Samstag, 21. April 1917
Fleisch. Am heutigen Samstag wird erstmalig das Brotersatzfleisch verkauft, und zwar für jeden Erwachsenen ½ Pfund Rindfleisch, Kalbfleisch oder Schweinefleisch zu 0,90 M. das Pfund. Außerdem wird Blut- und Leberwurst das Pfund zu 0,80 M. verausgabt. Beim Einkauf von Blut- und Leberwurst ist neben dem entsprechenden Abschnitt der Zusatz-Fleischkarte auch die Warenkarte Nr. 11 abzugeben. Jeder Andrang zu den Metzgergeschäften ist unnötig, da so reichlich Fleisch an die Metzger verteilt wird, daß jeder die bestimmte Menge unter allen Umständen erhalten kann.
Am Mittwoch nächster Woche wird auf die Reichsfleischkarte Rindfleisch, Kalbfleisch und Fleischwurst verabfolgt, und zwar zum Preise von 2,80 M. das Pfund.
Fett. In der kommenden Woche werden 30 Gramm Margarine, sowie 30 Gramm Butter auf die entsprechenden Abschnitte der Speisefettkarte ausgegeben.
Kartoffeln. Auf die Kartoffelkarte werden 5 Pfund Kartoffeln ausgegeben, auf die Zusatzkartoffelkarte weitere 3 Pfund, als Zusatz zu den Kartoffeln in der Woche vom 23. bis 29. April auf die Warenkarte Nr. 20 150 Gramm Steckrübenschnitzel (Dörrgemüse), auf die alte Warenzusatzkarte Nr. 25 weitere 150 Gramm Steckrübenschnitzel. [...]
Lebensmittelkarten. Einzelne Einwohner haben sich unter der unrichtigen Angabe, ihre Lebensmittelkarten verloren zu haben, vom Lebensmittelamt neue Karten ausstellen lassen. Ein solcher Doppelbezug von Lebensmitteln gefährdet die Durchführung der Lebensmittelversorgung in der bedenklichsten Weise und wird schwer bestraft.
Milchversorgung. Infolge der lang andauernden kalten Witterung und des dadurch bedingten Ausbleibens von Grünfutter, das schon lange an Stelle des verbrauchten Winterfutters hätte treten müssen, wird die Milchknappheit noch einige Zeit anhalten. Die Bürgerschaft möge diesen ungewöhnlichen Verhältnissen Rechnung tragen und ihre Ansprüche danach einrichten.
Bekleidungsamt. Die immer wieder auftauchenden Gerüchte, als würden demnächst für Bezugsscheine Gebühren erhoben, entbehren jeder Grundlage. Man weise daher die Erzähler zurecht. Da bei der Ausfertigung von Bezugsscheinen der Bestand des Antragsstellers an Kleidungsstücken festzustellen ist, möge man bereitwilligst Auskunft darüber geben. Bezugsscheine für Turnschuhe zum Turnen in den Schulen können nicht mehr ausgestellt werden, desgleichen für Stoffe zur Anfertigung von Vorhängen, Markisen, Wettervorhängen und dergleichen. Die neuen Höchstmaßlisten für Geschäftsleute sind auf dem Bekleidungsamt zu haben. [...]
(Bonner Zeitung, Rubrik „Nachrichten des Lebensmittelamts der Stadt Bonn.“)
Unsere Schüler als landwirtschaftliche Hilfsarbeiter. Heute ist schon ein Monat verflossen, seit dem die Schüler der hiesigen höheren Schulen zur Ausbildung für landwirtschaftliche Arbeiten an verschiedene hiesige Arbeitsplätze überwiesen wurden. Sie haben in dieser Zeit alle Erwartungen voll und ganz erfüllt. Manchem mag ja das Handhaben der schweren ungewohnten Werkzeuge größere Anstrengung gekostet haben. Aber man soll ja immer mit frohem Mut auch an die geringste Arbeit herangehen. Der größte Teil der Jungens ist schon Gärtnern und Landwirten unserer Vororte überwiesen. Daß diese mit den Jungen sehr zufrieden sind, geht schon daraus hervor, daß die Nachfrage nicht ganz befriedigt werden kann.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Strafkammer verkündigte am Freitag das Urteil gegen die Eheleute aus Bonn, die sich in vergangener Woche wegen übermäßiger Preissteigerung für Gegenstände des täglichen Bedarfs zu verantworten hatten. Der Kaufmann selbst wurde freigesprochen. Die Ehefrau hingegen, die mehrmals solche Preissteigerungen und in erheblichem Umfange vorgenommen hatte, wurde zu 1000 Mark Geldstrafe verurteilt. Weil sie Butter gekauft hatte, ohne sie dem Lebensmittelamte anzumelden und die entsprechenden Buttermarken abzugeben, wurde sie mit zehn Mark bestraft.
Für die Besucher der kommenden Baumblüte. Der Gouverneur hat eine Verordnung erlassen, durch die das Abreißen vor Blüten und Früchten der Obstbäume unter Androhung von schweren Strafen verboten wird. Der vollständige Inhalt dieser Verordnung ist an den öffentlichen Anschlagstellen einzusehen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Sonntag, 22. April 1917
Das billige „Brotersatzfleisch“ wurde gestern zum erstenmal in den hiesigen Metzgereien ausgegeben. In allen Metzgerläden war gestern morgen der Andrang sehr groß, denn jede Hausfrau wollte sich natürlich die ihr zustehende Menge sichern. Es war jedoch so viel Fleisch vorhanden, daß alle befriedigt werden konnten und viele Metzger noch erhebliche Vorräte übrig behielten, vor allem Wurst war gestern abend noch in fast allen Metzgereien vorhanden. Der Preis von 80 Pfg. das Pfund für die Käufer der Klassen A und B ist noch geringer wie der frühere Friedenspreis. Am heutigen Sonntag können sich also selbst die ärmsten Familien ohne sorgenvolle Bedenken einen Sonntagsbraten leisten.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Die Kriegsküche Kessenich, die ihren 1000 Teilnehmern das Essen mit großer Sorgfalt zubereitet, erfreut schon durch ihre herrliche Lage; im Sommer muß es ja einfach prächtig dort sein, so zwischen dne blühenden Bäumen zu sitzen; um sich herum all das liebe Grün und vor sich ein Schüsselchen, das duftet nach einem schmackhaften Essen. Herr Stadtv. Butscheidt, der Tag für Tag als Aufsichtsführender in der Küche weilt, versteht es recht gut, unterstützt durch vortreffliche Hilfe der Ehrendamen und Köchinnen, Jedem gerecht zu werden. Ein anmutendes Bild, wenn des Mittags die Frauen und Mädchen aus einer in der Nähe gelegenen Munitionsfabrik kommen, ihr Essen mit einem gesunden Appetit einnehmen; auch hört man hin und wieder die so mütterliche Frage: „Auch alle satt?“ Wer nicht seine ganze Schüssel mag, gibt sie einer Nachbarin, als sei es selbstverständlich, daß Einer dem Anderen in dieser Zeit helfen soll!
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Godesberg, 21. April. In der Volksküche im ehemaligen Hotel Hüttenrauch werden täglich etwa 1600 Literportionen verabreicht. Der dritte Teil gelangt für die Verpflegung der Militärpersonen der hiesigen Lazarette zur Verteilung. Die Küche ist bestrebt, die vorhandenen Lebensmittel bis ins Kleinste auszunutzen. Auf eine rationelle Verwertung aller Nährbestandteile ist ein besonderes Augenmerk gerichtet. So wird z. B. aus den Knochenabfällen der Küche durch ein chemisches Verfahren eine nicht unerhebliche Menge Fett gewonnen. Die beim Auskochen erzielte Knochenbrühe ist sehr nahrhaft, der Knochenschrott gelangt auf der Geflügelfarm der Lazarette zur Verwendung.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und Fern.“)
Bonner Bergwerks- und Hüttenverein, Zementfabrik in Oberkassel. Zu Beginn der heutigen Hauptversammlung gedachte der Vorsitzende des Aufsichtsrats, Herr Stürtz, der im letzten Jahre gefallenen Werkangehörigen. Er führte dabei aus: Heute sind unsere Blicke auf den Westen gerichtet, wo unsere tapferen Krieger Uebermenschliches leisten. Wir alle sind der festen Ueberzeugung, daß es unter der Führung Hindenburgs gelingen wird, den Siegfriedwall zu halten, zu dessen Erbauung auch unser Material mit beigetragen hat. Die Versammlung genehmigte dann den (schon mitgeteilten) Abschluß für das Geschäftsjahr 1916, erklärte sich mit der vom Aufsichtsrat vorgeschlagenen Gewinnverteilung einverstanden und setzte die sofort zahlbare Dividende auf 10 v. H. für die Stammaktien (im Vorjahre 9 v. H.) und auf 5 v. H. für die Vorzugsaktien fest. [...]
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Montag, 23. April 1917
Etwa 40 Vertreter der Bonner Arbeiterschaft waren auf Samstag abend vom Oberbürgermeister zu einer Besprechung über die Lebensmittelversorgung in den Rathaussaal geladen. Oberbürgermeister Spiritus begrüßte sie herzlich. Die Stadtverwaltung wolle alles irgendwie Mögliche tun, um die schwierige Lebensmittelfrage zu einem glücklichen Ende zu führen. Die Besprechung möge aufklären und vor allem Vertrauen zur städtischen Verwaltung schaffen, und die Arbeitervertreter möchten dann in den Kreisen, der Vertrauen sie genießen, weiter um Vertrauen zur Stadtverwaltung werben. Beigeordneter Piehl schilderte dann den gegenwärtigen Stand der Lebensmittelversorgung im allgemeinen, vor allem die zwingende Notwendigkeit, den Brotverbrauch einzuschränken. Er ging auf die Ursachen dieser notwendigen Einschränkung näher ein und besprach die Maßnahmen, die den Brotmangel weniger fühlbar machen sollen: die Ausgabe des billigen Fleisches und die Verbesserung der Kartoffelversorgung. Er besprach ferner die besonderen Bonner Verhältnisse, betonte, die Kartoffelausgabe in der jetzigen Menge sei für die nächsten acht Wochen unbedingt gesichert, hielt aber eine Verschlechterung der Fettversorgung als Folge der erhöhten Fleischversorgung leider für möglich und erwähnte namentlich die Fürsorge der Stadtverwaltung für die Kriegsküchen. An diese Ausführungen schloß sich eine etwa zweistündige Aussprache, in der die Arbeitervertreter der verschiedensten Betriebe und Parteirichtungen ausgiebig zu Worte kamen. […]
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Lebensmittelversorgung und Arbeitervertreter. […] In der Aussprache der anwesenden Arbeitervertreter wurde einmütig der Wille zum Durchhalten zum Ausdruck gebracht. Es wurde bereitwillig anerkannt, daß die Stadtverwaltung alles tue, um den Ansprüchen der Bevölkerung gerecht zu werden. Gleichzeitig wurde aber auch der Wunsch ausgesprochen, daß die Stadtverwaltung in möglichst eingehender Weise auf die höheren Stellen einwirken möge, damit die wirklich vorhandenen zahlreichen Mängel abgestellt werden. Besonderes Interesse, so führten fast alle Redner aus, sei der Ernährung der Rüstungs- und Schwerarbeiter zu widmen, die gerade jetzt ihre ganzen Kräfte in den Dienst des Vaterlandes stellen müssen. Hierbei kamen aber auch eine Reihe von Mängeln zur Sprache, die sich hinsichtlich der Verteilung der Hindenburgspende ergeben haben. Die Verteilung geschieht nach Ansicht der Arbeitervertreter oft höchst eigenartig. Ein Werk hat z. B. angeordnet, daß bei Ueberweisungen von Lebensmitteln aus der Hindenburgspende die Arbeiter die Waren bis zu einem bestimmten Zeitpunkt abholen müssen. Anderenfalls gehen ihre Ansprüche verloren. Ein solches Verfahren ist, wie Beigeordneter Piehl bemerkte, entschieden zu verurteilen. Die Waren werden nicht dem Werk, sondern den Arbeitern zur Verfügung gestellt. Auch wurde von verschiedenen Seiten über mangelnde Kontrolle geklagt. Zum Teil gelangen die Arbeiter nicht voll in den Besitz der ihnen zustehenden Menge. Der Herr Oberbürgermeister sagte Prüfung aller Beschwerden und schleunige Abstellung der Mißstände zu.
Ein Vertreter der Bauarbeiter stellte die Anfrage, ob die Bauarbeiter als Schwer- oder Schwerstarbeiter zu gelten haben. Beigeordneter Piehl erwiderte, daß diejenigen Bauarbeiter, die in der Rüstungsindustrie beschäftigt sind, als Schwerstarbeiter gelten, während die übrigen die Schwerarbeiterzulagen erhalten. Lebhafte Klagen wurden über die Ernährung der Kriegsgefangenen geführt. Nach Feststellungen einiger Arbeitervertreter ist in einem Falle auf Betreiben des wachthabenden Unteroffiziers den Gefangenen mehr zugebilligt worden als den übrigen Arbeitern. Sind die Gefangenen überhaupt als Schwerstarbeiter zu betrachten?
Beigeordneter Piehl betonte, daß hierüber der Gewerbeinspektor zu entscheiden habe, nach welchem sich die Verwaltung bezüglich der Zuweisung der Lebensmittel richten müsse. Nach einigen weiteren kleinen Anfragen, die in zufriedenstellender Weise von der Verwaltung beantwortet wurden, schloß Oberbürgermeister Spiritus die Sitzung mit dem Wunsche und der Hoffnung, daß alle durchhalten und bestrebt sind, Mißverständnisse und Irrtümer aufzuklären. Jedenfalls dürfe die Bevölkerung davon überzeugt sein, daß die Stadtverwaltung alles tue, was in ihren Kräften steht, um die Ernährung der Bevölkerung sicherzustellen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Arbeiterschaft und Lebensmittelversorgung in Bonn. Von jeher haben wir die Auffassung vertreten und betont, daß in der Lebensmittelversorgung eine weitgehende Belehrung der Bevölkerung vielen unberechtigten Klagen den Boden entzieht und den berechtigten Klagen den Weg zur Besserung ebnet. Wir können daher auch nur Anerkennung dafür haben, daß unsere städtische Verwaltung insbesondere der Teil, welcher die Lebensmittelversorgung zu bearbeiten hat, diese Ansicht teilt und in richtiger Erkenntnis der großen Bedeutung einer Aufklärung auf Samstagabend die Vertreter der Arbeiterschaft zu einer Aussprache über die Lebensmittelversorgung in den Sitzungssaal des Rathauses eingeladen hatte. Daß sie damit einem Bedürfnis nachgekommen war, bewies auch der zahlreiche Besuch […]
Oberbürgermeister Spiritus betonte in einem Schlußwort, daß man stets bei Anlaß zu Klagen vertrauensvoll sich an das Lebensmittelamt wenden möge, entweder schriftlich, oder dann mit Namensangabe, oder durch persönliches Vorsprechen. Man dürfe überzeugt sein, daß allen berechtigten Klagen Gehör geschenkt werde. Ueber allen Fragen müsse uns heute das Vaterland stehen. Daß unsere vaterländische Sache nicht unterliege, sei heute die Pflicht eines jeden deutschen Mannes, jeder müsse dazu beitragen, daß der Krieg zu einem guten Ende geführt werde. Die Aussprache hat, dessen sind wir gewiß, alle Beteiligten sehr befriedigt und dürfte gewiß ihre guten Wirkungen nicht verfehlen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Dienstag, 24. April 1917
Das Kriegswirtschaftsamt für die Rheinprovinz, das, wie berichtet, demnächst von Koblenz nach Bonn verlegt werden soll, wird im neuen Gebäude der Landwirtschaftskammer an der Endenicher Allee untergebracht werden.
Um den Kleingeldmangel zu steuern, hat die hiesige Lese Heftchen von 20 Gutscheinen zu je 25 Pfg., zusammen also für fünf Mark, herausgegeben, die im Verkehr mit dem Kellner und dem Weingeschäft gelten.
Hühner und Kaninchen. In einer der letzten Nächte sind Diebe in ein Gehöft an der Endenicher Straße eingebrochen, um dort sechs Hühner im Werte von 60 M. abzuschlachten und zu stehlen. In der gleichen Nacht sind in der Maxstraße fünf Kaninchen im Werte von 180 M. und am Hochstadenring sieben Kaninchen im Werte von 200 M. gestohlen worden, in beiden Fällen mittels Einbruch.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Keine Befreiung oder Zurückstellung vom Hilfsdienst. Die täglich beim Kriegsarbeitsamt einlaufenden Gesuche um Befreiung oder Zurückstellung vom Hilfsdienst geben Veranlassung, auf folgendes hinzuweisen: Eine Befreiung oder Zurückstellung vom vaterländischen Hilfsdienst vom 5. Dezember 1916 überhaupt nicht. Gegen die aufgrund des § 7 des Gesetzes ergangene besondere schriftliche Aufforderung können der Hilfsdienstpflichtige oder sein bisheriger Arbeitgeber bei dem Ausschuß, von dem die Aufforderung ergangen ist, Vorstellung erheben. Die Aufforderung ist zurückzunehmen, wenn die Auflösung des bisherigen Beschäftigungsverhältnisses einen übermäßigen Schaden bereiten würde, sofern nicht die Bedürfnisse des Hilfsdienstes überwiegen. Unter der gleichen Voraussetzung kann die Frist aus § 7 Absatz 3 des Gesetzes verlängert werden. Der Vorsitzende des Ausschusses ist in diesem Falle berechtigt, einen Vorbescheid zu erlassen. Gegen diesen Vorbescheid kann der Entscheidung des Ausschusses angerufen werden, worauf im Vorbescheide hinzuweisen ist. Gegen die Ueberweisung steht die Beschwerde sowohl dem Hilfsdienstpflichtigen als auch seinem letzten Arbeitgeber zu. (§ 31 und 32 der Anweisung über das Verfahren bei den auf Grund des Hilfsdienstgesetzes gebildeten Ausschüssen vom 30. Januar 1917.)
Lichtspiele im Stern. Nirgends wechselt die Szene so schnell wie im Kino. Wurden wir am Samstag in das Reich unserer moskowitischen Nachbarn geführt, wo gegenwärtig so bedeutsame Umwälzungen vor sich gehen, so wurde der Beschauer gestern an das Strandleben in Scheveningen und in den Machtbereich eines indischen Fürsten geleitet. Eine jugendschöne Baronesse wird von dem indischen Fürsten, dem Maharadscha, aus Scheveningen nach seiner Heimat entführt, lebt dort als seine Lieblingsfrau und verschmäht im letzten Augenblick die Freiheit, sodaß ihr Vetter Victor, der sie als Seeoffizier und Gast des Fürsten zufällig im Harem erkennt, sich vergebens bemüht, sie auf den bereitstehenden nächtlichen Kahn aus dem Machtbereich des Fürsten zu bringen, um sie der europäischen Heimat wieder zuzuführen. Wenn man die Pracht der Szenen an dem orientalischen Fürstenhof wahrnimmt, begreift man die Zugkraft, die gerade dieser Film namentlich auf unsere Frauenwelt ausübt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
„Wie es gemacht wird“. Mit Interesse habe ich die hübsche Darstellung des Herrn Konditor-Obermeisters über die Verteilung von Torten in den Konditoreien und Cafés gelesen. Ich erinnere mich hierbei, daß man schon zu Friedenszeiten in den Konditoreien und Cafés sich auf das Verteilen der Torten sehr gut verstanden hat und daß unsere Konditoren und Kaffeewirte diese schöne Uebung während des Krieges zu einer geradezu meisterlichen Virtuosität entwickelt haben. Eigentlich müßte an jeder Tür geschrieben sein: Opernglas oder Krimstecher ist mitzubringen. Es zeugt wirklich von einer großen sozialen Geste, wenn man die Tortenstücke so einteilt, daß möglichst viele von einer Torte etwas haben können, und die soziale Einsicht unserer Kaffeewirte und Konditoren ist sicher zu loben, die ein Tässchen Kriegskaffee ohne Zucker und Milch mit nur 30 bis 40 Pfennig bewerten. Zugegeben ist, daß die Konditoren neuerdings mit erheblichen Kriegsschwierigkeiten zu kämpfen haben, aber man sollte doch über die Beziehungen der Konditoren zu ihrer Kundschaft und die so soziale Betätigung der Cafétiers und Konditoren keine allzu verzuckerte Meinung verbreiten. Eine alleinstehende Angestellte.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Ueber die Kriegsernährungswirtschaft werden gegenwärtig in den Volksschulen Aufklärungsbilder verteilt, welche in einfacher, leicht faßlicher Form die Haupternährungsfragen behandeln: Ausnutzung des Bodens, Viehwirtschaft, Milch und Eierverteilung, Notwendigkeit des Beschlagnehmens, Groß- und Zwischenhandel usw. Die Bücher sollen von den Kindern abwechselnd gelesen und mit in die Familien genommen werden, damit auf diese Weise eine möglichst große Anzahl von Personen Kenntnis von den Inhalten nehmen kann.
Ueberweisung von Saatmais aus Rumänien. Der Landwirtschaftskammer für die Rheinprovinz ist aus Rumänien Saatmais überwiesen worden. Preise und Lieferungsbedingungen können noch nicht bekanntgegeben werden. Bestellungen sind unter Beifügung der Saatkarten an die Saatstelle der Landwirtschaftskammer Bonn, Endenicher Allee 60, zu richten.
Heranziehung von Genesenden aus den Lazaretten zur Frühjahrsbestellung. Gemäß Erlaß des Herrn Kriegsministers vom 21. März 1917 sollen zu den bevorstehenden Frühjahrsbestellungen geeignete Genesende aus den Lazaretten herangezogen werden. Da in landwirtschaftlichen Kreisen vielfach Unkenntnis über die Möglichkeit der Heranziehung von Genesenden aus den Lazaretten zu den Bestellungen und sonstigen Arbeiten besteht, so geben wir diese Mitteilung wieder mit dem Hinzufügen, daß die Anträge auf die Gestellung solcher Arbeitskräfte durch die Kreis- und Landratsämter (Kriegswirtschaftstellen) an die betreffenden Reserve-Lazarette zu richten sind.
Beschaffung von Saatkartoffeln. Infolge der geringen Ernte ist die Beschaffung der erforderlichen Saatkartoffeln mit großen Schwierigkeiten verknüpft, besonders da sich der Bedarf der Rheinprovinz an Saatkartoffeln aus dem Osten auf so große Mengen herausgestellt hat, die nicht vorauszusehen waren. Es sind seitens der Landwirtschaftskammer der Rheinprovinz alle möglichen Bemühungen aufgewendet worden, wenigstens die unbedingt erforderlichen Mengen zu beschaffen, und sind aus den Ueberschußprovinzen des Ostens bis jetzt rund 1.200.000 Zentner zugesagt worden.
Wenn damit auch nicht der volle Bedarf gedeckt ist, so ist doch anzunehmen, daß auch für die in der letzten Zeit noch eingegangenen Nachforderungen wenigstens zu einem gewissen Teil sich Deckung wird schaffen lassen, sobald die Mieten im Osten geöffnet sind und die vorhandenen Vorräte sich bestimmt feststellen lassen. Die Heranschaffung solch großer Mengen erfordert natürlich längere Zeit und muß damit gerechnet werden, daß die Lieferung und damit die Auspflanzung der Kartoffeln etwas später erfolgt, als dies bisher in der Rheinprovinz erfolgen konnte. Durch den anhaltenden starken Frost konnte eine frühere Lieferung nicht in die Wege geleitet werden ohne Gefahr für Erfrieren der Kartoffeln. Nachdem jetzt auch in den östlichen Provinzen weiches Wetter eingetreten ist, hat man überall mit dem Verladen begonnen und ist Vorsorge getroffen, daß insbesondere die Frühkartoffeln so schnell als möglich verladen werden, und die Spätkartoffeln in möglichst kurzer Zeit folgen; irgendwelche Verzögerung durch langsame Gestellung von Waggons, die allgemein befürchtet wurde, ist bis jetzt nicht vorgekommen und ist damit zu rechnen, daß sich heute schon zirka 1000 Waggons unterwegs befinden. [...]
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Mittwoch, 25. April 1917
Aus dem städtischen Lebensmittelamt
Infolge der langandauernden schlechten Witterung ist die
Gemüseknappheit
noch immer groß. Wenn jedoch das Wetter, wie zu hoffen ist, nunmehr sonniger wird, so wird auch bald wieder Gemüse auf den Markt kommen. Auf Veranlassung der Reichsstelle für Gemüse und Obst werden nun auch endlich die Höchstpreise für das ganze Reich einheitlich geregelt werden. Schon in den nächsten Tagen wird eine entsprechende Verordnung für die Höchstpreise des Frühgemüses im Regierungsbezirk Köln erlassen werden. Durch diese einheitliche Regelung wird vor allem die bedauerliche Erscheinung eingeschränkt werden, daß das Gemüse aus der Stadt Bonn und ihrer Umgebung in andere Gegenden wandert, während die Bonner Bevölkerung selbst nur ungenügend versorgt wird. Die jetzige gemüsearme Zeit sollte von neuem daran mahnen, alle nur irgendwie nutzbare Stoffe auch wirklich der menschlichen Ernährung zuzuführen. Leider geschieht das noch nicht überall, und namentlich die Einführung der wildwachsenden Gemüse in unsere Küchen begegnet noch vielen Vorurteilen, obwohl viele unserer Wildpflanzen ganz vorzüglich schmecken. In erster Linie wäre in diesem Zusammenhang der gewöhnlichen
Brennessel
zu gedenken, die jetzt überall, selbst im Inneren der Stadt so massenhaft anzutreffen ist, daß sie leicht pfundweise gesammelt werden kann. Die günstigste Zeit zum Ernten des Brennesselgemüses ist jetzt. Man verachte die Brennessel nicht und lasse sich durch ihren schlechten Ruf nicht davon abhalten, sie einmal als Gemüse zu versuchen. Gelegenheit dazu wird der Bonner Bürgerschaft schon in den nächsten Tagen gegeben sein, da die Brennessel auch auf der städtischen Gemüseverkaufsstelle auf dem Markt verkauft werden soll. Es kann sich dann jeder von dem vorzüglichen Geschmack der wie Spinat zubereiteten Brennessel überzeugen, vom Spinat unterscheidet sich das Brennesselgemüse nur durch seinen billigeren Preis.
Die Milchversorgung
ist noch immer recht knapp. Es hält schwer, die Versorgungsberechtigten, also die Schwerkranken und die Kinder bis zum sechsten Lebensjahr, mit der ihnen zustehenden geringen Milchmenge zu versorgen. Bei dieser Sachlage muß es geradezu als frevelhaft bezeichnet werden, da es immer noch Familien gibt, die sich durch Durchstechereien mit den Milchhändlern ohne Milchkarte Milch verschaffen. Dieses Vorgehen kann nicht scharf genug an den Pranger gestellt werden. Die Hausfrauen sollten doch endlich einsehen, daß es in der jetzigen Zeit, in der alles von der glatten Durchführung der Ernährung abhängt, einer deutschen vaterländischen Gesinnung unwürdig ist, durch Hintertüren die gesetzliche Regelung zu durchbrechen. Dasselbe gilt von dem noch immer in lebhafter Blüte stehendem Schleichhandel mit Mehl, Butter, Fleischwaren usw.
Die Kartoffelversorgung
ist für die nächsten Wochen gesichert. Unverständlich bleibt es, daß die getrockneten Steckrüben noch immer so wenig Zuspruch finden. Die getrockneten Steckrüben werden von dieser Woche ab nicht mehr rationiert, sondern im freien Handel abgegeben werden. Es kann sich also jeder einen kleinen Vorrat für seinen Haushalt erwerben, und das zu tun wird dringend angeraten. Näheres wird noch im Laufe dieser Woche bekannt gemacht werden.
Die Teilnehmerzahl der
Kriegsküchen
hat sich mit 6500 auf der Höhe der vorigen Woche gehalten.
[...]
Um im nächsten Winter die Brennstoffversorgung der Bevölkerung und der Industrie zu sichern und zu regeln, wird in den nächsten Tagen in Bonn eine
Ortskohlenstelle
eingerichtet werden. Der Leiter der Ortskohlenstelle wird im engen Einvernehmen mit der Kriegsamtsstelle in Koblenz arbeiten und zu seiner Beratung Sachverständige aus den Kreisen des Kohlehandels und der Industrie heranziehen, er kann auch nach den Bestimmungen des Kriegsministeriums für die notwendigen Arbeiten fachkundige Hilfskräfte nach dem Hilfsdienstpflichtgesetz heranziehen. [...]
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Saatkartoffeln. Bei der herrschenden Knappheit an Saatkartoffeln besteht die Gefahr, daß man auch zu Knollen greift, die von kranken Pflanzen stammen. Solche Kartoffeln sind besonders zahlreich vorhanden, weil in den letzten beiden Jahren die vererbliche Blattrollkrankheit, schwarzbraune Flecken an den Rippen und den zurückgekrümmten Blättern, geherrscht hat. Es wird deshalb dringend gewarnt vor solchen Kartoffel, die beim Durchschneiden nach der Schale einen dunkelgelben Strich zeigen. Nur gesunde Knollen geben gesunde Frucht. Dabei darf der Boden, der im vorigen Jahr mit Kartoffeln bepflanzt war, nicht wiederum mit Kartoffeln bestellt werden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Den Zwieback-, Keks-, Honig- und Lebkuchenfabriken ist der Verkauf ihrer Erzeugnisse durch Anordnung der Reichs-Getreidestelle vom 11. April 1917 vorläufig untersagt. Die bereits im Zwischenhandel befindliche Ware darf noch weiter abgegeben werden, soweit dem nicht andere behördliche Verfügungen entgegenstehen. Bis zur neuen Ernte wird der freie Handel mit Zwieback, Keks und Lebkuchen daher voraussichtlich ausgeschaltet sein. In welcher Weise die Bestände der einzelnen Betriebe Verwendung finden sollen, ist noch nicht entschieden, wahrscheinlich werden sie durch Vermittlung der Lebensmittel-Zentralen den Kommunalverbänden zwecks Verteilung an Kinder und Kranke zugewiesen werden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Städtisches Kleingeld. Städtisches Kleingeld ist nunmehr fast in allen Städten eingeführt worden. Nur Bonn, das freilich mit der Lebensmittelversorgung so sehr gut steht, entbehrt noch dieses von allen Geschäftsleuten so sehnlichst erwartete Hilfsmittel für den Geschäftsverkehr. In der Stadtverordnetensitzung wurde vor langer Zeit darauf hingewiesen, daß die Verhandlungen mit den beiden Kreisen Bonn-Land und dem Siegkreise die Ausgabe verzögerten. Nachdem aber nunmehr auch die beiden Kreistage sich für die Ausgabe ausgesprochen und die Garantien genehmigt haben, dürfte es nunmehr an der Zeit sein, daß den dringenden Wünschen der Geschäftsleute auch nachgekommen wird. Was es übrigens mit den Vereinbarungen der drei Kreise über gemeinschaftliches Geld auf sich hat, zeigt nunmehr eine nunmehr andere in der Tat bereits geübte Gewohnheit vieler Bonner Geschäftsleute, die auf das Bonner Geld eben nicht warten konnten und aus der Not eine Tugend machten. Sie nehmen heute schon das Kölner Kleingeld gern in Zahlung. Andererseits würde dieses auch in Köln umgekehrt der Fall sein, wenn wir erst einmal das Geld hätten. Auf diese Weise hätten auch die Geschäftsleute von Bonn und Umgebung sich selber in der Tat schneller geholfen, als durch lange Verhandlungen, die die Sache doch nur in die Länge zogen und damit auch die Abhilfe. Probieren geht doch auch hier über Studieren. Athanasius
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Donnerstag, 26. April 1917
Deutsch-evangelischer Frauenbund, Ortsgruppe Bonn. Die Ortsgruppe hielt am vorigen Dienstag unter zahlreicher Beteiligung von Mitgliedern und Gästen im Gemeindehaus ihre 15. Jahresversammlung ab. [...] Nach der Teepause nahm Frau Helene Krüger das Wort zu ihrem Vortrage „Pflichten der deutschen Hausfrau im Frühjahr 1917“. Sie entwarf nach kurzer Gegenüberstellung der ersten Kriegswochen mit dem Frühjahr 1917 ein anschauliches Bild von der Bedeutung hausfraulichen Schaffens in unserer schweren Zeit, um dann die deutsche Frau – im Gegensatz zur Französin oder Engländerin – als Gattin und Mutter zu kennzeichnen, als Mutter nicht nur im engen Kreise der Familie, sondern im weiten Rahmen des Volkslebens, in der Armenfürsorge (nicht Almosen, sondern Selbsthilfe), in der Jugendpflege, als Hüterin jener echten Sittlichkeit, die allein die Kraft verleiht, den verrohenden Einflüssen dieses grausen Krieges zu begegnen. Sie schloß mit der Mahnung: Kopf hoch! Herz hoch! Siegen! Das sei der Schlachtruf der deutschen Frau.
Ein Ei wird morgen, Freitag, für jeden verkauft, Schwer- und Schwerstarbeiten erhalten zwei weitere Eier, also insgesamt drei.
Sparsamkeit im Kohlenverbrauch. Die Kriegsamtsstelle in Koblenz teilt mit: Sparsamkeit im Kohlenverbrauch ist nach wie vor vaterländische Pflicht. Der Magistrat der Stadt Frankfurt hat kürzlich ein neues Heizverbot erlassen. Die Wirtschaften, Hotels, Konditoreien, Kaffees, überhaupt alle Lokale dürfen nicht mehr beheizt werden. Für Theater, Lichtspielhäuser, Konzertsäle, Vergnügungssäle aller Art einschließlich der Wirtschaften mit Varieté-Konzessionen dürfen bis auf weiteres keine Brennstoffe mehr geliefert werden, auch Warmwasserversorgungen aller Art dürfen nicht mehr betrieben werden. Für den Bereich des 8. Armeekorps ist, wie wir hören, von einer ähnlichen Verfügung Abstand genommen worden, doch wird von der Einsicht der in Frage kommenden Kreise erwartet, daß sie möglichst sparsam mit en vorhandenen Kohlevorräten umgehen, da die Kohleversorgung nach wie vor mit den Verkehrs- und Betriebsschwierigkeiten auf den Eisenbahnen in engstem Zusammenhange steht, und jeder in seinem Teile verpflichtet ist, die Schwierigkeiten nicht noch zu vergrößern.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Die erholungsbedürftigen Stadtkinder, die für eine Reihe von Wochen auf dem Lande bereitwilligst Aufnahme und Pflege finden sollten, sind noch nirgendwo eingetroffen. Mittlerweile habe sich bei den Landwirten Bedenken aufgedrängt, weil auch bei der Selbstversorgung für diese Stadtkinder Brot auch nur auf besondere Karten entnommen werden darf und nicht aus dem eigenen Versorgungsbestande. Die Landwirte befürchten, daß wöchentlich drei Pfund Brot für einen gesunden Stadtjungen nicht ausreichen. Den gastfreundlichen Bauernfamilien behagt es auch nicht, daß die Pflegekinder alle zwei bis drei Wochen ausgetauscht werden sollen.
Sämtliche Zugtiere und Fahrzeuge müssen auf Anfordern der Behörden bis auf weiteres gegen Entgelt zur Verfügung gestellt werden, um Güter, die für die Kriegswirtschaft einschließlich der Lebensmittelversorgung notwendig sind, unverzüglich weiterzubefördern. Aus einer Verordnung des Gouverneurs der Festung Köln in der heutigen Nummer unseres Blattes ist alles Nähere zu ersehen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Bezugsscheine. Seit dem 3. April des Jahres hat die Erlangung von Bezugsscheinen eine wesentliche Erschwerung erfahren. Während vorher bei der Ausfertigung des Bezugsscheins vorwiegend berücksichtigt wurde, wie viele Sachen der Antragsteller schon auf Bezugsschein bezogen hatte, sind nunmehr allein die Vorräte an Bekleidungsgegenständen maßgebend, die dem Antragsteller zur Verfügung stehen. Nur derjenige soll in Zukunft einen Bezugsschein erhalten, der den dringenden Bedarf der Anschaffung hat. Alles Hamstern wird in Zukunft aufhören, und diejenigen, die über einen gewissen Bestand von Kleidungsstücken verfügen, werden von ihren Vorräten zehren und auf neue Bezugsscheine verzichten müssen.
Die Anzahl von Kleidungsstücken, die für die Person als ausreichend erachtet ist, ist in einer Bestandsliste zusammengestellt, welche im Anzeigenteil unserer Zeitung abgedruckt ist. Wer so viel Vorrat hat, wie in dieser Bestandsliste angegeben ist, hat kein Anrecht auf Ausfertigung eines Bezugsscheins. So genügen für einen Herren insgesamt 1 Werktags- und ein Sonntags-Anzug, 1 Ueberzieher, 2 Arbeitskittel, 2 Einzelwesten, 2 Arbeitshosen, 2 Ober-, 3 Unter- und 3 Nachthemden, 3 Unterhosen, 4 Paar Strümpfe. Für Damen 2 Werktagskleider, 1 Sonntagskleid, 1 Einzel-Kleiderrock, 2 Blusen oder Jacken, 1 Mantel oder Umhang, 1 Umschlagtuch, 1 Morgenrock, 3 Schürzen, 4 Taghemden, 3 Nachthemden oder Nachtjacken, 4 Beinkleider oder Hemdhosen, 3 Unterröcke, 4 Paar Strümpfe. Außerdem für beide Geschlechter 3 Paar Schuhe. Auch alte und abgetragene Sachen zählen mit, soweit sie noch irgendwie verwendbar sind. Zwischen Winter- und Sommer-Sachen wird in der Regel nicht mehr unterschieden. Ueber die Bestandsliste hinaus dürfen Anschaffen nur in Einzelfällen bewilligt werden, die durch Berufstätigkeit begründet sind.
Die Bestandsliste sagt nur, welche Anzahl von Bekleidungsstücken für jedermann als ausreichend angesehen wird, gibt aber niemandem ein Anrecht, nunmehr auf einmal seinen Bestand auf die in der Bestandsliste angegebene Stückzahl zu erhöhen.
Wer zum Beispiel ein Paar Schuhe besitzt, hat nicht etwa ein Anrecht auf Bezugsschein auf 2 weitere Paar. Nach wie vor wird vom Bekleidungsamt in jedem einzelnen Falle, auch wenn die Stückzahl der Bestandsliste nicht überschritten ist, die Notwendigkeit des Bedarfs geprüft werden. [...]
Es ist zu hoffen, daß sich mit der Zeit jedermann von der Notwendigkeit äußersten Sparens überzeugen wird. Keiner darf sich mehr scheuen, alte und abgetragene Sachen zu tragen, wenn sie geflickt und reinlich sind. Im Gegenteil gereicht ihm dies nur zur Ehre. Denn wirklich vaterländisch handelt, wer seine alten Sachen bis zum letzten Faden aufträgt, anstatt durch neue Anschaffungen unseren ohnehin knappen Bestand an Bekleidung noch mehr zu vermindern.
Vaterlandsverräter schlimmster Art müssen diejenigen Klatschbasen männlichen und weiblichen Geschlechts genannt werden, die in den letzte Tagen in Bonn das Gespräch aufgebracht und verbreitet haben, als träte in der nächsten Zeit eine weitere erhebliche Einschränkung der Brotmenge ein, ja als sei eine völlige Einstellung der Brotversorgung zu erwarten. Es ist kaum glaublich, daß es überhaupt noch Menschen gibt, die einen derartigen Unsinn – fast hätten wir gesagt Blödsinn – als bare Münze hinnehmen. In einer Zeit, wo unsere braven Truppen in heldenmütiger Todesverachtung den gewaltigen Ansturm der feindlichen Heeresmassen Trotz bieten, sollte in der Heimat ein derartiges gedankenloses Gerede doch wahrhaftig für unmöglich gehalten werden. Jeder deutsche Mann und vor allem jede deutsche Frau, die in sich noch eine Ahnung fühlt von der erhabenen Aufgabe, das Vaterland in seiner höchsten Not tatkräftig zu unterstützen, sollte hier tätig mit eingreifen und unnachsichtlich diesen vaterlandslosen Gesellen das verderbliche Handwerk legen und sie zur Anzeige bringen, damit sie ihrer verdienten Strafe nicht entgehen.
Der 1000. Kriegstag ist der heutige 26. April, wenn man den 1. August 1914, den Tag, an dem Rußland den Krieg gegen Deutschland eröffnete, als den eigentlichen Beginn des Weltkrieges ansieht.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Freitag, 27. April 1917
Kinderheim der evangelischen Gemeinde. Das Presbyterium der evangelischen Gemeinde beabsichtigt, im Hause und Gelände des früheren Schwesternheims der Friedrich-Wilhelm-Stiftung auf dem Venusberg, Bergstraße Nr. 203, ein Kinderheim zur Pflege erholungsbedürftiger evangelischer hiesiger Volksschulkinder einzurichten. Das kleine Haus kann zwar nur 10 bis zwölf Kinder fassen, das große, für diesen Zweck außerordentlich geeignete Gelände soll aber nicht länger unbenutzt bleiben, und nach dem Kriege kann der kleine Anfang weiterentwickelt werden. Das Haus ist aber völlig leer. Der vorläufige Ausschuß wendet sich daher an die Hausfrauen der Gemeinde mit der Bitte, aus ihren während des Krieges schon stark in Anspruch genommenen Beständen einiges darzureichen. Notwendig sind einige Betten (für Kinder von 6 bis 14 Jahren), Bettwäsche, Kissen, Decken, Leibwäsche, Handtücher, einiges Küchengeschirr, Küchen- und Kleiderschränke, einige Stühle, auch Liegestühle u. ä. Auch Geldspenden sind sehr erwünscht, sie und die Anmeldungen der Gegenstände werden beim vorläufigen Ausschuß (Vorsitzender Pfarrer Kremers) entgegengenommen.
Der Absatz von Apfelmus ist von der Kriegsgesellschaft für Obstkonserven und Marmeladen den Fabriken freigegeben worden, jedoch darf die Lieferung nur an Lazarette, Sanatorien, Krankenanstalten erfolgen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Kriegspatenversicherung. Wir haben wiederholt darauf hingewiesen, daß der Städt. Ausschuß für die Kriegshilfe sich die Förderung der Kriegspatenschaft zur besonderen Aufgabe gemacht hat, deren Hauptzweck bekanntlich die Sicherstellung eines kleinen Kapitals ist, um Kriegerwaisen eine bessere Berufsausbildung zu geben. Mit Rücksicht auf die nicht unerheblichen Unkosten, welche bei dieser Form der Versicherung durch Versicherungs-Gesellschaften entstehen, hat der Ausschuß für die Kriegshilfe einen Weg gewählt, der völlige Gemeinnützigkeit unter Ausschluß jeglicher Gewinnerzielung gewährleistet. Die städt. Sparkasse hat besondere Kriegspatenbücher beschafft für Kriegerwaisen. Die Einlagen in diese werden mit fünf Prozent verzinst, die Auszahlung des Sparguthabens erfolgt erst nach Ablauf von 10 Jahren seit der ersten Einzahlung und nur mit Einwilligung des städtischen Waisenamtes. Auf diese Weise ist die volle Gewähr dafür geboten, daß das Sparguthaben für Ausbildungs- und Aussteuerzwecke in der richtigen Weise verwendet wird. Das städtische Waisenamt führt die Verwaltung dieser Patenstiftungen und sorgt in jeder Weise dafür, daß sie den Wünschen der Stifter und den Bedürfnissen der Kriegswaisen entsprechend verwendet werden.
Erfreulicherweise wird von dem so gebotenen Wege, durch einmalige oder wiederholte Einzahlungen bei hoher Verzinsung den Kriegswaisen ein kleines Kapital für die Zukunft zu sichern, reger Gebrauch gemacht. Wer daher gewillt ist, durch Uebernahme der Fürsorge für eine Kriegswaise in dieser Form einen Teil der Dankesschuld gegen unsere Krieger, die ihr Leben für das Vaterland geopfert haben, an ihren Kindern abzutragen, dem bietet sich hier Gelegenheit. Die städtische Sparkasse nimmt derzeit Einzahlungen auf Kriegspatenbücher entgegen. [...]
Die Hühnerdiebstähle mehren sich in letzter Zeit in unserer Stadt in erschreckender Weise. Nachdem wir bereits in den letzten Tagen eine Reihe derartiger Diebstähle melden konnten, gelangte gestern wieder ein Fall zur Anzeige. In der vorvergangenen Nacht statteten Diebe dem Hühnerstall eines Anwohners in der Haydnstraße einen Besuch ab. Sie überstiegen die zum Stall führende Mauer und erbeuteten sieben wertvolle Tiere.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Nachrichten des städtischen Lebensmittelamtes.
Brotversorgung.
Die Bäcker haben strengste Anweisung, Brot für die kommende Woche erst Samstags abzugeben. Bei Zuwiderhandlung werden sowohl die Bäcker als auch Käufer schwer bestraft. Bäckereien werden in diesem Fall für die Dauer des Krieges geschlossen.
Fleisch.
Auf jede Zusatzfleischkarte (Brotersatz) werden am Samstag ½ Pfund Rindfleisch oder Kalbfleisch zu 0,90 Mark bezw. 1,50 Mark das Pfund abgegeben. Kinder bis zu 6 Jahren erhalten ¼ Pfund Fleisch. Bei der Entnahme von Blut- und Leberwurst (das Pfund zu 0,80 Mark) ist neben dem entsprechenden Abschnitt der Zusatz-Fleischkarte auch die Warenkarte Nr. 27 abzugeben.
Jeder Andrang zu den Metzgergeschäften ist unnötig, da so reichlich Fleisch an die Metzger verteilt wird, daß ein jeder die bestimmte Menge unter allen Umständen erhalten kann.
Am Mittwoch nächster Woche werden auf die Reichsfleischkarte Rindfleisch, Kalbfleisch du Fleischwurst zum Preise von 2,80 Mark das Pfund verkauft.
Fett.
In der kommenden Woche werden 30 Gramm Butter, sowie 30 Gramm Margarine auf die entsprechenden Abschnitte der Speisefettkarte ausgegeben.
Kartoffeln.
Auf die Kartoffelkarte werden 5 Pfund Kartoffeln ausgegeben, auf die Zusatzkartoffelkarte weitere 3 Pfund. Zur Zeit müssen die Kartoffeln besonders gut behandelt werden. Sie dürfen nicht, wie es meist üblich ist, nach dem Schälen gleich gekocht, sondern müssen am Abend vorher geschält und ins Wasser gelegt werden.
[...]
Acker und Krieg.
Unsere Oberste Heeresleitung sagt in ihrem Bericht vom 24. April, daß an den Erfolgen der letzten Schlachten jeder Bauer und Arbeiter seinen Anteil hat, der sich in den Dienst des Vaterlandes stellt und seine Kräfte einsetzt für die Versorgung des Heeres, Nicht allein an unseren eisenbewehrten Fronten, sondern ebenso auf den friedlichen Aeckern aller deutschen Gaue fallen die Würfel dieses Krieges. Die Bestellung des deutschen Ackers ist heute unsere dringendste Aufgabe. Der deutsche Acker braucht Menschen. Da hat zunächst jeder, der vom Lande stammt, und dort Bescheid weiß, und in der Stadt nur irgendwie abkömmlich ist, die Pflicht, vom Frühjahr bis zum Herbst draußen für unsere Ernährung zu arbeiten. Ihn ruft das Land in die erste Reihe seiner Besteller, aber auch jeden anderen´, der kräftige Arme hat, der schaffen kann und will. Wer zu schwerer Arbeit nicht fähig ist, aber von den leichten Tätigkeiten in der Landwirtschaft einige Kenntnisse besitzt, der wird es gerade in diesen Jahren gewiß nicht bereuen, auf dem deutschen Acker an unserem Kriege mitgefochten zu haben. Die durch die schlechte Witterung der letzten Wochen verzögerte Frühjahrsbestellung drängt die unbedingt zu leistende Arbeit in einen sehr kurzen Zeitraum zusammen und erfordert mehr Arbeitskräfte als bei der gewöhnlichen Aufeinanderfolge notwendig wären. Auch dies muß geleistet und wird geleistet werden, wenn jeder seine Pflicht tut. Das erste und letzte Gebot dieser Stunde bleibt gerade in diesen Frühjahrstagen: Alles hinaus aufs Land, was irgend dazu fähig und berufen ist. Auch an die wohlhabenden Kreise richtet das Vaterland seinen Mahnruf: sie mögen sich mit geringerer Zahl von Bedienung in dieser ernsten Zeit behelfen, als es heute noch manche von ihnen tun. Wir alle, auch sie müssen und wollen vom deutschen Acker leben im kommenden Jahre. An alle ergeht daher sein Ruf.
[...]
Bekleidungsamt.
In letzter Zeit haben sich öfters Personen die Lebensmittelkarte von Bekannten unter irgend einem Vorwand verschafft und sich auf deren Namen und Kleiderkarte vom Bekleidungsamt Bezugsscheine ausstellen lassen. Derartig schwere Verstöße werden unnachsichtlich zur Anzeige gebracht und schwer bestraft werden. Der Inhaber einer solchen Lebensmittelkarte wird geschädigt, da ihm die auf seiner Kleiderkarte vermerkten Gegenstände bei späteren Anträgen in Anrechnung gebracht werden. Daher soll niemand seine Lebensmittelkarte anderen Personen in die Hand geben.
[...]
Die deutsche Front steht fest. Auf die Sprengung der inneren Front hat die Entente seit Kriegsbeginn große Hoffnungen gesetzt und was ihr damals nicht gelang, glaubte sie jetzt als Trumpf in der Entscheidungsstunde ausspielen zu können. Bezahlte Agenten machten sich die Verstimmungen einzelner Kreise über die Ernährungsschwierigkeiten zunutze und glaubten, durch ihre Wühlereien die deutsche Arbeiterschaft dazu bringen zu können, ihre Kameraden an der Front in Stich zu lassen und sie durch die Einstellung der Arbeit in den Munitionsfabriken wehrlos dem feindlichen Ansturm auszuliefern. Die Hoffnung unserer Feinde ist schmählich zuschanden geworden. Der große Schlag, der geplant war, ist ins Wasser gefallen. Die Arbeiterschaft ist sich ihrer vaterländischen Pflicht bewußt gewesen und hat den fremden Lockungen kein Gehör geschenkt.
Dank dem verständnisvollen Zusammenarbeiten zwischen Regierung und Gewerkschaften sind die Wünsche der Arbeiter befriedigt worden. Wie wir mitteilen können, hat in den großen Munitionswerkstätten des 8. Armeekorps kein Arbeiter bis jetzt gefehlt.
Die deutsche Front steht unerschüttert innen wie außen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Samstag, 28. April 1917
Die Polizeistunde. Das Reichsamt des Inneren hat dem Reichsverband deutscher Gastwirte mitgeteilt, daß eine Hinausschiebung der Polizeistunde nicht beabsichtigt ist. Der Grund der Beibehaltung der jetzigen Polizeistunde ist darin zu suchen, daß auf eine größtmöglichste Ersparnis der Kohlen Gewicht gelegt werden muß. In dem Schreiben heißt es zum Schluß. „Eine allgemeine Hinausschiebung der Schließung der Gast- und Schankwirtschaften würde aber, abgesehen von dem dadurch bedingten größeren Kohlenverbrauch, insbesondere auch einen längeren Betrieb der öffentlichen Verkehrsanstalten nach sich ziehen müssen, was im Interesse der Kohlenersparnis nicht angängig ist. Die Wünsche der einzelnen Berufsstände müssen in der jetzigen Zeit hinter den Interessen der Allgemeinheit zurückstehen, so bedauerlich dies auch für die davon Betroffenen sein mag.“
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Beschaffung von Kleingeld. Nach Erledigung der Tagesordnung kam in der gestrigen Sitzung der Stadtverordnetenversammlung auch die Kleingeldfrage zur Sprache. Bekanntlich hat schon vor langer Zeit die Stadtverordnetenversammlung beschlossen, gemeinsam mit den Kreisen Bonn-Land und Siegkreis Notgeld zur Behebung des Kleingeldmangels herauszugeben. Bisher ist es aber beim guten Willen geblieben und die Handelskammer hat nach einer Mitteilung der Stadtverwaltung gestern mitgeteilt, daß mit der Ausgabe von „städtischem Kleingeld“ vor Ende Mai nicht zu rechnen ist, da sich keine geeignete Druckerei für die Anfertigung desselben findet. Da nun der Kleingeldmangel bereits zu recht bedenklichen Erscheinungen im täglichen Leben führt, hielt es das Stadtverordnetenkollegium für unbedingt notwendig, daß in der Angelegenheit sofort ernste Schritte unternommen werden. Fast alle Stadtverordnete warteten mit guten Ratschlägen zur Behebung der Not auf. Im Allgemeinen wurde aber überwiegend die Ansicht laut, daß sich die Stadt Bonn jetzt nicht weiter an die anderen beteiligten Kreise stören und selbst die Sache in die Hand nehmen müsse. Nachdem eine ganze Reihe von Herren das Wort zu der Angelegenheit genommen hatten, wurde beschlossen, den Finanzausschuß für Samstag sofort einzuberufen und die erforderlichen Vorarbeiten zu erledigen. Gleichzeitig soll nochmals bei den Landratsämtern der Kreise Bonn-Land und Siegkreis angefragt werden, ob sie ohne Befragung des Kreistages in der Lage sind, sich der Stadt anzuschließen. Es ist in Aussicht genommen, vorläufig für 30.000 Mark Zehnpfennigstücke und für 20.000 Mark Fünfpfennigstücke in Papier oder Metall herzustellen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Hilfsdienstpflichtige, schützt Euch vor Strafe! Vielfach herrscht noch Unkenntnis in den Strafbestimmungen, die das Hilfsdienstgesetz und insbesondere auf Grund des Gesetzes die Bundesratsverordnung vom 13.3.17 über Verfehlungen gegen die Meldepflicht Hilfsdienstpflichtiger enthält. Diese Unkenntnis kann zu schweren Nachteilen für die Betroffenen führen. Deshalb sei darauf hingewiesen, daß § 10 Abs. 1 der genannten Bundesratsverordnung Gefängnisstrafe bis zu 3 Monaten oder Geldstrafe bis zu 600 Mark dem androht, der bei der Meldung wissentlich unwahre Angaben macht. Nach Abs. 2 der genannten Verordnungsstelle wird mit Geldstrafe bis zu 150 Mark oder mit Haft bestraft, wer die in §§§ 2, 3, 6, 7 Meldungen oder Mitteilungen schuldhaft unterläßt. Vor allem kommt für die Meldung zum Hilfsdienst in Betracht, daß die auf die erfolgte öffentliche Aufforderung der Ortsbehörden zu der in der Aufforderung bestimmten Zeit bei der darin angegebenen Stelle durch Ausfüllen der Meldekarte persönlich zu erfolgen hat.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Sonntag, 29. April 1917
Der Verband Bonner Frauenvereine, der sich im Januar zusammengeschlossen hatte und jetzt bereits 26 Vereine umfaßt, hielt Freitag im großen Saale der Lese seine erste Mitgliederversammlung ab. Die zweite Vorsitzende, Frl. Böttrich, hatte die Leitung an Stelle der kürzlich dem Stadtverbande schon durch den Tod entrissenen ersten Vorsitzenden, Frau Elisabeth Gudden. [...] Nach einigen weiteren Mitteilungen gab die Vorsitzende das Wort an Frl. Reinbrecht zu einem kurzen Bericht des Ausschusses für hauswirtschaftliche Kriegshilfe, der seit seinem Anschluß an die Zentrale des Nationalen Frauendienstes auch diesen Namen führt. Nach einem kurzen Ueberblick über die Arbeit der ersten zwei Jahre berichtete sie über die augenblicklich laufenden Arbeiten, die Kinderspeisung, die gemeinnützige Flickschusterei, in der seit Juli 1916 nahezu 6000 Paar Schuhe zum Ausbessern angenommen wurden, die Sammelstelle für Kaffeesatz, Frauenhaare, Obstkerne u. a. m. und die Beratungsstelle. Sie wies an den Abschlusszahlen den Umfang der auf den einzelnen Gebieten geleisteten Arbeit nach und sprach all denen, die durch Mitarbeite, Zuwendungen und Darlehen dazu beigetragen haben, den herzlichen Dank des Ausschusses aus; ebenso der Universität und der städtischen Verwaltung für die dem Ausschuß gewährte Gastfreundschaft und freundschaftliche Unterstützung. Nachdem die Vorsitzende der Berichterstatterin für ihre Ausführungen sowie für ihre treue Arbeit gedankt hatte, erteilte sie der Rednerin des Abends, Frl. Oberlehrerin Weber aus Köln, das Wort zu ihrem Vortrage „Deutsche Frauenpflichten in schicksalsschwerer Zeit“. Durch Entrollen von drei erschütternden Bildern der Gegenwart – des Ringens an der Front, des Widerhalls von Gröners Aufruf unter der Arbeiterschaft und des Frauendienstes in der Rüstungsindustrie – versetzte die Rednerin ihre Zuhörer in die weihevolle Stimmung, die sie aus der einschläfernden Gewohnheit der Alltäglichkeit und der kleinlichen Sorge um das eigene Leben und das der nächsten Angehörigen herausheben und zu allen Opfern für Heimat und Vaterland willig machen soll. Das Gebot der Stunde sei, auszuhalten, sich mit dem Zugeteilten zu begnügen und nicht durch Zahlen von Wucherpreisen denen, die es am nötigsten haben, wertvolle Nahrungsmittel zu entziehen. Es gelte, mit ihnen zu tragen und zu leiden, nicht Samen des Hasses zu säen, sich dessen bewußt zu sein, daß Reichtum gerade unter den heutigen Verhältnissen schwere Verantwortung auferlegt. Das bedeute in der Praxis, auf der einen Seite sich selbst, so viel es angeht, in den Hilfsdienst, in die Kriegsfürsorgearbeit zu stellen und die Frauen, die seit 1914 darin tätig sind, zu entlasten, auf der anderen Seite Einschränkungen des gewohnten Lebenszuschnittes in Bezug auf Dienstboten, Kleidung, Reisen und mancherlei anderes, was mit einem unzeitgemäßen Aesthetentum zusammenhängt. Jedes Entsagen, jedes Opfer wird als Kranz auf das Grab der entschlafenen, uns vorbildlich gewordenen ersten Vorsitzenden niedergelegt. Reicher Beifall zeigte der Rednerin die Wirkung ihrer Ausführungen, für die ihr die Vorsitzende herzlich dankte.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Keine Aufhebung des Siebenuhr-Ladenschlusses. Aus Berlin wird berichtet: Der Bundesrat hat davon Abstand genommen, die geltenden Bestimmungen über den Siebenuhr-Ladenschluß für die Dauer der „Sommerzeit“ aufzuheben. In der Bundesrats-Sitzung vom 26. April ist lediglich eine Ergänzung der Bestimmungen in § 2 der Verordnung betreffend die Ersparnis von Brennstoffen und Beleuchtungsmittel vom 11. Dezember 1916 dahin beschlossen worden, daß Verkaufsstellen, in denen der Verkauf von Lebensmitteln oder von Zeitungen als Haupterwerbszweig betrieben wird und denen infolgedessen gestattet ist, über 7 Uhr abends bezw. (an Samstagen) 8 Uhr abends hinaus offen zu halten, untersagt wird, in diesen Verkaufsstunden andere Waren als Nahrungsmittel oder Zeitungen zu verkaufen. Diese Ergänzung kommt insbesondere den Klagen von Zigarren- und Tabakhändlern entgegen, die sich dadurch benachteiligt fühlten, daß in den Stunden, in denen sie selbst ihre Geschäfte geschlossen halten mußten, Lebensmittel- und Zeitungshändler Tabakfabrikate feilbieten konnten.
Kriegsküche in Poppelsdorf. Der neue Leiter der Küche, Herr Restaurator Hombach, ist sichtlich bestrebt, es allen so recht zu machen, daß sogar die berufsmäßigen Nörgler nichts zu tadeln haben. Das am Dienstag verabreichte Gericht (Bismarckheringe mit Kartoffeln und Tunke) möge noch recht oft auf dem Speisezettel zu finden sein. Besonders unsere Kleinen gehen mit großer Freude zur Kriegsküche hin, wenn es so trefflich nach Bismarckheringen und Kartoffeln duftet.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Zur Beschaffung von Schlachtvieh. Die Besucher der außerordentlichen General-Versammlung des Bundes der Viehhändler Deutschlands beschlossen in Anbetracht der schwierigen Lage des Vaterlandes dem am 28. Januar 1916 gefaßten Beschluß treu zu bleiben und die Gesamtheit der deutschen Viehhändler zu ermahnen, ohne Rücksicht auf die Höhe des Verdienstes alle Kräfte zur Beschaffung des Schachtviehes bis zur siegreichen Beendigung des Krieges aufzuwenden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Montag, 30. April 1917
Das Jubiläum der Bonner Zeitung hat Herr Oberbürgermeister Spiritus folgendes Glückwunschschreiben gesandt:
Der Bonner Zeitung gestatte ich mir namens der Stadt Bonn zum 25jährigen Jubiläum aufrichtig Glück zu wünschen.
Vom vaterländischen Geiste beseelt und geleitet von lebhaftem Interesse für das Gemeinwohl, hat die Bonner Zeitung in den 25 Jahren ihres Bestehens zur gedeihlichen Entwicklung der Stadt Bonn erfolgreich beigetragen, wie sie auch in der jetzigen großen und schweren Zeit unseres Vaterlandes die wichtigen Aufgaben der Presse, insbesondere hinsichtlich der Erhaltung und Kräftigung des gesunden Sinnes der Bevölkerung, getreu erfüllt hat.
Möge es der Bonner Zeitung beschieden sein, in diesem Geiste in hoffentlich baldiger gesegneter Friedenszeit weiter zu arbeiten und zu wirken zum Wohle für das Vaterland und unserer engeren Heimat“
In ausgezeichneter Hochachtung
Spiritus.
Glückwünsche sind ferner eingelaufen von der Deutschen Reichszeitung und vom Wolffschen Telegraphenbureau.
Der letzte Aprilsonntag war in diesem Jahre der erste schöne Frühlingstag. Er brachte uns den so lange ersehnten warmen Sonnenschein und förderte das Wachstum in der Pflanzenwelt fast zusehends. Die Kastanienbäume z. B., die Samstag erst dicke Knospen trugen, beginnen jetzt schon, ihre Blätter zu entrollen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Altkleiderverkauf. In der Annahmestelle für alte Sachen in der Stockenstraße hat sich im Laufe der Zeit ein stattlicher Vorrat alter Kleider- und Wäschestücke, Schuhe und Uniformstücke angesammelt, die teils angekauft, teils in hochherziger Weise unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurden. Trotzdem machen viele Kreise von dem so gemeinnützigen Unternehmen noch nicht den genügenden Gebrauch. Besonders seitens der wohlhabenderen Bevölkerung erscheint eine stärkere Abgabe der alten Sachen erwünscht. Sie werden gut bezahlt, aber viele werden es sich zur Ehre anrechnen, ihre Sachen unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Eine reichliche unentgeltliche Abgabe kommt der minderbemittelten Bevölkerung zu gute, weil hierdurch die Preise der Sachen beim Verkauf besonders niedrig berechnet werden können.
Beschlagnahme von Elektromotoren. Das stellvertretende Generalkommando macht bekannt, daß sämtliche im Besitz von Händlern befindlichen Elektromotoren von zwei Pferdestärken an aufwärts beschlagnahmt werden.
Preise für Gemüse und Obst. Die Reichsstelle für Gemüse und Obst wird, wie sie mitteilt, an ihrer Entschließung festhalten, Höchstpreise erst dann festzusetzen, wenn sich die Ernte einigermaßen übersehen läßt. Die von ihr für Frühgemüse veröffentlichten Preise sind keine Höchstpreise, sondern nur Richtpreise, die unter der Annahme einer normalen Ernte festgesetzt worden sind. Infolge der noch immer andauernden ungewöhnlichen Kälte werden die Bestellungsarbeiten unter sehr erschwerten Umständen stattfinden, sodaß auch mit einem normalen Verlauf der Ernte jetzt nicht mehr gerechnet werden kann. Die Reichsstelle betrachtet daher die von ihr veröffentlichten Richtpreise für Frühgemüse unter allen Umständen als Mindestpreise und rechnet mit der Notwendigkeit, daß sie die Höchstpreise, deren Festsetzung erfolgen soll, sobald dies irgend möglich ist, nicht unerheblich höher wird bemessen müssen. Die Reichsstelle wünscht, daß dies möglichst allgemein bekannt wird, damit die Arbeitsfreudigkeit in den Erzeugungskreisen unter den jetzigen widrigen Bestellungsverhältnissen nicht leidet. Aehnlich liegen die Verhältnisse bei der zu erwartenden Obsternte.
Fünf Hühner wurden in der Nacht vom Samstag zum Sonntag einem Einwohner der Eintrachtstraße gestohlen. Die Diebe drangen durch Übersteigen der Einfriedung in das Haus ein und erbrachen ein zum Schutz des Hauses angebrachtes Vorhängeschloß.
Ein wertvolles Kaninchen wurde ebenfalls in der Nacht vom Samstag auf Sonntag einem Anwohner der Eintrachtstraße gestohlen.
Eine Leiche wurde gestern nachmittag gegen 1 Uhr in der Nähe des Jesuitenhofes aus dem Rheingelandet. Es handelt sich um eine weibliche Person im Alter von 14 bis 16 Jahren. Die Leiche ist nach der Leichenhalle des Nordfriedhofes verbracht worden. Nach den vorgefundenen Papieren liegt Selbstmord vor.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Kriegs-Kindergärten. Die Provinzialabteilung Rheinprovinz des deutschen Vereins für ländliche Wohlfahrts- und Heimpflege teilt mit, da sie die Einrichtung von Kriegs-Kindergärten auf dem Lande bei den Bürgermeisterämtern angeregt hat und in Verbindung mit dem Zentralverband katholischer Kinderhorte und Kleinkinderanstalten Deutschlands (Sitz Bonn) kurze Lehrgänge zur Ausbildung der Leiterinnen dieser Kindergärten veranstalten will. Sie hat um die Mitwirkung der Geistlichkeit sowohl bei der Auswahl der Leiterinnen wie auch bei der Einrichtung und dem Betriebe der Bewahranstalten dringend gebeten. Bei der hohen Bedeutung der in Frage stehenden Einrichtungen ist eine solche dringend geboten.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)