Montag, 26. April 1915
Ein ernstes Mahnwort an die Eltern richtet der Direktor des hiesigen Städt. Gymnasiums, Herr Dr. Riepmann, am Schluß des letzten Jahresberichtes der Schule, ein Wort, das in weiten Kreisen gehört und beachtet zu werden verdient: „Der Krieg, den unser Volk um sein staatliches Dasein führt, zeigt deutlich und eindringlich, wie viel darauf ankommt, daß neben dem Geist auch der Körper geübt und gestählt wird, damit in der Stunde der Gefahr eine wehrkräftige Jugend zum Schutze gegen den Feind bereit steht. Mit Recht ist früher der Schule vorgeworfen worden, daß sie über die erste Aufgabe die zweite vernachlässige. Heute trifft die Schule dieser Vorwurf nicht mehr, aber er trifft viele, sehr viele Eltern und Schüler. Mit nichts sind Eltern und Schüler so schnell bei der Hand, als Befreiung von den obligatorischen Turn- und Spielstunden, Wanderungen und dergl. nachzusuchen; die Spielplätze, die die Schule zur Verfügung stellt, bleiben leer; die Schülervereine, die zur Pflege der Leibesübungen entstanden oder geschaffen sind, haben verhältnismäßig wenig Mitglieder. Die gewöhnliche Ausrede, daß es an der Zeit fehle, ist unrichtig und wird schon durch die Schüler, die beide Aufgaben befriedigend lösen, widerlegt. Nicht Mangel an Zeit ist schuld, sondern Lässigkeit, Verkennung der Bedeutung der leiblichen Ausbildung und mangelhafte oder unzweckmäßige Ausnützung der Zeit. Grundfalsch ist es, den Schüler, der am Morgen fünf oder sechs Unterrichtsstunden gehabt hat, gleich nach dem Mittagessen an die Schularbeiten zu setzen und ihn etwa in den Abendstunden einen Bummel durch die Remigiusstraße machen zu lassen. Die Nachmittagsstunden bis fünf Uhr sollen der Erholung und körperlichen Ausbildung gewidmet sein, nicht greisenhaften Spaziergängen im Hofgarten oder Baumschuler Wäldchen, sondern frischem Spiel und fröhlichem Streifen durch Wald und Flur. Dann können und werden die Jungen mit viel mehr Frische, mit größerem Erfolg und viel kürzerer Zeit ihre häuslichen Aufgaben erledigen, die so bemessen sind, daß sie der Durchschnittsschüler in 2 – 2 ½ Stunden bewältigen kann. Dazu hilft auch der Zwang, daß die Arbeit in bestimmter Zeit erledigt sein muß. Das lange dumpfe Hocken und Brüten über den Schulaufgaben taugt gar nichts.
Wenn aber ein Schüler seine Hausaufgaben in der Zeit von 5 – 8 wirklich nicht mit Erfolg erledigen kann, so ist das ein Zeichen, daß er für die Klasse nicht reif ist und dann ist es pädagogische und didaktisch richtiger, ihn sie wiederholen zu lassen, anstatt auf Kosten des Körpers eine künstliche geistige Reife zu erzwingen. Nicht darauf kommt es an, ob unsere Abiturienten 19 oder 20 Jahre alt sind, sondern daß sie die Russen und Franzosen und Engländer schlagen können und sonst im Leben ihren Mann stehen. Das werden sie können, wenn sie etwas Tüchtiges gelernt haben und geistig und körperlich gesund und leistungsfähig sind.“
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Das Wasser des Rheines ist in der vergangenen Woche anhaltend zurückgegangen, wodurch die störenden Einwirkungen des jüngsten Hochwassers für die Schiffahrt beseitigt sind. Der gegenwärtige gute Wasserstand gestattet den großen Fahrzeugen volle Ladung, und so dürfte der in stärkerer Entwicklung begriffene Versand von Kohlen rheinaufwärts sich noch günstiger gestalten. Am hiesigen Pegel wurden heute früh 3.10 Meter Wasser gemessen.
Für Frauen aller Kreise beginnen am Dienstag abend im Saale der Fortbildungsschule drei Vorträge über die Frage. „Welche Rechtskenntnisse für Krieg und Frieden sind unseren Frauen am nötigsten?“
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Baumblüte am Vorgebirge und in den kleinen idyllischen Orten um Godesberg zeigte sich bei dem gestrigen prachtvollen Frühlingssontagswetter zum ersten Mal in diesem Lenz in ihrer ganzen Farbenfröhlichkeit. Freilich haben sich die Millionen Knospen noch nicht alle geöffnet, aber aus den Gärten leuchtet doch schon die köstliche rosafarbene, weiße und grüne Frühjahrsherrlichkeit. Die bekanntesten Orte der Baumblüte wurden gestern ziemlich stark besucht. Die Bahnen waren oft überfüllt.
Der Krieg und das Studium der Landwirtschaft. Der Krieg hat die Bedeutung einer blühenden Landwirtschaft von neuem eindringlich gezeigt; in dem gleichen Maße wird es wichtig, den Landwirten eine nach allen Seiten vertiefte wissenschaftliche Ausbildung zu ermöglichen. Diese ist notwendig, sowohl für jene, die in eigener Sache bebauen wie für die immer zahlreicher verlangten Verwalter und Betriebsleiter größerer Güter und endlich für die Landwirtschaftslehrer. Die landwirtschaftliche Akademie Bonn-Poppelsdorf, die ihren Lehrplan in den letzten Jahren umfangreich ausgebaut hat, ist für den Westen die Stätte der Belehrung. Sie eröffnet das Sommersemester am 3. Mai. Lehrpläne und Auskünfte sind unentgeltlich durch das Sekretariat der Akademie, Bonn-Poppelsdorf, Meckenheimer Allee 104 zu erhalten.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)