Samstag, 9. Januar 1915
Mehr Vorsicht im Briefverkehr mit Kriegsgefangenen. Das französische Kriegsministerium unterwirft die von ihren Angehörigen an die deutschen Kriegsgefangenen gerichteten Briefe einer sehr genauen Kontrolle und teilt der Presse daraus regelmäßig Auszüge mit. Zu der letzten, an die Pariser Zeitungen übermittelten Note befinden sich Uebersetzungen aus Briefen, deren Absender in naiver Weise von dem Mangel an Petroleum, von der Verwendung von Kartoffelmehl zum Brotbacken und ähnlichen Beschränkungen des allgemeinen Lebens in Kriegszeiten sprechen. Die französische Presse deutet natürlich diese Klagen auf ihre Weise aus, und es wäre ohne Zweifel besser, wenn die Angehörigen der deutschen Kriegsgefangenen in Frankreich sich in ihren Briefen auf rein persönliche Angelegenheiten beschränken würden.
Der „Evangelische Frauenverein Bonn-Süd“, Germanenstraße 2, beschäftigte während der bisherigen Kriegsmonate etwa 25 Frauen wöchentlich mit Näh- und Strickarbeit, hauptsächlich für Lazarette, wozu ihm teilweise die Stoffe vom Vaterländischen Frauenverein zur Verfügung gestellt wurden. Durch freundliche Gaben war es möglich, die Arbeitslöhne zu bezahlen. Die Stadt Bonn hat aus der „Kriegshilfe“ einen Zuschuß gewährt. Um aber die Arbeit in dem bisherigen Umfange aufrecht erhalten zu können, bittet der Verein die Mitglieder des Pfarrbezirks I um weitere Beiträge für diesen Zweck. Auch wäre es sehr willkommen, wenn einfache Näh- und Strickarbeiten, die die beschäftigten Frauen anfertigen können, in Auftrag gegeben würden.
Wollrestesammlung. Der Ausschuß für hauswirtschaftliche Kriegshilfe (Vereinigte Bonner Frauenvereine) weist noch einmal darauf hin, daß in der Diskontobank, Sürst, eine dauernde Sammelstelle eingerichtet ist, wo zu jeder Zeit bis abends 7 Uhr Wollreste, alte Kleidungsstücke, Stoffabfälle usw. abgegeben werden können. Da es an Rohmaterial fehlt, sollen diese Sachen in Fabriken zu neuen Wollwaren verarbeitet werden. Die Hausfrauen werden daher um recht reichliche Zusendungen gebeten.
Abholung von Küchenabfällen. Vom 15. Jan. ab sollen die Küchenabfälle (Fleisch, Fisch, Brot, Gemüse, Kartoffelschalen usw.) durch besondere Unternehmer, die mit einem schriftlichen Ausweis versehen sind, abgeholt werden, um zur Schweinefütterung verwandt zu werden. Es ist eine vaterländische Pflicht aller Hausfrauen, diese Küchenabfälle getrennt von dem Hausmüll aufzubewahren, damit sie zur Schweinefütterung verwandt werden können. (Siehe auch Anzeige in der heutigen Nummer.)
Im Metropoltheater wird von heute ab wieder ein Kriegsfilm gegeben: „Heimgekehrt“, der uns ein anschauliches Bild gibt von der treuen deutsch-österreichischen Waffenbrüderschaft. Außerdem kommen zur Vorführung Szenen aus dem türkischen Krieg und den anderen Kriegsschauplätzen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Ein Droschkenkutscher stand an der Rheinuferbahn mit seinem Fuhrwerk, was verboten ist. Ein Gendarm forderte ihn auf, den Platz zu verlassen, wobei es zu Auseinandersetzungen kam, in deren Verlauf der Kutscher den Beamten tätlich angriff. Das Kölner Kriegsgericht bestrafte den Kutscher mit zwei Monaten Gefängnis.
Die Metallsammlung gegen Kriegsnot hat, wie bereits berichtet, auch hier in Bonn begonnen, und zar sind vorläufig zwei Sammelstellen (Siebengebirgsstraße 2 und Thomastraße 1) errichtet worden. Bekanntlich sucht das kriegsführende Ausland, insbesondere England, die Metalleinfuhr zu verhindern. Unsere Aufgabe ist es daher, Sorge zu tragen, daß wir uns vom Auslande unabhängig machen. Private, Schulen und Vereine müssen ihren Stolz darein setzen, dieses Ziel zu erreichen. Alle Metallwaren, also ausländisches Geld, alte Münzen, Gold- und Silbergegenstände, Blei, Stanniol, Kapseln, Messingwaren, besonders aber Kupfer und Zinn sind erwünscht. Entgegen der gestern gebrachten Notiz sei ausdrücklich bemerkt, daß Eisen und Blech nicht gesammelt wird.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Kriminalpolizei nahm einen 49 Jahre alten Arbeiter von hier wegen Bettelns und Diebstahl fest. Er hatte in einem Hause der Wilhelmstraße einen Ueberzieher entwendet.
Katholischer Gesellenverein. Vor ernste wichtige Aufgaben stellt der Krieg nicht bloß unsere Soldaten im Feld, sondern auch uns Daheimgebliebene. Wir wollen alle durchhalten bis zu einem ehrenvollen Frieden, aber dann müssen wir auch Opfer bringen; wir wollen uns nicht von unseren Feinden aushungern lassen, aber dann müssen wir vor allem sparsam mit dem Brotkorn umgehen. Die Wichtigkeit dieser Aufgabe für uns alle behandelt der Vortrag, der morgen (Sonntag, den 10. Januar) in der Vereinsversammlung abends 9 Uhr gehalten wird. Das Thema des Abends lautet: „Unser täglich Brot gib uns heute“. Die Vereinsleitung hofft dabei umso mehr auf einen zahlreichen Besuch seitens der Ehrenmitglieder und Mitglieder, als auch seit der letzten Versammlung eine große Zahl von Briefen und Karten aus dem Felde eingetroffen ist. Die Angehörigen unserer Ehrenmitglieder und Mitglieder sind ebenfalls im Interesse der Sache eingeladen.
Der heftige Sturm hat gestern in der neuen Sternstraße einen langen, 2 Meter hohen Bretterzaun umgestürzt und in einen 10 Meter tiefer liegenden Hof des Florentiusgrabens geworfen. In den Anlagen der Stadt wurden starke Aeste von den Bäumen gerissen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)