Samstag, 15. August 1914

Die Französische Armee war am Vortag in Elsass-Lothringen erneut in die Offensive gegangen.

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 15. August 1914Einstellung der Erhebung der Einkommenssteuer von denjenigen Personen, welche zu einem der in der Kriegsformation befindlichen Teile des Heeres gehören. Nach § 5 Nr. 3 des Einkommenssteuergesetzes vom 19. Juni 1906 ist von der Besteuerung ausgeschlossen: während der Zugehörigkeit zu einem in der Kriegsformation befindlichen Teile des Heeres das Militäreinkommen aller Angehöriger des aktiven Heeres. (...)

Ein ernstes Wort. In dem strahlenden Bild allgemeiner Begeisterung und Hingebung tauchen einige trübe Flecken auf, vielleicht nur Schönheitsfehler, die zum Teil auch schon im Krieg 1870/71 gerügt worden sind. Es fällt peinlich auf, daß einzelne junge Damen auch in dieser ernsten Zeit es für richtig halten, sich zum Empfang durchreisender Truppen auffällig herauszuputzen, Auf ihrem Auszug in den schweren Krieg dürfen unsere Krieger wohl eine stimmungsvollere Form erwarten, und die Verwundeten und Gefangenen die bereits eintreffen, wird diese Geschmacklosigkeit befremden. Um keinen Preis darf eine andere Erscheinung wiederkehren: das Hindrängen der freiwilligen Helferinnen zu den Kriegsgefangenen. Natürlich sollen sie nicht hungern und dürsten. Aber für sie ist das Einfachste angebracht. Ihnen irgendwelche Leckerbissen zuzustecken, Zigaretten zu reichen, ist nicht angebracht. Zuerst kommen die eigenen Landsleute, und dann noch mal und dann noch lange nicht die feindlichen Kriegsgefangenen. (...)

Dienstboten. Es hat sich leider herausgestellt, daß Herrschaften Dienstboten bei Ausbruch des Krieges sofort entlassen haben. Das ist ungesetzlich, denn grundsätzlich ist der Krieg kein wichtiger Grund zu sofortiger Entlassung von Dienstboten.

Eine große Anzahl Störche (100 - 150 Stück) haben sich in Beuel niedergelassen. Bäche und Schornsteine sind davon belagert. Anscheinend sind diese Störche Kriegsflüchtlinge aus dem Elsaß, das ja reich an Störchen ist.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")

 

Die ersten Verwundeten vom westlichen Kriegsschauplatz sind gestern abend gegen ½ 11 Uhr hier angekommen. Es handelte sich in der Hauptsache um leichtverwundete und kranke Soldaten. Nur einige Schwerverletzte mußten im Automobil zum Militär-Lazarett gebracht werden, die übrigen, vorwiegend Infanteristen, auch einige Gardisten und Jäger, konnten zu Fuß zur Beethovenhalle gehen, wo sie in dem dort eingerichteten Lazarett untergebracht wurden.

Zur Lebensmittelteuerung. Das Oberbürgermeisteramt schreibt uns: Am Donnerstag fand im Sitzungssaale der Königlichen Regierung zu Köln eine Beratung über die gegen die wucherische Ausbeutung der Kriegslage durch Verteuerung der Lebensmittel zu ergreifenden Maßnahmen statt, an der unter dem Vorsitz des Regierungspräsidenten außer Vertretern des Gouvernements und der Landwirtschaftskammer der Oberbürgermeister von Köln, ein Vertreter der Stadt Bonn und die Landräte der zum Bereich der Festung Köln gehörenden Landkreise teilnahmen. Das Ergebnis der Verhandlungen war eine Ermächtigung der genannten Behörden gegen diejenige, welche die Kriegslage zu einer ungebührlichen Verteuerung der Volksnahrungsmittel ausnutzen, mit allen Mitteln, insbesondere auch durch behördliche Festsetzung von Höchstpreisen oder Beschlagnahme der Bestände im Sinne des maßgebenden Gesetzes vorzugehen.

Für Franzosenfreundinnen. Man schreibt uns: Die Mitteilung in Ihrem Blatte über das Verhalten von Damen den Gefangenen gegenüber erinnert mich an eine Anzeige im General-Anzeiger vom 15. August 1914Episode aus dem Jahre 1870, die sich Köln auf dem Bahnhof am Gereon zutrug:
Ein deutscher Soldat, der einen Gefangenen- oder Verwundeten-Transport begeleitet hatte, ging auf eine Dame zu, die ein mit Fleischbrühe und Tassen gefülltes Tablett trug und bat um eine Tasse. Die Antwort lautete: „Bedaure sehr, die sind für die Herren französischen Offiziere.“ Die Worte waren kaum gesprochen, da flogen durch einen Schlag unter das Tablett die Tassen auf den Boden und die Dame war über und über von Suppenbrühe beschüttet. Möge es allen Damen so gehen, die sich ungebührlich den unsrigen Soldaten gegenüber benehmen. W. F.

Eine verdiente Antwort. Bei den ersten französischen Gefangenen-Transporten in Deutschland haben sich auf den Bahnhöfen bedauerliche Szenen abgespielt. Einzelne Damen konnten der Versuchung nicht widerstehen, die Gefangenen anzusprechen und in eine Unterhaltung zu verwickeln. Es war ihnen offenbar ein „pikanter Reiz“, mit waschechten Ausländern „französisch zu parlieren“ und vor ihnen ihren „Charme“ zu entfalten, und der Umstand, daß es „grimmige Feinde“ waren, vor denen sie die Künste ihrer Koketterie spielen lassen konnten, hat diese Pikanterie gewiß noch verstärkt. In Köln bekam eine dieser „Damen“, die nicht wissen, was sie der deutschen Frauenwürde schuldig sind, von einem Gefangenen eine Abfuhr, durch die die Unwürdigkeit eines solchen Verhaltens drastischer gekennzeichnet wurde, als es durch die schärfsten Entrüstungskundgebungen geschehen könnte. Er warf nämlich das Glas Rotwein, das ihm von zarter Frauenhand kredenzt wurde, der holden Spenderin vor die Füße. Dieser Feind unseres Vaterlandes hatte jedenfalls mehr Ehre im Leibe, als die Frauen, die, um ihr Sensatiönchen zu bekommen die eigene Selbstachtung in den Wind schlagen.

Die zweite militärische Verlustliste ist soeben erschienen. Soweit wir daraus zu ersehen vermögen, befindet sich darunter kein Angehöriger der Bonner Garnison. Gefallen ist u.a. vom Stab der 14. Infanterie-Brigade Generalmajor v. Wussow, der offenbar einer der Söhne des Oberst v. Wussow ist, der nach seiner Verabschiedung in Bonn lebte und seine sechs Söhne auf der Kriegsschule erziehen ließ.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Unseren verehrt. Postabonnenten teilen wir hierdurch mit, daß die durch die Kriegswirren hervorgerufenen Verkehrsstockungen auch in den nächsten Tagen noch eine regelmäßige Zustellung der Zeitung unmöglich machen. Wir bitten die verehrt. Abonnenten aus diesem Grunde, Geduld zu haben. Voraussichtlich wird ab 20. ds. Mts. der Verkehr wieder ein geregelter und dann die Zeitung wieder prompt zugestellt werden. Geschäftsstelle der Deutschen Reichs-Zeitung.

(Hinweis in der Deutschen Reichs-Zeitung)

 

Anzeige in der Deutschen Reichszeitung vom 15. August 1914Bonner Bäcker-Innung. Was dieser Innung jetzt am nächsten liegt, ist, wie sollen die Familien der Mitglieder unterstützt werden, deren Ernährer in’s Feld mußte. In der Sitzung am Samstag abend hat man beschlossen, den Vorschlag des Hilfsvereins für durchfahrende Truppen, die Bonner Bäcker möchten anstelle der Militärbäckereien das von genanntem Verein gebrauchte Brot backen, anzunehmen. Die Bestellungen sollen den Bäckereien überschrieben werden, deren Meister zu den Fahnen gerufen wurde. Die Hilfsvereinigung möchte die Hefe 10 Pfg. per Pfund teurer verkaufen und diesen Aufschlag der Unterstützungskasse zufließen lassen. Die Geschäfte der eingezogenen Kollegen sollen von den zurückbleibenden Mitgliedern unterstützt und so vor dem Schließen bewahrt werden. An die Kundschaft ergeht die Bitte, auch fernerhin bei dem alten Bäcker zu kaufen. Ueber die Erhöhung der Innungsbeiträge und die Kasse der Innung und der Wirtschaftlichen Vereinigung soll noch im Vorstand beraten werden. – Von dem Roggenschrotmehl, das die Stadt Bonn im Interesse der Einwohner und der Innung gekauft hat, sind noch 150 Sack vorrätig, die möglichst bald Käufer finden müssen. Einen größeren Teil wollen Mitglieder der Innung übernehmen.

Herr Reichstagsabgeordneter Chrysant, der Ehrenobermeister der Innung ist, und der Direktor der Fortbildungsschule Herr Vins wohnten der gutbesuchten Versammlung bei. Herr Bäckermeister Bauchmüller wurde in den Vorstand gewählt.

In der Giergasse erlitt gestern ein wertvolles Pferd eines hiesigen Fuhrmanns einen Hitzschlag und verendete.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)