Montag, 2. November 1914
Bei Tanga (Deutsch-Ostafrika) schlägt die deutsche Schutztruppe einen britischen Invasionsversuch zurück.
Allerheiligen wurde gestern mit besonderer Feierlichkeit begangen. Zu den Gedenken, die an diesem Tage die Lieben suchen, die von uns geschieden sind, kam in diesem Jahre die dankbare Erinnerung an unsere Krieger, die draußen im Feindeslande ihr Leben für uns gelassen haben. Tausende und Abertausende sind für das Vaterland gefallen. Und in dem Schmerz, der uns alle erfaßt, versinkt das eigene Leid, und wie nun alles in uns zu einem großen, heiligen Gefühl der Gemeinsamkeit zusammen geflossen und erhoben ist, so ist auch dieser Gedenktag der Toten nun ganz der Schar jener Helden geweiht, die für uns, unsere Heimat, unsere Ehre, unser nationales Sein gestorben sind. Auf dem Kirchhofe waren die Gräber jener, die in der Heimat ihren Wunden erlegen sind, pietätvoll geschmückt. Und gewiß gab es keinen, der vor diesen Heldengräbern nicht in stiller Trauer und dankbare Wehmut gestanden hätte. Die da liegen, sind für uns gestorben. Und das schwere, das große, große Opfer soll nicht vergebens gewesen sein. Das ist das Gelöbnis und auch der Trost diese Tages, der ein Totenfest von eigener und erhabener Trauer war.
Ueber die Feldpostsendungen wird amtlich mitgeteilt: Nach wie vor sind zahlreiche Feldpostsendungen unrichtig, undeutlich adressiert oder mangelhaft verpackt. Ihre Menge, die bis Ende September täglich 50 000 beträgt, ist seitdem nur unmerklich zurückgegangen. Der Postbetrieb wird dadurch dauernd auf das schwerste beeinträchtigt. Nicht minder leiden darunter die Interessen des Publikums und unserer Krieger. Wenn jetzt noch Klagen laut werden, daß die Feldpostbriefe Heeresangehörige dauernd nicht erreichen, so ist dieses in der Regel darauf zurückzuführen, daß die angewandten Feldadressen unrichtig waren. Hierin Wandel zu schaffen, ist vor allem Sache der Heeresangehörigen selbst. Die Militärverwaltung hat deshalb schon wiederholt die Truppen durch ihre Vorgesetzten auf die Notwendigkeit hinweisen lassen, nur richtige Feldadressen nach Hause mitzuteilen. (...) Neuerdings hat sich auch die private Hilfsbereitschaft, wenn auch vorläufig noch vereinzelt, der Angelegenheit angenommen und versucht, durch die Einrichtung von Schreibstuben, dem mit den Versendungsbedingungen weniger vertrauten Publikum Belehrung und Hilfe zuteil werden zu lassen . (...)
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Heldenfeier.
Dreiundfünfzig Krieger, Freund und Feind, schlafen auf dem Norfriedhof in kühler Erde den ewigen Schlaf. Soldaten, die hoffnungsfroh ins Feld zogen, die aber die tückische Kugel traf und deren Leben die Kunst des Arztes nicht zu retten vermochte.
Fern von der Heimat, von Weib und Kind, nahm sie hier die Erde auf. 53 Hügel wölben sich nebeneinander. 53 schlichte weiße Holzkreuze künden die Namen der Gefallenen. Jedes Grab ist mit Tannengrün geschmückt, jedes Grab ziert ein Blumenkranz.
Von den Menschen aufgerichtete Wertunterschiede und künstliche Stufen verblaßten vor der Majestät dieser Gräber, in die die Verteidiger unserer heiligen Muttererde sanken. Sie alle waren restlos erfüllt vom gleichen Wollen und vom gleichen Ziel, so wie ihre Kameraden im Felde, deren Hände noch fest das Gewehr umschließen.
Weil die Toten ihr eigenes Leben opferten für die große Gemeinsamkeit, derum umwehr die bleichen Gestalten unvergängliches Heldentum.
Den hier Bestatteten wurde gestern nachmittag eine erhebende Feier bereitet. Die dem Kreis-Krieger-Verband angeschlossenen Militärvereine standen mit umflorter Fahne um die Gräber der Gefallenen. Die John’sche Kapelle spielte Trauerweisen und die Bonner Liedertafel sandte den Dahingegangenen letzte Scheidegrüße. Oberpfarrer Dechant Böhmer gedachte in eindringlichen Worten der Krieger, die ihr Heldenblut dem Vaterland gaben. Er bezeichnete die Gefallenen als unsere Lebensretter, da sie den Feind von unseren Gestaden ferngehalten und uns vor Not und Sorge bewahrt hätten. Dann sprach man gemeinsam ein stilles Gebet und die Liedertafel sang einen stimmungsvollen Choral.
Mittlerweile war die Sonne durch den grauen Himmel gekommen. Die gelben Blätter der Friedhofsbäume glänzten wie Gold. Krähen zogen durch die stille Luft zu Neste. Die Musik spielte das alte, liebe Lied „Ich hatte einen Kameraden“. Da wurden manch ergrautem Krieger und vielen Menschen, die das Grab umstanden, die Augen feucht. Und man schämte sich dessen nicht. Das schlichte Lied und seine schlichte Weise griffen ans Herz.
Die Trauerfeier war längst beendet, aber immer noch drängte sich ein unübersehbarer Menschenstrom zu der ernsten Stätte.
Als sich dann später die Friedhofstore knarrend schlossen, stand der Mond am Himmel und hielt Wacht über die Toten ...
Die Aschbecher in der vierten Wagenklasse in den neuen Vierter-Klasse-Wagen haben sich bewährt, da sie wesentlich zur besseren Reinhaltung der Abteile beitragen. Aus diesem Grunde sollen sie allgemein eingeführt werden.
Die Verwundeten des Männerasyls wurden gestern durch Vorträge des Instrumentalvereins erfreut. Die einzelnen Darbietungen wurden von den Soldaten mit viel Beifall aufgenommen.
Fußballsport. Das gestrige Wettspiel zwischen dem Bonner Fußball-Verein und dem hiesigen Fußballklub „Eiche“ erbrachte einen knappen Sieg von 3 : 2 für den B. F.-B. Die „Eiche“ bewies, daß sie in der kurzen Zeit, in der sie den Fußballsport pflegt, es zu respektablen Fertigkeiten gebracht hat und daß sie als ein nicht zu unterschätzender Gegner anzusehen ist, der zu den schönsten Hoffnungen berechtigt. Sie erzielte auch das erste Tor, dem der B. F.-B. bis zur Pause nur einen Elfmeter entgegensetzen konnte. Schade, daß das interessante und äußerst fair durchgeführte Spiel nur wenig Zuschauer hatte. Ein regerer Besuch hätte auch dem edlen Zwecke, ein Scherflein zur Kriegshilfe beizusteuern, mehr gedient.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Eine stimmungsvolle Toten-Gedenkfeier bereiteten gestern nachmittag die Bonner Kriegervereine ihren ihren jüngst gefallenen Kameraden auf dem Nordfriedhof. Zu drei und drei, in Reih und Glied, wie sie als Soldaten in der Kolonne gestanden haben, liegen hier dreiundfünfzig junge, deutsche Männer unter dem kühlen Rasen. Schlichte weiße Kreuze schmücken ihre Gräber. Der Herbstwind weht gelbe Blätter darüber...
Dreiundfünfzig Grabhügel, dreiundfünfzig Menschenleben, dreiundfünfzig junge, brennende Herzen, dreiundfünfzig denkende, strebende Willen....
Nun sind sie tot .... sind tot ... tot ...
Frauen weinten plötzlich laut auf, als sie die langen, stummen Gräberreihen sahen.
Die Musik spielte einen Choral; Sänger sangen: Selig sind die Toten, die im Herrn sterben; die Menge entblößte ihre Häupter und hörte die Worte des Oberpfarrers Dechant Böhmer. Trostvolle, aufrichtende Worte ...
(...)
Nicht weit davon hat man drei Franzosen begraben. Ihre Grabhügel sind nicht anders als die unserer toten Soldaten. Es brennen sogar ein paar Kerzchen darauf. Neben den drei Franzosengräbern öffnet sich eine lange, leere Gräberreihe. Der nasse, braune Lehmboden liegt in unordentlichen Haufen daneben, die Höhlen starren kalt, begehrend hinauf ... und die Erde verlangt zurück, was sie gegeben....
Dreiundfünfzig junge, brennende Herzen, dreiundfünfzig denkende, strebende Willen. Wie viel ist nicht ein Herz, ein Wille? Hier liegen dreiundfünfzig. Und es folgen ihnen noch mehr, noch tausende, hunderttausende ....
Pechfackeln schwelen in der Dämmerung, ungezählte kleine Lichter flackern auf den Gräbern, schwer und dunkel legt sich die Nacht auf die Erde ....
Aus den Wiesen steigen graue Nebel ....
Universität. Die philosophische Fakultät unserer Hochschule hat Herrn Krupp von Bohlen und Halbachund dem Mitglied des Direktoriums der Firma Krupp, Herrn Professor Raufenberger, dem Konstruktör der schweren Geschütze, in bewundernder Anerkennung der großartigen Leistungen dieser Geschütze die Würde des Ehrendoktors zuerkannt. (...)
Englische Hinterlist. Wie sehr die Engländer darauf bedacht sind, mit allen Mitteln der Hinterlist uns zu schaden, ist schon hinreichend bekannt und tagtäglich erhalten wir neue Beweise darfür. So versuchen sie neuerdings durch Mittelspersonen in Deutschland Goldmünzen aufzukaufen und uns zu entziehen, um unsere finanzielle Rüstung, die ihnen ein Dorn im Auge ist, zu schwächen.
Dringende patriotische Pflicht eines jeden Deutschen ist es, allen Ueberredungskünsten gegenüber stark zu bleiben und sich nicht dazu verleiten zu lassen, Goldmünzen an fremde Mittelspersonen auszuliefern. (...)
An alle, die noch Gold besitzen, wird deshalb die dringende Mahnung gerichtet, entweder das Gold der Reichsbank zu überlassen oder wenn man sich durchaus nicht dazu verstehen kann, es wenigstens nicht anderen zu überlassen, damit es nicht in Feindes Land gerät.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)