Mittwoch, 19. Juni 1918

   

Anzeige im General-Anzeiger vom 19. Juni 1918Die Bonner Studentenschaft wird auch in diesem Jahre am Sonnenwendtage, dem übermorgigen Freitag, eine vaterländische Kundgebung an der Bismarcksäule veranstalten, und zwar, wie im vorigen Jahre, am Abend. Der Ausschuß der Vertreterversammlung und die Chargierten der studentischen Vereine unternehmen wieder eine Wagenauffahrt vom Hofgarten zur Gronau. Die Wagen versammeln sich um 8 Uhr im Hofgarten und fahren 8 ¼ Uhr durch die Auguststraße zunächst zur Lennéstraße zur Wohnung des Rektors, wo der Rektor und der bei ihm versammelte Senat abgeholt werden sollen. Alsdann wird über Weber- und Koblenzer Straße weiter zur Gronau gefahren. An der Bismarcksäule wird nach der Rede eines Studierenden ein Kranz niedergelegt werden. Eine Ansprache des Rektors, Geheimsrats Marx, wird die Feier voraussichtlich beschließen. Im geschlossenen Zuge soll zum Hofgarten zurückgefahren und dort der Zug aufgelöst werden. Zu der Feier an der Bismarcksäule ladet der Ausschuß auch die nicht korporierten Studierenden ein.

Abgabe von Waren auf Militärkleiderkarte. Wiederholt sind in letzter Zeit Fälle bekannt geworden, daß in Geschäften auf Militärkleiderkarten Waren ohne Bezugsschein ausgegeben wurden. Es ist den Gewerbetreibenden aber verboten, auf Abschnitte der Militärkleiderkarte bezugsscheinpflichtige Ware ohne Bezugsschein auszustellen. Nur Schuhwaren dürfen sie gegen Kleiderkartenabschnitte abgeben, wenn die Schuhe oder das dazu erforderliche Leder ihnen von der Heeresverwaltung gegen Kleiderkarte geliefert sind. Es wird nochmals auf strenge Einhaltung dieser Vorschriften hingewiesen.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)

  

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 19. Juni 1918In Groß-Bonn tritt gegenwärtig die auch hier durch unsere Lichtbühnen bekannte Filmschauspielerin Anna Müller-Linke mit großem Erfolg auf. Als „gebüldetes Berliner Dienstmädchen“ erzählt sie ihre Erlebnisse mit ihrem ausgedehnten Herrschaftskreis und tritt als Chansonette, als Straßensängerin und zwar unter teilweiser Mitwirkung des Publikums auf; mit einem Wort: eine Berliner Range. Für frohe Laune sorgt auch der Humorist und Vortragskünstler Heinz Neumann. Ein fabelhaftes Gedächtnis hat Lotte May, die sich mit Recht eine phänomenale Gedächtniskünstlerin nennt. Auf Zuruf der Jahreszahl nennt sie die weltgeschichtlichen Ereignisse, die sich in diesem Jahre abgespielt haben; auch diejenigen aus vorchristlicher Zeit. Etwa 20 Sinnsprüche, die ihr zugerufen werden, nennt sie auf Wunsch der Reihe nach, vorwärts und rückwärts, oder auch beliebig außer der Reihe. Als Rechenmeisterin leistet die Künstlerin ebenfalls ganz Ungewöhnliches. Eine prächtige Schaunummer bieten die temperamentvollen Tänze des Warschauer Balletts Glazeroff.

60 Gramm Butter werden in dieser Woche an jede berechtigte Person abgegeben.

Zwei französische Kriegsgefangene, die vor sechs Tagen aus dem Gefangenen-Lager zum Limburg an der Lahn entflohen waren und die gestützt auf dicke Eichenknüppel die Bahn entlang weiterschreiten wollten, wurden in der vergangenen Nacht hier in Bonn durch den Bahnwärter Merzbach festgenommen.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

   

Unermittelte Heeresangehörige. Die als Beilage zu den deutschen Verlustlisten erscheinende, von der Zentralstelle für Nachlaßsachen in Berlin herausgegebene Liste „Unermittelte Heeresangehörige, Nachlaß- und Fundsachen“ liegt auf dem Polizeiamte Rathausgasse 22 zur Einsicht aus. Angehörige von Militärpersonen, über deren Verbleib nichts ermittelt werden konnte, werden dringend ersucht, diese Liste durchzusehen, um an der Hand der darin enthaltenen Veröffentlichungen das Schicksal ihrer Angehörigen aufklären zu helfen. Die Liste kann auch durch alle Reichspostanstalten zum Preise von vierteljährlich 50 Pfg. bezogen werden. (6. Nachtrag zur Postzeitungsliste).

Ferienkinder. In den meisten Land-Ortschaften sind die Ferienkinder aus den Städten und den Industriegegenden seit längerer oder kürzerer Zeit eingetroffen und haben bei den Landleuten die gleiche liebevolle Aufnahme wie in der Vorjahren gefunden. Allenthalben wird für die Kinder recht gut gesorgt und manchmal konnte man vor dem Eintreffen der Kinder hören: Das müssen wir für unser Ferienkind verwahren. So erhalten sie dann während dieser Erholungszeit das Beste von dem, was der Landwirt zu bieten vermag und das Aussehen derselben wird Tag für Tag ein besseres. Durchweg wissen sich aber auch die Kinder den ihnen bisher fremden ländlichen Verhältnissen anzupassen und werden durch ihre kleinen Handreichungen in den Betrieben recht nützlich. Vereinzelt sind Lehrpersonen mitgekommen, die für die Kinder gesonderten Unterricht erteilen, meist allerdings besuchen sie die ländlichen Volksschulen.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)

   

Verwendung der Ludendorff-Spende.
Ein ganz neuer Grundsatz ist für die Verteilung der durch die Ludendorff-Spende zusammengebrachten Gelder aufgestellt worden: Sie fließen nicht, wie das bei anderen Sammlungen üblich war, in einen Zentralfonds zusammen, um von da aus wieder über das Deutsche Reich verteilt zu werden, sondern sie bleiben von vornherein in dem Landesteil, in dem sie gesammelt worden sind. Jeder Spender hat also die Gewißheit, daß seine Gaben denjenigen Kriegsbeschädigten zugute kommen, die ihm am nächsten stehen. Nur ein Bruchteil der gesammelten Gelder, nämlich 15%, wird an die Zentralstelle abgeführt und bildet einen Ausgleichsfonds, der denjenigen Landesteilen zugute kommt, in denen infolge ärmerer oder weniger zahlreicher Bevölkerung das Ergebnis hinter anderen Landesteilen zurückbleiben muß.
    Die Aufgaben, die mit den gesammelten Mitteln zu lösen sind, umfassen in Ergänzung der staatlichen Fürsorge: Fortsetzung der Heilbehandlung, Berufsausbildung, Arbeitsbeschaffung, vor allem aber in gewissen Fällen Bargeldunterstützung. Die Notwendigkeit einer solchen hat sich auf Grund der bisherigen Kriegserfahrungen bereits herausgestellt. Es gilt häufig, dem Kriegsbeschädigten mit seinen Angehörigen über die Zeit hinwegzuhelfen, in welcher er für seinen Beruf wieder tauglich gemacht werden soll; es gilt, falls er sich einem neuen Berufe zuwenden muß, ihm Arbeitsgerät und Arbeitskleidung zu verschaffen; es gilt, dem einen oder anderen das Kapital vorzustrecken, mit dessen Hilfe er sich selbständig machen kann. In zahllosen Fällen wird die Wiederaufrichtung der wirtschaftlichen Existenz eines Kriegsbeschädigten davon abhängen, ob ihm eine gewisse Geldsumme zur Verfügung gestellt werden kann.
    Gerade diese segensreiche und notwendige Art der Unterstützung indessen erfordert naturgemäß außerordentlich große Mittel. Umso mehr darf darauf gerechnet werden, daß bei der Bemessung des Beitrages jeder einzelne an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit herangeht.

(Volksmund, Rubrik „Bonner Angelegenheiten“)