Sonntag, 29. April 1917
Der Verband Bonner Frauenvereine, der sich im Januar zusammengeschlossen hatte und jetzt bereits 26 Vereine umfaßt, hielt Freitag im großen Saale der Lese seine erste Mitgliederversammlung ab. Die zweite Vorsitzende, Frl. Böttrich, hatte die Leitung an Stelle der kürzlich dem Stadtverbande schon durch den Tod entrissenen ersten Vorsitzenden, Frau Elisabeth Gudden. [...] Nach einigen weiteren Mitteilungen gab die Vorsitzende das Wort an Frl. Reinbrecht zu einem kurzen Bericht des Ausschusses für hauswirtschaftliche Kriegshilfe, der seit seinem Anschluß an die Zentrale des Nationalen Frauendienstes auch diesen Namen führt. Nach einem kurzen Ueberblick über die Arbeit der ersten zwei Jahre berichtete sie über die augenblicklich laufenden Arbeiten, die Kinderspeisung, die gemeinnützige Flickschusterei, in der seit Juli 1916 nahezu 6000 Paar Schuhe zum Ausbessern angenommen wurden, die Sammelstelle für Kaffeesatz, Frauenhaare, Obstkerne u. a. m. und die Beratungsstelle. Sie wies an den Abschlusszahlen den Umfang der auf den einzelnen Gebieten geleisteten Arbeit nach und sprach all denen, die durch Mitarbeite, Zuwendungen und Darlehen dazu beigetragen haben, den herzlichen Dank des Ausschusses aus; ebenso der Universität und der städtischen Verwaltung für die dem Ausschuß gewährte Gastfreundschaft und freundschaftliche Unterstützung. Nachdem die Vorsitzende der Berichterstatterin für ihre Ausführungen sowie für ihre treue Arbeit gedankt hatte, erteilte sie der Rednerin des Abends, Frl. Oberlehrerin Weber aus Köln, das Wort zu ihrem Vortrage „Deutsche Frauenpflichten in schicksalsschwerer Zeit“. Durch Entrollen von drei erschütternden Bildern der Gegenwart – des Ringens an der Front, des Widerhalls von Gröners Aufruf unter der Arbeiterschaft und des Frauendienstes in der Rüstungsindustrie – versetzte die Rednerin ihre Zuhörer in die weihevolle Stimmung, die sie aus der einschläfernden Gewohnheit der Alltäglichkeit und der kleinlichen Sorge um das eigene Leben und das der nächsten Angehörigen herausheben und zu allen Opfern für Heimat und Vaterland willig machen soll. Das Gebot der Stunde sei, auszuhalten, sich mit dem Zugeteilten zu begnügen und nicht durch Zahlen von Wucherpreisen denen, die es am nötigsten haben, wertvolle Nahrungsmittel zu entziehen. Es gelte, mit ihnen zu tragen und zu leiden, nicht Samen des Hasses zu säen, sich dessen bewußt zu sein, daß Reichtum gerade unter den heutigen Verhältnissen schwere Verantwortung auferlegt. Das bedeute in der Praxis, auf der einen Seite sich selbst, so viel es angeht, in den Hilfsdienst, in die Kriegsfürsorgearbeit zu stellen und die Frauen, die seit 1914 darin tätig sind, zu entlasten, auf der anderen Seite Einschränkungen des gewohnten Lebenszuschnittes in Bezug auf Dienstboten, Kleidung, Reisen und mancherlei anderes, was mit einem unzeitgemäßen Aesthetentum zusammenhängt. Jedes Entsagen, jedes Opfer wird als Kranz auf das Grab der entschlafenen, uns vorbildlich gewordenen ersten Vorsitzenden niedergelegt. Reicher Beifall zeigte der Rednerin die Wirkung ihrer Ausführungen, für die ihr die Vorsitzende herzlich dankte.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Keine Aufhebung des Siebenuhr-Ladenschlusses. Aus Berlin wird berichtet: Der Bundesrat hat davon Abstand genommen, die geltenden Bestimmungen über den Siebenuhr-Ladenschluß für die Dauer der „Sommerzeit“ aufzuheben. In der Bundesrats-Sitzung vom 26. April ist lediglich eine Ergänzung der Bestimmungen in § 2 der Verordnung betreffend die Ersparnis von Brennstoffen und Beleuchtungsmittel vom 11. Dezember 1916 dahin beschlossen worden, daß Verkaufsstellen, in denen der Verkauf von Lebensmitteln oder von Zeitungen als Haupterwerbszweig betrieben wird und denen infolgedessen gestattet ist, über 7 Uhr abends bezw. (an Samstagen) 8 Uhr abends hinaus offen zu halten, untersagt wird, in diesen Verkaufsstunden andere Waren als Nahrungsmittel oder Zeitungen zu verkaufen. Diese Ergänzung kommt insbesondere den Klagen von Zigarren- und Tabakhändlern entgegen, die sich dadurch benachteiligt fühlten, daß in den Stunden, in denen sie selbst ihre Geschäfte geschlossen halten mußten, Lebensmittel- und Zeitungshändler Tabakfabrikate feilbieten konnten.
Kriegsküche in Poppelsdorf. Der neue Leiter der Küche, Herr Restaurator Hombach, ist sichtlich bestrebt, es allen so recht zu machen, daß sogar die berufsmäßigen Nörgler nichts zu tadeln haben. Das am Dienstag verabreichte Gericht (Bismarckheringe mit Kartoffeln und Tunke) möge noch recht oft auf dem Speisezettel zu finden sein. Besonders unsere Kleinen gehen mit großer Freude zur Kriegsküche hin, wenn es so trefflich nach Bismarckheringen und Kartoffeln duftet.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Zur Beschaffung von Schlachtvieh. Die Besucher der außerordentlichen General-Versammlung des Bundes der Viehhändler Deutschlands beschlossen in Anbetracht der schwierigen Lage des Vaterlandes dem am 28. Januar 1916 gefaßten Beschluß treu zu bleiben und die Gesamtheit der deutschen Viehhändler zu ermahnen, ohne Rücksicht auf die Höhe des Verdienstes alle Kräfte zur Beschaffung des Schachtviehes bis zur siegreichen Beendigung des Krieges aufzuwenden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)