Montag, 20. November 1916
In der evangelischen Kirche am Kaiserplatz hielt gestern vormittag Pfarrer Bernewitz aus Mitau (Kurland) die Predigt. Er schilderte darin das wechselvolle Schicksal der Deutschen in Kurland, vor allem ihre Leiden vor der Eroberung Kurlands durch die deutschen Truppen und den Jubel, mit dem die Befreier von den deutschen Einwohnern begrüßt wurden. Alle Kulturarbeit in Kurland sei von Deutschen geleistet worden. Kurland sei so dünn bevölkert, daß es, um die durchschnittliche Bevölkerungsdichtigkeit des deutschen Reiches zu erreichen, mindestens drei Millionen Ansiedler aufnehmen könne. Die Deutschen in Kurland erhofften vom künftigen Frieden, daß sie nicht mehr Gäste einer fremden Nation zu sein brauchten, sondern Bürger im eigenen deutschen Hause sein würden. Der Prediger bat die Gemeindemitglieder dringend, die vom Evangelischen Bund gegründete Ostdeutsche Ansiedlerhilfe durch Geldspenden oder durch den Erwerb von Geschäftsanteilen (zu 50 M.) zu fördern.
Familienväter im Frontdienst. Das Kriegsministerium hat angeordnet, daß bei der Verwendung der Mannschaften auf die Familienverhältnisse der oft schon durch schwere Blutopfer hart geprüften Familien Rücksicht zu nehmen ist, und daß Familienväter mit vielen Kindern möglichst nicht dauernd in vorderster Linie Verwendung finden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
In Groß-Bonn treten gegenwärtig zwei Original-Türkinnen auf, die in der Gymnastik vorzügliches leisten. Die beiden Orientalinnen verfügen bei aller Geschmeidigkeit über Kräfte, wie man sie sonst bei Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts nicht leicht findet. Auch das akrobatische Tanz-Ensemble, die vier Miramare, vereinen bei ihren Vorführungen Grazie und Körperkraft und ernten gleich den beiden Türkinnen großen Applaus. Gutes leistet auch das Künstlerpaar Busch – Marinka, das u. a. als „Hofsänger“ heitere Lieder zur Laute vorträgt und auch als Tierstimmen-Nachahmer Heiterkeit auslöst. Ada Francis brilliert als Serpentintänzerin in großartigem Farbenspiel und auch der Humorist Robert Pohlmann hat mit seinen zeitgemäßen Vorträgen guten Erfolg. Das Orchester, das unter der Leitung von Kapellmeister Willy Menden steht, sorgt für gute musikalische Unterhaltung.
Durchsuchung von „Hamstern“ in den Eisenbahnzügen. Infolge der vielfachen Umgehungen der Vorschriften über das Verschleppen von Butter, Eiern und anderen Lebensmitteln, sowie Futtergerste usw. in Körben, Säcken und Paketen als Trag- oder Passagiergut in den Eisenbahnen, ist bahnamtlich angeordnet worden, daß in bestimmten Zügen Durchsuchungen dieser Transportmittel durch Eisenbahnbeamte und Gendarmen vorzunehmen sind. Die vorgefundenen Waren werden beschlagnahmt, die Besitzer außerdem noch bestraft, wenn sich erweist, daß die Waren durch Umgehung der Höchstpreise und der Ausfuhrverbote gehamstert worden sind
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Kriegsküchen. Der Speisezettel der Bonner Kriegsküchen lautet: Montag Gerstensuppe mit Kartoffeln. Dienstag Bayrisch Kraut. Mittwoch Möhren mit Rindfleisch. Donnerstag Himmel und Erde mit Blutwurst. Freitag Hering mit sauren Kartoffeln. Sonntag Goulasch mit Kartoffeln und Kompott. Die Speisezettel werden mit Gültigkeit für alle Kriegsküchen abwechselnd von den Leitungen der einzelnen Küchen zusammengestellt. Den Zettel für diese Woche hat die Kriegsküche Kessenich aufgestellt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)