Montag, 24. August 1914

Japan hatte am Vortag Deutschland den Krieg erklärt. Hindenburg hatte den Oberbefehl über die 8. Armee an der Ostfront übernommen. Im Westen setzten die Deutschen ihren Vormarsch fort. Im belgischen Dinant verübten deutsche Truppen ein Massaker an der Zivilbevölkerung, dem über 600 Menschen zum Opfer fielen.

 

Töchtern gefallener Offiziere gewährt die gemeinnützige Mathilde-Zimmermann-Stiftung (...) Freistellen in einem ihrer 11 Töchterheime.

Anzeige im General-Anzeiger vom 24. August 1914Die Firma F. Soennecken hat zur Unterbringung von Verwundeten in Bonn-Poppelsdorf zwei Säle von zusammen 60:11 Meter und in Bonn Soenneckenfeld zwei mit Bahnanschluß versehene und mit Bädern verbundene Säle von zusammen 60:28 Meter zur Verfügung gestellt. Ferner hat die Firma F. Soennecken zur Unterstützung der Familien ihrer zu den Fahnen gerufenen Arbeiter und Beamten vorerst den Betrag von 25.000 Mk. vorgesehen.

Ein Schwarzer stellte sich dem hiesigen Husaren-Regt. Nr. 7 als Freiwilliger und wurde auch angenommen.

Unangebrachte Neugierde. Sobald die Kunde, Verwundete kommen an, die Stadt durchläuft, strömen Hunderte von Menschen zum Güterbahnhof oder zu den einzelnen Lazaretten, um ihre unangebrachte Neugierde zu befriedigen. Nicht nur stört diese Ansammlung von Menschen den Verkehr, sondern es muß unseren tapferen Soldaten, die verwundet heimgebracht werden, doch auch peinlich sein, als Schaustück zu gelten. (...)

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")

 

Die Bonner Synagogen-Gemeinde überwies dem Herrn Oberbürgermeister für das Rote Kreuz 2000 Mark.

Ein schwarzer „Lehm op“. Am Samstag morgen wurde bei den 7. Husaren ein Schwarzer aus unseren Kolonien eingekleidet, der seiner Militärpflicht in Afrika genügt und sich jetzt hier freiwillig gemeldet hatte.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Prozession. Auch die gestrige Bittprozession zur Erflehung des Sieges unserer Waffen wies eine sehr gute Beteiligung auf. Das Wetter war der Feier sehr günstig.

Ein Neger, der sich hier aufhielt, hat sich freiwillig zum Dienste beim hiesigen Husarenregiment gestellt und wird augenblicklich ausgebildet.

Ein großer Menschenauflauf entstand gestern Nachmittag am Markte und an der Rathausgasse. Eine durch ihre Körperlänge auffallende und durch ihre bunte Kleidung Aufsehen erregende Frauensperson war wegen Gewerbevergehens festgenommen worden. Die Leute glaubten nun, es sei ein Spion, der Frauenkleidung angezogen habe, und begleiteten den Transport zur Wache. Der angebliche Mann der Person wurde ebenfalls festgenommen.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)

 

Verwundeten-Transporte

Ein Zug Verwunderter sollte gestern in Bonn eintreffen und in der Beethovenhalle untergebracht werden. Kaum war das Gerücht in den Straßen bekannt geworden, als sich auch schon gegen 8-9 Uhr abends eine zahlreiche, schaulustige Menge Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 24. August 1914zwischen Beethovenhalle und städt. Gymnasium ansammelte; es waren weit über 100, etwa 130 Personen, die hier über eine Stunde fast den Straßenverkehr hemmten und die Verwundeten erwarteten. Kam nun eine Tragbahre, so drängte man sich heran, erging sich in unangebrachte Bemerkungen und suchte fast rücksichtslos seine Neugierde zu befriedigen. Meist waren es halbwüchsige Burschen, Frauen und Mädchen. Den einen oder anderen der dort Wartenden trieb vielleicht bange Sorge um einen Angehörigen an die Bahren der dort Eingelieferten, bei den weitaus meisten herrschte jedoch die schier unbezwingbare Neugier vor. – Es wäre doch wünschenswert, wenn unsere Krieger und Helden, die vorübergehend oder dauernd vom Felde der Ehre zu uns zurückkommen, bei ihrer Ankunft in für sie ganz gewiß peinlicher Weise nicht von neugierigen, halb teilnahmslosen, halb mitleidigen Blicken der Umstehenden ausgesetzt wären. Hier müßte, wie es nunmehr auch auf den Bahnhöfen gegenüber den sich würdelos benehmenden Frauen geschieht, ganz energisch eingegriffen und Abhilfe geschaffen werden. Unsere mit Ruhm und Ehre bedeckten Verwundeten werden dann nicht vor der schaulustigen Öffentlichkeit, sondern in sorgsamer Abgeschlossenheit und Ruhe den Heilstätten zugeführt.

Viele Bonner Bürger wären der Polizeibehörde dankbar, wenn sie jede Ansammlung von Menschen vor den Lazaretten durch Erlaß bezüglicher Bekanntmachungen und effektive Durchführung derselben verhindern würde. Sollten sich derart unliebsame Vorkommnisse in Zukunft auch anderwärts wiederholen, werden ganz gewiß die Generalkommandos auch in dieser Hinsicht die erforderlichen, gerechten Maßnahmen treffe. Dr. W.

Vorsicht. Fast tagtäglich kann man in den Zeitungen lesen von den Greueltaten, die an unseren Landsleuten in den verschiedenen Ländern, welche uns mit Krieg überzogen, begangen werden. Umsomehr muß man sich wundern, daß hier in Bonn Angehörige der betreffenden Länder, noch frei und frank umher laufen, und sich noch in abfälligen Redensarten dazu verstehen, unsere eigenen Landsleute glauben zu machen, wir wären an dem Kriege schuld. M.E. wäre es wahrhaftig angebracht, ich will damit absolut nicht sagen, man solle „Gleiches mit Gleichem“ vergelten, nein dafür wollen wir uns doch sittlich zu hoch halten, wenn wir uns dieser Leute versicherten, ehe sie uns Schaden auf irgend eine Art zufügten. Daß viele Ausländer zu Allem fähig sind, davon sind wir in den letzten Tagen zur Genüge überzeugt worden, trotz Ehrenwort und Ehrenhaftigkeit, womit von diesen Leuten oft geradezu in überschwänglicher Weise herumgeworfen wird. Es kann also nicht genug Vorsicht vor diesen Leuten angeraten werden. Drum nochmals, versichern wir uns „ihrer“ aber ohne Sibirien, Totschlag oder Kerker. Sch

 

Frauenmode. Unter der Rubrik „Eine Mahnung an die Frauen und Jungfrauen“ wird in einer rheinischen Zeitung eine Verfügung des Andreas Hofer erwähnt, worin er „dem Weibsvolk befahl, in ernster Kriegszeit ihr Brust, Arm- und Beinfleisch ausreichend zu bedecken“. Wie zeitgemäß wäre jetzt diese Verfügung!

O du getreuer Andreas Hofer, hättest doch du eine Ahnung davon, wie die deutschen Frauen und Mädchen heute dieser Mahnung bedürfen, vielleicht mehr als vor hundert Jahren, sähest du doch, wie sie in förmliche Balltoiletten herumlaufen und Anzeige im General-Anzeiger vom 24. August 1914ihren täglichen Besorgungen nachgehen, wie ihre Blusen und Mieder hauptsächlich aus Löchern bestehen, und mehr zum Enthüllen als zum Verhüllen bestimmt sind, hättest du die engen, nach unten noch enger werden Kleiderröcke von heute gekannt, die bei jedem Schritt, den die Trägerin tut, die Körperformen durchblicken lassen, zu deren züchtiger Bedeckung die Gewänder doch eigentlich da sind! O, Andreas Hofer! Wüßtest du, wie selbst die Frauen, deren Ehrbarkeit über jeden Zweifel erhaben ist, unbedenklich die anstößigen Moden mitmachen!

Wann endlich werden wir von der Nachäffung der Pariser Moden ablassen, wann endlich wird der brave deutsche Familienvater sich dazu aufraffen, zu Frau und Tochter zu sagen: „In diesem Aufzug gehe ich nicht mit euch aus!“ Wann endlich werden unsere Frauen und Jungfrauen sich darauf besinnen, daß sie mitschuldig sind an der sittlichen Verheerung, welche diese Tracht anrichtet, wann endlich wird die Frau, namentlich die auf einer höhern Sprosse der gesellschaftlichen Leiter stehende, sich entschließen, der Näherin zu sagen: „Können Sie mir einen anständigen weiten Rock machen, der für meine Dimensionen bezw. meine Körperfülle passt, oder können Sie es nicht? Dann gehe ich weiter.“ Das Beispiel der bessern Stände ist es ja, das im Guten sowohl wie im Schlechten auf die untern Klassen bestimmend einwirkt.

All der wohlverdiente Spott und Hohn, der die Unsitten der heutigen Mode trifft, alle dagegen veranstalteten, großartig besuchten Versammlungen der Frauenvereine samt den dazu gehörigen schönen Resolutionen, ja, die ernstesten Mahnungen unserer hochwürdigen Bischöfe und Seelenhirten, alles ist bisher in der Praxis abgeprallt an der maßlosen Eitelkeit der Evastöchter, an dem sträflichen Unverstande der Mütter, an der unbegreiflichen Gleichgültigkeit der Väter und Ehemänner. (...)

Heute, wo der Herr der Heerscharen die schlimmste Geisel der Menschheit, die Kriegsfackel grausig drohend über Europa schwingt, wird heute die deutsche Frau „die Zeit ihrer Heimsuchung“ erkennen?

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik Stimmen aus dem Leserkreis“)

 

Ich habe zwei schwere Gefechte mitgemacht und bin unverletzt. Im zweiten lag Walter [Mackes Schwager Walter Gerhardt] plötzlich neben mir. (...) Die Franzosen lagen zu Hunderten herum. Es war schauerlich, was ich erlebt habe. Ich mag nicht daran denken. Es ist zu traurig.

(August Macke an seine Frau Elisabeth, Feldpostkarte aus Chairiere-sur-Semois, nahe der frz. Grenze)