Freitag, 6. August 1915

  

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 6. August 1915Die Einnahme Warschaus, der Hauptstadt und stärksten Festung Russisch-Polens, rief gestern nachmittag großen Jubel hervor. Bald nach dem Eintreffen des amtlichen Berichts der deutschen Heeresleitung, der von uns sofort durch Sonderblätter verbreitet wurde, begannen die Glocken aller Kirchen zu läuten, aus den Häusern wurden die Fahnen herausgesteckt und auf den Straßen sah man überall frohe Gesichter. So bot die ganze Stadt wieder einmal ein Bild allgemeiner Siegesfreude.
   Noch ein zweites Mal ertönte gestern nachmittag Siegesgeläut von allen Türmen: auch Ivangorod, die zweitstärkste Festung in Polen, ist von den verbündeten österreichisch-ungarischen Truppen eingenommen worden.

Wiederholung des Verwundetenkonzertes. Man schreibt uns: Zu einem wirklichen Verwundeten-Konzert gestaltete sich die Wiederholung der so gut gelungenen Morgenaufführung. Am Montag nachmittag waren nicht nur die Mitwirkenden, sondern auch die Zuhörer Verwundete. Mit ihren Pflegerinnen waren sie erschienen und füllten den großen Saal des Bürgervereins, um den musikalischen Darbietungen ihrer Kameraden zu lauschen. Die Vorträge waren wieder gut und fanden auch den herzlichsten Beifall der dankbaren Zuhörer. Herr Direktor Bins benutzte die kurze Pause nach dem Konzert zu einer kleinen Ansprache, die mit einem brausenden Hurra auf unseren obersten Kriegsherrn endigte. Den Schluß der Darbietungen bildete als unerwartete Zugabe die wohlgelungene Aufführung eines Vaterländischen Festspieles durch Schüler und Schülerinnen der Münsterschule. Großer Beifall war auch hier der Zuhörer an die Schauspieler.

Die Universität Bonn im ersten Kriegsjahre (Teil III.)
In den Heeres- oder Sanitätsdienst waren eingetreten, soweit es sich ermitteln ließ, am Schluß des Winterhalbjahres 1914/15 65 Dozenten, 1 Lektor, 30 Assistenten, 25 Beamte der Universität und 2739 Studenten; das ist von dem männlichen Gesamtbestande unserer deutschen Studentenschaft 70,75 v. H. (...)
   Von diesen jungen Männern haben manche, die in den Kampf gezogen sind, inzwischen zur Pflege ihrer Leiden zurückgekehrt, „zwischen den Schlachten“ wieder die Vorlesungen besuchen können. Manche aber auch, liebe Kollegen oder Schüler, werden wir nimmer wiedersehen. Bis Ende März 1915 hatten wir, so viel bisher feststeht, zu beklagen den Soldatentod von drei Dozenten, zwei Assistenten und 113 Studenten. Das ist das Opfer edlen Blutes, das unsere Universität dem Vaterlande im ersten Kriegshalbjahr bringen durfte. (...)

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

   Anzeige im General-Anzeiger vom 6. August 1915

Bonner Volksspende. Um die dauernd in hohem Maße erforderlichen Geldmittel für die verschiedenen Zweige der städtischen Kriegshülfe (Zweigverein vom Roten Kreuz, Vaterländischer Frauenverein und Freiwilliger Ausschuß für die Truppen) zu stärken und in feste geregelte Wege zu leiten, sowie zur Beseitigung aller sonstigen Sammlungen für einzelne Zwecke; soll jetzt in Bonn – nach den bewährten vorbildlichen Einrichtungen einer Reihe anderer Städte – eine Volksspende eingerichtet werden.
   Dieses vaterländische und vaterstädtische Liebeswerk soll in der freien Opferwilligkeit aller Kreise der Bevölkerung wurzeln, indem sich jeder Bürger, jung oder alt, arm oder reich, an diesem Werke in der Weise beteiligt, daß er sich nach seinen Verhältnissen zur Zahlung eines wöchentlichen Beitrages von 10, 20, 30, 50, 70 Pfg., 1 Mark oder mehr verpflichtet.
   Diese Volksspende soll es jedem ermöglichen, aber auch fortdauernd ans Herz legen, daß er – und sei sein Scherflein noch so bescheiden – an der Abtragung der großen Dankesschuld sich beteilige, die das ganze Vaterland dem Opfermut seiner unvergleichlichen Soldaten zollt. Der städtische Ausschuß zur Einrichtung der Volksspende, an dessen Spitze Herr Oberbürgermeister Spiritus steht, wird sich in den nächsten Tagen mit einem Aufruf an die Bürger der Stadt wenden, um sie zur Einzeichnung in die Sammellisten aufzufordern.
   Ueber die nähere Organisation der Volksspende werden wir noch weiter berichten.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Godesberg, 5. August. Die Elektrische Fähre mußte in dieser Woche ihren Betrieb zwischen Godesberg und Niederdollendorf einstellen, weil die Steuerkette daran gebrochen war. Das Schiff liegt zurzeit am Dollendorfer Ufer zur Vornahme der Reparaturarbeiten. Sein Vorderbug wird zu diesem Zwecke schwer mit Steinen belastet, wodurch das hintere Schiffsteil über Wasser gehoben wird und die Arbeiten vorgenommen werden können. Während dieser Zeit der längeren Fahrteinstellung werden auch zugleich die schadhaft gewordenen Stellen der Rampen ausgebessert. In den nächsten Tagen wird der volle Fahrbetrieb voraussichtlich wieder aufgenommen werden können. Der Personenverkehr zwischen beiden Orten wird während dieser Zeit von den Motorbooten unterhalten.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und Fern.“)

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 6. August 1915Theatereröffnung. Es liegt mir sehr fern, irgend eine Mitmenschen eines erlaubten Vergnügens zu berauben, oder ihm dasselbe zu mißgönnen. Aber was ich hier, über bereits in zwei Nummern dieser Zeitung gelesen habe, mutet doch sonderbar an. Wer soll denn abgelenkt und zerstreut werden? Etwa der Vater oder der Bruder oder gar die ganze Familie des im Felde stehenden Kriegers? Was würde aber dieser dazu sagen, wenn er erführe, seine Lieben zu Haus gingen ins Theater, damit ihre Gedanken dort für einige Stunden lang gegen Zahlung von ihm abgelenkt und zerstreut würden. Andere Mittel, die nichts kosteten, ständen zu einer so „notwendigen Ablenkung“ nicht zur Verfügung? Oder sollen etwa diejenigen Familien abgelenkt werden, bei denen noch das Wort Anwendung findet: „Er zählt die Häupter seiner Lieben und sieh’, es fehlt kein teures Haupt“? Wenn das nun, dann möchte ich diesen von Herzen wünschen, daß auch bei ihnen bald ein teures Haupt vermißt würde, damit sie keines Theaters bedürften, um zerstreut oder abgelenkt zu werden. Es sprach auch einmal ein Theaterfreund von dem Patriotismus, welcher durch das Theater gehoben und gefördert würde. Wir Deutsche benötigen das Theater nicht, um unseren Patriotismus zu heben und aufzufrischen. Das wollen wir den Franzosen und Engländern überlassen, selbst aber solche Schwachköpfe nicht sein. Rektor Joh. Lambertz.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)

   

Warschau erobert. Unbeschreiblich schnell verbreitete sich gestern nachmittag die Kunde von der Eroberung Warschaus durch die Stadt. Freude konnte man allen an den Blicken ablesen und als Zeichen der frohen Stimmung flatterten alsbald die Fahnen an den Häusern der Stadt. Wenn auch mit der Eroberung Warschaus der endgültige Sieg wohl noch nicht erfochten ist, so sind unsere siegreichen Heere doch um einen Lorbeer in ihrem, Siegeskranze reicher geworden und die Schicksalsstunde Rußlands ist näher gerückt. Einen kräftigen Nachdruck erfuhr die Freudestimmung durch die einige Stunden später aus Wien eintreffende amtliche Mitteilung von der Eroberung Iwangorods durch die österreichisch-ungarischen Truppen. Natürlich bildeten beide Siegesmeldungen den Gegenstand des Tagesgespräches. Voll Zuversicht kann das deutsche Volke den weiteren Kämpfen entgegensehen: das war der Grundton, auf den alle Erwägungen und Besprechungen gestimmt waren.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)