Montag, 1. Juli 1918
Bei der eigenartigen grippeartigen Erkrankung, die, wie berichtet, in Bonn in letzter Zeit gehäuft aufgetreten ist und über deren Auftreten auch aus andern Städten Deutschlands berichtet wird, soll es sich nach einer vom Berliner Tageblatt wiedergegebenen Erklärung des Vorstehers des Berliner städtischen Medizinalamts, Dr. Seligmann, um eine Influenza-Seuche handeln, wie sie in den Jahren 1889 bis 1893 ganz Europa überzogen habe. Ein wirkliches Vorbeugungsmittel gegen die Erkrankung gebe es nicht. Ein Mitglied des Kochschen Instituts hat bereits Fälle der neuen Krankheit behandelt und in einem Falle den Influenzabazillus einwandfrei nachgewiesen. Nach seinen Beobachtungen werden ältere Personen weniger als junge Personen von der Krankheit befallen, die nach heftigem Fieber mit Schleimhäutereizung innerhalb zwei bis drei Tagen harmlos verläuft. Die Gefahr für die Zivilbevölkerung hält er für gering. Bisher sei bei den Erkrankungen noch kein Todesfall vorgekommen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Von der Schleichhandelsbörse. Gegenwärtig wird für ein Pfund Ochsenfleisch 8 Mk., für Leberwurst 7 – 8 Mk., für Nierenfett 23 – 25 Mk., für gesalzenen fetten Speck 17 – 20 Mk., für Limburger Käse 8 Mk., für sog. Mainzer Käschen (Fabrikkäse) 55 Pfg., für Butter 18 – 20 Mk., für Margarine bis zu 13 Mk. bezahlt.
Die „spanische Grippe“, die nun auch in Deutschland ihren Einzug gehalten hat, wird von den Berliner Medizinalbehörden als ungefährlich bezeichnet. Wie das Berliner Tageblatt mitteilt, erklärte der Vorsteher der bakteriologischen Abteilung des städtischen Medizinalamtes, Dr. Seligmann, daß es sich, den bisherigen Beobachtungen zufolge, um eine Influenza-Epidemie handle, wie sie in den Jahren 1889 bis 1893 ganz Europa überzogen habe. Ein wirkliches Vorbeugemittel gegen die Erkrankung gebe es nicht. Ein Mitglied des Kochschen Instituts hat bereits Fälle der neuen Krankheit behandelt und in einem Falle den Influenzabazillus einwandfrei nachgewiesen. Seinen Beobachtungen zufolge werden ältere Personen weniger als junge Personen von der Krankheit befallen […].
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Vorentnahme und Abgabe von Brot an den Samstagen und Sonntagen ist im Stadtkreise Bonn von kommendem Samstag ab verboten. Das Brot für den Wochenbedarf kann also erst von Montags ab in den Bäckereien entnommen werden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Dienstag, 2. Juli 1918
Eine Siedlungsgesellschaft m. b. H. will die Stadtverwaltung ins Leben rufen, um dem nach dem Kriege zu erwartendem Mangel an Kleinwohnungen möglichst wirksam begegnen zu können. Zu einer vorbereitenden Versammlung, die gestern nachmittag im Rathause stattfand, waren die Inhaber bezw. Vertreter der hiesigen größeren geschäftlichen Unternehmungen, Baufachleute, Vertreter von Vereinen usw. eingeladen worden. Beigeordneter Dr. Lühl, der die Versammlung leitete, legte in längeren Ausführungen dar, daß infolge der Bevölkerungsverschiebungen durch die Kriegsindustrie, der vielen Familien-Neugründungen (in Bonn gab es 1917 939 Kriegstrauungen) und des gänzlichen Ruhens der Bautätigkeit in Bonn schon jetzt ein großer Mangel an Kleinwohnungen bestehe, so daß die Befürchtung einer Wohnungsnot nach dem Kriege durchaus nicht von der Hand zu weisen sei. Einer solchen Wohnungsnot aber müsse so wirksam wie möglich vorgebeugt werden. Die Heeresverwaltung habe neuerdings zur Herstellung von Kleinwohnungen die Freigabe von Baustoffen und die Entlassung der nötigen Arbeitskräfte zugesagt. Die Stadt Bonn habe einen Lieferungsvertrag über Ziegelsteine bereits abgeschlossen und einen Werkvertrag über die Herstellung von Schwemmsteinen vereinbart, von einer vertraglichen Sicherstellung anderer Baustoffe aber Abstand genommen, weil die Preise dafür bereits sinken. Bei den jetzigen und auch nach dem Kriege zunächst noch außerordentlich hohen Preisen werde die private Bautätigkeit natürlich nur zögernd einsetzen, zu spät jedenfalls, um die heimkehrenden Krieger unterzubringen, daher glaube die Stadt die Gründung einer gemeinnützigen Siedlungsgesellschaft m. b. H. zur Herstellung der notwendigen Wohnungen anregen zu sollen. Die Stadt werde das notwendige Baugelände unentgeltlich oder doch zu außerordentlich niedrigen Preisen zur Verfügung stellen, so daß das Unternehmen trotz der hohen Baukosten ertragsfähig sein werde. Auch sonst werde sich die Stadt in einem solchen Maße beteiligen, daß sie die Leitung des Unternehmens dauernd beeinflussen könne. Der Zweck der Gesellschaft solle sein, minderbemittelten Personen und Familien, besonders kinderreichen Familien, zweckmäßig eingerichtete Wohnungen in eigens erbauten oder angekauften Ein- und Mehrfamilienhäusern zu verschaffen. Es sei gedacht, den Mietern den Erwerb der Einfamilienhäuser zu ermöglichen, die Gesellschaft soll sich aber, um jede Spekulation auszuschließen, auf 100 Jahre das Vorkaufsrecht sichern. Die Stadt werde, die Zustimmung der Stadtverordneten vorausgesetzt, auch die Bürgschaft auch für zweite Hypotheken übernehmen, sie werde auch die schon vor dem Kriege beschlossene städtische Hypothekenanstalt zur Begebung zweiter Hypotheken einrichten und mit einem Kapital von einer Million ausstatten. Man hoffe, daß sich an der geplanten Siedlungsgesellschaft, die als gemeinnütziges Unternehmen nicht über 4 v. H. verteilen werde, in erster Linie die industriellen Werke, dann aber auch alle gemeinnützig empfindenden Einwohner, soweit sie dazu in der Lage sind, beteiligen werden, damit ein Werk geschaffen werden könne, das unserer weniger bemittelten Bevölkerung zum Segen gereiche. – In der dann folgenden längeren Besprechung erwähnte Beigeordneter Lühl auf eine Anfrage u. a., die in Aussicht genommenen Baugrundstücke bildeten kein zusammenhängendes Gelände, sie lägen teils im Norden, teils im Süden der Stadt. [...] Ueber die Art der Bauten habe der städtische Kleinwohnungsausschuß der zu gründenden Gesellschaft nicht vorgreifen wollen, aus rein wirtschaftlichen Gründen werde sich aber empfehlen, dem Einfamilienhaus den Vorzug zu geben, weil sein Bau erheblich billiger, die baupolizeilichen Vorschriften auch nicht so streng seien. Es sei auch daran gedacht, auf Wunsch etwas Acker- oder Gartenland mitzuvermieten. Die Versammlung beauftragte schließlich mit den weiteren Schritten für die Gründung der Siedlungsgesellschaft einen Ausschuß, der sich zusammensetzt aus fünf Mitgliedern des städtischen Kleinwohnungsausschusses sowie den von der Versammlung gewählten Herren Fabrikant Becker, Fabrikdirektor Dr. Heine, Fabrikdirektor Kutsch, Fabrikbesitzer Dr. Meyer und den Regierungsbaudmeister Thoma. In möglichst kurzer Zeit soll eine neue Versammlung einberufen werden.
Nachforschung nach vermißten Heeresangehörigen in Rumänien. Nachdem der Rücktransport der in rumänische Gefangenschaft geratenen deutschen Heeresangehörigen nunmehr nahezu als durchgeführt erachtet werden kann, soll in Rumänien eine Sonder-Nachforschung nach denjenigen eingeleitet werden, die aus der Gefangenschaft geschrieben haben oder gemeldet worden sind, über deren Schicksal aber weiter keine Nachrichten vorliegen. Zu diesem Zweck ergeht hiermit an alle Angehörigen von in rumänische Gefangenschaft geratenen Soldaten, die ihren Wohnsitz in den Kreisen Bonn-Stadt, Bonn-Land, Ahrweiler, Rheinbach und Siegkreis haben, das Ersuchen, die Namen solcher Vermißten der städtischen Zentralstelle für Auskunfterteilung und Hilfe jeder Art während der Kriegszeit, Abteilung Gefangenenfürsorge, Bonn, Franziskanerstraße 8. Erdgeschoß, bekanntzugeben, und zwar unter Vorlegung einer handschriftlichen Mitteilung des Betreffenden aus der Gefangenschaft oder einer sonstigen Unterlage, aus welcher einwandfrei festgestellt werden kann, daß der Vermißte tatsächlich in rumänischer Gefangenschaft war.
Neues Operettentheater. Die beliebte Posse „Filmzauber“ ist das nächste Werk, das unter Leitung des Direktors Steffter an dieser Bühne aufgeführt wird. Vom Stadttheater her in bester Erinnerung stehend, wird dieses lustige Werk auch hier in bester Rollenbesetzung seines Erfolges sicher sein.
Eine Rheinfahrt nach Linz und zurück mit Konzert auf dem Schiff und in Linz veranstaltet das Ersatzbataillon der 65er am morgigen Mittwoch zum Besten der Hinterbliebenen gefallener Regimentsangehöriger. Das Schiff verläßt Bonn (Köln-Düsseldorfer Gesellschaft) um 11 Uhr vormittags.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Universitätsbibliothek. Dem von Direktor Ermann erstatteten Jahresbericht 1917 entnehmen wir folgende Angaben: Die durch den Krieg und durch das in jeder Hinsicht unzulängliche Gebäude verursachten Schwierigkeiten bestanden auch im Berichtsjahr unvermindert fort und wurden noch vermehrt durch den ungewöhnlich ungünstigen Gesundheitszustand mehrere Beamten. Die Bearbeitung der Zugänge erlitt daher unerwünschte Verzögerungen und beträchtliche Reste sind entstanden. Das Ausleihgeschäft konnte im allgemeinen aufrecht erhalten werden, die Benutzung am Ort erfuhr im Winter eine Einschränkung, da, um an Beleuchtung und Heizung tunlichst zu sparen, nachmittags schon mit Eintritt der Dunkelheit geschlossen werden mußte. Auch wäre die der Fliegergefahr wegen angeordnete Verdunkelung aller Fenster bei der Ausdehnung des Gebäudes kaum durchführbar gewesen. Zum Ersatz für die verkürzte Oeffnungszeit wurde die Bibliothek in den Wintermonaten morgens schon um 8½ Uhr und während der sehr langen Osterferien auch an den Nachmittagen geöffnet. Auf die sonst während der Ferien übliche Verkürzung der Arbeitszeit der Beamten wurde verzichtet, um das im Winter Versäumte einigermaßen nachzuholen. [...]
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Bessere Preise für die abzugebenden Anzüge. Dem General-Anzeiger vom 28. Juni zufolge hat die freiwillige Angabe von Männeranzügen den erwünschten Erfolg nicht gehabt, und soll eine Verordnung in Aussicht stehen, wonach strenge Maßregeln getroffen werden für diejenigen, welche einen Anzug bisher nicht abgegeben haben.
Wir wundern uns über den Mißerfolg der freiwilligen Abgabe nicht in Anbetracht der sehr billigen Preise, welche für noch guterhaltene Anzüge vom städtischen Bekleidungsamt bezahlt werden! ! !
Viele Anzüge sind seiner Zeit nach Ostpreußen gewandert und der übrig gebliebene Vorrat ist meistens von guter Beschaffenheit, so daß Munitions- usw. Arbeiter, die bekanntlich sehr, sehr hohe Löhne erhalten, die getragenen Anzüge gut bezahlen können. Die Preise für Neuanschaffungen sind so enorm hoch, daß nicht viele Menschen diese bezahlen können.
Zu wünschen bleibt also, daß bessere Preise für getragene Anzüge bezahlt werden. H.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Testamente. Bei der Ordnung der Familienangelegenheiten gefallener Kriegsteilnehmer tritt die Erfahrung zu Tage, daß in den weitaus meisten Fällen keine letztwillige Verfügung über den Nachlaß getroffen worden ist. Wir machen die Kriegsteilnehmer darauf aufmerksam, daß es doch gut ist, der Frage näher zu treten, ob beim Tode, der dem Krieger näher steht wie den Daheimgebliebenen, die Regelung der Vermögensfrage dem Gesetze überlassen bleiben soll. Nach dem bürgerlichen Gesetzbuch erbt der überlebende Ehegatte neben Kindern ein Viertel des Vermögens. Sind keine Nachkommen da, so erbt er neben Eltern und Geschwistern die Hälfte; außerdem fallen ihm die Haushaltungsgerätschaften und Hochzeitsgeschenke ganz zu. Mancher wird diese Regelung der Erbfolge als wenig gerecht empfinden, besonders wenn Ehegatten in guten und bösen Tagen treu zusammenstanden und vielleicht gar das Vermögen durch gemeinsamen Fleiß erworben haben. Nachdenkende Ehegatten machen deshalb meist von ihrem Rechte Gebrauch und bestimmen durch Testament, wie es nach ihrem Tode mit dem Vermögen gehen soll. [...] Im Felde können die Kriegsteilnehmer außerdem noch ein sogen. Militärtestament auf Grund des Reichsgesetzes vom 2. Mai 1874 errichten. Dabei sind drei Arten zulässig, nämlich: 1. eigenhändige Niederschrift, bei der jedoch abweichend von dem Testament nach dem bürgerlichen Gesetzbuch das Datum fehlen darf; 2. eine von einer anderen Person geschriebene Erklärung, die der Krieger nur zu unterzeichnen braucht, wenn außerdem zwei Zeugen oder ein Kriegsgerichtsrat oder ein Offizier mitunterschreiben. Im Lazarett genügt die Mitunterzeichnung durch einen Militärarzt, einen Militärgeistlichen oder einen höheren Lazarettbeamten; 3. eine protokollarische Erklärung – die von dem Testator nicht unterschrieben zu werden braucht – von einem Kriegsgerichtsrat oder einem Offizier in Gegenwart zweier Zeugen oder einem weiteren Gerichtsoffizier. Im Lazarett kann das Protokoll von einem Militärarzt oder Militärgeistlichen oder oberen Lazarettbeamten aufgenommen werden. Die Militärtestamente verlieren mit Ablauf eines Jahres nach der Entlassung oder Demobilmachung des Truppenteils ihre Gültigkeit. Die Kriegsteilnehmer sollte deshalb rechtzeitig in der erst erwähnten Form ein bis zur ausdrücklichen Aufhebung wirksam bleibendes eigenhändiges Testament errichten.
Fahnenflucht. Während der langen Kriegsdauer ist es vorgekommen, daß Heerespflichtige durch Fahnenflucht der Dienstpflicht zu entgehen versuchten. Durch solches Verhalten haben die betreffenden Personen ihren Angehörigen schwere Schädigungen zugefügt. Die Familienunterstützung wird den Angehörigen entzogen, wenn der Dienstpflichtige sich der Fahnenflucht schuldig macht, oder durch gerichtliches Erkenntnis zu Gefängnisstrafe von länger als 6monatiger Dauer oder zu einer härteren Strafe verurteilt wird. Beim Wiedereintritt in den Dienst wird die Unterstützung den Angehörigen wieder gewährt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Mittwoch, 3. Juli 1918
Ein Fliegeralarm wurde gestern Vormittag gegen 11 Uhr zum erstenmal durch die neuen Sirenen verkündet. Die Sirenen ertönen laut und unangenehm genug, so daß ihr Warnungszeichen in der ganzen Stadt vernehmbar sein dürfte. Ein Angriff erfolgte nicht, auch nicht in Köln. Nach kurzer Zeit war der Alarm beendet.
Das Bonner Licht- und Luftbad wurde im Monat Juni von 489 Personen besucht.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Fliegeralarm. Gestern mittag erfolgte hier um 11 ¼ Uhr kurze Zeit Fliegeralarm. Die Sirene auf dem Münster ertönte zum erstenmal. Ihr Schall war weithin vernehmbar. Wie man uns berichtet, wurde von vielen Personen, die sich auf den Straßen befanden, der Warnruf nicht befolgt. Auch von solchen Personen nicht, die im Hinblick auf ihre berufliche Stellung und Aufgabe mit gutem Beispiel vorangehen sollten. Die Badegäste der städtischen Badeanstalt versuchten vergeblich im Königshof Unterkunft. Der Bitte, ihnen die Garagen zu öffnen, wurde nicht entsprochen. Auch in Köln erfolgte um die gleiche Zeit Fliegeralarm.
Angriffe fanden in Bonn und Köln nicht statt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Zur Abgabe von Zivilanzügen. Zur Zeit im Urlaub, lese ich auch in Ihrer Zeitung die schon einige Male erschienenen Artikel, betreffend Abgabe von Zivilanzügen und finde es auch sehr angebracht, daß auf diese Weise den minder bemittelten Leuten zu der doch nicht zu entbehrenden Kleidung geholfen wird.
Bedauerlich ist jedoch, daß die Aufrufe anscheinend nicht den gewünschten Erfolg haben und gerade bei dem sogenannten besseren Publikum, denn dieses kommt doch bei der Abgabe zweifellos allein in Frage, so ungehört verhallen.
Nun aber die gestrige Anzeige! –
Daß auch die im Heeresdienste befindlichen Personen einen Anzug abgeben sollen, wird uns Feldgrauen doch etwas auf unsere durch den Krieg schon ohnehin stark mitgenommenen Nerven fallen und nicht dazu beitragen, unseren Opfermut, der ja doch so oft gerühmt wird, zu vermehren. Wir ertragen viel und haben schon viel ertragen, aber die Sorge um die Zukunft plagt uns auch schon genügend, da die Spargroschen, die wir vor dem Kriege gemacht haben, schon größtenteils durch die Familie aufgebraucht sind, wenigstens bei uns „Gemeinen“. Jetzt auch noch den Anzug abgeben! Nein, es ist wirklich zu viel, wo doch die Mutter vielleicht noch vom ältesten Anzug vom Vater dem Jungen einen „Neuen“ machen muß. Auch ist doch kaum die Möglichkeit vorhanden, für den Preis, den wir bei der Abgabe erhalten, in den ersten 5 – 10 Jahren nach dem Friedensschluß einen neuen Anzug zu bekommen.
Also, liebe Bürger Bonns, greift noch einmal in den Kleiderschrank und gebt die alten Abzüge ab, denn die Motten kommen schließlich hinein und getragen werden diese von Euch doch nicht mehr. Bedenkt ferner, wenn wir nicht so treue Wacht im Westen gehalten hätten, müßte vielleicht mancher flüchten mit nur einem einzigen Anzug am Leibe.
Sorgt bitte dafür, daß uns wenigstens der Anzug noch bleibt, solange wir noch am Leben sind, unseres Dankes seid gewiß. Im Sinne der meisten Kämpfer an der Front. Ein Urlauber.
(Wir haben vorstehenden Zeilen Raum gegeben, obwohl sie in einem Punkte wohl von einer mißverständlichen Auffassung ausgehen. Es sollen doch sicher nur solche Heeresangehörige Anzüge abgeben, die hierzu imstande sind, und daß es solchen Personen – beispielsweise Offiziere der Reserve – im Heere gibt, steht außer Frage. Die Schriftleit.)
Die Notlage der Kriegerfrauen! Bezugnehmend auf den in der Ausgabe Nr. 10099 Ihres Blattes vom 1. Juli d. J. erschienenen Artikel, betreffend „Die Notlage der Beamtenschaft“, erlaube ich mir einige Worte der Erwiderung. – Die Notlage der Staats- und städtischen Beamten wird auch von den Kriegerfrauen erkannt. Sämtliche Gründe, die die Beamtenschaft zu ihrer Notlage aufzählt, sind auch für unsere Kriegerfrauen in viel größerem Maße fühlbar. Dazu kommt aber noch der Umstand, daß wohl die meisten Frauen ein bedeutend geringeres Einkommen haben, als die Beamten. Letztere erfreuen sich noch vieler Vergünstigungen, die eine Kriegerfrau kaum erhoffen kann. Unsere Frauen opfern dem Vaterlande ihre Männer und Söhne, wogegen ein beträchtlicher Teil der Beamtenschaft noch kein „Feldgrau“ am Leibe getragen hat. Und wenn diese Soldat werden mußten, so sind derer viele, die es nur kurze Zeit waren. Dazu kommt noch der Vorteil, daß, wenn auch Soldat, sie ihr Gehalt weiterbeziehen. – Es wäre dringend erwünscht, wenn man in erster Linie den Kriegerfrauen tatkräftige Hilfe angedeihen ließ. E. Bl., ein Urlauber.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Die Stadtverordneten haben in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen, zwei weitere Fürsorgerinnen anzustellen, eine für die Kriegerwitwen- und Waisenfürsorge und die andere für die Kranken- und Kinderpflege.
Wichtig für die Landleute In der heutigen Zeit der Wollknappheit und des großen Mangels an Arbeitszeit werden unsere Landbewohner mit Freuden eine Einrichtung begrüßen, die die Firma H. Gentrup, Bonn, Bonngasse 10/12, getroffen hat. Sie hat eine Strumpf-Ausbesserungs-Einrichtung getroffen, in der nach gesetzlich geschütztem Verfahren bei bestmöglicher Verwendung des alten Materials Strümpfe unter fachkundiger Leitung zum Preis von Mark 1,30 für das Paar ausgebessert werden.
Aus dem Landkreise Bonn. Höchstpreisüberschreitungen. Eine zeitgemäße und beachtenswerte Mahnung erläßt der Vorsitzende des hiesigen Kreises: Von allen Seiten laufen wieder Klagen gegen Ueberschreitung der Höchstpreise ein – leider vielfach ohne Unterschrift, so daß es für ein Strafverfahren an dem erforderlichen Beweismaterial mangelt. Die bisherigen Strafen scheinen demnach ihre Wirkung verfehlt zu haben. Ich habe Anordnung getroffen, daß eine schärfere Ueberwachung des wucherischen Treibens stattfindet und erbitte mir dazu die Unterstützung der Kreise, denen das Wohl der Allgemeinheit am Herzen liegt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Donnerstag, 4. Juli 1918
Die Unzuträglichkeiten im Fernsprechverkehr werden immer schlimmer. Gestern abend 8 Uhr waren Verbindungen nach Köln, die nach Auskunft des Fernamtes bereits um 3 Uhr, also vor fünf Stunden, angemeldet worden waren, noch nicht erledigt. Immer häufiger kommt es neuerdings vor, daß man das Fernamt erst nach wiederholten Versuchen erreichen kann, weil alle Leitungen zu ihm besetzt sind. Da auch das Fernsprechamt für den Ortsverkehr häufig genug minutenlang auf sich warten läßt, geht dann schon mit dem Anmelden eines Ferngesprächs ungeheuer viel Zeit verloren.
Im Soldatenheim hielt letzten Sonntag der Pater Corbinian einen einstündigen fesselnden Vortrag über seine Eindrücke und Erlebnisse bei den aus Rußland zurückgekehrten Kriegsgefangenen in Jablonna und Warschau. Er berichtete, daß die aus Rußland zurückgekehrten Gefangenen, die sich, ehe sie in die Heimat befördert werden, erst 21 Tage in den Lagern von Jablonna und Warschau aufhalten müssen, im allgemeinen körperlich gesund seien. Sie verfügen auch über reichlich Geld, das sie in Rußland verdient haben. Unter der Zarenherrschaft haben die Gefangenen es schlecht, unter der Herrschaft Kerenskis aber noch schlechter gehabt, am besten unter der Bolschewikiregierung ergangen. – Vor dem Vortrag erheiterten die bewährten Kräfte des Soldatenheims die Besucher durch gesangliche, musikalische und dichterische Darbietungen, zum Schluß gab es flott gespieltes Theaterstück.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Die Hauptversammlung des Verschönerungsvereins für das Siebengebirge, die seit langen Jahren im Sommer auf dem Drachenfels stattfand und von den Freunden des Siebengebirges stark besucht war, ist der Kriegsverhältnisse wegen auf unbestimmte Zeit verlegt worden.
Feldschutz. Fortgesetzt wird über die Schäden Klage geführt, die beim Pflücken von Feldblumen auf Aeckern und Wiesen angerichtet werden. Es sei deshalb darauf hingewiesen, daß nach § 368 Nr. 9 des Reichsstrafgesetzbuches sich strafbar macht, wer ungefugt vor beendeter Ernte über Wiesen und bestellte Aecker geht usw. Durch die Entnahme von Feldblumen gehen nicht unbeträchtliche Futtermittel verloren. Viel größer aber sind die Verluste, die der Ernte durch Zertreten der Pflanzen hierbei zugefügt werden. In der jetzigen Zeit, wo alle Futtermittel dringend gebraucht werden, müssen Schädigungen dieser Art unter allen Umständen vermieden werden. Es ist daher Pflicht eines jeden Einzelnen, an dem Schutze der Felder vor solchen Zerstörungen mitzuwirken. Von dem Pflücken und Ankaufe von Feldblumen ist daher dringend abzuraten.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Betrifft bessere Preise für die abzugebenden Anzüge. Dem Einsender obigen Artikels zur gefl. Antwort, daß mich die ungenügende Ablieferung der getragenen Kleidung gar nicht wundert, wohl aber muß ich mich sehr wundern, daß nun auch schon die Munitions-Arbeiter in diese Angelegenheit mit verwickelt werden. O, Ihr beneidenswerten Munitions-Arbeiter! Wenn Einsender wirklich Munitionsarbeiter meint und sie um die sehr, sehr hohen Löhne beneidet, möchte ich ihm raten, einen 14tägigen Kursus als Munitionsarbeiter einmal mitzumachen, meinetwegen in Wahn, Troisdorf oder sonst, wo jede Minute sein wertes Leben eine Frage ist, dann bekommt er Begriff von den sehr, sehr hohen Löhnen.
Auch Einsender dieses ist nun endlich vom Handwerk zum Munitionsarbeiter avanciert, nachdem er fast drei Jahre vor dem Feinde seine Pflicht erfüllt hat, und verdient den sehr, sehr hohen Lohn von 8,10 Mk. für den Tag. Von diesem sehr, sehr hohen Lohn lebt meine vierköpfige Familie nicht allein, sondern Steuer, Miete und alles, was zum Leben gehört, wird davon bestritten. Nun möchte ich den Einsender fragen, wie ich das anfangen soll, damit von dem sehr, sehr hohen Lohne noch etwas übrig bleibt? Auch möchte ich gerne wissen, woher von diesem sehr, sehr hohen Lohn man einen Anzug so gut bezahlen kann?
Dabei braucht der vielbeneidete Munitionsarbeiter nicht an sich zu denken, damit er seine Kraft für die Seinen und dem Vaterlande erhält.
Glücklich der Mann als Munitionsarbeiter! Ich glaube nicht, daß Einsender damit tauscht. Also bekommen Sie nicht den gewünschte Preis für Ihren getragenen Anzug, dann wenden Sie sich an eine andere Stelle, aber bitte – lassen Sie Munitionsarbeiter aus dem Spiele und in Ruhe. Ein Munitionsarbeiter im Namen Vieler.
Fliegeralarm. Am Dienstag waren bei dem Fliegeralarm beide Türen der Poppelsdorfer Kriegsküche geschlossen, so daß man gezwungen war, auf der Straße das Ende des Alarms abzuwarten. Sonst sagt die Stadt doch, man solle während des Alarmes die Haustüren für jedermann öffnen. Wie verhält sich dieses nun? Ich gehöre auch zu denen, die von Anfang an in der Poppelsdorfer Kriegsküche das Essen holen und immer zufrieden war. W. Moers.
Die Not der Kriegerfrauen. Bravo, lieber Urlauber E. Bl., Sie haben recht gesprochen. Für die Kriegerfrauen muß unbedingt besser gesorgt werden, auch sie bedürfen der Teuerungszulage. Ja, aber wird nimmt sich der Kriegerfrauen an? An Kleidung, Wäsche, Schuhen, im Haushalt fehlt es an allen Ecken; für den Winter möchte sich gerne manche Frau etwas einkochen, aber wovon? Dann heißt es sofort, die Kriegerfrau kann arbeiten gehen. Gewiß, das stimmt, sie würde das auch gerne tun, wo sie schon so viel für das Vaterland getan hat, indem sie ihren Ernährer schon seit vier Jahren in den größten Gefahren weiß. Warum wird das Arbeitengehen nicht auch von den Beamtenfrauen verlangt? Wir Kriegerfrauen würden dann auch freudiger die Arbeit aufnehmen, wenn uns auch mal Teuerungszulage bewilligt würde, die uns sicher nottut, und die Beamtenfrauen sich auch einmal zur Arbeit bequemen würden, anstatt nachmittags mit ihren Kindern im Hofgarten herum zu spazieren. Das Sprichwort sollte beherzigt werden: Gleiches Recht für alle! Dann würden unsere Männer draußen mit mehr Liebe zum Vaterlande kämpfen, wenn sie wüssten, daß ihre Lieben daheim vor Not und Sorge geschützt würden. Also helft! Eine Kriegerfrau, die nur von der Unterstützung leben muß, kränklich ist und von dem Geschäft, wo ihr Mann lange Jahre tätig war, keinen Pfennig bekommt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Vom Barfußlaufen der Kinder. Mit Beginn wärmeren Wetters sieht man jetzt wieder viele Kinder barfuß laufen. Nimmt es bei dem herrschenden Schuh- und auch Strümpfemangel manchen Eltern eine große Sorge ab, so ist es bei nicht zu empfindlichen Kleinen auch in gesundheitlicher Beziehung, wie ärztlich festgestellt, zu begrüßen. Allerdings ist durch die vielfach auf den Straßen herumliegenden Glasscherben aller Art eine gewisse Gefahr mit dem Barfußlaufen verbunden, die unter Umständen erhebliche Verletzungen an den Füßen bringen kann. Es muß daher immer wieder ausdrücklich, besonders in der jetzigen Jahreszeit, davor gewarnt werden, Glasscherben, Obstkerne und ähnliche Gegenstände auf die Straße zu werfen, und die Kinder sollten in den Schulen von den Lehrpersonen auf derartige Ungehörigkeiten aufmerksam gemacht werden, Auch das Tragen von Holzsandalen ohne Strümpfe ist bei dem warmen Wetter sehr zu empfehlen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Freitag, 5. Juli 1918
Das Rheinische Heimatfront-Theater des 8. Armeekorps versendet seinen Tätigkeitsbericht für die Zeit vom 15. März bis 15. Juni 1918. Das Heimatfront-Theater, eine Gründung des stellvertretenden Generalkommandos und der Kriegsamtstelle Koblenz, wurde am 15. März 1918 ins Leben gerufen. Veranlaßt wurde die Gründung einmal durch den Gedanken, die geistige, seelische und sittliche Ueberlegenheit unseres Volkes, auf der letzten Endes die heutigen Siege gegen die Uebermacht der Feinde beruhen, stützen und fördern zu helfen; sodann ergab sich die Notwendigkeit, bei der wirtschaftlichen und politischen Spannung der Zeit, der harten Arbeit und der Entbehrungen des Krieges den dadurch besonders betroffenen Bevölkerungskreisen eine innere Erfrischung zu bieten. Schon für die abgelaufene Spielzeit war beabsichtigt, die ständigen Bühnen zu regelmäßigem Besuch bestimmter Ortschaften zu bewegen, im übrigen auch die wandernden Theatertruppen dem Gedanken des Rheinischen Heimatfront-Theaters dienstbar zu machen und dort, wo sich dann noch die Notwendigkeit von schauspielerischen Darbietungen ergab, mit eigenen Wandertruppen aufzutreten. Von diesen Gedanken hat sich bei der vorgerückten Spielzeit nur der letzte ganz verwirklichen lassen. Es ist vorläufig davon abgesehen worden, die Wandertruppen selbst zusammen zu stellen. Durch vertragliche Abmachung mit dem Verband zur Förderung deutscher Theaterkultur in Hildesheim ist es aber möglich gewesen, von dort zwei Singspieltruppen zu übernehmen, von denen jede auf eine bestimme Singspiel-Vortragsordnung eingespielt war und mit dieser auftrat. Die Singspieltruppe 1 gab in 30 Orten 54 Abend- und 3 Nachmittagsvorstellungen, die Truppe 2 spielte an 13 Orten (darunter Bonn, Siegburg und Köln) 18mal. Die Vorstellungen fanden im allgemeinen vor Besuchern sämtlicher Bevölkerungsschichten statt, einzelne galten jedoch ausschließlich den Rüstungsarbeitern und den Soldaten. Ueberall wurde den gehfähigen Lazarettinsassen freier Eintritt gewährt. Von der bürgerlichen Bevölkerung konnten die beiden Singspieltruppen ihre Darbietung über 28.000 Zuhörern übermitteln. Die verwundeten und gesunden Soldaten eingerechnet, wurde vor insgesamt 30.000 Zuhörern gespielt. [...]
Mit der vorgerückten Frühlingszeit erschien es zweckmäßig, mit den Singspielen abzubrechen und an deren Stelle musikalische Darbietungen treten zu lassen, die unter Umständen auch im Freien veranstaltet werden können. Auch soll in nächster Zeit ein Wanderkino die kleineren Orte und Rüstungsbetriebe besuchen. Um den Bewohnern der kleineren Städte und Ortschaften, namentlich auch den Rüstungsarbeitern, durch gemütserfrischende Musikweisen geistige Erholung zu verschaffen, wurde im Mai von dem Heimatfront-Theater ein Orchester gebildet, dessen Mitglieder aus dem Städtischen Orchester in Koblenz bestehen. Das Orchester hat die besondere Aufgabe, in allen Lazaretten des Korpsbezirks zu spielen, um die verwundeten und kranken Soldaten mit guten Musikdarbietungen zu erfreuen. Bis zum 15. Juni wurde in 22 Lazaretten vor ungefähr 8.000 Soldaten gespielt. Die Leitung des Heimatfront-Theaters dankt zum Schluß des Berichts den Spendern von Geldmitteln, vor allem der Rüstungsindustrie des Korpsbereichs und einer Anzahl Stadtverwaltungen, sowie den militärischen Dienststellen, die ihr bei der Lösung der vielen und manchmal recht schwierigen Aufgaben behilflich waren. Die eingegangenen Spenden ermöglichen es dem Heimatfront-Theater, auch im kommenden Herbst und Winter seine vaterländischen Aufgaben zu erfüllen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Fliegeralarm. Heute vormittag wurde die Bürgerschaft um 8¼ Uhr durch das Ertönen der Sirenen von bestehender Luftgefahr verständigt.
Tödlicher Sturz. Ein kranker Mann stürzte sich in der Nacht zum Donnerstag im Fieberwahn aus dem Fenster des zweiten Stockwerkes eines Hauses in der Doetschstraße. Er war sofort tot.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Sanitäts- und Blindenhunde. Bei herrlichem Wetter fand am Montag nachmittag in Bonn die Vorführung von Blinden-, Sanitäts- und Polizeihunden statt. Seine Exzellenz Herr Generalleutnant von Bötticher, eine große Anzahl Offiziere des hiesigen Ersatzbataillons, mehrere Herren aus Köln und Essen waren zu den Vorführungen eingeladen und erschienen. Herr Polizeikommissar Flaccus, der seit Ausbruch des Krieges in ehrenamtlicher Tätigkeit die Meldestelle für Sanitätshunde leitet und bei Militär- und Zivilbehörden zu hohem Ansehen gebracht hat, wies in einer kurzen erläuternden Ansprache auf die Bedeutung der Blindenhunde hin, schilderte ihren Ausbildungsgang und die Führung in der Hand des Blinden. Die augenblicklich in der Ausbildung befindlichen Kriegsblinden mit ihren Hunden zeigten dann, wie wertvoll diese Hunde als Führer dieser wohl am schwersten vom Kriege betroffenen Beschädigten sind. Die Straßenübungen waren Glanzleistungen. Mit großer Sicherheit führten die Blindenhunde die Blinden an verschiedenen Hindernissen vorbei über Straßenkreuzungen und mehrstufige Treppen auf und ab, brachten verloren gegangene Gegenstände zurück, wiesen auf Anruf auf Briefkästen und Ruhebänke. Die Leistungen der Hunde überraschten jeden der Zuschauer und die weitere Ausbildung solcher Tiere wurde einstimmig als segensreiche Tätigkeit auf dem Gebiete der Kriegsbeschädigtenfürsorge bezeichnet, die man unbedingt nach Kräften unterstützen müßte. Die anschließende Besichtigung des Zwingers, in dem augenblicklich 70 Hunde untergebracht sind, zeigte, daß für die Pflege der Hunde das Größtmöglichste getan wird. Eine Abwechselung in dem ersten Bilde boten die Junghunde, die für militärische Zwecke aufgezogen werden, vorläufig noch ihre Kindheit verleben und in ihrer drolligen und schwerfälligen Weise durch muntere Sprünge die Besucher sehr belustigten. Herr Polizeikommissar Flaccus führte nun eine zweite Art der Ausbildung, die des Polizeihundes, in dem von ihm ausgebildeten Polizeihunde vor. Staunenswert waren die Leistungen dieses Tieres, das die Aufgaben eines Polizeihundes jedem Zuschauer vor Augen führte und erfüllte. Man sah, wie viel Mühe, Geduld und Ausdauer notwendig sind, um Hunde in dieser Weise praktisch verwerten zu können. Zum Schlusse wurde die Sanitätshunde in ihrer Tätigkeit vorgeführt. Mit großem Interesse verfolgten die Zuschauer diese für den Kriegsdienst so wichtigen Uebungen. Ein für diesen Zweck vorzüglich geeignetes Gelände machte, den wirklichen Verhältnissen im Kriege angepaßt, den Hunden die Aufgaben sehr schwer. Aber mit erstaunlicher Sicherheit arbeiteten diese Tiere und verwiesen die zahlreich und verstreut ausgelegten Scheinverwundeten, ohne der umherstehenden und –gehenden Personen zu achten, oder sich ablenken zu lassen. Das Verweisen eines in einem zerfallenen Unterstandes und in Drahtverhauen liegenden Verwundeten bildete den Schluß der Vorführung. Allseitiges Lob und Anerkennung wurde dem unermüdlichen Leiter der Meldestelle, dem Ausbildungspersonal und den Führern zu teil, die sich täglich den schweren Aufgaben, Hunde für Kriegszwecke auszubilden, unterziehen. Wie segensreich diese Tätigkeit ist, beweist, daß schon mehrere tausend Verwundete durch Hunde gerettet und so ihren Familien erhalten wurden. Die Unterstützung dieser Bestrebung kann daher nur den weitesten Kreisen empfohlen werden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Samstag, 6. Juli 1918
Fliegeralarm. Von Montag, den 8. Juli ab, wird der Fliegeralarm in Bonn anders geregelt. Die Kirchengeläute und die Dampfpfeifen fallen fort und der Alarm wird lediglich durch Sirenen und Signalbomben gegeben. Der wesentliche Unterschied gegenüber früher besteht in zwei Punkten:
1. Der Alarm wird sowohl am Tage als auch in der Nacht erfolgen. Bis jetzt fand nur am Tage eine Alarmierung statt. 2. Die Sirenen tönen nicht mehr während des ganzen Alarms, sondern nur bei Beginn und Ende desselben. Dies ist notwendig, um den Flugzeugabwehrbatterien die Möglichkeit des Abhorchens feindlicher Flugzeuge zu geben, was beim Tönen der Sirenen während der ganzen Dauer des Fliegeralarms unmöglich ist. Es ist dabei zu bedenken, daß die Sirenen von den Abhorcheinrichtungen außerordentlich weit zu vernehmen sind.
Der Fliegeralarm wird also von Montag an wie folgt gegeben:
Bei Beginn heulen die auf der Elisabethkirche, der Münsterkirche, der Stiftskirche und dem Elektrizitätswerk aufgestellten Sirenen zwei Minuten lang in auf- und absteigenden Tönen. 2. Von der Kaserne in der Ermekeilstraße, der Loekaserne und der Feuerwache in der Maxstraße werden kurz hintereinander zwei Signalbomben abgeschossen. 3. Die Straßenbahnwagen werden zum Halten gebracht.
Die Beendigung des Fliegeralarms wird wie folgt bekanntgegeben: 1 Die Sirenen erschallen in gleichmäßigen Tönen eine Minute lang. 2. Die Straßenbahnwagen fahren wieder an.
Um die Anlage hinsichtlich ihrer Betriebssicherheit dauernd zu beobachten, wird von Montag, 8. Juli, ab täglich abends 7 Uhr eine Minute lang dauerndes Sirenensignal gegeben. Es handelt sich also täglich um diese Zeit lediglich um eine Prüfung der Sirenen.
Um die Bevölkerung mit der neuen Alarmierung vertraut zu machen wird Montag, 8. Juli, abends 7 Uhr, der ganze Fliegeralarm einschließlich Abfeuern von Signalbomben als Probealarm durchgeführt. Es sei also besonders darauf hingewiesen, daß es sich an diesem Tage lediglich um einen Probealarm handelt. Die Bevölkerung wird gut tun, sich hierfür eingehend zu interessieren. [...]
Bei den letzten Fliegeralarmen war die Haltung der Bevölkerung durchaus ungenügend. Die Straßen werden noch immer nicht geräumt gehalten. Darauf muß aber unbedingt gedrungen werden, um Unglücksfälle zu verhüten. Eine lange Zeitdauer des Alarm darf diese Bestimmung unter keinen Umständen durchbrechen. Es ist Pflicht der Eltern und aller Erwachsenen, in erster Linie hierüber die Kinder zu belehren. Die Bevölkerung scheint die letzten Unglücksfälle, die sich in den Nachbarstädten ereigneten, schnell wieder vergessen zu haben, sonst wäre es nicht zu erklären, daß man derart leichtsinnig vorgeht. Es sei also noch einmal aufs dringendste davor gewarnt, nach Ertönen der Signale für Fliegeralarm auf die Straße zu gehen und keine Deckung zu suchen. [...]
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Zum Verbot des Brotverkaufs in Bonn. Wie bekannt, hat das städtische Lebensmittelamt notgedrungen die Verordnung erneut ergehen lassen müssen, daß Samstags und Sonntags kein Brot mehr für die kommende Woche von den Bäckern verkauft werden darf. Diese Verfügung, die auf die Erscheinung zurückzuführen ist, daß die Zahl der Verbraucher ständig wuchs, die mit ihrem Brot stark auf „Vorschuß“ lebte, hat in unserem Sprechsaal zu der Anregung geführt, daß man die Schwerarbeiter und Schwerstarbeiter, die Montags schon früh morgens zur Arbeit gehen müssen, von der an sich durch die Umstände gebotenen Bestimmung ausnehmen möchte. Herr Beigeordneter Piehl, der erfahrungsgemäß jeden gesunden Vorschlag gerne aufgreift, hat in dankenswerter Weise bestimmt, daß die Bäckereien auf die Zusatzkarten der Schwer- und Schwerstarbeiter wie bisher an den Samstagen und den Sonntagen bereits Brot für die kommende Woche abgeben dürfen. Der übrige Teil der Bevölkerung muß sich allerdings dem ergangenen Verbot fügen.
Eine Anzahl von Kaninchen und ein Paar Strümpfe hatte ein junger Mensch aus Honnef gestohlen. Er hat den Krieg in Rußland mitgemacht, ist dort verschüttet worden und gab auf alle Fragen des Vorsitzenden die Antwort, das wisse er nicht mehr. Nach dem Urteil eines Sachverständigen ist der Angeklagte nicht als geisteskrank zu betrachten. Er wurde von der Strafkammer als zurechnungsfähig angesehen und zu einer Gefängnisstrafe von sechs Monaten verurteilt, wovon drei Monate durch die Untersuchungshaft verbüßt erklärt wurden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Betrifft Abgabe getragener Kleidungsstücke. Es ist in letzter Zeit soviel über die schlechte Bezahlung der abzuliefernden Anzüge für die Rüstungsindustrie geschrieben worden in der Annahme, daß der Munitionsarbeiter infolge seines horrenden Verdienstes eben mehr für die Anzüge bezahlen könnte wie vorgesehen. Dem entgegen muß ich denen, die da am lautesten schreien über die schlechte Bezahlung eines einzigen Anzuges, den sie abgeben, erwidern: Wie laut soll der Munitionsarbeiter schreien über die fortwährend ungenügende Bezahlung seiner täglichen Leistung? Ein Beispiel ist denen ja im Sprechsaal vorgeführt worden: ein anderes soll ihnen heute, und zwar von einem besser besoldeten Munitionsarbeiter entgegengehalten werden. Schreiber dieses arbeitet in Wahn mit einem tägl. Verdienste von 15 Mk. und ist bei seiner vierköpfigen Familie froh, daß er sich recht und schlecht durchschlägt, ohne dabei an aufzubezahlenden Anschaffungen auch nur denken zu können. Habt Ihr Schreier Euch mal die Arbeiter der erwähnten Industrie angesehen? Wie sie herumlaufen, gelb an Haut und Haaren, gelb an der Kleidung, oder blau im Gesicht infolge von Säurevergiftung? Ist das der vielgepriesene Munitionsarbeiter mit dem sehr, sehr hohen Lohn? Nein, schon allein des Aussehens wegen nicht weniger noch wegen der hohen Schädigung seiner Gesundheit, die die Einwirkung des Giftes auf ihn ausübt. Wo ist denn die Bezahlung für die teure Gesundheit? Wer gibt dem Arbeiter der chem. Industrie etwas in seinen Krankheitstagen und derer sind nicht wenige im Jahre? Etwa diejenigen, die da schreien wegen des Ausfalls von ein paar Mark für den zu schlecht bezahlten Anzug? Wenn wir darauf warten sollen, wären wir längst verhungert. Also laßt auch die Munitionsarbeiter mit dem sehr, sehr hohen Lohn in Ruh, es ist immer ein Häkchen dabei. Im Namen vieler Arbeiter der chem. Industrie: H. Schmitz
An den Urlauber E. Bl. Sie schreiben:
„Unsere Frauen opfern dem Vaterlande ihre Männer und Söhne, wogegen ein beträchtlicher Teil der Beamtenschaft noch kein Feldgrau am Leibe gehabt hat. Wenn diese Soldat werden mußten, so sind deren viele, die es nur für kurze Zeit waren.“ Diese Ihre Auffassung, die sich bei vielen Feldgrauen eingefressen haben mag, ist falsch. Fragen Sie einmal bei den Kommunalverwaltungen und in den staatlichen Aemtern an, wie viele Beamte im Felde stehen, wie viele gefallen oder verwundet sind. Sie werden dann vielleicht Ihre Bemerkungen bereuen. Und daß viele Beamte nur für kurze Zeit Soldat sind, ist ebenfalls falsch. Auch darüber können Sie an amtlicher Stelle eines Besseren belehrt werden. Ueberhaupt ist die Gegenüberstellung der Schützengrabenleute und der Männer in der Heimatarmee von Uebel. Es wird kein deutschfühlender Mensch zuhause ins Grab sinken, der nicht bis zum letzten Augenblick das Gefühl unverlöschlicher Dankbarkeit gegen unsere Männer im Felde in sich getragen hat. Aber umgekehrt haben viele Feldgrauen noch nicht richtig gelernt, über die Leistungen der Heimatarmee und ihre Nöte nachzudenken. Die Beamten und Angestellten in den staatlichen und kommunalen Verwaltungen und in unseren privaten industriellen und kaufmännischen Betrieben haben für die Aufrechterhaltung unseres deutschen Wirtschaftslebens ganz Außerordentliches geleistet, vielfach unter persönlichen Opfern, über deren Umfang vielleicht Herr Bl. keine Vorstellung hat. Die Teuerung der Lebenshaltung hat durch die Kriegszuschüsse keinen Ausgleich finden können, und so ist es gekommen, daß viele Beamte und Angestellte nicht nur ihre ersparten Guthaben völlig aufgezehrt haben, sondern auch noch größere Summen anleihen mußten, um das Gespenst der Unterernährung von ihrer Scholle fernzuhalten. Was würde der Urlauber Bl. nach dem Kriege machen, wenn die Beamten und Angestellten, die in der Heimat wirken, auch noch draußen im Felde gestanden hätten und die gesamte deutsche Volkswirtschaft verödet wäre? Die Männer der Heimatarmee wollen ihre Leistungen und Verdienste sicherlich nicht in ein gleiches Verhältnis rücken mit den Großtaten unserer Feldgrauen. Aber sie wollen sich andererseits nicht gefallen lassen, von einem Urlauber und einem etwaigen Gesinnungsgenossen über die Schulter angesehen zu werden: dazu sind die Opfer, die sie im Hinblick auf die erlittenen jahrelangen Entbehrungen und die vielfach kaum wieder einbringlichen finanziellen Einbußen erlitten haben und im wachsenden Maße erleiden, viel zu bitter. Wenn unsere Feldgrauen, was hoffentlich nicht mehr allzu lange dauert, wieder in die Heimat zurückkehren und am Aufbau unserer deutschen Volkswirtschaft wieder teilnehmen, dann mögen sie auch ein klein wenig Gerechtigkeitsgefühl gegen die zuhause Gebliebenen mitbringen, die im Kampfe mit der eigenen Existenz dazu beigetragen haben, daß unsere Feinde den völligen wirtschaftlichen Zusammenbruch Deutschlands trotz furchtbarster Anstrengungen nicht erzwingen konnte. Einer von der Heimatarmee.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Fliegeralarm. Heute Vormittag um 8 Uhr begann in Bonn Fliegeralarm; wann er aufgehört hat, kann man nicht sagen, da kein Einwohner etwas von einem Schlusszeichen bemerkt hat. Ueberhaupt war der ganze Alarm eine verunglückte Sache, da fast niemand sich um den Alarm kümmerte, da man nicht wußte, worum es sich eigentlich handelte. Der Grund hierfür liegt darin, daß man eine neue Art des Alarmierens eingeführt hatte, ohne daß diejenigen, für die der Alarm bestimmt ist, nämlich die Bevölkerung, darüber unterrichtet war. Glücklicherweise ist kein Angriff erfolgt, sonst hätte es z. B. auf dem Wochenmarkte eine ganz gewaltige Katastrophe geben können. Bei diesem einen äußerst unglücklichen Fehler aber blieb es nicht. Der zweite Fehler bestand darin, daß man nicht zu der alten Art des Alarms überging, nachdem man bemerkte, daß die Bevölkerung irregeleitet war. [...]
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Sonntag, 7. Juli 1918
Festgenommen wurde ein aus der Irrenanstalt in Andernach entwichener Matrose, der dringend verdächtig ist, an mehreren Einbruchsdiebstählen in Bonn beteiligt zu sein. Er wurde der Irrenanstalt wieder zugeführt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Die hiesige Bonner Bücher- und Lesehalle ist schon seit fast vier Monaten geschlossen, ohne auch nur einen Anschlag an der Tür zu haben, wann die Bücherausgabe stattfindet. Der langjährige sehr verdiente Bibliothekar ist militärisch eingezogen, an seiner Stelle waren Damen als Bücherwarte tätig, die aber alle nach kurzer Zeit ihre Tätigkeit aufgaben. Wenn man auch gut 1 bis 1½ Stunden warten mußte, man bekam aber doch immer ein Buch. Schreiber dieses glaubt nicht, daß dieser Zustand in der Absicht der vielen freiwilligen Wohltäter dieses sehr fördernswerten Unternehmens ist. Es wäre im Interesse der Allgemeinheit die baldige Wiedereröffnung der Lesehalle in der Quantiusstraße sehr zu wünschen. Civis.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Eingesandt“)
Zur Abgabe von getragenen Männeranzügen. Die Aufforderung zur Abgabe von Männeranzügen begegnet noch vielfach Missverständnissen. So ist in einer Zuschrift an den General-Anzeiger ein „Urlauber“ der Ansicht, daß es nicht angehe, von Heeresangehörigen auch noch die Abgabe eines Anzuges zu verlangen. Sie hätten gerade genug ertragen und hier seien oft die letzten Spargroschen der Familien aufgebraucht. Der Verfasser dieser Zuschrift ist anscheinend der Ansicht, daß jeder, wer er auch sei, einen Anzug abgeben müsse. Das ist ein Irrtum. Wer im Heeresdienste steht, wie auch der Zivilist, hat unter den gleichen Voraussetzungen einen Anzug abzugeben, d. h. er braucht einen solchen nur abzuliefern, wenn er unter Berücksichtigung seiner gesamten persönlichen Verhältnisse, insbesondere Vermögenslage, zur Abgabe in der Lage ist. Die Besorgnis also, daß etwa die minderbemittelte Bevölkerung in gleicher Weise herangezogen werden soll wie die Bessergestellten, ist grundlos. Vielmehr werden die nun bevorstehenden besonderen Aufforderungen zur Ablieferung eines Anzugs bezw. Bestandsangabe des Kleidervorrats unter Berücksichtigung der Vermögenslage des einzelnen und an Hand neuester Listen ergehen, sodaß nach Möglichkeit nur diejenigen herangezogen werden, die auch wirklich einen Anzug entbehren können.
Die spanische Krankheit. Aus Berlin wird uns von einem Mitarbeiter geschrieben: Die spanische Krankheit ist, wie uns von zuständiger Stelle mitgeteilt wird, von Spanien über Frankreich, Holland und die nordischen Staaten vor einigen Wochen zu uns gekommen. Ueber den Charakter der Krankheit weiß man noch nichts Genaues. Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit kann angenommen werden, daß es sich um die Influenza handelt, die in den Jahre 1889/90 zum ersten Male zu uns kam. In einzelnen Fällen sind Influenzabazillen zuverlässig nachgewiesen. Die Krankheit kann im allgemeinen als harmlos bezeichnet werden, da sie meistenteils binnen kurzem zur völligen Heilung führt, falls nicht Komplikationen eintreten, wie z. B. Lungenentzündung, Mittelohrentzündung. In neun der größten Krankenhäuser Groß-Berlins sind zur Zeit ungefähr 500 bis 600 Personen, die an der spanischen Grippe erkrankt sind, eingeliefert. Von diesen 600 Fällen endete einer mit tödlichem Ausgang. Es handelte sich um eine ältere Frau, die schon bei der Einlieferung an Lungenentzündung erkrankt war. Der oberste Grundsatz für die Bekämpfung solcher Krankheiten ist der, die zuerst auftretenden Krankheitsfälle nach Möglichkeit völlig zu erfassen und unschädlich zu machen durch die Absonderung der kranken Personen. Dies ließ sich aber bei dem explosionsartigen Auftreten der spanischen Grippe nicht ermöglichen. Mit der Ernährung steht die Krankheit in keinerlei Zusammenhang, es handelt sich vielmehr um eine Infektionskrankheit, die durch Ansteckung übertragen wird.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Munitionsarbeiter und Kriegsindustriearbeiter. In der jüngsten Zeit wird im Anschluß an die Frage der Abgabe von Männeranzügen viel über die Lage der Munitionsarbeiter gestritten. Die Munitionsarbeiter heben mit Recht hervor, daß sie sich ihren hohen Lohn teuer erkaufen müssen, und von der Gegenseite wird darauf hingewiesen, daß von den Arbeitern ungeheure Summen in den öffentlichen Lokalen und für Bekleidung usw. ausgegeben würden. Es scheint hier ein Mißverständnis vorzuliegen. Die Munitionsarbeiter, die unter schweren gesundheitlichen Gefahren arbeiten, sind es weit weniger oder selten, die man in öffentlichen Lokalen antrifft. Es sind mehr sonstige Industriearbeiter, die für den Kriegsbedarf arbeiten, namentlich jüngere Leute. Und gewiß ist es auch nur ein Bruchteil unserer Kriegsarbeiterschaft, der sich so auffällig benimmt. Es wäre völlig verfehlt, das Verhalten dieses verschwindenden Teils der Arbeiterschaft verallgemeinern zu wollen. Aber daß in den Theatern, Singspielbühnen, Kinos und Spezialitätenbühnen viele jugendliche Arbeiter und Arbeiterinnen jetzt auf den teuersten Plätzen anzutreffen sind, daß diese in den ersten Hotels in Königswinter, Godesberg usw. hohe Zechen machen, häufig in Konditoreien verkehren und auch in Bonner Restaurants und Kaffees mit dem Geld nicht kargen, ist für jeden, der seine leiblichen Augen hat, unbestreitbar. Ebenso ist es Tatsache, daß gewisse Arbeiter sich an dem Preiswucher für Lebensmittel beteiligen und Preise für Speck, Butter usw. zahlen, die viele Beamte und Handwerker nicht erschwingen können. Und diese etwas einseitige Beobachtung ist es, die in manchen Beamten- und Handwerkerkreisen, die in einer wirtschaftlichen Notlage leben, zum Widerspruch gegen die Abgabe von Männeranzügen gereizt hat. Es wäre eine dankenswerte Aufgabe für unsere Arbeiterführer, auf die Verschwendungslustigen unter ihnen ihren Einfluß geltend zu machen, daß diese sich für die Zeit nach dem Kriege etwas zurücklegen. Ein Arbeiterfreund.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Die Beschlagnahme der Türklinken und Fenstergriffe. Bei der Ersatzbeschaffung der beschlagnahmten Türklinken und Fenstergriffe ist, wie amtlich mitgeteilt wird, vorgesehen, daß kein Hausbesitzer für die von der Heeresverwaltung gelieferten Ersatzstücke mehr zu zahlen braucht, als er für die abgelieferten Stücke aus Messing und Bronze erhält. Uebersteigt der Metall-Uebernahmepreis die Kosten des Ersatzes, so wird die Differenz dem Ablieferer ausgezahlt. Im gegenteiligen Falle wird die Differenz durch einen Zuschuß des Reiches ausgeglichen. Diese Vergünstigungen gelten jedoch nur in dem Falle, in dem die Lieferung der Ersatzgegenstände, der Aus- und Einbau von der Behörde erfolgt, aber nicht, wenn die Ersatzgegenstände selbst gekauft und eingebaut werden. Die Ablieferung braucht erst zu erfolgen, wenn Ersatzstücke zur Verfügung stehen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Montag, 8. Juli 1918
Dreitägiger Kochkistenlehrgang für Hausfrauen, Köchinnen und Hausangestellte (s. Anzeige vom 7. Juli 1918). Gibt es keinen einzigen logisch denkenden Mann, der gegen diesen Unfug, der mit dem A B C=System betrieben wird, energisch einschreitet? Dieses System ist ja bald wie eine Lotterie. Die Angestellte, die das Glück hat, bei A oder B im Haushalte zu sein, bezahlt 1 Mark, die anderen müssen 8 Mark bezahlen. Weshalb? Warum? Man sollte doch jedem Bürger Bonns sein A B C gleich mit unverwischbarer Farbe auf die Stirn stempeln, damit er von jedermann nach Gebühr geschröpft werden kann für das Glück, das er genießt, daß sein Hausvorstand ein C-Steuerträger ist. Eine energische Gegnerin des A B C.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Eingesandt“)
Die Kochkiste! In dieser Woche veranstaltet, wie aus dem Anzeigenteil hervorgeht, die Hauswirtschaftl. Kriegshilfe einen dreitägigen Lehrkursus im Nordischen Hof. Die Bedeutung dieser geduldigen, sparsamen und zuverlässigen Hausfreundin ist noch immer nicht so allgemein bekannt, daß es in unserer Zeit notwendig ist. Jede Hausfrau und jede Köchin sollte die Gelegenheit benutzen, um sich damit vertraut zu machen, sie wird es nicht bereuen. Die Kochkiste führt eine glückliche Ehe mit dem feurigen Gaskocher und bringt zur reifen Entfaltung, was er ihr „kochgar“ übergibt. Es ist erstaunlich, was alles bei richtiger Ueberlegung auf diese Weise zustande gebraucht werden kann. Eine Jede geht und lerne das kriegsgetraute Paar – Gaskocher und Kochkiste – kennen!
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Auszeichnung. Seine königliche Hoheit der Großherzog von Oldenburg hat dem Leiter der Sanitätshund-Meldestelle Bonn, Herrn Polizei-Kommissar Flaccus, in Anerkennung seiner Verdienste um das Sanitäts- und Blindenhundwesen zu dem verliehenen Friedrich-August-Kreuz 2. Klasse statt des rot-blauen Bandes das blau-rote Band [...] verliehen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Zur Wohnungsnot. Die vor einigen Tagen erfolgte Besprechung zur Gründung einer Gesellschaft zum Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern habe ich verfolgt. Die dort von einer Seite vorgebrachte Ansicht kann ich nicht zu der meinigen machen. Das Einfamilienhaus für den Arbeiter im Weichbild der Stadt ist unrentabel, oder wie gesagt, nur dann nicht, wenn das Grundstück von der Stadt umsonst gegeben wird, und dann wohnt man auf Kosten der Allgemeinheit. Das Einfamilienhaus für Arbeiter hat nur dort Zweck, wo ein größeres Grundstück vorhanden ist, worauf nebenher der eigene Lebensmittelbedarf selbst gezogen werden kann. Ferner hat das Einfamilienhaus für Minderbemittelte dort Berechtigung, wo neben der Erzeugung von Lebensmitteln für den eigenen Bedarf der Verkauf derselben verbunden ist. Der Arbeiter ist vernünftig genug, daß er im Weichbilde der Stadt kein Alleinhaus bewohnen kann, oder er muß, wie gesagt, auf Kosten der Allgemeinheit wohnen. Die Zweifamilienhäuser der Arbeiter-Wohnungs-Genossenschaft an der Ellerstraße können wohl als Muster dienen, damit kann man wohl zufrieden sein. Etwas Unmögliches kann man nicht verlangen. Th. B. Bonn.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Dienstag, 9. Juli 1918
Universität. Zur Feier des hundertjährigen Bestehens ist der Universität die erste Festgabe dargebracht worden. Der Direktor des Provinzialmuseums, Professor Dr. Lehner, hat unter dem Titel „Die antiken Steindenkmäler des Provinzialmuseums in Bonn“ diesen wichtigen Schatz der Ueberlieferung aus der Römerzeit vollständig zusammengestellt, durch die Beigabe von 140 Abbildungen und von erläuternden Anmerkungen verständlich gemacht und den Wunsch ausgesprochen, es möchte das stattliche Werk dem akademischen Unterricht sich nützlich erweisen. Die Kosten der Veröffentlichung hat der Rheinische Provinzialverband getragen; daß sie im vierten Kriegsjahr erfolgen konnte, ist für alle Beteiligte gleichermaßen ehrenvoll.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Die Bonner Bücher- und Lesehalle. In Erwiderung auf das die Bonner Bücher- und Lesehalle betreffende Eingesandt in Ihrer Sonntagsnummer weisen wir darauf hin, daß es trotz aller Mühe unmöglich war, einen geeigneten Ersatz für den eingezogenen Bibliothekar zu finden. Mehrere Versuche sind zum Schaden der Lesehalle ausgefallen. In letzter Zeit ist es nun geglückt, eine geschulte Bibliothekarin zu finden, mit deren Hilfe die Wiedereröffnung in nächster Zeit stattfinden wird. Die sofortige Aufnahme der Buchausgabe ist noch nicht möglich, weil sich die Notwendigkeit herausstellte, die ganze innere Einrichtung und vor allem den Zustand der Bücher einer durchgreifenden Neuordnung zu unterziehen. Nachdem aber diese zeitraubende, umständliche Arbeit rüstig fortschreitet, ist Aussicht, die heute mehr wie je notwendige Tätigkeit unserer Büchereien unter bedeutend verbesserten Bedingungen bald wieder aufzunehmen. Der Zeitpunkt wird demnächst bekannt gegeben. Der Vorstand der Bücher- und Lesehalle E. B.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Eingesandt“)
Der Probealarm, der für gestern abend 7 Uhr angesagt war, ging vorschriftsmäßig vonstatten. Das Heulen der Sirenen sowie die Signalschüsse gaben das Zeichen dafür, daß der Straßenbahnverkehr unterbrochen wurde. Im übrigen aber merkte man wenig von einer Verringerung des Straßenverkehrs, denn man wußte, es war nur Probealarm. Bekanntlich ertönen von jetzt an jeden Abend um 7 Uhr die Sirenen, um festzustellen, ob sie im Ernstfalle auch ihre Schuldigkeit tun.
Bitte einer Bonner Hausfrau an das Lebensmittelamt. Man schreibt uns: Lieber General-Anzeiger! Sie haben uns Hausfrauen schon aus so mancher Kriegsnot geholfen, helfen Sie auch diesmal. Sie vermahnen immer wieder die Hausfrauen, nicht durch ihre Hamsterfahrten nach Gemüse und Obst diese guten Sachen ganz vom Markt verschwinden zu machen und dadurch ihren Schwestern mit dem kleineren Geldbeutel und der knapper bemessenen Freizeit das Leben noch mehr zu erschweren. Ueber den Erfolg dieser Ermahnungen sind Sie sich wohl klar. Es handelt sich da eben um eine Gewissenssache, und das Gewissen hat ja bei manchen Menschen während des Krieges recht merkwürdige Beulen bekommen. Sie zu noch mehr Anstrengungen in dieser Richtung veranlassen zu wollen, wage ich nicht. Vielleicht aber ist es durch ihre Hilfe möglich, das in so erfreulichen Mengen von der Stadt herbeigeschaffte seltenere Gemüse – Erbsen, Dicke Bohnen, Blumenkohl – besser verteilt zu sehen. Ich kenne Spezialistinnen im „Anstehen“, die es möglich gemacht haben, schon 4 – 5 mal ihre Leiben den Genuß der genannten Gemüse zu ermöglichen, und ich kenne Frauen, die gewissenhaft ihre freie Zeit im Interesse ihrer Angehörigen verwenden und denen das noch nicht einmal möglich war. Warum kann die Stadt nicht die besseren Gemüse auf eine Warenkarten-Nummer festlegen? In kleinen rheinischen und mitteldeutschen Industriestädten ist das mit bestem Erfolg geschehen. Auch das Kleinobst ist dort so verteilt worden. Sie schrieben gelegentlich des Erfolges, mit dem Sie in der Brotverkaufsfrage wenigstens für die Schwer- und Schwerstarbeiter gekämpft hatten, Herr Oberfutter-Rat Piehl sei vernünftigen Vorschlägen zugänglich. Vielleicht hält er den meinen auch dafür; es würden ihm viele Hausfrauen, die mit ehrlichen Mitteln durchhalten wollen, dafür herzlichen Dank wissen. (Na, diese Zuschrift könnte selbst ein versteinertes Herz erweichen. Sollte sie da nicht schon auf unseren alle Nöte unserer lieben Hausfrauen verstehenden Herrn Beig. Piehl den erhofften Eindruck machen? Die Schriftl.)
50 Gramm Butter werden in dieser Woche auf den Kopf der Bevölkerung abgegeben.
Zwei Pfund Frühkartoffeln zum Preise von 20 Pfg. für das Pfund werden für die Woche vom 15. bis 21. Juli ausgegeben. Der Verkauf findet bereits von morgen Mittwoch ab statt, und zwar nur auf dem Wochenmarkt. Um jeden Andrang zu vermeiden, werden eine ganze Anzahl Verkaufsstellen eingerichtet, die über den ganzen Marktplatz verstreut liegen. Auch hat die Warenkarte Nr. 11, auf die die Frühkartoffeln ausgegeben werden, bis zum 21. ds. Gültigkeit. Neben den zwei Pfund Frühkartoffeln werden auch noch in den städtischen Verkaufsstellen alte Kartoffeln ausgegeben. Die Menge wird noch bekannt gemacht.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Bonner Mutterhaus vom Roten Kreuz. Dem 4. Jahresbericht des am 8. August 1914 gegründeten Mutterhauses entnehmen wir folgendes: Zu Beginn des Jahres wurden Mutterhaus und Lazarett in die beiden Häuser Coblenzerstraße 87 und 87a verlegt, nachdem die Stundentenverbindung Bavaria und Fräulein Freudenberg 2½ Jahre lang ihre Häuser opferwillig zur Verfügung gestellt hatten. Die Bettenzahl im Lazarett konnte infolgedessen auf 42 erhöht werden. Eine Kapelle wurde eingerichtet und von einem Bonner Verwundeten ausgemalt. […] – Im Lazarett des Mutterhauses wurden 273 Verwundete an 11.216 Tagen verpflegt. Die Behandlung lag in den Händen der Herren Geh. Rat Dr. Hoestermann, Privatdozent Dr. Cramer und Prof. Bunge. Frau Prinzessin zu Schaumburg-Lippe und Frau Prinzessin Karl besuchten die Verwundeten wiederholt, letztere lud das Lazarett nach Schloß Namedy ein – außerdem wurde durch Konzerte und sonstige Veranstaltungen für Unterhaltung der Verwundeten gesorgt. […]
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Wenige Tage werden vergehen, und der Tag des Kriegsbeginns jährt sich zum vierten Male. Damit sind 4 Jahre von heiliger Begeisterung und Opferfreude über uns dahingegangen, Jahre aber auch tiefen Leids und Kummers, Jahre, die in ihrer ganzen Wucht furchtbaren Erlebens ungeheuer schwer auf unser aller Seelenleben lasten. Und doch tragen wir diese Last, fest entschlossen, treu: die Männer an den Fronten in allen Mühseligkeiten des Sommers, die Männer daheim jeder in seinem verantwortungsvollen Beruf, die Frauen in steter Sorge; aber: sie tragens, tragen es entschlossen auch in diesen so schweren Uebergangswochen des 4. Kriegssommers. Denn wir alle haben den einen Gedanken: durch Einsetzen unseres ganzen Willens für ein baldiges Ende des Krieges zu wirken; in diesem Bewußtsein tragen wir all das Harte und Zermürbende.
Fast wie ein Hohn auf diese Stimmung will es einen nun anmuten, wenn man sehen muß, was man dem Bonner Publikum in einem hiesigen Theater gerade in diesen sicher ernstesten Tagen des Krieges vorzusetzen wagte. Denn Spott und Hohn auf unsere ganze Volksstimmung ist es, ein Marchwerk übelster Sorte, wie die Operette „Grigri“ einem deutschen Publikum Abend für Abend aufzutischen! Daß die Musik mangelhaft, der Inhalt Blödsinn und die Wiedergabe im Durchschnitt nicht besonders ist, das ist ja eigentlich schon eine Selbstverständlichkeit geworden. Aber die Mittel, mit denen hierin gearbeitet wird, sind doch zu empörend, als daß man stillschweigend daran vorübergehen könnte. Was soll eine Jammergestalt wie die des schwarzen Königs auf unserer Bühne, was aber soll vor allen Dingen, im 5. Kriegsjahr, die Verherrlichung des französischen Volkes und französischen Wesens auf einer deutschen Bühne, des Volkes, das Hunderte unserer gefangenen Soldaten grausam zu Tode gemartert hat!? Das sind doch elegantere, feinere Leute, als wir, die tölpelhaften Deutschen! Natürlich auch die Kriecherei vor den Engländern darf nicht zu kurz kommen: daher das englische Lied und die 6 Tanzgirls im letzten Akt. Jedes Volk und jede Zeit hat eben die Theater, die es verdient. Wir sind anscheinend zu solchen verurteilt, die uns nur solche Ungeheuerlichkeiten wie „Grigri“ vorsetzen können. Möchte das Publikum das kräftige „Pfui“ finden, wie ich es von ein paar Feldgrauen gehört haben!!! th. st. v.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Mittwoch, 10. Juli 1918
Ernährung und Versorgung.
Durch die kalte Witterung der letzten Zeit hat sich die Frühkartoffelernte um fast 14 Tage verschoben. Dadurch treten gewisse Schwierigkeiten in der Kartoffelversorgung ein, weil um die jetzige Zeit noch immer auf die Versorgung aus alten Beständen zurückgegriffen werden muß. Infolgedessen können für die nächste Woche nur vier Pfund alte Kartoffeln abgegeben werden. Nebenher werden jedoch zwei Pfund Frühkartoffeln zum Preise von 20 Pfg. für das Pfund auf dem Markt verkauft, und zwar bereits von Mittwoch dieser Woche ab für die nächste Woche. Es wird daher geraten, mit den Kartoffelvorräten äußerst sparsam umzugehen. Die Verkaufsmenge auf dem Markte kann nur immer beschränkt je nach dem Anfallen der Zufuhren sein. Es ist jedoch Vorsorge getroffen, daß diese zwei Pfund an alle Bezugsberechtigte unter allen Umständen für die nächste Woche ausgegeben werden. Es ist gänzlich überflüssig, die Verkaufsstellen zu bestürmen. Für die Vorortbewohner wird auch eine Verkaufsstelle am städtischen Sportplatz Reuterstraße eingerichtet, so daß sie nicht bis zum Markt für ihre Kartoffelversorgung zu kommen brauchen. Der Marktverkauf an sich wird sofort eingestellt, wenn die Zufuhren in größerem Umfange einsetzen, dann werden wieder die städtischen Kartoffelkleinverkaufsstellen beliefert. […]
Ebenso wird mit Rücksicht auf die verkürzte Brotmenge in den nächsten beiden Wochen je ein Viertelpfund Bohnen (Hülsenfrüchte) auf den Kopf der Bevölkerung abgegeben werden.
Die Knappheit in der Mehlversorgung hat sich noch weiter verschärft. Doch dürfte sie bald überwunden sein, da der Frühdrusch in einige Bezirken bereits lebhaft eingesetzt hat und damit neue Getreidemengen der Mehlversorgung zugeführt werden. Immerhin mahnt die Knappheit, die uns gewissermaßen ein Leben aus der Hand in den Mund aufzwingt, dazu, mit unserer städtischen Brotwirtschaft äußerst vorsichtig umzugehen. […]
Die Fleischversorgung ist nach wie vor recht schlecht. Es wäre aber unverantwortlich für die jetzt bereits sehr unzureichende Fettversorgung, wenn noch mehr Milchvieh abgeschlachtet würde. Aus diesem Grunde werden auch voraussichtlich von Ende September an fleischlose Wochen eingeschaltet werden, derart, daß abwechselnd in einer Woche Fleisch und dann wieder kein Fleisch gegeben wird. […]
Vaterländische Vereinigung deutscher Kriegsbeschädigter und Kriegsteilnehmer. Die unter diesem Namen mit dem Sitz in Bonn neu gegründete Vereinigung hat sich in den knapp zwei Monaten ihres Bestehens schon recht erfreulich entwickelt. Die junge Vereinigung, die parteipolitisch und religiös streng neutral ist, hat bereits eine stattliche Anzahl Mitglieder und kann auch angesehene Bürger Bonns als ihre Ehrenmitglieder nennen. Die Vereinigung ist wirklich bestrebt, ihren Kameraden mit Rat und Tat beizustehen. Sie hat bereits eine Rechtsauskunftsstelle, in der besonders den Kriegsbeschädigten in Rentensachen usw. kostenlos Rat erteilt wird, sie hat ferner eine Arbeitsnachweisstelle errichtet, um es den Kameraden zu erleichtern, eine Stelle nach Art ihrer Beschädigung zu erhalten. Im Laufe dieses Monats findet im Bonner Bürger-Verein eine große öffentliche Versammlung statt. Näheres wird noch durch die Zeitung bekannt gegeben. Aufnahme neuer Mitglieder können jederzeit im Vereinsraume „Düsseldorfer Hof“, Hundsgasse 1, entgegengenommen werden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Abfallstoffe. Im Anzeigenteil wird wiederholt darauf hingewiesen, daß die Sammelstelle für Sammel- und Helferdienst, Am Hof 1, Abfallstoffe, Metalle, Möbelstücke usw. sowohl gegen Bezahlung als auch unentgeltlich entgegennimmt und auf Wunsch in der Wohnung abholt.
Aber trotz der vielfach ergangenen Aufrufe befinden sich in den meisten Haushaltungen noch unbeachtete, für die Kriegswirtschaft aber wertvolle Vorräte aller Art. Niemand darf glauben, daß es auf seinen kleinen Bestand nicht ankomme. Auch der kleinste Vorrat muß abgeliefert werden, denn viele Wenig geben ein Viel.
Vaterländische Pflicht eines jeden ist es auch, den eigenen Haushalt erneut zu prüfen, dauernd zu sammeln und es dem Vaterland zu geben.
Jedem, der bei der Sammelstelle Am Hof 1 abliefert, erwachsen neben der Bezahlung weitere Vorteile durch die von der Sammelstelle ausgegebenen Sammelbücher, die jedem ein Anrecht auf Zuteilung von gewissen Lebensmitteln verschaffen. […]
Ein falsches Gerücht. Gegenüber umlaufenden Gerüchten, als sei beabsichtigt, das wehrpflichtige Alter auf 50 Jahre heraufzusetzen, kann auf Grund amtlicher Mitteilungen versichert werden, daß daran kein wahres Wort ist.
Bohnen gegen Warenmarken. Das städt. Lebensmittelamt schreibt uns: In letzter Zeit werden vielfach Wünsche laut, die sogenannten hochwertigen Gemüse, wie Erbsen, Bohnen usw. zu rationieren, d. h. sie auf Warenmarken an die Bevölkerung abzugeben. Das ist ungemein schwierig durchzuführen, einmal aus dem Grunde, weil die Zufuhren an Gemüse hinsichtlich ihrer Menge nicht übersehen werden können, und dann vor allen Dingen, weil es im Stadtkreise Bonn eine große Menge von Erzeugern dieser Gemüsearten gib t, die dann von der Rationierung ausgeschaltet werden müßten. Andererseits läßt es sich doch nicht verkennen, daß die Wünsche nach einer Rationierung durchaus berechtigt sind. Das städtische Lebensmittelamt wird daher den ersten Versuch mit einer Rationierung von Buschbohnen in nächster Woche machen und zwar derart, daß auf eine durch Bekanntmachung noch zu bestimmende Warenmarke zwei Pfund Bohnen in den städtischen Verkaufsstellen verabfolgt werden. Diese Warenmarke wird vierzehn Tage für den Verkauf gültig bleiben, so daß einmal während dieser vierzehn Tage jede Familie unbedingt ihre Bohnenmenge bekommen kann, den größeren Familien aber auch Gelegenheit geboten ist, die Bohnen nach und nach zu holen und sie in frischem Zustande zu verbrauchen. Eine Familie von fünf Köpfen kann z. B. während der vierzehn Tage zweimal je vier Pfund und einmal zwei Pfund abholen und im Haushalt zubereiten.
Wegen Höchstpreisüberschreitung hatte sich eine Ackerin aus Kessenich vor der Strafkammer zu verantworten. Sie hatte von einem Einwohner von Bonn für grüne Bohnen 80 Pfg. das Pfund genommen. Ihre Behauptung, sie habe den bezahlten Preis nicht verlangt, wurde durch einen Zeugen bestätigt, konnte die Angeklagte aber nicht straffrei machen. Sie wurde zu 1000 Mk. Geldstrafe verurteilt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Der Probe-Fliegeralarm am gestrigen Abend wickelte sich glatt ab. Die von der Hauptwache aus bedienten Alarmvorrichtungen, sowie das von dort aus bewirkte Abstellen des Stromes der elektrischen Straßenbahnen ging richtig, pünktlich und sachgemäß von statten. Herr Beigeordneter Piehl und mehrere Stadtverordneten besichtigten bei dieser Gelegenheit die neue Anlage.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Unfug. Die Dampfpfeifen der Fabriken dürfen nach den bestehenden Bestimmungen nur vier bis fünf Sekunden lang pfeifen. Das genügt auch vollständig, der dumpfschrille Ton dringt überallhin. Neuerdings wird die zugestandene Frist aber vielfach weit überschritten. Besonders Bewohner des westlichen und nordwestlichen Stadtteils klagen über den Unfug der Fabriksirenen. Es dürfte besonders jetzt darauf zu achten sein, daß die Frist nicht überschritten wird. Die Bevölkerung ist augenblicklich durch wiederholten Fliegeralarm ohnehin erregt genug, es ist nicht nötig, daß die Dampfpfeifen in den Fabriken die Unruhe noch steigern. Es dürfte angebracht sein, die bestehenden Bestimmungen zur genauesten Beachtung einzuschärfen.
(Volksmund, Rubrik „Bonner Angelegenheiten“)
Donnerstag, 11. Juli 1918
Zum Brotverkauf. Den Schwer- und Schwerstarbeitern ist es, wie bekannt, wieder gestattet, gegen die Zulagebrotkarten an Samstagen und Sonntagen Brot einzukaufen für die folgende Woche. Der andern Bevölkerung ist dies nicht gestattet. Diese muß sich mit dem Brot so einrichten, daß sie damit auskommt, bis sie Montags Brot einkaufen kann, auch dann, wenn sie Montags früh zur Arbeit muß. Die Schwerarbeiter erhalten die Zulage doch dafür, daß sie bei der schweren Arbeit für eine Woche ausreichen können, ebenso wie gewöhnliche Arbeiter ohne Zulage. Es ist demnach eine, wenn auch unbeabsichtigte Bevorzugung den übrigen Arbeitern gegenüber, daß die Schwer- und Schwerstarbeiter gegen die Zusatzkarten bereits Samstag oder Sonntag Brot für die folgende Woche einkaufen können. Eine Kontrolle bei gewöhnlichen Arbeitern wäre auch wohl leicht geschaffen, eventl. durch entsprechenden Vermerk auf dem Umschlage der Lebensmittelkarten, welcher nur auf Antrag der Arbeiter anzubringen wäre. Ein Freund aller Arbeiter.
Die Schulkinder und die Brotverteilung. Daß die Schwer- und Schwerstarbeiter sich gemeldet haben, um Montags früh nicht ohne Brot zur Arbeit gehen zu müssen, habe ich sehr richtig gefunden. Aber man vergißt, daß wir Mütter, die wir oft eine große Zahl von Kindern versorgen müssen, durch das Brotverbot sehr in die Klemme gekommen sind. Es wird wohl vielen Müttern so ergangen sein wie mir. Ich mußte schon Donnerstags bei meinem Bäcker betteln, daß er mir Brot aus meinem Anrecht an der kommenden Woche gab. Nun kommt plötzlich die Anordnung, daß vor Montags kein Brot ausgegeben werden darf. Da mein Bäcker nunmehr recht hartherzig geworden ist, weiß ich nicht, wie ich den Vorsprung einholen soll. Außerdem gehen verschiedene meiner Kinder Montags früh vor dem Unterricht schon zur Andacht. Was soll ich ihnen da als Frühstück mitgeben? Vielleicht entschließt sich Herr Beigeordneter Piehl, die Bestimmung allgemein so zu fassen, daß man bereits Sonntags das Brot entnehmen darf. Es hätte dies den Vorteil, daß die Ausnahmebestimmung für Schwer- und Schwerstarbeiter wegfiele und auch alle andern Interessenten einer rechtzeitigen Ueberweisung des Brotes vor Montag früh befriedigt würden. Der Zweck der ergangenen Verfügung würde dann in etwa immer noch erreicht. Eine Mutter.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Ohne Strümpfe. Die Reichsbekleidungsstelle richtet eine Ermahnung an die Bevölkerung, die nicht die erste ihrer Art ist, nämlich ohne Strümpfe zu gehen. Sie schreibt: In verschiedenen Städten hat man in letzter Zeit die erfreuliche Beobachtung machen können, daß Leute beiderlei Geschlechts sich keineswegs scheuen Holzsandalen ohne Strümpfe zu tragen. Zur Streckung unserer Vorräte an Textilwaren wäre es dringend zu wünschen, daß dieser Brauch sich immer mehr und mehr einbürgern würde … Leider gibt es immer noch viele, die davor zurückschrecken, sich mit bloßen Füßen auf der Straße sehen zu lassen, aus Furcht, sich lächerlich zu machen. Es ist nur notwendig, daß einzelne, wie es ja schon hier und da geschehen ist, mit gutem Beispiel vorangehen, und der Bann ist gebrochen. Namentlich die Schuljugend und die Studentenschaft beiderlei Geschlechts kann hier vorbildlich wirken. Daß die Aufgaben der Reichsbekleidungsstelle durch Abschaffung dieser und anderer Bekleidungsstücke sehr erleichtert würden, muß zugegeben werden, aber vielleicht sollte sie sich dann lieber Reichsentkleidungsstelle nennen, schreibt hierzu der „Tag“.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Freitag, 12. Juli 1918
Auf der Vorgebirgsbahn fallen vom heutigen 12. Juli ab eine Anzahl Züge ganz oder teilweise aus. […]
Wegen Ueberschreitung der Höchstpreise für Gemüse und Obst hatten sich wieder eine Anzahl Händler und Erzeuger vor der hiesigen Strafkammer zu verantworten. Ein Händler wurde zu 10.983 M. Geldstrafe verurteilt, mehrere Erzeuger zu Strafen von 1300 bis 2700 M.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Zum Tischtuchverbot in Gastwirtschaften. Am 1. Juli ds. Js. ist das verschärfte Tischwäscheverbot in Kraft getreten, wonach künftighin in Gastwirtschaften Handtücher und Tischzeuge aus Web-, Wirk- und Strickwaren überhaupt nicht mehr benutzt werden dürfen. Und zwar gilt das Verbot nicht nur für Gastwirtschaften, sondern für alle Betriebe, die – wenn auch in Nebenbetrieben – auf entgeltliche Verabfolgung von Speisen oder Genußmitteln irgendwelcher Art eingerichtet sind, es gilt also auch für Kafes, Konditoreien, Pensionen, Logierhäuser, Kantinen, Vereins-Kasinos usw. Trotzdem wird das Verbot in Bonn noch nicht genügend beachtet. Es finden sich noch immer Betriebe, die sich über die Verordnung hinwegsetzen. Es sei deshalb nachdrücklich auf sie hingewiesen. Wer dagegen verstößt, wird sich künftighin nicht mehr mit Unkenntnis entschuldigen können.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Brot.
Dem Wunsche eines Teiles der Bürgerschaft, das Verbot der Vorentnahme von Brot an den Samstagen und Sonntagen weiter zu mildern, kann leider nicht entsprochen werden.
Die Schwierigkeiten in der Durchführung der Brotversorgung bis zur neuen Ernte haben bekanntlich zu einer erheblichen Herabsetzung der Mehlmenge durch die Reichsgetreidestelle geführt. Ferner konnte die Reichsgetreidestelle die früher üblich gewesene monatliche Mehlzuweisung nicht mehr aufrecht erhalten, sondern mußte dazu übergehen, das zur Brotherstellung erforderliche Mehl nur für den jeweiligen Wochenbedarf zuzuteilen.
Angesichts dieser Schwierigkeiten mußte die Verwaltung sich schweren Herzens zu dem Verbot der Vorentnahme des Brotes entschließen, da sonst die Durchführung der Bonner Brotversorgung überhaupt gefährdet gewesen wäre.
Es sei ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß die von der Reichsgetreidestelle seit dem 1. Juli gelieferte Mehlmenge nur zu Abgabe einer Wochenbrotmenge von 3½ Pfund Brot ausreicht. Trotzdem wird das städtische Lebensmittelamt in der Lage sein, weiterhin 3¾ Pfund Brot auszugeben. Voraussetzung hierfür ist jedoch, daß das Verbot der Vorentnahme von Brot überall streng beachtet wird.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Nachrichten des städtischen Lebensmittelamtes.“)
Gedenkblatt. In der Mitgliederversammlung der Freiwilligen Sanitätskolonne vom Roten Kreuz hierselbst wurden einer Reihe von Mitgliedern Gedenkblätter zur Erinnerung an ihre Tätigkeit im Dienste des Roten Kreuzes während des Weltkriegs überreicht. Von einem Kolonnenmitglied gezeichnet, weisen sie u. a. Bilder von der Baracke an der Quantiusstraße und der Wache in der Thomastraße auf, die späterhin liebe Erinnerungen sein werden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Samstag, 13. Juli 1918
Die fleischlosen Wochen. Wie aus Berlin gemeldet wird, sollen die fleischlosen Wochen für die nächsten Monate nunmehr festgesetzt worden sein, und zwar die Wochen vom 19. bis 25. August, 9. bis 15. September, 29. September bis 6. Oktober und 20. bis 27. Oktober.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Auf dem Bonner Wochenmarkt wurden gestern sage und schreibe 3 Mark und 50 Pfennig für ein Pfd. Pilze (Pfifferlinge) verlangt und bezahlt. Der Markt war im allgemeinen gut beschickt, hauptsächlich aber wieder mit Gemüse, Kopfsalat und Kleinzeug. […] Der Verkauf war im allgemeinen recht flott. Auf dem Großmarkt auf dem Stiftsplatz haben sich die Zufuhren noch immer nicht gebessert. Auch gestern war wieder so gut wie gar keine Ware zu haben. Beim städtischen Verkauf war gestern wieder reiche Auswahl an Waren vorhanden. Außer Grüngemüse waren Möhrchen zum 90 Pfg., fremde grüne Erbsen zu 90 Pfg., hiesige Zwiebeln mit Laub zu 47 Pfg. das Pfund, fremder Blumenkohl zu 1,50 Mk., fremde Gurken zu 1 Mk. das Stück, hiesiger beschlagnahmter Rot- und Weißkohl, Kohlrabien und etwa 80 Pfund beschlagnahmte Waldbeeren zu haben. Der Verkauf war im allgemeinen sehr flott, außer in Grüngemüse, worin nach Schluß des Marktes noch größere Ueberstände verblieben.
Zwei Mark für ein Pfund Waldbeeren. Man schreibt uns: Gestern morgen erschienen drei Mädchen von auswärts mit je einem gut verdeckten Korb voll Waldbeeren auf unserem hiesigen Wochenmarkt und boten sie im ganzen und im geheimen einer Verkäuferin zu zwei Mark für das Pfund an. Selbstverständlich sammelten sich auch im Augenblick einige Frauen um die so geheimnisvollen Körbe und blieben hier und da Bemerkungen nicht aus. Als die Sache brenzlich wurde, beschloß man, den Kauf etwas abseits vom Markt in der Sternstraße abzuschließen. Unterdessen war unsere Marktpolizei von diesem unerlaubten Handel in Kenntnis gesetzt worden. Sie schritt sofort zur Beschlagnahme der ganzen Waldbeeren, etwa 70 – 80 Pfund, und ordnete an, daß sie am städtischen Verkauf zu Höchstpreis im Kleinhandel verkauft wurden. In kurzer Zeit war der ganze Vorrat eines in diesem Jahre so sehr selten oder gar nicht auf dem Markt kommenden Artikels natürlich vergriffen. Dasselbe geschah mit einer kleineren Menge Weiß- und Rotkohl.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Neues Operettentheater. Der „Neugierige“ im Sprechsaal hat am Donnerstag von der Bühne herab eins ausgewischt bekommen. Adalbert Steffter, der vielseitige gewandte Leiter des Unternehmens, der von Hause aus Schauspieler ist, sang an dem Abend die Tenorpartie des erkrankten Herrn Hietel. Dabei polemisierte er gegen das „Eingesandt“, das sich gegen die leichtfertigen Mütter richtete, die mit ihren halberwachsenen Töchtern sich „Grigri“ u. dergl. ansehen. Herr Steffter meinte in seinen in den Text eingeflochtenen Worten, wie mir berichtet wird, daß man in seinem Theater nichts Unsittliches lernen könne. Ich möchte auf dieses Thema nicht näher eingehen. Schon die Zitierung des Couplettextes im „Filmzauber“ „Kind, ich schlafe so schlecht“, der eine nicht mißzuverstehende Einladung an die Angebetete darstellt, und der Text von „Grigri“, „Walzertraum“, „Graf von Luxemburg“ usw. widerlegen die Auffassung des Herrn Steffter, daß seine Bühne für Kinderohren und Kinderaugen geeignet sei. „Wenn ihr’s nicht fühlt, ihr werdet’s nicht erjagen“, sagt ein gewisser Goethe, der Herrn Steffter aus der Zeit seiner ernsten Künstlerschaft vielleicht noch im Gedächtnis ist. Ich bleibe beim meiner Auffassung, daß Kinder und Halberwachsene, deren sittliche Festigkeit noch nicht gesichert ist, von der Operettenbühne als einer moralischen Anstalt keinen Gebrauch machen sollten. Hoffentlich ist unsere Schulbehörde der gleichen Auffassung. Der Neugierige.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Sonntag, 14. Juli 1918
Die grünen Bohnen, die die Stadt auf Warenmarke (Nr. 20) unter der Einwohnerschaft verteilen will, und zwar zwei Pfund auf den Kopf, werden voraussichtlich vom morgigen Montag ab verkauft. […]
Städtische Schuhflickstelle. Es ist in weiteren Kreisen unserer Bürgerschaft noch nicht genügend bekannt, daß die beim städtischen Bekleidungsamt eingerichtete Ausbesserungs-Werkstätte für Schuhe nicht nur für die minderbemittelte Bevölkerung bestimmt ist, sondern daß sie von jedem Einwohner in Anspruch genommen werden kann. Es sei deshalb nochmals darauf hingewiesen, daß ihre Benutzung allen ohne Unterschied, also auch den Inhabern der Lebensmittelkarten B und C freisteht. Die Annahme von Schuhen zum Ausbessern erfolgt in der Regel Montags, Dienstags und Mittwochs, nachmittags von 3 bis 5 Uhr.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Kriegerfrau. Die Kriegerfrauen haben sich in letzter Zeit für ihre Interessen stark gewehrt und besonders den Gegensatz zu den Beamtenfrauen, die „nichts arbeiten brauchten“, betont. Mit dem Wort Kriegerfrau wird nun auch viel Mißbrauch getrieben. Täglich schreiben sich „Kriegerfrauen“ aus, die Arbeit, z. B. putzen, nähen und dergl. suchen, sie nehmen dann die Arbeit an, erscheinen aber einfach nicht. Andere kommen wohl ein oder zweimal, bleiben dann aber einfach weg; die Hausfrau, die sich ihre sonst genug besetzte Zeit eingeteilt hat, hat dadurch noch mehr Arbeit, denn abzusagen hält die Kriegerfrau nicht für nötig, obwohl sie es für einen Verhinderungsfall versprochen hatte. Noch andere habe ich kennen gelernt. Ich hatte nicht Kleingeld und gab der Kriegerfrau ein größeres Stück. Nie konnte sie herausgeben. Sie wollte „das übrige Geld einfach abverdienen“ und kam einfach nicht mehr. Was kann man gegen solche Kriegerfrauen machen? Nicht um das Geld handelt es sich hierbei, sondern darum, daß dieser Kriegerfrauen ihren Ehrennamen zur Unehrlichkeit benutzen und dadurch „wirkliche Kriegerfrauen“ in Mitleidenschaft ziehen. Eine Hausfrau.
Laubsammlung. Bekannt ist, wie es gilt, mit allen Kräften dem Futtermangel, dem schon eine große Zahl der zu unserer Kriegsführung notwendigen Pferde zum Opfer gefallen ist, durch Laubsammlung zu begegnen. Nur eine Frage – : warum beteiligen sich an ihr nicht auch das Städtische Gymnasium und die Städtische lateinlose Realschule? Civis.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Zirkus Blumenfeld. Ueber den ab Mittwoch, den 17. Juli in Bonn auf dem Adolfsplatze gastierenden großen Zirkus Blumenfeld berichtet ein auswärtiges Blatt u. a.: Der Zirkus Blumenfeld führte sich gestern abend durch seine gut besuchte Eröffnungsvorstellung aufs Beste ein. Man konnte wirklich angenehm überrascht sein, daß bezüglich der Vielseitigkeit und Gediegenheit des Gebotenen, trotz der Ungunst der Zeit, nichts zu wünschen übrig blieb. In bunter Reihe folgten sich die Darstellungen, von denen man nur schwer sagen kann, ob die eine besser ist oder die andere. Unser Gesamturteil: Wir haben es mit einem Unternehmen zu tun, das auch den verwöhntesten Freund feiner Kunst vollauf befriedigt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Montag, 15. Juli 1918
Die Bäcker dürfen nach einer neuen, heute veröffentlichten Verordnung des Oberbürgermeisters keine Obsttorten mehr backen, sie auch nicht verkaufen.
Zwei Metzger aus einem eingemeindeten Vororte wurden von der Kriminalpolizei festgenommen, weil sie verdächtig sind, Geheimschlachtungen vorgenommen zu haben. Ein noch lebender Ochse wurde beschlagnahmt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Die Freundin aus dem Kaffeekränzchen. Die nette Folge eines „Kaffeeklätschens“ erregte in einer Stadt am Rhein viel Heiterkeit. Saßen mehrere Hausfrauen beim Täßchen Mokka, d. h. Ersatzmokka, und unterhielten sich über verschiedene Dinge, dabei auch über die leidige Dienstbotenfrage. Einer der Frauen lobte ihr Mädchen, als besondere Tugend rühmend, daß die Brave nach jedesmaligem Heimaturlaub mindestens ein paar Pfund Butter oder hundert Eier mitbringe, von frischem Gemüse und verschiedenen Hülsenfrüchten gar nicht zu reden. Zwei Tage darauf kündigte die „Perle“ ohne Grund. Erst auf dringendes Befragen gab sie an, von der Frau … (einer Teilnehmerin am Kaffeekränzchen) mit doppeltem Lohn und beliebig freiem Ausgang an jedem zweiten Tag gemietet zu sein, außerdem hätten ihr zwei andere Frauen (auch vom Kaffeekränzchen) ein hohes Mietgeld, aber nicht so hoch wie das der neuen Dienstherrin, geboten.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die gewerbsmäßige Verarbeitung von Weißkohl zu Sauerkraut ist verboten. Die Vorschrift gilt nicht: 1. soweit an den Frischmärkten verbleibende Ueberstände von Weißkohl durch Einsäuren vor dem Verderb geschützt werden müssen und 2. soweit Weißkohl auf Grund besonderen Auftrags der Reichsstelle für Gemüse und Obst, Geschäftsabteilung in Berlin zur Deckung des Bedarfs von Heer und Marine zu Sauerkraut verarbeitet wird.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Dienstag, 16. Juli 1918
Im Verband Bonner Frauenvereine berichtete gestern abend Frl. Gottschalk über die Berliner Tagung des Verbandes zur Förderung der Arbeiterinneninteressen am 20. und 21. Juni. Die hochbedeutsame Tagung, die von den Teilnehmerinnen aus ganz Deutschland sowie Vertretern mehrerer Reichsämter, Ministerien und vieler anderen Behörden besucht war, beschäftigte sich außer mit Gegenwartsfragen vor allem mit der Uebergangszeit. Ihr Hauptziel war, die Gefahren zu verringern, die ein allzu krasser Umschwung unserer Volkswirtschaft der erwerbstätigen Frau bringen muß. Wie sehr die Zahl der erwerbstätigen Frauen während des Krieges gestiegen ist, geht daraus hervor, daß die weiblichen Mitglieder der Krankenkassen, früher ein Drittel, jetzt 60 v. H. der Versicherten ausmachen. Leider ist mit der vermehrten Frauenarbeit auch ein Rückgang der Qualitätsarbeit festzustellen, er erklärt sich ebenso wie andere Erscheinungen aus den doppelten Pflichten der Frauen, den häuslichen und den beruflichen. [...] In einem anderen Vortrage wurde die Frage behandelt, in welchem Maße die Frauen den heimkehrenden Kriegern weichen müssen. Es wurde gewünscht, daß zuerst diejenigen Frauen entlassen werden sollten, die nicht auf Verdienst angewiesen sind, dann diejenigen, die in einen anderen Beruf zurückkehren können, und die Jugendlichen, die noch einer Berufsausbildung zugeführt werden können, daß im übrigen die Arbeit durch Halbtagsschichten und Notstandsarbeiten möglichst gestreckt werden müsse. Von den weiblichen kaufmännischen Angestellten sollten zuerst diejenigen entlassen werden, deren Männer zurückgekehrt sind, sowie die nicht beruflich ausgebildeten, die ausgebildeten sollten behalten werden. Die Arbeitsnachweise müßten großzügig organisiert, eine ausgedehnte Arbeitslosenfürsorge müsse geschaffen werden. Die bei den Kriegsämtern usw. eingerichteten Frauenreferate sollten zum wenigsten auch in der Uebergangszeit bestehen bleibe. Wie Frl. Bäumer in Berlin betonte, muß alle Kraft eingesetzt werden, um die Frauen, die im Kriege vielfach ganz unbeschreiblich gelitten haben, körperlich und geistig wieder aufzurichten und ihnen zu einer innerlich und äußerlich gefestigten Lebensstellung zu verhelfen. [...]
Frl. Reinbrecht und Frau Schumm berichteten noch kurz über den Kochkistenlehrgang in der vergangenen Woche. Er habe außerordentlich großen Beifall gefunden, von vielen Seiten sei eine Wiederholung gewünscht worden. Frau Schumm schloß alsdann die Versammlung mit der eindringlichen Mahnung an alle Frauen, gerade in den nächsten Wochen als tapferes Heimatheer mutig und zuversichtlich hinter unseren Kämpfern an der Front zu stehen.
Zur Abgabe von Männeranzügen. Am 12. Juli hat in Düsseldorf eine von der Reichbekleidungsstelle einberufene Versammlung stattgefunden, die sich u. a. mit der Aufbringung der Männer-Anzüge befaßt hat. Ein Teil der Presse hat über diese Verhandlungen Mitteilung gemacht, die den Eindruck erwecken könnten, als ob nun die eingeleitete Sammlung für Männer-Oberbekleidung überflüssig geworden sei. Das ist aber in keiner Weise der Fall. [...] Vielmehr soll, wer noch keinen Anzug abgeben hat, einen solchen aber entbehren kann, auch weiterhin zur Abgabe herangezogen werden. Da die von der Stadt Bonn aufzubringende Umlageziffer bei weitem nicht erreicht ist, ergehen nunmehr die bereits angekündigten Aufforderungen an die bessergestellten Teile der Bürgerschaft, entweder einen Anzug abzugeben oder aber ein Bestandsverzeichnis des vorhandenen Kleidervorrats an das städtische Bekleidungsamt einzusenden. Schon jetzt wird den dazu Aufgeforderten dringend geraten, den Bestand des Kleidervorrats vollständig und richtig anzugeben. Zuwiderhandlungen sind mir schwerer Strafe bedroht. Auch ist die Stadtverwaltung berechtigt, die Richtigkeit der gemachten Angaben durch Beamte nachprüfen zu lassen. Es darf von dem vaterländischen Sinn unserer Bürgerschaft erwartet werden, daß sie diesen nun einsetzenden Maßregeln das Verständnis entgegenbringt, das ihnen gebührt, und daß sie das von ihr geforderte, gewiß nicht allzu schwere Opfer im Interesse der Allgemeinheit bringt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Lebensmittelamt und Presse. Seit Kriegsausbruch hat sich zwischen einer großen Reihe von Gemeindeverwaltungen und der Tagespresse ein Vertrauensverhältnis herausgebildet, wie es vielerorts vorher nicht bestanden hat. [...] Ein derartiges Verhältnis hat sich erfreulicherweise auch in Bonn herausgebildet. Auch hier haben sich insbesondere zwischen unserem Städtischen Lebensmittelamt und der Presse vertrauensvolle Beziehungen entwickelt, deren praktische Auswertung in vielfacher Beziehung der Bürgerschaft von Nutzen gewesen ist. Gar häufig waren wir im Verlaufe der Kriegsjahre in der Lage, dem verantwortlichen Leiter unseres Lebensmittelamtes, Herrn Beigeordneten Piehl, aus dem Kreise unserer Bürgerschaft Anregungen und Wünsche zu unterbreiten und ebenso Darstellungen aus dem Leserkreis zu veröffentlichen, die zu einem für die Allgemeinheit fruchtbringenden Erfolg geführt haben. – Besondere Anerkennung verdient es hierbei, daß Herr Beigeordneter Piehl bis in die jüngste Zeit ohne bureaukratische Voreingenommenheit auch solche Vorschläge prüfte und nach Möglichkeit praktisch verwertete, die ihm als anderwärts bereits bestehende Einrichtungen in unserem Blatte dargestellt worden sind.
Da wir uns nun bald dem Ende des vierten Kriegsjahres nähern und an diesem bedeutsamen Wendepunkt die Entwicklung mancher Dinge innerhalb dieser ereignisreichen Zeitspanne rückblickend verfolgen, so wollen wir an diesen durch den Krieg gezeitigte Neuerscheinung der engen Zusammenarbeit zwischen Kommune und Presse mit dem Wunsche erinnern, daß im Interesse der öffentlichen Wohlfahrt dieses vertrauensvolle Verhältnis auch in der hoffentlich nicht mehr weit entfernten Friedenszeit erhalten bleibe und sich wenn möglich noch erweitere und vertiefe. Voraussetzung hierfür ist selbstverständlich, daß die Presse, wie es ihr bisher möglich war, auch weiterhin ihre völlige Unabhängigkeit nach jeder Richtung hin bewahren kann und das Zusammenwirken auch da gewährleistet bleibt, wo etwa eine sachliche Scheidung der Auffassungen Platz greift. Der Dezernent unseres städtischen Lebensmittelamtes, der mit gesundem und praktischem Urteil die Spreu vom Weizen zu scheiden vermag, bietet uns für seine Abteilung die Gewähr, daß auch in den kommenden Wochen und Monaten, die für die Ernährung und Bekleidung unserer Bürgerschaft vielleicht noch eine verschärfte Bedeutung erlangen werden, eine ersprießliche Zusammenarbeit von Presse und Kommunalverwaltung gewährleistet bleibt, um unserer Bürgerschaft die Härten der Zeit nach Möglichkeit als eine erträgliche Bürde erscheinen zu lassen.
Unterstand bei Fliegergefahr. In den letzten Tagen wurden in den verschiedenen Stadtteilen Aufschriften angebracht, welche die Bürgerschaft auf die Unterstände aufmerksam machen, die bei Fliegeralarm aufzusuchen sind. Die auf rotleuchtendem Papier gedruckten Plakate sind mit Pfeilen versehen, die die Richtung angeben, in denen der Unterstand liegt.
Der Kegelklub L.T. in Bonn sammelte am Sonntag während einer Rheinfahrt auf dem Dampfer „Goethe“ für Kriegsblinde in Bonn 42 Mark und überwies den Betrag zur Weitergabe an die Geschäftsstelle des General-Anzeigers. Das Geld wurde Herrn Polizei-Kommissar Flaccus zu Zwecken des Vereins für Kriegsblinden-Hunde überwiesen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Selbsthilfe der Kriegsbeschädigten und Hinterbliebenen. Die Kriegsbeschädigten und entlassenen Heeresangehörigen geben durch ihre große Zahl wie auch durch die Art ihrer gewiß berechtigten Wünsche den Behörden manches schwierige Problem auf, das kaum lösbar scheint. Sie fordern vor allem Maßnahmen aller Art, um sich wieder eine gesicherte Existenz schaffen zu können. In vielen Hunderten von Orten entstanden Vereine, welche sich solchen Aufgaben widmen. Sie unterstützen die amtlichen Fürsorgestellen im Sinne der Objekte dieser Fürsorge selbst, sie beraten die wirtschaftlichen Organisationen in Fragen, welche zu deren Gebiet gehören, sie übermitteln die vielerlei Wünsche der Kameraden und der Hinterbliebenen in passender Form an die zuständigen Stellen und ergänzen obendrein die schon bestehenden allgemeinen Rechtsberatungseinrichtungen durch eigene Auskunftsstellen, die von erfahrenen Kriegsbeschädigten geleitet werden und zur mündlichen und schriftlichen Beratung kostenlos allen Kriegsbeschädigten wie auch den Hinterbliebenen verstorbener Krieger zur Verfügung stehen. Für Rheinland-Westfalen haben diese Vereine eine Zentralstelle bei Herrn W. Krull, Köln, Fleischmengergasse 59, eingerichtet, die jede weitere Auskunft erteilt. Diese Zentralstelle steht sowohl Einzelpersonen wie auch Vereinen in Angelegenheiten der Kriegsbeschädigten und ehemaligen Kriegsteilnehmern jederzeit gern mit Rat und Tat zur Verfügung.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Mittwoch, 17. Juli 1918
Der dreitägige Kochkistenlehrgang, den die Hauswirtschaftliche Kriegshilfe in der vorigen Woche durch eine bewährte Lehrerin des Frankfurter Nationalen Frauendienstes, Fräulein Engelhardt, abhalten ließ, war sehr gut besucht und von vollem Erfolg gekrönt. Leider konnte der Wunsch vieler Teilnehmerinnen, den Lehrgang um drei Tage zu verlängern, nicht erfüllt werden, doch sollen mit Einwilligung des Lebensmittelamtes noch weitere Lehrgänge abgehalten werden. Es ist zu hoffen, daß dadurch manches veraltete Urteil gegen die Brauchbarkeit der Kochkiste gründlich zerstört und in glühende Begeisterung verwandelt wird. Der vielseitige Nutzen der Kochkiste wurde im Lehrgang an einem reichen Speisezettel, darunter Braten, Pudding, Kuchen glänzend nachgewiesen und an Kostproben die Schmackhaftigkeit der in der primitiven Kochkiste hergestellten Speisen gezeigt. Außer den Kochvorschriften wurde eine Fülle von wertvollen Fingerzeigen und Anregungen für haushälterisches und zugleich schmackhaftes Kochen gegeben, so daß alle Teilnehmer befriedigt nach Hause gingen. Möchten sie alle dazu beitragen, dieser bewährten und vielleicht noch verkannten und verschmähten „Freundin“ jeder Hausfrau in immer weitere Kreise unserer Bevölkerung den Weg zu bahnen! Wie man sich fast kostenlos mit den einfachsten Mitteln eine Kochkiste herstellen kann, soll in der nächsten Zeit in den Werkstätten der Hauswirtschaftlichen Kriegshilfe gezeigt werden.
Lebensmittelkartendiebstähle werden wieder in auffallend zahlreichen Fällen der Polizei und dem Lebensmittelamte angezeigt. Viele dieser angeblichen Diebstähle sind wohl nur ersonnen zu dem Versuche, in den Besitz weiterer Lebensmittelkarten zu gelangen, in den übrigen Fällen, in denen die Lebensmittelkarten wirklich gestohlen sind, haben die Bestohlenen sich den Verlust meist selbst zuzuschreiben. Alle Tage kann man sehen, daß die Hausfrauen auf dem Markte oder sonst im Gedränge ihre Lebensmittelkarten im offenen Korbe liegen haben, so daß der erste beste Unehrliche sie sich aneignen kann. Auch die wirklich Bestohlenen müssen es sich zu ihrem Verlust noch gefallen lassen, zunächst für Betrüger gehalten zu werden, die den Diebstahl nur vorschützen, um weitere Lebensmittel zu erhalten, auf Ersatz können sie auch nicht rechnen, da das Lebensmittelamt schon unzählige Male betont hat, es werde grundsätzlich kein Ersatz geleistet. Darum soll jeder seine Lebensmittelkarten so sicher wie möglich aufbewahren.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Der Bonner Wochenmarkt hatte gestern wieder vorwiegend Grüngemüse, Kopfsalat und Kleinzeug aufzuweisen. Vereinzelt waren auch wieder verschiedene Sorten Pilze, aber zu sehr hohen Preisen, sowie Rhabarber, neue Karotten, hiesige und fremde Möhrchen, fremde Gurken, Kohlrabien und Strauchbohnen zu haben. Hiesiger Rot- und Weißkohl, sowie hiesiger Blumenkohl kommt in den letzten Tagen schon ziemlich reichlich auf den Markt. Blumenkohl findet aber des sehr hohen Preises wegen nur wenig Absatz. Auch neue Zwiebeln, die verschiedensten Arten von Kräutern sowie Suppengrün waren in größeren Mengen vorhanden. Der Verkauf war im allgemeinen wieder recht flott. Auf dem Großmarkt auf dem Stiftsplatz sah es auch gestern wieder recht öde aus. Außer hier und da etwas Gemüse war nichts zu haben. Der städtische Verkauf auf dem Wochenmarkt hatte etwas mehr Auswahl an Waren, aber auch hauptsächlich Wirsing und fremder Spitzkohl. Außerdem waren noch fremde Möhrchen zu 90 Pfg., fremde dicke Bohnen zu 50 Pfg. das Pfund und fremde Gurken zu 1 Mk. das Stück usw. zu haben. Der Verkauf war auch hier durchweg sehr flott, außer in Wirsing, worin nach Schluß des Marktes noch größere Ueberstände verblieben.
Drei Pfund Frühkartoffeln werden für nächste Woche bei den städtischen Verkaufsstellen abgegeben. Die Kartoffeln können von heute ab abgenommen werden. Als Ersatz für die fehlenden Kartoffeln werden Graupen, Hülsenfrüchte und Teigwaren abgegeben.
50 Gramm Butter werden in dieser Woche an jeden Bezugsberechtigten abgegeben.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Vom Lande schreibt man uns: Man greift bei der Landwirtschaft jetzt wieder auf Maschinen aus der guten alten Zeit zurück. So sind denn auch jetzt wieder die alten Mähmaschinen aus ihrem düsteren Schlupfwinkel hervorgeholt worden, um nach erfolgter Instandsetzung wieder die Arbeit zu leisten, für die sie früher nicht mehr zeitgemäß war. Infolge der fast unerschwinglichen Preise für Bindegarn für den Selbstbinder, wenn solches überhaupt noch greifbar ist, wird diese so praktische Maschine immer mehr nutzlos und die alte Mähmaschine kommt wieder zu Ehren. Zeitraubender ist ja das Mähen damit, aber bei einigem guten Willen geht’s auch damit noch.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Donnerstag, 18. Juli 1918
Trank gegen Trunk. Der Beschluß, den der Reichstag am 13. Juli, dem Tage seines Auseinandergehens unmittelbar vor dem Ende der Verhandlungen noch im Hammelsprung mit 117 gegen 109 Stimmen gefaßt hat, aus den Erträgen des neuen Branntweinmonopols, statt einer Millionen vier Millionen der Bekämpfung der Trunksucht zuzuwenden, findet auch in unserer Stadt volles Verständnis. Bonn hat früh und aus eigenen Mitteln, damaligen Anteilzeichnungen zur rheinisch-westfälischen Milchausschank-Gesellschaft, sich selbst die Einrichtung geschaffen, um dem Mißbrauch geistiger Getränke auf die einzig wirksame Weise entgegenzutreten: Nicht mit abmahnenden, warnenden Worten, sondern mit dem Ausschank eines anderes, alkoholfreien Getränks, das den Kampf aufnehmen konnte: Trank gegen Trunk! Das „Milchhäuschen“ auf dem Münsterplatz, zuerst wie bekannt recht klein und oft den Zuspruch nicht fassend, dann in der heutigen geräumigen Gestalt, war eins der Erstlinge von den jetzt fast 300, durch beide westliche Landesteile und weiterhin verbreiteten Trunkbekämpfungsstellen. Sie, die selbstredend jedermann, auch den „durchaus nicht Gefährdeten“ offen stehen, sind allerorts beliebt, ja volkstümlich geworden und so fest in Leben und Tageslauf ihrer Gäste eingebürgert, daß sie sich auch dann nicht entvölkerten, vielmehr besucht und geschätzt blieben, als der freie Ausschank der Milch ihnen genommen wurde, genommen werden mußte, um den Stadtempfängern, hoffenden und stillenden Frauen und der zarten Kindheit, vorbehalten zu bleiben. Ersatzgetränke mußten die Stellvertretung übernehmen. Mit ihnen – nicht mit der in größeren Mengen wohl so bald nicht mehr freiwerdenden Milch – wird man auch in absehbarer Zeit zu rechnen haben. Immerhin weit besser als das Nichts. Denn unsere vielfach mit „Kriegsdurst“ aus dem Felde heimkehrenden Landsleute dürfen nicht bloß die erhöhten Getränkesteuern als den Hinweis auf Alkoholisches vorfinden, ihnen muß zum mindesten die Freiheit der Entschließung auch nach der anderen Seite geschaffen werden: einfach zu errichtende Verkehrungen, doch anheimelnd und einladend zum Genusse der Getränke, die bei der Arbeit nun einmal die bestgeeigneten sind. Zu ihnen wird auch die dem deutschen Volke bestimmte Reichstagsspende den Weg einschlagen und dabei u. a. von unserer Stadt sich gerne beraten lassen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
25 Pfund seien frei!
Ein Vorschlag für Behörden und eine Aufforderung an Hamsterer.
Die Lebensmittelversorgung, die in der jüngsten Zeit Gegenstand verschiedener Sprechsaalartikel in unserem General-Anzeiger war, wird vom Kölner Lokalanzeiger ebenfalls zum Gegenstand regen Gedankenaustausches gemacht. Neuerdings gibt das Blatt Zuschriften Raum, in welchen dargestellt wird, daß Kinder bei der Rückkehr von Hamsterfahrten von Gendarmen auf das Bürgermeisteramt geführt wurden, wo man ihnen die mit viel Mühe zusammengeholten, zum Lebensunterhalt jetzt sicher unentbehrlich gewordenen Lebensmittel wieder abnahm. Da es Bonner Familien ähnlich ergeht, seien die Ausführungen des Kölner Blattes hier näher angeführt. Das Blatt sagt im Anschluß an die betr. Aeußerungen aus seinem Leserkreise: „Da müht man sich ab, für seine hungernde Familie unter größten leiblichen und seelischen Anstrengungen auf dem Lande einige Lebensmittel zu erhalten, muß sie zu ungeheuren Preisen bezahlen und schließlich riskieren, daß sie einem abgenommen werden. Hier waren es Kinder, die ihre Eltern erfreuen und ihr Teil dazu beitragen wollten, die häusliche Not zu lindern. Und dann, am Schlusse der mühseligen Fahrt und Wanderung, deren Strapazen nur die Freude über den errungenen köstlichen Preis ertragen läßt – kommt der Gendarm, dessen Aufgabe es sonst ist, nur den Verbrechern nachzuspüren, und nimmt einem die wenigen Pfund Lebensmitte ab, kraft Verordnung! [...]
So kann es nicht weiter gehen! Die Freude am Staat steht bei vielen auf dem Spiele, und die Gesamtheit der Bevölkerung und die Behörden haben ein wichtiges Interesse daran, daß sie nicht untergraben wird. Man darf deshalb bei den Behörden Verständnis und Unterstützung erwarten, auch wenn andere Wege als bisher eingeschlagen werden müssen.
Feststeht aber: 1. daß mit den zugeteilten Lebensmitteln niemand auskommen kann; 2. daß die Hoffnung der Behörden, sie durch Unterdrückung des kleinen Schleichhandels zu vermehren, sich nicht erfüllt hat. Wir stehen heute um nichts besser da, als jedes Mal zu Ende eines Erntejahres; 3. daß für die Lebensmittelpreise Wucherpreise gefordert und bezahlt werden.
Wir machen daher allen Behörden, die es angeht, den Vorschlag, dafür einzutreten, daß Verordnungen erlassen werden zu dem Ziel: 1. von Lebensmitteln, welche für den eigenen Bedarf gehamstert werden, sind 25 Pfund frei. [..] 2. Der über den Höchstpreis bezahlte Betrag ist ungültig und wird auf Anzeige hin zurückerstattet. [...] Der Anzeigende bleibt straflos, auch wenn er Käufer ist. (Ohne letzteren Zusatz gibt es keine Anzeigen.)
Neben diesen Vorschlägen für die Behörden aber ergeht eine dringende Aufforderung an die Hamsterer:
1. Bezahlt keine Wucherpreise, sondern haltet euch an die Höchstpreise! Wenn ihr aber den Verkäufer für seine Gefälligkeit belohnen wollt, so seien 10 Prozent das Höchste. 2. Haltet einander zur Innehaltung dieser Preisgrenze an. 3. Laßt euch nicht zu entwürdigendem Betteln herab!“
Das Reichs-Gesundheitsamt über die Grippe. Man schreibt uns von unterrichteter Seite: Die gegenwärtig in Deutschland ziemlich verbreitete, sogenannte „spanische Krankheit“ war am 11. d. M. Gegenstand einer Besprechung im Reichs-Gesundheitsamt. Die übereinstimmende Anschauung ging dahin, daß es sich nicht um eine neue, sondern die unter dem Namen „Influenza“ wohlbekannte Krankheit handelt, die bei uns im Winter 1889/90 und einige Jahre darauf recht heftig aufgetreten war. Im Gegensatz zu damals ist ihr Verlauf bisher milde. Nur dann nimmt die Krankheit zuweilen einen ernsten Charakter an, wenn die Lunge mit ergriffen wird. Der Reichs-Gesundheitsrat war der Ansicht, daß bei der überaus leichten Uebertragbarkeit der Krankheit persönliche Schutzmaßnahmen kaum Erfolg gegen Ansteckung versprechen. Sofort beim Auftreten der ersten Krankheitsmerkmale empfiehlt es sich aber, Bettruhe aufzusuchen; man versäume namentlich bei ernsteren Krankheitserscheinungen nicht, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Schädlich ist es, die Krankheit hinzuschleppen oder die völlige Wiedergenesung nicht abzuwarten.
Die Dauer der früheren Epidemien betrug 6-8 Wochen. Es darf daher damit gerechnet werden, daß die Krankheit, die mittlerweile in allen europäischen Staaten eingekehrt ist, ihren Höhepunkt bei uns bald erreicht hat und bei günstiger, warmer Witterung mit Sonnenschein bald wieder abnehmen wird. Jedenfalls liegt zu Beunruhigung kein Anlaß vor.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Kriegsbeschädigte. Nachdem von dieser Stelle aus schon viele berechtigte Bitten und Wünsche erfolgreich zur maßgebenden Stelle gelangt sind, möchte auch ich diesen Weg wählen, um einem vielgehegten Wunsche Ausdruck zu verleihen. Die Stadtverwaltung gab kürzlich bekannt, daß, wie bisher, auch in diesem Jahre den Schülern auf den städtischen Bahnen Fahrpreisermäßigung gewährt werden soll. Wäre es nicht möglich, diese Vergünstigung auch auf die im Gehen stark behinderten Kriegsbeschädigten (z. B. Amputierte) auszudehnen? Es wäre die gewiß nicht unbillig, wenn man bedenkt, daß diese Kriegsbeschädigten in viel höherem Maße auf die städt. Bahnen angewiesen sind wie die hier bevorzugten Schüler, die in der Mehrzahl doch gut zu Fuß sind. Wie häufig muß ein Beinverletzter, dem das Gehen trotz allen vortrefflichen orthopädischen Erfindungen sehr sauer wird, die Bahnen für ganz kurze Strecken benutzen, die mit gesunden Gliedern in einigen Minuten zurückzulegen sind. Und hierfür jedes Mal den hohen Fahrpreis zu entrichten, stellt für sehr viele eine erhebliche Mehrbelastung dar. – Vielleicht genügt dieser Hinweis, die Herren Stadtverordneten zur wohlwollenden Prüfung dieser Frage zu bewegen. Der Dank vieler wäre ihnen sicher. W. K.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Eine harte Maßnahme, die aber mit richtigem Verständnis aufgenommen werden muß, hat das Lebensmittelamt für die nächste Woche notgedrungne einführen müssen. Die Kartoffelmenge mußte auf drei Pfund herabgesetzt werden. Schweren Herzens mußte man sich dazu entschließen, weil die Zufuhren noch stocken. Die langanhaltende Trockenheit vor mehreren Wochen hat die Ernte der Frühkartoffeln in vielen Bezirken, besonders im Osten, sehr verzögert, in unserer Gegend auf das Auswachsen der Kartoffeln hemmend eingewirkt, sodaß die Ernte hinter dem erhofften Gewichte zurückbleibt. Die Anlieferung aus dem Stadtbezirke Bonn genügt aber bei weitem nicht, um die nötige Menge zur Ausgabe zu bringen. Einen Vorteil hat die Bevölkerung insofern, als es lediglich neue Kartoffeln sind, die nur sehr geringen Abfall haben. Um den Ausfall auszugleichen, werden in reichlicherer Menge als bisher Nährmittel wie Graupen, Nudeln und Hülsenfrüchte ausgegeben. [...] Es steht bestimmt zu erwarten, daß die Einschränkung nur von sehr kurzer Dauer sein wird, da unser Lebensmittelamt nichts unversucht läßt, um mehr Kartoffeln hereinzubringen, vorerst aber leider nach dem Grundsatz handeln muß: Was ich nicht habe, kann ich nicht geben.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Freitag, 19. Juli 1918
Neues Operettentheater. Die „spanische Krankheit“ wirkt auch auf die Aufführung des Neuen Operettentheaters ein. Der Darsteller der Hauptrolle im „Filmzauber“, Herr Hietel, ist erkrankt, und für ihn mußte Direktor Steffter einspringen. Her Steffter ist zwar kein glänzender Sänger, er behilft sich daher mit dem Sprechgesang, er macht aber den „Musenfett“ zu einer solch komischen Figur, daß die Besucher mit dem Wechsel durchaus zufrieden sind und dankbaren Beifall spenden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
In Groß-Bonn setzt gegenwärtig ein geheimnisvoller Zeichner die Zuschauer in Erstaunen. Die Hand des unsichtbaren Zeichners fährt mit Blitzesschnelle mit dem Griffel über die dunkel gehaltene Leinwand und gräbt mit Lichtschrift die schönsten Bilder, Freund und Feind, meist trefflich ausgeführte Karikaturen ein. Medi, das Rätsel am Magnet, nennt sich eine Künstlerin, am fliegenden Reck, die u. a. hoch oben zwischen einem Riesenmagnet scheinbar ohne jede Befestigung sich im Wirbel dreht. In dasselbe Gebiet fallen die Vorführungen der „Drei Original-Janowskys“, die vorzügliches als Kopfakrobaten leisten. Aus dem übrigen bunten Teil sind noch die Darbietungen des Xylophonkünstlers Herrmann Klemmer und der Opern- und Liedersängerin Friedel Gast, sowie diejenigen des Humoristen und Reimkünstlers Otto Waldemar zu erwähnen, der aus dem Programm der ersten Monats-Hälfte“ bestens bekannt ist.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die unsinnigsten Gerüchte über den Brand in der Gronau schwirren immer noch in der Stadt herum, als seien dort Lebensmittel verbrannt. Aufgrund eigener Wahrnehmung konnten wir damals feststellen, daß z. Zt. des Brandes auch nicht ein Pfund Lebensmittel in der Gronau lagerten. Gegenüber den Gerüchten sein dies erneut ausdrücklich hervorgehoben.
Marktüblich – Höchstpreisüberschreitung. Die Erläuterungen zu den Höchstpreisbestimmungen sehen vor, daß die Ware „marktüblich“ geliefert wird, d. h. in der Weise, „wie es vor dem Kriege üblich war.“ Tagtäglich aber kann man die Erfahrung machen, daß das Gemüse nur „kriegsüblich“ angeliefert wird. Bei einem Rotkohl, der sechs Pfund wiegt, hat man reichlich drei Pfund kriegsüblichen Abfall, den man „marktüblich“ bezahlen muß. In diesem Umfug kann man nur eine beinahe unerhörte Höchstpreisüberschreitung, wenn auch eine versteckte, erblicken, die unbedingt bekämpft werden muß. Wir sind der Ansicht, daß man, wenn Landwirte wirklich nicht mit den Höchstpreisen auskommen, - sie behaupten dies -, die Preise ändern soll, daß man andererseits aber auch den Verbraucher gegen dieses Ausbeutesystem nicht genug in Schutz nehmen kann. Den Schwachen Schutz! Wer ist hier der Schwache? Beiden Gerechtigkeit. Dem Erzeuger angemessene Preise und dem Verbraucher anständige Ware, einerlei ob „markt- oder kriegsüblich“. (Der Futtermangel scheint auf den Lande übrigens nicht so groß zu sein, als in der Stadt angenommen wird, da sonst der Abfall als Viehfutter verwendet würde.)
Die Schwindlerin, die, wie berichtet, vorige Woche in zahlreichen Bonner und auch Beueler Geschäften erhebliche Warenbestellungen für bekannte Einwohner gemacht und dann von den Geschäftsleute Geldbeträge bis zu 20 Mark „geliehen“ oder zu „leihen“ versucht hat, ist am Dienstag von der Kriminalpolizei festgenommen worden. Es ist ein 24jähriges Mädchen aus Osnabrück, das sich vor kurzem im Bonn niedergelassen hat.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Samstag, 20. Juli 1918
Durch den Genuß ungekochter Milch können besonders in der jetzigen heißen Jahreszeit leicht Typhuserkrankungen hervorgerufen und verbreitet werden. Das städtische Gesundheitsamt warnt daher vor dem Genuß ungekochter Milch.
Ein Schwein ist in der Nacht zum Donnerstag aus einer hiesigen Anstalt gestohlen und am Mondorfer Bach abgeschlachtet worden. Der Dieb ist vermutlich ein Fahnenflüchtiger.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Ueber die Bedeutung der flandrischen Küste für unsere künftige Stellung zur See sprach gestern abend in der Lese Vizeadmiral z. D. Dähnhardt. Anhand untrüglicher geschichtlicher Tatsachen wies Redner auf das Bestreben Englands hin, jede aufstrebende Seemacht unerbittlich niederzuhalten. Deutschlands wirtschaftlicher Aufschwung, das erfolgreiche Auftreten deutscher Kaufleute in Uebersee, die Eroberung des Weltmarktes durch deutsche Erzeugnisse, die erstarkte deutsche Schiffahrt, die alle Meere und Länder mit einem Netz von Linien durchzogen, haben uns die Gegnerschaft Englands zugezogen. Nicht der Ausbau unserer Kriegmarine, die England als Bedrohung aufgefaßt habe, nein, nur unsere wirtschaftliche Durchdringung und Eroberung des Weltmarktes haben uns England zum unerbittlichen Gegner gemacht. [...] Daher der unerbittliche Krieg, der entweder uns oder England am Boden finden werde. Der Krieg habe uns ein wertvolles Gebiet in die Hände gegeben: die flandrische Küste mit den Häfen Zeebrügge und Ostende, sowie den Hafen von Antwerpen. Als Gegner Englands leiste uns dieser Küstenstrich schon jetzt unersetzliche Dienste als Stützpunkt für unsere Uboot-Waffe, besonders für die kleinen wirksamen Boote. In Zukunft wachse sich diese Küste zur bedrohlichen Flankenstellung gegenüber England aus. Und wie ihr Besitz unsere maritime Macht gewaltig stärke, so sichere die flandrische Küste in unserer Hand die für unser gesamtes Fortkommen so wichtige rheinische Industrie. Auch in wirtschaftlicher Hinsicht sei die flandrische Küste für uns von größtem Werte, da sie den industriereichen Westen um viele, viele Meilen näher an das Herz des Welthandels bringe. Entweder die flandrische Küste sei unser, oder England lege seine Hand darauf, denn nach dem Kriege werde es noch weniger ein neutrales Belgien geben wie vor dem Kriege. Flanderns Küste aber im Besitze Englands wäre für Deutschland das größte Unglück. Daher müßte Flanderns Küste für uns militärisch sichergestellt werden. Redner sprach im Auftrage der Deutschen Vaterlandspartei, deren Vorsitzender, Geheimrat Litzmann, den Vortrag mit einigen tief ans Herz greifenden Worten einleitete.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Zur Lebensmittelversorgung.
Urteil und Vorurteil. Ueber die Lebensmitteversorgung wird in den letzten Wochen von berufener und unberufener Seite wieder viel, ja viel zu viel geredet und geschrieben. [...] Bei allem, was über die Lebensmittelversorgung geredet und geschrieben wird, muß man genau unterscheiden, ob es auf einem gesunden Urteil oder auf einem Vorurteil aufbaut. Dieser Tage ging uns eine Zuschrift zu, welche, wie auch Vorschläge in anderen Blättern, dahinging, es möchte doch das Hamstern gestattet werden, wenn die gehamsterte Ware das Geicht von 25 Pfund nicht übersteigt. Diesen Vorschlag unterschreiben alle, die Zeit haben, um zu hamstern; denn zu allen Hamsterfahrten gehört ein gut Stück Zeit. Alle jene aber, die beruflich so in Anspruch genommen sind, daß sie keine Zeit zum Hamstern finden, billigen den Vorschlag nicht. So wie er gemacht ist, kann er auf keinen Fall auch von der Allgemeinheit gutgeheißen werden. Denn die Grenze von 25 Pfund ist bei Butter und Speck doch etwas zu hoch. Bei Kartoffeln und Obst mag sie angehen. Der Aufruf an die Hamster, sie möchten sich gegenseitig in der Höchstpreisüberschreitung überwachen oder davon abhalten, ist geradezu kindisch. Man frage nur einmal die Hamster selbst nach ihren Erfahrungen. Die Grenze der 25 Pfund muß aber auch zeitlich eingeschränkt werden; denn wenn jemand sich tagtäglich 25 Pfund einhamstern kann, so geht die ganze Rationierung flöten, selbst wenn es sich um Kartoffeln handelt. Der Vorschlag ist also mit der größten Vorsicht zu genießen, mag man ihn billigen oder nicht. Das Hamstern völlig zu unterbinden, ist unmöglich, es aber gesetzlich zu gestatten, mit so großen Gefahren verbunden, daß dadurch leicht unser ganzes Wirtschaftssystem über den Haufen geworfen wird. [...]
Verband- und Krankenerfrischungsstelle „Prinzessin Viktoria“ Lille. Aus Lille kommt die Nachricht, daß von der von den Bonner Vaterländischen Vereinigungen daselbst eingerichteten Verband- und Krankenerfrischungsstelle „Prinzessin Viktoria“ der 5millionste Heeresangehörige am Mittwoch, den 17. d. M., verpflegt worden ist. Erst im Februar d. J. wurde sie Verabreichung der millionsten Portion angezeigt. Die Inanspruchnahme der Stelle war somit in den letzten Monaten wiederum sehr stark.
Erhöhung des Feinbrotpreises. Die Reichsgetreidestelle ist infolge der Mehlknappheit vor der neuen Ernte genötigt, Gerstenmehl zur Brotstreckung zu liefern. Da das Gerstenmehl erheblich teurer ist, als das früher ausschließlich benutzte Weizen- und Roggenmehl, tritt für die Bäcker eine Verteuerung der Brotherstellung ein. Der Preis für das 3 3/4–pfündige Feinbrot ist daher von der am Montag, den 22 Juli beginnenden Versorgungswoche ab von 90 auf 95 Pfg. erhöht worden. Bei den übrigen Brotsorten tritt eine Preiserhöhung nicht ein.
Festgenommen wurde eine Zigeunerin, die im Hausierhandel Spitzen verkauft und dabei gegen Entgeld „wahrsagte“, was bekanntlich verboten ist.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Sonntag, 21. Juli 1918
Kolonialkrieger-Spende. Zugunsten der schwergeschädigten Deutschen in unseren Kolonien werden im Laufe des Sommers Opfertage über ganz Deutschland stattfinden. Der Ertrag dieser Sammlung, der der amtlich verwalteten Kolonialkrieger-Spende zufließen soll, kommt den Kolonialkriegern, ihren Angehörigen und Hinterbliebenen, darüber hinaus aber auch allen anderen Kolonialdeutschen zugute, die in den Schutzgebieten bei Ausbruch des Krieges ihr Hab und Gut verloren haben.
Das Orchester des Heimatfronttheaters gibt morgen (Montag) nachmittag im Rheinhotel Dreesen in Rüngsdorf ein Konzert.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Kolonial-Krieger-Spende. In der Zeit vom 26. Juli bis 3. August ds. Js. finden besondere Sammeltage für die Kolonialkrieger-Spende statt. Hoffentlich wird auch unsere Stadt, wie schon so oft bei ähnlichen Gelegenheiten, ihre alte Opferfreudigkeit wieder beweisen und nicht hinter anderen deutschen Orten zurückstehen. Gilt diese Sammlung doch einer Heldenschar, welche bisher allzuwenig genannt wurde, obwohl sie nahezu Uebermenschliches geleistet hat. In unseren Kolonien haben deutsche Männer die deutsche Ehre bis zuletzt verteidigt; auf verlorenem Posten haben sie ausgeharrt, bis die gewaltige Ueberzahl der Feinde jeden weiteren Widerstand unmöglich machte. Noch aber sind von Lettow-Vorbeck und seine Truppen unbesiegt. Im fernen Afrika kämpfen sie unter Schwierigkeiten, die wir uns kaum vorstellen können. Fast ganz auf sich selbst angewiesen, haben sie ein tropisches Land von der doppelten Größe Deutschlands verteidigt: weder die Entbehrungen der Wildnis, noch die Krankheiten des Klimas haben sie mutlos gemacht. Zusammen mit ihren treuen Eingeborenen haben sie nicht nur glänzende Siege gewonnen, sondern auch im hartnäckigen Buschkrieg um jeden Zoll Boden gerungen, und heute noch kämpfen sie als Sieger auf portugiesischer Erde. Selbst die Feinde senken ihr Schwert achtungsvoll vor so viel Heldentum, und der Name des deutschen Führers gehört zu den gefeiertsten des ganzen Krieges.
Sollten wir solchen Männern unsere Dankbarkeit weigern, die wir den Helden im Flugzeug, im Luftschiff und im Unterseeboot so gern und reichlich gespendet haben?
Fürwahr, es ist an der Zeit, die Fürsorge auch unseren Kämpfern in den Kolonien zuzuwenden, Armut und Not unter ihren Angehörigen oder Hinterbliebenen zu lindern und so zu einem kleinen Teil den Dank abzutragen, den wir ihnen allen schulden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Feriensonderzüge werden in diesem Jahre, wie die Eisenbahndirektion Köln bekannt macht, nicht gefahren. Es wird empfohlen, die Eisenbahn so wenig wie möglich für Ferienreisen zu benutzen.
Zur Abgabe von Männer-Anzügen. In diesen Tagen sind seitens des städt. Bekleidungsamtes Aufforderungen an Teile der Bürgerschaft ergangen, entweder einen Anzug abzugeben, oder aber ein Bestandsverzeichnis des vorhandenen Kleidervorrats einzureichen. Es ist nun vielfach auf Grund der letzten Verhandlungen im Reichstag in der Bürgerschaft die Ansicht verbreitet, daß man diesen Aufforderungen nicht mehr nachzukommen brauche, da die Bekleidungsfrage gelöst sei. Diese Ansicht ist aber unrichtig.
Die Stadt Bonn ist nach wie vor verpflichtet, die von ihr eingeforderten 3040 Männer-Anzüge zu beschaffen. Da dies im Wege freiwilliger Abgabe nicht möglich war, hat sich die Stadtverwaltung dazu entschlossen, nunmehr jene schriftliche Aufforderung ergehen zu lassen. Hierzu ist sie auf Grund ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmungen ermächtigt.
Insbesondere wird darauf hingewiesen, daß mit hohen Strafen bedroht wird, wer unrichtige oder unvollständige Angaben bei der Bestandsmeldung macht. Dringend wird daher ersucht, der Aufforderung innerhalb der 8tägigen Frist nachzukommen, um Weiterungen zu vermeiden.
Sollte inzwischen jemand einen Anzug abgegeben haben, so wird gebeten, dies unter Angabe der Nummer der Abgabeliste dem städt. Bekleidungsamte mitzuteilen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Montag, 22. Juli 1918
Die bevorstehenden vier fleischlosen Wochen, die in der Weise vorgesehen sind, daß zwischen dem 19. August und 27. Oktober je eine fleischlose mit je zwei Fleischwochen abwechselt, sind dadurch notwendig geworden, daß wir bisher mit unserem Fleischverbrauch etwas über das mit Rücksicht auf unseren Viehbestand zulässige Maß hinausgegangen sind. Wie die Verhältnisse nun einmal liegen und willig ertragen werden müssen, können wir nicht aus der Hand in den Mund leben, sondern müssen bei der Unabsehbarkeit des Kriegsendes auch an die Zukunft denken. In unserem Schweinebestand, der in Friedenszeiten den Hauptbestandteil unserer Fleischnahrung ausmacht, hat gewaltig geräumt werden müssen, weil wir nicht genug Futter für die Tiere hatten; daher sind wir zur Zeit fast ausschließlich auf Rindfleisch angewiesen. [...] Wollen wir dauernd unseren Rindviehbestand erhalten, dürfen wir nur einen bestimmten Prozentsatz zur Abschlachtung bringen. Dieser Prozentsatz ist in der letzten Zeit überschritten worden und es ist sogar [...] in das Milchvieh eingegriffen worden. Das kann natürlich nicht so weitergehen, es muß in großzügiger Weise etwas für die dauernde Erhaltung des Rindviehbestandes geschehen, weil sonst die Gefahr bestände, daß unsere Milch- und Fettversorgung gänzlich lahmgelegt würde. [...] Unser Durchhalten hängt davon ab, daß wir uns nach der Decke strecken, daß unsere Vorräte auf dauernden Verbrauch eingeteilt werden. Wir werden die wenigen fleischlosen Wochen umso leichter ertragen können, wenn wir die Gewißheit haben, darum umso besser für die Zukunft vorgesorgt zu haben.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Ein Mahnwort an die Heimat. Das riesige Ringen um die Entscheidung zwischen Aisne und Marne ist bei uns in seinem vollen Ernst wohl noch nicht allseitig erkannt worden. Aus gelegentlichen Gesprächen in der Bonner Bürgerschaft mußte man erfahren, daß das Urteil über die jüngsten Vorgänge im Westen nur am Äußerlichen der Maßnahmen haftet und nicht im Gesamtrahmen der Geschehnisse bewertet wird. Andernfalls käme man einhellig zu der Erkenntnis, daß unsere Truppen und ihre Führer unvergleichliches geleistet haben, um den Riesenschlag Fochs erfolgreich abzuschlagen. Unser militärischer Mitarbeiter rückt heute das Bild dieser Leistungen in die überzeugenden Linien. Den Gebildeten unter uns, die für die Stimmung in der Heimat die moralische Verantwortung tragen, sei aber auch das hier vorgetragen, was Prof. Georg Wegener in seiner Schilderung der Tage der Entscheidung seinen Blättern einleitend sagt:
Hauptquartier, 20 Juli. Der Weltkrieg scheint in seine ungeheuerste, seine entscheidende Phase eingetreten. Deutschland ist seiner Gegner im Osten ledig und in seiner Heeresmacht und seiner Führung stärker als je, aber es hat noch immer an seiner Kampffront ganz allein gegen die Doppelmacht Englands und Frankreichs zu fechten, jetzt noch verstärkt durch Amerikaner und Italiener, die mindestens durch ihre Zahlen für den Gegner eine große Entlastung bedeuten. Diese gegnerische Macht ist neuerdings überdies unter dem Druck der Kriegsnot zu einer Einheitlichkeit zusammengeschmiedet worden, wie sie bisher noch nie bestand, und sie wird mit einer so rücksichtslosen, zu jedem auch dem schwersten Opfer bereiten Entschlossenheit eingesetzt, daß man darin das Bewusstsein des Gegners, vor der letzten Entscheidung zu stehen, unschwer erkennt. [...] Hier geht es ums Wesentliche, Letzte, Ganze. So, mit dem höchsten Ernst, mit einer alles andere jetzt als gleichgültig beiseite setzenden Entschlossenheit der Teilnahme, muß die Heimat jetzt diesem Ringen folgen. Die Energie des Hirns und der Muskeln darf sie ihrem wundervollen Heer und seinen Führern überlassen. In der Energie des Herzens aber muß sie eins mit ihm sein und muß die Ihrigen hier draußen fühlen lassen, daß sie es ist. Daß wir es mit einem Gegner zu tun haben, der das Höchste von uns verlangt, beweist seine jüngste Tat.
Geheimschlächterei? Bei einem Landwirt in Berzdorf, der seinen Betrieb aufgeben will, erschien ein Fremder, der sich als Metzger ausgab und eine Kuh und zwei Rinder kaufte. Auf Grund falscher Ausweispapiere sollten dieselben am Donnerstag abgeholt werden und wurden abends in einen aus Bonn stammenden Möbelwagen verladen. Die Polizei hatte jedoch Wind von der Sache bekommen, beschlagnahmte das Vieh und konnte zwei Beteiligte festnehmen. Man vermutet, daß die Tiere in eine Geheimschlächterei wandern sollten.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Beschlagnahmt wurde von der hiesigen Polizei gestern vormittag auf dem Markt das Fleisch eines geschlachteten jungen Rindes, das zwei Männer durch Bonn in die Kölner Gegend fahren wollten, um es in den Schleichhandel zu bringen. Woher das Fleisch stammt, ist noch nicht geklärt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Dienstag, 23. Juli 1918
Die Sammlung für die Ludendorff-Spende hat in der Rheinprovinz bisher 31 Millionen Mark ergeben. Für die Verwaltung der Spende soll ein besonderer Ausschuß in der Rheinprovinz eingesetzt werden, dem außer den Behörden und den Vertretern der Berufsorganisationen auch Kriegsbeschädigte, und zwar vor allem Schwerbeschädigte, angehören sollen.
Ausstellung moderner Graphik im städtischen Museum (Villa Obernier). Der Gesellschaft für Literatur und Kunst ist es in dankenswerter Weise gelungen, eine Reihe moderner, graphischer Arbeiten im städtischen Museum zu einer kleinen Uebersicht zu vereinigen. […] – Von dem bisher üblichen Katalog hat man wohl infolge der herrschenden Papierknappheit abgesehen. […] Da alle diese jungen Künstler neben ernstem Wollen auch ein redliches Können aufweisen, ist ein Besuch der Ausstellung nur zu empfehlen. Z.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Studentischer Wohnungsnachweis. Zur Erleichterung des Wohnungsnachweises für Studierende ist ein Studentischer Wohnungsnachweis für die Universität Bonn errichtet worden. (Näheres auf dem Sekretariat der Universität.)
Bonner Lichtspiele. Ein Filmroman „Beethoven und die Frauen“ von Emil Colberg, in Verbindung mit der Wiedergabe von Partien aus des Großmeisters musikalischen Schöpfungen, die die szenischen Vorgänge begleiten, wird heute zum erstenmal aufgeführt. Es handelt sich um einen sog. Harmoniefilm der zum Bioskop-Konzern gehörenden Harmoniefilm-Gesellschaft, die auch u. a. die Sage vom fliegenden Holländer durch Partien aus Richard Wagners Fliegenden Holländer zu einer szenischen und musikalischen Einheit verbinden will. […]
Zur Ueberfüllung auf dem „Overstolz“. Bekanntlich hatte der Vergnügungsdampfer „Overstolz“ der Köln-Düsseldorfer Gesellschaft am Sonntag den 14. ds. eine so große Ueberzahl von Passagieren aufgenommen, daß sich das Schiff oberhalb der Godesberger Landebrücke derart stark zur Seite legte, daß die Mitfahrenden in Angst und Schrecken versetzt wurden. Viele Frauen wurden ohnmächtig und die meisten Passagiere gingen bereits in Königswinter an Land, obwohl sie Fahrkarten für weitere Stationen gelöst hatten. Inzwischen hat sich die Polizeibehörde des Falles bemächtigt und auch das Kgl. Wasserbauamt in Köln sucht Zeugen des unliebsamen Vorfalles, die unter Angabe ihres Namens und des Wohnortes Strafanzeige beim Wasserbauamt Köln stellen können. Da durch Mangel an Stromaufsichtsbeamten eine genügende Ueberwachung des Sonntagsverkehrs kaum möglich ist, wird es vom Wasserbauamt begrüßt, wenn das Publikum Verfehlungen der Schiffsführer zur Anzeige bringt. Hoffentlich melden sich recht viele Zeugen, damit der Fall genau verfolgt werden kann.
Im Elektrostahlwerk in Dottendorf war Karbid gestohlen worden. Man fand bei der Haussuchung bei einem Arbeiter einen Zylinder mit 59 Kilo Karbid. Es wurde aber durch Zeugen festgestellt, daß es sich um verdorbenen Karbid handelte, den die Arbeiter als Dünger mit nach Hause zu nehmen pflegten. Aus diesem Grunde sprach die Strafkammer am Montag zwei wegen Diebstahls angezeigte Arbeiter frei.
Ein Husar wurde am Montag dem Gericht vorgeführt, wo sich seine Ehefrau zu verantworten hatte, weil sie ihm die Desertion erleichtert haben sollte. Die Frau war vom Kriegsgericht zu der geringsten gesetzlich zulässigen Gefängnisstrafe von drei Monaten verurteilt worden und hatte gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Sie sagte zu ihrer Rechtfertigung, sie habe nicht anders gewußt, als daß ihr Mann, der im ersten Kriegsjahr verwundet wurde, vom Militär entlassen worden sei. Sie habe mit ihm zusammen in der Josefstraße gewohnt, sei Schaffnerin auf der elektrischen Bahn gewesen und sei später mit ihm nach Berlin gezogen. Der Mann wurde in Berlin verhaftet, es gelang ihm aber, aus dem Militärgefängnis in Berlin auszubrechen. Er wandte sich von dort zu seinen Eltern nach Düren, wo er seine Frau traf und wieder verhaftet wurde. Die Berufung wurde verworfen.
Wie es die Geheimschlächter machen. Es ist mehrfach beobachtet worden, daß mit Rindern bespannte Wagen in gewisse Gebäulichkeiten einfuhren, und daß dieselben Wagen später, mit Pferden bespannt, wieder fortfuhren. Die Rinder wurden auf diese Weise eingeschmuggelt und dann geschlachtet.
Eine hiesige Althändlerin war, weil sie von einigen Jungen zwei Pfund Kupferdraht zu 90 Pfennig das Pfund angekauft hatte, zu einer Gefängnisstrafe von einer Woche verurteilt worden. Ihre Berufung, die sie damit zu begründen versuchte, die Jungen hätten ihr gesagt, sie hätten den Kupferdraht gefunden, wurde am Montag von der Strafkammer verworfen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Wohltätigkeitssammlung. Die unter amtlicher Verwaltung stehende Kolonialkrieger-Spende hat die Genehmigung zur Abhaltung von Opfertagen erhalten. Es gilt einen längst schuldigen Dank denen abzutragen, die in der Tropensonne Afrikas, fern der Heimat, von jeder Zufuhr abgeschnitten, Deutschlands Flagge hochhielten, bis sich, von der Uebermacht der Feinde erdrückt, ihr bitteres Schicksal erfüllte. Was deutscher Fleiß in 30 Jahren rühriger Kolonialwirtschaft aufgebaut hatte, ist ein Raub der Engländer, ihrer weißen und farbigen Hilfsvölker geworden; zerstört liegen blühende Pflanzungen, reiche Farmen, der Stolz unserer Landsleute, die Früchte ihrer Arbeit. Und um das Unglückslos unserer schwer heimgesuchten Brüder in Uebersee vollzumachen, wurden sie vielfach in eine erbarmungswürdige Gefangenschaft fortgetrieben, die vielen von ihnen Leben und Gesundheit kostete. Ihnen zu helfen, die Wunden zu heilen, die der Krieg den wackeren Vorkämpfern in Neu-Deutschland geschlagen hat, ist eine Ehrenpflicht eines jeden Deutschen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Mittwoch, 24. Juli 1918
Flurschutzpatrouillen. Das Garnisonkommando hat sich auf Antrag der Stadtverwaltung bereit erklärt, zum Schutze der Felder auch in diesem Jahre wieder Flurschutzpatrouillen zur Verfügung zu stellen. Wie im Vorjahre, soll den Mannschaften zur Beschaffung von Erfrischungen für den Kopf und Tag ein Zuschuß von 1 M. gewährt werden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Der Bonner Wochenmarkt war gestern ziemlich gut beschickt. Vorwiegend war wieder Grüngemüse, hiesiger Blumenkohl, Kopfsalat, Zwiebeln und Kleinzeug zu haben. Rot- und Weißkohl, Kohlrabien und Pilze in verschiedenen Sorten kommen seit einigen Tagen auch etwas reichlicher auf den Markt. (Die Pilzpreise sind reichlich hoch. Für Pfifferlinge verlangt man 3,50 Mk. das Pfund!) Vereinzelt waren auch wieder große Gurken, Möhrchen, Karotten und Rhabarber vorhanden. Hier und da waren auch Strauchbohnen zum Höchstpreis zu haben, ebenfalls fremde Tomaten, die trotz des sehr hohen Preises viel gekauft wurden, für das Pfund wurden zwei Mark verlangt. Für das diesjährige Frühobst im offenen Verkauf ist unser Wochenmarkt bisher leider überhaupt noch nicht in Frage gekommen. […] Im übrigen war der Verkauf recht flott. Der Großmarkt auf dem Stiftsplatz hatte wieder außer etwas Grüngemüse und Kopfsalat fast keine Zufuhren. Auch der städtische Verkauf auf dem Wochenmarkt hatte gestern nicht den sonst gewohnten flotten Zuspruch, da die Auswahl an Waren auch hier zu wünschen übrig ließ. Außer etwas Rot-, Weiß-, Spitzkohl, Zwiebeln, Möhrchen und Kohlrabien waren nur noch kleinere Mengen fremde Tomaten zu zwei Mark, fremde dicke Bohnen zu 40 Pfg. das Pfund und fremde Gurken zu 80 Pfg. das Stück zu haben.
Wegen Kindesmords hatten sich gestern der Friseurgehülfe Mathias Beissel aus Aachen und dessen Frau Petronella geb. Pütz, gebürtig aus Euskirchen, vor dem Außerordentlichen Kriegsgericht Köln zu verantworten. Die Angeklagten hatten in der Nacht zum 22. November ihr zwei Monate altes Kind in ihrer Wohnung hier in Bonn mit einem Kissen erstickt. Auf die Angabe der Mutter hin, daß das Kind an Herzschwäche und Krämpfen gestorben sei, stellte ein hiesiger Arzt eine diesbezügliche Bescheinigung (?) aus. Das Verbrechen wäre wohl niemals entdeckt worden, wenn nicht die Frau, von Eifersucht gegen ihren Mann getrieben, die Sache selbst der Polizei zur Anzeige gebracht hätte. Vor dem Kriegsgericht versuchte der Ehemann, die Schuld an dem Tode des Kindes seiner Frau zuzuschieben. Das Gericht verurteilte Beissel wegen Mordes zum Tode, seine Frau wegen Beihülfe zu acht Jahren Zuchthaus.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Wohltätigkeitsvorstellung. Auf die Vorstellung, die der Ausschuß des Soldatenheims am Mittwoch nachmittag 4½ Uhr im großen Saale des Bonner Bürger-Vereins veranstaltet, sei hiermit nochmals hingewiesen. Zur Aufführung kommt das große Ausstattungsmärchen: „Das Bonner Brückenmännchen“. Da der Reinertrag für das Soldatenheim bestimmt ist, darf mit einem zahlreichen Besuche gerechnet werden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Donnerstag, 25. Juli 1918
Das Vorlesungsverzeichnis der Universität und der landwirtschaftlichen Akademie für das kommende Winterhalbjahr ist erschienen. An der Universität kündigen 189 Dozenten insgesamt 456 Vorlesungen und Uebungen an. Davon entfallen auf die evangelisch-theologische Fakultät 31, auf die katholisch-theologische 25, auf die juristische 45, auf die medizinische Fakultät 107 Vorlesungen und Uebungen, die übrigen verteilen sich auf die verschiedenen Gebiete der philosophischen Fakultät: […]. Die landwirtschaftliche Akademie zählt 25 Dozenten. Es werden insgesamt 71 Vorlesungen angekündigt.
Die Gartenbesitzer müssen ihren voraussichtlichen Ernteertrag an Aepfeln, Birnen und Pflaumen bis 28. Juli dem Kommissionar des Stadtkreises Bonn schriftlich anmelden. Wir verweisen auf die Bekanntmachung des Oberbürgermeisters im Anzeigenteil dieser Zeitung.
Die Brennesseln zur Fasergewinnung. Das Verbot der Verfütterung von Nesselstengeln wird nicht genügend beachtet. Es wird erneut auf die Strafbarkeit aufmerksam gemacht. Die Nesseln werden vielfach mit dem Gras abgemäht. Sofern das nicht zu umgehen ist, werden die Besitzer ersucht, entweder die Nesseln selbst auszusuchen, wo sie in Horsten gestanden haben, und die geernteten Brennesseln nach gehöriger Trocknung unter Angabe der Gewichtsmenge bei der Sammelstelle, Am Hof 1, anzumelden, die als dann wegen deren Ablieferung das weitere veranlaßt. Für den Doppelzentner werden 28 Mark vergütet. Auch ist es erwünscht, wo nicht zur Selbsternte geschritten wird, den Schulkindern, die mit dem Abernten beauftragt sind, die Gewinnung der Brennesseln zu gestatten. Auf jeden Fall müssen die Nesselstengel in mindestens 60 Zentimeter Höhe der Fasergewinnung erhalten bleiben.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Großfeuer. Gestern abend kurz nach 9 Uhr entstand im Hofgebäude des Katholischen Gesellenhauses an der Kölnstraße ein Brand, durch den großer Sachschaden verursacht wurde. Das Feuer brach im Festsaal aus, in dem ein Barackenlager für etwa 100 Kriegsgefangene hergerichtet war. Die Flammen griffen mit solch großer Schnelligkeit um sich, daß die Insassen des Lagers kaum Zeit fanden, ihren geringen Habseligkeiten zu retten und ins Freie zu flüchten. Als die Feuerwehr kurz nach Ausbruch des Brandes erschien, schlugen die Flammen bereits bis zum Dach empor. Mit fünf Schlauchleitungen griffen die Wehrleute ein, konnten jedoch nicht verhindern, das das langgestreckte Saalgebäude vollständig ausbrannte. Die ganze Nacht über bis in die späten Morgenstunden waren die wackeren Wehrleute eifrig bemüht, um das verheerende Element von dem straßenwärts gelegenen Hauptgebäude und dem bewohnten Seitenflügel, der dem Saalgebäude gegenüberliegt, fern zu halten. Die himmelhoch emporschlagenden Flammen, vermischt mit undurchdringlichem Qualm hatten Tausende von Zuschauern angelockt, die bis zur späten Nachtstunde die von einem großen Militäraufgebot abgesperrten angrenzenden Straßen und Plätze besetzt hielten. Menschenleben sind bei dem Brande glücklicherweise nicht zu beklagen; nur wurde ein Russe bei dem Versuch, noch einiges von seinen Sachen zu bergen, so erheblich durch Brandwunden verletzt, daß er ins Krankenhaus verbracht werden mußte. Wodurch das Feuer entstanden ist, konnte bisher noch nicht festgestellt werden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Godesberg, 24. Juli. Die hiesige Verwaltung hat in Anbetracht der vielen Feld- und Obstdiebstähle eine größere Anzahl Ehrenfeldhüter eingestellt. Die Bewachung der Feldflur ist hierdurch Tag und Nacht gesichert.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und Fern.“)
Theater. Die hiesige Verwaltung hat mit der Rhein.-Westfälischen Verbandsbühne, einem unter Protektion der Regierung stehenden und auch von der Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger geförderten Unternehmen, das an anderen Plätzen, insbesondere am Niederrhein, schon seit mehreren Jahren die Probe bestanden hat, einen Vertrag abgeschlossen, das die Bühne zu 6 Vorstellungen von Oktober d. J. ab verpflichtet. Aus dem Spielplan sind folgende Stücke ausgewählt worden: „Minna von Barnheim“ von Lessing, „Des Widerspenstigen Zähmung“ von Shakespeare, „Pension Schöller“ von Lauffs, „Gebildete Menschen“ von Leon, „Das Stiftungsfest“ von Kneisel, „Gyges und sein Ring“ von Hebbel. Die Preise der Plätze sollen 3, 2 und 1 Mk. betragen. Für den 1. Platz wird ein Abonnement mit ermäßigten Preisen ausgegeben. Hierfür wird die Kurverwaltung alsbald eine Zeichnungsliste in Umlauf setzen. Mit dieser Einrichtung ist sicherlich einem von der Bürgerschaft schon oft empfundenen Wunsche Rechnung getragen worden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Godesberg“)
Freitag, 26. Juli 1918
Die Bonner Studentenschaft gegen eine Schließung Heisterbachs. Die Bonner Studentenschaft hat in der letzten Vertreterversammlung auf Anregung der Burschenschaft Alemannia beschlossen, an den Rektor der Universität folgende Bitte zu richten: „Die Vertreterversammlung der Bonner Studentenschaft bittet, die Aufmerksamkeit Eurer Magnifizenz darauf lenken zu dürfen, daß das Gut Heisterbach in andere Hände übergegangen ist und daher die Gefahr besteht, daß dieser sagenumwobene Platz rheinischer Romantik dem rheinischen Volke und damit auch der Bonner Studentenschaft als Ausflugs- und Erholungsplatz, als Stätte rheinischer Fröhlichkeit, verloren geht. Eure Magnifizenz bitten wir daher ergebenst, Ihren ganzen Einfluß dahin geltend zu machen, daß auch unter dem neuen Besitzer die Ruine nebst der Wirtschaft in dem bisherigen Umfange dem Volke zugänglich bleibt.“
Den Wunsch der Bonner Studentenschaft, daß Heisterbach auch weiterhin der Allgemeinheit zugänglich bleiben möge, teilen weiteste Kreise der Bonner, ja der ganzen rheinischen Bevölkerung.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Fleisch. Am Samstag werden in den Metzgergeschäften Rind- und Kalbfleisch zu 2,50 Mk., Leberwurst zu 1,80 Mk. und Blutwurst zu 1,50 Mk. das Pfund verkauft.
Fett. Auf die Abschnitte Butter und Fett der Speisefettkarte werden in der kommenden Woche insgesamt 50 Gramm Butter ausgegeben. Der Preis für ein Pfund Butter beträgt 4,15 Mark.
Kartoffeln. Für die Woche vom 29. Juli bis 4. August werden, wie bereits mitgeteilt, auf Kartoffelkarte vier Pfund Frühkartoffeln auf dem Wochenmarkt, Stiftsplatz, Marktplatz Kirsch-Allee und Sportplatz Reuterstraße abgegeben. Als Ersatz für fehlende Kartoffeln werden Graupen und Bohnen auf Warenkarte verteilt. Voraussichtlich kommen in den nächsten Tagen aus Sachsen und Pommern Kartoffeln an, sodaß alsdann die Kartoffelknappheit beseitigt ist. […]
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Nachrichten des städtischen Lebensmittelamtes.“)
Zum Großfeuer im Katholischen Gesellenhaus. Die Feuerwehr mußte auch noch im Laufe des gestrigen Tages wiederholt an der Brandstelle eingreifen, da aus den Schuttmassen im Innern des ausgebrannten Saalgebäudes die Flammen immer wieder aufloderten. Das Feuer ist auf der Theaterbühne des Festsaales entstanden, die als Kleideraufbewahrungsraum für die Gefangenen eingerichtet war. Der Sachschaden ist sehr bedeutend, denn außer den 150 Betten der Kriegsgefangenen fiel noch die Einrichtung von 21 Gesellenzimmern dem Feuer zum Opfer, die sich im dritten Stockwerk des Saalgebäudes befanden. Der Gesellenverein hat außerdem die ganze Bühneneinrichtung, die Requisiten und die Theatergarderobe eingebüßt. Eine Anzahl Handwerksgesellen, die die oberen Zimmer bewohnten, haben ebenfalls ihre Kleidungsstücke durch den Brand verloren. Im ganzen sind vier Russen durch Brandwunden leicht verletzt. Bei dem Leutemangel war es für die Wehrleute ein hartes Stück Arbeit, das Feuer von den umliegenden Gebäulichkeiten fern zu halten. Einschließlich der Hilfsdienstpflichtigen verfügt nämlich heute unsere Feuerwehr nur über 27 Wehrleute, während ihre Zahl in Friedenszeiten 86 betragen hat. Die Ursache des Brandes konnte noch nicht aufgeklärt werden; es wird vielfach angenommen, daß einer der Kriegsgefangenen verbotswidrig geraucht hat und so das Feuer verursacht hat. Nach einer anderen Darstellung soll das Feuer durch Kurzschluß entstanden sein.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Gartenbesitzer müssen ihren voraussichtlichen Ernteertrag an Aepfeln, Birnen und Pflaumen bis 28. Juli dem dafür bestimmten Kommissionar des Stadtkreises Bonn schriftlich anmelden.
Diebstahlversuch. Elf Bettücher stahlen gestern vormittag zwei Soldaten aus dem Garten des städtischen Pflegehauses. Mehrere in der Anstalt untergebrachten Knaben beobachteten den Diebstahl und riefen um Hilfe, worauf die Diebe ihre Beute im Stich ließen und unerkannt entkamen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Samstag, 27. Juli 1918
Die Stadtverordneten nahmen in ihrer gestrigen, von Oberbürgermeister Spiritus geleiteten Sitzung Kenntnis von verschiedenen Stiftungen: 3000 Mark von einer ungenannten Firma für die Armen, ferner für die Kriegspatenschaft der Stadt Bonn von Frau Geheimrat Schede, Frau Geheimrat v. Franqué und Frau Geheimrat Garrè je 1000 Mark, von Wessels Wandplattenfabrik 5000 Mark und von den Vaterländischen Vereinigungen aus Mitteln der Arndt-Eiche 10.000 Mark. Wie Beigeordneter v. Gartzen mitteilte, sind für die Kriegspatenschaft bisher insgesamt 72.500 M. eingegangen. Für 209 Kinder sind insgesamt 46.000 M. auf Sparkassenbücher angelegt worden. Von bisher rund 950 Kriegswaisen sind rund 700 bedürftig; es möchten daher noch recht viele Stiftungen für die Kriegswaisen gemacht werden, damit jedem bedüftigen Kinde für seine spätere Ausbildung oder für seine Aussteuer ein kleines Kapital sichergestellt werden kann. – […]
Ein Kirchenkonzert zum Besten der Ludendorff-Spende findet, zugleich als Gedächtnisfeier für die verstorbenen Krieger, morgen, Sonntag, abend in der Schloßkirche statt. Aufgeführt werden Werke von Bach, Brahms, Karg-Elert, Mendelsohn, Reger und Wolf.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Kein Eingriff in die Wäsche der Privathaushaltungen. Gegenüber Gerüchten, wonach Erwägungen schweben wegen Beschlagnahme von Tischwäsche auch in Privathaushaltungen kann auf Grund von Erkundigungen an zuständiger Stelle mitgeteilt werden, daß derartige Pläne zurzeit auch nicht im geringsten gehegt werden. Man steht im Gegenteil auf dem Standpunkt, daß ein Eingriff in die Wäsche der Privathaushaltungen unter allen Umständen vermieden werden muß.
Verbot des Grünpflückens von Hülsenfrüchten. Wie der Oberbürgermeister bekannt macht, ist im Stadtkreise Bonn die Aberntung von Futtererbsen und Ackerbohnen als Frühgemüse nur mit Erlaubnis des Kommunalverbandes gestattet.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Ein Direktor eines hiesigen Stahlwerkes (Rüstungsindustrie) war angeklagt, Geheimschlachtungen in seinem Werke begünstigt zu haben. Er gab an, sich in einer Notlage befunden zu haben. Die Lieferungen hätten erfüllt werden müssen, die Arbeiter hätten aber bei der geringen Zuteilung von Lebensmitteln ihren schweren Aufgaben nicht nachkommen können. Er habe sich in einem Widerstreit der Pflichten befunden. Das Gericht sprach den Angeklagten frei.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Sonntag, 28. Juli 1918
Daß die Bartflechte durch die Kriegsseife verursacht werde, ist verschiedentlich behauptet worden. Die Seifen-Herstellungs- und Vertriebs-Gesellschaft hat daraufhin eine Reihe hervorragender Dermatologen darüber befragt. Die Gutachten lauten übereinstimmend dahin, daß eine derartige schädliche Wirkung des in der Seife vorhandenen Tons vollkommen ausgeschlossen ist.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Zur Brotausgabe. In den letzten Tagen ging hier das Gerücht, daß in der kommenden Woche hier in Bonn kein Brot ausgegeben werden könnte. Wie wir auf Grund unserer Erkundigungen an zuständiger Stelle versichern können, ist unsere Brotversorgung in ausreichender Weise gesichert.
Portohinterziehung bei Feldpostbriefen. Die vielfache mißbräuchliche Ausnutzung der Portofreiheit für Feldpostbriefe hat bekanntlich neuerdings auf diesem Gebiete zu verschärften Anordnungen durch die Feldpost geführt. Wie weitgehend nunmehr von den Strafgerichten diese Bestimmungen ausgelegt werden, beweist eine jüngste Schöffengerichtsentscheidung. Zwei Verwaltungsbeamte hatten danach dem an sich portofreien Schreiben eines befreundeten Soldaten an gemeinsame Bekannte Grüße beigefügt, weshalb gegen sie ein Strafverfahren wegen Portohinterziehung anhängig gemacht worden war. Das Gericht gelangte mit der Anklage zu der Auffassung, daß Portohinterziehung vorliege, da durch den Zusatz der Grüße die portofreie Sendung portopflichtig geworden sei. Nur weil der Gruß einen entschuldbaren Irrtum im Sinne der Bundesratsverordnung für gegeben erachte, lautete das Urteil gegen die Beschuldigten auf Freisprechung.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Zur Milderung der Wäsche- und Kleidernot hat die Hauswirtschaftliche Kriegshilfe Näh- und Flickkurse eingerichtet, wo unter Anleitung einer bewährten Lehrkraft Frauen und Mädchen ihre Kleider ändern und ihre Wäsche und Strümpfe ausbessern können. Anmeldung und nähere Auskunft in den Werkstätten Universität, Am Hof 1 (frühere Flickschusterei).
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Montag, 29. Juli 1918
Bischof Dr. Moog ordnet an, daß am 4. August des Eintritts in das 5. Kriegsjahr in den Gottesdiensten gedacht werde. In der Begründung heißt es: Die Unversöhnlichkeit und der Vernichtungswille unserer Feinde zwingt uns, in das fünfte Kriegsjahr einzutreten. Wer hätte bei Beginn des Krieges voraussagen können, daß derselbe so lange dauern und dem deutschen Volke so unermeßliche Opfer an Gut und Blut auferlegen würde! Und doch müssen wir aus innerstem Herzen Gott danken, daß er bis hierher uns die Kraft gegeben hat, aufrecht zu stehen und an dem endlichen Siege unserer gerechten Sache nicht zu zweifeln. Auch in dem zu Ende neigenden Kriegsjahre haben wir wiederum unter dem Beistande des Allmächtigen wunderbare Erfolge erleben dürfen, vor deren Größe kommende Geschlechter mit Bewunderung stehen werden. Darum wollen wir in das neue Kriegsjahr mit Dank und Flehen zu Gott hineingehen, daß er uns im Verlaufe desselben den vor ihm aufrichtig ersehnten Frieden schenken, bis dahin aber unseren herrlichen Truppen und uns selbst im deutschen Vaterlande die Kraft und Freude weiteren Ausharrens und Opfersinns verleihen möge.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Zur freiwilligen Abgabe entbehrlicher Männeroberkleider. Die Reichsbekleidungsstelle hat für die Altkleidersammlung, die bisher das gewünschte Ergebnis nicht gehabt hat, den Ablieferungstermin bis zum 15. August verlängert. Den Kommunalverbänden ist aufgegeben, von solchen Personen, die nicht durch die bereits erfolgte Ablieferung eines Anzugs von der Aufstellung eines Bestandsverzeichnisses befreit sind, innerhalb der festgesetzten Frist die Einreichung eines Bestandsverzeichnisses zu fordern und bei der nochmaligen Aufforderung zu bemerken: Wer trotz der Aufforderung überhaupt nicht oder nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist ein Bestandsverzeichnis einreicht oder darin wissentlich unrichtige oder unvollständige Angaben macht, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahre und mit Geldstrafe bis zu 10.000 Mark oder mit einer dieser Strafen bestraft. Neben dieser Strafe kann angeordnet werden, daß die Verurteilung auf Kosten des Täters öffentlich bekanntzumachen ist; auch kann neben Gefängnisstrafe auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.
Die Vaterländische Vereinigung deutscher Kriegsbeschädigter und Kriegsteilnehmer hielt gestern im Bürgerverein eine öffentliche Versammlung ab. Der Redner, Herr Heinz Ader – Godesberg, sprach in knapper, soldatischer Art über die Bestrebungen des Vereins. Zweck der Gründung ist, die ja auch der große deutsche Reichsbund für Kriegsbeschädigte anstrebt, völlige Sicherstellung des Kriegsbeschädigten nach seiner Entlassung vom Militär. Das Kaiserwort von 1914 hat sich dieser neue Verein, der Anfechtungen gewiß nicht aus dem Wege gehen kann, zum Grundsatz gemacht: „Wir kennen keine Parteien!“ Mit Recht bemerkte der Redner im Interesse der Kriegsverletzten: „Wir wünschen nur, daß man uns hilft, daß wir uns selbst helfen können!“ Herr Redakteur Emons führte demgegenüber aus, daß selbstverständlich mit der Rückkehr der Feldzugsteilnehmer in die Heimat die verschiedenen Interessen dieser wieder zur Geltung kommen müßten. Der Bankbeamte sei nicht in erster Linie Beschädigter, sondern Arbeitnehmer, und das gleiche gelte vom Schuster und Schneider. Deshalb seien diese Vereinigungen, wie sie jetzt zu Dutzenden aus dem Boden sprießen, temporäre Erscheinungen. Der Schuster werde mit Friedensschluß nicht bloß zu seinen Leisten, sondern auch zu seiner Arbeitsorganisation zurückkehren und in dieser seine wirtschaftlichen Forderungen vertreten. Lebhafte Erörterungen schlossen sich den verschiedenen Ausführungen an.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Dienstag, 30. Juli 1918
Zur Abgabe von Männeranzügen. Wie schon mehrfach erwähnt, hat die Stadt Bonn für die angeordnete Kleidersammlung 3040 Anzüge aufzubringen. Diese Zahl ist bei weitem noch nicht geschafft. Es sind bisher 1850 Anzüge abgegeben. Man hört bei Gesprächen in der Bürgerschaft immer wieder die Ansicht vertreten, als ob jetzt die Bekleidungsfrage gelöst und weitere Ablieferung überflüssig sei. Es wird deshalb wiederholt bemerkt, daß diese Ansicht irrig ist. Nach wie vor wird die Sammlung in Bonn fortgesetzt, bis die aufzubringende Ziffer erreicht ist. Der Reichkommissar für bürgerliche Kleidung hat seinerzeit ausdrücklich erklärt, daß die Sammlung nicht abgebrochen werden dürfe. Mit denjenigen Gemeinden, in welchen die angeforderte Zahl von Anzügen nicht aufgebracht sei, müsse nach Ablauf einer angemessenen Frist verhandelt werden, in welcher Weise das Sammelwerk ergänzt und Maßnahmen getroffen würden, um die Säumigen an die Erfüllung ihrer Pflicht zu erinnern. Es ergeht daher die dringende Bitte, die Sammlung weiterhin zu unterstützen. Jeder, der einen Anzug entbehren kann, möge er zur Abgabe aufgefordert sein oder nicht, bringe einen Anzug zur Altkleiderstelle Martinstraße Nr. 18. Der Zweck der Sammlung, die Arbeiterschaft in der Rüstungsindustrie, Landwirtschaft und Eisenbahn zu unterstützen, erfordert gebieterisch die Mitwirkung aller, die dazu imstande sind.
Kein Papier in den Mülleimer. Der Gouverneur der Festung Köln hat eine Verordnung erlassen, nach welcher es verboten ist, Papier (auch Zeitungen, Zeitschriften, Bücher), Pappe, Abfälle oder Reste von Papier oder Pappe dem Hausmüll beizumengen. Zuwiderhandlungen werden mit Geldstrafe bis zu 100 Mark oder verhältnismäßiger Haft bestraft.
Die öffentliche Uhr an der Brückenstraße, der Endstation bezw. Haltestelle für die stark benutzten und pünktlich verkehrenden Bahnen, geht schon vierzehn Tage lang zehn Minuten zu spät.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
50 Gramm Butter werden in dieser Woche auf den Kopf der Bevölkerung verausgabt.
Weitere zwei Pfund Kartoffeln werden in dieser Woche auf Warenkarte Nr. 31 ausgegeben und zwar bis zum 3. August einschließlich.
Unsere Frauen sind offenbar am hellen Tage nicht mehr vor Behelligungen sicher. Wie man uns meldet, wurde gestern mittag kurz nach 12 Uhr eine junge Frau auf der Poststraße von einem Burschen belästigt. An Schaufenstern darf überhaupt eine Frau kaum noch stehen bleiben ohne Gefahr zu laufen, angesprochen zu werden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Ferienspiele. Die Ferien für die Bonner Volksschulen nehmen am 2. August ihren Anfang. Am Montage darauf ziehen, wie in früheren Jahren, Scharen froher Kinder hinauf zum Venusberge. Es dürfte sich wohl erübrigen, die Eltern unserer Schulkinder auf die gesundheitliche Bedeutung dieser Wanderungen und Spiele in frischer Wald- und Bergesluft näher hinzuweisen. Der Gesundheit dient es offenbar auch, wenn die Kinder den Weg barfuß zurücklegen. Bedenken hiergegen bestehen nicht. Gesundheitsfördern im wahrsten Sinne des Wortes sollen die diesjährigen Ferienspiele dadurch wirken, daß auch das Sammeln von Arzneipflanzen für den Hausbedarf und die Allgemeinheit an einigen Tagen vorgesehen ist. Nicht zu unterschätzen ist auch die erziehliche Bedeutung der Spiele. Die Kinder, sofern sie nicht den Eltern hilfreiche Hand zu leisten gezwungen sind, treiben sich vielfach auf Straßen, Plätzen und Feldern herum und bereiten durch ihr Benehmen und Handeln den Eltern Kummer und Sorge. Diese Sorgen, liebe Eltern, wollen die Ferienspiele auch hinwegnehmen. Unter Aufsicht ihrer Lehrer seht ihr eure Kinder hinausziehen und unter ihrem Schutz auch wieder zu euch zurückehren. Darum laßt sie hinauswandern und sich freuen gemäß dem Dichterwort: „Wie will ich spielen im grünen Hag, wie will ich springen durch Tal und Höh’n, wie will ich pflücken viel Blumen schön!“
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Mittwoch, 31. Juli 1918
Arndt-Eiche in Eisen. Die Einnahmen der Arndt-Eiche in Eisen belaufen sich bis Mitte Juli auf 111.105 Mark.
Wie bekannt, ist bei der Ablieferung von Männeranzügen die Einrichtung getroffen, daß diejenigen Personen, welche den Kaufpreis nicht für sich beanspruchen, ihn der Arndt-Eiche überweisen können. Auf diese Weise sind bisher der Arndt-Eiche insgesamt rund 1200 Mark zugeführt worden. Den freundlichen Gebern sei auch an dieser Stelle herzlicher Dank ausgesprochen. Im übrigen sind die Einnahmen der Arndt-Eiche in letzte Zeit geringer geworden, was insbesondere darauf zurückzuführen ist, daß größere Sammlungen, wie für die Ludendorff-Spende und jetzt für die Kolonialkriegerspende, das Interesse für die Arndt-Eiche in den Hintergrund treten ließen. Immerhin dürfte es empfehlenswert sein, auch der Ziele und Zwecke, der Fürsorge von Bonner Kriegern, weiter zu gedenken.
Die künftige Brotration. Wolffs Telegraphenbureau meldet aus Berlin: Wie wir hören, wird die Mehlration vom 19. August ab wieder auf 200 Gramm erhöht werden. Die Höhe der Brotration wird von der den zur Verfügung stehenden Streckungsmittel abhängen. Während der am 19. August beginnenden ersten fleischlosen Woche wird ebenfalls Ersatz für das ausfallende Fleisch gegeben werden, und zwar voraussichtlich durch Kartoffeln. Ein Ersatz durch Mehl wird infolge der Verzögerung der Ernte nicht möglich sein.
Ein Wohltätigkeitskonzert zum Besten der Hinterbliebenen gefallender 68er, ausgeführt von der Kapelle des Infanterie-Regiments Nr. 68, findet am nächsten Sonntagnachmittag auf der Casselsruhe statt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Die Lage der Wäscherinnen und Büglerinnen. Ein jeder weiß, daß die Preise für Reinigung der Wäsche ganz gewaltig gestiegen sind und das mit Recht, denn die Preise für Seife, Seifenpulver, Stärke und dergl. habe eine Höhe erreicht, daß die Wäschereien unmöglich zu den bisherigen Preisen arbeiten können. Sehr bedauerlich ist es aber, von den in den Wäschereien beschäftigten Personen, Wäscherinnen und Büglerinnen zu vernehmen, daß diese Leute, obwohl die Wäschereibesitzer hohe Preise erzielen, noch immer mit 35 und 45 Pfg. die Stunde entlohnt werden oder in zehnstündiger anstrengender Tätigkeit 3,50-4,50 Mark verdienen. Die Familien, welche Wäsche aus dem Hause geben, sind es ihren Mitmenschen schuldig, dafür einzutreten, daß eine so anstrengende Tätigkeit wie waschen und bügeln den Zeitverhältnissen entsprechend bezahlt wird. Eine Büglerin.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Nachrichten des städtischen Lebensmittelamtes.
Die Zufuhr der Frühkartoffel aus den der Stadt Bonn für die Belieferung überwiesenen Provinzen Pommern, Westpreußen, Sachsen und Rheinprovinz ist besser geworden. Aus diesem Grunde können in dieser Woche noch weitere 2 Pfund auf Warenmarke ausgegeben werden, sodaß insgesamt 6 Pfund auf den Kopf der Bevölkerung verteilt worden sind.
Wie es sich mit den weiteren Belieferungen verhalten dürfte, läßt sich noch nicht übersehen, da fast allerorts die Frühkartoffelernte nicht gehalten hat, was man sich von ihr versprach. [...] Es steht aber zu erwarten, daß durch die vom Lebensmittelamt getroffenen Maßnahmen die Kartoffelversorgung in den nächsten Wochen sich mindestens auf 6 Pfund halten dürfte. Dies ist um so wichtiger, als die Mehl- und Brotversorgung schwieriger geworden ist und Einschränkungen erleiden muß. Vom 15. Juni d. J. ab war die Mehlversorgung auf 160 Gramm auf den Kopf herabgesetzt. Das bedeutet eine Wochenausgabe von 2¾ Pfund Brot. Trotzdem war das Lebensmittelamt in der Lage, aus seinen Ersparnissen 3¾ Pfund, also ein volles Pfund mehr, als Wochenration an die Bevölkerung abzugeben, und auf diese Weise sind in 7 Wochen 600.000 Pfund Brot mehr der Bevölkerung zugeführt worden, wie seitens der Reichgetreidestelle überwiesen wurde.
[...]
Die Fleischversorgung stößt nach wie vor auch immer auf Schwierigkeiten. Auch in der letzten Woche konnten nur 150 Gramm Fleisch einschließlich Wurst ausgegeben werden.
Wesentlich verbessert hat sich dagegen die Gemüseversorgung. Auf den städtischen Verkaufstellen waren namentlich reichliche Bohnenzufuhren, so daß allen Begehren entsprochen werden konnte. Es steht auch zu erwarten, daß in der nächsten Zeit die Gemüsebelieferung gut sein wird. Alle Herbstgemüse und alles Obst werden durch die neuen Bestimmungen der Reichsstelle für Gemüse und Obst nunmehr in Zwangsbewirtschaftung genommen. [...]
Ebenso wird voraussichtlich noch in dieser Woche eine Eierausgabe stattfinden und zwar handelt es sich diesmal um Auslandseier, die aus der Ukraine eingeführt sind. Infolgedessen muß der Preis hierfür wesentlich erhöht werden, was noch durch die demnächstigen Bekanntmachungen ergänzt werden wird.
Verkauf von Speisefett. Auf die Abschnitte Butter und Fett der Speisefettkarte werden in dieser Woche insgesamt 50 Gramm Butter auf den Kopf der Bevölkerung verausgabt. Der Preis für Butter ist auf 4,15 Mark für das Pfund festgesetzt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Lebensmittelverkauf“)