Dienstag, 20. Februar 1917

     

Aus dem städtischen Lebensmittelamt.
Die Kohlenversorgung
ist jetzt glücklicherweise in der Stadt Bonn einigermaßen geregelt. Das Lebensmittelamt konnte bisher noch allen Ansprüchen der Behörden, Krankenanstalten, der Industrie und von Privaten gerecht werden. Man darf erwarten, daß bei der milderen Witterung auch die Hemmnisse im Eisenbahnverkehr etwas schwinden und die Kohlenversorgung bald vollends befriedigen wird. Durch Vermittlung des Braunkohlensyndikats in Köln läßt die Stadt Bonn aus der Grube Luise bei Brügge an der Erft mit Hilfe von Gefangenen täglich 20 Eisenbahnwagen voll Briketts laden und auf den Köln-Bonner Kreisbahnen nach Bonn bringen. Ein Brikettmangel erscheint daher für die nächste Zeit ausgeschlossen.
   Bei der Brotversorgung wird in kürzester Zeit eine sehr einschneidende Maßnahme durchgeführt werden müssen. Im laufenden Erntejahre hat die Reichsgetreidestelle nicht nur einen gegen das Vorjahr verstärkten Bedarf der Heeresverwaltung zu decken, sondern es ist auch der laufende Bedarf der Kommunalverbände durch die eingeführten verschiedenen Zulagen für Schwerarbeiter, für Jugendliche, für hoffende und stillende Frauen usw. beträchtlich gestiegen. Dazu sind unerwartet hohe Anforderungen durch die Hergabe von Weizenschrot als Brotstreckungsmittel und die Mehllieferung als Kartoffelersatz getreten, auch sind die Brotgetreidelieferungen aus den Kommunalverbänden an die Reichsgetreidestelle in letzter Zeit ganz ungenügend gewesen. Es liegt daher die unabweisbare Notwendigkeit vor, unverzüglich das Brotgetreide weiter zu strecken. Roggen und Weizen werden infolgedessen fortan wenigstens bis zu 94 v. H. ausgemahlen, während bisher der Ausmahlungssatz 80 bezw. 82 v. H. betrug. Dem Bäckereigewerbe fällt dadurch eine schwere Aufgabe zu, denn das Brotbacken aus einem derartigen Mehl ist zunächst ungewohnt und es sind dabei viele technische Anordnungen zu beobachten. Die Bevölkerung wird daher dringend gebeten, dieser neuen Maßnahme mit dem Verständnis entgegenzutreten, das in dieser schweren Zeit unbedingte Pflicht jedes V aterlandsfreundes ist, und nicht von vornherein an die neuartige Brotherstellung zu hohe Anforderungen zu stellen. Das Lebensmittelamt ist auch in dieser Beziehung im Einverständnis mit der Bäckerinnung aufrichtig bemüht, über die schwierigen Verhältnisse möglichst glatt hinwegzukommen.
    [...]
    Die Zahl der Teilnehmer an den Kriegsküchen hat sich in dieser Woche wieder etwas vermehrt, sie beträgt jetzt rund 6400. Die meisten Teilnehmer, rund 1600, zählt die Küche in der Universität.
   Die Stadt hat, wie schon berichtet, im Fuhrpark eine eigene Milchwirtschaft eingerichtet und dort zurzeit 50 Milchkühe eingestallt. Sie verfolgt mit dieser Einrichtung zugleich die Absicht, die an Landwirte ausgeliehenen Abmelkkühe, die nicht genügend sorgfältig gepflegt sind, wieder in einen guten Zustand zu bringen. Die Stadt kann nun auf über 400 Milchkühe unmittelbar oder mittelbar einwirken, und zwar hat sie 50 Kühe in ihrer eigenen Milchwirtschaft, 210 hat sie auf Abmelkverträge ausgeliehen, und auf rund 160 Kühe kann sie kraft der abgeschlossenen Verträge einwirken. Die Milchversorgung in Bonn ist unter diesen Voraussetzungen glücklicherweise wenn auch nicht reichlich, aber doch für die Versorgungsberechtigten durchaus ausreichend, jedenfalls steht Bonn nun in der Milchversorgung günstiger da als viele andere Städte. [...]

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

      

Der Verein „Mädchenhort“ hielt am 17. Februar seine Hauptversammlung ab. Da die Erweiterung des Hortes in einen Knaben- und Mädchenhort auch nach dem Kriege beibehalten werden soll, beschloß die Versammlung einstimmig die Abänderung des Namens „Mädchenhort“ in „Jugendhort“.
   Der Jahresbericht stellte fest, daß die höchste Zahl der aufzunehmenden Kinder, nämlich 105, auch 1916 durchweg erreicht blieb. Darunter waren 35 Knaben. – Die immer schwieriger werdenden Verkehrs- und Verpflegungsverhältnisse gestatteten es dem Verein nicht, selbständig eine Ferienkolonie hinauszuschicken. Aber es wurde dankbar begrüßt, daß die Einladung einer hessischen Dorfgemeinde, 40 Bonner Kinder während der Ferien unentgeltlich bei sich aufzunehmen, auch einer Reihe seiner Hortkinder zu Gute kam. Ein anderer kleiner Teil genoß holländische Gastfreundschaft, während die große Schar der Daheimgebliebenen sich vor-und nachmittags in dem schönen Gartenland des Hortes vergnügte, wo sich die Größeren neben fröhlichem Spiel auch eifrig im Gemüse- und Kartoffelbau betätigten. - [...]
   Nach Erledigung des geschäftlichen Teiles der Hauptversammlung sprach Frl. Abicht – Charlottenburg, Lehrerin am sozialpädagogischen Seminar des Jugendheims über das Thema Hortarbeit als Kriegsarbeit. Die Rednerin bedauerte die Fahnenflucht so vieler Horthelferinnen zu anderen Kriegsarbeiten, die ihnen vielleicht unmittelbarerer Dienst für das Vaterland zu sein schienen. Mit warmen eindringlichen Worten betonte sie, daß gerade die Erziehungsarbeit an den durch die Abwesenheit der Väter und die Erwerbsarbeit der Mutter sich selbst überlassenen Kindern, die, auf denen die Zukunft des Vaterlandes beruht, vor Verwahrlosung zu schützen – eine der heiligsten und wichtigsten Aufgaben derer hinter der Front ist. [...]

Theater und Kino. Wie aus den heutigen Anzeigen zu ersehen ist, wurde den hiesigen Privattheatern und Kinos die Erlaubnis erteilt, ihre Vorstellungen wieder aufzunehmen. Das Palasttheater bringt den „Grafen von Luxemburg“, das Union-Theater „Die Flucht zweiter deuscher Marine-Offiziere aus England“, das Metropol-Theater das Drama „Die Silhouette des Teufels“, Groß-Bonn ein neues Varieté-Programm und die Bonner Lichtspiele im Stern den dritten amtlichen Militärfilm „Die Somme-Schlacht“.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Ueber die öffentliche Beleuchtung wird jetzt sehr Klage geführt. Namentlich der Verkehr in den Nebenstraßen ist sehr gefährdet, da es dort abends und nachts meist stockdunkel ist. Wer haftet im Falle eines Unfalls, die Stadt oder Haftpflichtversicherung? Ein Bürger.

Zum Wiederbeginn des Schulunterrichts. Aus unserem Leserkreise wird uns wiederholt der dringende Wunsch ausgesprochen, die Schulbehörde zu bitten, mit dem Unterricht baldmöglichst wieder zu beginnen. In der Stadt schwirren Gerüchte um, daß der Schulunterricht vor Ostern überhaupt nicht mehr eröffnet würde. Da man in Düsseldorf bereits am vergangenen Montag den Unterricht wieder begonnen hat und, wie wir hören, in Bonn genügend Kohlen vorhanden sind, um die Schulen zu heizen, liegt wohl eigentlich kein ersichtlicher Grund mehr vor, mit dem Wiederbeginn des Unterrichts zu zögern.
   Unser Unterricht leidet ohnedies an dem Mangel ausreichender Lehrkräfte und ein wochenlanges Pausieren ohne zwingenden Grund wirkt auf die Jugend weder in erzieherischer Beziehung, noch hinsichtlich ihrer geistigen Fortbildung günstig ein. Einer unserer Leser regt an, unsere Schulbehörde möge öffentlich erklären, warum mit dem Wiederbeginn des Unterrichts bisher gezögert worden ist.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)

     

Die Universitätsbibliothek eröffnet ihnen am 8. d. M. des Kohlenmangels wegen unterbrochenen Betrieb wieder am Mittwoch, den 21. Februar.

Volkshochschulkurse. Da auch in dieser Woche die Schulen noch geschlossen bleiben und verschiedene Dozenten während der Anfang März beginnenden Universitätsferien von Bonn abwesend sein werden, so hat der Arbeitsausschuß beschlossen, die Fortsetzung der unterbrochenen Kurse in das Sommer-Semester zu verlegen, das Ende April seinen Anfang nimmt. Die nähere Bekanntmachung wird s. Zt. Erfolgen.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)