Freitag, 20. September 1918

   

Anzeige im General-Anzeiger vom 20. September 1918Der Handels- und Gewerbeverein hielt gestern abend eine sehr zahlreich besuchte Versammlung ab. Der Vorsitzende, Stadtverordneter Roßberg, eröffnete sie mit einem empfehlenden Hinweis auf die neunte Kriegsanleihe. Nach den hohnvollen Antworten der Ententeführer auf die österreichisch-ungarische Note müsse jeder Deutsche sein Letztes hergeben, um auch diese Kriegsanleihe zu einer machtvollen Kundgebung des deutschen Volkes zu gestalten. Gerade wir im Rheinland hätten alle Ursache, unserm Heere dankbar zu sein dafür, daß es uns vor einem feindlichen Einfall beschützt habe. […]

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

    

Keine Beschlagnahme der Leder-Schulranzen. Seit einiger Zeit geht das Gerücht um, die Schulranzen der Kinder würden beschlagnahmt. Es hieß sogar, daß an der Stiftsschule bereits die Beschlagnahme der Ranzen erfolgt sei. Wie uns von zuverlässiger Seite mitgeteilt wird, ist an dem ganzen Gerücht nichts wahr! Die Polizei fahndet nach dem Urheber des unbegründeten Geredes.

Unsere noch schönbelaubten Kastanien-Alleen werden zur Zeit leider von zerstörungslustigen Kindern arg verwüstet. Um die reif werdenden Kastanien zu sammeln, wird mit Steinen und Stöcken nach den Laubkronen geworfen; die mit Laub und Schalen bedeckten Alleestraßen zeugen von der Rücksichtslosigkeit, mit welcher vorgegangen wird. Hier und da klettert auch ein halbwüchsiger Junge bis in die Baumkrone und schüttelt die Äste, während eine Schar Kinder unten die herabfallenden Kastanien sammelt und der Erdboden mit Zweigen und Blättern bedeckt wird. Namentlich an schulfreien Nachmittagen sind die Kastanien-Alleen der Schauplatz einer unrühmlichen Offensive. Sache der Schulleiter und Lehrer dürfte es sein, ihre Schüler nachdrücklich vor diesen Verwüstungen zu warnen und Schuldige zu bestrafen. Ein Spaziergang durch die Poppelsdorfer Allee wird jedem zeigen, welchen Umfang der Unfug angenommen hat und wie sehr es an der Zeit ist, ihm [entgegen]zu steuern. – Auch das Eindringen in fremde Gärten und das Werfen mit Steinen und Holzstücken nach Obstbäumen gehört in dieses Kapitel.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Brotversorgung.
Es besteht zur Zeit Knappheit an Weizenmehl. Die Reichsgetreidestelle hat daher nur die für die Krankenversorgung erforderliche Weizenmehlmenge überweisen können. Zur Entnahme auf die Brotkarte steht daher Weizenmehl nicht zur Verfügung, dagegen kann Roggenmehl in den Bäckereien auf Brotkarte entnommen werden.
Fleisch.
Am Samstag werden in den Metzgergeschäften Rindfleisch, Kalbfleisch, Leberwurst und Blutwurst verkauft. Für jede Person werden 150 Gramm, an Kinder unter 6 Jahren 75 Gramm Fleisch einschl. Wurst abgegeben.
Fett.
Auf die Abschnitte Butter und Fett der Speisefettkarte werden in der kommenden Woche insgesamt 50 Gramm Butter ausgegeben.
Kartoffeln.
Für die Woche vom 23. bis 29. September werden auf Kartoffelkarte Nr. 13 acht Pfund Kartoffeln ausgegeben. Sie können bereits vom Donnerstag, den 19. September ab in den Verkaufsstellen entnommen werden. Die Kartoffelerzeuger des Stadtkreises Bonn sind grundsätzlich verpflichtet, ihren Ueberschuß an Kartoffeln im Kartoffellager, Schlachthof Immenburgstraße 20, abzuliefern. […]

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Nachrichten des Städtischen Lebensmittel-Amtes.“)

„Helft den Nachschub für die Feldgrauen sichern.“ Die Beraubungen der Nachschubsendungen an Lebensmitteln, Bekleidungsstücken usw. für das Feldheer machen es erforderlich, zu ihrem Schutze besondere, militärisch organisierte Ueberwachungsstellen einzurichten. Eine solche befindet sich in Bonn, Vivatsgasse 6 I. Zu ihren Dienstobliegenheiten gehört der Schutz des Nachschubes für eine bestimmte Armee, die Ueberwachung der am Orte befindlichen militärischen Lagerstellen, der Privatsendungen für Heeresangehörige nach und von der Front, der Gefangenensendungen, sowie die Bekämpfung des unerlaubten Handels mit militärischen Bekleidungs- und Ausrüstungsstücken. Durch Unterstützung der Zivilbevölkerung wurden auch im Monat August eine Anzahl von Diebstählen und Unterschlagung von Heeresgut aufgedeckt und dadurch erhebliche Werte gerettet. Jeder, der von strafbaren Handlungen vorerwähnter Fälle Kenntnis erhält und der „polizeilichen Nach- und Abschubüberwachungsstelle Bonn“, Vivatsgasse 6 I schriftlich oder telephonisch unter Nr. 427 mitteilt, erweist dem Vaterlande, dessen Dank ihm gewiß ist, einen großen Dienst.

Speck, Zwiebeln, Theaterkarten sind gleich begehrenswerte Gegenstände; für sie wird tapfer Reihen gestanden. Als dieser Tage die Theater-Dauerkarten am Verkehrsamte in der Poststraße um 9 Uhr ausgegeben werden sollten, begann, wie uns Augenzeugen berichten, das Reihenstehen bereits in dunkler (Mitter-)Nacht.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)