Sonntag, 15. November 1914
Unausgebildeter Landsturm und garnisonsdienstfähige Ersatz-Reservisten. Das stellvertretende Generalkommando des 8. Armeekorps gibt bekannt, daß demnächst bei sämtlichenLandsturm- und Landsturm-Infantrie-Ersatzbatallionen des 8. und 16. Armeekorps Rekrutendepots für jedes Bataillon aus unausgebildeten, nur garnisonsdienstfähigen Ersatz-Reservisten und aus unausgebildeten Landsturmmannschaften gebildet werden sollen. Dadurch wäre es besonders Arbeitslosen ermöglicht, zuerst berücksichtigt zu werden. Es empfiehlt sich für Arbeitslose, sich schnellstens dem Bezirkskommando zur Verfügung zu stellen.
Größere Nachtruhe wird von den Bonner Bürgern verlangt. In den Städten und Lokalen angeschlagene Plakate lauten: „Mitbürger! Unsere verwundeten tapferen Soldaten haben Ruhe dringend nötig. Aus Dankbarkeit wollen wir dafür sorgen, daß die Nachtruhe nicht gestört und am Tage unnötiger Lärm vermieden wird. Die Verwundeten sind in allen Stadtteilen untergebracht.“ So selbstverständlich es ist, daß jeder Anrecht auf eine ungestörte Nachtruhe hat, besonders aber jetzt die vielen Verwundeten hier in Bonn, so dringend nötig ist die obige Mahnung. Leider hört man auch in dieser ernsten Zeit noch bis in die Morgenstunden johlende Angetrunkene durch die Straßen ziehen. Diesen leuchtet offenbar der Ernst der Zeit noch nicht ein. Es ist dringend zu wünschen, daß gegen diese Ruhestörer ganz energisch vorgegangen wird.
Die Versteigerung von Häuten und Fellen wird auf Anordnung des Kriegsministers im Bereich des 8. Armeekorps verboten.
Die Stechmückenplage. Der Herr Regierungspräsident zu Köln macht wiederholt auf die Bekämpfung der Stechmücken aufmerksam. Für die Vernichtung der z.B. in Kellernüberwinternden Weibchen kommt das Absengen mit Spiritus- oder Lötlampen und, wo dieses als feuergefährlich nicht anwendbar ist, das Ausräuchern der betreffenden Räume in Frage. (...)
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Der Schulunterricht für Volks- und höhere Schulen beginnt vom Montag, 16. November an, morgens ½9 Uhr.
Liebesgaben. Die Zigaretten-Fabrik St. Fitos hat dem Roten Kreuz abermals 5.000 Stück Zigaretten für die im Felde stehenden Bonner Soldaten übermittelt.
Vom Kartoffelkrieg. Auf dem Markte in Koblenz wurde ein Wagen mit Kartoffeln durch die Behörde beschlagnahmt. Die Kartoffeln wurden wann durch einen städtischen Beamten verkauft und zwar immer nur 10 Pfund an einen Käufer für 33 Pfg. Daß zu dem Verkaufe ein großer Andrang stattfand und mehr Nachfrager als Kartoffeln vorhanden waren, ist leicht begreiflich. (...)
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Umtausch von Goldmünzen. Dank der Hilfsbereitschaft der Bürger hatte der Umtausch von Goldmünzen in Bonn bis jetzt einen äußerst günstigen erfolg. Es sind schon ganz erhebliche Summen 10- und 20-Markstücke eingesammelt und gegen anderes Geld umgetauscht worden. Aber erst ein Teil, und nicht einmal der größte Teil der Stadt, ist bis heute durchgenommen. Die Sammler gehen noch täglich von Haus zu Haus. Jeder lege das vorrätige Goldgeld rechtzeitig bereit, damit den Sammlern nicht zu viel Aufenthalt entsteht.
3.000 Mark an Gold hat Herr Architekt Fritz Tasche bis jetzt allein im Bezirk Rosental gegen Papiergeld eingetauscht.
Dringend ist zu wünschen, daß sich das Publikum beim Bahnhofsdienst für die Verwundeten etwas mehr fernhält. Die Verwundeten und Kranken sind meist nach langer Fahrt der äußersten Schonung bedürftig und müssen Aufregungen und neugierigen Fragen entzogen bleiben.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Beuel, 12. Nov. Ein junger Mann aus Limperich, welcher ein großer Tierfreund ist und bei Ostende wacker gefochten, dabei erheblich verwundet wurde, und in Beuel im Lazarett liegt, erzählt eine Episode, wie er eine Kuh in Feindesland aus dem brennenden Stall gerettet. Ein Bauerngehöft war durch die Artillerie in brand geschossen. Entsetzlich erscholl das Angstgebrüll einer im Stalle an der Kette befestigten Kuh. Der Stall war bereits lichterloh am brennen. Da erbarmt sich unser wackerer Limpericher des armen Tieres, dringt todesmutig in den Stall und versucht die Kuh von der Kette zu lösen. Das unvernünftige Tier sträubt sich gewaltig dagegen und drückt sich schließlich ihren Retter fest wider die Wand. Derselbe sah sich dem Tode verfallen, da gegen solche Gewalt nichts auszurichten war und schrie um Hülfe. Da dringen sechs brave deutsche Soldaten in den Stall, um ihren Kameraden zu retten, und mit Gewalt lösten sie die Kette des Tieres und jagten es mit einigen Schlägen aus dem brennenden Stall. Die Kuh schmiß ihre gesamten Retter dabei über den Haufen und mit Riesensätzen sprang sie zum Stall heraus, hinterdrein unsere todesmutigen Soldaten, welche sich so schnell aus der Feuerlohe in Sicherheit brachten, froh das arme Tier vom Tode des „lebendig gebraten werden“, befreit zu haben. In demselben Dorfe drangen unsere Soldaten in ein brennendes haus, in welchem eine ganze Hecke, wohl an die 40 Kanarienvögelchen von ihrem geflohenen Herrn hülflos zurückgelassen waren. Die Soldaten öffneten den Käfig und ließen die Vögelchen fliegen, damit sie doch wenigstens nicht lebendig verbrannten.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Umgebung“)
Höchstpreise für Kartoffeln werden allgemein gefordert. Ob die augenblickliche Festsetzung Erfolg hat, ist sehr zu bezweifeln. Die Großbauern werden dann erst recht ihre eingelegten Vorräte zurückhalten. Wert hätte die amtliche Festlegung nur dann, wenn sie jetzt für den ganzen Winter bis einschl. mai erfolgen würde. – Die Landwirte bringen ihre Kartoffeln schon heraus, wenn ihnen die Aussicht genommen wird, bei Ausgang des Winters das doppelte oder dreifache des jetzigen Preises zu erzielen. Ein Beamter.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)