Dienstag, d. 28. Juli
Angesichts der zunehmenden internationalen Spannungen kündigt der Bonner General-Anzeiger an, ab sofort neben der mittags erscheinenden Hauptausgabe bereits morgens um etwa 9 Uhr ein Extrablatt für den Straßenverkauf herauszugeben, um das Nachrichtenbedürfnis der Bevölkerung zu befriedigen.
In Erwartung der Kriegsdepeschen. Fast jede Minute läuteten auch heute noch die Telephone unserer Redaktion. Privatleute, Geschäfte, Cafés, alles will wissen, wie sich die Lage gestaltet hat. Die Kriegsgefahr bildet überall das ausschließliche Unterhaltungsthema. Ueberall nervöse Aufregung, die sich auslösen muß, wenn stundenlange Ungewißheit den Menschen in Atem hält. Vor den Schaufenstern unserer Geschäftsstelle, auf den Plätzen und Straßen stehen die Passanten mit den neuen Ausgaben der Zeitungen in der Hand und das große Ereignis und seine möglichen Folgen für Deutschland lebhaft besprechend.
Ein schönes militärisches Schauspiel. Drei kriegsstarke Schwadronen der Bonner Königshusaren überschwammen heute morgen mit ihren Pferden bei Mondorf den Rhein. – Daß die gegenwärtige kriegsdrohende Zeit das Interesse an militärischen Uebungen gemehrt und vertieft hat, ward dadurch besonders ersichtlich, daß hunderte von Menschen sich eingefunden hatten, den interessanten Vorgängen zuzuschauen. (…) Die Uebung, die fast den ganzen Vormittag in Anspruch nahm, verlief sehr gut, ohne jeglichen Zwischenfall – nicht gerechnet, daß einige Reiter beim Aufsitzen vom Nachen aus mit dem Wasser in nähere Berührung kamen, zum Gaudium der Kameraden und Zuschauer. Es war eine Freude, dem kriegerisch anmutenden Treiben zuzusehen, dem sachgemäßen, zielbewußsten Handeln und Zufassen der Soldaten, dem mutigen Schwimmen der Pferde, die trotz aller Wellen ruhig und sicher neben den Kähnen dem Ufer zustrebten. Und so hat diese Uebung der Husaren wieder den militärischen Ausspruch bewiesen, daß es für die Soldaten nur Hindernisse gibt, damit sie überwunden werden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Vorabendausgabe, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Etwa 80 österreichisch-ungarische Staatsangehörige, die in Bonn und in den Nachbarorten wohnten, sind gestern dem Aufrufe des Generalkonsuls folgend, in ihre Heimat abgereist, um sich der Militärbehörde zu stellen.
Zur Beruhigung der Bürger, welche durch Guthaben bei der städtischen Sparkasse beteiligt sind, diene der Hinweis darauf, daß die Sparkassengelder als Privateigentum nach staats- und völkerrechtlichen Grundsätzen vor dem Zugriff jeder Staatsgewalt im Krieg und Frieden geschützt sind, somit dauernd die größte Sicherheit bieten. Selbstverständlich würde auch im Falle einer Mobilmachung der Betrieb der Sparkasse aufrechterhalten bleiben.
Diese Bekanntmachung des Oberbürgermeisters von Köln verdient auch in Bonn veröffentlicht zu werden; denn es ist gestern ein wahrer Ansturm auf die Bonner städtische Sparkasse unternommen worden. Wenn es wirklich zu einem Kriege käme, an dem sich auch Deutschland beteiligen müßte (was aber nach der Lage der Dinge so gut wie ausgeschlossen ist), werden Geld und Wertsachen auf der städtischen Sparkasse sicherer aufbewahrt, als zu Hause.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Morgenausgabe, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Ippendorf, 27. Juli. Am Sonntag wurde im Lokale des Herrn Wilhelm Hülsmann ein Spielverein zur Förderung des Fußballs und der Leichtathletik gegründet. Dem Verein traten 18 Mitglieder bei.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Morgenausgabe, Rubrik „Aus der Umgegend“)
Der Gestellungsbefehl der österreichischen Armee, der in den Tageszeitungen bekannt gegeben wurde, hat zur Folge gehabt, daß von Bonn aus im Laufe des gestrigen Tages etwa 130 österreichische Reservisten über Köln nach Österreich befördert wurden. ...
Falsches Gerücht. In der vergangenen Nacht war in Bonn und der weiteren Umgebung das Gerücht verbreitet, daß der deutsche Botschafter in Paris Frhr. von Schoen, ermordet worden sei. Große Menschenansammlungen fanden deshalb vor unserem Geschäftslokal statt und fortgesetzt erfolgten telephonische Anfragen. Als wir auf Grund genauer Feststellungen bei den Telegraphenbureaus durch Anschlag am Fenster kundgaben, daß es sich um ein unbegründetes Gerücht handle, wurde dies begreiflicherweise mit stürmischen Jubel begrüßt, und sichtlich beruhigt zerstreute sich das Publikum.
An der Rheinbrücke wurde gestern gegen Abend von einem Kriminalbeamten ein Automobil angehalten, in dem sich drei Herren befanden. Der Beamte ließ sich die Ausweispapiere der Insassen vorzeigen und fuhr zusammen mit den Herren nach der Polizeiwache. Wie es heißt, soll es sich um Herren aus Frankreich gehandelt haben, die bei der Fahrt von Beuel nach Bonn photographische Aufnahmen von der Rheinbrücke gemacht haben. Ob es sich um einen Fall von Spionage handelt, konnten wir auf unsere Anfrage bei der Polizei nicht ermitteln.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Konservative Vereinigung: Zu einer erhebenden nationalen Feier gestaltete sich das als Sommerfest geplante Fest der Konservativen Vereinigung, das Sonntag bei sehr zahlreicher Beteiligung in der Beethovenhalle stattfand. ... Dann nahm der geschäftsführende Vorsitzende, Landrichter a.D. Dr. Kaufmann das Wort zu einer Begrüßungsansprache. Er erinnerte an die ernste politische Lage. Ein Weltkrieg, bei dem ungeheure wirtschaftliche und ideelle Werte auf dem Spiel stehen, bedrohe uns. Die Entscheidung hänge von Russland ab, wenn es den Krieg wolle, werde Deutschland seinem Bundesbruder in unerschütterlicher Treue zur Seite stehen. Der Krieg, wenn er kommt, werde ein gerechter Krieg sein, denn es gelte, die germanische Art in Europa zu verteidigen. ... Gott schütze uns, damit der Rhein, den das Haus Hohenzollern jetzt 100 Jahre freigehalten habe, auch fernerhin deutsch bleibe.
Eine Mahnung zur Besonnenheit erlässt der Kölner Oberbürgermeister als Vorsitzender des Sparkassenvorstandes. Zur Beruhigung der bei der Städtischen Sparkasse durch Guthaben beteiligten Bürgerschaft diene der Hinweis darauf, daß die Sparkassengelder als Privateigentum nach staats- und völkerrechtlichen Grundsätzen vor dem Zugriff jeder Staatsgewalt in Krieg und Frieden geschützt sind, somit dauernd die größte Sicherheit bieten. Selbstverständlich würde auch im Falle einer Mobilmachung der Betrieb der Sparkasse aufrecht erhalten bleiben. Um einem etwaigen unüberlegten Andrang des Publikums auf Auszahlung des Guthabens vorzubeugen, wird für alle Rückforderungen von mehr als 1000 Mark die Innehaltung der satzungsmäßigen Kündigungsfrist bis auf weiteres beansprucht werden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“