Dienstag, 3. November 1914

Deutsche Kriegsschiffe beschießen mehrere Ortschaften an der britischen Ostküste.

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 3. November 1914Deutsche Verbands- und Erfrischungsstation in Lille. Gestern nachmittag fand auf dem Güterbahnhof die Verabschiedung einer Sanitätskolonne des Roten Kreuzes statt, die nach Lille bestimmt ist, um dort eine Verbands- und Erfrischungsstelle für unsere Truppen einzurichten. Zur Verabschiedung hatten sich eingefunden Ihre Königliche Hoheit Frau Prinzessin zu Schaumburg-Lippe, der Vorsitzende des Zweigvereins vom Roten Kreuz, Herr Oberbürgermeister Spiritus, ferner war der Zweigverein noch vertreten durch die Herren Beigeordneten Piehl und Rittmeister Weyermann. (...) Herr Oberbürgermeister Spiritus hielt Anzeige im General-Anzeiger vom 3. November 1914folgende Ansprache: „Eure Königliche Hoheit, meine Herren und Damen! Wir sind zusammengekommen, um uns zu verabschieden von der Sanitätskolonne, die hinauszieht, um an der Front eine Erfrischungsstation für unsere Kriegereinzurichten. Nachdem durch die Verschiebung der Kriegslage die Verbands- und Erfrischungsstation an der Weststraße dadurch zu wenig in Anspruch genommen wurde, daß der große Teil der Lazarett- und Hilfslazarettzüge unmittelbar über Belgien und Köln, oder über Saarbrücken – Frankfurt a.M. weiterbefördert wurde, war es der lebhafte Wunsch aller Beteiligten, anderweitige Betätigung zu finden. Da diese nur auf belgischem oder französischem Gebiete bei einem Hauptetappenort in Frage kommen konnte, so wurden entsprechende Verhandlungen eingeleitet. (...) Nachdem ich und einige andere Bonner Herren in Brüssel mit den maßgeblichen Stellen Verhandlungen gepflogen hatte, bestimmte schließlich der Chef des Sanitätswesens, Exzellenz von Schjerning, daß uns in Lille Gelegenheit geboten würde, eine Verbands- und Erfrischungshalle einzurichten. Obgleich Lille sich fast noch in der Kampfzone befindet, fanden sich sofort geeignete Kräfte bereit, um das schwierige Amt zu übernehmen. (...) Meine Herren, Sie ziehen hinaus, um unseren tapferen Truppen Ihre Hilfe angedeihen zu lassen. Möge Gottes reichste Segen auf Ihrem Werke ruhen, möge Ihre Tätigkeit an der Front die segensreichsten Früchte tragen. (...) Verehrte Anwesende, stimmen Sie mit mir ein in den Ruf Seine Majestät, der Kaiser und König, er lebe Hoch! Hoch! Hoch!“ Die Anwesenden stimmten begeistert in das Kaiserhoch ein. (...) Wie wir erfahren, hat die Frau Prinzessin sich einverstanden erklärt, daß die Bonner Verbands- und Erfrischungsstelle Lille den Namen „Prinzessin Viktoria“ führt.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 3. November 1914Allerseelen! Tausende von Menschen zogen gestern auf die Friedhöfe an die Gräber ihrer Lieben. Da möchte ich etwas zur Sprache bringen, was ich schon lange auf dem Herzen habe, und alle Bonner Bürger, die ihre Gräber auf dem Nordfriedhof haben, werden mir zustimmen. Kann denn die Stadtverwaltung nicht ermöglichen, daß auch die Schnellzüge der Rheinuferbahn am Friedhof halten? Die Verbindung von dort geschieht nur durch den stündlich verkehrenden Personenzug. Bei schlechtem Wetter ist es unangenehm, wenn man von der von Autos und Lastverkehr belasteten Kölner Chaussee zurückkehren muß. In geradezu traurigem Zustande ist aber der Fußweg von der Haltestelle Friedhof nach der Bornheimer Straße. – Die Verbindung nach dem Poppelsdorfer und Kessenicher Friedhof ist tadellos, ebenso die Wege nach dort; warum wird der Nordfriedhof so stiefmütterlich behandelt? Wenn die Rheinuferbahn regelmäßig dort halten könnte, würde auch der Besuch des an sich so schönen Friedhofes ein viel regerer sein. (...)

(Bonner Zeitung, Rubrik „Eingesandt!“)

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 3. November 1914Ich hat’ einen Kameraden ... Auf dem Nordfriedhof brachten gestern nachmittag einige Soldaten ihren gefallenen Kameraden eine Ehrung dar, die durch ihre Einfachheit bei den vielen Besuchern des Friedhofes einen tiefen Eindruck hinterließ. Die Soldaten, Verwundete aus einem Privat-Lazarett in der Colmantstraße, legten ein Blumengewinde, ein Eisernes Kreuz darstellend, auf die frischen Kriegsgräber und einer von ihnen gedachte in schlichten Worten der Kameraden, die im Kampfe für das Vaterland ihr junges Leben hingegeben haben. Mit entblößten Häuptern beteten die Soldaten ein Vater unser für die gefallenen Krieger und für alle Kameraden, die noch im Felde stehen. Die nach Hunderten zählenden Zeugen der schlichten Feier waren tief ergriffen und beteten zusammen mit den jungen Vaterlandsverteidigern, die in so echt kameradschaftlicher Weise ihrer gefallenen Brüder gedachten.

Anzeige im General-Anzeiger vom 3. November 1914Obacht beim Kartoffeleinkauf! Trotzdem das Publikum nur den Einkauf der Kartoffeln nach Zentnern kennt, ist es Gepflogenheit gewisser Händler, die Kartoffeln per Sack zu verkaufen. Gesagt wird dieses aber erst, wenn man sich darüber beklagt, daß in dem Sack weniger als 100 Pfund Kartoffeln waren. Im Falle einer Anklage wird aber diesen Händlern diese Ausrede nichts nützen. Wer einen Zentner Kartoffeln kauft, hat Anspruch auf 100 Pfund. Da derartige Fälle häufiger vorkommen, daß bei den hohen Kartoffelpreisen ein erhebliches Mindergewicht verabreicht wird, so sei zur Vorsicht gemahnt. Man verlange einen Zentner, nicht einen Sack, und wiege die Ware nach. Im Falle eines Betruges ist rücksichtslose Anzeige bei der Polizei am Platze, schon im Interesse des kaufenden Publikums und des soliden Kartoffelhandels.

Anzeige im General-Anzeiger vom 3. November 1914Die in Bonn lebenden Engländer haben dem amerikanischen Botschafter in London folgende Erklärung zur Uebermittlung an die englische Regierung übersandt.

„Unterzeichnete in Bonn lebenden britischen Staatsangehörige machen die britische Regierung auf eine gestern erschienene deutsche Veröffentlichung aufmerksam, wonach sämtliche zurzeit sich in Deutschland befindlichen englischen Männer vom 15. bis zum 55. Lebensjahr verhaftet werden, falls die britische Regierung bis zum 5. November nicht eine amtliche Erklärung dem amerikanischen Botschafter in London abgibt, daß die Lage und Behandlung der Kriegsgefangenen erheblich gebessert wird und die in Haft genommene Zivilbevölkerung auf freien Fuß gesetzt wird.
    Unterzeichnete können die vornehme, taktvolle Behandlung seitens der hiesigen Behörden und des Publikums seit Ausbruch des Krieges nur loben, und protestieren im Namen der Menschheit gegen die Gefangennahme von unschuldigen deutschen Staatsangehörigen.
    Die Stimmung des deutschen Volkes ist in letzter Zeit durch das Vorgehen der britischen Regierung auf das höchste gestiegen, eine maßlose Erbitterung zeigt sich in allen Schichten des Volkes, so daß eine strenge Vergeltung am 5. November eintreten wird, falls die britische Regierung dem amerikanischen Botschafter nicht die genügende Antwort gibt.
    Unterzeichnete bitten, in Anbetracht der seit Ausbruch des Krieges deutscherseits uns gegenüber erwiesenen menschlichen Behandlung dringend, um umgehende Schritte zur Abhilfe der Not der in England lebenden deutschen Staatsangehörigen.“

Die Erklärung ist von sämtlichen in Bonn lebenden englischen Landsleuten unterzeichnet.

 (Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 3. November 1914Zur allgemeinen Beachtung bei der Spendung von Liebesgaben an unsere Krieger erläßt die oberste Heeresleitung eine Bekanntmachung. Sie anerkennt die unzähligen Aeußerungen werktätiger Liebe und dankt allen Spendern herzlich für das durch ihre Gaben zum Ausdruck gekommene Gefühl der Zusammengehörigkeit zwischen Heer und Volk. Dann heißt es weiter:
    Auch dafür besteht volles Verständnis, daß Viele den lebhaften Wunsch hegen, die Ergebnisse ihrer Liebestätigkeit gerade denen und womöglich persönlich zuzuführen, die ihnen besonders nahe ste­hen; eine Garnisonstadt möchte durch ihre Liebesgaben ihr angestammtes Regiment erfreuen oder eine Provinz sie dem heimatlichen Armeekorps überwiesen wissen. Niemand wird sich aber der Ein­sicht verschließen können, daß neuformierte Verbände oder solche aus ärmeren, weit abgelegenen Heimatsbezirken auf diese Weise empfindlich geschädigt und mit dem Gefühl einer gewissen Zu­rücksetzung erfüllt werden können.
    1914 11 03 ga7Auch aus militärischen Gründen ist es nicht immer angängig, den bei Spendung von Liebesgaben zum Ausdruck gebrachten Erwartungen voll gerecht zu werden. So sehr die Kommando- und Etap­penbehörden bestrebt sind, und bestrebt bleiben, nach Möglichkeit und Billigkeit auszugleichen. Irrig sind mitunter die Voraussetzungen, unter denen die Spender oder ihre Bevollmächtigten die oft weite Fahrt antreten, um im Kraftwagen ihre Liebesgaben persönlich an die Front zu bringen. Viele legen sich das Abzeichen des Roten Kreuzes zu, eigenmächtig oder von einer hierzu nicht bevollmächtig­ten Behörde unterstützt, und meinen auf diese Weise Freipaß und persönliche Sicherheit für die Fahrt zur Front zu erlangen. Sie bedenken nicht, wie sehr dadurch die Ueberwachung des Verkehrs im Rücken der fechtenden Truppen erschwert, feindlicher Spionage Vorschub geleistet, die Gefahr un­liebsamer Zwischenfälle hervorgerufen wird. Sie wissen nicht, in welche Gefahr sie sich persönlich begeben, denn jeder Mißbrauch des Abzeichens des Roten Kreuzes ist strafbar und ruft den Verdacht der Spionage hervor. Die berechtigte Führung des Roten Kreuzes verbürgt leider in diesem Kriege keine Sicherheit gegen Anschläge einer feindseligen und hinterlistigen Bevölkerung. Sie wägen nicht ab, ob Menge und Wert ihrer Spende im richtigen Verhältnis steht zu dem Verbrauch an Benzin – ei­nem Wertartikel im Operationsgebiet – und zu den Mühen, die ein Autounfall verursachen kann.
    Bei dieser Sachlage wird es sicherlich verstanden und gewürdigt werden, wenn Heeresleitung und Heeresverwaltung die opferwilligen Spenden von Liebesgaben auf die Organisation verweisen, die dazu ins Leben gerufen und dazu ausgestattet ist, das Los der im Felde stehenden Söhne des deut­schen Volkes – unverwundeter wie verwundeter – zu erleichtern, die sich in früheren Kriegen erprobt und in sorgsamer Friedensarbeit auf ihre Aufgaben vorbereitet hat, die dem militärischen Organismus eingefügt ist, und Hand in Hand mit den Kommandobehörden arbeitet: Die Organisation der freiwil­ligen Krankenpflege (Rotes Kreuz) Ritterorden usw.) Wer ihr seine Liebesgaben zur Vermittelung, sei es an die Truppen im Felde, sei es für die Verwundeten in der Heimat anvertraut, darf die volle Zuversicht hegen, daß seine edle Absicht am schnellsten, am sichersten, am gerechtesten verwirklicht wird. Am besten erfolgt die Uebergabe vorbehaltlos, doch soll jeder vom Spender geäußerte Wunsch nach Möglichkeit und Billigkeit Berücksichtigung finden.

            Der Kriegsminister
            gez. von Falkenhayn, Generalleutnant.

            Der Generalquartiermeister
            gez. von Voigts-Retz, Generalmajor

            der Kaiserliche Kommissar und militärischer Inspektor d. Freiw. Krankenpflege
            gez. Fürst zu Solms-Baruth

 

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 3. November 1914Eine verzweifelte Flucht in die Oeffentlichkeit,
unternimmt ein Kölner Bürger, der dem dortigen Stadtanzeiger mitteilt: „Mein Schwiegersohn ist als Landwehrmann bei der 2. Armee-Etappen-Inspektion, Landwehr-Infanterie-Brigade, Land­wehr-Infanterie-Regiment Nr. 29 am fünften Mobilmachungstage eingezogen und seitdem im Felde tätig. Meine Frau und ich, meine zahlreichen Kinder und vor allem die Frau des Kriegers schicken täglich Briefe und Postkarten mit der Feldpost an den Soldaten. Bis jetzt sind über 80 Karten und Briefe ab­gesandt. Nicht ein Schreiben ist angekommen, denn wöchentlich mehrmals erhalten wir Feldpostkar­ten meines Schwiegersohnes, worauf er sich beklagt, daß, seit er im Krieg ist, niemand mehr an ihn denkt. Inniglich bittet er um etwas Unterzeug und um ein paar Zigarren. Nun sind an meinen Schwie­gersohn in den letzten zwei Monaten nicht weniger als 22 Pakete abgesandt, die enthielten: Wollene Unterjacken und Hosen, Brust-, Puls- und Ohrenwärmer, Handschuhe, mehrere Dauerwürste, viele Zigarren, darunter fünf mal je 25 Stück, über zwanzig mal je 5 Stück, gemahlenen Kaffee, Tee, Scho­kolade, Kognak usw. usw., vier mal wurden Zehnpfundpakete gesandt, worin zum zweiten und drit­ten Male neue Wollsachen geschickt wurden. Von allen diesen Paketen, Briefen und Postkarten hat der Mann auch nicht ein einziges Teil erhalten, denn immer wieder kommen Karten von ihm an, die das bestätigen. Es ist zum Verzweifeln.
Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 3. November 1914     Heute traf ein Schreiben ein, in dem der Schwiegersohn in ergreifender Weise sich an seine Frau wendet und bittet, doch ein Lebenszeichen von sich zu geben. Denkst Du denn gar nicht mehr an mich? Kannst Du mir denn nicht ein paar Zigarren schicken? Schreibe mir doch wenigstens ein paar Worte von unserem Jungen. Fragt er nicht nach mir? Auch von den Schwiegereltern habe ich bis heu­te noch kein Wort gehört. So etwas muß meine Tochter lesen, die täglich an ihren Mann schreibt und Pakete sendet. Sie ist untröstlich, weint täglich über das gänzliche Versagen der Feldpost. Ich bin ebenfalls unglücklich, weil wir immer wieder Pakete senden und Hunderte von Mark opfern und wis­sen nicht wofür, vielleicht für Diebe. Ist denn hier gar nichts zu machen? Seit Wochen kommen die Feldpostkarten meines Schwiegersohnes aus Frankreich. Man sollte meinen, er müßte doch endlich einmal aufgefunden werden. Wie muß es einem Soldaten zumute sein, der von der Heimat, seiner Frau, seinem Kind, seiner Schwester usw. Nichts hört, trotzdem er Dutzende Male um ein Lebenszei­chen oder eine Liebesgabe bittet. Er muß ja an seiner Frau und seinen Verwandten verzweifeln.“

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)

 

Liebesgaben für das Heer.
Ein Unteroffizier aus der Umgegend von Bonn schreibt in einem Feldpostbriefe:
    „Hier kommen jetzt viele Liebesgaben an: Hemden, Strümpfe, Unterzeug, Zigarren usw. Aus Bonn und Godesberg fahren Autos bis dicht an die Schützenlinien. Aber Eßbares bringen sie nicht. Laß doch einmal in die Zeitung setzen, die Leute möchten hier haltbare Wurst, Speck, Zwieback, Schokolade, Pfeffermünz usw. schicken, daß die Soldaten etwas in die Rippen bekommen. Hier fällt es schwer, etwas zu bekommen, selbst für Geld, das wir darum auch meist nach Hause schicken.“ – Man möge also bei der Sendung von Liebesgaben auch Eßwaren, die durch eine lange Reise nicht leiden, berücksichtigen. P.R.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)