Mittwoch, 16. Oktober 1918
Grippe-Ferien in allen Schulen. Mit Rücksicht auf die vielen Erkrankungen an Grippe sind vom heutigen Mittwoch ab sämtliche Schulen bis auf weiteres geschlossen worden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Unsere Tapferen an der Westfront. Auch in Bonn wird leider viel geschwatzt über Kampfunlust an der Front, während die täglichen Berichte beweisen, mit welchem unvergleichlichen Schneid unsere Leute sich einer riesigen Uebermacht gegenüber verhalten. Es ist eine Schmach, daß sich deutsche Zungen finden, die solches Gewäsch auf dem Wochenmarkt, an Straßenecken und sonstigen Stellen, wo sich Klugpfeifer jeglichen Geschlechts zusammenfinden, kritiklos nachplappern. Gewiß gibt es Mannschaften, die nach mehrjährigem Frontdienst nicht mehr das alte teutonische Feuer in sich verspüren. Dafür sind aber tausende andere unserer Tapferen, die sich klar darüber sind, daß ein Wanken der Front unsagbares Elend vor allem über unser Rheinland bringen würde. In einem Privatbrief von der Front, den wir nicht genügend zur Beherzigung empfehlen können, heißt es:
Kein Zweifel ist jetzt mehr möglich: Deutschland ist besiegt, denn es bettelt ja schon um Gnade, und obendrein gerade bei dem, der letzten Endes unser Hauptfeind ist. Und das Traurigste von der ganzen Sache ist, daß wir militärisch noch lange nicht besiegt sind. Das zeigt sich gerade jetzt in dem wunderbaren Rückzug deutlich, der in einer Ordnung, einer Ruhe vor sich geht, die gerade das Gegenteil von einem Besiegtsein aufs beste beweisen. Ich wünschte, gar mancher Verzagende aus der Heimat könnte gerade jetzt hier draußen sein. Er würde da nicht nur die wunderbare militärische Kraft bewundern können, sondern, was weit wichtiger ist, er würde sehen können, wie fürchterlich das französische Land zu leiden hat, und mit ihm seine Bewohner. Tag für Tag kann man jetzt das tragische Schauspiel der Evakuierung erleben. Ein Dorf nach dem andern muß von den Bewohnern geräumt werden. Mit nur einer ganz geringen Habe und den notwendigen Lebensmitteln versehen, müssen die Armen ihre Heimat verlassen, ganz gleich, ob jung und ob alt, ob Mann, ob Weib, und sie müssen dies in der sichern Kenntnis, daß vielleicht schon morgen ihr ganzes Dorf nur ein Trümmerhaufen noch ist. Das sollte die Heimat sehen und erleben, und wir alle hier sind uns darin einig, daß aller Hader und Zank aufhören würde. Ein Beispiel sollten wir uns an diesen Franzosen nehmen, die keinen Augenblick verzagen. Weiß Gott, man muß sich schämen, ein Deutscher zu sein. Soweit sind wir gekommen.
Die augenblicklichen Großkämpfe in Flandern sind ein erneuter Beweis für die zähe Ausdauer unserer Leute, die darin kaum einen Ansporn finden, wenn in der Heimat das unglaublichste Zeug über Fahnenflucht, Ueberlaufen usw. verzapft wird. Es ist gegenüber der heldenmütigen Verteidigung unserer Stellungen im Westen eine wahre Affenschande, daß die daheim hinterm warmen Ofen sich solch Geschwätz leisten. Man lese nur was ein gewiß unverfänglicher Zeuge, die englische Zeitung Manchester Guardian, in einer ihrer jüngsten Ausgaben bemerkt:
Die Geschichten von einer Demoralisation des deutschen Heeres möge man nur ruhig zur Seite legen. Die Kämpfe, versichert man mir, sind niemals erbitterter und [heftiger] gewesen als jetzt. Und wenn man das Gegenteil sagt um unserem Publikum zu schmeicheln, so tut man nur dem Mute, der Ausdauer und der Standhaftigkeit unserer Truppen Unrecht.
Das dürfte wohl genügen, um unüberlegten Redereien etwas entgegenzutreten.
Auf dem Bonner Wochenmarkt […] Im allgemeinen war der Markt nicht besonders gut beschickt, aber der Verkauf war durchweg flott. […] Beim städtischen Verkauf auf dem Wochenmarkt war der Zuspruch nicht so flott wie sonst. Weißkohl ist noch immer reichlich vorhanden und wird bis auf weiteres noch in jeder gewünschten Menge abgegeben. […] Außerdem wurden noch Aepfel zu 35 Pfg. das Pfund, hiesiger Blumenkohl zu 80 Pfg. bis 1,30 Mk. das Stück, Wirsing, Karotten, Kohlrabien, Sellerie, Möhren und Spinat verkauft.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Das Martyrerkapellenfest, das Fest der hl. Ortspatrone Cassius, Florentius, Malusius und Genossen, wurde am Sonntag in der Pfarre Endenich in feierlicher Weise begangen. Die Pfarre Endenich hatte zu dieser Feier reichen Flaggenschmuck angelegt, und die Martyrerkapelle und ihre Umgebung waren von den Klosterschwestern in sinniger Weise ausgeschmückt. Bei dem schönen Herbstwetter stellten sich zu der Morgenprozession, die das Allerheiligste aus der Pfarrkirche nach der Martyrerkapelle begleitete, wie auch beim Hochamte sehr viele Teilnehmer aus Endenich und der Umgegend ein. Bei der Vesper und der Festpredigt, die der Pater Vacundus vom Kloster Kreuzberg hielt, konnte die Kapelle die große Zahl der Andächtigen kaum fassen. Bei der Abendprozession fehlten der ernsten gefahrvollen Zeit wegen die Fackeln; aber die Zahl der Teilnehmer war aus demselben Grunde überaus groß. […]
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)