Donnerstag, 10. Oktober 1918
Stimmungen. Stimmungen sind Wechselerscheinungen, Schwankungen des Gemütes, Hebungen und Senkungen der Gefühle. Jeder Mensch ist Lust- und Unlustgefühlen unterworfen, völlige Gleichgültigkeit den Dingen und Erscheinungen gegenüber bewahrt keiner. Aber der eine läßt sich mehr von Gefühlen beeinflussen wie der andere. Und der Starke steht fester im Wellenschlage des täglichen Lebens als der Schwache. Wer sich beherrschen gelernt, ist der Meister der Gefühle. Wie wenig innerlich Starke unter uns leben, zeigt die heutige Stimmung oder besser das weite Gerede von der schlechten Stimmung im deutschen Volke. – Was ist geschehen? Ein sieggewohntes Geschlecht erlebt es, daß sein unvergleichliches, stets und überall vordrängendes Heer aus wohlerwogenen Gründen seiner großen Feldherren zurückgeht aus eigenem Willen und auf eigenen Wagen, daß eine friedliebende Regierung hasserfüllten Feinden die Friedenshand bietet, und die Folge: in der gesicherten Heimat, fern von aller Kriegsgefahr und wohlgehütet von Not und Sorgen – hat man keine Stimmung. Kleinmütig sitzt man und klagt und was das Schlimmste ist: die Stimmung wirkt auf den Erfolg der Kriegsanleihe. Das ist töricht, das ist Selbstbetrug. Wir können und dürfen uns bei der Erfüllung unserer Pflicht gegen das Vaterland nicht von Stimmungen leiten lassen; denn wenn wir jetzt bei „gedrückter Stimmung“ die Zeit der Kriegsanleihe versäumen, so läßt sich dies niemals weder in bösen noch in guten Tagen auch bei „gehobener Stimmung“ wieder gutmachen. Notwendigkeiten fordern jetzt von uns, Notwendigkeiten bestimmen jetzt unser ganzes Denken und Handeln, und Notwendigkeiten allein rufen uns zum Zeichnen auf die 9. Kriegsanleihe. Die Notwendigkeit der Erhaltung unserer Freiheit und Würde mahnt uns zur Pflichterfüllung gegenüber dieser Kriegsanleihe mehr als je, und Stimmungen führen zur Knechtschaft und Untergang, das möge sich jeder merken.
Gaben für deutsche Gefangene in England. Wie uns mitgeteilt wird, können Angehörige von Kriegs- und Zivilpersonen in England durch Vermittlung der Städtischen Zentralstelle für Auskunftserteilung und Hilfe jeder Art während der Kriegszeit, Bonn, Franziskanerstraße 8, Erdgeschoß, auch in diesem Jahre je ein Weihnachtspaket in Auftrag geben. Die Anträge hierzu müssen längstens Dienstag, 15. Oktober, mündlich gestellt werden.
Auch die Runkelrüben werden jetzt öffentlich bewirtschaftet. Das ist nötig, um den außerordentlich starken Heeresbedarf an getrockneten Runkelrüben zu decken und um der Kaffeeersatzindustrie geeignete Rohstoffe zur Verfügung zu stellen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Die Sicherheit der Kriegsanleihe unantastbar. Es wird bald eine Erklärung erscheinen, wonach Reichsregierung und Reichstag für die Sicherheit der Kriegsanleihen die Verantwortung übernehmen. Regierung und Reichstag erklären, daß die Sicherheit der Reichsanleihen unantastbar ist. Bei allen Steuern, die kommen, werden die Kriegsanleihen nie ungünstiger gestellt werden als andere Vermögenswerte. Diese Erklärung ist von allen Parteiführern unterschrieben.
Es soll mit dieser Erklärung nicht gesagt werden, daß niemand Kriegsanleihe zeichnet. Im Gegenteil, der Stand der 9. Kriegsanleihe ist ausgezeichnet und wird mindestens den Ertrag der 8. erreichen. Aber es soll gerade dem Ausland gegenüber die völlige Sicherheit der finanziellen Stärke des deutschen Staates betont werden. Uns zum Nutz, ihm zum Trutz!
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Das Soldatenheim stand am vergangenen Sonntag unter der bewährten Leitung seines ersten Vorsitzenden Herrn Klutmann. Getragen von dem Wunsche, daß die eingeleiteten Friedensangebote uns bald den ersehnten Frieden bringen möchten, begrüßte Herr Klutmann die erschienenen Feldgrauen, sie mahnend, zu unserer Heeresleitung sowohl, wie auch zu unserem neuen Ministerium das vollste Zutrauen zu hegen und vor wie nach treu zu Kaiser und Reich zu stehen [...]
Auch euren Spaten, ihr Landleute! (Von Felix Joseph Klein, Bonn) „Uns kann keiner etwas, ob wir deutsch oder französisch sind, unsere Aecker, unsere Felder bleiben dieselben. Wir wollen schon, wenn wir nur Frieden, nur Ruhe haben, mit unserem Spaten der Erde abringen, was wir zum Leben notwendig haben!“ Ein frivoles, ein törichtes Wort, käme es wirklich aus eurem Munde, wäre nicht der feindliche Agent sein Souffleur. – Ihr, deutsche Landleute, wolltet es euch zu eigen machen? Glaubt ihr, der Feind habe keinen Gefallen an eurem Spaten, eurer Arbeit? Er ließe euch wirtschaften, wie es euch gefällt? Denkt ihr nicht daran, daß er auch euch auf dem Boden, den ihr jetzt noch euer Eigen nennt, als seine Sklaven Frondienste leisten lassen würde, wenn er Herr des Landes wäre? Ihr antwortet. „Bangemachen gilt nicht.“ Sehr schön,, wenn ihr felsenfest vertraut, daß Deutschland unüberwindlich, und in frischer Luft kühlen Kopf bewahrt. Aber das müsst ihr euch auch sagen: Nie starren so viele Augen aus allen Ländern auf ein einzig Volk wie jetzt auf uns, ob es einig und stark, klug genug, jede Kraft zum Gelingen des großen inneren Werkes aufzubieten. Bejaht mit mehr als reichlicher Kriegsanleihezeichnung diese Frage, verbietet mit ihr dem Feind den Eintritt in unser Land, erwerbt mit dem Zeichenschein besten Berechtigungsschein zur Teilnahme an Deutschlands Zukunft, auf die wir alle hoffen. Mehr als je hat der Trierische Genossenschaftsverband gegenwärtig Kriegsanleihe gezeichnet. Erhebende Volkszeichnungen – diese zahllosen Zeichnungen aus kleinsten bäuerlichen Betrieben und Kleingewerbebetrieben. Wollt ihr hinanstehen, abwarten? Wie lange noch?
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)