Dienstag, 21. Juli 1914

 

Am gestrigen Geburtstage Sr. Durchlaucht des Prinzen Adolf zu Schaumburg Lippe waren die öffentlichen Gebäude unserer Stadt beflaggt. Es gingen zahlreiche Glückwünsche von hier nach Norderney.

Beim Vornamen. Weshalb werden in zahlreichen Geschäften die weiblichen Angestellten beim Vornamen gerufen, während dies beim männlichen Personal selbstverständlich nicht der Fall ist? Es wird niemandem einfallen, einen Verkäufer oder einen Buchhalter „Herr Karl!", „Herr Xaver!" zu rufen, aber selbst hochbejahrte weibliche Angestellte werden in sehr vielen Geschäften „Fräulein Anna!", „Fräulein Clara!" usw. genannt. Es ist zweifellos, daß dieser seltsame Unterschied, der da zwischen weiblichem und männlichem Personal gemacht wird, zu den zahlreichen Ursachen gehört, die den Verkäuferinnen-Beruf bei den Töchtern aus besseren Familien vielfach in Misskredit gebracht haben, denn das Rufen beim Vornamen hat etwas herabwürdigendes und dabei auch etwas vertraulich intimes. ...

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")

 

Der König der Ausbrecher , Harry Morton, von dem bekannt geworden war, daß er, an Händen und Füßen gefesselt, von einem Motorboot in den Rhein springen und sich unter Wasser seiner Fesseln entledigen werde, hatte gestern nachmittag eine riesige Menschenmenge an den Rhein gelockt. Mittlerweile war aber auch bekannt geworden, daß die Polizei eine derartige Schaustellung untersagen werde. Tatsächlich bemerkte man unter den vielen Zuschauern eine Anzahl Polizei- und Kriminalbeamte, die gewillt waren, den „Ausbrecher-König“, falls er trotz des Verbots den „Todessprung“ wagen sollte, dingfest zu machen. Mittlerweile aber war Harry Morton, der „König der Ausbrecher“ längst heimlicherweise auf einem Boot bis Königswinter gefahren und kam nun kurz nach 5 Uhr an Bord eines Motorbootes in langsamer Fahrt auf Bonn zu. „Wird er in den Rhein springen oder nicht?“ Das war die Frage. Das Publikum stellte sich auf die Fußspitzen, auf die Bänke, Gitter und Landungsbrücken. Kurz vor der Köln-Düsseldorfer Landesbrücke schwang sich Morton im Badekostüm behende auf das Oberdeck und sprang gefesselt ins Wasser. Im Augenblick hatte er sich seiner Fesseln entledigt, schüttelte wie ein Pudel das Wasser ab und ließ sich unter dem Beifall des Publikums noch mehrere Male fesseln. Auch dann gelang es ihm in kurzer Zeit, unter Wasser freizukommen. Das Publikum, das für derartige Schaustellungen gern und dankbar zu haben ist, ließ es an Beifall nicht fehlen. Kurze Zeit darauf sah man Harry Morton, den „Ausbrecher-König“, überlegen lächelnd, im Straßenanzug durch Rheinpromenade schlendern und nach Gebühr „bewundern“ lassen.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Ein Studenten-Umzug. Die katholische Studenten-Verbindung „Bavaria“ veranstaltete heute morgen anläßlich ihres 70jährigen Stiftungsfestes einen großen Umzug durch die Straßen der Stadt. An der Spitze des Zuges ritt das Trompetenkorps des hiesigen Husarenregiments in historischen Uniformen mit den Farben der Bavaria. Hoch zu Roß folgten die Chargierten mit dem blau-weiß-hellblauen Banner. Dann folgten in unabsehbarem Zuge Wagen, geschmückt mit den Farben der Verbindung. In ihnen hatten die Alten-Herren, Inaktive, Aktive und Vertreter auswärtiger Kartellverbindungen je zu zweien Platz genommen. Blumengeschmückte Dogcarts, von Bavarenfüchsen selbst gelenkt, beschlossen die Wagenreihe.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Vorabendausgabe, Rubrik „Bonner Nachrichten“)

 

Rekruten-Fürsorge. Sonntag morgen 11 Uhr traten in dem Exerzierschuppen der hiesigen Infanteriekaserne 242 Rekruten an, um teilzunehmen an der Erlernung der ersten militärischen Uebungen. Erfreulicherweise hatten sich wiederum 20 Mann mehr eingefunden als das letztemal, auch einige Einj.-Freiwillige und mehrere Rekruten der benachbarten Ortschaften waren erschienen.

Die jungen Rekruten wurden in mehrere Abteilungen eingeteilt und dann erlernten sie Freiübungen: Rollen der Hände, der Füße, des Kopfes, der Arme usw.; es folgten Körperübungen mit ausgestreckten Armen, Bewegungen in Kolonnen: Abschwenken und Marschieren in Gruppen, wobei das Hauptgewicht auf ungezwungene, körperliche Haltung gelegt wurde. Nach dieser Übung sammelte der Vorsitzende, Herr Klutmann, das „Ganze“ und richtete einige Worte an die Rekruten. Redner forderte die jungen Leute auf, alle ihre Kameraden zur Rekrutenfürsorge einzuladen.

Am Dienstag, den 28. Juli abends 8 ½ Uhr ist Versammlung in der Germaniahalle und Vortrag über das Thema: Notwendigkeit der Dienstpflicht und der Wehrpflicht; den Sonntag nach dem Vortrag sind Bewegungsübungen im Gelände auf dem Venusberg, Rückmarsch mit der Regimentsmusik zum Kaiserdenkmal, dortselbst Ansprache und Kaiserhoch.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Morgenausgabe, Rubrik „Bonner Nachrichten“)