Samstag, 4. November 1916
Soldatenheim. Nach der erhebenden Totenfeier auf dem Ehrenfriedhof versammelten sich mehrere Hundert Feldgrauer im Soldatenheim an der Kölnstraße. Nach einer zu Herzen gehenden Ansprache des Herrn Kaplans Rüthers gab der als Gast anwesende Herr Stabsarzt Dr. Breuer durchaus fesselnde Skizzen aus seinen Soldatenerinnerungen. Möchte es dem Soldatenheim in absehbarer Zeit beschieden sein, den freundlich in Aussicht gestellten ausführlichen Vortrag hören zu dürfen. Herr L. Schroeder, der unermüdlich für diese schöne Sache wirkt, gab wiederum einen Lichtbildervortrag „Deutsche Barbaren“. Was an prächtigen Bildern gezeigt wurde, war so herzerfrischende Kulturarbeit und Wohlfahrtspflege auch in Feindesland, daß wir solch ein „Barbarentum“ treulich weiter pflegen dürfen. Herr Corres erfreute durch einige Lieder, die lebhaften Beifall fanden. Der Leiter des Abends, Herr Verlagsbuchhändler Falkenroth gedachte des Fliegerhelden Bölcke und trug einige dem ernsten Tage angemessene Dichtungen vor.
Verband- und Erfrischungsstelle „Prinzessin Viktoria“ Lille. Am 14. Oktober 1914 wurde die Festung Lille von den siegreichen deutschen Truppen mit stürmender Hand genommen. Die Stadt Lille wurde darauf wegen ihrer guten Eisenbahnverbindungen nach unserem Heimatland als Haupt-Etappenort eingerichtet und diente wegen ihrer Nähe zu der Front als Hauptpunkt für die Abfertigung der Lazarettzüge und die Beförderung der Verwundeten nach den Reservelazaretten. Die Vaterländischen Vereinigungen in Bonn, bestehend aus dem Zweigverein vom Roten Kreuz für den Stadt- und Landkreis Bonn, dem Vaterländischen Frauenverein Stadtkreis Bonn und dem Freiwilligen Hilfsausschuß für die Truppen, erkannten sofort, daß hier ein Platz wäre, um ein Werk vaterländischer Liebestätigkeit von seltener Bedeutung einzurichten. In Eile wurden die Verhandlungen mit den maßgebenden Behörden geführt, und bald darauf wurde der Entschluß zur Tat: in Lille eine Verbands- und Krankenerfrischungsstelle einzurichten. Bonner Aerzte, Bonner Krankenpflegepersonal, Bonner Ingenieure und Handwerker und Bonner Bürger sollten sich an diesem hochherzigen vom vaterländischen Geist getragenen Unternehmen betätigen. Unmittelbar hinter der Front sollte unseren braven Feldgrauen anschaulich werden, daß die Stadt Bonn die Pflicht der Daheimgebliebenen voll erkannt hat und mit Herz und Hand zur Opferwilligkeit bereit ist.
Am 2. November 1914 nachmittags konnte vom Ortsgüterbahnhof in Bonn aus ein Sonderzug mit dem gesamten Personal – 57 Personen – , allem Verbandszeug und allen Geräten für die Einrichtung die Reise nach Lille antreten. Herr Oberbürgermeister Spiritus gab diesen Wackeren hochherzige Abschiedsworte mit auf den Weg. Auch hatte sich Ihre Königliche Hoheit die Frau Prinzessin Adolf zu Schaumburg-Lippe, in nie rastender Betätigung zur Förderung aller karitativen Kriegswohlfahrsteinrichtungen zum Abschied eingefunden, und die Begeisterung des ausrückenden Personals erreichte ihren Höhepunkt, als sie den Ehrenschutz über die Veranstaltung übernahm und der Bonner Verbands- und Krankenerfrischungsstelle die Führung ihres Namens gestattete.
Ueber der Verbands- und Krankenerfrischungsstelle „Prinzessin Viktoria“ hat ein guter Stern geschwebt. Am 4. November 1914 traf der Sonderzug morgens früh in Lille ein, und hurtig ging es an die Einrichtung. Die verlassene Zollhalle im Nordbahnhof Lille bot für diesen Zweck schöne Unterkunftsräume. Dort wurden ein großer Mannschafts-Erfrischungsraum von 400 bis 500 Sitzplätzen nebst anschließender Koch- und Spülküche, ein Kühlraum und ein Lager für Lebensmittel, ferner ein Offizier-Speiseraum, ein Sammelraum für die Verwundeten, ein Verbandsraum mit anschließendem Operationssaal und den Zimmern für den leitenden Arzt, die Krankenwärter und die Krankenschwestern in schöner Vollendung eingerichtet. Bereits am 9. November konnte das Schild „Bonner Verbands- und Krankenerfrischungsstelle Prinzessin Viktoria“ unseren braven Feldgrauen verkünden, daß der Betrieb eröffnet war. Und welch ein Bedürfnis lag dafür vor! Schon am ersten Tage konnten 7930 Krieger verpflegt und erfrischt werden. Die ärztliche Leitung hatte zunächst Herr Oberstabsarzt Geheimrat Professor Dr. Leo und späterhin Herr Stabsarzt Dr. Lürken. Die wirtschaftliche Leitung lag in den Händen der Herren Stadtverordnteten Bankdirektor Weber, Dr. Jensen, Oberbergrat Koerfer, Rentner Matthaei, Gartendirektor Günther, Geheimrat Cosack, Fabrikdirektor Reinicke, Stadtverordneter Butscheidt, Schulrat Dr. Baedorf, Stadtverordneter Bloemers und Stadtverordneter Schmitt. Letzterer waltet dort ununterbrochen seit länger als 16 Monaten als alleiniger Vorstand.
Die Verbandsstelle war nur bis zum 30. Juni 1915 geöffnet, und in diesen wenigen Monaten sind in ihr 7083 Verwundete oder kranke Krieger behandelt und 1300 Impfungen vorgenommen worden. Infolge der angeordneten Verschiebung der sanitären Einrichtungen wurde die Verbandsstelle geschlossen, sie ist aber heute noch für Notfälle jederzeit betriebsfertig.
Zwei Jahre besteht nun die Erfrischungsstelle. In diesen beiden Jahren sind insgesamt 1.900.000 Heeresangehörige verpflegt und erfrischt worden. Das sind täglich durchschnittlich rund 2700 Personen. Nichts beweist mehr wie diese Zahlen die Notwendigkeit und die Vortrefflichkeit der Bonner Einrichtung. An zahlreichen Anerkennungen unserer dortigen Gäste, der hohen militärischen Dienststellen und von Fürstlichkeiten hat es nicht gefehlt. Die Vaterländischen Vereinigungen können daher mit Stolz und Befriedigung auf das von ihnen geschaffene vaterländische Werk zurückblicken. Viele Gefahren hat es bestanden. Es sei nur auf die häufige Beschießung Lilles und die zahlreichen Fliegerangriffe, die sich erklärlicherweise besonders gegen Bahnanlagen richteten, hingewiesen. Dankbar muß all derer gedacht werden, die in uneigennütziger Weise der Förderung des Werkes durch hochherzige Stiftungen und durch persönliche Betätigung gedient haben. Immer vollkommener sind im Laufe der Zeit die Einrichtungen geworden. Rast ich, so rost ich, war der Wahlspruch der Leitung. In erster Linie gebührt aber der Dank Ihrer Königlichen Hoheit der Frau Prinzessin Adolf zu Schaumburg-Lippe, die durch die Uebernahme des Ehrenschutzes die Wege für die Einrichtung der Stelle und für ihren Betrieb geebnet hat. Dann ist den sämtlichen Herren des Vorstandes, dem Herrn Sekretär Gries, der bereits seit Beginn der Stelle seine ganze Kraft mit unermüdlicher Ausdauer dem Unternehmen widmet, dem Krankenpflegepersonal, den Köchen und den Arbeitern zu danken. Besonders verdient gemacht hat sich Herr Stadtverordneter Schmitt, der ununterbrochen seit länger als 16 Monaten fern der Heimat als Vorstand der Stelle mit unermüdlicher Tatkraft und seltenem Geschick waltet.
Die Mittel für den Betrieb der Verband- und Krankenerfrischungsstelle „Prinzessin Viktoria“ fließen den Vaterländischen Vereinigungen aus ihren Sammlungen, aus der Bonner Volksspende und aus der Arndt-Eiche in Eisen zu. Wer selbst gesehen hat, wie die Augen unserer braven Feldgrauen leuchten, wenn sie aus dem dröhnenden Kampf in heimatliche Pflege kommen, wenn sie fühlen, daß die Heimat an ihre Heldentaten warmen Anteil nimmt und nichts scheut, um ihnen Anerkennung und Freude zu bereiten, dem wird das Hehre dieser Kriegswohlfahrtspflege unvergessen bleiben.
Mitbürger! Denkt daher an Eure Pflicht gegenüber dem Vaterlande und helft auch weiterhin mit Beiträgen zu Eurem Teil an diesem schön gelungenen Werk. Der beste Dank wird aber für alle Spender die Genugtuung sein, daß sie das Los unserer über alles Lob erhabenen Tapferen verbessert haben.
Oberbürgermeister Spiritus als Vorsitzender der Vaterländischen Vereinigungen und Beigeordneter Piehl haben sich nach Lille begeben, um dem Vorstand und dem Personal den wärmsten Dank für ihr unermüdliches Wirken auszusprechen und erneut zu prüfen, ob die Einrichtungen und der Betrieb der Verbands- und Krankenerfrischungsstelle „Prinzessin Viktoria“ Lille nach wie vor im hohen Maße schlagfertig sind.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Was will die Goldankaufstelle?
Die Goldankaufstelle kauft alles gemünzte und ungemünzte Gold. Sie wechselt Goldgeld in Papiergeld um. Sie übernimmt den komissionsweisen Verkauf von Edelsteinen, Perlen und antiken Goldschmuck-Gegenständen.
Welchen Preis zahlt die Goldankaufstelle?
Nach bestimmten vorgeschriebenen Grundsätzen werden die Werte durch einen vereidigten Schätzer festgestellt und bezahlt die Goldankaufstelle den vollen Gold- und Schätzungswert.
Warum muß jeder seine Gold zur Goldankaufstelle bringen?
Je größer der Reichsgoldschatz ist, desto fester ist das Vertrauen in unsere wirtschaftliche Widerstandskraft, desto näher ist unser Sieg.
Eine Maus im Mehltopf. Mehl hatte eine Ehefrau aus dem Sieg-Kreise den Ziegen verfüttert. Sie war dafür vom Schöffengericht in Eitdorf zu 50 Mk. Geldstrafe verurteilt worden. Vor der Strafkammer behauptete sie gestern, in dem Mehltopf sei eine Maus gewesen, dadurch sei das Mehl zu menschlichem Genuß untauglich geworden. Der Gendarm bekundete, daß das Mehl nicht nach Mäusen gerochen habe. Die Strafe wurde von der Strafkammer vom 50 auf 10 Mk. ermäßigt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Kinderkrippe Burg Alfter. In nächster Zeit wird die von dem Herrn Oberpräsidenten der Rheinprovinz für den Umfang des Landkreises genehmigte Haussammlung zu Gunsten der Kinderkrippe des Vaterländischen Frauenvereins für den Landkreis Bonn abgehalten. In Anbetracht des guten Zweckes darf erwartet werden, daß jeder nach besten Kräften sein Scherflein beiträgt. In der Krippe wurden von April bis Oktober d. Js. im Tagesdurchschnitt 25 Kinder aus den verschiedenen Gemeinden des Kreises – meist Kinder von Kriegsteilnehmern – verpflegt.
Die wichtigsten Veränderungen der neuen Freiliste für Web-, Wirk- und Strickwaren. Von jetzt ab sind unter anderem bezugsscheinpflichtig: Seidenplattierte Strümpfe, Steppdecken, alle Kleider- und Schürzenstoffe, mit den unten angegebenen Ausnahmen, die gesamte fertige Herren-, Damen- und Kindergarderobe und Maßschneiderei, die gesamte Damen- und Herrenwäsche mit Ausnahme von Kragen, Manschetten, Vorsteckern und Einsätzen, die Säuglingswäsche, Wäschestoffe, alle Taschentücher mit Ausnahme der mindestens zu ein Drittel der Fläche aus Spitze bestehenden, die getragenen Kleidungsstücke. Dagegen werden bezugsfrei unter anderen: Velvets, baumwollene Stickereistoffe, baumwollene gewebte oder gewirkte Spitzenstoffe, baumwollene glatt oder gemusterte, gewebte undichte Kleiderstoffe und baumwollene bedruckte undichte Kleiderstoffe, sowie alle ausschließlich aus den vorgenannten Stoffen hergestellten Gegenstände, ferner imitierte Pelzgarnituren aus baumwollenem oder wollenem Plüsch. Alle Gegenstände, deren Kleinhandelspreis nicht mehr als 1 Mark das Stück beträgt, mit Ausnahme von Strümpfen, Handschuhen, Taschentüchern und Scheuertüchern; Stoffe nur bis zu Längen von 30 Zentimeter, sofern der Kleinhandelspreis nicht mehr als 1 Mark beträgt, in beiden Fällen darf zu gleicher Zeit an dieselbe Person nicht mehr als 1 Stück derselben Ware veräußert werden. Die Gewichtsgrenzen für die bezugsfreien Strümpfe und Socken sind herabgesetzt. Bezugsscheinfrei bleiben unter anderem Stoffe aus Natur- und Kunstseide und halbseidene Stoffe sowie alle ausschließlich aus solchen Stoffen hergestellte Gegenstände.
Lied eines „Ersatz“-Reservisten. In der „Liller Kriegszeitung“ lesen wir von einem Soldaten: Früh morgens koch’ ich Kaffee-Ersatz – und wenn er knapp wird, Tee-Ersatz – Dann schmiere ich aufs Brot mir Butter-Ersatz – dann fütt’r ich mein Pferd mit Futter-Ersatz – Nun schütt’ ich mein Stroh auf – den Bett-Ersatz – Ich brate Kartoffeln mit Fett-Ersatz – dann setze ich mich an den Tisch-Ersatz – Eß mittags Fleisch- und Fisch-Ersatz – Gekocht auf Feuer aus Kohle-Ersatz – Ich zünde Licht an als Gas-Ersatz – Zur Zeit gibt’s Wurst- und Käs-Ersatz – und mangelt’s an diesem, zum Schaden-Ersatz – Erhalte ich Marmeladen-Ersatz – Geh zur Madeleine, meinem Schatz-Ersatz – Da krieg’ ich den nötigen Schmatz-Ersatz.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)