Sonntag, 2. Mai 1915

 

Bonner Bücher- und Lesehalle. Die Benutzung der Bonner Bücher- und Lesehalle war in den letzten Monaten wieder eine erfreulich rege. Besonders nimmt die Zahl der militärischen Besucher ständig zu, fast jeden Tag finden sich neue „feldgraue“ Leser ein, die hier Zerstreuung und Belehrung suchen. In den letzten Tagen ist ein Neudruck des Kataloges der Bücherei herausgegeben worden, er weist gegenüber der letzten Ausgabe wieder eine stattliche Anzahl von neuen und neuesten Erscheinungen des Büchermarktes auf. Eine besonders wertvolle Bereicherung erfuhr die Bücherei der Lesehalle vor kurzem von seiten des Herrn Oberbürgermeisters Spiritus, der ihr die große zehnbändige Ausgabe der Werke Friedrichs des Großen mit den Illustrationen von Adolf Menzel als Geschenk überwies.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten")

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 2. Mai 1915Das Schöffengericht verurteilte gestern einen Bäcker aus Godesberg, der dem Brot keinen Kartoffelmehlzusatz gegeben hatte, zu 120 Mark Geldstrafe.

Wegen Körperverletzung hatte sich gestern ein jugendlicher Fabrikarbeiter aus Mehlem vor der Strafkammer zu verantworten. Er hatte einen Mitarbeiter tagsüber während der Arbeit gehänselt und ihm abends auf der Straße mit einem Messer einen Stich versetzt. Die Strafkammer verurteilte den Angeklagten gestern mit Rücksicht auf sein jugendliches Alter zu einer Gefängnisstrafe von nur sechs Monaten. Der jugendliche Verurteilte erhält einstweilen Strafaufschub und der Vorsitzende stellte ihm in Aussicht daß er bei dauernd guter Führung begnadigt werden könnte.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Godesberg, 1. Mai. Das übliche Maiansingen auf dem Godesberg wurde in der verflossenen Nacht nur von dem Männergesangsverein Cäcilia ausgeführt. Es war dies das 75. Mal, daß der Verein den Mai vom Godesberg aus begrüßt hat. Von der sonst üblichen Festfeier hatte man in Anbetracht der ernsten Zeitlage abgesehen. Mit dem Schlage Zwölf fanden sich nach altem Brauch auch wiederum studentische Korporationen aus Bonn mit ihren Lampions auf dem Berge ein. Nach der üblichen Maipauke stieg das ewig junge Lied von Lyra „Der Mai ist gekommen“. Die schlichte eigenartige Feier fand ihren Ausklang in dem Wunsche daß mit dem Wonnemonat auch bald die Segnung eines ehrenvollen Friedens für unser Vaterland einkehren möchte.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und fern“)

 

Einen Selbstmordversuch verübte gestern abend in der Gronau ein etwa 21 Jahre altes Mädchen der Koblenzerstraße. Sie brachte sich einen Brustschuß bei und wurde zum Krankenhaus gebracht.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten")