Samstag, 15. Dezember 1917

    

Die Bonner Zentrumspartei hatte auf dem Vorabend der Reichstagsersatzwahl eine Versammlung im katholischen Vereinshaus einberufen, welche Herr Reichstagsabgeordneter Chrysant eröffnete. Er begrüßte die Versammlung und den zu derselben erschienenen Geh. Justizrat Trimborn, den 2. Vorsitzenden der Zentrumsfraktion des Reichstags und gab dann eine ruhige, kurze Darlegung der Vorgänge, welche zur Aufstellung der durchaus ordnungsmäßig zu Stande gekommenen Kandidatur Henry geführt haben. Trotz der streng korrekten Haltung des Parteivorstandes habe eine Agitation zu Gunsten des Herrn Justizrats Abs eingesetzt, ein tief bedauerlicher Zwischenfall, eine schwere Verletzung der Parteidisziplin und vollends bedauerlich angesichts der großen und schweren Aufgaben, welche auch nach dem Kriege der Zentrumspartei warten. Dann sprach Herr Trimborn als Vorsitzender der Rheinischen Zentrumspartei in bald humorvoller, bald sehr ernster Weise, unter vielfachem Beifall, mit warmer Empfehlung des Herrn Henry, eines der besten und umsichtigsten Kreis-Vorsitzenden der Provinz, mit persönlicher Achtung des Gegenkandidaten, der ihm durch die Annahme der Gegenkandidatur eine schmerzliche Enttäuschung bereitet habe. Wenn die Aufstellung des Ersteren nicht legal erfolgt sei, dann gebe es überhaupt keine Legale mehr. Bei der Instanz, bei der Parteileitung der Provinz, habe kein Mensch Einspruch erhoben; wer danach sich nicht füge, vergehe sich schwer gegen die Parteidisziplin und bereite russische Zustände vor. Erheben Sie dagegen Protest durch um so entschiedenere Beteiligung an der Wahl. Abstellung der Preßbeschwerden in Bonn wäre besser gewesen als die Störung des Burgfriedens, nicht durch andere Parteien, sondern aus der Partei heraus, obwohl in der inneren und äußeren Politik kein Grund zu einer Spaltung gegeben war. […] Herr Henry wies ausdrücklich die Ausstreuung zurück, als sei er als Kandidat zurückgetreten. Das schwere Amt des Volksvertreters werde er im Fall seiner Wahl übernehmen, gestützt auf das Vertrauen seiner Freunde, hinter sich die rheinische Zentrumspartei, als Zentrumsmann durch und durch, eifrig arbeitend im Dienst des Vaterlandes. (Stürmischer Beifall)

Vom Schöffengericht. […] Die Ehefrau K. aus Muffendorf hatte am 3. Juli 20 Pfund Johannisbeeren für je 45 Pfg. nach Godesberg verkauft, während der Erzeugerhöchstpreis nur 33 Pfg. zuließ. Die Angeklagte machte geltend, daß sie sich hierzu durch das Vorgehen der Gemeinde Godesberg selbst habe bestimmen lassen, welche die Johannisbeeren in Muffendorf aufkaufen ließ und mit 40 Pfg. pro Pfund bezahlte. Im Kleinhandel hielt Frau K. den Preis von 45 PFg. daher für mäßig und erlaubt. dAs Gericht war jedoch anderer Meinung und erkannte auf 120 Mark Geldstrafe. Bezüglich der vielseitig beobachteten Handlungsweise seitens der Kommunalverbände, daß sie bei Auf- und Verkäufen die Höchstpreise außer acht gelassen hätten, bemerkte die Staatsanwaltschaft, daß hierüber gegenwärtig eine ganze Reihe von Ermittlungsverfahren schwebten und daß die Verordnungen solchen Verbänden auch Ausnahmen gewährten.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Auf der Remigiusstraße und der angrenzenden Marktbrücke trieben sich vorgestern abend gegen ½8 Uhr wieder etwa 50 bis 60 halbwüchsige Burschen und Mädchen umher, zum Aerger der Passanten. Hauptsächlich machen die jugendlichen Umhertreiber jetzt die völlig in Dunkelheit gehüllte Marktbrücke und den Römerplatz unsicher. Leider war wieder kein Polizeibeamter zu sehen, der dem tollen Treiben Einhalt geboten hätte. Mehrere Anwohner des Römerplatzes und der Marktbrücke.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)

Lengsdorf: Am Donnerstag abend verhaftete der hiesige Feldhüter Nettekoven einen entflohenen Kriegsgefangenen und brachte ihn aufs Bürgermeisteramt nach Duisdorf. Hier stellte es sich heraus, daß es ein aus Gießen entwichener Engländer war, der sich schon längere Zeit in den hiesigen Waldungen aufgehalten hatte. Am anderen Morgen wurde er nach Bonn abgeführt.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Von Nah und Fern“)

Zur Kohlennot. Mit Befriedigung habe ich das Eingesandt wegen der Kohlenfrage in Ihrem geschätzten Blatte gelesen, ab er den Hauptgrund, warum wir armen Leute keine Kohlen bekommen, hat Einsender offenbar nicht gekannt. Erstens die Leute in den bessern Straßen, als wie Koblenzerstraße, Argelanderstraße usw. bekommen die Kohlen fuhrenweise, resp. haben Sie bekommen. Dort kann man die Wagens mit Briketts vollbeladen überall anfahren sehen, weil die Herrschaften 50 Pfg. bis 1 Mark Bringerlohn bezahlen, also die werden von einem Teile der Kohlenhändler am ersten versorgt und wir armen Leute stehen vor leeren Hütten oder müssen von 2 bis 6 Uhr stehen, ehe man an die Reihe kommt, und zum Schluß ist ausverkauft. Dann kann man 1 Mark für den Wagen bezahlen und ist zum Umfallen müde. Am andern Tage gehts wieder so. Mir hat es heute noch so gegangen; wir zwei Frauen sind mit der Karre zu einem Geschäft gefahren, das hatte den ganzen Hof voll Briketts und gab keine ab. Es wurde gesagt, die wären der Ortskohlenstelle. Wir fuhren zu einem zweiten Kohlenhändler; der hatte auch den Hof voll Briketts liegen. Die gehören der Stadt Bonn, sagte er, er dürfe keine abgeben. Wir nahmen uns denn jeder einen Zentner Brand mit, was meistens anstatt Kohlen Steine sind und kamen um ½5 Uhr müde zum Umfallen nach Hause. Ich bin 60 Jahre und die andere Frau 45 und kränklich. Was sagen nun die Herren dazu? Warum bekommen die Kohlenhändler in der Stadt die Kohlen nicht, sie sind doch da? Eine Abonnentin.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)

  

Die Stadtverordneten […] Eine größere Auseinandersetzung knüpfte sich an einen Wahlrechtsantrag des Stadtverordneten Henry, der eine Erweiterung des Wahlkörpers, in den einzelnen Abteilungen bezweckte. Bei dieser Gelegenheit machte Stadtverordneter Schmidt den Zentrumswählern den Vorwurf, sie hätten bei den letzten Wahlen in der zweiten Abteilung nur ihren Kandidaten gewählt, während die Liberalen auch für den Zentrumskandidaten gestimmt hätten; wodurch die Liberalen ein anderes Gefühl für politischen Anstand bewiesen hätten. Stadtverordneter Henry widersprach dieser doch sicher naheliegenden Auffassung. Die Stadtverordneten Geheimrat Schultze und Dr. Krantz traten für die Beibehaltung des gegenwärtigen Zustandes ein, bei dem, wie Geheimrat Schultze glaubt, die Stadt Bonn nicht so schlecht gefahren sei. Der Antrag Henry wurde mit 18 [Liberale] gegen 15 [Zentrum] Stimmen abgelehnt.
   Stadtverordneter Schmitz hatte beantragt, ärmeren Familien mehr Kohlen zu liefern. Was aber nach den Ausführungen des Beigeordneten Bottler nicht durchführbar ist. An die Inhaber der Lebensmittelkarten A soll jedoch ein Zentner Rohbraunkohlen aus dem Bestande abgegeben werden. Weitergehende Anträge sollen im Kohlenausschuß beraten werden. […]

(Volksmund, Rubrik „Bonner Angelegenheiten“)