtung ist weitestgehend einzuschränken. Die Vertrauensmänner, die bei jeder Gasanstalt zu ernennen sind, sind berechtigt, den Gebrauch von Gaszimmeröfen zu verbieten. Verboten wird ferner das Brennen von Leuchtflammen und Kocheinrichtungen zu Raumheizungszwecken. Zuwiderhandlungen gegen diese Bestimmungen ziehen die Absperrung der Gaszuleitung nach sich, wie auch Gefängnisstrafen bis zu einem Jahre und Geldstrafen bis zu 10.000 M. oder eine dieser beiden Strafen. Es dürfen monatlich nur 80 v. H. der im gleichen Monat des Vorjahres verbrauchten Gasmenge bezogen, für den Mehrverbrauch soll ein Aufgeld von 50 Pfg. für jedes Kubikmeter gezahlt werden. Diese Einschränkung gilt auch für die kriegswichtigen Betriebe. Ausnahmen sind im allgemeinen nur für unmittelbare Kriegszwecke, Massenspeisungen, Lazarette, Krankenhäuser, Eisenbahnbetriebsmittel und Wasserwerke zulässig, und zwar auch zunächst nur bis zum 1. Oktober 1917.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Vorträge. Am gestrigen dritten Jahrestage der Kriegserklärung veranstaltete der Liberale Bürgerverein im großen Saale der „Lese“ eine stimmungsvolle Gedenkfeier. In einer ernsten Ansprache legte der Redner des Abends, Geheimrat Professor Litzmann von der Universität, dar, daß es vor allem nötig sei, in dieser schweren sorgenvollen Zeit uns wieder zu uns selbst zu finden aus der Enge und den Nöten des Werktages, die Herzen emporzureißen und die Blicke und Gedanken auf das zu lenken, was uns allen gemeinsam ist und bleiben muß, auf die Ziele, die vor drei Jahren uns aufgingen als leuchtende, tröstende Gestirne, und zu erkennen, daß diese Ziele: fest geschlossene Einheit des ganzen Volkes vom Kaiser bis zum jüngsten Arbeiter, und der unerschütterliche Wille zu siegen noch heute dieselben sind, wie damals, als das Wort vom Throne klang: „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche.“ Der Friede aber, den wir alle ersehen, darf kein Verständigungsfriede sein, wie der zu Münster und Osnabrück von 1648, sondern ein Friede und eine Verständigung auf unsere Art, für die unsere Heeresleitung die Richtlinien geben wird. Wir müssen im Hinblick auf unsere Kinder und die kommenden Geschlechter den äußeren Zwang dieser Zeit in eine innere Kraft verwandeln, dann werden wir einen Sieg und einen Frieden erringen, dessen wir uns aus ganzem Herzen und aus freier dankbarer Seele freuen dürfen.
Vereinslazarettzug K 1 Bonn. Der Bonner Lazarettzug hat die Verwundeten von der 72 und 73. Fahrt in Aachen, Bonn, Neuenahr und Ahrweiler ausgeladen. […]
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Freitag, 3. August 1917
Wucherische Auswüchse im Tabakhandel. Der erste Vorsitzende des Zentralverbandes deutscher Zigarrenfabrikanten, Herr Ludwig Korte in Bonn, schreibt uns: „Wenn in dieser Gegend zurzeit Rauchtabak zu 10 Mark das Pfund feilgeboten wird, so steht dies in keinem Verhältnis zum Herstellungswerte. Rauchtabak ist bei dem stark gewalzten Rippenzusatz mit Nutzen gut noch zu 3,50 Mark bis höchstens 4,50 Mark das Pfund zu verkaufen. Darüber hinausgehende Forderungen sind wucherische Auswüchse. Im Interesse des reellen Handels und zum Schutze des Gesamtgewerbes muß ich daher alle warnen, die entweder Schmugglerware bei Zollhinterziehung oder in Deutschland hergestellten Rauchtabak zu übermäßig hohen Preisen verkaufen.“
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Warnung vor Ueberschreitung der Höchstpreise. Der Vorsitzende des Kreisausschusses Bonn-Land veröffentlicht in der vorliegenden Nummer unseres Blattes eine Warnung an die ländlichen Erzeuger vor Ueberschreitung der Höchstpreise im Obst- und Gemüseverkehr. Da alle Belehrungen an den Versandstationen des Landkreises nicht vermocht hätten, Ordnung zu bringen, sei der Revisor der Bezirkspreisprüfungsstelle mit Zustimmung des Landrats zu umfangreichen Beschlagnahmungen geschritten. In Zukunft würden die Versandt- und Höchstpreisvorschriften für Gemüse und Obst aufs Schärfste gehandhabt werden, ohne Rücksicht darauf, ob die Sendungen an Private oder an Kommunalverbände gingen. Ehrenpflicht der ländlichen Erzeuger sei es, die Ernährung der städtischen Bevölkerung nicht unnötig oder aus Eigennutz zu verteuern.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Wo bleibt die Kundgebung unserer Siegesfreude? Allabendlich versammelt sich vor den Geschäftslokalen unserer Zeitungen die Menge, um den Kriegsbericht entgegenzunehmen. In den letzten Tagen meldet er Sieg auf Sieg. Unsere verbündeten Heere tragen Waffenerfolge davon, wie sie einzig in der Weltgeschichte dastehen. Und doch zeigt sich an keinem Fenster eine Fahne. Mit nüchterner Alltagsstimmung bildet die Lebensmittelfrage den Gegenstand müßigen Geredes, läßt man die Schuljugend den Blick nicht aus den Büchern tun. Wenn je, gilt es jetzt, wo jeder Lichtblick am grauen Himmel begrüßt werden sollte: Heil und Sieg, die Fahnen heraus, der Jugend der freie Tag, den ihr löblicher Brauch bei viel kleineren Siegen bescherte! B. G.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Festgenommen wurde eine 19jährige Witwe die im Verdacht steht, ein Verbrechen gegen § 218 Str.-G.-B. begangen zu haben.
Verhüteter Unfall. Um Haaresbreite wäre gestern nachmittag in der Sternstraße ein Herr von der Elektrischen überfahren worden, wenn nicht durch die Geistesgegenwart der Führerin der Wagen im letzten Augenblick zum Stehen gebracht worden wäre. Der Herr, welcher schon dicht vor den Rädern lag, bekam von dem Schrecken einen Ohnmachtsanfall und mußte in ein Haus gebracht werden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Godesberg: […] Kriegskinderkrippe. Um möglichst viele Kräfte in dieser schweren Zeit für die so notwendige Arbeit frei zu machen, hat der hiesige Zweigverein des Katholischen Frauenbundes Deutschlands sich entschlossen, eine Kriegskinderkrippe für Tag- und Nachtpflege einzurichten. Es werden dort Kinder bis zu 2 Jahren aufgenommen und gegen mäßige Vergütung tagsüber, und wenn nötig, Tag und Nacht, gut verpflegt, da eine erfahrene, in der Säuglingspflege ausgebildete Schwester der Krippe vorsteht. Am Mittwoch den 1. August wird die Kriegskinderkrippe in Godesberg-Rüngsdorf, Kapellenstraße 2, ihre Tätigkeit beginnen und sind Anmeldungen hierzu möglichst bald dort erbeten von vormittags 8 – 12 und nachmittags 2 – 7 Uhr. Es wird aber darauf hingewiesen, daß nur solche Kinder aufgenommen werden, deren Mütter durch notwendige Arbeit verhindert sind, selbst für ihre Kleinen zu sorgen. Es wird diesen Müttern eine Erleichterung und ein Trost sein, ihr Liebstes in guter Hut zu wissen. Möge diese zeitgemäße Einrichtung viel Gutes wirken. […]
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Von Nah und Fern“)
Samstag, 4. August 1917
Wegen der Wiedereroberung von Czernowitz, die der gestrige Tagesbericht unserer Heeresleitung meldet, läuteten gestern nachmittag in Bonn die Glocken aller Kirchen. Zahlreiche Häuser, vor allem auch die öffentlichen Gebäude, legten Fahnenschmuck an.
Unverantwortliches Treiben von Frauen und Jugendlichen. Unsere feldgrauen Brüder stehen in den schwersten und blutigsten Entscheidungskämpfen, die die Weltgeschichte gesehen hat. Eine herrliche und lebendige Mauer schützt und schirmt die Daheimgebliebenen. Unser Vaterland ist in treuester Hut. Die Feinde können ihm nichts anhaben. Aber im Innern des Lands stecken leider noch manche schlimmen Feinde. Das sind neben den Kleinmütigen die unvernünftigsten Elemente unter den Frauen und Jugendlichen, deren unverantwortliches Treiben bei Ausständen und Unruhen vom deutschen Volk einmütig aufs schärftste verurteilt wird. Nach § 89 des Strafgesetzbuches wird ein Deutscher, der während eines gegen das Deutsche Reich ausgebrochenen Krieges der Kriegsmacht des Deutschen Reiches vorsätzliche Nachteile zufügt, wegen Landesverrat bestraft. Wenn nicht mildernde Umstände zugebilligt werden, kann Zuchthausstrafe bis zu 10 Jahren verhängt werden. Zur Erfüllung des Tatbestandes des Landesverrates ist nicht erforderlich, daß bei dem Täter eine sogenannte feindliche Absicht vorliegt. Ob die Handlung ihm nur Gewinn bringen sollte oder ob sie politischen oder wirtschaftspolitischen Beweggründen entsprang, ist gleichgültig. Nicht der gewollte Endzweck, sondern allein der Umstand ist entscheidend, ob sie den Erfolg haben mußte, der deutschen Kriegsmacht Nachteile zuzufügen, und ob sich der Täter dessen bewußt sein mußte. Damit scheidet der Ausstand in den kriegswichtigen Betrieben während des Krieges als politisches Machtmittel unbedingt aus. Wer sich des Ausstandes trotzdem zur Erreichung bestimmter Zwecke bedient, begeht ein Verbrechen. Nach den öffentlich abgegebenen Erklärungen des Chefs des deutschen Generalstabes und des Chefs des Kriegsamtes kann es nicht mehr zweifelhaft sein, daß eine auch nur vorübergehende Arbeitseinstellung in der Rüstungsindustrie geeignet ist, im gegenwärtigen Kriege die Entscheidung über Sieg oder Niederlage des deutschen Heeres zu beeinflussen. Eine jede solche Arbeitseinstellung muß also der Kriegsmacht des Deutschen Reiches Nachteil zufügen, und wer sie aus irgend welchen Gründen anzettelt, begeht Landesverrat. Keine Frau und auch kein Jugendlicher in Deutschland wird sich des furchtbaren Vorwurfs des Landesverrats aussetzen wollen! Sie wären für immer geächtet. In erster Linie von denen, die draußen an der Schlachtfront täglich das Leben einsetzen für die Daheimgebliebenen, für die Frauen und die heranwachsenden Jugendlichen.
Wegen Vergehens gegen § 175 des Strafgesetzbuches wurden ein früherer Krankenwärter aus Bonn und ein Gemüsehändler aus Duisdorf gestern von der Strafkammer zu je sechs Monaten Gefängnis verurteilt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Schwere Strafen für Felddiebstähle. Um dem in letzter Zeit in erschreckendem Maße zunehmenden Felddiebstahl noch wirksamer als bisher entgegenzutreten, hat der Gouverneur der Festung Köln eine Verordnung erlassen, der zufolge diejenigen, welche Garten- oder Feldfrüchte oder andere Bodenerzeugnisse aus Gärten oder Feldern entwenden oder auch nur zu entwenden versuchen, vor das außerordentliche Kriegsgericht gestellt werden und Strafen bis zu einem Jahre Gefängnis oder bis zu 1500 M. zu erwarten haben. Außerdem hat der Herr Gouverneur es sich vorbehalten, neben der gesetzlichen Strafe auch noch die Sicherheitshaft gegen den Täter zu verhängen. Der vollständige Inhalt dieser Verordnung ist in der heutigen Nummer unseres Blattes abgedruckt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Sonntag, 5. August 1917
Durch einen Dummejungenstreich wurden Freitag abend gegen 7 Uhr in der Colmantstraße die Fahrgäste eines Straßenbahnwagens und die Anwohner erschreckt. Eine kleine, eiförmige Büchse platzte neben dem fahrenden Straßenbahnwagen mit lautem Knall. Es stellte sich heraus, daß die Büchse mit Kalziumkarbid und Wasser gefüllt gewesen war und das durch die Verbindung beider Stoffe entstandene Azetylengas die Büchse gesprengt hatte. Von dem Schreck abgesehen ist niemand zu Schaden gekommen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Keine Beschlagnahme der häuslichen Gemüsevorräte. Aus unserem Leserkreis wird uns geschrieben: Von vielen Hausfrauen wird die Nachricht mit einem Seufzer der Erleichterung begrüßt worden sein, daß die Behörde nicht beabsichtigt, eine Beschlagnahme der eingemachten Gemüse in den privaten Haushaltungen zu veranlassen. Auch in Bonn haben viele Hausfrauen Vorräte an Gemüse und Obst angesammelt und sind noch ständig dabei, weitere Vorräte zu kaufen und zu konservieren. Infolge dieser Maßnahmen sind die Höchstpreise stark überschritten worden und die mittlere und ärmere Bevölkerung war deshalb kaum in der Lage, Gemüse und Obst bisher kaufen zu können. Es fragt sich nun, ob unser Städtisches Lebensmittelamt gewillt ist, im Herbst und Winter einen gerechten Ausgleich herbeizuführen. Wenn die Hausfrauen, die reiche Vorräte an Gemüse und Obst in konserviertem Zustande aufgestapelt haben, sich auch noch an dem Konsum der Städtischen Lebensmittel beteiligen, so ist die mittlere und ärmere Bevölkerung natürlich hinsichtlich der Rationierung der vorhandenen Mengen stark benachteiligt. Herr Beigeordneter Piehl, der bisher mit außerordentlicher Initiative sich der Nahrungsmittelorganisation angenommen hat, sei auf diesen Umstand rechtzeitig hingewiesen. Es dürfte zu überlegen sein, ob nicht im Herbst eine amtliche Bestandsaufnahme für Gemüse und Obst wie überhaupt der vorhandenen privaten Nahrungsvorräte vorgenommen werden soll, um diejenigen Familien, die über eine gewisse Menge hinaus Nahrungsmittelvorräte angesammelt haben, vom Bezug des Städtischen Lebensmittelamtes auszuschließen oder ihr Bezugsrecht entsprechend zu beschränken. Es geht nicht an, daß solche Familien, die infolge ihrer Vermögensverhältnisse in der Lage waren, im Laufe des Sommers für Obst, Gemüse usw. jeden verlangten Preis zahlen zu können, im Winter vor leiblicher Not bewahrt sind, während Handwerkerfamilien, Familien der mittleren und kleineren Angestellten und gewisse Arbeiterkategorien lediglich auf die Zuweisungen des Städtischen Nahrungsmittelamtes angewiesen bleiben und diese Zuweisungen, ihnen womöglich noch durch den Mitkonsum jener Familien beschränkt werden, die jetzt das Einmachen in großem Stil betreiben.
Der Bonner Wochenmarkt war gestern ziemlich gut beschickt. Der Verkauf war durchweg flott. An Gemüse war vorwiegend Wirsing, Rot- und Weißkohl, Spitzkappus, Schneidgemüse, Knollengemüse, hiesiger Blumenkohl und Spinat, sowie Salz-, Senf- und Essiggurken, grüne Bohnen, Tomaten, Möhren, Kohlrabien, Karotten, Kopf- und Endiviensalat, hiesige und pfälzische Zwiebeln, große Gurken, verschiedene Sorten Pilze, Rettiche, Meerrettiche usw. vorhanden. […] Obst war wieder reichlich zu haben, aber immer noch zu verhältnismäßig sehr hohen Preisen. […]
Auf dem Großmarkt auf dem Stiftsplatz waren die Zufuhren in fast allen Marktprodukten etwas besser als anfangs der Woche. In Gemüse, wie Wirsing, Rot- und Weißkohl, Spitzkappus und Knollengemüse ließen die Zufuhren aber immer noch viel zu wünschen übrig. Obst und gelbe und grüne Bohnen waren dagegen reichlich vorhanden. […]
Der städtische Verkauf auf dem Wochenmarkt hatte wieder recht regen Zuspruch, besonders in Fischen, Obst und Einmachbohnen. Einmachbohnen waren große Mengen vorhanden, so daß jeder 20 Pfund zum Höchstpreise von 40 Pfg. für das Pfund haben konnte. […]
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Bitte an das städtische Lebensmittelamt. In nicht mehr allzu langer Zeit wird die billige Fleischzulage wieder verschwinden und der vollen Brotration Platz machen. Im Interesse unseres stark angegriffenen Viehstandes ist dies nur zu begrüßen, aber der überwiegende Teil unserer unbemittelten Bevölkerung würde gerne den alten Zustand beibehalten. Der wahre Grund ist sehr einfach. Die Preise für die Fleischrationen der Reichsfleischkarte sind so hoch, daß besonders die kinderreichen Familien nicht in der Lage sind auch nur annähernd ihre Fleischkarten auszunützen, zumal wenn der Vater im Felde steht, oder ein den heutigen Verhältnissen entsprechend geringes Einkommen hat. Die Folge davon ist, auch wenn es hundertmal verboten ist, daß die armen Frauen den Metzgern gern die übrigen Fleischabschnitte schenken oder direkt an Besserbemittelte abgeben, um irgend eines kleinen Vorteils wegen. Diesem Zustande wäre leicht abzuhelfen und die Verbote könnten gespart werden, wenn man nach dem Muster eines ganzen Teils süddeutscher Städte verfahren würde. Dort kann Abteilung A und B die nicht verbrauchten Fleischabschnitte allwöchentlich, zum Teil auch zweimal monatlich, auf dem Lebensmittelamte abgeben und erhält dafür Haferflocken und Mehl. […] Ein kinderreicher Familienvater.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Amtliche Bekanntmachungen. Infolge der Neuregelung der Brotversorgung ist auch für Bonn der Erlaß neuer Bekanntmachungen notwendig geworden. Der Anzeigenteil dieser Nummer enthält diese neuen Verordnungen, nämlich:
1. Verordnung über die Mehl- und Brotversorgung im Stadtteile Bonn.
2. Verordnung über die Bereitung von Backware im Stadtteile Bonn.
3. Verordnung über Höchstpreise für Brot und inländisches Mehl im Stadtteile Bonn.
4. Verordnung über die Kontrolle des Mehlverbrauchs im Stadtteile Bonn.
5. Verordnung über die Abgabe von Zusatzbrot der Schwerarbeiter und der hoffenden und stillenden Frauen im Stadtteile Bonn.
6. Verordnung über die Gewährung einer Brotzulage an die landwirtschaftlichen Schwerarbeiter im Stadtteile Bonn.
Eine Erklärung zur Friedensfrage. 77 Professoren und Privatdozenten der Universität Bonn habne folgende Erklärung abgegeben. „Nachdem das Friedensangebot unserer Regierung abgelehnt und die kürzlich erfolgte Entschließung des Reichstages von einem englischen Staatsmann mit der Aufforderung beantwortet worden ist unsere Truppen auf das rechte Rheinufer zurückzuziehen, halten wir jedes weitere Friedensangebot von deutscher Seite für schädlich. Wir mißbilligen es, wenn eine politische Partei ihre Haltung in der auswärtigen Politik von innerpolitischen Zugeständnissen abhängig macht. Wir halten unverbrüchlich fest an der konstitutionell-monarchischen Grundlage des preußischen Staates und an dem förderativen Charakter des Deutschen Reiches. Wir vertrauen darauf, daß in dem Frieden den unser Kaiser dereinst in schließen hat, den Lebensbedingungen und den geographischen und militärischen Notwendigkeiten Deutschlands Rechnung getragen werde.“
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Montag, 6. August 1917
Die Kartoffeln für diese und die nächste Woche sollen, worauf nochmals hingewiesen sei, bis 9., also Donnerstag, von den Verbrauchern abgenommen werden. Der Zweck dieser Maßnahme ist, die städtischen Lager für weitere Lieferungen freizubekommen.
Der Hofzauberkünstler Bellachini hatte am gestrigen ersten Abend seines mehrtägigen Gastspiels im Bonner Bürgerverein großen Zulauf. Der Künstler führte seine alten und neuen „Nummern“ wieder mit großem Geschick vor und erregte damit die Bewunderung seiner Besucher. Seine mit feinem Humor gewürzten Vorführungen riefen häufig große Heiterkeit hervor.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Ein Flugblatt an die deutschen Frauen und Männer zur freiwilligen Ablieferung von Kupfer, Messing, Rotguß, Tombak, Bronze und Aluminium wird von morgen Dienstag ab durch Bezirksvorsteher des Lebensmittelamts von Haus zu Haus zur Verteilung gebracht. Alles, was im Haushalt, im Geschäft entbehrlich oder leicht ersetzbar ist, muß abgeliefert werden, da unsere Soldaten im Felde es gebrauchen. Wer solche Stücke behält versündigt sich am Vaterland und schwächt unsere Front. Die Sammelstelle bezahlt außer den auf der Rückseite des Flugblattes angegebenen Preisen bis zum 30. September d. J. noch einen Zuschlag von 1 Mark für das Kilogramm. Nach diesem Termin werden die benötigten Metallgegenstände beschlagnahmt, und dann fällt der Zuschlag fort. Wie der jetzige Erfolg in Flandern gegen einen übermächtigen Feind die Früchte unseres festen Zusammenhaltens in unserer Kriegsindustrie bedeutet, so wird das rege Interesse für die jetzt beginnende Metallsammlung für unser ferneres Durchhalten an der Front von weitreichender Bedeutung sein. Gegenüber dieser Aufforderung darf niemand gleichgültig bleiben, dem das Leben unserer Krieger und der Schutz der Heimat gegen den Einbruch unserer Feinde von Wert erscheint. Und wir können es uns nicht vorstellen, daß sich Jemand noch ein Deutscher nennt, der nicht alles von den genannten Metallen auf diesen Aufruf hin freiwillige zur Ablieferung bringt, was im Haushalt, im Geschäft entbehrlich oder leicht ersetzbar ist. Man lese das Flugblatt gründlich und handele danach.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Schule und Haus im Kriege. […] Das Verhältnis zwischen Schule und Haus hat sich aber auch im Hinblick auf die materiellen Bedingungen geändert. Während für die Familien des Mittelstandes die Erschwingung des Schulgeldes und der Kosten für eine gute Kleidung der Schüler und Schülerinnen immer drückender wird, treten an diese Familien von der Schule aus fortgesetzt Forderungen heran, die sich zum Teile aus den allgemeinen vaterländischen Aufgaben ergeben. Von den Schulleitern wird erstrebt, durch Vermittlung der Schulkinder möglichst reiche Mittel für vaterländische Zwecke flüssig zu machen. Sowohl für die Kriegsanleihen wie auch für Sammlungen verschiedenster Art wird von den Schulleitungen anregend auf die Kinder bezw. deren Eltern eingewirkt. Für manche Eltern ergibt sich da der Zustand daß sie zwar nicht recht mittun können, aber mittun müssen, um ihre Kinder in den Klassen nicht in eine schiefe Stellung zu bringen. Dieselben Leute, die das Ueberschreiten der Höchstpreise durch ihren unbegrenzten Geldbeutel verschuldet haben, sind auch in den Schulen durch Uebertreiben der Beiträge tonangebend. Die Kinder der Handwerker und Beamten haben sehr darunter zu leiden. Wenn nicht die Lehrkräfte so sind es die Kinder selbst, die in den Klassen erzählen, was zu diesem oder jenem Zweck von den Eltern gezeichnet worden ist, und Kinder, deren Eltern ihren Patriotismus bereits anderwärts betätigt haben, oder Gründe haben, sich von den Zeichnungen auszuschließen, werden sehr leicht gekennzeichnet. Es ist Zeit, daß das Augenmerk der Schulbehörden auf die Lage solcher Eltern gelenkt wird, die infolge der ungeheuer verteuerten Lebenshaltung sich bitter einschränken müssen, die aber andererseits nicht wollen, daß sie oder ihre Kinder in den Schulen moralisch zu Ausgaben gezwungen werden, die sie nach ihren infolge des Krieges verursachten finanziellen Verhältnissen nicht zu tragen vermögen. Im Interesse des schwerkämpfenden Mittelstandes müßten Geldsammlungen in den Schulen glatt untersagt werden, gleichviel welchem Zwecke sie dienen. H. R., Oberkassel
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Dienstag, 7. August 1917
3000 Schüler der rheinischen höheren Schülen sollen demnächst für einige Wochen in das Etappengebiet reisen, um bei der Obsternte zu helfen. Auch von den Bonner höheren Schulen hat sich eine große Anzahl Schüler für diesen Hilfsdienst gemeldet.
Die Luxusbezugsscheine können nur in beschränkter Zahl an ein und dieselbe Person ausgegeben werden. Bis Ende 1917 dürfen für ein und dieselbe Person an Herrenoberbekleidung insgesamt nur höchstens zwei Ueberzieher und zwei vollständige Anzüge, an Damenoberbekleidung insgesamt nur für höchstens zwei Mäntel, drei Kleider, zwei Morgenröcke und zwei Waschblusen, an Mädchen- oder Kinderoberkleidern insgesamt nur für höchstens zwei Mäntel, und drei Kleider derartige Luxusbezugsscheine ausgegeben werden. (Für Knabenoberbekleidung für das schulpflichtige Alter und für Jünglingsoberbekleidung dürfen überhaupt keine Luxusbezugsscheine ausgeteilt werden.) Einzel-Herrenröcke (= Herrenjacken), -Herrenwesten, -Herrenbeinkleider gelten dabei als Teile eines vollständigen Anzugs, Einzel-Damenblusen und –Damenkleiderröcke als Teile eines Kleides. – Für Luxusschuhwaren der auf den Bezugsscheinen D angeführten Arten dürfen bis Ende 1917 für ein und dieselbe Person nur für höchstens zwei Paar Luxusbezugsscheine gewährt werden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Die seinerzeit eingezogenen 25 Pfennigstücke wurden den öffentlichen Kassen wieder zur Ausgabe übergeben, um dem Kleingeldmangel beheben zu helfen.
Lebensmittelverkauf. Auf die Reichsfleischkarte wird am Mittwoch Rindfleisch und geräucherte Mettwurst verkauft. Ferner werden in dieser Woche 30 Gramm Butter und für jede Person ein Ei abgegeben.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Verwundetenfürsorge. Ihre königliche Hoheit Frau Prinzessin Karl von Hohenzollern hatte am Freitag, den 3. August das Lazarett des Bonner Mutterhauses vom Roten Kreuz zu einem Besuch in Schloß Namedy eingeladen. Der Ausflug wird, trotzdem das Wetter nicht günstig war, allen Teilnehmern in schönster Erinnerung bleiben. Denn es wurde von den hohen Gastgebern (auch der junge Prinz von Hohenzollern war gerade anwesend) alles aufgeboten, um den Kriegern einen genußreichen, frohen Tag zu bereiten. Eine schöne Wagenfahrt von Andernach nach dem Schloß hatte besonderen Reiz. Nach freundlichstem Empfang und reicher Bewirtung verging der Nachmittag bei Gesang, Spaziergang um die herrlich gelegene Burg und Besichtigung des prächtigen Gutes. Beim Abschied erhielt jeder Verwundete von Ihrer Königlichen Hoheit ein Geschenk und dann ging es wieder in gehobenster Stimmung der Heimat zu. Der Dank der Verwundeten für die herzgewinnende Güte der hohen Herrschaften fand nochmals in einem brausenden Hoch Ausdruck bei der Vorbeifahrt am Schloß, mit welchem noch lange, vom Schiff aus lebhafte Grüße ausgetauscht wurden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Aufruf an die Frauen und Mädchen in Bonn.
Mit großer Freude und Bewunderung erfüllte es mich, als ich gestern den Hochschulbericht aus Halle las, wo die Studentinnen sich den Munitionsfabriken in Halle und Wittenberg zur Verfügung gestellt haben.
Das nenne ich den Ernst der Zeit verstehen, und da möchte ich den Bonner Frauen und Mädchen einen Vorschlag machen. Am 1. August hatten wir drei Jahre Krieg, ein Krieg, so schrecklich, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat. Wie würde es unseren heißgeliebten Kaiser erfreuen, wenn sich an diesem Tage mutige, vaterlandsliebende Frauen und Mädchen vereinten, um sich dem Kaiser für die Munitionsfabriken zur Verfügung zu stellen? Und brechen mit den Standesvorurteilen und dem Vaterlande und unseren braven Soldaten draußen helfen. Auf in die Munitionsfabriken, damit es nicht wie in der Sommeschlacht geht, wo so viele unserer Braven wegen Mangel an Munition ihr Leben lassen mußten. Also auf, deutsche Frauen und Mädchen der besseren Stände, arbeitet mit euren Schwestern unser heißgeliebtes Vaterland retten. Wer hat den Mut dazu?
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Mittwoch, 8. August 1917
Die Stadthalle als Lagerhaus. Die Lager des Lebensmittelamtes reichen nicht mehr aus. Es müssen namentlich für die Bewirtschaftung des Herbstgemüses weitere große Lagerhallen beschafft werden. Zurzeit sind rund 45 Lagerräume an verschiedenen Stellen der Stadt in Anspruch genommen, sie erfordern seinen jährlichen Mietaufwand von 110.000 Mark. Die Verteilung der Warenbestände auf so viele Stellen macht die Bewirtschaftung und Aufsicht schwierig. Da weitere größere Läger im Stadtbezirk nicht mehr gemietet werden können, der Bau eines besonderen Schuppens aber Schwierigkeiten bereiten, auch 130.000 Mark kosten würde, schlägt der städtische Lebenmittelausschuß der Stadtverordnetenversammlung vor, den großen Saal der Stadthalle nebst Tribüne und Garderobenraum für Lagerzwecke bereitzustellen. Damit wären rund 1300 Quadratmeter Lagerfläche geschaffen (die Fortbildungsschule hat in den vier Geschossen nebst Turnhalle 1240 Quadratmeter Raum). Das Lager in der Stadthalle hat durch die Nähe des Bahnhofes Bonn-Trajekt geeigneten Gleisanschluß und durch die städtische Straßenbahn gute Abfuhrmöglichkeit nach dem Markt und anderen städtischen Lagern. Der Wirt, Herr Stäps, verlangt eine Entschädigung von monatlich 250 Mark. Der Wirtschaftsbetrieb kann aufrecht erhalten werden. Durch die Inanspruchnahme der Stadthalle würde es möglich sein, einige der angemieteten Läger aufzugeben. Die Konzerte sollen künftig in der Lese und im Bürgerverein stattfinden.
Benagelung der Schuhsohlen bei den Schulkindern. Die städtische Verwaltung hat versuchsweise in der Remigiusschule und in der Stiftsschule den Kindern die Schuhsohlen benageln lassen, um dadurch Leder zu sparen. Diese Versuche haben sich bewährt. Den Stadtverordneten wird daher empfohlen, diese Maßnahmen in sämtlichen Volksschulen durchzuführen. Die Kosten werden auf 5000 Mark geschätzt.
Die militärischen Streifwachen, die die Felder gegen Diebstahl schützen, sollen von der Stadt einen täglichen Zuschuß von 1 M. erhalten. Die Gesamtkosten der Stadt betragen 1600 M.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Verhaftet. Der Direktor B. von der hiesigen Filialstelle der Deutschen Bank wurde gestern von der Kriminalpolizei wegen Untreue in der Geschäftsführung verhaftet.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Dankschreiben. Der Präsident des Reichstages, Exzellenz Kämpf, hat an die zahlreichen Mitwirkenden, die den Ubootabend der Schülervereine im Stadttheater verschönern halfen, ein herzliches Dankschreiben gerichtet, in dem es u. a. heißt: Es ist mit besonderer Anerkennung zu begrüßen, daß in dieser schweren Kriegszeit sich die deutsche Jugend die Begeisterungsfähigkeit erhalten hat, wenn es gilt opferwillig einzutreten für ein Liebeswerk zum Wohle des Vaterlandes. Dieses Bewusstsein wird unsere tapferen Ubootmannschaften stärken in ihrem schweren Kampfe gegen den Feind und die Elemente und sie zu neuen mutigen Taten anspornen, bis die Zukunft des deutschen Volkes durch den endgültigen Sieg gesichert ist.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Donnerstag, 9. August 1917
Die Freude der von den russischen „Kulturträgern“ befreiten Bevölkerung Ostgaliziens schildert ein junger preußischer Artillerieoffizier und Sohn unserer Stadt in folgenden Zeilen: „Schön war der Vormarsch, Trembowla war seit 1914 ununterbrochen in russischen Händen. Als wir als erste Batterie einrückten, wurden wir mit Blumen bekränzt und mit Eiern, Brot Milch und Obst beschenkt. Ein besonderer Patriot brachte mir einen Teller Mittagessen als Geschenk und ließ uns hochleben. Das war ein Betrieb! Die Frauen hingen sich an unsere Arme und weinten vor Freude. In einem Dorfe, das ich als erster Deutscher durchritt, kam ein Junge und warf mit Rosen ein Kreuz vor mir auf den Weg und sang dazu ein Lied, als wenn ich wer weiß was für ein Heiliger gewesen wäre. Die Leute kann man aber verstehen, wenn sie drei Jahre unter den Russen waren. Noch kurz vor unserer Ankunft hatten Kosaken sie geplündert und geschlagen.“
Unterhaltungsabende in den Lazaretten wurden vom Ausschuß des Soldatenheims, das jetzt im Vereinshaus an der Josefstraße tagt, auch in den beiden verflossenen Monaten in reichem Maße veranstaltet. Im Ganzen fanden 19 solcher Unterhaltungsabende in diesen beiden Monaten statt, durchschnittlich zwei in jeder Woche. In den Lazaretten Friedrich-Wilhelm-Stift, Barmherzige Brüder, Marienhospital, Mutterhaus vom Roten Kreuz, Franziskushospital in Kessenich, Leoninum und Albertinum wurden je ein, in den Lazaretten Augenklinik, Medizinische Klinik, Dr. Herzsche Anstalt, Nervenklinik, Ohrenklinik und Adelheidisstift in Vilich wurden je zwei Unterhaltungsabende abgehalten. [...] Dank der zahlreichen und bereitwilligen Mithilfe so vieler gelang es dem Ausschuß stets, ein recht schönes Programm für diese Abende fertigzustellen und den Verwundeten unserer Lazarette einige frohe Stunden zu bereiten. Immer wieder erklang dann auch zum Schlusse der Abende die sehnsüchtige Bitte der lieben Feldgrauen, recht bald wiederzukommen. Daß sowohl von Seiten der zuständigen Behörden wie von Seiten der Leiter der Lazarette diese Bestrebungen des Soldatenheimausschusses weitgehendstes Entgegenkommen fanden, möge an dieser Stelle noch mit besonderem Dank zum Ausdruck gebracht werden. Diese segensreichen Veranstaltungen des Soldatenheimausschusses sollen ein wenig die Dankesschuld der Daheimgebliebenen abtragen helfen gegenüber unseren tapferen Vaterlandsverteidigern, die so viel Opfer uns zuliebe gebracht haben.
Feldgraue Künstler und andere Heeresangehörige führen Mittwoch nächster Woche sowie folgenden Samstag und Sonntag im Bonner Bürgerverein ein Kriegsspiel auf, und zwar das Zeitbild in fünf Aufzügen „Flankenfeuer“. Der Reinertrag der Aufführungen kommt unserer Ubootwaffe sowie der Bonner Arndt-Eiche in Eisen zugute.
Das Viktoriabad ist von morgen ab werktäglich von 8 bis 1 und von 3 bis 7 Uhr, Samstags bis 8 Uhr und Sonntags von 8 bis 12 Uhr für Brause-, Wannen- und Heilbäder geöffnet.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Zur Verhaftung des Bankdirektors B. von der hiesigen Zweigstelle der Deutschen Bank wird uns mitgeteilt, daß sich B. Veruntreuungen in Höhe von 33.000 Mark zu Schulden kommen ließ.
Die Lieferung von Leder für Schuhwaren. Man schreibt uns: Vielfach war angenommen, daß infolge der vermehrten Rinderschlachtungen, die zur Beschaffung der Fleischzulage während der letzten Monate erforderlich waren, auch mehr Leder für die Schuhwaren der Zivilbevölkerung zur Verfügung gestellt werden könnte. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, daß die Zurichtung der Häute bis zu ihrer Verarbeitung als Leder auch unter Anwendung des beschleunigten Verfahrens der Kriegszeit einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten erfordert. Es können mithin die aus den vermehrten Schlachtungen hervorgegangenen Ledermengen gegenwärtig gar nicht zur Verfügung stehen. Es ist aber auch schwerlich anzunehmen, daß ein nennenswerter Teil davon für die Schuhwaren der Zivilbevölkerung Verwendung finden kann. Begreiflicherweise nimmt der Bedarf der Heeresverwaltung bei der Länge des Krieges nicht ab, sondern zu; und infolgedessen ist an eine Steigerung der Erzeugung von Schuhwaren für den privaten Bedarf nicht zu denken. Mit dieser Tatsache wird die Bevölkerung zu rechnen haben, und es kann daher nicht eindringlich genug empfohlen werden, den Verbrauch von Schuhwaren auf das denkbar geringste Maß einzuschränken. Auch für die Ausbesserungen werden in Zukunft größere Mengen von Leder nicht zur Verfügung gestellt werden können, da ein großer Teil der in den Bekleidungsämtern entstehenden Lederabfälle von der Heeresverwaltung selbst zur Instandsetzung von Schuhwerk Verwendung findet. Die Ersatzsohlengesellschaft führt nahezu die gesamten ihr überwiesenen Abfälle dem Schuhmachergewerbe zu und verarbeitet selbst nur einen sehr geringen Teil für Ersatzsohlen. Bei dieser sich jedenfalls noch steigernden Lederknappheit wird in der kommenden Zeit die Herstellung von Ersatzsohlen eine immer größere Bedeutung gewinnen. Es liegen inzwischen eine Reihe von wertvollen Erfahrungen vor, die die Herstellung von Ersatzsohlen in neue Bahnen gelenkt haben. Die Erzeugung hat inzwischen eine außerordentliche Steigerung erfahren. [...] Es ist also damit zu rechnen, daß trotz der steigenden Lederknappheit die Zivilbevölkerung mit brauchbaren Sohlen versorgt wird, sodaß Verlegenheit nicht zu befürchten ist.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Mund- und Tischtücher aus Papier. Der Gouverneur der Festung Köln hat eine Verordnung betreffend „Verbot der Herstellung von Mund- und Tischtüchern aus Papier“ erlassen. Den vollständigen Inhalt der Verordnung ist an den öffentlichen Anschlagstellen, in den amtlichen Kreisblättern und bei den Polizeiverwaltungen einzusehen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Freitag, 10. August 1917
Kartoffeln.
Die Wochenmenge beträgt 5 Pfd. Die Zulage für Schwerarbeiter 4 Pfd. Die Kartoffeln für die Woche vom 19. bis 25. August sind bis Donnerstag, den 16. August, bei den städtischen Kartoffelverkaufsstellen abzunehmen. Es empfiehlt sich, die Kartoffeln rechtzeitig abzunehmen, sie pfleglich zu behandeln und in ihrem Verbrauch sparsam zu sein, da Hemmungen in der Zufuhr nicht ausgeschlossen sind.
Fleisch.
Auf die Zusatzfleischkarten werden Samstag zum letzten Mal Fleisch sowie Blut- und Leberwurst zu den bekannten Preisen verausgabt. Beim Einkauf von Wurst ist auch die Warenkarte Nr. 20 abzugeben. Auf die Reichsfleischkarten werden, da Zusatzfleisch vom 13. des Mts. nicht mehr abgegeben wird, Fleisch und Fleischwaren in Zukunft nur noch Samstags in den Metzgereigeschäften an die Kunden verkauft.
[...]
Ausnutzung der Ackerflächen.
Eine weiter Steigerung der Gemüseerzeugung ist durchaus erforderlich. Die jetzt abgeernteten Felder, besonders die der Frühkartoffeln, werden daher zweckmäßig sofort wieder bestellt und mit Krauskohl, Butterkohl usw. bepflanzt, oder mit Stoppelrüben oder Spinat besät. Bei günstiger Witterung und bei unverzüglicher Ausführung können auch noch Stangenbohnen mit gutem Erfolg gesetzt werden.
[...]
Sammeltätigkeit.
Eine ganz besondere Bitte um Sammlung von ausgekämmtem Frauenhaar erscheint angebracht, da es für die Herstellung von Treibriemen große Bedeutung hat. Erinnert sei auch an die Sammlung von Obstkernen, die für die Margarineverarbeitung wertvoll sind. Akaziensamen wird mit 0,70 M. für das Kilo vergütet. Für die Viehfütterung bildet der getrocknete Kaffeesatz einen wertvollen Bestandteil. Man schütte daher den Kaffeesatz nicht achtlos weg, sondern trockne ihn und bringe ihn zur Ablieferung. [...]
Spart mit dem Schuhwerk.
Die zunehmende Lederknappheit, der Mangel an Schuhen und Ausbesserungsstoffen zwingen zur größten Sparsamkeit im Gebrauch von Lederschuhen, besonders in den Sommer- und Herbstmonaten, damit der Bedarf für den Winter einigermaßen sichergestellt werden kann.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Nachrichten des Lebensmittelamtes der Stadt Bonn.“)
Städtisches Bekleidungsamt. Die Einlasskarten zur Verkaufsstelle für getragene Kleider und Schuhe werden für die Zeit vom 14. bis 18. August am kommenden Montag morgen von 9 Uhr ab im städtischen Bekleidungsamt Gangolfstraße 2 ausgegeben. Es werden nur weiße Frauen- und Kinderschuhe abgegeben.
Die Kriminalpolizei nahm einen fahnenflüchtigen Soldaten fest, der mehrere Zentner Kartoffeln und Bohnen gestohlen hatte. Eine Frau von hier, die die gestohlenen Feldfrüchte veräußern wollte, wurde zur Anzeige gebracht.
Vor Freude geheilt. Eine ältere Frau von hier wurde vor etwa vier Monaten, als ihr jüngster Sohn zum Militär eingezogen wurde, geistesgestört und mußte in eine Anstalt verbracht werden. Am Mittwoch abend kam der junge Vaterlandsverteidiger, der inzwischen verwundet worden war, unerwartet auf Urlaub. Die Freude über das Wiedersehen war bei der Frau so groß, daß sie geistig wieder völlig klar wurde und sich aller Einzelheiten erinnerte, die sich vor vier Monaten zugetragen hatten. Welche Freude diese unerwartete Heilung bei der ganzen Familie hervorgerufen hat, kann man sich leicht vorstellen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Godesberg, 9. August. Die vereinigten Frauenvereine Godesbergs veranstalteten gestern im Saale der Tonhalle einen Lichtbilder-Volksabend mit der Vorführung der beiden Lichtbilderserien „Frauenarbeit im Kriege“ und „Lügen und Schmähungen unserer Feinde“. Der ersten Bilderreihe schickte Frl. Schmidt den Aufruf an die deutschen Frauen von Charlotte Westermann voraus, worin diese zur Arbeitstreue und Ausdauer ernstlich ermahnt werden. Die Bilder zeigten die Frau im Dienste der Straßenbahn, als Omnibuskutscherin, als Fensterputzerin usw., sowie in den Munitionsfabriken. Vor der zweiten Lichtbilderreihe verlas Herr Fortbildungsschulleiter Forsbach das herrliche Flugblatt unseres vaterländischen Schriftstellers Gustav Frenssen „Um Haus und Herd“. Die vorgeführten Schmähbilder aus französischen und englischen Zeitungen auf unser Deutschtum, auf die Kriegsführung unserer Soldaten und die ihnen hierbei angedichtete Ausübung von Greueltaten spotten jeder Beschreibung und erfüllen mit Entrüstung und Abscheu gegen eine derartige gemeine Gesinnung unserer Feinde. Die Versammlung schloß mit dem gemeinsamen Gesang: Deutschland über alles!
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und fern“)
Flegelei. Nachdem in dankenswerter Weise auch viele bemittelte Bürger sich im vaterländischen Interesse dazu verstanden haben, ihre Kinder barfuß laufen zu lassen, hat sich bei einigen Flegeln die Gewohnheit herausgebildet, solche Kinder mit ihren meist stark benagelten Schuhen auf die Füße zu treten. Als ein Flegel dieserhalb gestern in der Bonngasse von einem vorübergehenden Herrn zurechtgewiesen wurde, antwortete er mit groben Schimpfereien und drohte mit der Hülfe seiner Eltern. Wir geben den Vorgang hier wieder, um diejenigen Personen, welchen es obliegt, hier einzutreten, an ihre Pflicht zu erinnern. Denn wohin sollte es führen, wenn ein solcher Unfug sich weiter auswachsen würde. Ein recht bedenkliches Zeichen ist es obendrein, wenn Kinder für ihre Flegeleien sich noch auf den Schutz ihrer Eltern berufen zu können glauben.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Samstag, 11. August 1917
Barfuß oder in Holzschuhen die Kollegien zu besuchen, fordert der allgemeine Studentenausschuß auch der Leipziger Universität die Kommilitonen auf.
Ein Student der Mathematik und Naturwissenschaft hatte einem auswärtigen Pfarrer, der seine Tochter nicht mit dem Studenten verkehren lassen wollte, Briefe mit gemeinen Beleidigungen geschrieben, auch gedroht, die Tochter erstechen zu wollen. Die Strafkammer verurteilte gestern den Studenten, der als geistig geringwertig bezeichnet wurde, zu acht Monaten Gefängnis. Der Student ist schon von der Universität entfernt worden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Ein falsches Gerücht. Seit Wochen ist in unserer Stadt das Gerücht verbreitet, daß auf behördliche Anordnung hin schulpflichtigen Mädchen die Haare abgeschnitten werden sollen. Was mit den Haaren geschehen soll, darüber gehen die Meinungen auseinander. Die einen wußten, daß sie als Lederersatz verwandt würden, die anderen behaupteten sogar, es würden Filze zum Reinigen der Gewehre daraus hergestellt. Boshafte Zungen meinten hier und da, die Haare gewisser Kleinen würden zu Kamelhaartreibriemen verwandt. Wie uns auf unsere Anfrage an amtlicher Stelle versichert wird, ist an dem ganzen Gerede kein wahres Wort, da eine diesbezügliche Verfügung nicht erlassen worden sei. Dadurch erledigen sich auch die Anfragen, die von besorgten Müttern an uns gestellt worden sind.
Einschränkung des Gasverbrauchs. Unter Bekanntmachungen erscheint in der heutigen Nummer die Anordnung des Reichskommissars über die Sicherstellung des Betriebes der Gasanstalten. Hiernach ist allgemein eine Einschränkung des Gasverbrauches gegen denjenigen des Vorjahres um 20 Prozent in Aussicht genommen. Nach den bekanntgegebenen Ortsvorschriften ist für den Stadtkreis Bonn jedoch nur eine Einschränkung von 10 Prozent angeordnet, unter Freilassung der Gasverbrauchsmenge, die monatlich 30 Kubikmeter nicht übersteigt. Es ist dies ermöglicht dadurch, daß die bisher getroffenen Maßnahmen zur Erzielung einer Gasersparnis einen tatsächlichen Erfolg hatten. Im eigensten Interesse der Bürgerschaft liegt es, die neuen Anordnungen zu befolgen, um schärfere Einschränkungsmaßregeln zu vermeiden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Dankschreiben. Der Verfasser des Gedichts: „Deutschlands Frühlingserwachen“, Herr Lehrer a. D. Hürmann, erhielt aus dem Großen Hauptquartier unterm 4., bzw. 5. d., nachstehendes Dankschreiben: „Im Auftrage des Herrn Generalfeldmarschalls von Hindenburg beehre ich mich Ihnen für die gefällige Zuschrift vom 3. August 17 nebst Beilage den verbindlichen Dank Seiner Exzellenz ergebenst auszusprechen, v. Prutz, Rittmeister und Adjutant.“ – „Seine Exzellenz der Erste Generalquartiermeister General der Infanterie Ludendorff läßt Ihnen für das übersandte Gedicht seinen besten Dank aussprechen, A. B. Lingemann, Oberstleutnant und Adjutant.“
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Sonntag, 12. August 1917
Alles Gold gehört in dieser eisernen Zeit dem Vaterlande!
Verkauft daher Eure Goldsachen der Goldankaufstelle am Münsterplatz!
Wilde Gerüchte. Wir lesen in Traubs „Christlicher Freiheit“: Deutschland ist voll von unsauberen Gerüchten und Klatschereien. Eben höre ich, daß eine Bonner Firma – ihr Name wird mir angegeben – 300.000 M. in Gold vom Kriegsministerium zugewiesen bekommen habe, um goldene Achselklappenstücke für unsere Generale zu machen. Ich erkundige mich an der zuständigen Stelle. Kein Wort ist an dem Gerücht wahr!
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Wer über das gesetzlich zulässige Maß Hafer, Mengkorn, Mischfrucht, worin sich Hafer befindet, oder Gerste verfüttert, versündigt sich am Vaterlande!
Briefkastenanfragen. Wegen notwendiger Einschränkung des Papierverbrauchs richten wir noch mal die dringende Bitte an unsere Leser, bei Briefkasten-Anfragen Marken für Rückporto und genaue Adressenangabe nicht zu vergessen, damit briefliche Erledigung erfolgen kann.
Recht frohe Gesichter konnte man in den letzten zwei Wochen an den beiden Kriegsküchen Sandkaule und Universität wahrnehmen. Wenn es so bleibt den Winter 1917-18, wollen wir zufrieden sein. Der Universitätsküche aber möchten wir für die Zukunft den Vorschlag machen, etwas mehr Wert auf Reinlichkeit, Säuberung der Tische und der nur hin und wieder zur Ausgabe gelangenden Löffel zu legen. Am besten nimmt man sich seinen Löffel mit – man erspart dadurch manchen Aerger und Verdruß.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Ferienspiele. Wie im Frieden und nach zweijähriger Unterbrechung im vorigen Jahre, so ziehen auch jetzt wieder jeden Morgen viele Hunderte Knaben und Mädchen unserer Volksschulen auf den Venusberg, um unter der Leitung von Lehrern und Lehrerinnen und mit ihnen froh zu spielen und dabei Kraft und Gesundheit zu stärken. Die Beteiligung ist recht zahlreich, vor allem aus den nächst gelegenen Vororten Kessenich, Dottendorf und Poppelsdorf strömt die Jugend in Scharen auf dem Venusberg zusammen. Oben wird zunächst ungefähr eine Stunde gespielt, wobei jedes Kind sich die Gruppe, bei der es mittut, selbst wählen kann, dann erhält jedes ein Stück Brot mit guter Marmelade (keinen „Kriegsmus“), danach wird wieder ein Stündchen gespielt, und unter munterem Singen geht es in geschlossenen Zügen gegen Mittag den Berg wieder hinunter nach Hause. So soll es täglich den ganzen Monat August gehen, am 1. September werden die Ferienspiele dann voraussichtlich mit einer Feier abgeschlossen werden.
Die Schwalben haben uns schon zum Teil verlassen und der Rest hält große Versammlungen und Konferenzen auf Telegraphen- und Telephondrähten ab und überlegt mit lautem Gezwitscher die große Heimreise nach dem Süden und wie sie über die Feuerlinie an der Westfront kommen. Uebrigens bedeutet der so frühe Wegzug der Schwalben einen frühen und harten Winter. Der eigentliche Wegzug derselben soll eigentlich erst am 8. September (Maria Geburt) sein, denn der Volksmund sagt: Maria Geburt jagt alle Schwalben furt!
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Montag, 13. August 1917
Trauerkleidung bei Todesfällen. Die Reichsbekleidungsstelle schreibt: Die Zeitverhältnisse sind heute stärker als altüberlieferte Gebräuche und Sitten. Es kann kaum einem Zweifel unterliegen, daß die behördlichen Streckungsmaßnahmen auf dem Gebiete der Web-, Wirk- und Strickwaren eine wesentliche Unterstützung erfahren würden, wenn die einzelnen bei Todesfällen in ihrer Umgebung auf eine besondere Trauerkleidung verzichten würden. Die schwarze Kleidung bei Trauerfällen ist eine Aeußerlichkeit, die im Grunde nur auf die Fernerstehenden berechnet ist und mit der inneren Trauer nichts zu schaffen hat. Will man auf ein äußeres Zeichen nicht verzichten, so genügt ein schwarzer Flor um den Arm. Schließlich besteht ja auch die Möglichkeit, helle Kleider schwarz färben zu lassen. Aber schon aus Rücksicht auf die allgemeine Volksstimmung erscheint es angebracht, mit dieser Gepflogenheit früherer Zeiten gegenwärtig zu brechen. Eine große Anzahl von Volksgenossen hat sich bereits zu dieser Ansicht bekannt. Wir erinnern daran, daß die Familie unseres großen Fliegers Immelmann nach dem Tode ihres Sohnes und Bruders öffentlich bekannt gegeben hat, daß sie keine äußere Trauer anzulegen gedenkt. Dieses Beispiel verdient Nachahmung in weitesten Kreisen. Der Krieg hat uns gelehrt, den Wert äußerer Dinge gering zu schätzen. Mehr als je sind wir heute im stande, dem Wesen der Dinge ins Antlitz zu schauen. Es ist gewiß nicht im Sinne unserer Gefallenen, wenn wir die Trauer um sie durch Aeußerlichkeiten betonen zu müssen glauben, die geeignet sind, unsere Kriegswirtschaft zu schädigen.
100 Liter Alkohol im Werte von 2600 M. sind in der Nacht zum Sonntag aus einer Fabrik in Duisdorf gestohlen worden. Als Dieb wurde gestern bereits von der hiesigen Kriminalpolizei in Endenich ein etwa 40jähriger Fahnenflüchtiger festgenommen, das gestohlene Gut wurde bei ihm gefunden. An dem Diebstahl sind noch zwei andere Männer beteiligt, einer von ihnen ist schon festgenommen worden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Ein Sonntag auf dem Breiberg. Die Bonner Ortsgruppe des Westerwaldvereins erwarb sich gestern dank der trefflichen Führung des Herrn Müller – Wesseling das Verdienst, einer ansehnlichen Schar von Wanderfreunden die Freude verschafft zu haben, vom Breiberg aus das wunderbare Rundbild unseres unvergleichlichen Siebengebirge zu genießen. [...]
Die liebevolle Sorgfalt unseres Verschönerungsvereins hat auch dort oben durch Anbringung eines eisernen Tisches und die Aufstellung von Bänken die Möglichkeit geboten, den Inhalt der Wander-Rucksäcke in leichter Weise ihrer Zweckbestimmung zuzuführen. Und von dieser schönen Einrichtung wurde auch ausgiebig Gebrauch gemacht. Zu dem leiblichen Genuß trat das eindrucksvolle Bild der sich ringsum darbietenden Gebirgszüge. Stromaufwärts wurde man des Himmerich, des Leyberges usw. sichtig, nach Osten hatte man die Löwenburg und den Oelberg mit ihren tiefen Taleinschnitten vor Augen. Wenn man den Blick den Strom hinunter lenkte, konnte man Wolkenburg, Drachenfels, Stenzelberg usw. wahrnehmen, überflutet von den goldenen Strahlen des hochsommerlichen Sonnenlichtes. [...]
Da die Wanderfreunde sich diesmal ausschließlich auf Rucksackverpflegung eingestellt hatten, wurde ihnen der Genuß der landschaftlichen Schönheiten unseres Gebirges nicht durch gewisse materielle Ding getrübt.
Gestorben. Der Schüler Albert Holtheuer, der am Freitag morgen auf dem Friedrichsplatz im Gedränge unter einen Wagen der Vorgebirgsbahn geriet, ist bereits am Samstag seinen Verletzungen erlegen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Sparsamkeit im Kohlenverbrauch ist vaterländische Pflicht!
Zu dem Unfall, der sich am Freitag morgen an der Vorgebirgsbahn ereignete, teilt uns der Vater des verletzten Knaben mit, daß die Verletzungen zwar sehr schwer seien, daß das Kind aber nicht gestorben sei.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Dienstag, 14. August 1917
Wird das Obst beschlagnahmt? Gegenüber der Nachricht, daß eine Beschlagnahme der Aepfel, Birnen, Pflaumen und Zwetschen unmittelbar bevorstände, schreibt das Amtsblatt der Reichsstelle für Gemüse und Obst: „Die Reichsstelle hält daran fest, daß eine solche Maßnahme nur als äußerstes Notstandsmittel in Frage kommen darf, wenn alle andern Mittel versagt haben. Wie sich die Verhältnisse in den letzten zwei Jahren auf dem Obstmarkte entwickelt haben, ist es nicht ausgeschlossen, daß mit besonderen Zwangsmaßnahmen vorgegangen werden muß. Eine Entscheidung ist aber noch nicht getroffen. Legt man die Verhältnisse das ganzen Deutschen Reiches zugrunde, so haben wir mit einer schlechten Apfelernte, einer leidlich guten Birnenernte und einer weniger als mittelmäßigen Pflaumen- und Zwetschenernte zu rechnen. Angesicht dieses Umstandes würde auch ohne die jetzige ungestüme Nachfrage nach Obst die Eindeckung der Marmeladenindustrie mit sechs bis sieben Millionen Zentnern Obst zwecks Herstellung der erforderlichen Brotaufstrichmittel auf Schwierigkeiten stoßen. Der Frischmarkt kann jedenfalls infolge des großen Bedarfs für die Marmeladenindustrie nur mäßig beschickt werden.“
Daß die privaten Kleider- und Wäschebestände beschlagnahmt oder gar enteignet werden sollen, wie immer wieder auftauchende Gerüchte behaupten, wird in den Mitteilungen der Reichsbekleidungsstelle bestritten. Es heißt da: In der Bundesratsverordnung über Befugnisse der Reichsbekleidungsstelle sind nur Bestimmungen über das Verfahren bei etwaigen Beschlagnahmen und Enteignungen getroffen, eine Beschlagnahme selbst oder gar eine Enteignung ist aber in ihr überhaupt nicht, weder für den Handel noch für den Privatmann, ausgesprochen. Alle Furcht vor einem bevorstehenden Eingriff in die Privatbestände ist daher völlig haltlos.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Felddiebstähle. Von den Hilfsgendarmen wurden in der letzten Zeit wiederholt schulpflichtige Jungen aus Bonn festgehalten, die Rucksäcke und Säcke mit abgeschnittenen Weizenähren gefüllt hatten. Meistens ließ man es bei den Bübchen, die durch ihr Treiben großen Schaden anrichten, bei einer ordentlichen Tracht Prügel bewenden, jedoch dürfte außerdem wohl auch, um diesem verderblichen Unwesen zu steuern, eine polizeiliche Strafe am Platze sein.
Ueberfahren. Die Nachricht, daß der 11jährige Knabe Holtheier, der am vergangenen Freitag auf dem Friedrichsplatz im Gedränge von einem Wagen der Vorgebirgsbahn erfaßt wurde, seinen Verletzungen erlegen sei, bewahrheitet sich glücklicherweise nicht. Wie uns der Vater des Knaben mitteilt, mußte der überfahrene Fuß abgenommen werden; nach Aussage der behandelnden Aerzte sei die Kopfverletzung nicht so schwer, als man anfänglich geglaubt habe. Es besteht die Hoffnung, daß der Junge mit dem Leben davonkommt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Bekleidungs-Amt. Die Zustände bei dem städtischen Bekleidungsamt bedürfen dringend einer Aenderung. Das Gedränge ist nachgerade lebensgefährlich. Einsender dieses hat dreimal vier Stunden dort gestanden, aber weder Karte noch Einlaß erhalten. Die Sache wäre doch sicher zu ordnen. Warum gibt man mit den Bezugsscheinen nicht zugleich die Einlaßkarten aus? Oder warum numeriert man die Einlaßkarten nicht und nimmt Montag 1 – 200, Dienstag 200 – usf.? Oder warum nimmt man die Karten nicht nach dem Alphabet. Montag A – C, Dienstag D – H usw.! Ferner: Warum stellt man nicht an den Eingang eine handfeste Person oder einen Schutzmann, der die Leute zwei und zwei hintereinanderstellt und jedes Vordrängen verhindert? Endlich: Warum ist kein Schutzmann dort zu sehen, denn nur vor einem solchen hat eine gewisse Sorte von Frauen Respekt! So wäre doch mit Leichtigkeit Ordnung zu schaffen. Anstatt dessen das lebensgefährliche Gedränge, Geschrei, Geschimpfe, Toben, stundenlanges Stehen und doch nichts erhalten. Es haben sich da letzthin Szenen abgespielt, die man nicht beschreiben kann. Ich glaube nicht, daß diese Zustände höhernorts bekannt sind, sonst wäre längst abgeholfen. J. L.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Verbot des Viehtreibens zur Nacht. Der Kommandierende General des 8. Armeekorps hat angeordnet: Die Zunahme der Viehdiebstähle in Verbindung mit dem unerlaubten Abschlachten von Rindvieh auf den Weiden lassen strenge Ueberwachung des Treibens und Fahrens von Rindvieh geboten erscheinen. Das Treiben von Rindvieh und die Beförderung von Rindvieh auf Wagen in der Zeit von 9 Uhr abends bis 6 Uhr morgens ohne Mitführung eines von der Ortspolizei- oder Gemeindebehörde ausgestellten Ausweises wird verboten. Mit Gefängnis bis zu einem Jahre wird bestraft, wird die vorstehende Anordnung übertritt oder zur Uebertretung auffordert oder anreizt: beim Vorliegen mildernder Umstände kann auf Haft oder Geldstrafe bis zu 1500 Mark erkannt werden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Mittwoch, 15. August 1917
Die Städtische Pilzbestimmungsstelle erfreut sich eines regen Besuches aus allen Kreisen der Bevölkerung. An Giftpilzen wurde bisher außer dem übelriechenden Kartoffelbovist immer wieder der massenhaft vorkommende Knollenblätterpilz eingeliefert; es scheint fast, daß in der Umgebung unserer Stadt kaum ein anderer Giftpilz heimisch ist. Um die Kenntnis des Knollenblätterpilzes unter der heranwachsenden Jugend zu verbreiten, hat der Leiter der Pilzbestimmungsstelle für jedes Stück, das mit Stiel und anhaftender Erde von der Bonner Jugend eingeliefert wird, einen Preis von 5 Pfg. ausgesetzt. Wenn auf den gefährlichsten aller Giftpilze eifrig Jagd gemacht und seine völlige Ausrottung erreicht wird, werden kaum noch Pilzvergiftungen mit tödlichem Ausgang zu verzeichnen sein.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
„Flankenfeuer“. Heute abend wird im großen Saale des Bonner Bürgervereins das militärische Zeitbild von W. Stehling „Flankenfeuer“ aufgeführt. Das Schauspiel, das eine Reihe prächtiger Bilder zeigt, wird von Offizieren und Mannschaften des Heeres dargestellt. Die einzelnen Akte spielen in der Garnison, im Felde, auf Feldwache und im Feldlazarett. Flieger durchziehen die Luft. Gefechtsordonnanzen bringen Meldungen, feindliche Partrouillen werden abgeschossen. Franktireurs vors Kriegsgericht gestellt usw. Alles packende, farbenprächtige Bilder. Der Veranstaltung, die zum Besten der Arndteiche und für unsere erfolgreiche – bestimmt ist, ist ein volles Haus zu wünschen. Am kommenden Samstag und Sonntag ist allen denjenigen, die zu der heutigen Erstaufführung keinen Platz mehr finden, Gelegenheit geboten, das interessante militärische Schauspiel zu sehen.
Ein wirksames Mittel gegen gemeingefährliche Diebereien hat das Generalkommande des 4. Armeekorps eingeführt. Es hat bestimmt, daß überführte Treibriemendiebe und Hehler über die Strafhaft hinaus bis zum Kriegsende in militärische Schutzhaft genommen werden. – Um die allgemeine Sicherheit würde es besser bestellt sein, wenn das nämliche Mittel auch gegen Feld- und Lebensmitteldiebe angewandt würde.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Frühkartoffelernte ist jetzt überall, auch da, wo das Saatgut spät geliefert wurde, in vollem Gange. Das Ergebnis ist ein recht erfreuliches, denn die Sträucher sind durchweg gut behangen und die Knollen dick ausgebildet. Besonders die in hiesigen Gegenden viel gelieferte „Kaiserkrone“ zeichnet sich durch hohen Ertrag aus, sind doch dabei Kartoffeln von über ½ Pfund Gewicht keine Seltenheit. Leider werden stellenweise schon viele angefaulte Knollen vorgefunden, wodurch das Ergebnis dann stark herabgemindert wird.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Donnerstag, 16. August 1917
Arndt-Eiche in Eisen. Die Gesamteinnahme ist inzwischen auf nahezu 97.000 Mark gestiegen, so daß wohl auch bald die runde Summe von 100.000 Mark erreicht werden wird. Hierzu bedarf es aber reger Unterstützung seitens der Bonner Bürgerschaft, was im Hinblick auf die unvergleichlichen Leistungen, Mut und Ausdauer unserer Soldaten und den edlen Zweck der Arndt-Eiche mit Recht zu erhoffen ist.
Gleichzeitig bitte die Verwaltung der Arndt-Eiche die Bürgerschaft, die von feldgrauen Künstlern und Heeresangehörigen veranstalteten Kriegsspiele „Flankenfeuer“ zahlreich zu besuchen, zumal die Hälfte des Reinertrages der Arndt-Eiche in Eisen zugute kommt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Gegen die Preistreibereien. Vom Vorgebirge schreibt man uns: An einigen Stellen scheint man nun den Händlern mit ihren Preistreibereien und den Ueberschreitungen der Höchstpreise etwas mehr auf die Finger zu sehen und ihnen nunmehr energischer entgegenzutreten. An verschiedenen Orten wurden denn auch den Händlern die Bücher beschlagnahmt; es wurde dabei die Feststellung gemacht, daß die größte Mehrzahl beim Ankauf der Waren die Höchstpreise überschritten hatte, so daß für die in Frage kommenden Händler ein gerichtliches Nachspiel folgen dürfte. Zu ihrer Entschuldigung gaben einige Händler an, keine Waren erhalten zu können, wenn sie nur den gesetzlichen Höchstpreis zahlen wollten. Andere wollen den Nachweis erbringen, von Städten usw. beauftragt zu sein, Gemüse bis zu einem den Höchstpreis übersteigenden Betrag aufzukaufen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Soldatenheim. Am verflossenen Sonntag hatte der Ausschuß des Soldatenheims im Vereinshause, Josephstraße 46, ein Preiskegeln veranstaltet, an dem sich viele Feldgraue beteiligten. Die glücklichen Gewinner erhielten nachher von dem Leiter des Abends, Herrn Schröder, einige hübsche Bilder und Bücher als Siegespreise. […] Der 2. Vorsitzende des Soldatenheims, Herr Klutmann, hielt zwischendurch eine von glühendem Patriotismus durchwehte Ansprache. […]
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Freitag, 17. August 1917
Im Bürgervereinssaale wurde am Mittwoch abend als Gastspiel feldgrauer Künstler das Kriegsspiel „Flankenfeuer“ unter großem Beifall der Zuschauer aufgeführt. Das Stück hat ein einfaches Lebensbild zum Gegenstand der Handlung, das sehr geschickt zu einem recht lebendigen und eindrucksvollen Militärschauspiel verarbeitet wurde. Mit einer ganz ergötzlichen, künstlerischen Naivität ist das schlichte Motiv zu fünf Akten ausgesponnen, die nie Leere oder Langeweile aufkommen lassen, sondern frisch-fromm-fröhlich-frei, wie ein wackeres Soldatenwerk sein soll, bald Ernstes, bald Heiteres aus dem Kriegerleben in der Heimat und im Felde skizzieren. Großes Lob gebührt in erster Linie der Inszenierung für die hübschen stimmungsvollen Bilder, die einen sicheren, guten Bühnengeschmack verraten. […] Ganz einzig wirken auch die kindlich-„expressionistischen“ Andeutungen aus Kriegers Heimat- und Feldleben, wie die singend durch die Straßen ziehenden „Truppen“ und vor allem das packende Kampfbild am Schlusse des vierten Aktes. Weit weniger will uns dagegen die Schluß-Apotheose gefallen, so gut sie auch gemeint ist. Die Illustrierung des Verses: Wir loben dich oben, du Lenker der Schlachten! mit einem martialischen, bengalisch beleuchteten Hindenburg kommt uns nicht ganz geschmackvoll vor. Im übrigen sind die Akte mit zur jeweiligen Szene passenden Soldatenliedern wirkungsvoll ausgefüllt. Einen guten Eindruck macht auch der etwas unbekümmert, aber recht anschaulich inszenierte Fliegerangriff im dritten Akt. […]
Es wäre zu wünschen, daß die Kriegsspiele in den Wiederholungen einen zahlreicheren Besuch aufweisen würden als in der ersten Aufführung. Die feldgrauen Künstler verdienen es und unsere Arndt-Eiche hat klingenden Nutzen davon.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Fahrpreisermäßigung für Pilzfahrten. Eine Fahrpreisermäßigung für Fahrten der Schuljugend wird jetzt auch um Sammeln von Pilzen gewährt. Die Reichsstelle für Gemüse und Obst hat bekanntlich den freiwilligen Sammel- und Helferdienst der Jugend zum Absuchen der Wälder nach Pilzen und anderen wildwachsenden Nutzpflanzen eingerichtet. […] Die Anträge auf Ermäßigung müssen mit dem Vermerk „Pilzsammelfahrt auf Veranlassung der Reichsstelle für Gemüse und Obst“ versehen sein und neben der Unterschrift den Dienststempel der Reichsstelle für Gemüse und Obst oder der zuständigen Landes-, Provinzial- oder Bezirksstelle tragen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Samstag, 18. August 1917
Der Bonner Lazarettzug hat seine Verwundeten von der 74. Fahrt nach Göttingen, von der 75. nach Mülheim a. d. Ruhr, Essen und Herne und von der 76. nach Aachen, Bonn, Godesberg und Neuenahr gebracht.
An Liebesgaben sind weiterhin besonders erwünscht: Zigarren, Zigaretten, Kognak, Not- und Weißwein. Solche Sachen sind abzugeben Bahnhofstr. 40, wo über die Gaben Quittung erteilt wird. Geldspenden sind zu richten an die Deutsche Bank, Zweigstelle Bonn, Konto Lazarettzug.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Am Schöffengericht Bonn wurde gestern die bereits einschlägig vorbestrafte 21jährige Fabrikarbeiterin Clara Breu von hier abgeurteilt, weil ihr in drei Fällen nachgewiesen wurde, daß sie auf der Straße kleinen Kindern ihre Körbe mit Eßwaren in der Weise listig entwendete, daß sie in jedem Falle das Kind mit einem fingierten Auftrage in ein nahegelegenes Geschäft schickte, und dabei vorgab, daß sie bis zur Rückkehr den Korb in Verwahr halten wolle. Ihr gemeingefährliches Treiben wurde mit sieben Wochen Gefängnis geahndet. – […]
Einer entsetzlich grausamen Mißhandlung war das jetzt siebenjährige Bübchen Ernst Th. bezw. Br. bei seinen Eltern andauernd ausgesetzt. Der 28jährigen Mutter war nach den ersten Vorhaltungen des Gerichts dieses von ihr in die Ehe mitgebrachte Kind im Wege, auf das sie ihren entmenschten Haß unverdientermaßen beständig ausschüttete. Der Stiefvater des armen Kindes, Heizer Heinricht Br., bewies dann ergänzend seine Brutalität an dem armen Opfer, wenn er abends von der Arbeit zurückkehrte und an den Sonntagen. Nahrungsentziehung und Mißhandlungen mit einem harten Gegenstand waren an der Tagesordnung, Kopf und Körperteile waren mit Striemen und Verwundungen fast beständig überdeckt. Die Mitbewohner des Hauses, Wolfstraße 8 hierselbst, und die Nachbarn vermochten mit ihren Vorhaltungen bei den Rohlingen nichts zu erreichen und veranlaßten nach zweijährigem Miterleben dieser Schandtaten endlich die Unterbringung des armen Kindes im Waisenhaus. Die gesamte Zeugenschaft und auch die Lehrerin des Kleinen, sowie die Vorsteherin des Waisenhauses bezeichneten denselben als zutrauliches, offenherziges und liebes Kind. Als dann am Schlusse der Gerichtsverhandlung das kleine Kerlchen auch in den Gerichtssaal geführt wurde, stieg die Entrüstung im Zuschauerraum gegen die Angeklagten aufs äußerste. Diese zeigten das gleichgültigste Benehmen. Das Gericht verhängte über die Rabenmutter als den schuldigeren Teil vier Monate Gefängnis und gegen den Mann zwei Monate Gefängnis.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Limperich, 17. Aug. Am verflossenen Sonntag versammelten sich die Bürger unseres Ortes, um dem täglich zunehmenden Feld- und Gartendiebstahl entgegen zu treten. Alle Bürger, die einen Garten besitzen, oder im Felde gepflanzt haben, meldeten sich zu der freiwilligen Nachtwache, die von Sonntag ab bis zum Herbst jede Nacht von mehreren bewaffneten Leuten ausgeführt wird. Wenn unsere benachbarten Ortschaften ebenso verfahren, werden die Garten- und Felddiebstähle bald aufhören.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und Fern.“)
Nachrichten des städtischen Lebensmittelamtes.
[…]
Fett. Auf die Abschnitte Butter und Fett der Speisefettkarte werden in der kommenden Woche je 30 Gramm Butter verausgabt.
Kartoffeln. Die bisherige Wochenmenge von 5 Pfd. für die allgemeine Bevölkerung und 4 Pfd. Zulage für die Schwerarbeiter bleibt bis auf weiteres bestehen. Da die Kartoffeln jetzt bereits eine größere Haltbarkeit haben, andererseits aber Hemmungen in der Zufuhr nicht ausgeschlossen sind, ist die zeitige Abnahme der Wochenmenge zu empfehlen.
Die Reichskartoffelstelle weist darauf hin, daß die von Kleingartenanbauern in den den Städten benachbarten oder nahe gelegenen Landkreisen gezogenen Kartoffeln von einer Fläche bis zu 200 Quadratmeter den Anbauern belassen werden. Die Behörden sind angewiesen, die erforderliche Genehmigung zur Ausfuhr dieser Kartoffeln für den eigenen Bedarf der Anbauer anstandslos zu erteilen. […] Sammeltätigkeit. Eine besonders dringende Bitte um Sammlung von ausgekämmtem Frauenhaar erscheint angebracht, da es für die Herstellung von Treibriemen große Bedeutung hat. Erinnert sei auch an die Sammlung von Obstkernen, die für die Margarinebereitung wertvoll sind. Akaziensamen wird mit 0,70 Mk. für das Kilo vergütet. – Für die Viehfütterung bildet der getrocknete Kaffeesatz einen wertvollen Bestand. Man schüttet daher den Kaffeesatz nicht achtlos weg, sondern trocknet ihn und bringe ihn zur Ablieferung. – Die Annahme der genannten Gegenstände gegen Bezahlung geschieht täglich von 5 – 6.30 Uhr in der Sammelstelle der Hauswirtschaftlichen Kriegshilfe, Am Hof 1 (Eingang neben der Milchabteilung), ohne Bezahlung jederzeit in der Flickschusterei. […]
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Lebensmittelverkauf“)
Sonntag, 19. August 1917
Warum müssen wir unsere Goldsachen den Goldankaufstellen verkaufen? Die Reichsbank muß als Unterlage für ihre mit der Kriegsdauer immer mehr anschwellenden Banknoten einen möglichst großen Goldbestand in ihren Kassen haben. Je stärker diese Deckung ist, desto größer ist der Kredit der Reichsbanknoten im In- und Auslande. Kann die Bank die notwendigen Lebensmittel und Rohstoffe für uns nicht mehr mit dem immer rückströmenden Gold bezahlen, so muß sie, da Gold allein in der ganzen Welt zum vollen Wert angenommen wird, ihre Goldbestände angreifen und allmählich aufzehren. Das aber wäre der Zusammenbruch unserer deutschen Volkswirtschaft. Darauf rechnen unsere Feinde. Ihre Tücke bekämpft und die Erfolge unserer Heere stärkt jeder, der seine goldene Uhrkette, seine goldene Brosche, seine goldenen Ohrringe usw. dem Goldschatz der Reichsbank zuweist. Den vollen Goldwert bezahlt ihm die Goldankaufstelle am Münsterplatz. Wenn jeder Deutsche auch nur 5 Gramm Gold dem Reiche zuführt, steht eine neue Milliarde als eine Armee gegen den Feind.
Verordnung des Gouverneurs. Der Gouverneur der Festung Köln hat eine Verordnung erlassen, wonach jede männliche und weibliche Person auf Anforderung der zuständigen Behörde im Bezirke ihres Wohnsitzes oder in der Nachbargemeinde gegen den ortsüblichen Lohn ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechend verpflichtet ist, Arbeiten zu übernehmen, die zur Vermeidung von Verzögerungen beim Beladen und Entladen von Eisenbahnwagen und zur Beschleunigung des Wagenumlaufs notwendig werden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
In Groß-Bonn tritt augenblicklich das Kunstschützenpaar Desterros, eine Dame und ein Herr, mit großem Erfolg auf. Namentlich verblüfft die Dame durch ihre Treffsicherheit. Sie schießt u. a. Gegenstände, die ihr Partner in der Hand oder gar im Munde hält, mit dem Gewehr oder mit der Pistole weg. Mit abgewandtem Gesicht durch einen Spiegel trifft sie sogar ihr Ziel. „Die gehört in die Front, die muß in den Schützengraben,“ hieß es allgemein im Zuschauerraum. […]
Der Bonner Wochenmarkt war gestern sehr gut beschickt. Der Verkauf war durchweg flott. An Obst waren Aepfel, Birnen, Pfirsiche, verschiedene Sorten Reineklauden und Pflaumen, Mirabellen, sowie Brüsseler Trauben zu 3 und 3,50 Mark und Brombeeren zu 1 Mark das Pfund reichlich zu haben. Gemüse dagegen weniger. […]
Auf dem Großmarkt auf dem Stiftsplatz waren in fast allen Marktprodukten die Zufuhren bei weitem nicht so groß, wie anfangs dieser Woche. An Gemüse war nur etwas Rot- und Weißkohl, Wirsing, Spitzkappus und Blumenkohl, an Obst einige Körbe mit Aepfel, Birnen, Pfirsichen und Pflaumen vorhanden. […] Der Verkauf war auch hier im allgemeinen flott.
Der städtische Verkauf auf dem Wochenmarkt hatte wieder recht regen Zuspruch, besonders in Obst, Einmachgurken und Rhabarber, worin große Mengen vorhanden waren. In Fischen war die Auswahl gestern nicht so groß wie sonst, verkauft wurden nur marinierte Bismarckheringe und geräucherte Schellfische. […]
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Eine gerechte Empörung bemächtigte sich am Freitag morgen eines sehr großen Teiles der Besucher des Wochenmarktes. Eine Gemüse- und Obsthändlerin, Frau Christgen, Bonn, Maargasse 6, hatte für Birnen sehr geringer Beschaffenheit mehr als den Höchstpreis gefordert. Eine wackere Bonner Hausfrau, deren es leider bisher nur wenige auf dem Wochenmarkt gab, machte einem Polizeibeamten davon Mitteilung. Als dieser die Frau C. zur Rede stellte, kam er aber gut an. Die Frau wollte durchaus nicht einsehen, daß sie im Unrecht war. Als die Umstehenden auf sie einredeten, rief sie ihnen zu: „Ihr müßt überhaupt nichts zu essen haben. Verhungern müßt Ihr.“ Der Beamte nahm der Frau, die durchaus nicht zum Höchstpreis verkaufen wollte, den Korb mit Birnen fort; allein die Frau entriß den Korb wieder und verkaufte schließlich zum Höchstpreise. Sie weigerte sich aber, der Frau, welche die Anzeige erstattet hatte, Birnen zu verkaufen und entriß dem Beamten die Wagschale mit Birnen, die dieser der Frau zuteilen wollte. Alle Umstehenden waren voll Empörung über dieses maßlose Benehmen, und wäre der Beamte nicht mit bewundernswerter Umsicht und Ruhe vorgegangen, man wüßte nicht, was noch geschehen wäre. – Der Fall wird sicherlich nicht bloß mit einem Strafbefehl von einigen lumpigen Mark abgetan werden, sondern für die Händlerin ein gerichtliches Nachspiel haben und hoffentlich einsichtige Richter finden. Das verlangt auch schon neben vaterländischen Gesichtspunkten die Rücksicht auf die übrigen Händler auf dem Wochenmarkte, die unter schwierigen Verhältnissen ihr Gewerbe heute nach den geltenden Bestimmungen gern und willig weiter ausüben und an der Versorgung der Bürgerschaft mithelfen. Die Behörde dürfte wohl Veranlassung nehmen, der Händlerin sofort den Handel zu untersagen, weshalb wir auch entgegen unserer sonstigen Gewohnheit den Namen der Händlerin der Oeffentlichkeit nicht vorenthalten haben.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Montag, 20.August 1917
Bezugsscheine militärischer Stellen. Vielfach werden von Truppenteilen oder anderen militärischen Stellen Bescheinigungen zum Einkauf von Web-, Wirk-, Strick- oder Schuhwaren ausgestellt, die entweder als „Bezugsscheine“ bezeichnet werden oder doch ihrem Inhalte nach die Berechtigung zum Einkauf bescheinigen. Auf derartige Bescheinigungen hin haben mehrfach Gewerbetreibende begzugsscheinpflichtige Waren geliefert. Das ist ebenso unzulässig wie die Lieferung auf die von den Disziplinarvorgesetzten ausgestellten bloßen „Notwendigkeitsbescheinigungen“ hin. Die Gewerbetreibenden dürfen ausschließlich gegen Bezugsscheine liefern, die von den bürgerlichen Bezugsscheinausfertigungsstellen oder der Reichsbekleidungsstelle ordnungsgemäß „ausgefertigt“ worden sind. Vergehen hiergegen sind zur Bestrafung zu bringen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Die Kartoffelversorgung im Wirtschaftsjahr 1917/18. Auf Grund der Verordnung über die Kartoffelversorgung im Wirtschaftsjahr 1917/18 vom 28. Juni 2017 sind nunmehr von dem Präsidenten des Kriegsernährungsamts die erforderlichen Anordnungen ergangen. Die Versorgung der Bevölkerung mit Speisekartoffeln aus der Herbstkartoffelernte 1917 wird vorläufig dahin geregelt, daß der Wochenkopfsatz der versorgungsberechtigten Bevölkerung bis zu sieben Pfund Kartoffeln beträgt. Dieser Wochenkopfsatz ist für die Kommunalverbände, die mit Kartoffeln beliefert werden, nur ein Berechnungsmaßstab. In welchem Umfange die Abgabe in den Kommunalverbänden erfolgt, bleibt diesen überlassen. Sie können die Ration je nach den örtlichen Verhältnissen nach Altersstufen, unter Berücksichtigung der Arbeitsleistung oder in anderer Weise verschieden hoch bemessen. Die örtliche Regelung ist hierbei nur insoweit beschränkt, als der durchschnittliche Wochenkopfsatz von 7 Pfund Kartoffeln nicht überschritten werden darf. Um die Ernährung der Bevölkerung mit Kartoffeln unter allen Umständen, insbesondere auch dann zu gewährleisten, wenn die kommende Herbstkartoffelernte wider Erwarten gering sein sollte, wird ferner bestimmt, daß die gesamte Kartoffelernte für die öffentliche Bewirtschaftung sicherzustellen ist. […]
[…] Die Bemessung der Kleinhandelhöchstpreise ist Aufgabe der Kommunalverbände, denen in dieser Beziehung Grenzvorschriften nicht gegeben werden, da je nach den örtlichen Verhältnissen die Kleinhandelspreise verschieden gestaltet werden müssen. Die im Kleinbau gezogenen Kartoffeln von Flächen bis zu 200 Geviertmetern sollen den Kleinanbauern restlos belassen werden. […]
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Dienstag, 21. August 1917
Aufgenommene Verordnung. Da die Großmächte im allgemeinen jetzt besser mit Obst versorgt sind, hat sich das Preußische Landesamt für Gemüse und Obst veranlaßt gesehen, die Verordnung vom 30. Juni 1917 aufzuheben, worin unter anderem vorgeschrieben war, daß an einem Tage nicht mehr als zwei Pfund Obst an ein und dieselbe Person abgegeben werden darf. Für Bonn war die Verordnung bekanntlich durch den Oberbürgermeister außer Kraft gesetzt worden.
Acht Hühner sind in der Nacht zum Sonntag von einem Grundstück an der Poppelsdorfer Allee gestohlen worden. Der noch unbekannte Dieb hat die Garten- und Hofeinfriedung überstiegen, den Hühnerstall aufgebrochen und die Tiere getötet und mitgenommen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Straßenkehrung ohne Wassersprengung. Die Bonner Trottoir- und Straßenreinigungsgesellschaft bedarf, wie uns von verschiedenen Seiten geklagt wird, dringend der polizeilichen Beachtung. Die angestellten Frauen „reinigen“ die Straßen mit einem Reiserbesen, ohne Gießkannen zu benutzen. Dadurch wird der Staub und Dreck in den Straßen aufgestöbert und die Vorübergehenden und Hausinsassen haben die Freude, den Staub einschlucken zu dürfen. Beschwerden bei der Gesellschaft sind fruchtlos.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Großer Unwille herrscht in vielen Orten über die hohen Preise für Obst in den Geschäften. Obwohl die besseren Sorten noch gar nicht am Markte sind, sieht man doch überall für Aepfel und Birnen Preise von 1,20 bis 1,50 Mark für das Pfund. Daß es sich hierbei lediglich um Auslandsobst handelt, wird wohl niemand behaupten wollen. Mit welchem Rechte also derart unverschämte Preise gefordert werden, ist angesichts der den Erzeugern zu zahlenden gesetzlichen Höchstpreise von 25 Pfennig für mittlere Sorten Aepfel und 20 Pfennig mittlere Sorten Birnen einfach unverständlich. Die Beauftragten der Preisprüfungsstellen müßten es sich angelegen sein lassen, hier einmal eine Untersuchung nach der Herkunft der Waren anzustellen und die Preisforderungen auf ihre Berechtigung hin zu prüfen.
Dem Turn- und Spielklub „Nordstern“, Bonn, ist es wiederum gelungen, die Gau-Meisterschaft der A-Klasse im Schlagball zu erringen. Gelingt es ihm, den Gaumeister der B-Klasse zu bezwingen, erhält er noch den Wanderpreis „Hindenburgschild“ und er ist berechtigt, um die „Kreismeisterschaft“ (für Rheinland) zu kämpfen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Mittwoch, 22. August 1917
Metropol-Theater. Der neue Spielplan kündigt an: „Die Dame mit der Maske“, ein Filmspiel in fünf Abteilungen mit namhaften Berliner Schauspielern in den Hauptrollen, „Gebrochenen Schwingen“, die Geschichte einer unglücklichen Liebe in drei Akten, „Muttersöhnchen“, ein Bild aus dem Leben in drei Akten, und kleinere Filme.
In den Bonner Lichtspielen werden diese Woche das fünfaktige Schauspiel „Hotel Paradies“ und ein vieraktiger orientalischer Liebesroman „Die Laternen des Schicksals“, ferner u.a. das Lustspiel „Das Telephonkätzchen“ aufgeführt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Gefängnisstrafe für Hamsterer.
Die Obst- und Gemüsezufuhr ist in letzter Zeit besser geworden. Die Höchstpreisübertretungen sind infolge der scharfen Ueberwachung erheblich zurückgegangen. Umso mehr ist es zu tadeln, daß noch immer einige Hausfrauen aus reiner Hamstersucht die Höchstpreise, besonders im Schleichhandel, überschreiten. Dadurch wird nach wie vor das ganze System durchbrochen und der allgemeinen Versorgung der Bevölkerung erheblicher Schaden zugefügt. Es sind u. a. für die Kreise Bonn-Land und Köln-Land besonders scharfe Bestimmungen erlassen. Nach diesen Bestimmungen darf der Erzeuger in den genannten Kreisen Obst und Gemüse an Verbraucher nur noch mit Genehmigung der zuständigen Kreisstelle absetzen. Von dieser Genehmigung ist nur der Verkauf auf den öffentlichen Märkten und an ortsangesessene Verbraucher. Mit diesen Bestimmungen wird zweifellos die Beschickung des Marktes in Bonn gestärkt. Es ist auf Grund der selben ferner ausgeschlossen, daß eine Bonner Hausfrau z. B. nach Duisdorf oder an das Vorgebirge geht, um sich dort Gemüse einzukaufen. Diejenigen, die trotzdem hiernach zuwiderhandeln, werden mit Gefängnis bis zu 6 Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 1500 Mark bestraft. Es sei daher an dieser Stelle auf das Nachdrücklichste vor Uebertretungen gewarnt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Bonn: Vom städtischen Lebensmittelamte.
Die Kartoffelversorgung
scheint für die nächsten Wochen durchaus gesichert zu sein. Es werden auch weiterhin
5 Pfund auf den Kopf der Bevölkerung und
4 Pfund für die Schwerarbeiter
ausgegeben werden. Die Beschaffenheit der Kartoffeln ist gut, sodaß die Abfälle beim Kochen sehr gering sind. Wie aus den Nachrichten des Kriegsernährungsamtes hervorgeht, werden vom 15. September ab den Kommunalverbänden 7 Pfund Kartoffeln für die Versorgung auf den Kopf der Bevölkerung innerhalb einer Woche zur Verfügung gestellt.
Aus dieser Mitteilung kann auch der Schluß gezogen werden, daß nun auch wirklich 7 Pfund verteilt werden können. Das ist jedoch leider nicht zutreffend. Innerhalb dieser 7 Pfund müssen die Kommunalverbände einmal die Zulagen für die Schwerarbeiter verteilen und dann auch noch die Verluste durch Eintrocknen usw. tragen. Es dürften demnach an die Bevölkerung kaum mehr wie 6 Pfund ausgegeben werden. Die Herbstkartoffelernte scheint gut zu werden. Sie ist im vollen Umfange für die öffentliche Bewirtschaftung beschlagnahmt. Da für die Versorgung der Bevölkerung kaum mehr als höchstens 20 Prozent der gesamten Ernte in Frage kommen, so könnten zweifellos auch mehr Kartoffeln für die Ernährung zur Verfügung gestellt werden. Mit Rücksicht auf die sonstigen Ernährungsschwierigkeiten wäre ein Wochensatz von 10 Pfund dringend notwendig. Das läßt sich jedoch mit Rücksicht auf den Wagenmangel der Eisenbahn nicht verwirklichen. Die Kartoffeln werden für die Zeit vom 15. September ds. Jahres bis 15. April 1918 der Stadt Bonn und ebenso allen anderen Kommunalverbänden bis zum 15. November ds. Js. zugefahren, damit die Versorgung der Bevölkerung von Frost und Beförderungsschwierigkeiten durchaus unabhängig ist. Ein Einkellern in den Privathaushalten wird nicht stattfinden. Dagegen wird mit Rücksicht auf die Entlastung der städtischen Läger in der ersten Zeit der Bedarf des Haushaltes auf mehrere Wochen, zunächst voraussichtlich bis Ende November, ausgegeben werden. Gut kommen bei der Kartoffelversorgung für den Winter, also vom 15. September ab, die sogenannten Kleinbauern weg, soweit sie Flächen bis zu 200 Quadratmeter bestellt haben. Die von ihnen gezogenen Kartoffeln müssen ihrem Haushalt restlos belassen werden. [...]
Es ist vielfach das Gerücht im Umlauf, daß eine Beschlagnahme von Kleidern und Wäsche in Privathaushaltungen demnächst stattfinden soll. Die Reichsbekleidungsstelle hat wiederholt auf das allerentschiedenste erklärt, daß eine Enteignung weder für den Händler noch für den Privatmann irgendwie in Frage kommen kann. Alle Furcht vor einem bevorstehenden Eingreifen in die Privatbestände ist daher völlig haltlos.
[...]
Die Ablieferung der Knochen muß viel sorgfältiger wie bisher geschehen. Die Hausfrauen müssen sich darüber klar werden, daß in den in ihrem Haushalt bereits ausgekochten Knochen noch viele Nährstoffe vorhanden sind. Auf dem Schlachthof ist jetzt eine neue Knochenentfettungsanlage in Betrieb genommen. Durch die Entfettungsanlage wird aus den zurückgelieferten Knochen in hygienisch durchaus einwandfreier Weise zur Zeit bereits ein Zentner Fett täglich gewonnen. Wenn die Ablieferung der Knochen steigt, so wird damit auch die Fettausbeute steigen, die der Versorgung der Bevölkerung wiederum zu gute kommt. Nebenher werden dann die entfetteten Knochen noch für Viehfutterzwecke verwertet.
[...]
Der Verkauf der städtischen Altkleiderstelle
wird mit Schluß dieser Woche bis auf weiteres eingestellt werden. Es sollen vor dem weiteren Verkauf vorerst noch größere Vorräte an Kleidern und Schuhwerk aufgesammelt werden. An alle Haushaltungsvorstände wird daher nochmals die dringende Bitte gerichtet, im Interesse der Versorgung der Bevölkerung unserer Stadt alle irgendwie entbehrlichen Kleiderstücke und Schuhwaren dem städtischen Bekleidungsamt käuflich zu überlassen. Auf Wunsch werden diese Sachen abgeholt.
Heute mehr wie je ist es angebracht, sich der Vorzüge der Kochkiste zu erinnern. Wenn man auch nicht ganz auf Gas oder Feuerheizung bei der Kochkiste verzichten kann, so sind die Vorteile, die sie bietet, doch so groß, daß sie mehr Beachtung finden muß wie bisher. Man kann durch die Benutzung einer Kochkiste zwei Drittel an Heizung sparen. Das Essen wird, nachdem man es auf dem Herd oder Gaskocher zum Kochen gebracht hat, in die Kochkiste gesetzt, und dann braucht man sich nicht mehr darum zu kümmern. In der Kochkiste brennt das Essen nicht an, kocht auch nicht über und es wird sogar schmackhafter, weil der Duft und die Nährsalze beim Kochen nicht verloren gehen. In einer Zeit, wo die Kohlennot so groß ist, ist es doppelt ratsam, sich dieser Vorzüge zu sichern. Am Abend koche man das Essen auf einer Kochmaschine oder einem Gaskocher so an, daß es 3-5 Minuten kocht, dann stellt man den Topf in die Kochkiste und am anderen Morgen ist das Essen vollständig fertig. Wieviel Zeit, Geld und Aerger auf diese Weise gespart wird, braucht wohl nicht erst gesagt werden.
Die Teilnehmer der Kriegsküchen ist um 400 gestiegen, sodaß sie z. Zt. rund 5000 beträgt. Die Vorarbeiten für die Abgabe eines nahrhaften Morgentrankes an die Volksschulkinder sind im Gange, sodaß damit voraussichtlich am 1. Oktober begonnen werden kann.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Lebensmittelverkauf.“)
Donnerstag, 23. August 1917
Die Sozialdemokratie veranstaltet am Sonntag nachmittag 3 Uhr in der Germaniahalle eine Volksversammlung. Der Redner, Redakteur Sollman aus Köln, wird über „Brot, Freiheit, Frieden“ sprechen.
Ein belgischer Arbeiter, der Obst und Gemüse gestohlen und auch gebettelt hat, wurde von der Kriminalpolizei festgenommen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Eine Turner-Kundgebung am Arndt-Denkmal. In innerster Seele empört über die durch den Reichskanzler gemachten Enthüllungen der französischen Kriegsziele, erläßt der Kreisauschuß des zur Deutschen Turnerschaft gehörigen Rheinischen Turnerverbandes nachstehenden Aufruf zu einer vaterländischen Kundgebung am 2. September am Arndt-Denkmal auf dem Alten Zoll in Bonn:
„Der Rhein, Deutschlands Strom, nicht Deutschlands Grenze!
Was die Väter geschworen, die Söhne und Enkel wollen auf’s Neue geloben, es zu halten: „Sie sollen ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein, bis seine Flut begraben des letzten Mann’s Gebein!“
Tiefdunkle Nacht der Knechtschaft und der Schmach soll wieder über unser Vaterland hereinbrechen. Zertreten, geknechtet und ausgebeutet als Opfer ihrer Eroberungslust, wie einst in den Zeiten der Zerrissenheit und der Ohnmacht, so haben sie es uns zugedacht; so war und so ist auch noch heute der Feinde wahnwitziges Ziel!
In flammender Entrüstung muß das ganze deutsche Volk sich aufbäumen, angesichts der jüngsten politischen Enthüllungen. Besonders haben wir Rheinländer mit tiefstinniger Empörung vom geradezu ungeheuerlichen, unter der heuchlerischen Maske der Völkerbefreiung verborgenen Kriegsziel vernommen: neben dem wiederholten Raube zurückeroberten Landes Losreißung der Rheinlande vom deutschen Vaterlande. Dagegen wollen wir am Arndt-Denkmal in öffentlicher, vaterländischer Kundgebung aufs neue das Gelöbnis ablegen, daß das in Stein gegrabene Wort des Heroldes deutscher Treue so tief und unvergänglich in den Herzen aller Rheinländer wurzelt, daß es nur mir diesem Herzen selbst unserer Brust entrissen werden kann. Vor unseren Fahnen wollen wir es laut hinausklingen lassen:
„Du Rhein bleibst deutsch wie meine Brust! Wir wollen alle Hüter sein!“
Der Kreisausschuß hegt die feste Zuversicht, daß die Turnvereine aus allen Gauen unserer herrlichen Rheinlande der Aufforderung zur Teilnahme durch Entsendung einer Fahnenabordnung zu dieser feierlichen Kundgebung Folge leisten werden. Nachmittags sammeln sich die Vereine auf dem Arndtplatze hinter dem vom Kreisturnwart bewohnten Arndthause Coblenzerstraße 75.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Flankenfeuer. Die Kriegsspiele im Bonner Bürgerverein, die so großen Beifall gefunden haben, werden am Samstag, den 25. August, und Sonntag, den 26. August, zum Besten der Arndt-Eiche und der Uboot-Leute wiederholt werden. Wir wünschen der Aufführung den gleichen Erfolg wie bei den ersten Malen.
Vorbereitungen für die 7. Kriegsanleihe. Mit der Auflegung der 7. Kriegsanleihe ist Mitte September zu rechnen. Es wird selbstverständlich vaterländische Pflicht der Kreditgenossenschaften sein, auch aus dieser Anleihe eine rechte Volksanleihe zu machen. Kein anderes Geldinstitut ist mehr dazu befähigt als die Kreditgenossenschaft mit ihren engen persönlichen Beziehungen zu den Einzelmitgliedern. Von ihrem Eifer und ihrer Werbung und ihrer Aufklärung hängt es diesmal mehr denn je ab, ob die Beteiligung der breiten erwerbstätigen Volksmassen die hochgespannten Erwartungen erfüllt. Dessen sind sich auch die leitenden Reichsstellen bewußt, sie haben mit den genossenschaftlichen Verbänden schon Fühlung genommen und die Richtlinien für die Werbearbeit zur 7. Kriegsanleihe vereinbart. Wesentliche Verbesserungen gegen das bisherige Verfahren bedeute die in Aussicht genommene stärkere Heranziehung der leitenden Vorstandsmitglieder der Kreditgenossenschaften zur Mitarbeit und die beabsichtigte Schaffung eines Ausgleichs gegenüber der Konkurrenz der Sparkassen. Der Dank für dieses Entgegenkommen den genossenschaftlichen Wünschen gegenüber wird, davon sind wir fest überzeugt, in den von den Kreditgenossenschaften aufgebrachten Summen zu erfreulichem Ausdruck kommen.
Soldatenheim. Das Soldatenheim in der Josefstraße 46 (Vereinshaus) verrät nun schon von weitem, wo es die Stätte seiner Wirksamkeit aufgeschlagen hat. Eine schöne neue Fahne in den deutschen Farben mit der Aufschrift „Soldatenheim“ macht die Soldaten darauf aufmerksam. Diese Fahne ist ein Geschenk der hiesigen Bonner Fahnenfabrik, welche hiermit ihre Sympathien für die Bestrebungen des Soldatenheims zum Ausdruck bringen wollte. Daß auch die Soldaten gerne zum Soldatenheim kommen, bewies wieder der vergangene Sonntag. Wieder fand ein Preiskegeln statt, für das einige hübsche Preise gestiftet waren. Die neue Einrichtung scheint sich zu bewähren und bei den Feldgrauen viel Anklang zu finden. [...]
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Freitag, 24. August 1917
Die Mißstände bei dem Pilzverkauf auf dem Wochenmarkte beschäftigen die Pilzbestimmungsstelle schon einige Zeit. Ihr Leiter hat Körbe voller durchnäßter und schimmeliger Pfifferlinge, die im zersetzten Zustande giftig wirken, beschlagnahmen lassen. Täglich werden der Pilzbestimmungsstelle von Marktbesuchern sog. Steinpilze, in Wirklichkeit geringwertige Pilze ähnlichen Aussehens, vorgezeigt, die von Maden zerfressen, kaum noch als Viehfutter Verwendung finden können. Selbsthilfe ist zunächst geboten: Der Marktbesucher kaufe nur durchschnittene, längsgeteilte Pilze, um sich von ihrem inneren Zustande zu überzeugen. Bestimmte Vorschläge für die Marktpolizei hat die Pilzbestimmung dem städtischen Lebensmittelamt unterbreitet. Der Anregung, Pilze aufzukaufen und in der Pilzbestimmungsstelle weiter zu verkaufen, wird gerne entsprochen. Wer marktgängige Pilze abzugeben hat, wende sich an die Pilzbestimmungsstelle.
Brennholz statt Kohlen. Von der Kriegsamtstelle des 8. Armeekorps wird darauf aufmerksam gemacht, daß der Bedarf an Brennstoffen in den kommenden Monaten voraussichtlich nicht im gewohnten Umfang durch Kohlen gedeckt werden kann. Es wird dies namentlich auch für den Bedarf der Privatwohnungen ins Gewicht fallen, und es dürfte sich empfehlen, daß die Gemeinden und Städte baldigst mit den Waldbesitzern in Verbindung treten, um sich einen möglichst großen Brennstoffvorrat für den Fall der Not zu sichern. Weitestes Entgegenkommen, namentlich bei staatlichen Waldungen, ist zu erwarten, auch wird bei Selbstgewinnung durch den Verbraucher auf Gestellung von Soldaten (Rekruten, Genesenenkompagnien), Arbeitskommandos und Fuhrwerk zu rechnen sein.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Die Felder sind jetzt leer, die Ernte hat ihren Abschluß gefunden. Alles Getreide ist eingefahren, kein Säumiger ist zurückgeblieben. Die freigewordenen Stoppelfelder und die Frühkartoffelfelder sind bereits umgepflügt und haben zum Anbau von weißen Rüben oder auch zur Spinatkultur Verwendung gefunden. Bisher waren die Landwirte zufrieden, wenn das Getreide um Maria Geburt (8. September) unter Dach und Fach gebracht worden war. Diesmal sind die Felder volle 14 Tage früher frei, trotz der verspäteten Aussaat. Da sieht man, was beharrliche und energische Frauenhilfe vermag.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Der gute Ton im Amtsverkehr. Es ist in der letzten Zeit mehrfach Beschwerde geführt worden, daß die Höflichkeit von Beamten und Angestellten zu wünschen übrig lasse, insbesondere ist weiblichem Hilfspersonal nachgesagt worden, daß es die Bevölkerung „schnippisch“ behandle. Wie jedes Ding, hat auch diese Frage zwei Seiten insofern, als manchmal auch von der Bevölkerung den Beamten und Angestellten mit einer gewissen Voreingenommenheit in unfreundlicher Weise gegenübergetreten wird. Das Außerordentliche der Verhältnisse läßt augenblicklichen Unmut gewiß manchmal begreiflich erscheinen, indes gilt das Gleiche auch für den Beamten, der oft genug unter starker Ueberlastung steht. Es ziemt sich also für die Bevölkerung wie für Beamte und Angestellte, auch im augenblicklichen Unmut immer den guten Ton zu bewahren und in gegenseitiger nterstützung zur Ueberwindung der Schwierigkeiten beizutragen.
Die Kartoffellagerung unter Kriegsverhältnissen beim Erzeuger, Verteiler und Verbraucher. Da die Kartoffel unter Kriegverhältnissen ein Hauptnahrungsmittel sowohl für das Heer als auch für die Zivilbevölkerung ist, ist die möglichst restlose Erhaltung der Kartoffelernte mit eine Hauptbedingung für die Durchführung der Versorgung. Diese Art der Kartoffelversorgung im Kriege hat es mit sich gebracht, daß sich häufig Kreise und Personen mit der Aufbewahrung von Kartoffeln befassen müssen, denen diese Tätigkeit neu und ungewohnt ist. Auch in landwirtschaftlichen Kreisen stehen vielfach die erfahrenen Leiter der Betriebe im Felde. Um allen denjenigen, welche sich irgendwie mit der Kartoffellagerung zu befassen haben, die Möglichkeit an die Hand zu geben, sich über die zweckmäßige Kartoffellagerung unter Kriegsverhältnissen zu unterrichten, ist auf Veranlassung des Kriegsernährungsamtes eine Broschüre von Geh. Reg.-Rat Dr. Appel, Berlin, „Die Kartoffellagerung unter Kriegsverhältnissen beim Erzeuger, Verteiler und Verbraucher“ erschienen. Der versand erfolgt durch die Firma Reimar Hobbing, Berlin S.W. 61, Großbeerenstraße 17. Der Preis beträgt für das Einzelexemplar 25 Pfg. Die Broschüre kann gegen Einsendung von 25 Pfg. zuzüglich 5 Pfg. Porto durch die Landwirtschaftskammer bezogen werden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Samstag, 25. August 1917
Die Städtische Pilzbestimmungsstelle wird an ihren Sprechstunden von 80 bis 100 Personen täglich besucht, fast eine gleich große Anzahl wünscht außerhalb der Sprechstunden Rat und Auskunft. Es ist deshalb auch für Dienstag und Freitag eine Sprechstunde festgesetzt worden, so daß nunmehr an allen Wochentagen Gelegenheit zur sofortigen Belehrung gegeben ist. Die Pilzsucher mögen sich nach Möglichkeit an diese Sprechstunden halten und nicht unwillig werden, wenn außerhalb der Sprechstunden nicht jedes Mal alle gewünschte Auskunft erteilt werden kann. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Pilzbestimmungsstelle tun ihr Möglichstes, allen billigen Anforderungen gerecht zu werden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Die Kriegsküche Poppelsdorf erfreut sich immer noch einer sehr großen Teilnehmerzahl. Das Essen mundete im allgemeinen diese Woche; besonders die grünen Bohnen am Donnerstag standen in ihrer Zubereitung denen von tüchtigsten Hausfrauen nicht nach!
Mein Tischnachbar, der vor dem Krieg ein Liebhaber von geistigen Getränken gewesen ist (die Nase hinterlässt deutliche Spuren aus dieser köstlichen Zeit), beschwerte sich über die Graupen mit Rhabarber von Dienstag. Er meinte, das sei kein Essen für einen Mann, auch nicht, wenn man sechs Portionen bekäme! Auf meine Frage, wie es ihm im Großen und Ganzen in der Küche schmecke, antwortete er auf echt Bönnsch: „Jo, junge Här, me wolle ald de Muhl halde; de Wohrhet kann me jo jetz nich sage, weil me keene Schnaps mie kritt!“
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Wenn Flieger kommen. Die Erfahrungen aus den letzten nächtlichen Fliegerangriffen auf die Heimat haben ergeben, daß das Verhalten der Bevölkerung im allgemeinen richtig und gut war. Doch kommt es immer noch vor, daß einzelne aus Neugier auf die Straße oder an die Fenster laufen, um nach den Fliegern zu schauen.
Auf die Gefährlichkeit dieser Neugier wird besonders hingewiesen.
Wird die Bevölkerung nachts durch Luftangriff geweckt, so ist das Beste, sie verlässt Raum und Bett nicht. Gegen Zufallstreffer ist der einzelne weder im Bett noch im Keller sicher. Häufen sich aber die Menschen in Kellern an und eine Bombe durchschlägt das Gewölbe, so bringt sie vielen den Tod.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Sonntag, 26. August 1917
Jedes Gramm Gold verkürzt den Krieg. So viele Feinde auch unser Reich vertilgen wollen, sie müssen es nachgerade wissen, daß sie mit den Waffen unsere Heere nicht niederringen können. Und die Ernte hat ihre tückischen Hoffnungen auf eine Hungerniederlage unseres Volkes abermals erschüttert. Umso mehr rechnen sie damit, daß uns die goldenen Waffen ausgehen. Erst wenn sie auch diese Erwartung begraben müssen, werden sie Frieden schließen. Je stärker der Goldschatz der Reichsbank ist, desto stärkeren Eindruck macht er auf die Feinde, desto näher kommt also der Friede. Jeder kann dieses Friedensziel beschleunigen, wenn er seine Goldsachen an die Goldankaufsstelle am Münsterplatz verkauft. Goldketten, Goldnadeln usw. entsprechen ohnedies nicht in dieser eisernen Zeit. Und den vollen Goldwert bekommt jeder bar ausbezahlt.
Das letzte Konzert im großen Saal der Stadthalle, der bekanntlich ein Lebensmittellager werden soll, findet heute nachmittag statt. Der Bonner Männergesangverein Apollo wird auch bei diesem letzten Konzert noch einmal mitwirken und eine Reihe Lieder vortragen. Ein neues Gedicht eines seiner Mitglieder, vom Vereinsleiter vertont, wird voraussichtlich seine Wirkung nicht verfehlen: Herr Gott, nun schlage du doch drein, der Feinde sind so viele, wir kämpfen ganz allein usw.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Die Hühnerjagd, welche im Laufe dieser Woche ihren Anfang nahm, scheint diesmal recht lohnend auszufallen. Man sieht die Jäger meist mit zahlreicher Beute von der Jagd zurückkehren. Fast alle Reviere sind mit jungen, ansehnlich aufgefütterten Hühnern reichlich bestellt und die zahlreich vorhandenen Ketten halten jetzt noch gut zusammen.
Ketten mit 12 bis 15 Vögeln werden öfters aufgetrieben. Zersprengte Ketten schreien sich durch ihren eigentümlichen Ruf bald wieder zusammen. Selten streichen sie von ihrem Geburtsorte weit hinweg und fallen stets auf den Boden, nie auf Bäume und Sträucher ein. Ihr Fleisch ist als Leckerbissen für Gesunde und Kranke sehr geschätzt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Nachrichten des städtischen Lebensmittelamtes.
Brotversorgung.
Die wöchentliche Brotmenge, die auf die Brotmarken der Stadt Bonn ausgegeben wird, beträgt 1875 Gramm. Inhaber von Reisebrotmarken dagegen erhalten wöchentlich nur 1750 Gramm, also 125 Gramm oder ¼ Pfund Brot weniger. Auf Reisebrothefte und –Marken darf nur die auf den Marken verzeichnete Gewichtsmenge abgegeben werden.
Fleisch.
Die neuen Preise für Fleisch und Wurst sind folgende: für je ein Pfund Rindfleisch 2,60 M., Fleischwurst 2,80 M., Leberwurst 1,50 M., Blutwurst 0,80 M. Auf besonderen, an sichtbarer Stelle angebrachten Plakaten wird in den Metzgergeschäften bekanntgegeben, welche Menge Fleisch auf jede Person entfällt.
Die geringen Viehzuweisungen ermöglichen es nicht, am Samstag ½ Pfund Fleisch und Fleischwaren an jeden Verbraucher abzusetzen.
Fett.
Auf die Abschnitte Butter und Fett der Speisefettkarte werden in der kommenden Woche wieder je 30 Gramm verausgabt.
Kartoffeln.
Die bisherige Wochenmenge von 5 Pfund für die allgemeine Bevölkerung und die Zulage von 4 Pfd. Für die Schwerarbeiter bleiben bis auf weiteres bestehen. Die Kartoffeln für die Zeit vom 27. August bis 9. September sind baldmöglichst bei den Verkaufsstellen abzunehmen, da immer noch Rückschläge in der Zufuhr eintreten können.
[...]
Wildgemüse, Pilze und Teekräuter.
Die nächste Führung findet am Donnerstag, den 30. August, nachmittags 5 Uhr statt. Die Teilnehmer sammeln sich auf der Bergstraße in Bonn-Dottendorf. Eine rege Beteiligung wird erwartet. Sammeltaschen sind mitzubringen.
[...]
Kochkiste.
Durch die angeordnete Gasersparnis gewinnt die Kochkiste eine große Bedeutung, da man mit ihr eine wesentliche Ersparnis erzielt. Anfertigung von Kochkisten täglich von 4 bis 6 Uhr im Volkshause, 1. Stock, Sandkaule 13.-
Bekleidungsamt.
Ehrenurkunden für die unentgeltliche Abgabe getragener Kleidungs- und Wäschestücke sowie Schuhwaren sind von der Reichsbekleidungsstelle herausgegeben worden. Sie bilden ein dauerndes Andenken an unsere große und harte Zeit und werden auf Wunsch jedem, der einen Gegenstand von mindestens 5 Mark Schätzungswert unentgeltlich abliefert, in der Altkleiderstelle Martinistraße Nr. 18 ausgestellt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Montag, 27. August 1917
Die von der Sozialdemokratie gestern nachmittag veranstaltete Volksversammlung in der Germaniahalle war außerordentlich gut besucht. Der Redner, Redakteur Sollmann aus Köln, behandelte in seinem zweistündigen Vortrage die Aufgabe „Brot, Freiheit, Frieden“. Der Verlauf des Krieges hat, wie er ausführte, bewiesen, daß rein kapitalistische Interessen den Krieg verursacht haben. Es handelt sich um einen Rivalitätskampf des englischen und des deutschen Kapitalismus. In der ganzen Menschheitsgeschichte hat kein Volk militärisch und wirtschaftlich so viel geleistet, wie das deutsche Volk in den letzten drei Jahren. Für unsere Ernährungsnöte solle man nicht die Engländer so stark verantwortlich machen; die Not, die in weiten Kreisen herrscht, ist das Werk deutscher Volksgenossen, des deutschen Wuchergeistes. Die Gegner glauben nicht, daß sie uns noch militärisch niederzwingen können, sie bauen aber auf die vaterlandslosen Gesellen im eigenen deutschen Vaterlande, die das Volk aushungern. Wer im ersten Kriegsjahre so anständig war, nicht zu hamstern, der kann heute hungern, während die anderen wohlgefüllte Speicher und Keller haben. Die Bauern soll man für die jetzigen Verhältnisse nicht verantwortlich machen, sie befolgen nur den Grundsatz des Kapitalismus: Bereichert euch! Die Munitionsindustriellen beschuldigt man ja auch nicht des Wuchers, sie bekommen im Gegenteil noch das Eiserne Kreuz und das Verdienstkreuz. Die Regierung könnte manches ändern, sie müßte mit den ländlichen, kaufmännische und industriellen Kapitalisten die selbe Sprache sprechen wie mit den Arbeitern. Warum kann man nur die Arbeiter, nicht auch andere Stände unter das Hilfsdienstgesetz stellen? Anständige Arbeiter kann man mit dem Zuchtshaus bedrohen, wo bleiben die Zuchthausdrohungen gegen die Bauern, Händler und vor allem gegen die ostelbischen Junker, die am meisten an der Aushungerung des Volkes schuld sind? Das Schicksal Deutschlands hängt im kommenden Winter vom Brot, von den Kartoffeln und von den Kohlen ab. Gelingt es der Regierung aber nicht, dann mag sich die deutsche Regierung selbst für den Zusammenbuch verantwortlich machen. Auf einen Ruf hin würden dann vielleicht viele Tausende von Munitionsarbeitern die Arbeit niederlegen (!!). Beförderungsschwierigkeiten darf es nicht geben, im Notfalle sollte man den gesamten Personenverkehr einstellen. Der neue sozialdemokratische Unterstaatssekretär ist unzweifelhaft ein Fortschritt, denn man kann es jetzt keinem Beamten mehr verwehren, Sozialdemokrat zu sein. Dr. August Müller stand allerdings in der Partei so weit rechts, daß er mit bloßem Auge kaum noch zu erkennen war. Das Dreiklassenwahlrecht zum Landtag, in den Städten sowie die Bureaukratie müssen beseitigt werden, sie dürfen diesen Winter nicht mehr überleben. Bringt man im Laufe des Winters nicht das gleiche Wahlrecht zustande, so ist das die Kriegserklärung der Regierung an das deutsche Volk (!!), und diese Kriegserklärung wird das Ende des Reiches bedeuten. Die Regierungen sind unfähig, den Krieg zu beenden, weil sie den Sieg wollen. Ein Sieg im alten Sinne des Wortes ist aber in diesem Krieg überhaupt nicht möglich, auch nicht wünschenswert (!!). Den Faustpfändern Deutschlands kann England ebenso wertvolle Faustpfänder entgegenstellen (?). Auch für den Kapitalismus ist der Krieg längst kein Geschäft mehr, eine weitere Dauer des Krieges bedeutet nur sinnloses Hinschlachten weiterer Hunderttausender. Die Sozialdemokratie hat die Macht, das Reich zusammenbrechen zu lassen (?), sie hält aber durch im Interesse des deutschen Volkes, denn wenn Deutschland niedergeschlagen würde, so würde ihm zu den eigenen auch noch die fremden Kriegskosten aufgeladen werden, die deutschen Arbeiter würden dann neben der Knechtschaft der deutschen auch die der englischen und französischen Kapitalisten zu tragen haben. Die deutsche Arbeiterschaft muß vielmehr erwarten, daß der Weltmarkt wiedererobert wird, denn sonst müssen die deutschen Arbeiter auswandern oder zu Hungerlöhnen arbeiten. (Sehr richtig! Dazu brauchen wir aber einen Sieg!) Kriegsentschädigung bringt den Arbeitern keinen Vorteil, um sie zu erhalten, müßte vorher noch das Blut vieler Hunderttausender geopfert werden. Die Lichtblicke der letzte Monate sind die russische Revolution, die den Zarismus, eine der gewaltigsten kriegstreiberischen Mächte, beseitigt hat, die Stockholmer Konferenz und die Friedensnote des Papstes. Die Stockholmer Konferenz lebt und marschiert, es besteht die Möglichkeit, daß dort die Vorverhandlungen für einen Frieden gemacht werden. [...] Dem Papst ist die Mehrzahl der Sozialdemokraten für seine Note dankbar, jeder Sozialdemokrat kann die päpstlichen Vorschläge bis auf das letzte Wort unterschreiben (?). Die rote und die schwarze Internationale mögen gemeinsam den Frieden herbeiführen. Vielleicht gelingt es aber dem Papst eher als der Sozialdemokratie, weil die Regierungen den Frieden lieber aus der Hand der Macht der Vergangenheit entgegennehmen als aus der aufstrebenden Macht der Zukunft. Auch in diesem Fall soll der Papst den Beifall der Sozialdemokraten haben, wenn auch durch seine Friedensvermittlung die Stellung des Klerikalismus vorübergehend (??) gestärkt wird. – Eine Aussprache, zu der aufgefordert wurde, fand nicht satt, da sich niemand zu Wort meldete.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Veräußerungsverbot für Gasthauswäsche. Durch eine Verordnung der Reichsbekleidungsstelle im Reichsanzeiger vom 25. August 1917 sind die gesamten Bestände an Bett-, Haus- und Tischwäsche, die sich im Besitze von Hotels, Pensionen, Gast- und Schankwirtschaften und ähnlichen Betrieben oder in Wäscheverleihanstalten befinden, beschlagnahmt worden. Nachdem erst kürzlich die Verwendung der verschiedenartigen Gasthauswäsche eingeschränkt worden war, setzte sofort ein lebhafter Handel mit diesen Wäschevorräten ein, wodurch die Gefahr unberechtigter Preissteigerungen und unzweckmäßiger Verwendung dieser wertvollen Wäschebestände entstand. Die neuste Verordnung der Reichsbekleidungsstelle bringt ein Verfügungs- insbesondere Veräußerungsverbot dieser Wäsche, während eine Enteignung durch die Verordnung nicht angeordnet wird. [...]
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Schalen der Falläpfel, die in vielen Haushaltungen achtlos weggeworfen werden, lassen sich in der Küche noch sehr gut verwerten. Durch gutes Kochen bei einem geringen Wasserzusatz und Aufkochen des so gewonnenen Saftes mit Zucker erhält man einen vorzüglichen Apfelgelee. Der dem aus Aepfeln hergerichteten Gelee kaum nachstehen dürfte.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Dienstag, 28. August 1917
Das letzte Konzert im großen Saale der Stadthalle am vorgestrigen Sonntag war noch einmal außerordentlich zahlreich besucht. Zu den Musikstücken der Kapelle des Bonner Ersatzbataillons der 160er trug der Männergesangverein Apollo eine Anzahl Lieder vor, die großen Beifall fanden, so daß die Sänger sich auch noch zu einigen Zugaben verstehen mußten. Zum Schluß dankte der stellvertretende Vorsitzende des Vereins, Herr Klug, den Zuhörern dafür, daß sie dem Apollo immer treu gewesen seien und seine Veranstaltungen besucht hätten. Hoffentlich werde die Stadthalle nicht allzu lange ein städtisches Lebensmittellager zu sein brauchen, so daß sie für ihren bisherigen Zweck bald wieder benutzt werden könne.
Festgenommen wurde von der Kriminalpolizei ein 22jähriges Mädchen aus Sinzig, das in einem Hause der Acherstraße eine Anzahl Kleidungsstücke gestohlen hatte. Die Diebin hatte sich in der bestohlenen Familie eingeführt mit dem Angebot, Gemüsse beschaffen zu wollen, sie hatte in Wirklichkeit aber gar kein Gemüse zur Verfügung.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Beförderung von gehamstertem Gemüse usw. auf der Rheinuferbahn. Infolge der scharfen Kontrolle der Bahnhöfe der Vorgebirgsbahn wandte sich eine große Zahl von Hamsterern, unter Umgehung der „gefahrvollsten“ Punkte nach den nächstgelegenen Stationen der Rheinuferbahn, um von dort aus ihre Vorräte ungehindert fortschaffen zu können. Seit einigen Tagen sind die Beamten der Rheinuferbahn angewiesen, keine Gepäckstücke, ausgenommen kleineres Handgepäck, mehr zu befördern, wenn nicht die vorschriftsmäßigen Ausfuhrscheine vorhanden sind. Infolgedessen ist in den letzten Tagen eine ganze Anzahl von Hamsterern von der Fahrt ausgeschlossen worden und mußten auf den einzelnen Stationen zurückbleiben.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Beschlagnahmt wurden heute früh auf dem Wochenmarkt eine große Anzahl von Körben mit Aepfel, Birnen und Pflaumen, die ein Händler von auswärts aufgekauft hatte, ohne im Besitz des erforderlichen Erlaubnisscheines zu sein.
Die letzten beiden Sonntage waren mit ihrem prachtvollen Sommerwetter so recht geeignet zu einem starken Ausflugsverkehr. Bonn selbst als auch besonders die Orte der näheren Umgebung waren daher gut besucht. Die Verkehrsmittel, wie Dampfer und elektrische Bahnen wiesen eine große Zahl von Fahrgästen auf. Die sogenannten Hamsterzüge am Abend boten das altgewohnte Bild.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Mittwoch, 29. August 1917
Bonner Lebensmittelversorgung. Die Kartoffelversorgung hat sich wesentlich gebessert. Auch in dieser Woche können wieder sieben Pfund auf den Kopf der Bevölkerung ausgegeben werden, und zwar werden fünf Pfund auf die Kartoffelkarte und zwei Pfund auf die Warenmarke 32 verabfolgt. Eine Bekanntmachung darüber wird noch veröffentlicht. Soweit sich bis jetzt übersehen läßt, werden auch für die nächsten Wochen sieben Pfund, unter Umständen sogar noch mehr Kartoffeln abgegeben werden. Die gute Kartoffelversorgung ist deshalb freudig zu begrüßen, weil nach wie vor Gemüseknappheit herrscht. Diese ist noch immer darauf zurückzuführen, daß die Höchstpreise überschritten werden. Die Reichsstelle für Gemüse und Obst ist jedoch in letzter Zeit sehr scharf gegen den Gemüsewucher vorgegangen, und es ist zu erwarten, daß wir noch vor der Anlieferung des Herbstgemüses endlich geordnete Zustände bekommen. Die Stadt Bonn hat große Abschlüsse in Kohl und anderen Herbstgemüsearten getätigt, so daß in den nächsten Wochen der Markt voraussichtlich gut beliefert werden kann.
Die städtische Kleinverkaufsstelle, die sich jetzt im Hause der Armenverwaltung Franziskanerstr. 8a befindet, wird vom nächsten Montag ab nach dem Eckladen im Ritzdorffschen Hause Franziskanerstraße-Belderberg verlegt. Es sind dort größere Räumlichkeiten gemietet worden, so daß die Käufer besser und schneller abgefertigt werden können.
Die Kriegsküchen haben in dieser Woche wieder rund 4.500 Teilnehmer.
Die Belieferung der Stadt Bonn mit Fleisch ist in den letzten Wochen sehr schlecht gewesen, so daß nicht die vollen 250 Gramm auf den Kopf abgegeben werden konnten. Das Lebensmittelamt hat beim Viehhandelsverbande die nötigen Schritte getan, um diesem bedauerlichen Mangel abzuhelfen.
Im Metropol-Theater wird gegenwärtig u. a. der Film „Die Marokko-Deutschen in der Gewalt der Franzosen“ nach Aufzeichnungen des deutschen Vizekonsuls Gustav Fock aus Rabat vorgeführt, ein Film, der gerade in dieser Zeit, wo wir Deutsche von Versöhnungsfrieden und Internationalität schwätzen, zur Wiedererweckung deutschen Selbstbewußtseins im einzelnen dienlich sein könnte. Was zu Kriegsbeginn deutsche Frauen und Männer in den Händen der Franzosen – bekanntlich die international beglaubigten Vertreter höchster Kultur, Menschlichkeit und „Galanterie“ – gelitten haben, wird hier in einem kleinen Ausschnitt, der in Marokko spielt, mit erschütternder Wirkung dargestellt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Die Obst- und Gemüsediebstähle in unserer Stadt mehren sich in fast unheimlichem Maße. Allenthalben hört man klagen. Nicht nur die Feldbestände und Obstgärten, sondern auch die Haus- und selbst die Vorgärten werden heimgesucht und Obst und Gemüse oft nicht pfund-, sondern sogar zentnerweise abgeschleppt. Dabei benehmen sich die Diebe, wenn sie irgendwie gestört oder abgefaßt werden, in unglaublich roher Weise und setzen sich der Festnahme oder Feststellung der Person nicht selten in gefahrdrohender Weise entgegen. So sollen u. a. die Diebe einem Gartenbesitzer im südlichen Stadtteil mit dem Revolver entgegengetreten sein. Wenn das so weitergeht, erscheint ein Selbstschutz der Besitzer untereinander geboten.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Schüler als Hilfsarbeiter in der Landwirtschaft. Die Landwirtschaft kann jetzt mehr als je alle Hilfskräfte brauchen. Als solche kommen vor allem auch Schüler in Frage. Nun ist aber mehrfach berichtet worden, daß Schüler, die gern bereit waren, bei den landwirtschaftlichen Arbeiten zu helfen, von ihren Eltern daran verhindert wurden, weil sie einerseits befürchteten, die Arbeit könnte für ihre Jungen zu schwer sein und diese könnten bei solcher Tätigkeit gesundheitlich Schaden nehmen, andererseits die Schüler könnten in ihren Bildungsanstalten zurückbleiben. Ersteres Bedenken läßt sich ohne weiteres widerlegen. Das Arbeiten in frischer Luft kann die jungen Körpger nur stählen und kräftiger machen. Die zweite Besorgnis aber wird behoben durch eine Verordnung des Kultusministeriums, daß Schüler, die im Winter ihre Schuldigkeit tun, bei der Versetzung in höhere Klassen nicht zu kurz kommen sollen, auch wenn sie nicht das volle vorgeschriebene Pensum beherrschen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Donnerstag, 30. August 1917
Ferienspiele. Am übermorgigen Samstag, dem 1. September, werden die von der Stadt Bonn eingerichteten Ferienspiele durch eine vaterländische Feier auf dem Venusberge abgeschlossen werden. In dankenswerter Weise stellt das Ersatzbataillon der 160er die Musikkapelle zur Verfügung. Die einzelnen Spielgruppen versammeln sich mit ihren Fahnen vormittags gegen 8.30 Uhr auf dem Kaiserplatz, von dort wird einige Minuten später abmarschiert. Die Knaben und Mädchen der Bonner Volksschulen sind zu dieser Feier eingeladen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Ausschluß vom Fleischverkauf. Der Metzgermeister Max Strauß, Sterntorbrücke, wird nach einer Bekanntmachung des Oberbürgermeisters in der heutigen Nummer unseres Blattes wegen Unregelmäßigkeiten im Geschäftsbetrieb für die Zeit vom 30. August bis 12. Sept. vom Fleischverkauf ausgeschlossen.
Durch den Sturm der letzten Tage ist hier und in der Umgegend großer Sachschaden entstanden. Am Vorgebirge, in der Erft- und Dürener Gegend wurde fast die ganze Obsternte von den Bäumen geweht. Infolgedessen wird das Obst in großen Mengen auf den Wochenmarkt gebracht – aber billiger ist es immer noch nicht geworden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Ausgabe besonderer Brotkarten zum Bezug von Krankenbrot und Zwieback. Von Freitag, den 31. August 1917 ab werden im städtischen Lebensmittelamt, Zimmer 7, vormittags von 8 bis 12 Uhr und nachmittags von 3 bis 6 Uhr besondere Brotkarten zum Bezuge von Krankenbrot und Zwieback ausgegeben. Bezugsberechtigt sind nur Personen, denen auf Grund einer ärztlichen Bescheinigung bisher die Brotkarte zum Bezuge von Krankenbrot oder Zwieback abgestempelt worden ist. Diese Brotkarte, sowie der Lebensmittelkarten-Umschlag sind mitzubringen. Die Bäcker dürfen vom 3. September d. J. ab auf die mit dem Stempel Krankenbrot oder Zwieback versehenen Brotkarten, Krankenbrot und Zwieback nicht mehr abgeben.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Lebensmittelverkauf“)
Freitag, 31. August 1917
Ueber die Neuordnung der Butterpreise entnehmen wir den Mitteilungen des Kriegsernährungsamts folgendes: Die anhaltende Trockenheit hat in verschiedenen Gebieten die Futterernte so nachteilig beeinflußt, daß bei den bisherigen Preisen für Milch und Butter die Unkosten der Milchviehhaltung nicht mehr überall gedeckt werden. Wenn nicht eine Erhöhung insoweit zugestanden wird, daß den Landwirten die Selbstkosten erstattet werden, so ist ein weiteres Sinken der Milch- und Buttererzeugung für den kommenden Winter mit Sicherheit zu erwarten. Es erschien daher erforderlich, die Preisregelung grundsätzlich neu zu gestalten. […] Es soll der Butterherstellerpreis ein bestimmtes Verhältnis zum Milcherzeugerpreis nicht überschreiten, er soll nicht über 8 Mark für das Pfund betragen. […] Für größere Städte wird eine weitere beschränkte Erhöhung des Verdienstes für den Groß- und Kleinhandel vielfach nicht zu vermeiden sein. Hand in Hand mit dieser Neugestaltung der Preise wird der weitere Ausbau der Bewirtschaftung von Milch und Butter durch eine zweckmäßige, den örtlichen Wirtschaftsverhältnissen angepaßte Organisation zur Erfassung dieser Nahrungsmittel in den Erzeugungsgebieten, durch Ueberwachung ihres Verbrauchs in den Bedarfsgebieten und vor allem durch Bekämpfung des Schleichhandels gehen müssen. Die Versorgung mit Speisefetten und Milch wird im kommenden Winter nur unter erheblich vermehrten Schwierigkeiten vor sich gehen können. Es steht zu hoffen, daß die neue Butterpreisverordnung mit dazu beitragen wird, diese Schwierigkeiten zu beheben.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Vaterländische Kundgebung am Arndt-Denkmal. In allen Gauen der Rheinischen Turnerschaft hat die Anregung auf Veranstaltung einer Turner-Kundgebung gegen die aufs neue enthüllten feindlichen Eroberungsgelüste die denkbar günstigste Aufnahme gefunden: Sie sollen ihn nicht haben! Am Sonntag, nachmittags 4 Uhr erfolgt die machtvolle vaterländische Kundgebung am Arndt-Denkmal auf dem Alten Zoll. In geschlossenem Zuge marschieren die Fahnenabordnungen und die übrigen Teilnehmer des Rheinischen Turnerverbandes vom Turnplatz am Arndthause dorthin. […]
Wucherpreise für Rippentabak. Wie wir bereits vor einiger Zeit mitteilten, wird auch hier in Bonn Tabak zum Preise von 10 Mk. und mehr für das Pfund verkauft. Es handelt sich dabei um geschmuggelten oder unter anonymer Flagge segelnden reinen Rippentabak, der mit 3.50 bis 4.50 Mk. hoch genug bezahlt ist. Dieser Hinweis hat natürlich keinerlei Bezug auf die reelle deutsche Rauchtabak-Industrie mit ihren jetzigen Preisen.
Das „schwache“ Geschlecht. Die starke Steigung an der hiesigen Brückenrampe macht den Lenkern von Lastfuhrwerken viel zu schaffen. Sobald ein Pferd sich einmal weigert, die Brückenrampe anzusteigen, bringt es der Lenker in den meisten Fällen nicht fertig, das Tier zum Weitergehen zu bewegen. Da helfen keine guten Worte, da hilft keine Peitsche, sogar ein Vorspannpferd ist meist nicht im Stande, das Fuhrwerk in Bewegung zu bringen, weil der scheugewordene Gaul allen Fortbewegungsversuchen heftigen Widerstand entgegensetzt. Am Montag morgen machte ein etwa 16jähriger Junge, der mit einem leichtbeladenen Ponyfuhrwerk über die Rheinbrücke fahren wollte, dieselbe Erfahrung. In der Doetschstraße blieb das Pferd wie festgewurzelt stehen, und alle Versuche, es anzutreiben, waren vergebens. Er streichelte das Tier, redete ihm gut zu und schließlich, als alles nichts half, versuchte er es mit der Peitsche weiterzubringen. Jedoch ohne Erfolg. Als der Junge ratlos dastand, stieg ein etwa 12jähriges Mädchen, das schon seit Kriegsbeginn einen Bäckerwagen selbständig fährt, von seinem Fuhrwerk und nahm dem Jungen die Zügel aus der Hand. „Gangt ens op Sick, gevv ens die Peetsch her!“ rief es dem Jungen zu, und im nächsten Augenblick ging der Tanz los. Hageldicht fielen die Schläge auf den widerspenstigen Gaul und unter großem Hallo der Umstehenden riß der Pony aus und hatte im nächsten Augenblick die Steigung überwunden. Der Junge eilte mit hochrotem Kopf seinem Fuhrwerk nach und schwang sich in der Nähe des Zahlhäuschens auf den Bock. „Dat kann goot werde“, meinte ein Zuschauer anerkennend, als das Mädchen wieder sein Fuhrwerk bestieg und nach der Hundsgasse zu weiterfuhr.
Schöffengericht Bonn. Ein Wirt und Metzger aus Beuel hatte in der Nacht zum 25. Mai fünfzig Pfund Rindfleisch bei sich einschmuggeln lassen, angeblich von einem unbekannten Metzger aus Luxemburg stammend und von einem unbekannten Soldaten. Er verkaufte diese Waren an seine Kundschaft. Von der Polizei wurde ihm schließlich noch 21½ Pfund beschlagnahmt. Ein amtsrichterlicher Strafbefehl verhängte über den bereits zweimal vorbestraften Angeklagten dieserhalb einen Monat Gefängnis. Sein Einspruch hatte in der gestrigen Schöffengerichtssitzung den Erfolg, daß diesmal, wie im Urteil ausdrücklich betont wurde, nochmals ausnahmsweise von einer Gefängnisstrafe abgesehen und eine Geldstrafe von 300 Mark über ihn verhängt wurde.
[…]
Der Händler Joh. K. von hier hatte im Juni die Stachelbeeren, deren Höchstpreis auf 40 Pfg. pro Pfd. stand, mit 70 und 65 Pf. verkauft, auch in seinem Laden kein richtiges Preisverzeichnis aushängen gehabt. Für den ersten Fall erhielt er 50 Mark, für den zweiten Fall 10 Mark Geldstrafe. – Der Höchstpreis von 42 Pfennig für Kirschen hatte die hiesige Händlerin Witwe Jos. H. um fast das dreifache überschritten, indem sie dieselben mit 1,20 Mark verkaufte. Das Gericht hielt die Strafe von 100 Mark für angemessen. Noch bevor das Urteil fertig ausgesprochen war, verließ die Angeklagte unwirsch und mit giftigem Blick den Gerichtssaal, was viel Heiterkeit erregte. – Die Händlerin N. hatte auf dem Markt den Salat als sonst keiner mehr dort war, nur noch stückweise verkauft und zwar mit 20 Pfennig pro Köpfchen, während der Verkauf nur pfundweise zum Höchstpreise von 25 Pfennig gestattet war. Das richterliche Urteil milderte die polizeiliche Strafverfügung von 100 auf 50 Mark.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Wallfahrt nach Bornhofen wird nicht, wie angezeigt, mit dem fahrplanmäßigen Dampfer, sondern mit dem Sonderdampfer „Ernst Ludwig“ erfolgen und zwar am Montag, den 3. September, morgens gegen 9 Uhr (Rheingasse). Preis für Hin- und Rückfahrt 6 Mk., Kinder die Hälfte. Karten sind bis Sonntag abend bei Herrn C. Tondorf, Sternstraße 66, zu haben. Das Schiff hält auf der Hin- und Rückfahrt in Godesberg und Königswinter.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)