Samstag, 26. September 1914

Das deutsche Große Hauptquartier wird am Vortag von Luxemburg ins französische [Charleville-] Mézières verlegt.
Am 26. September 1914 wird August Macke in einem Gefecht bei Perthes-lès-Hurlus in der Champagne tödlich verwundet.

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 26. September 1914Obernier-Museum. Das städtische Museum, das in den unruhigen Zeiten der Mobilmachung geschlossen wurde, hat von morgen an seine Pforten wieder geöffnet. Zugleich bringt es Neuheiten zur Ausstellung. So sieht man in der Schwarz-Weiß-Sammlung eine Anzahl schöner Radierungen des bekannten Worpsweder Malers Hans am Ende. (...) Besondere Beachtung verdient auch die weitere Ausgestaltung des Arndt-Zimmers. Hier bringt der Verein Alt-Bonn eine wertvolle Gabe aus dem Nachlasse des Bildhauers Bernhard Afinger, des Schöpfers unseres Arndt-Denkmales. Man sieht zwei besonders gute Arndtbilder, welche bisher noch unbekannt waren, ferner eine Anzahl von Erstdrucken der berühmten Arndtschen Schriften und Werke, die ja in diesen Tagen eine ganz besondere Bedeutung bekommen haben.

Städtisches Orchester. Die beliebten Stadthallen-Konzerte nehmen am Sonntag wieder ihren Anfang. Die Orchester-Kommission hat in ihrer Sitzung am 24. d. M. beschlossen, diese Konzerte für die Folge Mittwochs- und Sonntags nachmittags stattfinden zu lassen.

Der Komet Delavan ist in den jetzigen Nächten sichtbar. Man kann ihn, fast mit bloßem Auge, sehen unterhalb des Sternbildes des Großen Bären. Der Schweif ist strahlig und von der Sonne weggerichtet.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 26. September 1914Englische Flieger in Köln? Der englische Korrespondent der Morning Post an der deutschen Grenze meldet, die britischen Flieger seien zuerst zu den vorgeschobenen Posten an der Grenze geflogen, dann hätte sich eine Abteilung von ihnen getrennt, um nach Köln zu fliegen. Letztere kreuzte neunzig Minuten über Köln, welches dichter Nebel einhüllte. Sie fürchteten Bomben aufs geradewohl abzuwerfen aus Besorgnis, Kirche und privates Eigentum zu beschädigen. Da sie sich außerstande sahen, die Zeppelinlufthalle festzustellen, kehrten sie zurück. (...)

Herbst. Das Barometer fiel in der vergangenen Nacht auf 3 Grad C. über Null. Auf den Höhen liegt Reif.

Ein Königshusar, der Landwehrmann „Anton“ aus Bonn, schickt uns aus dem Felde einen längeren poetischen Gruß. (...) Freudig teilt der Landwehrmann mit, daß sie auch die Landwehr und die Reserve der 160er aus Bonn angetroffen hätten. Zum Schluss bestellt er allen Bonnern einen herzlichen Gruß von ihren Königshusaren und sagt dazu:

Drum liebe Bonner seid vergnügt,
Denn hier im Westen wird gesiegt.

Die städtischen Rheinbadeanstalten sind seit Mittwoch geschlossen.

Die Post und die Liebesgaben.Vom Kaiserl. Postamt erhalten wir folgende Mitteilung: In der Presse wird behauptet, daß die Feldpost bei der Beförderung von Liebesgaben versage. Demgegenüber ist darauf hinzuweisen, daß die Einrichtungen der Feldpost in erster Linie auf die Beförderung von Nachrichten sowie von Geldsendungen berechnet sind, und daß die zwischen Post- und Militärverwaltung vereinbarte Feldpostdienstordnung, die die Grundzüge für die Gestaltung des Feldpostbetriebes enthält, den Feldpostdienst dementsprechend regelt. Die Einrichtungen der Feldpost kommen daher für die Beförderung von Liebesgaben in Massensendungen überhaupt nicht in Frage. Genau so ist es schon 1870/71 gewesen, so daß auch hier der jetzt so beliebte Hinweis, daß es um die Feldpost vor 44 Jahren besser bestellt gewesen sei, nicht zutrifft. Auch schon damals sind die Massensendungen an Liebesgaben durch die Eisenbahn befördert worden, nicht durch Post. Die Postverwaltung hat vielmehr Herbst 1870 die Zurückweisung aller Sendungen angeordnet, die nach Form und sonstiger Beschaffenheit, besonders auch mit Rücksicht auf den Inhalt, sich zur Beförderung mit der Briefpost nicht eignen. Dabei betrug während des ganzen Feldzugs 1870/71, von kurzen Abweichungen abgesehen, das Meistgewicht für die Feldpostbriefe nur 4 Lot oder 66 Gramm, also nur den vierten Teil des jetzt zugelassenen Meistgewichts.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Anzeige in der Deutschen Reichszeitung vom 26 September 1914Die Verkaufspreise von Lebensmitteln müssen wie bereits mitgeteilt, in den Läden und nach außen sichtbar bekannt gegeben werden. Entsprechende Plakate sind in unserer Geschäftsstelle zu haben.

Beerdigung. Unter großer Beteiligung wurde am Donnerstag, d. 24. September der Landwehrmann Michael Bambler aus Poppelsdorf, der an schwerer Verwundung gestorben war, dort auf dem Friedhof als erster gefallener Krieger beerdigt. Mehr als 100 verwundete Soldaten gaben mit ihren Vorgesetzten dem verstorbenen Kamerad das letzte Geleite. Der Poppelsdorfer Allgemeine Militärverein schritt mit umflorter Fahne vor dem Leichenzug. Die Fahne wurde von einem Veteranen getragen.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)

 

Das feindliche Ausland in Bonn

In den erste Tagen nach dem Kriegsausbruch wurde auch hier verschiedentlich auf Ausländer Jagd gemacht, die sich irgendwie verdächtig gemacht hatten. Auch manchen Unschuldigen traf damals das Missgeschick. Was aus manchem Schuldigen geworden ist, mag wohl erst später bekannt werden. Zweifellos hat aber manchen Schuldigen die nur zu verständliche Empörung des Volkes nicht erreicht. Jetzt noch fragt sich mancher, was beispielsweise aus den Russen geworden ist, die solange in einem Hotel am Markt gewohnt und beim Ausbruch des Krieges verschwanden. Sie mögen harmlos gewesen sein. Mir persönlich waren sie stets verdächtig. Ich habe nie begreifen können, wie diese Damen eine solche Rolle spielen konnten. Die abenteuerlichsten Gerüchte waren über sie im Umlauf. Die Polizei, die alles weiß, muß aber genau über sie unterrichtet gewesen sein. Es wurde bekannt, daß gegen die Damen, die in Bad Nauheim weilen sollten, absolut nichts vorliege. Mag sein. Der ein oder andere aber glaubt heute noch, daß auch sie Spionage getrieben, wenn auch nicht direkt, aber vielleicht doch durch bezahlte Agenten, die sie leiteten. Sicheres ist ja nichts über sie bekannt geworden. Aber vielen es doch für ein Glück, daß sie nicht mehr hier sind.

Anzeige in der Deutschen Reichszeitung vom 26 September 1914Gegenwärtig murrt man in vielen Kreisen recht vernehmlich gegen eine andere Persönlichkeit, die eine geachtete Stellung einnimmt und, wie vermutet wird, sich, obwohl Ausländer – Franzose – deshalb noch immer frei und ungehindert hier bewegen kann. Es handelt sich um den Lektor der französischen Sprache an der hiesigen Universität, Professor Dr. Eugen Gausmez, dessen Sohn aktiver Leutnant in der französischen Artillerie ist. Es heißt, seine Mutter habe ihm mit Enterbung gedroht, wenn er den Sohn nicht in der französischen Armee lasse. Das mag für ihn bestimmend gewesen sein. Aber für uns ist ein derartiger Zustand beunruhigend. Es ist ja kaum anzunehmen, daß er, während sein Sohn französische Truppen gegen unsere Jugend führt, auf den Gedanken kommt, den Katheder einer deutschen Universität besteigen zu wollen, um deutschen Zuhörern Vorträge zu halten. Aber man sollte meinen, seines Bleibens könnte hier auch nicht mehr sein. Wir sind ja, wie seine Landsleute sagen, „Barbaren“. Während seine Landsleute und die mit ihnen verbündeten Engländer alle Deutschen, Oesterreicher und Ungarn ohne Rücksicht auf Alter, Geschlecht und gesellschaftliche Stellung, ja selbst ohne Rücksicht auf ihre geistige Bedeutung, gefangen halten und viele zu knechtischen Arbeiten zwingen, lassen wir Angehörige aus Feindesland, die sich unter uns bewegen, unbehelligt. Wie sich das für „Barbaren“ so gehört. Aber auch Barbaren können auf den Gedanken kommen, daß Angehörige der gegen uns kämpfenden Truppen hier doch manches ausspionieren und verraten können. Ich weiß nicht, ob der Polizei die Verhältnisse bekannt sind. Hier werden sie in vielen Kreisen ganz offen und nicht ohne Erregung besprochen. Es würde wesentlich zur allgemeinen Beruhigung beitragen, wenn hier bald Klarheit geschaffen würde. Jedenfalls habe ich mich für verpflichtet gehalten, öffentlich zur Sprache zu bringen, was viele beunruhigt und empört.

(Volksmund, aus einem mit „Urban" gezeichnetem Artikel in der Rubrik „Bonner Angelegenheiten“)