Donnerstag, 1. Juli 1915
Der Bonner Wehrbund hatte den verflossenen Sonntag von einer gemeinsamen Uebung seiner Abteilungen frei gehalten, um diesen Gelegenheit zu eigener Betätigung zu geben. Zurzeit werden neben den vom Kriegsminister angeordneten Uebungen Vorbereitungen zu einem Wettkampf getroffen, für dessen Verlauf eine im Feindesland von unseren Feldgrauen unternommene Veranstaltung vorbildlich ist. Kommen auf dem westlichen Kriegsschauplatz nach 30tägigem Ausharren im Schützengraben die Kämpfer in Ruhestellung, so werden nach vorliegenden Berichten an manchen Orten Leibesübungen verschiedener Art getrieben, um die steif gewordenen Knochen wieder gelenkig zu machen. Von Fuß-, Faust- und Schlagballspielen wird berichtet und auch von Wettkämpfen in volkstümlichen Uebungen, die im Kampfe verwendbar sind. Um Abwechslung in die sonntäglichen Unternehmungen des Wehrbundes zu bringen, soll an einem Sonntag im Juli auch ein Wettkampf veranstaltet werden, um den jugendlichen Mitgliedern Gelegenheit zu geben, ihre körperliche Geschicklichkeit zu zeigen. Eine 120 Meter lange Laufbahn wird angelegt, auf der sich als Hindernisse Hürden befinden, unter einer auf niedrigen Böcken liegenden Leiter durchgekrochen werden muß und schließlich ein 4 bis 5 Meter breiter Drahtverhau zu überwinden ist. Dann soll die Geschicklichkeit im Werfen von Handgranaten, im Hoch- und Weitsprung gezeigt werden, die Ausdauer und das Ordnungsverhalten der Mannschaften im Lauf und auch die Fertigkeit im Exerzieren. Alle Uebungen sollen im Anzug mit 2 ½ Kilogramm schwerer Rucksackbelastung mit gerolltem Mantel vorgenommen werden. Jugendlicher Ehrgeiz, den Sieg zu erringen, wird hoffentlich die Triebkraft sein zur Erzielung guter Leistungen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
In einer Sandgrube an der Kölner Chaussee hatten am 9. April Knaben gespielt. Einer von ihnen war beim Ausheben von Schützengräben verschüttet worden und totgeblieben. Die eingeleitete Untersuchung ergab, daß den Ziegeleibesitzer keine Schuld an dem Unfall trifft. Gestern stand er vor dem Schöffengericht unter der Anklage, eine Kiesgrube nicht genügend umzäunt zu haben. Er behauptete, die Kinder seien gegen seinen Willen in die Kiesgrube eingedrungen und hätten die Arbeiter, die sie wegwiesen, mit Steinen bombardiert. Er könne alles mögliche tun, die Kinder verschafften sich aber immer wieder Zutritt, in dem sie den Drahtzaun entfernten. Auch diesmal hätten sie ganze Enden des Drahtes zur Anlage von Hindernissen vor den Schützengräben benutzt. Nach Vernehmung des Baumeisters Thoma als Sachverständigen und mehrerer Zeugen erkannte das Schöffengericht auf Freisprechung des Ziegeleibesitzers, den keine Schuld treffe.
Eine große Aufregung machte sich in Godesberg zu Anfang der Mobilmachung geltend, als die eingezogenen Mannschaften in einer dortigen Wirtschaft verpflegt wurden. Die Eingezogenen beschwerten sich darüber, daß sie für eine Flasche Godesberger Wasser einschließlich der Flasche 40 Pfg. und für eine Postkarte mit Freimarke 15 Pfg. bezahlen mußten. In einer Godesberger Zeitung wurde die Sache in sehr scharfen Worten besprochen. Dem Inhaber der Verpflegungsstation ist von der Intendantur das 8. Armeekorps der Betrieb dieser Station und der Kriegsverpflegungsstation gekündigt und entzogen worden. Die Einwohner der Bachstraße, die die Eingezogenen auf ihrem Wege vom Bahnhof zur Verpflegungsstation durchziehen mußten, hatten vor ihren Häusern Tische mit Mineralwasser, das von der Gemeinde Godesberg umsonst zur Verfügung gestellt worden war, sowie mit Kaffee, Limonade und Schnittchen aufgestellt und riefen den Vorbeimarschierenden zu, sie möchten nur zugreifen, es werde alles umsonst hergegeben. Ein Schneidermeister aus der Bachstraße soll bei dem ersten Truppentransport den Eingezogenen zugerufen haben, geht nicht zu dem ... der bewuchert euch. Es ist eine Schande, daß er den Soldaten 30 Pfg. für eine Flasche Wasser, 40 Pfg. für Kaffee, und 50 Pfg. für ein Schnittchen abnimmt. Der Beklagte stand gestern wegen Beleidigung vor dem Schöffengericht. Er bestritt durchaus, die Aeußerung getan zu haben. Sein Verteidiger fand es sehr auffällig, daß der Kläger nicht gegen den mit Namen genannten Verfasser des Eingesandts vorgegangen sei. Der Kläger behauptete, er habe das im Drange der Geschäfte vergessen. Nach längerer Verhandlung, in der ein Zeuge mit Bestimmtheit bekundete, daß der Schneidermeister die unter Anklage gestellten Aeußerungen getan hatte, erkannte das Schöffengericht auf 20 Mark Geldstrafe.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Verwundetenfahrt. Am Freitag wird der Moseldampfer „Prinz Heinrich“ von Bonn mit einer großen Anzahl Verwundeter aus den hiesigen Lazaretten nach Andernach und zurück fahren.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Freitag, 2. Juli 1915
Vaterländischer Frauenverein. Gestern fand im Reservelazarett III in der Beethovenhalle die staatliche Notprüfung von zehn Schwestern des Vaterländischen Frauen-Vereins Stadtkreis Bonn unter dem Vorsitz von Herrn Regierungs- und Geheimen Medizinalrat Dr. Rusack von der Königlichen Regierung zu Köln statt. Sämtliche Schwestern haben die Prüfung bestanden.
Gegen die hohen Zuckerpreise. Die Stadtverwaltung in Solingen hat einen größeren Posten Zucker angekauft und überlassen ihn den Lebensmittelgeschäften mit der Verpflichtung, den Zucker zu einem bestimmten Preis zu verkaufen. Veranlassung hierzu gibt die Tatsache, daß einzelne Geschäfte wegen des zurzeit geringen Zuckerangebots eine ungerechtfertigte Preissteigerung haben eintreten lassen.
Auch in Bonn ist der Zucker um etwa 50 v. H. im Preis gestiegen, er wird dazu nur in ganz kleinen Mengen abgegeben. Maßnahmen der Stadtverwaltung gegen diesen Mißstand wären auch hier angebracht, um so mehr als doch immer wieder empfohlen wird, möglichst viel Beeren und Obst zu Mus einzukochen und die „Einmachzeit“ immer näher rückt.
Freie Rheinschiffahrt für Verwundete. Die Verwaltung der Köln-Düsseldorfer Rhein-Dampfschiffahrts-Gesellschaft hat sich bereit erklärt, an 3 Tagen der Woche Verwundete in Verbänden bis zu 40 Personen, die von den Lazarettverwaltungen zu bestimmen sind, auf Ausflügen kostenlos zu befördern.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Kriegssommersemester in Bonn
Eine federfrohe und scharfäugige Tochter unserer alma mater schreibt uns:
Die herrlichen Anlagen vor dem alrehrwürdigen rheinischen Universitätsgebäude sehen nicht mehr nach „Kunstgärtnerei“ aus. Das sproßt, blüht und wuchert nach Herzenslust auf dem sonst „englisch“ geschorenen Rasenteppich. Blauer Ehrenpreis und giftiger Schierling, rotblühender Klee und goldäugige Marienblümchen, gelbe Ranunkel und späte Vergißmeinnicht, - die richtige, prachtvolle Sommerwiese. (Inzwischen ist das urwüchsige Bild der diessommerlichen Hofgartenwiese durch fleißige Mäher rasiert worden. Red.) Lachender Morgensonnenschein wirft durch das dichte Blättergewirr der breitästigen Bäume goldene Lichter auf den dunklen schattigen Weg, der längs der alten Stämme zur alma mater führt.
Kriegssommersemester! Es ist doch noch andersartiger, als das vergangene Studienhalbjahr, das auch schon im Zeichen des Krieges stand. Im Winter waren die Einberufungen noch nicht so allgemein. Mit der vorrückenden Zeit aber und mit der zunehmenden Zahl der Feinde vertauschen die einstmals unter „ungedientem Landsturm“ eingereihten, waffenfähigen Männer, einer nach dem andern, Kolleg, Studentenkonvent, das bunte Burschenband mit Exerzierplatz, Mannschaftsstube und Farbe Feldgrau, und so geschieht es, daß in manches Dozenten Vorlesung überwiegend weibliche, manchmal sogar nur ein oder zwei Studienbeflissene männlichen Geschlechtes sitzen. Ja, der historisch bedeutsame Augenblick kam, da der Leiter des physikalischen Instituts einrücken mußte und – o große Stunde – eine F r a u seinen Platz ausfüllte. Heute haben sich die entrüsteten Doktoranden längst damit ausgesöhnt und friedlich arbeitet man unter weiblicher wissenschaftliche Leitung dem Ziele entgegen.
Und die deutschen „Barbaren“?
In den Hörsälen sitzen Feldgraue, sonn- und luftgebräunt, in Uniformen, denen man die mitgemachten Stürme ansieht, hinter ihren Kollegienheften. Wenn draußen die schrille Klingel durch die langen Korridoren gellt, dann sind gerade sie wohl gern die Allerletzten. Aber das kommt daher, weil es sich auf Krücken und am Stock noch nicht wieder so eilig gehen läßt... Natürlich besteht ein eifriger schriftlicher Verkehr zwischen dem Seminarleiter und seinen ins Feld gerückten Hörern; ein Studiosus der Philologie hat sogar eine mathematische Aufgabe für das Uebungsseminar gesandt, die laut Begleitschreiben bei dürftigem Laternenschein auf Feldstallwache ausgetüftelt wurde.
Es ist leer geworden in der Poppelsdorfer Allee, was das studentische Element anbelangt. Weitaus die Mehrzahl unserer diesjährigen Abiturienten, der Fuchsennachwuchs, hat sich in flammender Vaterlandsliebe als Kriegsfreiwillige gemeldet. Deshalb überwiegt in Bonn die feldgraue Farbe. Auch auf den Terrassen des „Königshof“, zu deren Füßen schmucke weiße Dampfer rheinauf- und abwärts fahren. Leise fluten die Klänge von „Isoldens Liebestod“ vom Konzertpodium drinnen über die Tische hin. Damen in hellen Sommerkleidern stricken und nähen so eifrig, als sähen die im Geiste die sehnsüchtig nach der heimatlichen Sendung ausspähenden Soldatenaugen....
Viele kriegsverwundete Offiziere sind da, deren Quarten und Terzen in dem braungebrannten Gesicht garnicht mehr auffallen. Wie ernst doch die Farbe Feldgrau wirkt, bemerkt man erst jetzt, wenn man das fröhliche Bunt der Studentenmützen und Stürmer auf der sommerlichen Rheinterrasse des vorigen Jahres im Geiste danebenhält. Die helle Lustigkeit des rheinischen Straßenbildes hat sich auch um viele Schattierungen abgetönt. Selbst in dem blühenden Junitag am Rhein stehen schwarze Schatten von den Kämpfen draußen. Ein Feldgrauer mit der Binde über dem linken Auge führt sorgsam einen kriegsblinden Kameraden; ein Freiwilliger wohl, dem blassen, jungen Gesicht nach zu urteilen. Für einen Augenblick verstummt unwillkürlich das Geplauder an den Tischen, da die Beiden vorübergehen, und in manches Frauenauge kommt ein heißer Schein des Mitglieds. Aber wie anderorts bei derartigem Anblick auch tönt es dazwischen mehr oder minder leise aus unbedachtem Munde: „Ach, wie schrecklich! Ein blinder Soldat! Der Arme!...“
Aber der Feldgraue hat das oft Vernommene diesmal wohl überhört und er fordert, da sein Begleiter mit dem Kellner spricht, vergnügt eine Bonner Ansichtskarte.
„Weißt, für den Zwenger Aloys,“ sagt er in unverfälschtem bayerischen Dialekt zu seinem Kameraden gewandt, „dem schreib i nach der Iser a Karten, damit daß er sieht, was i hier schon g'lernt hab!“ Und dann lacht er sein junges Lachen, das auf den Gesichtern der Nahesitzenden einen hellen Widerschein gibt. Aber noch etwas, wie Betroffenheit, malt sich auf ihren Zügen. Was muß ein Mensch gelitten haben, ehe er zu dieser heiteren Ruhe kommt!....
Ist es nicht eine Sünde, wenn wir unsere Kriegsbeschädigten durch taktlose Bemerkungen immer wieder daran erinnern, daß ihr stolzes Opfer für uns und das Vaterland sie zu Invaliden gemacht hat? Ein furchtbarer Begriff: Invalide .....
So sollte der Dank der Daheimgebliebenen an unsere Helden nicht aussehen.M.R.
Die Kriegs-Heuernte auf der Hofgartenwiese ist nunmehr auch im Bilde festgehalten worden. Ein Photograph hat die Mäher und Recherinnen aufgenommen und man wird also in der nächsten Zeit Bilder und Ansichtskarten von der Kriegs-Heuernte 1915 erhalten können. Bis jetzt wurde bekanntlich der Grasaufwuchs der großen Hofgartenwiese immer mit der Mähmaschine abgemacht und zwar hatte man das Bestreben, einen schönen kurzen Rasen zu erhalten; auf das Ernten von Heu legte man kein Gewicht. Das Kriegsjahr, das so viele Neuerungen hervorgebracht hat, hat also auch darin Wandel geschaffen. Man ist eben praktischer und wirtschaftlicher geworden. Uebrigens ist es nicht das erste Mal, daß das Heu auf der Hofgartenwiese geerntet worden ist. Aber nur die ganz alten Bonner können sich dessen erinnern. Vor etwa 50 Jahren hatte der damalige Besitzer des Hotel Royal, Herr Ermekeil, den Grasaufwuchs in der Hofgartenwiese gepachtet und ließ auch mehrere Jahre lang das gewonnene Heu in seine Stallungen einfahren. Man sieht, Ben Akiba hat Recht, alles ist schon dagewesen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Sir Edward Grey muß vernagelt werden. Geheiligten italienischen Egoismus kennen wir Deutsche nicht, aber wohl geheiligte Treue, geheiligte Liebe und – „geheiligten Haß“. „Geheiligten Haß“ hat auch wohl dem Einsender des Vorschlags in Nr. 9038 des General-Anzeiger, den Sir Edward Grey auszuhauen und den Bonner zum Besten der Kriegshilfe zum Vernageln vorzuführen, die Feder geführt. Dieser Vorschlag ist so sympathisch, daß nur ein guter urdeutscher Geist denselben erdenken konnte. „Geheiligten Haß“ für den Mann, der die Hauptschuld an dem großen Weltkrieg, mit all seinem Elend und Jammer, mit all seinem Leid und Weh von Millionen von Menschen trägt, und geheiligte, werktätige Liebe zum Besten der Kriegshilfe. Unser „geheiligter Haß“ soll bei jedem Nagel und Hammerschlag in den hölzernen Leib mit hallendem Echo dem Mann jenseits des Kanals in die umdüsterte Seele dröhnen. Aber nicht allein hier in Bonn, sondern auch in jeder deutschen Stadt sollte ein hölzernes Ebenbild Sir Greys zur Vernagelung aufgestellt werden. „Bonna“, erhebe dich! Gehe mit gutem Beispiel voran, und zeige den deutschen Städten den Weg, wie man dem „geheiligten Haß“ eines jeden Bürgers gegen den „Mann ohne Gewissen“ wenigstens symbolisch Ausdruck verleihen und dabei in weitgehender Weise der gebenden Liebe für die Kriegshilfe gerecht werden kann. Wie die Treue und Liebe zu Kaiser und Vaterland beim ganzen deutschen Volke in nie dagewesener Art zum Ausdruck kam, so sollte auch unser „geheiligter Haß“, bei dieser Gelegenheit, gegen den König aller Kriegshetzer in hehrer würdiger Weise der ganzen Welt in bleibende Erinnerung gebracht werden.
„Geheiligten Haß dem Briten wir weihen,
Geheiligte Liebe der Kriegshilfe in Teuen.“
Ein deutscher Mann.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Beurlaubung älterer Schulkinder für die Obsternte. Durch einen Erlaß des Herrn Ministers der geistlichen und Unterrichts-Angelegenheiten ist verfügt worden, daß ältere Schulkinder auch für die Obsternte auf Antrag beurlaubt werden. Diese Verfügung dürfte wesentlich dazu dienen, durch die Mithilfe der Schulkinder die Ernte der verschiedenen Obstarten in sachgemäßer Weise durchzuführen, da das Obst in diesem Jahre für unsere Volksernährung von größter Bedeutung ist.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Vielleicht dürfte die Anregung angebracht sein, der zur Vernagelung aufzustellenden Holzfigur die Darstellung Sir Eduard Greys zu geben, damit dieser bis ins Herz hinein vernagelt werden kann.
Ein deutscher Schmied.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Samstag, den 3. Juli 1915
240 Verwundete der hiesigen Lazarette unternahmen gestern eine Dampferfahrt mit dem Moseldampfer „Prinz Heinrich“, den der Oberpräsident der Rheinprovinz kostenlos zur Verfügung gestellt hatte und der von der Stadt Bonn, die auch für die Musik gesorgt hatte, festlich geschmückt worden war. Bei der Abfahrt wurden die Fahrtteilnehmer, unter denen sich viele in der Heilung begriffene Schwerverwundete befanden, von Ihrer Königlichen Hoheit der Frau Prinzessin Adolf zu Schaumburg-Lippe begrüßt und mit Liebesgaben erfreut. Die Fahrt, bei der Herr Karl Henry als Delegierter des Roten Kreuzes die Leitung hatte, ging bis Andernach. Unterwegs wurden die Verwundeten von den Rheinufern mit Böllerschüssen und Tücherschwenken begrüßt und auf dem Schiffe selbst im Auftrage des hiesigen Vaterländischen Frauenvereins durch Herrn Hofwirt Rieck reichlich bewirtet. Frau Prinzessin zu Schaumburg-Lippe erwartete das heimkehrende Schiff gestern abend in Königswinter und nahm an dem Rest der Fahrt noch teil. Zum Schluß der Fahrt, die allen Teilnehmern gewiß eine schöne Erinnerung bleiben wird, brachte Reservelazarettdirektor Oberstabsarzt Dr. Blanck ein Kaiserhoch aus.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Der Bonner Wochenmarkt ist gegenwärtig sehr gut beschickt und bietet ein recht buntes Bild. Die Nachfrage nach den meisten Marktprodukten ist im allgemeinen zufriedenstellend. Die Preise sind der Kriegszeit entsprechend fast alle bedeutend höher als in früheren Jahren. An Gemüsen wurden gestern hauptsächlich holländischer Blumenkohl, Wirsing, Spitzkappus, Mangold und Rübstiel angeboten. Rotkohl war zum ersten Mal auch wieder da und kostete 15 bis 30 Pfg. das Stück. Dicke Bohnen sind im Preise gefallen, Erbsen kosten immer noch 25 bis 30 Pfg. das Pfund. Neue grüne Bohnen sind auch schon für 20 und 25 Pfg. das Pfund zu haben. Hiesige und holländische Möhrchen, Kohlrabien, Karotten, Radieschen, bayerischer Meerrettich, weißer Rettich, holländische frische Gurken, Rhabarber usw. sind ebenfalls in reichhaltiger Auswahl vorhanden. Die Ernte von Spargel und Erdbeer geht bereits ihrem Ende entgegen; sie wurden nur noch vereinzelt angeboten. An Obst bietet der Markt gegenwärtig große Auswahl in sauren und süßen Kirschen, das Pfund zu 30 bis 40 Pfg., worunter die bekannte Poppelsdorfer Schwarze eine der beliebtesten ist, ferner inWalderdbeeren, Waldbeeren zu 35 und 40 Pfg. das Pfund, canarischen und Jamaica-Bananen, Stück 20 Pfg., in Brüsseler Trauben, spanischen Apfelsinen, Johannistrauben, das Pfund 18 und 20 Pfg., und Himbeeren, das Pfund 35 und 40 Pfg.; letztere beiden Arten werden gegenwärtig von unseren Hausfrauen sehr viel zur Geleebereitung gekauft, die allerdings durch den jetzt herrschenden hohen Zuckerpreis und Zuckermangel erschwert ist. Auch Brüsseler Pfirsiche, Zitronen, holländische Tomaten und ägyptische Zwiebeln sind vorhanden. Kopfsalat kostet augenblicklich 8 bis 10 Pfg. das Stück, Endiviensalat ist auch wieder neu angekommen.
Auch der Schnittblumen-Verkauf hat sich in der letzten Zeit sehr entwickelt. Es sind jetzt hauptsächlich die verschiendenartigsten Nelken, die zum Verkauf gelangen. Alte Kartoffeln kosten noch immer 7 Pfg. das Pfund, neue Kartoffeln halten andauernd im Preise und waren gestern im Zentner zu 8 Mk. und im einzelnen Pfund zu 9 und 10 Pfg. zu haben. Frische Eier stehen verhältnismäßig hoch im Preise, 17 und 18 Pfg. das Stück, Kisten-Eier 15 und 16 Pfg. Gute Butter kostet 1,70 und 1,80 Mk. das Pfund. An Geflügel bringt der Markt vorwiegend junge fette Hahnen und Hühner zu 2 bis 3 Mk. das Stück, Tauben zu 60 und 70 Pfg.
Der Fischmarkt ist durchweg auch reichlich beschickt. Die Preise sind etwas höher als früher, aber im Verhältnis zu den hohen Fleischpreisen immer noch erträglich.
Das Barfußgehen und die Schule. Wie man uns mitteilt, hat der preußische Kultusminister folgende Verfügung erlassen: „Es ist zu meiner Kenntnis gekommen, daß kürzlich Kindern einer Landschule von ihrem Lehrer verboten worden ist, barfuß zur Schule zu kommen. Ein derartiges Verbot mag in Friedenszeiten in Fällen, in denen eine besondere Veranlassung vorliegt, gerechtfertigt sein. Während der Kriegszeit ist – zumal auf dem Lande und in ländlichen Verhältnissen – von einem solchen Verbot schon deshalb abzusehen, weil es den Eltern wegen der gesteigerten Preise nicht immer leicht fallen wird, ihre Kinder mit dem notwendigen Schuhwerk zu versorgen.
Ein angeblicher Sprachlehrer aus Antwerpen, der oftmals wegen Betrugs bestraft war, tauchte im November vorigen Jahres hier in Bonn auf. Er suchte mehrere Personen auf, um dort angeblich Töchter eines gefallenen Kriegsteilnehmers unterzubringen. Nachdem man über den Pensionspreis einig geworden war, verübte der Schwindler den bekannten Trick, daß er behauptete, er habe seine Börse vergessen, oder den Ueberzieher im Auto liegen lassen. Bei der einen Pensionsinhaberin erschwindelte er auf diese Weise 4 Mark, bei der anderen 10 Mark. Das Schöffengericht verurteilte ihn gestern zu 6 Monaten Gefängnis, worauf 1 Monat der erlittenen Untersuchungshaft angerechnet werden sollen. Inzwischen sit der Schwindler auch in Aachen wegen Betrugs zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Der Katholische Frauenbund, Zweigverein Bonn, ruft seine Mitglieder für Freitag, den 8. Juli, abends 8¼ Uhr, zu einer Versammlung in den Dreikaisersaal, Kölnstraße. Frau Redakteur Joos aus München-Gladbach spricht über „Frauenaufgaben in der Kriegszeit“. Auf vielfachen Wunsch wird Herr Rechtsanwalt Henry über seine „Eindrücke von der Front“ berichten. Alle katholischen Frauen und Jungfrauen der Stadt sind zu der Versammlung herzlichst eingeladen. Es wird im Anzeigenteil der Zeitung nochmals darauf hingewiesen werden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Kriegsspenden
Auf der Suche nach wirksamen Werbemitteln für ihre Kriegsspende sind die Wiener auf den eigenartigen Gedanken gekommen, ihren Zeitgenossen Gelegenheit zu geben, ihre Spenden für die verschiedenen Kriegsspenden gewissermaßen öffentlich anzunageln. Sie haben eine Ritterfigur in Holz anfertigen und aufstellen lassen, der durch Eintreiben von silbernen und goldenen Nägeln noch ein Panzer angelegt werden soll. Jeder, der sich an dieser Nagelung beteiligen will, hat für die Kriegshilfe einen bestimmten Beitrag zu unterlegen. Das jeder fremden Idee leicht zugängliche Köln hat den Gedanken sofort aufgegriffen und einer seiner oberen Tausend hat nun für seine Vaterstadt die Figur des geschichtlich denkwürdigen Kölnischen Bauern in Holz anfertigen und vor dem Gürzenich aufstellen lasse, wo nun jeder, der seinen Obulus opfert, auch seinen Nagel eintreiben kann. Die eingetriebenen Nägel sollen den Panzer der auch sonst wehrhaften Figur vorstellen. Die Figur selbst soll die Wehrkraft der Stadt darstellen.
Die von Wien ausgegangene und von Köln alsbald aufgenommene Anregung ist inzwischen auch in anderen deutschen Städten aufgenommen worden. Auch in Bonn soll irgendeine Figur zum Besten unserer Kriegsspende „vernagelt“ werden. Anscheinend ist man sich aber noch nicht klar, welche Figur dazu herhalten soll. In der „beliebtesten“ und „weitest“ verbreiteten Zeitung am Platze, im „General-Anzeiger“, hat nun ein Ueberpatriot vorgeschlagen, den englischen Außenminister Sir Edward Grey hier „vernageln“ zu lassen und die Redaktion des Blattes hat den Gedanken gar nicht zu übel gefunden. Im „Sprechsaal“ des Blattes tritt nun auch ein „Deutscher Mann“ für Greys „Vernagelung“ ein und glaubt, unser „geheiligter Haß“ werde „bei dieser Gelegenheit gegen den König aller Kriegshetzer in hehrer würdiger Weise der ganzen Welt in bleibende Erinnerung gebracht werden.“ Mich wundert, daß der Vorschlag nicht nur bei der Redaktion des Blattes, sondern auch noch bei einem „Deutschen Mann“ überhaupt Zustimmung finden konnte. Ganz abgesehen davon, daß Grey ohnehin schon so „vernagelt“ war, den Krieg gegen uns anzuzetteln, können wir Deutschen zurzeit uns doch keinen besseren Außenminister in England wünschen, als eben diesen Grey, dem jedes politische Augenmaß fehlt und der außerdem auch etwas augenleidend sein soll. Seine Dummheiten fallen für uns schwer ins Gewicht. Wir haben aber durchaus keinen Grund, ihn als Helfer in unserer Not zu verherrlichen. Und das sollen die Figuren doch, die zur „Panzerung“ öffentlich aufgestellt werden. Der Panzer ist ein Teil der Rüstung, die der Figur zu unserem Schutz angelegt werden soll. Die Figur ist also der Stadtgeschichte zu entnehmen, deren Urbild sich irgendwie um die Stadt verdient gemacht hat. Irgendwer wird doch vorhanden sein. Schlimmstenfalls kanns auch ein Roland sein, den doch jedes Kind als Verteidiger deutscher Ehr' und Wehr' verehrt. Unter allen Umständen aber ist ein Deutscher zu wählen, dem wir den Schutz unserer Kriegsspenden anvertrauen. Darum wählte Wien seinen Ritter und Köln seinen Bauer; in anderen Städten dürfte ähnlich gewählt werden. Jedenfalls darf durch die Aufstellung solcher Figuren in der Auffassung kein Zwiespalt herrschen; sonst könnten sie gar zu leicht dem Gespötte verfallen.
Im allgemeinen bin ich freilich der Ansicht, daß zur Kriegshilfe jeder spenden soll, der nur eben in der Lage dazu ist, auch ohne äußern Anreiz. Leider gibt’s aber auch viele, die solcher Anregung bedürfen, oder denen es Spaß macht, ihre Spenden öffentlich anzugeben, wie die Erfahrungen in Wien und Köln dartun. Und für die wünsche auch ich recht bald etwas zu „vernageln“, aber keinen Grey, der uns – beiläufig ganz unter uns gesagt -, nur lächerlich machen würde.
Urban
(Volksmund, Rubrik „Bonner Angelegenheiten“)
Sonntag, 4. Juli 1915
Ausweise für Ausländer. Der kommandierende General des 8. Armeekorps bestimmt, daß in Fällen, in denen die Beschaffung eines Passes nicht möglich ist und die Ausstellung einer Arbeiterlegitimationskarte nicht in Frage kommt, für Ausländer männlichen und weiblichen Geschlechts vom vollendeten 16. Lebensjahre ab ein vom stellvertr. Generalkommando ausgestellter Ausweis zugelassen werden kann. Dieser Ausweis besteht: 1. Aus einer Bescheinigung der zuständigen Ortspolizeibehörde über die Unverdächtigkeit und einwandfreie Führung des Antragstellers. 2. Einer Personalbeschreibung mit einer Photographie des Inhabers aus neuester Zeit, mit dessen eigenhändiger Unterschrift unter der Photographie, sowie mit einer amtlichen Bescheinigung darüber, daß der Inhaber tatsächlich die durch die Photographie dargestellte Person ist und die Unterschrift eigenhändig vollzogen hat; die Photographie ist auf dem Ausweis aufzukleben und amtlich derart abzustempeln, daß der Stempel etwa zur Hälfte auf dem Bild, zur anderen Hälfte auf dem Ausweis angebracht ist. 3. Aus einem unter diese ortspolizeiliche Bescheinigung zu setzenden Vermerk des stellvertr. Generalkommandos, daß diese Bescheinigung für das Gebiet des Deutschen Reiches als genügender Ausweis für die bezeichnete Person zugelassen werde. Die Bestimmung, daß die Militärpapiere der österreichisch-ungarischen Staatsangehörigen als vollgültiger Ersatz des Passes anzusehen sind, wird nicht berührt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Die Gültigkeit von Innungsbeschlüssen, die in Wirtschaftsräumen bei Bier usw. gefaßt werden, wurde in einer Verhandlung am Kölner Bezirksausschuß angefochten, jedoch ohne Erfolg. Dem Verfahren, das für alle Innungen, die in Wirtschaften tagen müssen, wichtig ist, lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Kölner Zwangsinnung der Zimmermeister hatte laut ihren Satzungen, die für die Versäumnis der Innungsversammlungen eine Ordnungsstrafe von 3 Mark vorsahen, ein Mitglied wegen achtmaligen Fehlens in den anberaumten Sitzungen in eine Ordnungsstrafe von 24 Mark genommen. Gegen diese Bestrafung erhob das Mitglied Beschwerde, die abgewiesen wurde, sodaß die Sache schließlich an den Bezirksausschuß gelangte, der nach einer neueren Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes jetzt für derartige Klagen zuständig ist. In der Verhandlung vor dem Bezirksausschuß machte der Kläger geltend, daß die Vesammlungen bei einem Glase Bier stattfänden; das mache ihre Beschlüsse ungültig. Niemand könne ihn zwingen, einer derartigen Sitzung beizuwohnen, denn Innungsversammlungen, die bei geistigen Getränken abgehalten würden, entsprächen nicht den gesetzlichen Bestimmungen. Der Vertreter der Innung wies darauf hin, daß die Satzungen behördlich genehmigt seien. Der Innung stehe nur ein Wirtslokal zu ihren Versammlungen zur Verfügung, es werde jedoch kein Trinkzwang geübt. Der Bezirksausschuß wies die Klage ab, da er den Standpunkt des Klägers nicht teilen könne, daß das Trinken eines Glases Bier in einer Innungsversammlung die gefassten Beschlüsse ungültig mache – natürlich Uebermaß ausgeschlossen. Die verhängte Ordnungsstrafe wurde zu Recht erkannt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Kriegs-Kinder-Krippen . Da die Zahl der eingezogenen Männer bereits sehr groß ist und sich noch täglich erhöht, wird die Zahl der erwerbstätigen Frauen ebenfalls tagtäglich größer. Naturgemäß liegt hier die Gefahr vor, daß der Pflege der Kinder nicht die Aufmerksamkeit zugewandt werden kann, die ihr zukommt. In den Städten ist man bereits mit Unterstützung der Gemeinden und besonders der Frauenvereine zur Einrichtung von Kinderkrippen übergegangen, in denen die Kinder erwerbstätiger Frauen kostenlos oder gegen geringen Entgelt sachmäßige Pflege erhalten. Auf dem Lande liegen die Verhältnisse leider ungünstiger. Wohl haben die Frauenvereine viele Aufgaben zu erfüllen – diese Aufgabe ist vielleicht die echteste und edelste Frauenarbeit des Krieges. Und die Mädchen des Landes, die sich bei Ausbruch des Krieges zu Hunderten vergeblich zum Roten Kreuz drängten, finden hier eine dankbare und vaterländische Aufgabe. Die Landesversicherungsanstalt wird auch je nach Lage der Verhältnisse eine finanzielle Unterstützung in Interesse der Volksgesundheit nicht versagen. Die Provinzial-Abteilung Rheinprovinz des Deutschen Vereins für ländliche Wohlfahrts- und Heimatpflege hat die letzte Nummer ihrer „Nachrichten“ zu einer Sondernummer über Kriegskinderkrippen gestaltet und bringt darin eine Anzahl Berichte von verschiedenen Stellen der Provinz, in denen über Einrichtung und Betrieb der betreffenden Krippe berichtet wird. Die Geschäftsstelle, Bonn, Bismarckstraße 4 ist gerne bereit, kostenlos einige Nummern zuzusenden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Montag, 5. Juli 1915
Ratschläge für Ferienreisende usw. Wer in diesem Sommer seinen Urlaub außerhalb seines Wohnortes zubringen oder eine Erholungs- oder Badereise machen will, tut gut, sich mit hinreichenden Ausweispapieren zu versehen. Diesen Zweck erfüllt am besten ein vorschriftsmäßiger Paß, dessen Ausstellung bei der zuständigen Ortspolizeibehörde zu beantragen ist. Einen solchen Paß müssen alle besitzen, die sich in deutschen Seebädern aufhalten wollen. Wer sich auf Reisen begibt, lasse sich vom städtischen Mehlamt oder der zuständigen Ortsbehörde eine Bescheinigung über die Veränderung ausstellen, damit ihm an dem neuen Aufenthaltsort wegen der Aushändigung der Brotkarten keine Schwierigkeiten entstehen. Anzuraten ist in allen Fällen eine schriftliche Mitteilung an das polizeiliche Meldeamt über die vorübergehende Abwesenheit. Auch das Einquartierungsamt ist zu benachrichtigen, gegebenenfalls ist dafür zu sorgen, daß etwaige Einquartierung anderswo untergebracht werden kann. Wer noch in einem militärischen Verhältnisse steht oder seine Einberufung oder seinen Gestellungsbefehl zu erwarten hat, vergewissere sich bei dem Bezirkskommando über seine Verhaltensmaßregeln. Es empfiehlt sich auch, etwaige Militärpapiere mit sich zu führen. Um rechtzeitig die Postsachen zu erhalten, lasse man sich durch das Postamt eine Postausweiskarte ausstellen, die eine polizeilich beglaubigte Photographie tragen muß. Wer als Partei oder Zeuge vor einem Gericht etwas zu tun hat, benachrichtige die Gerichtsstelle von der Aufenthaltsänderung, gegebenenfalls mit dem Antrage auf Vertagung des Termins. Schließlich ist es ratsam, alle photographischen Apparate zu Hause zu lassen, um sich nicht Weiterungen auszusetzen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Regelung des Badeverkehrs in den deutschen Bädern. Herr Minister des Inneren hat im Einvernehmen mit der Heeres- und Marineverwaltung für die Regelung und Ueberwachung des Verkehrs in den deutschen Seebädern folgende Bestimmungen getroffen. In der Nordsee ist der Badeverkehr auf sämtlichen Inseln und an der Küste verboten. In der Ostsee ist der Badeverkehr verboten in der Flensburger Föhrde, der Eckenförder Bucht, auf der Insel Fehmarn, in Osternothafen bei Swinemünde, in der ganzen Danziger Bucht und Pillau. – In der Kieler Föhrde ist der Badeverkehr gestattet, jedoch unterliegt er besonderen Anordnungen des Gouverneurs des Reichskriegshafengebiets. An der übrigen Ostseeküste ist der Badeverkehr gestattet. Badegästen und Besuchern, die reichsdeutsch sind oder verbündeten Staaten angehören, wird der Aufenthalt widerruflich gestattet, wenn sie im Besitze eines von der Polizeibehörde ausgestellten Ausweises sind, der mit einer Personalbeschreibung, , eigenhändiger Unterschrift und einer Photographie des Passinhabers aus neuester Zeit, sowie mit einer amtlichen Bescheinigung darüber versehen ist, daß der Passinhaber tatsächlich die durch die Photographie dargestellte Person ist. Für Familien genügt ein Familienausweis, der die Personalbeschreibung und Photographie der über 10 Jahre alten Personen (nebst eigenhändiger Unterschrift und Bescheinigung) aufweist. Hauspersonal und nicht zur Familie gehörige Kinder können in den Ausweis der Familie, mit der sie zusammen reisen, mit aufgenommen werden. [...] Die Zulassung feindlicher und neutraler Ausländer ist verboten. Ausnahmen unterliegen der Genehmigung des für den Badeort zuständigen Generalkommandos.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Mehr Feingefühl gegen Kriegsbeschädigte! Es ist, so schreibt die Kobl. Ztg., gewiß nicht böse gemeint, wenn, wie häufig genug beobachtet werden kann, manche Menschen die verwundeten Krieger, die sichtlich schwer oder dauernd kriegsbeschädigt sind, in auffälliger Weise mustern oder ihrem Mitleid mit lauten Worten Ausdruck verleihen. Es macht aber auf die so schwer Betroffenen nichtsdestoweniger einen recht verletzenden Eindruck, wenn die Vorübergehenden bei ihrem Nahen stehen bleiben, einander zutuscheln, sie wie ein Schaustück angaffen, wohl auch Ausdrücke hören lassen wie: „Sieh nur, der ist blind!“ oder: „Der hat einen Arm verloren!“ Einer der vielen, die darunter leiden, hat sich dieser Tage mit einer öffentlichen Zuschrift an das Publikum gewandt, um Abhilfe zu schaffen, in der es u. a. heißt: „ Dabei soll ein unglücklicher Mensch seelisch genesen! Wir wollen von den Leuten nicht bemitleidet sein. Wenn ihr einem Schwerverwundeten begegnet, tut gar nicht, als ob er ein solcher wäre! Dann wird es gar kein eigentliches Krüppeltum mehr geben – uns Invaliden zur Freude!“ Es ist dringend zu wünschen, daß dieser Appell an menschliches Feingefühl allerorten Beachtung findet!
Die Verdeutschung des Wortes „Adieu“. Man schreibt uns: Glücklicherweise ist man infolge des Krieges dazu übergegangen, all die französischen Brocken, welche besonders noch hier in den Rheinlanden sich in unserer Muttersprache eingebürgert hatten, und welche nur eine Folge resp. die Überbleibsel der schmählichen französischen Fremdherrschaft vor anno hundert Jahren sind, abzuschaffen und damit gründlich aufzuräumen. So ist es stets gang und gäbe beim Abschied Adieu zu sagen. Dies ist das einzige Fremdwort, welches die Berechtigung hat, beibehalten zu werden, denn der Volksmund hat es in folgende treffliche Uebersetzung umgewandelt: Die Definition der Anfangsbuchstaben des Wortes „Adieu“ ist: Auf das Italien elend untergeht!
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Dienstag, 6. Juli 1915
Kriegsspiele. Am Sonntag führten die Pfadfinderkorps Bonn und Köln mit je vie Feldkompagnien im Siebengebirge ein größeres Kriegsspiel vor, das durch seinen spannenden Verlauf die Anteilnahme der Ausflügler im Gebirge vielfach erregte. Die eine Partein war schon in der Nacht auf dem Geisberg in Stellung gegangen und hatte ihre Vorposten auf den Bahnhöfen und bis zum Rheinwerft aufgestellt. Den von 5 Uhr ab durch Schleichpatruillen und Radfahrerabteilungen aufklärenden Bonner Vortruppe gelang es durch Abfangen einzelner Posten und Vertreibung anderer, gegen 10 Uhr Bahnhof u. Rheinwerft wieder zu besetzen, sodaß die Haupttrupps der Bonner mit Booten in Königswinter landen konnten, während Verstärkungen für die Kölner von Dollendorf ab im Eilmarsch nur auf weiten Umwegen zur Partei stoßen konnten. Die Bonner gingen dann in halber Höhe der Wolkenburg in ein Lager, von wo sie den Gegner durch Abfangen aller Vorposten und Scheinangriffe so belästigten, daß er sich verleiten ließ, aus seiner sicheren Stellung heraus und zum Angriff auf die Wollenburg überzugehen. Man ließ ihn ruhig bis fast obenhin im Laufschritt kommen, dann brachen 120 Bonner aus einem Hinterhalt hervor und hatten leichtes Spiel. Nach Verlust aller Fahnen und über 80 weiterer Gefangener mußte Köln sich verloren geben. Ein lustiges Lagerleben am Burghof und gemeinsame Uebungen schlossen sich an. Um 7 Uhr führte eine Anzahl Motorboote alle nach Bonn zurück, wo man mit klingendem Spiele die Kölner zur Bahn brachte.
Metropoltheater. Der neue Spielplan enthält als Hauptnummern das vieraktige Schauspiel „Opfer der Liebe“ und die vieraktige Tragödie „Die verhängnisvolle Hinterlassenschaft“. Von den übrigen vorgeführten Filmen dürften die Aufnahmen von Lemberg gerade jetzt die meiste Anteilnahme finden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Anmeldung zur Stammrolle. Laut einer Bekanntmachung des Zivilvorsitzenden der Ersatz-Kommission Bonn-Land in der heutigen Nummer unseres Blattes, werden für die Dauer des gegenwärtigen Krieges alle im Landkreise Bonn sich aufhaltenden männlichen Personen aufgefordert, sich mit dem Tage des Eintritts in das wehrpflichtige Alter (Tag der Vollendung des 17. Lebensjahres) bei dem für ihren Aufenthaltsort zuständigen Bürgermeisteramt zur Stammrolle anzumelden. Die von dieser Anordnung betroffenen Wehrpflichtigen der Geburtsjahre 1897 und 98 haben die Meldung zur Stammrolle bis spätestens zum 15. ds. Monats zu bewirken.
Erntesegen. Kardinal Dr. von Hartmann hat angeordnet, daß an allen Sonntagen während der Erntezeit um den Segen Gottes für eine gedeihliche Witterung gebetet werden soll. Wenn jemals, so sei es bei der gegenwärtigen Zeitlage von der höchsten Bedeutung für unser Vaterland, daß die Ernte glücklich und gedeihlich zu Ende geführt werde.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Einquartierungspflicht. Der Oberbürgermeister macht bekannt: In letzter Zeit ist es mehrfach vorgekommen, daß Einquartierung ohne rechtlichen Grund abgewiesen, oder aber Quartierträger auf Reisen gehen, ohne für die anderweitige Unterbringung gesorgt zu haben. Die Handlungsweisen sind unbedingt zu verwerfen und geben mir Veranlassung, mit allen gesetzlichen Maßnahmen vorzugehen. Jeder Quartiergeber ist verpflichtet, für die Unterbringung der ihm zugewiesenen Einquartierung zu sorgen, solange er nicht hiervon befreit ist. Wer sich auf Reisen begibt, hat dies dem Einquartierungsamt mitzuteilen und anzugeben, wo etwaige Einquartierung während der Reisezeit untergebracht werden kann. In Zukunft wird bei Missachtung dieser Anordnung die Einquartierung auf Kosten des Säumigen anderweit untergebracht, die Kosten werden, wenn notwendig im Zwangswege, von den betreffenden eingezogen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Mittwoch, 7. Juli 1915
Der Bonner Wehrbund zog vergangenen Sonntag mit seinen Abteilungen zum Tannenbusch, um einen Schützengraben auszuwerfen. Der Uebung wohnten bei im Auftrage der Regierung die Herren Geheimrat Rodewald, Hauptmann Vieth, Turninspektor Graf und als militärischer Vertrauensmann Hauptmann a. D. Dr. Quinke, die den Ausschuß bilden, der mit der Ueberwachung der militärischen Vorbildung der Jugend im Regierungsbezirke Köln betraut ist. An der Uebung beteiligten sich 110 Jugendliche. Es hätte die achtfache Zahl sein können, wenn die durch die Not des Vaterlandes durch den Kriegsminister veranlaßte Einrichtung der Vorbereitung in allen Kreisen der Bevölkerung, wie es die Lage gebietet, ernst und tief aufgefasst würde. In kurzer Zeit war von der geübten Mannschaft, die mit Eifer arbeitete, der Schützengraben ausgeworfen, auf den dann ein Sturm unternommen wurde. Nach der Uebung hielt Herr Hauptmann Vieth einen eingehenden, belehrenden Vortrag über das Anlegen und die Einrichtung eines Schützengrabens, sowie die Art der bedeckten Annäherung durch Kriechen. Nachdem auch Herr Hauptmann a. D. Dr. Quinke mit liebenswürdigen Worten den Führern für die Mühewaltung gedankt und sie zum Ausharren trotz vorhandener Schwierigkeiten ermahnt hatte, fuhren die Herren des Ausschusses nach Köln zurück. Die Jugendkompagnie, die sich so wacker betätigt hatte, zog mit Liederschall zum Kaiserdenkmal und brachte dort nach einer vom vaterländischen Geiste durchwehten Ansprache ein dreifaches Hoch auf Kaiser und Reich aus.
Beschlagnahmte Druckschriften. Ueber die Druckschriften „Der Hauptfeind im eigenen Lande“, „Die Mehrheit sagt“ und „Klassenkampf gegen den Krieg“, die ohne Angabe des Verfassers und des Druckers oder mit falscher Angabe erschienen sind, hat der kommandierende General des 8. Armeekorps wegen des aufreizenden Inhalts die Beschlagnahme verfügt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Aus dem Fenster gestürzt. Heute morgen fiel ein Dienstmädchen in einem Hause an der Auguststraße aus dem Fenster und verletzte sich so erheblich, daß es in einem Wagen der Sanitätskolonne zur Klinik gebracht werden mußte.
Auf dem Bonner Wochenmarkt zeigten die gestern angebotenen frischen Gemüse bei reichem Absatz eine geringe Preisverschiebung. Rotkohl und Weißkohl kosteten 25 bis 40 Pfennig. Dicke Bohnen, die viele Feinschmecker in Verbindung mit gewissen Seiten des in der Kriegszeit seltener gewordenen fetten Borstentieres als leckeres Gericht betrachten (Und das mit Recht! Anm. des Setzerlehrlings), waren ebenso wie Erbsen im Preise erfreulich unverändert. Dagegen zeigten die verschiedenen Arten Strauchbohnen eine gewisse Preissteigerung. Holländische Gurken und Möhren wurden so lebhaft angeboten, daß sie im Preise sanken. Eine merkwürdige Preisbewegung zeigt in diesem Sommer das Obst. Obwohl auch gestern Kirschen, Waldbeeren, Johannistrauben und Himbeeren in großen Mengen zum Kauf angeboten wurden, war doch eine allgemeine Preissteigerung hierfür zu beobachten. Es wäre interessant, der Ursache dieser merkwürdigen Erscheinung nachzugehen. Da die Obstliebhaber und Obstkäufer infolge des Krieges sich beträchtlich verringert haben und andererseits ein gutes Obstjahr zu verzeichnen ist, so müßte nach dem bekannten volkswirtschaftlichen Grundsatz, daß das Verhältnis von Angebot und Nachfrage eine natürliche Einwirkung auf den Preis hat, im Hinblick auf das Verhältnis zu der verringerten Zahl der Konsumenten stark angewachsene Angebot der Obstpreis eigentlich gesunken sein. Oder sollte hier etwa der alte Grundsatz: „Was verfault, verdirbt den Preis nicht“ Geltung haben? Zum Angebot gelangten auch Kopfsalat und Endiviensalat, und zwar zum Preise von 8 – 10 Pfg., bzw. 10 – 15 Pfg.
Auf dem Schnittblumenmarkt wurden nur vereinzelt Rosen, dagegen hauptsächlich Nelken angeboten.
Ein eigenartiges Preisverhältnis zeigte sich auch beim Kartoffelangebot. Während für alte Kartoffeln 7 Pfg. pro Pfund gefordert wurde, kosteten diessommerliche Kartoffeln nur 9 und 10 Pfg. im einzelnen Pfund und 8 Mark im Zentner.
Unsere Hühner sind jetzt ein begehrter Gegenstand, wie Karlchen Miesnick in seinem Schulaufsatz sagen würde, denn das Erzeugnis dieser lieben Haus- und Hofgenossen, nämlich die frischen Eier, kosteten auf dem gestrigen Wochenmarkt bei geringem Angebot 17 und 18 Pfg. das Stück, während Kisteneier mit 15 und 16 Pfg. berechnet wurden. Das Gackern lohnt sich also.
Der Großverkauf auf dem Stiftplatz zeigte bei flottem Absatz durchweg Preissteigerungen. Die Produzenten, die aus der Umgegend Bonns dort ihre Erzeugnisse absetzen, können immer noch mit kaufkräftigen Abnehmern rechnen, was indirekt auch ein gutes Zeichen für die wirtschaftliche Lage der Konsumenten ist.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Ueber die Rücksichtslosigkeit eines Autofahrers berichtet uns ein Augenzeuge folgendes: Ein Auto kam in scharfem Tempo den Markt herunter gefahren, ohne Signale zu geben. Eine alte Dame, höhere Offizierswitwe, welche zwecks Einkäufen ihr Dienstmädchen als Begleiterin bei sich hatte, wäre nun beinahe von dem sausenden Vehikel überfahren worden. Das Mädchen riß sie im letzten Augenblick noch vor dem Auto weg, das doch auf dem weiten Marktplatze wahrhaftig Platz genug hatte, einer alten schwerfälligen Dame auszuweichen. Totenbleich und starr vor Schrecken schaute dieselbe dem davon schnaubenden Vehikel nach, dessen Insassen sich umdrehten und die Erschrockene auch noch höhnisch auslachten.
Verwertung von Abfallfetten. Der Kriegsausschuß für pflanzliche Oele und Fette G.m.b.H. in Berlin hat einen Bericht über Fettgewinnung aus Spülwässern der Gastwirtschaften übersandt. Der Bericht prüft zunächst die Frage, ob die Errichtung einer Kriegsgesellschaft sich empfehlen möchte, um die Gastwirtschaften mit Fettgewinnungsapparaten (z. B. Fettabscheidern) zu versorgen und eine zentralistische Verwertung der Abfallfette zu ermöglichen. Nach diesem Berichte gewinnen schon jetzt die meisten wirklich bedeutenden Gastwirtschaften ihre Fettabfälle und verwerten sie durch Verkauf an Seifensieder und ähnliche Gewerbetreibende. Gleichwohl hält es der Berichterstatter für zweckmäßig, wenn zur Belebung der privaten Initiative auf die Wichtigkeit der Gewinnung von Fetten aus den Spülwässern aufmerksam gemacht und dadurch zu einer lohnenden Wiedergewinnung der Abfallfette angeregt werde.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Höchstpreise für Petroleum.
In Bestätigung frühere Meldungen können wir mitteilen, daß die Festsetzung von Höchstpreisen für Petroleum demnächst bevorsteht. Die Maßnahme bezweckt, auf einem weiteren wichtige Gebiete der wirtschaftlichen Versorgung die Verbraucher vor Ueberteuerung zu schützen und gleichzeitig durch angemessene Berücksichtigung der Interessen der Erzeuger und Händler die Beschickung des deutschen Marktes wirksam anzuregen. – Außerdem ist zur Deckung des Leuchtmittelbedarfs der Bevölkerung für den kommenden Winter eine vermehrte Heranziehung anderer Leuchtstoffe, so von Spiritus und Azetylen in Aussicht genommen. Durch Bereitstellung geeigneter Lampen sollen sie der Benutzung in möglichst großem Umfange zugeführt werden.
(Volksmund, Rubrik „Bonner Angelegenheiten“)
Donnerstag, 8. Juli 1915
Seinen Verwundungen erlegen ist in Königsberg der Unterarzt im Landwehr-Infanterie-Regiment Nr. 29 Dr. Felix Leeser, der Sohn des Bonner Arztes Dr. Jakob Leeser.
Dr. Felix Leeser war von Beginn des Krieges an als Militärarzt tätig. Seinem sehnlichen Wunsche, im Felde beschäftigt zu werden, wurde bald Erfüllung, und so konnte er zunächst in Frankreich und dann auf dem östlichen Kriegsschauplatze sein Können und Wissen im Dienste des Vaterlandes einsetzen. Im Osten ging auch sein dringender Wunsch, an die vorderste Linie zu kommen, in Erfüllung, und auf der Fahrt zur Front erhielt er schwere Verwundungen, denen er jetzt in einem Königsberger Lazarett erlegen ist. Er starb für sein Vaterland, in dessen Dienst er mit unermüdlichem Eifer tätig war. Dr. Leeser, der als sehr begabter junger Mediziner galt, hatte sich dem Sonderfach Chirurgie zugewandt.
Wegen Tierquälerei hatte sich gestern ein hiesiger Schäfer vor dem Schöffengericht zu verantworten. Er hatte ein Schaf seiner Herde, das sich verletzt und eine tiefe Wunde am Hinterbein hatte, vom Mittag des einen bis zum Mittag des folgenden Tages beim Jesuitenhof am Rhein liegen lassen, ohne sich um das Tier zu kümmern. Als das Schaf dann auf Veranlassung eines Polizeibeamten zum Schlachthof gebracht wurde, waren schon dicke Maden in der Wunde. Der Schäfer wurde zu sechs Tagen Haft verurteilt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
500 Jahre Hohenzollernherrschaft. Der Kaiser hat durch einen Erlaß bestimmt, daß der Gedenktag der 500jährigen Herrschaft der Hohenzollern am 21. Oktober d. J. gefeiert werden soll. Die Feier soll mit Rücksicht auf den Ernst der Zeiten auf eine Feier in den Schulen und auf eine kirchliche Feier am Sonntag den 24. Oktober beschränkt werden.
Frauenkriegsberufe. Der Krieg hat allenthalben eine Umwertung der Werte hervorgerufen. In manchen Betrieben sind jetzt Frauen mit Arbeiten beschäftigt, die man noch vor Jahresfrist keiner Frau anvertraut oder zugemutet hätte. Der Außenstehende merkt von dieser Umwandlung weniger, da sich die Arbeiten meist innerhalb der vier Wände abspielen. Aber auch das Straßenbild weist in dieser Beziehung merkliche Veränderungen auf. Auf Bierwagen und anderen Fuhrwerken thronen jetzt weibliche Führer und auch unsere Straßenbahn hat bekanntlich seit Monaten weiblich Schaffner angestellt. Wenige bekannt dürfte sein, daß die Straßenbahn auch weibliche Weichensteller besitzt, die mit Umsicht ihres immerhin verantwortungsvollen Amtes walten. Seit einiger Zeit hat ein hiesiges Reinigungsinstitut weibliche Fensterputzer angestellt, die begreiflicherweise ihren männlichen Kollegen mit Erfolg Konkurrenz machen können. Eine ganze Anzahl hiesiger Geschäfte sah sich genötigt, die „radfahrenden Laufburschen“ durch Mädchen zu ersetzen und neuerdings ist auch die pst dazu übergegangen, Frauen als Briefkastenleererinnen zu verwenden. Auch sollen, wie wir hören, weibliche Briefträger zur Anstellung gelangen, wie dies im Industriebezirk längst der Fall ist. Natürlich ließe sich die Liste der neuen Frauenberufe noch erheblich erweitern; wir beschränken uns aber auf den Wechsel in den Berufen, die sich hauptsächlich im Straßenbild bemerkbar machen.
Die deutsche Seifenindustrie macht darauf aufmerksam, daß die deutschen Hausfrauen ihre bisherigen Ansprüche an Farbe und Härte der Seife etwas werden zurückschrauben müssen. Eine weichere Kernseife kann aber dennoch denselben Waschwert haben wie eine ganz harte, und auf den Waschwert kommt es im Kriege an. Auch eine dunklere Farbe der Seife beeinflusst keinesfalls den Waschwert. Die zur Seifenerzeugung früher gebrauchten Oele und Fette sind fast gar nicht mehr und dann auch nur in sehr geringen Mengen zu ungewöhnlich hohen Preisen zu haben.
Neuer Militärmarsch. Im Kommissionsverlag von J. Tonger in Köln erschien soeben ein „Marsch des Res.-Inf.-Regts. 29“, der von unserem Landsmann Herrn Ernst Heyer komponiert ist. Herr Heyer dient augenblicklich als Wehrm. in diesem Regiment; er hat den Marsch im Schützengraben von Ripont komponiert und bereits vielen Beifall mit ihm gefunden. Der Komponist ist bekanntlich Organist in der hiesigen St. Remigiuskirche und wird als Musiker sehr geschätzt. Der Reinertrag, der aus dem Verkauf des flotten Marsches erzielt wird, soll zum besten der Hinterbliebenen des Res-Inf.-Regts. 29 verwandt werden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Der letzte Marsch. Die Deutsche Photographur Akt.-Ges. in Siegburg hat nach dem Original von Oskar Detering in Düsseldorf zwei Bilder hergestellt, welche unter dem Titel „Der letzte Marsch“ den Erlöser darstellen, wie er gefallene Krieger aufrichtet und in das Reich der Seligkeit führt. Die Bilder sind von packender Wirkung. Ein Bild ist im Schaufenster unserer Geschäftsstelle ausgestellt. Der Preis der Bilder beträgt je nach Größe 5 oder 8 Mark. Sie können auch mit Rahmen bezogen werden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Freitag, 9. Juli 1915
Zur Aufnahme von Offizierswaisen (Halb- und Vollwaisen) haben sich zahlreiche in guten Verhältnissen lebende Ehepaare in Stadt und Land bereit erklärt. Die Aufnahme soll zur Miterziehung mit den eigenen Kindern erfolgen; bei kinderlosen Ehepaaren ist die frühere oder spätere Annahme an Kindesstatt in Aussicht genommen. Zur Anbahnung von Verhandlungen zwischen diesen Ehepaaren und den nächsten Angehörigen oder gesetzlichen Vertretern von Offizierswaisen, die das 10. Lebensjahr noch nicht überschritten haben, ist die Zentrale für dauernde oder vorübergehende Unterbringung, Erziehung usw. von Offizierswaisen beim Verbande der Militär-Hilfsvereine geschaffen worden; an ihren Schriftführer, Oberstleutnant z. D. Knothe in Berlin-Wilmersdorf, Nassauische Str. 7/8 II, sind alle Anmeldungen von Kindern, Gesuche und Anfragen zu richten. Durch den Eintritt in Verhandlungen wird das freie Verfügungsrecht usw. der Mutter über das Kind selbstverständlich nicht berührt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Der verstorbene Unterarzt Dr. Felix Leeser wurde gestern mit militärischen Ehren auf dem Nordfriedhof bestattet. In dem Leichenzuge bemerkte man u.a. den Garnisonsältesten Oberstleutnant Schmeling. Eine Abteilung des hiesigen Ersatzbatallions, die sich im Trauerzuge befunden hatte, feuerte nach der Einbettung des Sarges drei Ehrensalven.
Nur für Schaffnerinnen. Die Schaffnerinnen unserer elektrischen Eisenbahn erhalten jetzt des anstrengenden Dienstes wegen während der Fahrt eine Sitzgelegenheit. Auf einigen Wagen hat man bereits auf den Plattformen der Wagen an der Stelle, die für die Schaffnerinnen frei bleiben muß, Klappstühlchen mit der Inschrift: „Sitzplatz nur für Schaffnerinnen“ angebracht.
Die Getreideernte hat begonnen. Auf der Kölner Chaussee oberhalb Hersel sah man gestern fremde Arbeiter und Arbeiterinnen auf einem großen Acker beschäftigt, den Roggen zu mähen. Sie schnitten mit langen Sensen und stellten die Garben sofort auf Haufen. – Auch in der Nähe des Nordfriedhofes sah man bereits den frisch geschnittenen Roggen auf Haufen stehen. Die Landleute sprechen sich über die Schwere der Garben befriedigend aus.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Den Mahnruf des Kaisers ans deutsche Volk „Auf mit Gott!“ hat Pfarrer Dr. W. Frings aus Bengen (Ahr) in einem Volkslied verherrlicht, dessen Dichtung und Komposition durchaus volkstümlich sind und gewiß allgemeine Anerkennung finden werden. Das Volkslied ist in Postkartenform in dem Rhenania-Verlage, Bonn, Sürst 1 und Gangolfstraße erschienen.
Gerettet. Am Mittwoch nachmittag bekam ein 14jähriger Junge von hier im Freibade einen Schlaganfall und ging unter. Es gelang, den Jungen aus dem Wasser zu ziehen. Durch die sofort aufgenommenen Wiederbelebungsversuche wurde der Junge wieder ins Leben zurückgerufen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Samstag, 10. Juli 1916
Das Verbot, mit Kriegsgefangenen zu verkehren, wird vom stellvertr. Generalkommando noch wie folgt ergänzt: „Verboten ist auch jede Förderung und Unterstützung entwichener Kriegsgefangener, insbesondere die Gewährung von Unterkunft, Nahrung und Kleidung, die Verabfolgung von Geldmitteln, die Verschaffung von Arbeitsgelegenheiten für dieselben sowie die Beschäftigung im eigenen Haushalte oder Betriebe. Von der Anwesenheit entwichener Kriegsgefangener ist unverzüglich der nächsten Polizeibehörde Mitteilung zu machen. Zuwiderhandlungen werden aufgrund des § 9b des Gesetzes über den Belagerungszustand vom 4. Juni 1851, wenn die bestehenden Gesetze keine höhere Freiheitsstrafe bestimmen, mit Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft.
Ueber die gegenwärtige Kriegslage und die Aufgaben der Frauen im Kriege hält am morgigen Sonntag, nachmittags 4½ Uhr, Pastor D. Weber im evangelischen Gemeindehause einen Vortrag, zu dem besonders die evangelischen Jungfrauenvereine und alle jungen Mädchen der evangelischen Gemeinde eingeladen sind.
Metropol-Theater. Der neue Spielplan bringt einen Kriegsfilm: „Die Heldin der Karpathen“; dessen Handlung eine wahre Begebenheit aus diesem Kriege zur Grundlage hat, ferner ein Drama „Das Recht auf Dasein“ und ein Lustspiel „O diese Männer“, außerdem neue Kriegsberichte und den üblichen bunten Teil.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Der Zigarren-Abschnitt-Sammelverein hat beschlossen, in diesem Jahre zu Weihnachten wieder eine größere Anzahl hilfsbedürftiger Kinder zu bescheren. Es wurden zunächst 100 Kinder in Aussicht genommen. Diese Zahl soll jedoch später erhöht werden, wenn die zur Bescherung erforderlichen Mittel von dem Vorstande aufgebracht werden können. Durch den Ausfall des sonst üblichen Sommerfestes ist eine Haupteinnahmequelle des Vereins fortgefallen. Auch die Sammlung von Zigarrenspitzen und Staniol hat in diesem Jahre, infolge des Krieges, keine nennenswerten Einnahmen ergeben. Der Vorstand hofft, daß es trotzdem gelingen wird, von den Freunden und Gönnern des Vereins die Mittel für die in Aussicht genommene Bescherung zu erhalten.
Die Bekämpfung tierischer Schädlinge muß während des Kriegszustandes als eine patriotische Pflicht eines jeden Deutschen bezeichnet werden, um mit allen verfügbaren Mitteln den großen Schäden entgegen zu treten, die unseren Nahrungsmitteln, Futter- und Erntevorräten durch die Ratten, Mäuse und Hamster drohen. Zur Bekämpfung der Ratten kommen bestimmte mit Phosphor oder Meerzwiebelextrakt bereitete Speisen in Betracht, ferner Bakterienverfahren, unter Umständen auch Massenfallen. Bei der Mäusevertilgung haben sich die gasförmigen Gifte und die mäusetötenden Bakterienkulturen am meisten bewährt. Dasselbe gilt für die Vertilgung der Hamster, gegen die außerdem noch mit Fallen und durch das Ausgießen der Baue vorgegangen werden kann. Als selbstverständliche Voraussetzung für jeden nachhaltigen Erfolg ist in allen Fällen das gleichzeitige und einheitliche Vorgehen der Besitzer der von den Nagern heimgesuchten Grundstücke und Feldmarken anzusehen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Konzert des Bonner Männer-Gesang-Vereins. Die Anregung einer Anzahl Bürger, auch hier in Bonn ein Wahrzeichen zu errichten, das durch Einschlagen von Nägeln einen Eisenpanzer erhalten und eine Erinnerung an die in großer Zeit gepflegte Kriegshilfe bilden soll, hat den Bonner Männer-Gesang-Verein veranlaßt, zur Erlangung eines Grundstockes für Beschaffung eines solchen Bildwerkes am Sonntag den 18. Juli, abends 8 Uhr, im Garten des Bonner Bürger-Vereins ein Konzert zu veranstalten. Es sind Chor- und Solovorträge, patriotische Lieder, u.a. zwei neue Chorkompositionen des städtischen Kapellmeisters und Chormeisters Heinr. Sauer, und Instrumentalvorträge des städtischen Orchesters vorgesehen. In Anbetracht des schönen Zwecks wäre es zu wünschen, daß diese Veranstaltung einen Massenbesuch aufzuweisen hätte. Näheres ist aus den in diesen Tagen erscheinenden Anzeigen zu ersehen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Die Zigarre im Schützengraben.
Wieviel doch eine Zigarre im Schützengraben bedeuten kann! Während die feindliche Artillerie alle Höllen loslässt, wird die schlanke Braune manchmal von einem Todesmutigen unter eigener Lebensgefahr den Kameraden in den Unterstand gebracht. Weiß er doch aus eigener Erfahrung, was sie im Schützengraben bedeutet. Endlich schweigt das Höllenkonzert. Man kann sie ruhig rauchen. Aber bald stürmt die feindliche Infanterie heran. Tut nichts. Man läßt seine Zigarre nicht im Stich. Hin und her wogt der Kampf. Vorwärts, rückwärts! Endlich kommt die Nacht. Das Gefecht endet. Verwundete und Tote müssen aufgelesen werden. Seit Stunden hat man nichts mehr im Magen. Aber die Zigarre hilft über den Hunger, den Durst, über all den Schrecken ringsum hinweg.
(Volksmund, Rubrik „Bonner Angelegenheiten“)
Sonntag, 11. Juli 1915
Magermilch oder Vollmilch in diesen Kriegszeiten? Unter diesem Titel hat Professor Dr. Kamp in Bonn die 1911 von ihm verfaßte Schrift „Magermilch oder Vollmilch?“, die in 60.000 Stück verbreitet worden ist, der Kriegszeit entsprechend neu bearbeitet. Wie in dem trockenen Jahr 1911, besteht, aus anderen Ursachen natürlich, auch jetzt eine gewisse Milchknappheit, die es äußerst wünschenswert erscheinen läßt, daß die Magermilch oder „Fettlosmilch“ mehr als es noch immer geschieht, zur menschlichen Ernährung verwendet wird. Professor Kamp bekämpft in seiner Schrift die Vorurteile, die auch jetzt noch immer gegen die Magermilch als Ersatz der zu wenig vorhandenen Vollmilch dienen sowie bei der Kriegsernährung überhaupt eine wichtige Rolle spielen könnte. Er gibt Proben für die vielseitige Verwendbarkeit der Magermilch in einer größeren Anzahl von Zubereitungsanweisungen für die verschiedensten Speisen – auch solche ohne Mehl – und Getränke. Die Schrift ist im Verlage der Universitätsbuchdruckerei Carl Georgi in Bonn erschienen und ist besonders auch zur Massenverbreitung geeignet.
Feriensonderzüge. Am 4. August wird je ein Sonderzug von Köln nach Kassel-Thüringen (Endstation Erfurt) und nach dem Harz (Halberstadt und Wernigerode) abgelassen, wenn zu jedem der beiden Züge wenigstens 200 Fahrkarten verkauft werden und die Durchführung der Züge an dem Tage angängig ist. Weitere Feriensonderzüge werden in diesem Jahre aus dem Rheinland nicht abgelassen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Gute Ernteaussichten. Man schreibt uns vom Mittelrhein, 9. Juli. Nach dem Gewitterregen stehen die Felder und Gärten vorzüglich. Die Heuernte ist ziemlich vorgeschritten. Roggen und Hafer lassen eine befriedigende Ernte erhoffen. Futterrüben stehen frisch. Das Gemüse hat sich prächtig entwickelt. Die Waldbeerernte ist überaus reich, ebenso die Himbeerernte. Die Gesamternte schreitet infolge Arbeitermangels nur langsam fort.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Wallfahrt nach Kevelaer. Voraussichtlich wird in diesem Jahre die alljährliche Fußprozession am 15. August von Bonn aus gehen. Die Bahnprozession wird am 18. August, falls keine militärischen Hindernisse eintreten, fahren.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Montag, 12. Juli 2015
Godesberg, 12. Juli. Für die Verwundeten und Genesenden in unseren Reservelazaretten hatte die hiesige Verwaltung vergangene Woche zwei Rheinfahrten bis nach Boppard veranstaltet. Die Teilnehmerzahl betrug jedesmal über 300, darunter waren etwa ein Viertel Bürger aus Godesberg. Beide Fahrten nahmen einen schönen Verlauf und hinterließen bei unseren dankbaren Feldgrauen einen tiefen Eindruck. Am Deutschen Eck zu Koblenz hielt beidemale der begleitende Chefarzt, Geh. San.-Rat Dr. Brockhaus aus Godesberg, eine patriotische Ansprache an die Fahrtteilnehmer. Die Soldaten hatten freie Verpflegung auf dem Schiffe. In Boppard war Kaffeetrinken. Schiff und Musik waren von der Gemeinde Godesberg gestellt, für die Beköstigung war durch frühere Sammelfonds hinreichend gesorgt worden. Auf der ersten Fahrt hatte Herr Dechant Dr. Winter ein Hoch auf unsere tapferen Feldgrauen ausgebracht. Bei der zweiten Fahrt tat dies Herr Bürgermeister Zander. Beim Einlaufen des Schiffes am Abend erstrahlte das Rheinufer in bengalischer Beleuchtung.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz“)
Vom Bonner Wochenmarkt. Von einer Hausfrau wird uns geschrieben: „Die Teuerung auf dem Bonner Wochenmarkt hat derart zugenommen, daß wir Bonner Hausfrauen kaum noch in der Lage sind, Gemüse und Obst zu kaufen. Nur ganz wenigen Familien, die über außergewöhnliche Einnahmequellen verfügen, gestatten es die jetzigen Preise noch, die für die Ernährung so außerordentlich wichtigen Gemüse zu kaufen, und auch von ihnen wird Obst weit weniger eingekauft, als in sonstigen Jahren. Am vergangenen Freitag konnte man beobachten, daß viele Hausfrauen weder Gemüse noch Obst einkauften. Es scheint sich auch hier allmählich bei den Hausfrauen das stillschweigende Uebereinkommen herausgebildet zu haben, durch einen Obst- und Gemüsestreik die Preise wieder auf eine natürliche Grenze herabzudrücken. Auch auf dem Kölner Wochenmarkt sollen die Hausfrauen ähnlich vorgehen, um sich ihrer Haut bezw. Ihre Portemonnaies zu wehren. Bitter Not täte es, daß auch in Bonn ein städtischer Gemüseverkauf eingerichtet würde, damit vom bürgerlichen Tisch das Gemüse nicht zu verschwinden brauchte, wie das jetzt tatsächlich immer mehr der Fall ist.“
Als Kriegsfreiwilliger war ein junger Mann von hier auf einem Freifahrschein nach Kiel gefahren, um bei der Marine einzutreten. Er war nicht angenommen worden und lernte auf der Rückfahrt nach Bonn eine Gesellschaft junger Burschen kennen, denen er sich anschloß und mit denen er gemeinschaftlich auf einer Reihe von Bahnhöfen im Industriegebiet Diebstähle verübte. In Paderborn wurde er dem Amtsgericht zugeführt, aber wieder entlassen. Ein zufälliges Alleinsein in der Gerichtsschreiberei benutzte er dazu, um von dem Gerichtssiegel eine Anzahl Abdrücke auf Papierblätter zu machen und einen Stempel zu stehlen, mit dem er weitere Freifahrtscheine ausstellte. In Düsseldorf wurde er schließlich von der Bahnhofswache verhaftet. Die Strafkammer verurteilte ihn am Samstag zu einer Gefängnisstrafe von drei Monaten, stellte ihm aber die bedingte Begnadigung in Aussicht.
Wegen Vergehens gegen die Bäckereiverordnung standen am Samstag eine Anzahl Bäcker vor der Strafkammer. Eine Inhaberin eines Bäckereigeschäfts aus Beuel hatte einer Familien, die das ihr zustehende Brot für eine Woche schon erhalten hatte, Samstags trotzdem noch ein Brot abgegeben und es für die nächste Woche eingetragen. Da sie schon einmal wegen Vergehens gegen die erwähnte Verordnung verurteilt war, erkannte die Strafkammer am Samstag gegen sie auf 50 M. Geldstrafe. – Ein Bäckermeister aus Königswinter hatte Brot mit dem Stempel des folgenden Tages versehen und zum Verkauf bereit gelegt. Er behauptete vor der Strafkammer, er habe sich geirrt. Seine Ehefrau, die vor kurzem wegen des gleichen Vergehens vor der Strafkammer stand, hatte erklärt, sie hätten bessere Kundschaft und die wolle kein altbackenes Brot. Nach der Verordnung darf das Brot erst am zweiten Tage, nachdem es gebacken ist, verkauft werden. Die Strafkammer nahm an, daß der Bäcker nicht aus Irrtum, sondern absichtlich gehandelt hat und verurteilte ihn zu 100 Mark Geldstrafe.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Dienstag, 13 Juli 1915
Die „Vergessenen im Felde“. „Das Eintreffen der Feldpost“, so schreibt ein schon lange im Felde stehender Offizier, „ist für den Soldaten einer der Momente, wo die freudige Erwartung, nicht leer auszugehen, alle Strapazen und Unannehmlichkeiten, die der Krieg mit sich bringt, vergessen läßt“. Unsere bescheidenen Gaben erfreuen das Herz des wackeren deutschen Soldaten und bieten ihm kleine materielle Genüsse; noch mehr innere Befriedigung aber gewährt ihm die Ueberzeugung, daß man seiner in der Heimat in warmer Dankbarkeit und herzlicher Zuneigung gedenkt. Unter unseren Beschützern und Verteidigern draußen im Felde sind aber viele, die allein stehen in der Welt, oder deren Angehörige nicht in der Lage sind, sie durch Liebesgaben zu erfreuen, die also traurig und enttäuscht zusehen müssen, wie ihre Kameraden ihre Paketchen in Empfang nehmen und in freudiger Spannung auspacken. (…)
Der Vaterländische Frauenverein für den Stadtkreis Bonn hat daher jetzt auch eine große Anzahl von Adressen „Vergessener im Felde“ gesammelt und bittet, sich durch Absenden von Liebesgaben an die Adressen auch an diesem neuen Liebeswerk eifrigst beteiligen zu wollen. „In der Liebe wurzelt des Deutschen Kraft.“ Durch unsere noch so bescheidenen Werke der Liebe und des Erbarmens können wir so manches Herz aufrichten, so manchem jungen Mann, dem es nicht beschieden ist, die heilige Heimat wiederzusehen, eine letzte Freude bereiten. Adressen „Vergessener im Felde“ sind einzusehen und abzugeben in der Zentralsammelstelle des Vaterländischen Frauenvereins in der Lese, Koblenzerstraße 35, wochentags von 10½ - 12 Uhr.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Raubmord in Lengsdorf. Gestern morgen wurde in Lengsdorf die Frau des Ackerers Schönefeld, während ihre Angehörigen draußen auf dem Felde arbeiteten, durch Beilhiebe ermordet. Frau Schönefeld war schon am frühen Morgen mit Johannistrauben auf dem Bonner Markt gewesen und mit gutem Verdienst heimgekehrt. Außerdem hatten die fleißigen Leute sich noch eine hübsche Summer Geldes erspart, die auch im Hause aufbewahrt wurde. Das Geld muß dem Täter in die Augen gestochen haben.
Der Verdacht der Tat lenkte sich durch die Untersuchung, die sofort durch den Bürgermeister von Duisdorf vorgenommen wurde, auf eine im selben Hause wohnende Witwe Höfer. Unter dem Schranke der Witwe Höfer fand man ein kleines, frisch geputztes Beil. Die schweren Kopfwunden waren mit einem Beile beigebracht worden. Das geraubte Geld, etwas über 300 Mark, fand man in einem Säckchen, eingewickelt in einem Aufnehmer, unter dem Heu im Stalle der Witwe Höfer. Außerdem sprachen noch eine Reihe anderer Verdachtsmomente für die Täterschaft der Witwe Höfer. Infolgedessen sah sich die Polizeibehörde veranlaßt, die Frau gestern nachmittag in Haft zu nehmen. Die Kunde von dem Morde hatte die Verhaftete auch den auf dem Felde arbeitenden Angehörigen der Ermordeten hinterbracht.
Bonner Wochenmarktpreise. In einer der vielen Zuschriften Bonner Hausfrauen, die im Grundton alle darin übereinstimmen, daß die Bonner Wochenmarktpreise unerschwinglich geworden sind, wird folgende Bitte ausgesprochen:
„Als tüchtige und wirtschaftlich erfahrene Hausfrau möchte ich Sie bitten, dahin zu wirken, daß von Seiten der Stadt gegen die ganz willkürliche Steigerung der Gemüse- und Obstpreise eingeschritten wird. In kleinen und selbst in mittleren Verhältnissen ist es kaum möglich, sich genügend damit zu versorgen. Da die Verhältnisse berechtigterweise auch Sparsamkeit an Butter, Eier, Milch und Fleischgenuß erfordern, kann auf diese Weise eine Schädigung der Volksgesundheit durch Unterernährung nicht ausbleiben.“
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Beuel, 10. Juli. Dreihundert Kinder der Oberklassen der hiesigen Volksschulen machten dieser Tage mit ihren Lehrpersonen einen Ausflug in die Kirschenernte des Vorgebirges. Nach einem ausgedehnten Fußmarsche wurden sie in Bornheim reichlich mit Kirschen, Johannistrauben, Erdbeeren und Himbeeren bewirtet und nahmen später im Garten der Wirtschaft Schwadorf den Kaffee ein. Der größere Teil der Barauslagen wurde aus einer Schulstiftung bestritten.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und fern“)
Der gestrige Sonntag hatte sehr unter der unwirschen Witterung zu leiden, denn auf den Höhen und Ausflugsorten herrschte eine große Leere, desto mehr waren aber die Kirchen, sowohl in der Stadt als auf dem Lande besucht. Sämtliche Nachmittagsandachten wiesen eine außergewöhnlich große Zahl Beter auf.
Steckbrieflich verfolgt werden von Bonn aus: (…) Ackaric, Seraphim, geb. 11.10.1881. Flohr, Emil Wilhelm Peter, geb. 9.11.1881. Kornelius, Johann, geb. 15.7.1881. Lohmann, Walter, geb. 1.8.1881. Louis, Georg, geb. 5.1.1881. Michels, Wilhelm, geb. 22.10.1881. Sachse, Oskar, geb. 27.6.1881. Schuler, Max, geb. 30.1.1881. Schwinghaus, Bernhard, geb. 25.1.1881. Tromp, Heinrich Philipp, geb. 27.6.1881. Wilden, Johann Heinrich, geb. 17.8.1881, sämtlich zu Bonn und sämtlich zuletzt wohnhaft daselbst, sämtlich wegen Verletzung der Wehrpflicht.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Mittwoch, 14. Juli 1915
Der Bonner Wehrbund unternahm vergangenen Sonntag eine Geländeübung an der unteren Sieg. Die eine Partei hatte die Aufgabe, den Siegübergang zu erzwingen und kleinere, zur Sicherung vorgeschobene Abteilungen eines in Mondorf stehenden Feindes, die von der anderen Partei dargestellt wurden, zurückzudrängen, womöglich abzuschneiden. Für die Ueberschreitung der Sieg konnten nur die beiden Furten bei der Bergheimer und Mondorfer Fähre in Betracht kommen, wo sie bei dem gegenwärtigen Wasserstande gefahrlos durchwatet werden kann. An der zweiten Stelle wurde der Uebergang mit Erfolg durchgeführt, während er an der ersten nicht als geglückt anerkannt werden konnte. Auch gelang es den Angreifern, wenigstens einen Teil der Mannschaft, die den Uebergang an der Bergheimer Fähre erfolgreich verhindert hatte, abzufangen.
An die Uebung, die sich für die Teilnehmer in verschiedener Hinsicht lehrreich und anregend gestaltete, schloß sich eine Besichtigung der schönen Kirche in Schwarz-Rheindorf. Herr Pfarrer Bremer, der die Liebenswürdigkeit hatte, die Führung zu übernehmen, schloß seine belehrenden und fesselnden Erläuterungen mit dem Hinweis auf die Zeit der Kreuzzüge, der die Kirche ihren Ursprung verdankt, indem er in eindrucksvoller Weise der Jungmannschaft die Hingabe, den Opfermut und die Tapferkeit der Kreuzfahrer zum Vorbild aufstellte.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Zum Raubmord in Lengsdorf. Heute morgen findet die Obduktion der Leiche von Frau Schönefeld in Lengsdorf statt, die, wie gestern berichtet, in ihrer Wohnung durch Beilhiebe ermordet wurde. Die der Tat verdächtige Witwe Höfer wurde gestern in das hiesige Untersuchungsgefängnis abgeführt. Sie leugnet bis jetzt noch hartnäckig, die schreckliche Mordtat verübt zu haben.
Auf dem gestrigen Bonner Wochenmarkte und auf dem Engrosmarkt auf dem Stiftsplatz waren die bisher schon sehr hohen Preise für sämtliche Gemüse und Obst fast alle noch gestiegen. Diese Preissteigerungen sind unerklärlich, wenn man das tagtäglich große Angebot auf den beiden Märkten beobachtet. Die Menge der angebotenen Waren ist mindestens dieselbe wie in früheren Jahren, eher noch größer. Um eine Preisregelung herbeizuführen, wäre es angebracht, daß die Kleinverkäufer trotz der außerordentlich hohen Preise, die die Großhändler auf dem Stiftsplatz verlangen, nicht so heißhungrig über die Ware herfielen, denn auch dadurch werden die Preise künstlich in die Höhe getrieben. Die Kleinverkäufer, die ihre eigenen Erzeugnisse auf den Markt bringen, haben natürlich nichts eiligeres zu tun, als sich mit ihren Preisen nach denen der Vorkäufer zu richten. Es liegt gar keine Veranlassung vor, diese in gar keinem Verhältnis zu der guten Ernte stehenden Preise zu fordern. Strauchbohnen kosteten gestern im Zentner 15 Mk., also 2-3 Mk. mehr als in der vorigen Woche – warum? Ferner kosteten im Zentner: dicke Bohnen 14-15 Mk., Erbsen 22 Mk., Kartoffeln 8 Mk., (…) Kirschen im Zentner 40 Mk., (…) Himbeeren 45-50 Mk. Kopfsalat kostete 8 und 10 Pfg. das Stück, vorige Woche 4 und 5 Pfg., (…) Die Zufuhr in holländischem Blumenkohl ist immer noch sehr knapp, es wurden gestern 40 und 45 Pfg. für das Stück bezahlt. Holländische Tomaten kosteten 60-70 Pfg. das Pfund, hiesige Pfirsiche und Aprikosen 60-70 Pfg. das Pfund. Schnittblumen waren wieder reichlich vorhanden und fanden guten Absatz. Gute Butter, Kisten-Eier und Geflügel waren im Preise unverändert. Frische Eier sind etwas billiger geworden.
Die Kauflust hatte erheblich nachgelassen. Gegen Marktschluß um 1 Uhr mittags waren noch reichliche Vorräte an Gemüse und Obst zu beobachten. Die Preise waren jedoch nicht gesunken.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Künstliche Preistreibereien auf dem hiesigen Markte. Ich will durch einen Vorfall beweisen, mit welcher Kaltblütigkeit selbst die kleinsten Landleute einem die unverschämtesten Forderungen stellen – angestachelt natürlich von den „Großen“. Frage ich heute mein Gemüsemädchen, welches einige Male in der Woche mit der Handkarre bei uns vorfährt, warum auch bei ihr in letzter Zeit die Preise in die Höhe gingen und erhalte zur Antwort: „Ich wäre ja dumm, wenn ich das nicht täte, die anderen nehmen ja auch die höheren Preise.“ Wann wird hier in Bonn dagegen angegangen? Was „Münster“ kann, kann Bonn wohl auch, ich bin neugierig, wie das noch enden wird.
Mit der Butter ist es dasselbe: vor 14 Tagen bezahlte ich bei meiner Butterfrau 1,60 Mk. – vor acht Tagen 1,70 Mk. – und heute verlangt sie 1,80 Mk., trotzdem sie sagte, daß Futter genug da sei, also kein Grund zur Preissteigerung vorliege. Auch hier geben die „Großen“ den Ton an. W. Sch.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Pflanzt Gedenkbäume! Man schreibt uns: Zur Förderung des Obstbaues könnte noch viel mehr geschehen, da dieser Zweig der Land- und Volkswirtschaft großen Nutzen bringt. Die Zahl der Obstbäume ist noch zu gering. Durch den Krieg ist die Zufuhr vom Auslande größtenteils gesperrt. Hat der Krieg auch seine Härten, so erteilt er uns auch manche Lehre für die Zukunft. So müssen wir von jetzt ab dafür sorgen, daß wir unseren Bedarf an Obst selbst produzieren. Deshalb gilt es, bei jung und alt vermehrtes Interesse für Obstbaumzucht zu wecken. Hierzu bietet sich häufig Gelegenheit. Haben Großeltern, Eltern oder Kinder Namens- oder Geburtstag, so weiß man oft nicht, wie man sich diesen gegenüber dankbar zeigen oder sie ehren soll. Ein schönes und zugleich wertvolles Geschenk ist ein guter Obstbaum. Wird dieser an einem Ehrentage gepflanzt, so ist er eine bleibende Erinnerung an die gezollte Liebe und Anhänglichkeit. Das diesem Baum sowohl von dem Beschenker [Beschenkten?] als auch dem Geschenkgeber eine große Beachtung gezollt, daß er gut gepflegt und gedüngt wird, ist wohl außer Zweifel. Wenn die Landwirte und alle, denen genügend Raum zur Pflanzung von Obstbäumen zur Verfügung steht, diese Anregung befolgten, so würden nach einigen Jahren tausende Obstbäume stumme Zeugen sein von der Dankbarkeit und Treue des deutschen Volkes, die sich namentlich an Ehrentagen kundgibt.
Einbruchsversuch. In der vorletzten Nacht gegen ½1 Uhr versuchte ein 15jähriger Bursche in eine Uhren- und Goldwarengeschäft an der Brückenstraße einzudringen, um zu stehlen. Er stieg durch das Fenster über der Türe in den Laden, trat auf einen Telephondraht, wodurch die elektrischen Anlagen im Schlafzimmer des Uhrmachers klingelten. Durch ihren Alarm wurden die Einwohner geweckt. Die Frau rief um Hilfe. Der Mann eilte in den Laden. Der Bursche suchte wieder durch das Fenster das Weite und entkam. Er soll aber erkannt sein.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Donnerstag, 15. Juli 1915
Die Preise für Gemüse und Beerenobst werden auch in Bonn immer ungeheuerlicher. Obwohl die diesjährigen Erträge der Felder und Gärten hinter denen anderer Jahre ganz gewiß nicht zurückbleiben und täglich große Mengen auf die hiesigen Märkte gebracht werden, sind die Preise für alle Waren doch durchweg doppelt so hoch als sonst. Ja, je weiter die Ernte fortschreitet und je mehr die Erzeugnisse infolgedessen vorhanden sind, desto höher werden die Preise. Jeden Mittag gegen 1 Uhr kann man sehen, daß die Verkäufer und Verkäuferinnen große Körbe voll unverkaufte Waren vom Markt wieder fortfahren, ein Beweis, daß von einer Knappheit nicht die Rede sein kann. In einer Zeit, in der das Brot jedem einzelnen zugemessen wird, Fleisch, Eier, Butter, Fett und viele andere Lebensmittel für die Wenigerbemittelten unerschwinglich teuer sind, dürften doch die Früchte, die zum Brotaufstrich eingekocht werden sollen, und das Gemüse, das das Fleisch ersetzen soll, nicht durch gewissenlose Spekulationen und Preistreibereien ebenfalls noch in so unerhörter Weise verteuert werden. Auch die Milch ist in den letzten Tagen wieder aufgeschlagen, obwohl doch jetzt im Sommer Futter genug vorhanden ist. Es wäre höchste Zeit, daß auch in Bonn (wie es schon in anderen Städten geschehen ist) die Stadtverwaltung Maßregeln gegen diesen gewissenlosen Lebensmittelwucher ergreifen würde.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Stadtverwaltung und Nahrungsmittelteuerung. Ein angesehener Bonner Bürger bittet uns um die Wiedergabe nachstehender Zeilen: „In der jüngsten Zeit zeigt sich in Bonn eine auffallende Steigerung der Preise auf dem Wochenmarkt und anderer Nahrungsmittel. Die Gründe dieser Erscheinung scheinen mir nicht einwandfrei festzustehen. Zum mindesten fehlt es an genauen amtlichen Ermittelungen über die Ursache des raschen Emporschnellens der Preise. Der Umstand, daß viele rheinische Städte und auch die Stadtverwaltungen in anderen preußischen und süddeutschen Provinzen dazu übergegangen sind, durch die Einrichtung eigener Verkaufsstellen nicht nur für Fleischwaren, sondern auch für den Verkauf von Gemüse und Obst regelnd auf die Preisbildung einzuwirken, erscheint mir als ein gewisser Beweis dafür, daß anderwärts die Kommunalverwaltungen die Auffassung gewonnen haben, daß die Preissteigerungen die natürliche Grenze überschritten haben und ein behördlicher Eingriff in die wilde Preisbildung erforderlich ist. Ich gehe nicht so weit, ohne weiteres von einer wucherigen Ausbeutung der durch den Krieg ohnedies bedrückten mittleren und ärmeren Bevölkerung Bonns zu sprechen. Ich glaube aber, daß die Stadtverwaltung es als eine heilig Pflicht betrachten muß, getreu ihrer bisherigen opferbereiten Betätigung zu Gunsten des Gemeinwohls auch in dieser Frage mit ihrer starken Hand einzugreifen. Zunächst möge die Stadtverwaltung Sachverständige durch Referat und Gegenreferat gutachtlich hören. Nötigenfalls mögen dann zu Gunsten der Volksernährung möglichst durchgreifende Maßnahmen städtischerseits getroffen werden. Aber es möge dies in den allernächsten Tagen geschehen, damit die Bürgerschaft fühlt, daß sie in sicherem Schutz ist.“
Über den Bonner Wochemarkt schreibt uns eine Kriegerfrau: „Verschiedentlich war ich Zeuge, wie Bonner Marktfrauen in sehr lobenswerter Weise ganze Körbe mit Früchten in die vorbeifahrenden Verwundeten-Wagen schütteten. Was würden aber wohl unsere lieben Krieger sagen, wenn sie einmal von den Wucherpreisen hörten, die sich auf dem Markte breit machen. Forderte man vergangene Woche für 1 Pfund Kartoffeln 6 Pfg., so stiegen sie in einigen Tagen bis zu 11 und 12 Pfg. Bohnen, Erbsen, Wirsing, alles stieg um ¼ bis ½ des früheren Preises, von Obst schon gar nicht zu reden. Ist es bei diesen Preisen für eine Kriegerfamilie möglich, sich Gemüse und Obst zu kaufen? Muß sie doch schon seit langem auf das Fleisch verzichten und nun soll ihnen durch diese hohen Preise auch noch Obst und Gemüse entzogen werden. Der Stand der Ernte ist doch mit diesen Preisen in gar keinen Einklang zu bringen. Ich appelliere an das gute Herz unserer Marktfrauen, den Kriegerfamilien durch diese hohen Preise nicht auch noch die unseren Kindern so nötige Gemüse- und Obst-Nahrung zu entziehen.“
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Wohin gelangt das rheinische Obst? Aus Mainz wird dem Berl. L.-A. gemeldet: Die trotz der reichen Ernte fortgesetzte Verteuerung des Obstes in der unteren Rheinebene hat dazu geführt, daß die Verwaltungen der großen Städte sich näher mit den Vorgängen auf dem Obstmarkt befaßten. Dabei wurde festgestellt, daß fremde Händler die Obstgebiete im hessischen und preußischen Rheingau und an der Bergstraße bereisen und an Obst aufkaufen, was sie bekommen können, und daß große Mengen Obst mit Schiff und Bahn nach Holland ausgeführt werden. Da nun aber Holland schon in Friedenszeiten kein Obst aus Deutschland bezieht, vielmehr solches ausführt, so liegt der dringende Vedacht vor, daß diese Obstsendungen ins feindliche Ausland gelangen, vor allem nach England, das von jeher ein großer Abnehmer von rheinischem Obst gewesen ist, vor allem Steinobst. Eine Nachprüfung, ob England durch Neutrale aufkaufen läßt, scheint der Sachlage nach durch die berufenen behördlichen Stellen dringend erforderlich.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Freitag, 16. Juli 1915
Vereinslazarettzug K 1., Bonn. Der Bonner Lazarettzug K 1 hat auf seiner 13. Fahrt in Chauny 250 Verwundete aufgenommen und in Mainz und Darmstadt ausgeladen. Zurzeit steht er in Brühl zur nächsten Fahrt bereit. – An Liebesgaben sind Zigarren, Zigaretten und Marmeladen besonders erwünscht, ferner Hemden und Taschentücher, alt oder neu. Alles ist abzugeben Bahnhofstraße 40. Weitere Geldspenden wolle man einzahlen auf der Zweigstelle der Deutschen Bank in Bonn. (...)
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Aus Merten am Vorgebirge wird uns zur Frage der plötzlichen Preissteigerungen auf dem Bonner Wochenmarkt folgendes geschrieben:
„Geehrte Redaktion! Um den Bonner Marktbesuchern einen Einblick in die hiesigen Marktpreise zu schaffen und ihnen einmal zu zeigen, was die hiesigen Engroshändler täglich in den abgelegeneren Orten des Vorgebirges für Verdienste einheimsen, wollte ich einmal die hiesigen Marktpreise mit den Bonner Marktpreisen vergleichen. So zum Beispiel. Für den Zentner Kartoffeln bezahlt man hier 6 Mark, dagegen in Bonn 8 Mark, für Strauchbohnen 6-8 Mark für den Zentner, in Bonn 15 Mark, Johannistrauben hier 18-20 Mark, in Bonn 25 Mark. (...) Es wäre an der Zeit, daß die hiesigen Händler etwas Konkurrenz vonseiten der Bonner Bürgerschaft erhielten.“
Gegen die Lebensmittelteuerung. Wie uns aus Düsseldorf geschrieben wird, hat die Stadtverwaltung mit ihren neu eingerichteten Lebensmittelverkäufen schon jetzt große Erfolge aufzuweisen. Die neuen Kartoffeln sind heute schon auf dem Markt weit billiger zu haben, als vor einigen Tagen. Noch vor kurzem wurden 65 Pfg. für das Pfund Zwiebeln verlangt. Die Stadt gab die Zwiebeln für 30 Pfg. ab und heute verkaufen sie auch die Händler für diesen Preis. Ganz ähnliche Erfahrungen sind auch mit dem Gemüseverkauf gemacht worden. Der Andrang zu den städtischen Verkaufsstellen ist derart, daß die Einrichtung weiterer Verkaufsstellen notwendig wird. Man sieht also, Zureden hilft.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Wie die hohen Marktpreise entstehen. Noch nie haben Käuferinnen und Verkäuferinnen auf so gespanntem Fuß gestanden, wie jetzt zur Kriegszeit. Man hört auf dem Wochenmarkt des öfteren Ausdrücke, über die der selige Knigge sich entsetzt haben würde; Halsabschneiderei, Gemeinheit und dergleichen nicht gerade parlamentarische Ausdrücke sind an der Tagesordnung. Erreicht wird dadurch zwar nichts, aber man will doch seinem gepreßten Herzen Luft machen. Das Hin- und Herreden führt zu nichts, denn jeder Verkäufer versichert, daß er an der allgemeinen Teuerung unschuldig ist. Der Vorkäufer schiebt die Schuld auf den Bauer, der Bauer auf den Händler. Im Grunde genommen interessiert es den Städter wenig, wer die Schuld hat; er muß bezahlen und sich einschränken, um mit seinen Groschen rundzukommen. Am Montag hatte ich Gelegenheit, festzustellen, daß die Teuerung auf verschiedene Weise zu Stande kommt. Als gegen 8 Uhr morgens ein Fuhrwerk mit Kirschen auf dem Markt anlangte, wurde es von den Händlerinnen sofort bestürmt. Noch ehe ein Korb vom Wagen herunter gehoben werden konnte, ging das Bieten von Seiten der Vorkäufer los. Der erste bot 30 Pfg. für das Pfund an, der zweite 35 Pfg. und ein dritter sogar 40 Pfg. Zu diesem Letztgebot wurde denn auch die ganze Fuhre im Handumdrehen verkauft und ehe noch eine halbe Stunde vergangen war, konnte die Verkäuferin mit ihrem leeren Fuhrwerk und mit voller Tasche wieder abziehen. „Ich hätt’ net gedaach, dat ich su viel für ming Waar gekrich hätt“, meinte die Verkäuferin schmunzelnd beim Wegfahren. „Et es nur schad, dat ich noch net e mol ne gode Kaffee krigge.“ Nun, den guten Kaffee wird die Verkäuferin wohl noch zu Hause bekommen haben.
Ein anderes Bild: Am frühen Morgen wurde der Zentner Kartoffeln für 8,00 Mk. verkauft. Gegen 10 Uhr kam ein Kartoffelfuhrwerk vom Vorgebirge an, das wiederum von den Händlerinnen mit Beschlag belegt wurde. Die Eigentümerin der Kartoffeln verlangte rund 10 Mk. für den Zentner und als man ihr bedeutete, daß bis jetzt nur 8,00 Mk. verlangt worden wären, setzte sie den Preis auf 9,50 Mk. fest, und dabei blieb sie auch. Alles Handeln nutzte nichts, die Verkäuferin blieb fest, und wohl oder übel mußte der hohe Preis bezahlt werden. Und so kam es, daß im weiteren Verlauf des Tages die Kartoffeln mit 12 Pfg. für das Pfund bezahlt werden mußten. Meines Erachtens kann hier nur Wandel geschaffen werden, wenn die Händlerinnen sich einig sind und nicht sich gegenseitig die Preise in die Höhe treiben und dem Verkäufer gegenüber eine abwartende Stellung einnehmen. Das Allheilmittel aber wird sein, daß unsere Stadtverwaltung die Preise festsetzt und Uebertretungen empfindlich bestraft. Eine Bonner Hausfrau.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Haarschneiden wird, wie die Bonner Friseur-Innung bekannt macht, da durch Einberufung zur Fahne Personalmangel eingetreten ist nur noch an Werktagen von unseren Friseuren ausgeübt.
Frauen im Postdienst. Seit einigen Tagen sind vom hiesigen Postamte Frauen im Briefbestelldienste beschäftigt. Man hat mit dieser Einrichtung gute Erfahrungen gemacht.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
„Im Kriege will jeder Millionär werden.“ Diese Worte sagte mir gestern ein Bekannter, den ich auf die unverschämt hohen Gemüse- und Obstpreise aufmerksam machte. Nachgerade ist es den armen Leuten schon bald nicht mehr möglich, mit den Mitteln auszukommen, die ihnen für die Lebensmittel zur Verfügung stehen. Und das bei der Rekordernte, die von allen Seiten angekündigt wird. Das Wetter war den Gemüse- und Obstzüchtern doch bis jetzt im großen und ganzen wohlwollend. Allenthalben liest man in den Zeitungen, daß die Gärten und Felder großartig ständen. Aber noch viel „großartiger“ stehen die Preise. Es ist schon von verschiedenen Seiten als Mittel gegen diese Wucherpreise Enthaltsamkeit angeraten worden. Allein das ist gut sagen. Was soll man dann essen? Fleisch ist zu teuer. Brot? Hopla - , da kommt das Brotbuch und sagt Halt. Da bleibt in dieser Jahreszeit eben nur das Gemüse übrig. Da der Bezieher sich gegen diese Gemüsewucherer nicht selbst helfen kann und alle Vorstellungen nur das Gegenteil erreichen, nämlich daß die Verkäufer, wie man das fast jeden Tag hören kann, sich mit ihren hohen Einnahmen brüsten, so muß nun endlich doch die Behörde eingreifen und zwar zunächst durch Ausfuhrverbote für frisches Obst und Gemüse. Weiter durch Einrichtung von behördlichen Verkaufsstellen für Obst- und Gemüsekleinhandel – oder doch meistens durch Festsetzung von Höchstpreisen für den Kleinhandel. Um den unseligen Zwischenhandel, der nach anderen Angaben wieder das Karnickel sein soll, auszuschalten, wäre zwar die Einrichtung behördlicher Verkaufsstellen das beste. Mit großem Erfolge sind hier Düsseldorf und Münster vorgegangen. Wir haben hier doch eine so reich Gemüsegegend, daß es ein leichtes sein muß, für billiges Geld Waren zu schaffen. Durchhalten! Wird uns immer gesagt. Gewiß hält das Volk durch und es hält gern durch, auch wenn es noch mehr Opfer kostet. Aber die Behörde muß auch dafür sorgen, daß nicht unnötiger Weise die Lebenshaltung verteuert wird. Dies kann sie hier, und daß sie es tun möchte, darum wird sie hiermit freundlichst und herzlichst, aber auch ebenso dringend gebeten, mag sie es nun auf die eine oder andere Weise tun. Ein Gemüseesser.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Samstag, 17. Juli 1915
Der in Bonner Kunstkreisen bekannte junge Maler Alfred Kurella, der sich im Februar in der Champagneschlacht als Kanonier das Eiserne Kreuz erwarb, hat in den Kämpfen bei Arras als Unteroffizier die Sprache verloren.
Kaufmännischer Kriegslehrgang für Frauen und Mädchen. Am 15. Juli ging der viermonatige Kriegslehrgang zu Ende, den die beiden hiesigen Beratungsstellen für Frauenberufe eingerichtet hatten, um einerseits beschäftigungslos gewordenen Frauen und Mädchen eine aussichtsreiche Berufsausbildung zuteil werden zu lassen, andererseits für die Besetzung vieler durch den Krieg freigewordener oder erst geschaffener Bürostellen zu sorgen. Daß dieses Ziel trotz der Kürze der Ausbildungszeit erreicht werden konnte (es sind schon vor Schluß des Lehrganges 12 Damen teils bei der städtischen Verwaltung, teils bei der Post, teils in Privatbetrieben angestellt worden), ist der regelmäßigen und unermüdlichen Arbeit der dreißig Kursistinnen und dem zielbewußten Unterricht zu verdanken. (...)
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Konzert eines Soldatenchors. Der Bonner Ausschuß für Kriegsbeschädigten-Fürsorge hat einen Gesangsverein verwundeter Soldaten unter Leitung des städtischen Kapellmeisters Sauer gebildet. Der Soldatenchor hat tüchtig geübt und die Ausbildung ist soweit gediehen, daß der Chor am 1. August, morgens ½ 12 Uhr im großen Saal des Bonner Bürgervereins, der bereitwilligst unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde, eine gesangliche und instrumentale Morgenaufführung veranstalten kann, und zwar zu Gunsten der Fürsorge für unsere Kriegsbeschädigten.
Bonner Wochemarkt. Auf dem gestrigen Bonner Wochenmarkte war bei vielen Waren wieder eine Preissteigerung eingetreten. Bei einigen Waren war der Preis etwas heruntergegangen oder unverändert. Das Angebot war sehr groß, der Absatz nicht besonders. Dasselbe Verhältnis im Preis, dagegen ein reißender Absatz, war beim Engrosverkauf auf dem Stiftsplatz wahrzunehmen. Hieraus geht hervor, daß die Engrosverkäufer mit dem Verkauf zu den sehr hohen Preisen oder sogar noch mit Preissteigerungen fortfahren wollen. (...) Kartoffeln kosteten im Zentner 8.50 bis 9 Mark, im einzelnen Pfund 10 Pfg. (...)
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Inzwischen hat Stadtverordneter Henry namens seiner politischen Freunde die Anfrage eingebracht, ob die Stadtverwaltung Maßnahmen zu ergreifen gedenkt, „um einer ungesunden, die ausreichende Ernährung vor allem der unbemittelten Kreise der Bevölkerung gefährdenden Steigerung der Preise für Gemüse, Obst und andere Nahrungsmittel in der Stadt entgegenzutreten?“ und die „Soziale Kommission christlicher Vereine für Bonn und Umgegend“ (deren Mitgliederzahl, wie ausdrücklich hervorgehoben wird, am 1. Juli vorigen Jahres 7500 betrug) dem Herrn Oberbürgermeister die Bitte unterbreitet, der Stadtverordnetenversammlung „sobald wie möglich“ eine Vorlage über Errichtung städtischer Verkaufsstellen für Gemüse, Obst und andere übliche Volksernährungsmittel zur Beschlußfassung zu bringen oder, wenn diese Errichtung unzweckmäßig , über die Frage der Festsetzung von Höchstpreisen, „soweit eine solche den städtischen Verwaltungen zusteht“, zur Entscheidung zu bringen und diese Höchstpreise, wie in Bayern und Württemberg durch die dortigen General-Kommandos, auch hier „höhern zuständigen Orts“ „kriegsgesetzlich geregelt werden.“ In der Eingabe der „Sozialen Kommission“ fehlt auch nicht ein Hinweis auf die Möglichkeit einer Ausfuhr dieser Lebensmittel nach dem feindlichen Ausland „durch beauftragte Vermittler“, dem das Ersuchen beigefügt ist, „bei der Staatsregierung um Erlaß eines Ausfuhr-Verbotes ehestens vorstellig werdne zu wollen“. Der Eingabe des „Sozialen Kommission“ hat sich die „Konservative Vereinigung für den Wahlkreis Bonn-Rheinbach“ angeschlossen. Schaden könnte es nicht, wenn auch noch andere wirtschaftliche und politische Vereinigungen vorgingen. Die Preistreiber würden aus dieser Bewegung dann schon erkennen, daß die Bevölkerung nicht willens ist, sich ungebührlich schröpfen zu lassen. Auch im Burgfrieden nicht.
Von der Stadtverwaltung aber darf erwartet werden, daß sie eine schleunige Stadtverordnetensitzung einberuft, die sich eingehend mit der brennend gewordenen Frage beschäftigt, nicht, wie es in der Eingabe heißt, „sobald wie möglich“, sondern sofort. Die Bevölkerung muß wissen, was bereits geschehen ist oder noch geschehen soll. Jede Zögerung kostet Geld.
(Volksmund, Rubrik „Bonner Angelegenheiten“)
Sonntag, 18. Juli 1915
Ein städtischer Teuerungsausschuß, der aus 25 sachverständigen Herren besteht, ist von der Stadtverwaltung berufen worden. Der Ausschuß ist Freitag zusammengetreten, um über die Ursachen der gegenwärtigen Lebensmittelteuerung und etwaige Gegenmaßregeln zu beraten. Das Ergebnis der Beratungen wird am nächsten Freitag in der Stadtverordnetenversammlung mitgeteilt werden.
Gesangverein verwundeter Soldaten. Man schreibt uns: Denen, die hinter der Front liegt unter anderem ob, den Insassen der Lazarette Beschäftigung zu verschaffen, damit sie der Aufenthalt und die Behandlung daselbst nicht zu sehr niederdrückt. Aus diesem Gedanken heraus hat der Bonner Ausschuß für Kriegsbeschädigtenfürsorge u. a. auch einen Gesangverein verwundeter Soldaten unter Leitung des städtischen Kapellmeisters Sauer gebildet. Der Verein hat tüchtig geübt, und die Ausbildung ist so weit gediehen, daß der Chor am 1. August, morgens ½ 12 Uhr im großen Saale des Bonner Bürgervereins, der bereitwilligst unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde, eine gesangliche instrumentale Morgenaufführung veranstaltet zugunsten der Fürsorge unserer Kriegsbeschädigten. Wir glauben nicht umsonst den Opfersinn unserer Mitbürger anzurufen, wenn wir sie jetzt schon zu regem Besuch des Konzertes auffordern.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Die Kriegsernte muß so vollständig wie nur irgend möglich eingebracht werden. Die Körnerverluste durch Ausfallen und Auswachsen können bei gleichgültiger und unvorsichtiger Arbeitsweise 80-100 Pfund auf den Hektar betragen. Das sind Millionenwerte, die bei einem Gesamtbestande von zehn Millionen Hektar Halmfrüchte verloren gehen. Diese Verluste müssen auf das geringste Maß herabgedrückt werden. Gleich nach dem Mähen sollen die Garben gebunden und zu Haufen von acht bis neun Stück zusammengesetzt werden. Zum Schutz gegen Sturm, Regen und Vogelfraß setzt man den Haufen zweckmäßig eine umgekehrte Garbe als Hut auf. Auf dem Haufen reift die Frucht noch langsam nach, wenn sie etwas zu früh geschnitten sein sollte. Auch um die Haufen kann man zu diesem Zwecke Säcke und Tücher spreiten. An den Mähmaschinen werden vielfach Körnerfänger anzubringen sein, um das ausgeschlagene Getreide aufzufangen.
Alle diese Maßregeln, den Körnerverlust herabzusetzen oder ganz zu vermeiden, sind unseren Landleuten bekannt und werden auch von fast allen durchgeführt. Sie nochmals in Erinnerung zu rufen, schadet indessen nicht. Gilt es doch in diesem Jahre den reichen Erntesegen vollständig zu bergen und unserem Volke nutzbar zu machen. Den Feinden zu Trutz, dem Vaterland zu Nutz’!
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Zu den Butterpreisen schreibt man uns: Die Butter steht augenblicklich sehr hoch im Preise, was den meisten Hausfrauen unerklärlich ist, da doch Futter für das Milchvieh in Hülle und Fülle hier vorhanden ist. Es hat dieses aber seinen Grund darin, daß in Sachsen, Thüringen, Holstein und Dänemark, den uns jetzt hauptsächlich mit Butter versorgenden Ländern, Anfang Sommers eine große Trockenheit geherrscht hat, wodurch die Weiden gelitten haben. Nachdem auch dort jetzt so ergiebiger Regen eingetreten, wird dem Uebelstand bald abgeholfen und reichlich Weide für die Tiere vorhanden sein. Ein Fallen der Butterpreise ist dann die unausbleibliche Folge. Die Rheinlande kommen für die Buttererzeugung kaum in Betracht, da hier fast gar nicht gebuttert, sondern die Milch direkt verkauft wird.
Nicht müde werden! In einer Amtsblatt-Verfügung der Staatsbahnverwaltung heißt es: „Es besteht der begründete Verdacht, daß neuerdings wieder eine lebhafte Spionage zum Zwecke der Zerstörung von Eisenbahnanlagen, Speichern und Fabriken betrieben wird.“ Unter Hinweis auf die früheren Verfügungen zur Verhinderung der Spionage werden die Beamten und Arbeiter der Staatsbahnen erneut ermahnt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Montag, 19. Juli 1915
Konzert des Bonner Männer-Gesangverein.
Im Bonner Bürger-Verein fand gestern abend das Konzert des Bonner Männer-Gesangvereins statt, dessen Reinertrag den Grundtock bilden wird zur Beschaffung eines Wahrzeichens, das durch Einschlagen von Nägeln der Kriegshilfe neue Mittel zuführen und später an die große Zeit erinnern soll. Eine eigne tiefe Linie ging durch den ganzen Abend, die des inneren Erlebens. Es klang gleich an in Kreutzers altem Chor „An das Vaterland“:
Doch Heldenblut ist uns geflossen,
Dir sank der Jugend schönste Zier.
Nach solchen Opfern, heilig großen,
Was gälten diese Lieder dir?
Man fühlte es gleich, es sind keine Worte mehr! Heilige Wahrheit blutet nun auch für uns aus Uhlands Versen. Es klang die verhaltene Innigkeit, das Lied „Vom Ammersee:“
Und über ein Jahr, wer weiß, bin ich tot.
Ade nun, mein Schatz, mein Schatz, ade!
Und Arno Holz' Sang vom „Alten Mütterlein“, wir haben ihn so oft gehört. Als wirklich noch das grüne Revier flimmerte von der heimlich schleichenden Mittagsstille. Als wirklich noch alles schlief, selbst Drossel und Grille, und vor'm Pflug der müde Stier. Aber es blitzt nicht mehr den Wald entlang. Aus Spiel und Uebung ist deutsche Not geworden, deutsche Kraft und deutsches Opfernkönnen!
Und ihre Tränen rinnen:
„So einer war auch Er!“
Der alte „akademische“ Priester-Marsch aus Athalia leitete den Abend ein. Die Meisterschaft des Städtischen Orchesters unter seinem Kapellmeister Heinrich Sauer zeigte sich wieder in der folgenden Egmont-Ouvertüre. Nur die etwas schwach besetzten Streicher erinnerten an die Kriegszeit und das Blau und Feldgrau mancher der Spieler. Herr Sauer leitete auch die Männerchöre. Es ist eine besondere Freude, Sauer dirigieren zu sehen. Er baut gleichsam alles vor einem auf. Es ist viel anregende und gewinnende Künstlerschaft in seiner Persönlichkeit. Das zeigte sich wieder in seinen beiden neuen Chören, die der Verein zum erstenmal sang. „Posten vor Tag“ ist szenisch aufgebaut mit feinen ehrlichen Linien ohne jeden Effekt. Aber man sieht zum Beispiel förmlich die geruhigen „braunen Zelte“ und wie sie sich „eng zusammenducken“. Man hört, wie das prasselnde Wachtfeuer knisternd verloht, und aus versunkenem Lauschen summt sich das Lied vom „Morgenrot“ in die Stille hinein. Wuchtig und dröhnend dagegen, ganz der eisenklirrenden Balladik Rudolf Herzogs angepaßt, klang Sauers andere Komposition: „Der Deutschen Kriegslied 1914“. Nur den Rhythmus, besonders der ersten und dritten Strophe, hätte ich draufgängerischer genommen. Der riesige Eichenkranz mit dem goldenen Vers auf dem roten Band für den Komponisten war ehrlichster Dank auch seiner Zuhörer. Der Abend war überhaupt auf vollkommenes Gelingen gestellt. Vielleicht war auch der gute Zweck daran schuld! Die Tenorsoli des Herrn Fritz Tasche waren prachtvoll. Die Zugabe war garnicht zu umgehen. Tasches Tenor hat etwas Berauschendes in sich. Kommt nun auch noch dieses bewußt innere Erlebnis dazu, man merkte es bei seinem Lied: „Auf der Wacht“, dann ist es die deutsche Seele, die singt. Steuermannslied und Matrosenchor aus dem „Fliegenden Holländer“ waren alte Bekannte. O deutscher „Barbar'“, was hast du für eine wundersam feine Melodie in dir? Was gibt es weiter einen prachtvollen Humor in dir, in Veits gelungenem „Der Käfer und die Blume“. Der Bariton oder Baß hätte da zwar etwa kräftiger „summen“ können, aber das läßt sich schon machen, wenn die andern wieder dazukommen, aus dem Feld zurück. Denn wie hieß doch der letzte Vers des Abends:
Mein Herz tu dich auf, daß Sonne drein scheint!
Du hast ja genug jetzt geklagt und geweint!
Faß wiederum Mut, du jungfrisches Blut,
Mein Herz in dich auf, denn die Sonne meint's gut!
Der große Saal des Bürger-Vereins und die Galerie waren bis aufs letzte Plätzchen besetzt. Da ist alle Hoffnung vorhanden, daß unser Wahrzeichen noch größer und schöner wird als der „Kölsche Boor“. Muß auch sein! Denn Bonn hat ja keine „Boor“, sondern eine „Bonna“!.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Lehrgänge über Obst- und Gemüseverwertung. Die Provinzial-Abteilung Rheinprovinz des Deutschen Vereins für ländliche Wohlfahrts- und Heimatpflege wird an verschiedenen günstig gelegenen Orten – u. a. auch hier in Bonn – kurze Lehrgänge über Obst- und Gemüseverwertung veranstalten, die neben dem Zweck, die Fertigkeiten des Einkochens und der Frischhaltung praktisch zu vermitteln, auch auf die große Bedeutung des Verfahrens hinweisen und über seine wichtigsten Grundsätze und Methoden aufklären sollen.
(Hoffentlich bleibt es bei diesen Kursen nicht bei der grauen Theorie, sondern es wird auch die Möglichkeit gegeben, Obst und Gemüse zu annehmbaren Preisen kaufen zu können. Red.)
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Leise Anfrage. Warum vernimmt man von unserem Bonner Landratsamt über die Frage der Gemüse- und Obstverteuerung keinerlei Aeußerung, warum schweigt die Lokalabteilung des Landwirtschaftlichen Vereins für Rheinpreußen hierüber und warum äußern sich die Landwirtschaftskammer der Rheinprovinz und deren Sonderausschüsse bezw. deren Hauptvorstand nicht in dieser vaterländischen Angelegenheit? Ein Landwirt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Jede Verdeutschung von „Saison-Ausverkauf“ ist gesetzwidrig. Vielfach wird von der Geschäftswelt unter Ausmerzung des Fremdwortes „Saison“ statt „Saison-Ausverkauf“ ein Sommer-Ausverkauf oder Hauptzeit-Ausverkauf und dergl. angekündigt. Wenngleich die Bestrebungen zur Verdeutschung des Wortes Saison anzuerkennen sind, so ist doch darauf hinzuweisen, daß das Wettbewerbgesetz ausdrücklich den Gebrauch des Wortes „Saison“-Ausverkauf vorschreibt, und daß eine Verdeutschung unzulässig und strafbar ist, solange das Gesetz nicht geändert ist. Eine vor einigen Wochen in einer Reihe von Tageszeitungen zum Abdruck gekommene Mitteilung, nach der statt der Bezeichnung „Saison-Ausverkauf“ eine andere den Sinn treffende Bezeichnung gewählt werden dürfe, ist falsch. So hat auch das Oberlandesgericht Düsseldorf in einem Strafurteil sich gegen diese Auffassung verwendet. Neuerdings hat auf Anfragen der Polizeipräsident von Berlin jede Verdeutschung des Wortes Saison-Ausverkauf als gesetzwidrig erklärt und ebenso hat die Handelkammer Bielefeld einer Firma den Gebrauch der Bezeichnung Hauptzeit-Ausverkauf untersagt, da sie den gesetzlichen Vorschriften nicht entspricht. Das Gesetz verknüpft mit dem Begriff Saison-Ausverkauf bestimmte Freiheiten von sonst für Ausverkäufe vorgeschriebenen Erschwerungen, gestattet diese aber nur, wenn diese Ausverkäufe als Saison-Ausverkauf angekündigt werden. Es ist daher allen Geschäftsleuten zu raten, sich auf den Boden des Gesetzes zu stellen, da sie sonst Gefahr laufen, wegen unlauteren Wettbewerbes bestraft zu werden.
Wir bekommen bald auch Kriegs-Seife, übet welche die Hausfrau sich ebenso leicht hinwegsetzen wird, wie über das Kriegs-Brot. Sie darf eben nicht vergessen, daß sie im Kriege nicht dasselbe von der Seife verlangen darf, wie im Frieden. Die Seife muß weicher werden als früher. Sie kann auch nicht mehr die gewohnte schöne Farbe haben. Sie wird auch teurer werden. Die deutsche Seifenindustrie wird sich aber hier auch zu helfen wissen, wenn die deutsche Hausfrau ihre bisherigen Ansprüche an Farbe und Härte der Seife etwas zurückschraubt. Eine weichere Kernseife kann denselben Waschwert haben wie eine ganz harte. Und auf den Waschwert kommt es nur an. Trifft also die Hausfrau bei ihrer gewohnten Seife auf ein abweichendes Aussehen, so denke sie an Kriegs-Brot und Schützengräben. Dann wird sich der gute Wille, auch mit Kriegs-Seife fertig zu werden, schon von selbst einstellen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“
Dienstag, 20. Juli 1915
Seine Durchlaucht Prinz Adolf zu Schaumburg-Lippe vollendet am heutigen 20. Juli sein 56. Lebensjahr. Der Prinz befindet sich beim Stabe eine Armeekorps auf dem westlichen Kriegsschauplatz.
Zur Frage der Errichtung eines Kriegserinnerungs-Standbildes in Bonn wird uns geschrieben: Es liegt nur zu nahe, daß Stammtischler für eine Figur der „Bonna“ Stimmung zu machen versuchen. Ich mache folgenden Vorschlag: Man errichte in den Rheinanlagen unterhalb des Alten Zoll dem Dichter des unvergänglichen Liedes „Sie sollen ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein“, Nikolaus Becker, ein derartiges Denkmal in Holzbildhauerei. Becker war ein Bonner, an seinem Geburtshause (Sternstraße 64) erinnert eine Gedenktafel an ihn. Godesberg hat z. B. längst eine Straße nach ihm benannt, Bonn noch nicht. Ein würdigeres und ehrenvolleres Denkmal könnte ihm nicht gesetzt werden. Er hat am Rhein noch kein Denkmal. Um das Standbild vor Hochwasserbeschädigungen zu schützen, müßte es auf einen möglichst hohen Granitsockel gestellt werden, auf dessen Vorderseite der Anfang seines Rheinliedes eingemeißelt werden könnte.
Die Ueberführung von Leichen Gefallener vom Kriegsschauplatz in die Heimat ist bis auf weiteres eingestellt worden, weil nach einer kriegsministeriellen Bekanntmachung vom 16. d. M. die Ausgrabung von Leichen für die Monate Juli, August und September nicht mehr gestattet werden kann.
Der Sanitätshundeverein Bonn veranstaltete Samstag für Führer und Hunde einen Uebungsmarsch von etwa 32 Kilometer. Morgens um 6 Uhr gings von der Beethovenhalle, wo sich trotz der frühen Stunde schon zahlreiche Neugierigen eingefunden hatten, über Beuel, Hangelar nach Siegburg, wo grade Wochenmarkt stattfand und Führer und Hunde von der Bevölkerung aufs freudigste begrüßt wurden. Den Damen gefielen die schönen Hunden augenscheinlich vorzüglich, während die Männerwelt das mit militärischem Schneid ausgeführte Antreten und Halten der Hunde, sowie deren vorzügliche Marschrichtung lobend anerkannte. Am Ausgang Siegburgs überraschte die Frau des Sanitätshundeführers Müller aus Siegburg jeden Führer mit einer vollgepfropften Blase süßer und rauchbarer Liebesgaben. Unter den Klängen eines stolzen Marschliedes ging es weiter auf Birlinghoven zu, wo hinter dem freundlichen Dorfe an einem Wiesenbache Rast gemacht wurde. Führer und Hunde „teilten was im Beutel, war's Brot nur oder Wurst, sie löschten auch im Graben, weil sie nichts anders haben, zusammen ihren Durst“. Durch Holtorf, Küdinghoven, Limperich und Beuel gings im Gleichschritt nach Bonn zum Kaiserplatz. Ein kurzes Kommando: Abteilung halt! Front! Ausrichten! Führer und Hunde standen wir Mauern. Tretet weg! Und Führer und Hunde strebten müde und hungrig, doch frohgemut Mutters Kochtöpfen zu.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
„Fürs Militär“. Eine aus Bonn stammende Verkäuferin bestahl in einem Kölner Geschäfte fast täglich die Ladentheke, gab von dem Geld dem Dienstmädchen des Hauses einen Teil mit, und dann gingen beide in eine nahegelegene Wirtschaft und traktierten „aus Mitleid fürs Militär“, wie sie sagten, dort anwesende Soldaten. Die Diebin, die einmal bestraft ist, erhielt an der Kölner Strafkammer vier Monate, das Dienstmädchen vier Wochen Gefängnis.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
An die Bonner Marktfrauen! Täglich liest man in der Zeitung lange Artikel über die Preiszunahme für Obst und Gemüse. Uns Kriegern hier draußen ist solches kaum verständlich. Ein Urteil können wir uns, die wir fast ein Jahr die Heimat nicht gesehen, kaum erlauben. Aber das Gefühl, daß mit diesem Artikel gewuchert wird, überkommt uns doch. Wäre es da nicht richtiger, wenn Ihr den Familien, deren Söhne mit Blut und Leben mit dafür gesorgt haben, daß Ihr überhaupt noch Obst und Gemüse auf den Markt bringen könnt, durch Regeln der Preise helfen würdet, daß auch sie alle ohne Zagen dem Kriegsende entgegen sehen können. Auch Ihr Marktfrauen habt mehr oder weniger Vater, Sohn und Verwandte hier vorm Feinde, denen es, genau wie uns, nicht vergönnt ist, frisches Obst und Gemüse zu essen. Daher vergönnt diesen Genuß wenigstens denen, die für uns daheim zittern und bangen. Damit kommt Ihr nicht allein der Pflicht nach, auch andere leben zu lassen, sondern Ihr helft mit an dem großen Werke, für das wir alle kämpfen, durchhalten und durchkämpfen, für Ehre und Ruhm des Vaterlandes. Wir appellieren an das alte Ehrgefühl der Bonner Marktfrauen, daß Bonn bald allen anderen Städten vorbildlich in für jede Familie erschwinglichen Preisen vorangeht.
Im Felde, 16. Juli 1915. Mehrer Bonner Jungen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Keine Ausfuhr heimischen Obstes! In der Presse ist davon die Rede gewesen, daß fremde Händler die Obstgebiete im hessischen und im preußischen Rheingau sowie an der Bergstraße bereisen und an Obst aufkaufen, was sie nur bekommen können. Auch wurde behauptet, daß große Mengen von Obst in Schiff und Bahn nach Holland ausgeführt würden. Demgegenüber können wir, so schreibt die Voss. Ztg., aufgrund von Erkundigungen an zuständiger Stelle feststellen, daß die Ausfuhr heimischen Obstes verboten ist und daß eine Ausfuhrerlaubnis für frisches Obst unter keinen Umständen erteilt wird. Vom 1. Juli an ist auch die Ausfuhr von frischen Kirschen, die bis Ende Juni gestattet war, untersagt und gesperrt.
Deutsche Jugend, opfere deine Sparpfennige den Kriegswaisen! Mit dieser Aufschrift werden gegenwärtig Sparkarten in den Schulen von den Lehrpersonen an alle Schulkinder verteilt. Durch diese Spende sollen Mittel zur Erziehung und Ausbildung von Kriegswaisen aufgebracht werden. Das Sparen geschieht durch Erwerbung von Sparmarken im Werte von je 10 Pfg., die von den Lehrpersonen verabfolgt werden. Jede Karte enthält Raum für 10 Zehnpfennigmarken. Von der ersparten Mark werden 90 Pfennige für die Kriegswaisen verwandt. Betragen die Ersparnisse ein Mark, so erhält das betreffende Kind ein Gedenkblatt, Größe 53 mal 42 Ztm., welches die Bilder unseres Kaisers, des Kaisers von Oesterreich und der bedeutendsten Feldherren im jetzige Kriege enthält. Diese Gedenkblätter werden durch die Schule gegen Rückgabe der Karte ausgehändigt. Die Sammlung wird am 1. April 1916 abgeschlossen. Diese Jugendspende steht unter der Aufsicht der Staatsregierung. An der Spitze der Einrichtung stehen folgende Herren: Ehrenvorsitzender: Dr. Kruse, Regierungspräsident in Düsseldorf, 1. Vorsitzender: Gerdes, Kgl. Schulrat, 2. Vorsitzender und Geschäftsführer Lehrer Reimickens, Kassenwart: Rektor Valentin in Essen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Mittwoch, 21. Juli 1915
Der Bonner Wehrbund veranstaltete am verflossenen Sonntag keine gemeinsame Uebung seiner Abteilungen, um deren Mitgliedern Gelegenheit zu geben, sich auf das am nächsten Sonntage stattfindende Wetturnen vorzubereiten. Nur wer freiwillig wollte, konnte sich an den Uebungen Knien, Hinlegen und den verschiedenen Arten des Kriechens sowie dem Meldedienst beteiligen. Die Uebungsstätte war der Spielplatz an der Kölnstraße. Am kommenden Sonntag wird den jungen Wehrbündlern Gelegenheit geboten, körperliche Geschicklichkeit in den mannigfachsten Uebungen zu erproben. Außer einem Dreikampf im Werfen von Handgranaten, Hochspringen, 100-Meter.Lauf werden als Einzelwettkämpfe, Zielwerfen mit Handgranaten, Hindernislauf und als Mannschaftswettkämpfe Eilbotenlauf, Lauf über 1000 Meter, Exerzierübungen veranstaltet. An diesen Uebungen kann jeder junge Mann im Alter von 16 bis 18 Jahren teilnehmen.
Mit dem Lebensmittelwucher werden sich die Stadtverordneten in der übermorgigen Sitzung beschäftigen. Auf der Einladung zur Stadtverordnetensitzung steht als 11. Punkt die schon mitgeteilte Anfrage des Stadtverordneten Henry.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Als Ausdruck ihres vaterländischen Empfindens und der tiefen Dankbarkeit gegen unsere heldenmütigen Krieger hat Frau Justizrat Conzen den Betrag von 5000 Mark gestiftet, deren Zinsen in erster Linie als Beihülfe für Kriegsbeschädigte der Stadt Bonn ohne Unterschied der Konfession verwendet werden sollen, um sie wieder erwerbsfähig zu machen (Beihülfen zu künstlichen Gliedern oder deren Erneuerung usw.) und falls solche nicht mehr vorhanden sind, für Hülfsbedürftige, die an den Schlachten des gegenwärtigen Krieges teilgenommen haben, und falls deren keine mehr vorhanden sind, ganz allgemein für Hülfsbedürftige.
Ueber die Annahme und Anlegung der Schenkung als Sophie Conzen-Stiftung, die vom Armenrat empfohlen wird, werden die Stadtverordneten am Freitag beraten.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Dolmetscher gesucht. Das Bezirkskommando in Bonn ersucht sprachenkundige ungediente nur garnisondienstfähige Landsturmpflichtige sich sofort spätestens bis zum 21. d. M. als Dolmetscher zu melden.
Als Oberschwester ist gegenwärtig auf dem österreichischen Kriegsschauplatze eine deutsche Studentin tätig, nämlich Fräulein cand. Phil. Maria Liessem, deren Familie auch in der hiesigen Gegend wohlbekannt ist. Der Vater, ein geborener Lengsdorfer, ist Lehrer in Köln, der Großvater war über 50 Jahre Lehrer in Lengsdorf. Nachdem Fräulein Liessem ihre Studien in Köln und Bonn beendet, reiste sie wenige Tage vor Ausbruch des gegenwärtigen Krieges auch noch studienhalber nach England. Es gelang ihr, mit dem letzten unbehelligt auslaufendem Dampfer London zu verlassen und, obgleich ein französisches Schiff den Dampfer verfolgte, glücklich in ihr deutsches Vaterland zurückzukehren. Sofort stellte sie sich im Festungslazarett Metz als Krankenpflegerin dem Roten Kreuz zur Verfügung und war hier 2½ Monate tätig. Dann ging sie mit dem Feldlazarett nach Lille in Frankreich und waltete dort bis in die vorderste Feuerlinie ihres neuen edlen Berufes. Darauf wurde sie von der Leitung nach dem galizischen Kriegsschauplatze geschickt. Hier erhielt sie für ihre hervorragenden Leistungen als Krankenpflegerin die österreichische silberne Ehrenmedaille mit der Kriegsdekoration und wurde zur chirurgischen Oberschwester ernannt. Sie ist gegenwärtig noch in Galizien tätig.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Donnerstag, 22. Juli 1915
Ausstellung von Lazarett-Arbeiten. Man schreibt uns: Eine Ausstellung der Arbeiten der Verwundeten aus hiesigen Lazaretten findet vom Freitag bis Sonntag in der Fürstenstraße statt. Sie legt wiederum Zeugnis ab für den regen Eifer und das große Geschick, welches einzelne unserer Feldgrauen für die unterhaltende Beschäftigung in ihren Stunden unfreiwilliger Muße aufwenden. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Tätigkeit der Damen, welche die Anleitung zu den mannigfachen Arbeiten geben, einen günstigen Erfolg auf viele Patienten ausüben, und mancher dankbare Schüler sich gerne dieser Arbeitsstunden erinnert. Durch die Unterstützung von monatlich 200 Mark der Vaterländischen Vereine war es möglich, die privaten Anfänge in dieser Richtung auszugestalten, sowie dank der Zuwendung von Material einzelner hiesiger und auswärtiger Firmen, die vor allem Linoleum, Schnitzmesser und Stoffreste schenkten. Wer die ausgestellten Gegenstände betrachtet, wird nicht im Zweifel darüber sein, daß die Ansprüche an Material sehr vielseitig sind. Gerne nimmt unsere Sammelstelle Colmantstraße 33 auch die kleinste Gabe entgegen, und bittet alt und jung um freundliches Gedenken.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Verfügung gegen die Preistreibereien im Festungsbezirk Köln. Gegen die Preistreibereien richtet sich eine Bekanntmachung des Gouverneurs der Festung Köln, die wir in der heutigen Nummer unseres Blattes veröffentlichen. Es heißt darin, daß die Preissteigerungen zum Teil künstlich herbeigeführt worden seien, und daß gewinnsüchtige Absicht zu unlauteren Machenschaften im geschäftlichen Verkehr mit den für die Volksernährung und Unterhaltung unentbehrlichen Gegenständen geführt habe. Sowohl Produzenten als auch Händler hätten die Waren aus dem Verkehr zurückgehalten, um die Nachfrage zu erhöhen und dadurch höhere Preisangebote zu erzielen. Neben der Bestrafung, die den Preistreibern angedroht wird, soll auch deren Namen öffentlich namhaft gemacht werden.
Unsere Feldgrauen kommen! Die nur noch einige Tage in Deutschland weilende Kapelle des Res.-Inf.-Regts. 69 veranstaltet am kommenden Samstag in der Stadthalle ein Wohltätigkeitskonzert zum Besten der Hinterbliebenen gefallener Krieger. Im Interesse der guten Sache ist den Veranstaltern ein volles Haus zu wünschen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Vom Wetter. Der anhaltende Regen, welchen wir die letzte Zeit hatten, ist einer besseren Witterung gewichen und schönes trockenes Wetter mit Sonnenschein ist eingetreten. Dieses ist im Interesse der jetzt vollauf stattfindenden Kornernte mit Freuden zu begrüßen, da nun dieses zum Brotbacken unentbehrliche Nahrungsmittel gut und sicher eingebracht werden kann.
Mehr Brot für die körperlich schwer Arbeitenden. Die Reichsverteilungsstelle hat beschlossen, den Kommunalverbänden über ihren, im Verteilungsplan festgesetzten Bedarfsanteil hinaus, Mehl zu einer höheren Brotversorgung der körperlich schwer arbeitenden, erwerbstätigen Bevölkerung zu überweisen. Die Zuteilung der erhöhten Brotmenge erfolgt nur auf Antrag, sie beträgt in Bonn für jede körperlich schwer arbeitende, erwerbstätige Person ¼ eines 3 ½ pfündigen Brotes wöchentlich. Bezugsberechtigt sind männliche und weibliche Einwohner mit einem eigenen Arbeitseinkommen bis zu 3000 Mark jährlich, also insbesondere gewerbliche (industrielle) und landwirtschaftliche Arbeiter, kleine Landwirte (auch Selbstversorger), Handwerker, kleine Beamte (Eisenbahn-. Straßenbahn-, Post-, Polizei- und andere Unterbeamten), immer unter der Voraussetzung, daß sie schwere Arbeit verrichten. Mit Rücksicht auf die geringe Mehlmenge, welche die Reichsverteilungsstelle für die körperlich schwer arbeitende Bevölkerung überweist, können nur die dringendsten Anträge berücksichtigt werden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Acht Tage Zeit! will unsere Stadtbehörde in Bonn sich nehmen, um zu beraten, welche Maßregel zu ergreifen ist gegen den abscheulichen Wucher mit den allernotwendigsten Lebensmitteln. Acht Tage, von Freitag bis Freitag! Also gerade Zeit genug, um dem ekelhaften Treiben noch die Möglichkeit zu lassen, das Schäfchen wenigstens bis zum Schwanze aufs Trockene zu bringen. Wer bisher noch nicht wußte, wo er dran war, dürfte es jetzt wissen. Man möge die Entrüstung einem Bürger verzeihen, dem keine „blauen Lappen“ zur Verfügung stehen, womit eine Köchin oder ein Dienstmädchen zum Kolonial-, Delikatessen-, Butter- und Eierhändler oder zum Markt geht. Nun! Der Krug geht ..., und der Krieg besteht, und leichter trägt da, was er trägt, wer Geduld zur Bürde legt. Joh. Lamberg
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Freitag, 23. Juli 1915
Gegen das Rauchen der Jugend hat der kommandierende General des 8. Armeekorps eine Verordnung erlassen, die den Verkauf von Streichhölzern, Feuerwerkskörpern, Zigarren, Zigaretten und Tabak an Personen unter 16. Jahren verbietet. Die Verordnung gilt auch für Bonn.
Der Bonner Männer-Gesang-Verein wiederholt sein Konzert vom vorigen Sonntag übermorgen nachmittag zu volkstümlichem Eintrittspreise in der Stadthalle. Der Reinertrag dieser Veranstaltung ist auch wieder für die geplante Bonner Nagel-Figur bestimmt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Zur Lebensmittelteuerung. Man schreibt uns aus Köln, 23. Juli: In der gestrigen Stadtverordnetensitzung beantwortete Oberbürgermeister Wallraf zwei Fragen betreffend die Lebensmittelteuerung und ihre Ursachen und die Gegenmaßnahmen der Stadt:
Eine Regelung der Preisfragen, soweit sie im Rahmen der Möglichkeit liegt, werde nunmehr von den Zentralstellen des Reiches tatsächlich ins Auge gefaßt. Durchgreifendes auf dem Gebiete könne nur von einer Zentralstelle für das ganze Reich geschehen; das Vorgehen der Gemeinden bleibe stets nur Stückwerk. Die Vorschriften der Zentralstelle gegen Lebensmittelwucher sollten schärfer gefaßt und dadurch wirksamer gemacht werden. Daneben scheine eine Preisregelung in weitem Maße geplant zu sein. Die Getreide- und Mehlpreise sollen keine Preissteigerung erfahren. Die Stadt Köln wird, um in der Fleischpreisfrage weiterhin preisdrückend wirken zu können, die jetzt zum Verkauf gelangten Städtischen Fleischbestände fortdauern ergänzen. Um gegen die Preisteuerung von Obst und Gemüse vorzugehen, wird die Stadt von Freitag ab Gemüse und Obst auf den Märkten und in besonderen Verkaufsstellen zum Verkauf bringen. Die Stadt hat ferner Abschlüsse zur Bestellung von 1000 Morgen Land mit Gemüse gemacht, Bezüglich der Milchpreisfrage konnte von Beig. Adenauer mitgeteilt werden, daß für Köln der Milchpreis von 26 Pfg. vorläufig im Handel bestehen bleibt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Straßenbenennungen. Man sollte die verlängerte Schumannstraße Brahmsstraße nennen und das Baumschulenwäldchen Hindenburg-Park. Das entspräche der Bedeutung Hindenburgs. A.F.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Freie Bahnfahrt für sämtliche Heimaturlauber. Amtlich. Bisher wurden nur der zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit und zur Frühjahresbestellung und Ernte in die Heimat beurlaubten Mannschaften freie Eisenbahnfahrt gewährt. Nunmehr ist für sämtliche Mannschaften bei Heimaturlaub während des Krieges frei Eisenbahnfahrt bewilligt worden.
Liebesgaben für die Karpathenarmee. Die Liebesgabenspenden für die Karpathenarmee sind außerordentlich reichlich geflossen und der Opfersinn der Bonner hat sich erneut in hervorragendem Maße betätigt, sodaß allen Gebern herzlicher Dank gesagt werden muß. Im Einverständnis mit dem K. u. K. österreichisch-ungarischen Etappenkommando sind nun 2 vollgefüllte Eisenbahnwagen unter Leitung der Herren Krantz und Bankdirektor Weber abgegangen. Die Wagen werden über Wien, Budapest nach Stryl und von dort zur Front geführt. Der Inhalt der Wagen ist ein sehr reichlicher und wertvoller. Für 1000 Mann sind Hemden, Unterhosen, Strümpfe, Fußlappen, Taschetücher und Handtücher mitgesandt, dann große Mengen Chokolade, Konserven, Läusepulver, Bürsten, Seife, Spielkarten, Kerzen, Nähzeug, Streichhölzer, Bücher, 40.000 Zigarren und Zigaretten, Tabak, Pfeifen, Wein, Zitronensäfte, 10.000 Flaschen Mineralwasser, Schinken, Dauerwurst, Zucker und Salz und schließlich noch 450 Liebespakete, die in liebevoller Weise von der Bürgerschaft für diese Zwecke zur Verfügung gestellt wurden. Sicher wird diese Sendung große Freude bei den tapferen Truppen hervorrufen, die nun schon im monatelangen, heißen Ringen um die Ehre unseres Vaterlandes stehen, und mancher stille Dank wird von dort zu den Ufern des Rheines nach unserem schönen Bonn kommen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Samstag, 24. Juli 1915
Der Bonner Männer-Gesangverein hat zu seinem Konzert am morgigen Sonntag auch die verwundeten Soldaten der hiesigen Lazarette eingeladen und für sie besondere Plätze im Mittelsaal reserviert. Das Konzert beginnt um 4¾ Uhr.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Arbeiten von Verwundeten. Wir machen nochmals auf die Arbeiten von Verwundeten der hiesigen Lazarette aufmerksam, die die geschickten Erzeugnisse ihres Fleißes im Geschäftslokal Fürstenstraße 4 zum Verkauf ausgestellt haben.
Ernte der Frühkartoffeln. Man schreibt uns vom Lande: Der starke Anbau von Frühkartoffeln macht sich jetzt in einer stark gesteigerten Anfuhr auf dem Kartoffelmarkte geltend. Nun hat aber das Erscheinen dieser Frühkartoffeln viele Privatleute, die im Frühjahr auf irgend einem Stück Pachtland auch Kartoffeln pflanzten, veranlaßt, auch ihrerseits mit der Kartoffelernte zu beginnen, um nicht die verhältnismäßig hohen Marktpreise zahlen zu müssen. In ihrem Interesse liegt es nicht, wenn es sich um wirkliche Frühkartoffeln handelt. Die nicht vorgetriebenen Kartoffeln bedürfen noch längerer Zeit bis zur Ernte. Man soll damit nicht eher beginnen, bis das Laub welk und trocken wird, sonst erhält man nur kleine, unreife und ungesunde Knollen, die sich aber nach drei Wochen schon so entwickelt hätten, daß sie das Doppelte und Dreifache im Ertrage geben würden.
Ueber 15 Jahre alte Ausländer müssen sich nach einer Bekanntmachung des stellvertretenden Generalkommandos in der heutigen Nummer unseres Blattes binnen 8 Stunden nach ihrer Ankunft am Aufenthaltsort bei der Ortspolizeibehörde anmelden. Jeder, der einen Ausländer aufnimmt, hat sich zu vergewissern, ob auch die Anmeldung bewirkt worden ist.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Auch die Kaiser-Friedrich-Goldstücke zur Reichsbank! Im Publikum werden vielfach Goldstücke mit dem Bildnis des Kaisers Friedrich zurückgehalten, weil sie zum Andenken an den großen Dulder verwahrt werden. Auch diese Goldstücke müssen der Reichsbank aus den schon oft dargelegten Gründen zugeführt werden. Um den Besitzern die Trennung davon zu erleichtern, sind die Reichsbankstellen angewiesen worden, Goldmünzen seltenerer Prägung (hierfür werden wohl vornehmlich solche mit der Jahreszahl 1888 in Frage kommen) unter Verpflichtung der Rückgabe gleichartiger Stücke im Umtausch gegen Papiergeld innerhalb 12 Monaten nach Friedensschluß gegen Empfangsbestätigung anzunehmen. Aufgrund dieser Verfügung darf angenommen werden, daß aus den „Sparstrümpfen“ nunmehr auch diese Goldmünzen zur Reichsbank wandern, da der Besitz eines solchen Goldstückes nach dem Kriege gesichert ist.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Sonntag, 25. Juli 1915
Eine Vereinfachung der Wirtshauskost ist auch in Bonn von der Stadtverwaltung mit Vertretern des Wirtsgewerbes vereinbart worden. Danach dürfen feste Mittagessen nur zwischen 12 und 2 Uhr abgegeben werden. Es muß ein kleines Gedeck aus Suppe und einem Gang gegeben werden, daneben darf ein größeres Gedeck, das außer Suppe höchstens zwei Gänge, aber nur einen Fleischgang, enthält, angeboten werden. Der Nachtisch fällt fort. Feste Abendessen dürfen nicht mehr verabreicht werden. In die Tageskarten sollen möglichst auch halbe Gerichte zu entsprechend niedrigeren Preisen aufgenommen werden. Die Tageskarten sollen mehr Gemüse, Salat, Obst, und Mehlspeisen, aber nur höchstens zwölf Fleischgerichte anbieten. An Stelle des gebratenen soll mehr gekochtes Fleisch verwendet werden. Die Gemüsekost ist in den Vordergrund zu stellen, der Kartoffelverbrauch dagegen auf das Geringstmaß zu beschränken. Diese Bestimmungen treten am 1. August in Kraft. (...)
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Ein Elternnachmittag im „Mädchenhort“ vereinigte am Sonntag die Angehörigen seiner Schützlinge – von den Vätern war freilich ein Feldgrauer auf Urlaub erschienen – zu einigen angeregten und trotz der ernsten Zeit fröhlichen Stunden. Dem gemeinsamen Kaffeetrinken folgte ein fesselnder klarer Vortrag über die Lage auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen an Hand der Karten, der Alt und Jung gleichermaßen im Bann hielt. Patriotische Chöre der Kinder, darunter das mit besonderer Begeisterung gesungene Hindenburglied, folgten den verschiedenen Abschnitten. Dann zog die ganze Gesellschaft in das schöne Gartenland des Mädchenhorts, wo die Kinder voll Stolz ihren Müttern die eigenen kleinen Beete zeigten und die großen Kartoffel- und Gemüsepflanzungen, die in diesem Kriegsjahr einen breiteren Raum als gewöhnlich einnehmen, gebührend bewundert wurden. Mit einigen Reigenaufführungen der Kinder fand das Zusammensein seinen Abschluß. – Große Freude und Beruhigung erregte es unter den Müttern, als ihnen mitgeteilt wurde, daß auch während der großen Ferien der Hortbetrieb vor- und nachmittags im Gartenland beibehalten werden sollte. Trotz den ziemlich bedeutenden Kosten hat sich der Verein zu dieser Maßregel entschlossen, da es ja für die arbeitenden Mütter keine Ferien gibt, die Kinder also noch mehr als während der Schulzeit auf die Straße angewiesen wären. Zudem hofft man, durch den täglichen Aufenthalt in Sonne und frischer Luft und das Verabreichen von Milch den Gesundheitszustand auf befriedigender Höhe zu erhalten. Da die finanziellen Kräfte des Mädchenhortes durch die außerordentliche Erweiterung des Betriebes seit Kriegsbeginn ziemlich erschöpft sind, hat sich die dem Verein angeschlossene „Bonner Ferienkolonie“ bereit erklärt, die Mittel für den Ferienbetrieb zur Verfügung zu stellen. Beide Vereine hoffen aber gern, daß sich unter unsern opferwilligen Mitbürgern auch solche finden, die für diese Kriegshülfe – den siegreich heimkehrenden Vätern gesunde, kräftige Kinder zu übergeben – bereitwillig ihr Scherflein beitragen. Spenden, kleine und große, nehmen die Vorsitzenden des Mädchenhortes und der Bonner Ferienkolonie, Frau Geheimrat Landsberg, Humboldtstraße 14, und Frl. Anni Trompetter, Mozartstraße 22, gern entgegen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Vaterländischen Festspiele, die in Bonn zu einem jedes Jahr gefeierten Volksfeste geworden waren, können dieses Jahr, da fast alle Mitglieder der Turn- und Sportvereine im Felde stehen, nicht stattfinden. Statt dessen werden, den Zeitumständen entsprechend, vom Bonner Wehrbunde am heutigen Sonntag, nachmittags ½ 4 Uhr, auf der Gronauwiese Wettkämpfe abgehalten werden, die im Unterschiede von den früheren Festspielen einen kriegsmäßigen Charakter tragen sollen. So wird außer verschiedenen Arten von Laufen und Springen mit Gepäck, das Werfen von Handgranaten und Exerzieren gezeigt werden. Am Schluß werden als Preise Kränze verteilt. Alle Freunde der Wehrbarmachung unserer deutschen Jugend werden zu dieser Veranstaltung herzlichst eingeladen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Montag , 26. Juli 1915
Lebensmittelpreise und Kleinhandel. Im Landesausschuß Rheinland und Westfalen des Reichsdeutschen Mittelstandsverbandes fand eine Sitzung statt, die sich eingehend mit den Lebensmittelpreisen befaßte. Das Bestreben, energische Maßnahmen gegen Lebensmittel-Wucher zu ergreifen, findet im gesamten Mittelstande und insbesondere im Lebensmittelkleinhandel, der vornehmlich unter diesen Mißständen zu leiden hat, ungeteilten Beifall. Es wurde beschlossen, sich den Behörden zur Hilfeleistung bei der Durchführung geeigneter Maßnahmen zur Verfügung zu stellen und ein Arbeitsausschuß mit weitgehenden Vollmachten eingesetzt.
Das gestrige Konzert des Bonner Männer-Gesang-Vereins in der Stadthalle hatte wieder einen großen Erfolg. Von den Chören fand vor allem „Der Deutschen Kriegslied 1914“ von Sauer so starken Beifall, daß ein Teil des Kriegsliedes wiederholt wurde. Auch der Solist, Herr Tasche, mußte sich zu einigen Zugaben verstehen. Der Verein hatte zu dem Konzert auch etwa 300 Verwundete aus hiesigen Lazaretten eingeladen und sie mit Getränken und Zigarren bewirten lassen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Preisverzeichnisse im Kleinhandel. Der Gouverneur der Festung Köln macht in der heutigen Nummer unseres Blattes bekannt, daß Kleinhändler in Fleisch, Fleischwaren, Fettwaren, Butter, Schmalz, Speisefetten, Eiern, frischem Gemüse, frischen Hülsenfrüchten, frischem Obst und Kartoffeln die Preise dieser Gegenstände in ein Verzeichnis einzutragen haben. Das Verzeichnis ist in einer für jedne Käufer deutlich erkennbaren Weise und zwar innerhalb des Verkaufsraumes und außerhalb des selben an der Tür oder dem Fenster durch Anschlag bekannt zu machen. Als Verkaufsstellen im Sinne dieser Verordnung gelten auch die Verkaufsstände an den Wochenmärkten, in den Markthallen und im Straßenhandel. Diese Verordnung soll die übertriebenen Preisforderungen im Kleinhandel verhindern. Bis zum 28. ds. Mts. müssen diese Preisverzeichnisse zum Aushang gebracht sein.
Unfall. Gestern nachmittag fiel in der Nähe der Gronau ein Knabe von einem Geländer, auf dem er herumkletterte, und brach den linken Arm. Ein Vorübergehender legte dem Jungen einen Notverband an und schickte ihn zum Arzt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Gegen die Vorkäufer auf dem Wochenmarkt ist man jetzt allgemein erbost. Warum sind denn so viele Vorkäufer? Die Landwirte haben keine Leute, um ihre Arbeit machen zu lassen und beeilen sich, morgens früh vom Markt nach Hause zu kommen, um ihre Arbeiten auf dem Felde ausführen zu können. Da sind sie froh, wenn die Vorkäufer ihnen die Sachen abkaufen, und die wollen doch auch leben. Ferner bedenkt man nicht, was die Vorkäufer auf dem Markt für die Lazarette und die einzelnen Verwundeten alles schon gegeben haben und noch täglich geben. Das muß doch auch berücksichtigt werden. Eine Vorkäuferin.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Zusatzbrotkarten im Landkreise Bonn. In der heutigen Nummer unseres Blattes veröffentlicht Landrat v. Nell eine Bekanntmachung über die Regelung des Mehl- und Brotverbrauchs im Landkreise Bonn. Danach erhält auf Antrag jeder über 12 Jahre alte Einwohner mit einem eigen. Arbeitseinkommen bis 2500 M., der in der Landwirtschaft oder in der Industrie beschäftigt ist, eine Zusatzbrotkarte über höchstens 350 Gramm Mehl für die Woche.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Dienstag , 27. Juli 1915
Die Gemeinnützige Schreibstube des Vereins zur Beschäftigung Arbeitsloser (Münsterstraße 28, Fernsprecher 2723) kann zurzeit die vielen Arbeit suchenden Stellenlosen nicht voll beschäftigen, da es ihr an Aufträgen mangelt. Die Leitung bittet daher, den gemeinnützigen Zweck des Unternehmens durch Zuweisung von Aufträgen (Massenadressen, Abschriften, Vervielfältigungen usw.) und durch Inanspruchnahme ihrer Stellenvermittlung zu fördern.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Den Arbeiten der Verwundeten, die seit einigen Tagen in der Fürstenstraße zum Verkauf ausgestellt sind, wird vonseiten der Bürgerschaft großes Interesse entgegengebracht. Zeitweilig war das Lokal von Schaulustigen dicht gefüllt, die – was die Hauptsache ist – auch fleißig Einkäufe machten. Wie wir noch ergänzend mitteilen wollen, hat die Leitung der Bonner Betonfabrik an der Kölnstraße die Materialien für die prächtigen Terrazzoarbeiten den Verwundeten unentgeltlich abgegeben und auch die Soldaten in den eigenen Arbeitsräumen in jeder Weise bei der Arbeit unterstützt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Petroleumpreise. Bis vor kurzem konnte man an vielen Schaufenstern Reklameschilder mit der Aufschrift lesen: Petroleum in jedem Quantum zu haben, Liter 75 Pfg. oder auch 80 Pfg. Seit dem 15. Juli sind nun Höchstpreise von 32 Pfg. für das Liter Petroleum festgesetzt worden. Aber man kann nirgendwo welches erhalten. Die Geschäftsleute sagen, wir haben keines. Sollte wirklich die eingetroffene Menge so rasch verbraucht sein? Eine Hausfrau.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Die Prozession der St. Matthias-Bruderschaft, die wie alljährlich, am verflossenen Sonntag zur Verehrung des hl. Apollinarius von Bonn nach Remagen zog, war wiederum so recht ein Bild religiöser Gesinnung und religiösen Geistes unserer katholischen Mitbürger. Nahezu 1000 Pilger zogen um 3 Uhr morgens, nachdem eine Anzahl in der Münsterkirche die hl. Kommunion emfpangen hatten, aus. Bei der hl. Messe in Mehlem war die Beteiligung am Empfange der hl. Kommunion eine außerordentlich rege. Nachmittags gegen 5 Uhr kehrte die Prozession mit einem Sonderdampfer wieder nach Bonn zurück.
Wohltätigkeitskonzert der 69er Infanterie-Kapelle. Am Samstag abend hatte sich die Kapelle des Reserve-Infanterie-Regiments Nr. 69 zu einem Konzert hier eingefunden, dessen Ertrag zum Besten der Hinterbliebenen gefallener Krieger bestimmt war. Leider war die Stadthalle nur schwach besetzt. Die guten Darbietungen hätten besseren Besuch verdient gehabt. Militärmärsche, Ouvertüren aus Opern von Flotow, C. M. v. Weber, Wagner und Mozart wechselten in angenehmer Reihenfolge ab. Man freute sich wieder einmal ein schönes Militärkonzert zu hören und die Besucher brachten den Soldaten und ihrem Führer Musikmeister Blum lebhaften Beifall dar.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Mittwoch , 28. Juli 1915
Die vaterländischen Festspiele, die in früheren Jahren unsere sportgewandte Jugend an einem Sonntage des Julis zur Betätigung ihrer körperlichen Rüstigkeit auf der Wiese der Gronau vereinte, mußten in diesem Kriegsjahre ausfallen. Die Jünglinge und Männer, die da liefen und sprangen, den Fußball traten, Gewichte hoben, das Rad in gewagten Kurven lenkten, ruderten und schwammen, stehen im Felde, um im ernsten Kampfe zu erproben, wozu sie im friedlichen Wettstreite sich vorbereitet hatten. An die Stelle der Festspiele trat am verflossenen Sonntag der Wettkampf in kriegerischen Uebungen, den der Bonner Wehrbund für seine Mitglieder veranstaltet hatte. Alle Uebungen fanden nicht im Sportanzuge, sondern in der gewohnten Straßenkleidung mit Rucksackbelastung statt. Zu einem Dreikampfe vereinigt waren der Hochsprung, der 100-Meter-Lauf und der Wurf von gefüllten Konservenbüchsen, die im Felde als Handgranaten auch ihre Verwendung finden. Es galt im Einzelkampfe über Hürden zu springen, mit Kriechen unter einer Leiter sich fortzubewegen, einen 5 Meter langen Drahtverhau zu überwinden und mit sicherem Wurf eine Kavallerie-Handgranate in einen 1 ½ Meter breiten Schützengraben zu werfen. Als Abteilungskämpfe waren Eilbotenlauf über 400 Meter, 1000-Meter-Lauf und Exerzieren bestimmt. (...) Der Verlauf der Veranstaltung bewies, daß unter den Mitgliedern des Wehrbundes einem vaterländischen Zwecke entsprechend ein guter Geist herrscht.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Stillbescheinigungen für Wöchnerinnen im Landkreise Bonn. Die im Interesse von Mutter und Kind eingeführte Stillunterstützung soll die Mütter anregen, ihre Stillpflicht pünktlich und gewissenhaft zu erfüllen; gerade in der Sommerzeit ist dies für die Erhaltung des Kindes von besonderer Bedeutung. Das Stillgeld soll den Müttern aber auch unverkürzt zukommen, für die Ausfertigung des Stillscheines dürfen irgend welche Abgaben nicht erhoben werden. Die Mütter wollen sich dieserhalb möglichst an die nächste Mütterberatungsstelle wenden.
Die Unternehmer landwirtschaftlicher Betriebe, welche Selbstversorgung mit Getreide und Mehl beanspruchen, haben dieses bis zum 30. d. M. einschl. anzuzeigen und dabei die Durchführbarkeit durch Angabe der Zahl der zur Wirtschaft gehörenden und für die Selbstversorgung in Betracht kommenden Personen, sowie durch Angabe der für die Zeit der Selbstversorgung verfügbaren Vorräte an Getreide bezw. Mehl nachzuweisen. Anträge werden im städtischen Mehlamt, Am Hof 1 entgegengenommen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Rheinfahrt verwundeter Krieger. In sinniger Weise feierte gestern die Verbindung studierender Frauen „Hilaritas“ ihr Stiftungsfest. Sie hatte eine Anzahl Verwundeter zu einer Fahrt nach der Rheininsel Grafenwerth eingeladen und bewirtete sie an blumengeschmückter Tafel mit Kaffee und einem Abendimbiß. Patriotische Lieder und Reden, ein Spaziergang auf der einzig schön gelegenen Insel verkürzten die Zeit. Eine wohlgelungene Gruppenaufnahme und die von dem Inselpächter gestifteten Ansichtskarten dürften unseren tapferen Soldaten eine angenehme Erinnerung an die schöne Rheinfahrt mit Bonner Studentinnen sein.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Donnerstag , 29. Juli 1915
Auf dem Markte mußten gestern zum erstenmal die vom Guvernör der Festung Köln vorgeschriebenen Preisverzeichnisse auf den Verkaufsständen aufliegen oder angebracht sein. Die Verkäufer und besonders die Verkäuferinnen kamen der neuen Vorschrift teilweise nur unwillig nach, dann nahmen sie die Sache aber humoristisch und belachten gegenseitig ihre „Preisverzeichnisse“, die das verschiedenartigste Aussehen hatten. Man sah Schiefertafeln, gerade oder auch schief geschnittene Pappstücke, oft auch nur ein Notizbuchblatt, und in den Aufschriften waren Verstöße gegen die Rechtschreibung nicht gerade selten. Die angegebenen Preise sind natürlich Höchstpreise, „gehandelt“ wird nach wie vor, das bisher vielfach übliche Verfahren, von scheinbar „besseren“ Kauflustigen höhere als die üblichen Preise zu fordern, wird durch die Preisverzeichnisse aber sehr eingeschränkt. Auch an und in den Ladengeschäften, in denen Fleisch- und Fettwaren, Eier, Gemüse, Obst und Kartoffeln verkauft werden, müssen seit gestern Preisverzeichnisse angebracht sein, ebenso müssen die Straßenhändler mit Gemüse, Obst usw. solche Verzeichnisse führen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Reiche Frühkartoffelernte. Aus Beuel wird uns geschrieben: Gestern habe ich einen Strauch Frühkartoffeln ausgehackt, woran sich stark fünf Pfund Kartoffeln befanden. Die meisten Sträucher haben bis 4 ½ Pfund. Ich pflanze jetzt schon im 30. Jahr Kartoffeln, aber bis jetzt habe ich eine solche Ernte von Frühkartoffeln noch nicht gehabt. Dabei sind sie gesund und wohlschmeckend. (Wir wünschen allen Kartoffelbauern ein solches Ergebnis und den Verbrauchern einen dieser Ernte entsprechenden Kartoffelpreis. Red.)
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Neuer Katholischer Studentinnen-Verein. An der Universität Bonn hat sich aus den Reihen des katholischen Studentinnenvereins „Hrotsvit“ ein neuer, selbständiger, katholischer, deutscher Studentinnenverein gebildet. Die Gründung eines neuen Vereins war bei der großen Mitgliederzahl der „Hrotsvit“ (über 60) ein dringendes Bedürfnis. Der neue Verein führt den Namen „Hochwart“ und den Wahlspruch „Wahrheit, Deutschtum, Freude.“ Er erstrebt bei seinen Mitgliedern religiöse Vertiefung und wissenschaftliche Förderung und eine innige Verbindung von Wissenschaft und Leben. Zu diesem Zwecke finden alle 14 Tage Vorträge mit anschließender Besprechung statt, hauptsächlich über Themen mit philosophisch, ethischem Inhalt. (...) Staatsbürgerliche und soziale Schulung der Mitglieder soll durch Vorträge aus diesem Gebiet und rege Beteiligung an sozialen Bestrebungen erreicht werden. Wahl und Maß dieser Beteiligung bleibt den einzelnen überlassen. – Wahre Freude und edle Geselligkeit suchen wir zu pflegen durch Wanderungen in die Natur und durch Kunstabende, die jede zweite Woche stattfinden und unter einheitlichem Gesichtspunkt mit Zuhilfenahme von Instrumental- und Vokalmusik, Vorlesen, Vortrag, Betrachten von Bildern usw. zu einem einheitlichen Ganzen gestaltet werden. Durch Teilnahme an sozialen Bestrebungen und dadurch, daß an den Vortrags- und Kunstabenden auf die Auswirkungen deutscher Wissenschaft und Kunst besonderes Gewicht gelegt wird, glauben wir, daß das Wort Deutschtum, das wir in unsern Wahlspruch aufgenommen haben, uns nicht ein bloßes Wort sein wird.
Unfall. In der Sternstraße fiel gestern vormittag beim Fensterputzen ein junger Mann in eine Spiegelscheibe, welche entzwei ging. Der junge Mann wurde nicht unerheblich verletzt und mußte ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Freitag , 30. Juli 1915
Die Aenderungen der Marktordnung, die von der letzten Stadtverordnetenversammlung beschlossen worden sind, treten nächsten Montag in Kraft. Von Montag ab bleibt der südliche Teil des Marktes vor dem Rathause solchen Verkäufern vorbehalten, die nur Erzeugnisse aus eigenen Wirtschaftsbetrieben feilbieten, während die Händler und Verkäufer auf den nördlichen Teil des Marktes (nach der Sternstraße hin) verwiesen werden. Beide Teile sollen durch eine Absperrung voneinander abgegrenzt werden. Außerdem wird der Marktverkehr auch an den Dienstag- und Freitag-Nachmittagen freigegeben, es dürfen dann jedoch nur Erzeugnisse aus eigenen Betrieben feilgeboten werden. Standgeld wird an den Nachmittagen nicht erhoben.
Dank- und Bittgottesdienste sind für nächsten Sonntag, den Jahrestag des Kriegsbeginn, von den evangelischen und katholischen Kirchenbehörden angeordnet worden. Der Evangelische Oberkirchenrat weist in seiner Verfügung an die Konsistorien darauf hin, daß die Gemeinden dem Dank für die bisherige Hilfe Gottes und der Bitte um seinen ferneren Beistand dadurch Ausdruck geben möchten, daß sie ihre Opfergaben zur Linderung der in den Gemeinden entstandenen Kriegsnöte darbringen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Freikarten für Verwundete auf der Straßenbahn. Wiederholt sind wir von unserem Leserkreise ersucht worden, dafür einzutreten, daß den Verwundeten unserer Stadt freie Straßenbahnfahrt gewährt werde. Wie uns die Direktion der Straßenbahnen der Stadt Bonn mitteilt, sind dem Herrn Lazarettdirektor eine große Anzahl Freikarten zur Verfügung gestellt worden, die von diesem auf die einzelnen Lazarette verteilt worden sind.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Bänke an den Haltestellen der Elektrischen. Die durch die neuen Bänke an einzelnen Haltestellen gewährte Bequemlichkeit, veranlaßt die Bitte um ihre Vermehrung. Der Vorschlag, die lange Coblenzerstraße damit zu bedenken, ist sicher Jedem hochwillkommen. P.M.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Auf dem Markte müssen jetzt die vom Gouverneur der Festung Köln vorgeschriebenen Preisverzeichnisse an den Verkaufsständen angebracht sein. Die Verkäufer und Verkäuferinnen kamen der neuen Vorschrift teilweise nur ungern nach, meist wohl, weil sich eine Anbringung zu umständlich gestaltet. Man sieht daher Schiefertafeln, Pappstücke, oft auch nur Notizbuchblätter als Preisverzeichnisse figurieren und findet dabei nicht nur Gelegenheit, die Höchtspreise, – denn nur diese werden angegeben –, zu studieren, sondern auch die Rechtschreibefähigkeit der Marktfrauen. Auf die Preisgestaltung selbst dürfte die Einrichtung keinen Einfluß ausüben. Sie erspart das Nachfragen nach den Preisen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Samstag, 31. Juli 1915
Opfertag. Man schreibt uns: Der Jahrestag der Mobilmachung, der 1. August, soll auch hier in Bonn dadurch hervorgehoben werden, daß er zu einem besonderen Opfertag gestaltet wird. Die Vaterländischen Vereinigungen werden daher am Sonntag, den 1. August, und am Montag, den 2. August, eine Haus- und Straßensammlung durch ihre bewährten Helferinnen, die mit amtlichen Ausweiskarten versehen sind, ausführen lassen und bei dieser Gelegenheit auch Postkarten und die Vaterländischen Abzeichen verkaufen. Die Sammlungen sind durch den Herrn Oberpräsidenten der Rheinprovinz genehmigt. Die Aufgaben, die unseren Vaterländischen Vereinigungen gestellt werden, wachsen mit der Kriegsdauer von Tag zu Tag und erfordern große Summen. Wir hoffen daher, daß auch den weiteren Bestrebungen der Bonner Kriegsfürsorge überall mit freudigem Herzen und mit offener Hand entgegengetreten wird. Vor allen Dingen bitten wir, die Helferinnen in ihrem oft recht schwierigen Amt durch Rat und Tat zu unterstützen. Es ist auch Ehrenpflicht aller Bonner Bürger und Bürgerinnen, an diesem bedeutungsvollen Tage die Vaterländischen Abzeichen, die als Kunststücke weit und breit bereits großen Ruf genießen, anzulegen und dadurch zu zeigen, daß sie daheim mit unseren braven Truppen fühlen.
In der Synagoge wird heute zum Jahrestage des Kriegsbeginns ein Dank- und Bittgottesdienst mit Predigt abgehalten.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Auf sein Brotbuch hatte ein Invalide, dessen Tochter gestorben war, das für die Tochter zustehende Brot weiter bezogen. Das Amtsgericht hatte ihn dafür in eine Geldstrafe von 10 Mark genommen. Auf seinen Einspruch hin ermäßigte das Schöffengericht gestern die Strafe auf 3 Mark.
Bonner Wochenmarkt. Auf dem gestrigen Wochenmarkt waren viele Artikel im Preise heruntergegangen oder unverändert, aber nicht gestiegen. Bei großem Angebot fand die Ware aber nicht den gewünschten Absatz. In letzter Zeit klagen die Verkäufer im allgemeinen über schlechten Absatz ihrer Waren. Es mag dies eine natürliche Folge der teils zu hohen Preise sein. Vielleicht haben sich auch viele Familien geeinigt, unter keinen Umständen mehr Waren zu ungebührend hohen Preisen zu kaufen. An allen Verkaufsständen ist jetzt eine Tafel mit einem Preisverzeichnis der zu verkaufenden Waren aufgestellt, wodurch das Fragen nach den Preisen im allgemeinen fortfällt und der Verkehr auf dem Markt viel ruhiger geworden ist. (...)
Auf dem Großmarkt auf dem Stiftsplatz war wieder großes Angebot und fanden die Waren flotten Absatz. Die Preise waren hier im Verhältnis dieselben wie auf dem Wochenmarkt. (...)
Das außerordentliche Kriegsgericht verhandelte gestern gegen mehrere junge Leute aus der Umgebung wegen der Anklage in verbotener Weise Waffen getragen zu haben. Drei von ihnen wurden zu je 1 Tag Gefängnis verurteilt, während zwei noch jugendliche Angeklagte mit einem Verweis davon kamen. Drei russische Erntearbeiter waren verbotswidrig im Kreise Rheinbach aus einer Bürgermeisterei in eine andere verzogen. Das außerordentliche Kriegsgericht verurteilte sie zu Gefängnisstrafen von 14 Tagen, 1 Woche und 1 Tag. An einem verbotenen Tage hatte ein Geschäftsfräulein aus Godesberg Schnaps verkauft. Sie wurde deshalb zu einem Tag Gefängnis verurteilt. Der Geschäftsinhaber konnte nachweisen, daß er dem Fräulein die erforderlichen Anweisungen erteilt hatte und wurde deshalb freigesprochen. (...)
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Unter Strom gesetzt wird am 2. August die Oberleitung der Neubaustrecke der städtischen Straßenbahnen nach dem Stadtteil Dottendorf, von der Bergstraße bis zum Endpunkt an der Junkerstraße.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Wenn der arme Mann, der sich über die Teuerung des Gemüses auf dem Markte so sehr beklagt, nur mal morgens oder vormittags auf den Stiftsmarkt ginge, so könnte er oft vieles Gemüse, was och ganz gut zu gebrauchen ist, unentgeltlich bekommen, was manchmal rumliegt; außerdem kann man oft für 10 Pfg. für eine ganze Familie eine Mahlzeit zu kochen, kaufen. Es ist zwar kein Pfund Fett und Zubehör, auch keine 2 Pfund Wurst dabei. Wäre nichts teurer, als das Gemüse, brauchte man sich auch gar nicht zu beklagen. Was die Runkelrübenblätter anbetrifft, sind die ein sehr gutes Gemüse und ersetzt den Spinat. Wenn der arme Mann das noch nicht weiß, wäre es besser, sich in solche Sachen nicht zu mischen, jede vernünftige Hausfrau weiß das. Die Schweine bekommen auch Brot-und Fleischabfälle, mögen auch Bier, ob Schnaps, weiß ich nicht. Wenn die Landleute sich ihre Mühe und Arbeit mit einem solch hohen Lohne, wie man jetzt den Arbeitern bezahlen muß, die den Tag 4 bis 5 Mark bezahlt erhalten, und nur ein paar Stunden arbeiten, vielleicht 10 oder 11 Stunden, und jeder Tag hat 24 Stunden, berechneten, würden sie viel höhere Preise bezeihen müssen. Die Landleute arbeiten von morgens 4 Uhr bis abends so lange sie sehen können und erhalten ihre Mühe und Arbeit nie vergütet. Bekämen sie den Tag 4 bis 5 Mark Lohn oder solche hohes Monatsgehalt, wie die Städter, würden sie sich freuen. Ich habe noch nie gesehen, daß Jemand auf dem Lande so schnell reich wurde, wie in der Stadt, da kenne ich eine Unmenge Leute mit den hohen Gehältern oder Geschäften, die zufällig gut gingen, daß sie rasch vermögend wurden. Wenn die Landleute von Haus aus nicht vermögend sind, so bleiben sie in der Regel arm, trotz der sauren Arbeit. Wenn der arme Mann, der jedenfalls doch auch einen guten Lohn bezieht, mit demselben so sparsam umgeht, wie die Landleute mit ihren Pfennigen, so kann er bequem Gemüse satt kaufen und wäre auch längst kein armer Mann mehr.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Lebensmittelwucher.
(...) Wir haben hier in Bonn eine vielleicht weniger große Not, als manche Großstadt. Aber hier hungert das Proletarierkind genau wie dort und wenn einem die große Not aus den hohlen Kinderaugen in den schmalen, blassen Gesichtern anschaut, dann ist man wirklich ratlos, wie hier durchgreifend geholfen werden kann. Der Einzelne ist nicht mehr imstande dazu. Hier muß ganz energisch vorgegangen, dem Lebensmittelwucher ganz gründlich ein Ende gemacht werden. Wie sollen unsere Feldgrauen vor dem Feinde bestehen, wenn sie ihre Lieben zu Hause hungernd und darbend wissen! Einer schrieb mir, er fürchte nicht den Feind, der vor ihm hinträte; aber der innere, der seine Lieben zum Hungern und Darben bringe, mache ihn zagen. Der Brief ist ein betrübendes Dokument aus großer Zeit, den ich mir aufheben werde für später, wenn die Plünderer des armen Volkes wieder in „Patriotismus“ machen wollen. Wir müssen und werden durchhalten. Aber selbstverständlich nur unter der Voraussetzung, daß alle von gleichem Opfersinn beseelt bleiben und die Raffgier einzelner nicht die Zügel schießen läßt. Urban.
(Volksmund, Rubrik „Bonner Angelegenheiten“)