Mittwoch, 23. Mai 1917
Aus dem städtischen Lebensmittelamt. Für die Pfingstwoche sollen wieder etwas reichlichere Mengen Lebensmittel ausgegeben werden, und zwar der Feiertage wegen schon vom übermorgigen Freitag ab.
Für diese Woche werden noch Speck und Eier verkauft, und zwar Speck, 50 Gramm, am morgigen Donnerstag, Eier, zwei für jeden Einwohner, wie gewöhnlich Freitag und Samstag.
Das Gemüse ist in den letzten Tagen wieder etwas reichlicher nach Bonn gekommen, der gestrige Markt war sogar recht gut beschickt. Endlich sind nun auch die Preise für Gemüse und Obst geregelt worden. Am heutigen 23. Mai treten im Stadtkreise Bonn die Groß- und Kleinhandelshöchstpreise in Kraft, die für den ganzen Regierungsbezirk einheitlich festgesetzt worden sind. Es handelt sich jetzt, worauf ausdrücklich hingewiesen sei, um Höchstpreise, nicht, wie früher, um Richtpreise; Ueberschreitungen dieser Höchstpreise werden schwer bestraft, mit Gefängnis bis zu einem Jahr und mit Geldstrafe bis zu 10.000 Mark. Damit die Verkäufe überwacht werden können, müssen die Großhändler und Erzeuger über jeden Verkauf einen Schlußschein ausfüllen und diesen Schein drei Monate aufbewahren. […] Zunächst sind Höchstpreise für Spargel, Rhabarber und Spinat festgesetzt worden. […]
Es ist der Wunsch geäußert worden, es möchten die Knochen, die die Haushaltungen an die Metzger zurückliefern, bezahlt werden. Das ist bei der geringen Knochenmenge, die der einzelne Haushalt zurückliefert, ganz undurchführbar. […] Es wird daher von der vaterländischen Gesinnung der Bevölkerung erwartet, daß sie auf Bezahlung verzichtet und trotzdem im Nutzen der Allgemeinheit die Knochen so sorgfältig wie möglich sammelt und abliefert.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Mozarts „Zauberflöte“ wurde gestern abend im Stadttheater von den „Kölnern“ in einer im allgemeinen vortrefflichen Wiedergabe geboten. […] Das Haus war bis fast auf den letzten Platz besetzt.
Heinrich Lersch, „der Sänger des deutschen Krieges“, wie Julius Bab ihn nennt, wird am Samstag, 2. Juni im Saal der Lese aus seinen Dichtungen vortragen. Der junge Kesselschmied schrieb schon vor Kriegsbeginn wertvolle Lyrik und die Kriegsgesänge, die er später dem deutschen Volke geschenkt hat, ließen seinen Namen bald hell durch ganz Deutschland ertönen. Friedens- und Kriegs-Dichtungen wird Lersch an seinem Abend zu Gehör bringen. […]
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Wer Getreide liefert, hilft uns siegen! Landwirte, die Kraft der Feinde erlahmt! An Euch ist’s, den Sieg zu vollenden: Liefert Getreide ab, sofort und trotz Bestellzeit. Wir brauchen es dringend.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Gestern morgen mußte man den Bauernfrauen auf dem Markte für einen Zweig Flieder 40 Pfg. zahlen. Als ich im Hofgarten die Universität passierte, sah ich dort den schönen Flieder umherstehen. Könnte man nicht denselben schneiden und zum Besten der Witwen und Waisen auf dem Markte verkaufen? Auf Anregung fänden sich vielleicht auch Private, die ihren überflüssigen Blumenflor zu gutem Zweck hergäben. Das würde auch gleichzeitig dem Wucher der Bauernfrauen ein Ende bereiten.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)