Donnerstag, 24. Dezember 1914
Einschränkung der Neujahrsglückwünsche. Der Feldpostbriefverkehr nimmt andauernd an Umfang zu; nur mit Aufbietung aller Kräfte ist es bis jetzt gelungen, ihn ordnungsgemäß zu bewältigen. Ihm drohen aber neue Gefahren, wenn ein Austausch von Neujahrskarten in dem in Friedenzeiten üblichen Umfange zwischen der Heimat und den Angehörigen des Heeres in diesem Jahre stattfindet. Es ist unmöglich, im Felde Aushilfspersonal einzustellen. Durch solche Massensendungenwürde nicht nur der Dienstbriefverkehr, sondern auch der gewöhnliche Privatbriefverkehr leiden; aus diesen Gründen ersucht die Heeresleitung das Publikum dringend, die Absendung von Neujahrsglückwünschen durch die Feldpost zu unterlassen. Auch die Versendung von Glückwünschen in die Heimat solle man einschränken. Die dadurch ersparten Summen würden, wie dies auch bereits in früheren Jahren vielfach geschehen ist, wohltätigen Zwecken zuzuführen sein.
Hilfsstelle zu Ermittlung von Kriegsgefangenen. Bei der gestrigen Aussprache kam zunächst eine von dem Lager zu Mont Louis eingegangene Liste von 24 Gefangenen rheinischer Regimenter zur Verlesung. Aus sonstigen Nachrichten ging hervor, daß von einem seit August vermissten Wehrmann erst jetzt aus St. Nazaire Nachricht eingetroffen sei. Die Mitteilung eines gefangenen Bonners, daß er in dem gesandten Paket außer den Lebensmitteln eine leere Zigarrenkiste vorgefunden und der Inhalt der letzteren wohl unterwegs Liebhaber gefunden habe, war von der Zensur mit dem Vermerk „Verboten“ versehen worden. Es empfiehlt sich daher, Zigarren an Gefangene in Frankreich nicht abzusenden. Da aus manchen Briefen hervorgeht, daß die Gefangenen Lebensmittel sehr benötigen, wurde die Frage gestreift, ob nicht auch die Absendung von Liebesgaben, wenigstens an solche Gefangene, die von unbemittelten Angehörigen kaum etwas zu erwarten haben, am Platze sei. Solche ärmere Gefangene sind der Hilfsstelle bekannt. Zweifellos würde diesen Kriegern, zumal sie teils noch neben dem seelischen Leid der Gefangenschaft das körperliche zu tragen haben, ein solcher Gruß aus der Heimat das getroffenen Los mildern und sie erfreuen. Leider hat die Hilfsstelle keinerlei Mittel, um derartige Pflichten zu erfüllen. Die nächste Aussprache wurde für den 4. Januar angeordnet.
Die Hansa-Handels-Schule veranstaltete am Montag ihre diesjährige Weihnachtsfeier. Die Schüler und Schülerinnen hatten wieder einen reichen Gabentisch für armen Kinder aufgebaut und erfreuten die Anwesenden ferner durch Gesang-, Musik- und Gedichtvorträge usw. Zur Verschönerung der Feier trug namentlich auch die Lehrerin Frl. Funke durch ihre Lieder zur Laute bei. Außer den Armen wurden auch unsere tapferen Krieger nicht vergessen; eine Anzahl Verwundeter aus den hiesige Kliniken nahm teil an der Feier, ward vom Nikolaus – nicht dem russischen – mit allerlei Nützlichem und Angenehmen bedacht und verbrachte so etliche frohe Stunden im fröhlichen Kreise.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Katholischer Gesellenverein. Statt der sonstigen Weihnachtsaufführung findet in diesem Jahre am 2. Weihnachtstage abends 6 Uhr nur eine kleine, patriotische Veranstaltung verbunden mit kurzer Weihnachtsfeier statt. Herr Klutmann wird dabei einen Lichtbildvortrag über den Kampf im Argonnerwald halten (Eintrittsgeld wird nicht erhoben.)
Weihnachtsfeier im Garnisonlazarett. Am Mittwoche abend fand im Garnisonlazarett eine stimmungsvolle Weihnachtsfeier statt. Angesichts des strahlenden, mit reichem Schmuck behängten Baumes, der im größten Krankenraume seine Aufstellung gefunden hatte, hielt Dechant Böhmer inmitten der Verwundeten und zahlreicher Gäste, die in den Kriegsmonaten ihr besonderes Interesse dem Lazarett bewiesen hatten, eine zu aller Herzen gehende Ansprache. Ein gemeinsam gesungenes Weihnachtslied spann die Gedanken der Rede in sinniger Weise fort. Nun öffnete sich die Tür, und eine Schar kleiner Kinder aus dem Kinderhort, zum Teil als Heinzelmännchen verkleidet, mit dem Weihnachtsmann an der Spitze, führte ein kleines volkstümliches Weihnachtssingspiel auf, das viel Beifall fand; es endete mit der Verteilung der für jeden Insassen des Lazaretts bestimmten Gaben. Hierauf erfreute Schwester Selma Weiß noch mit ihrem trefflichen Singchor, dem die LazaretteBonns schon manche schöne Stunde verdanken, die Festteilnehmer. Zum Schluß dankte ein verwundeter Unteroffizier im Rahmen aller in kernigen Worten sämtlichen Veranstaltern des schönen Abends. Ein besonderer Dank aber gebührt den unermüdlichen Krankenschwestern des Lazaretts sowie dem Herrn Oberinspektor Thaa, welche vereint die Vorbereitungen und die Durchführung des wohlgelungenen Festes übernommen hatten.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Vaterländische Reden und Vorträge. Am sechszehnten Abend sprach der Bonner Benediktinerpater Albert Hammenstede über „Krieg und Soldatenstand im Lichte der katholischen Liturgie“. Kriegen, richtig verstanden, ist ein Kampf für Gott als die höchste Wahrheit, sagte P. Hammenstede. Diesen Krieg läßt die katholische Kirche nicht nur zu, sie befürwortet ihn sogar und gibt dieser ihrer Ueberzeugung in der Liturgie Ausdruck. Betend, segnend und opfernd tut die Kirche alles für das Vaterland und seine Söhne; jedem Krieger ist sie nahe. Nicht der Haß treibt uns ja das Schwert in die Hand, sondern die grenzenlose Liebe zum Inbegriff des Rechtes und der Wahrheit: zu Gott. So kann man von einer Heiligkeit des Krieges sprechen. P. Hammenstede erklärte sehr ausführlich die Zeremonien der liturgischen Handlungen, in welchen die katholische Kirche durch den Bischof den Soldat, seine Uniform, seine Waffe und die Fahne weiht, er wies auf die Gebete und Psalmen hin, in denen der Priester bei der hl. Messe Gott um seine Hilfe für die kämpfenden Heere anruft und er sprach von dem Gebet der Gläubigen, von den Bittprozessionen um einen glücklichen Ausgang des Krieges. Der Vortrag wird am 2. Januar wiederholt.
Im Mutterhaus vom Roten Kreuz fand, wie dies in vielen Mutterhäusern Sitte ist, eine Kinderbescherung statt, welche sich besonders schön gestaltete durch die Anwesenheit Ihrer Königlichen Hoheit der Frau Prinzessin zu Schaumburg-Lippe, die Ehrenmitglied des Mutterhauses ist. Die Bescherung trug in diesem Jahr einen ganz besonderen Charakter; denn neben den erschienenen Gästen scharten sich mit den Kindern unsere verwundeten Krieger um den silberglänzenden Weihnachtsbaum. Auch die außerhalb stationierten Schwestern waren vollzählig erschienen, sind sie es doch, die in wochenlanger Arbeit neben der Pflege die sämtlichen Bekleidungsgegenstände für die Kinder selbst angefertigt haben. – Die Verwundeten, welche sich bei den Vorbereitungen auch gerne und eifrig betätigt hatten, ließen es sich nicht nehmen, die Feier durch sorgsam einstudierte Darbietungen zu verschönen. (…) Möge der Wunsch des Geistlichen, daß der Friedensfürst unserem Vaterland nach erfolgreichem Kampfe einen ehrenvollen dauernden Frieden bescheren möge, recht bald in Erfüllung gehen!
Weihnachtsfeier der Kinderhorte. Im großen Saale des Bürgervereins fand am Dienstag nachmittag die Weihnachtsfeier der 4 Horte des Kath. Frauenbundes statt. Fast 400 Kinder hatten sich, zum Teil mit ihren Müttern, versammelt, um mitten in der harten Kriegszeit das Fest des Friedens, das Fest der Kinder zu feiern. Weihnachtsklänge, liebe, altvertraute, von Kindermund schlicht und fromm gesungen, trugen Weihnachtsstimmung in aller Herzen, gemischt freilich mit Wehmut beim Gedenken an all‘ die draußen im Felde Weihnachten Feiernden. Herr Oberpfarrer Böhmer hielt in warmen Worten eine Ansprache an die Kleinen, ihnen als echten, deutschen Kindern die Waffe des Gebetes zur Mithülfe an dem großen Kampfe empfehlend und sie auffordernd zu pünktlichem, freudigem Gehorsam. (…) Alle Darbietungen, vor allem auch ein allerliebster Engelreigen und der , von einer jungen Dame stimmungsvoll vorgetragene Prolog, dem Gedanken Ausdruck gebend, daß nur durch Kampf der echte Frieden zu gewinnen sei, fanden reichen Beifall und dankbare Anerkennung.
Ein Bonner Offizier erzählt uns folgende Begebenheit, die sich an einem Ort unserer Westgrenze zugetragen hat:
„Zweihundertzwanzig Landsturmleute stehen in Reih und Glied vor mir und erwarten meine Kommandos. Da ich das Recht habe, zwanzig von ihnen als überzählig zu entlassen, richte ich folgende Frage an sie:
„Leute! zwanzig von euch, die gerne entlassen wären, mögen vortreten; wir haben Mannschaften zuviel! …
Niemand tritt vor.
Da sage ich mit erhobener Stimme:
„Versteht mich recht, Leute! Es sind doch gewiß viele unter euch, die Frau und Kinder, vielleicht eine recht zahlreiche Kinderschar zu Hause haben und deshalb sicher gerne daheim blieben, anstatt ins Feld zu ziehen. Es wird euch gar nicht verübelt, wenn ihr vortretet; ich bin selbst ein alter Familienvater und fühle mit euch; also nachmals: vortreten wer entlassen sein soll!“
Stramm und stolz stehen 220 Landsturmleute vor mir, alles bärtige Männer und keiner von ihnen rührt sich, trotzdem ich weiß, daß der größte Teil von ihnen zu Hause Weib und Kinder hat. Nicht wahr, das ist echte, die große, ganz starke Liebe zum Vaterland. Ich bin stolz auf meine Landsturmmänner, und ich habe ihnen das auch gesagt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
An unsere Beamten.
Wie wäre es, wenn am 1. Januar d. Js. alle Reichs-, Staats- und Kommunalbeamten, sowie auch alle Pensionäre Bonns eine kleine Spende für das „Rote Kreuz“ beisteuern wollten, es würde dann eine ganz schöne Summe in Bonn zusammen kommen; auch dürfte dieses patriotische Werk in andern Städten Nachahmung finden. Ein Pensionär.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)