Mittwoch, 14. November 1917

 

Der Probe-Fliegeralarm fand gestern vormittag in der vorher angekündigten Weise statt. Die Sirene auf dem Mülheimer Platz brummte, die verschiedenen Fabrikpfeifen ertönten, die Straßenbahnen hielten und entließen für kurze Zeit alle ihre Fahrgäste, in den Schulen wanderten Schüler und Lehrer in die Keller. Währenddem kreisten mehrere Flieger über der Stadt und warfen Leuchtkugeln ab.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

 

Keine Weihnachtspfefferkuchen. Das Direktorium der Reichsgetreidestelle hat den Beschluß gefaßt, für das Erntejahr 1917-18 Mehl weder zur Herstellung von Keks noch von Leb- und Honigkuchen den Betrieben zu überlassen. Die Pfefferküchlereien sind daher nicht in der Lage, in diesem Jahre ihre Erzeugnisse auf den Weihnachtsmarkt zu bringen.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Die Kohlenversorgung der Stadt Bonn ist sehr im argen. Heute am 9. Nov. habe ich noch nicht meine Kohlenmenge (die armseligen 5 Zentner Briketts), die mir zustehen, weil der Kohlenhändler noch nicht beliefert ist. Ein größerer Kohlenhändler nahm mich als neue Kundin nicht an. Hätte ich mir nicht einige Briketts gespart, indem ich in der Küche zum Kochen Gas benutze, müßte ich mit meinen Kindern im Kalten sitzen. Wozu war denn die zweimalige Kohlenaufnahme, wobei man sich den Kopf zerbrach, um seinen Verbrauch gewissenhaft anzugeben?, wenn man die 5 Zentner Briketts pro Monat nicht zeitig erhält? Wie ist es überhaupt möglich mit 5 Zentnern Küche und Wohnzimmer zu heizen? Eine bedrängte Hausfrau.

Ja, Kuchen! Wir leben in einer großen Zeit, groß, weil gewöhnliche Maßstäbe nicht mehr ausreichen, besonders auf dem Gebiete der Preise. Aber ein großer Geldbeutel verhilft auch noch heute einem hungrigen Magen zu seinem Recht; auch dem Magen eines Hundes, denn wir haben ja „Auslands“-waren. In der Teestube zu Bonn konnte man am Sonntag nachmittag beobachten, wie eine Dame, deren Aeußeres auf eine „bessere“ Lebensführung schließen ließ, ihr Schoßhündchen, geschmückt mit zwei rosa Seidenbändchen am Näschen und Hals mit solchen Kuchen (das Stück 70 Pfg.) fütterte. Das geschieht in einer Zeit, wo Millionen unterernährt und überarbeitet sind. Oberlehrer Dr. M.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)

  

Reichsgericht. Aus Leipzig wird uns geschrieben: Strafbare Benutzung von Schrotmühlen. Um namentlich Selbstversorger zu verhindern, Brotgetreide für die Viehfütterung zu verwenden, ist von den Militärbehörden die Benutzung der Handschrotmühlen verboten worden. Wegen Zuwiderhandlung gegen diese Anordnung ist vom Landgericht Bonn am 22. Juni der Ackerer Anton B. zu einer Geldstrafe von 300 Mark verurteilt worden. Die Strafe ist deshalb so hoch ausgefallen, weil er wegen gleichen Vergehens bereits dreimal vorbestraft ist. Die Schrotmühle des Angeklagten war vom Gendarmen durch Plombieren unbenutzbar gemacht worden, aber die Plombe war auf irgend eine Weise entfernt worden. Der Angeklagte hat dann wieder auf der Mühle Hafer, sogenanntes Hinterkorn, auf der Mühle zerquetscht, um es seinem Vieh zu geben. Der Einwand, daß Haferhinterkorn nicht als Brotgetreide anzusehen sei, hielt das Gericht für unbeachtlich, denn die Verordnung spreche schlechtweg vom Brotgetreide und überdies könnten aus derartigem Hafer noch Haferflocken hergestellt werden. Die Revision des Angeklagten, welcher die erwähnte Auffassung des Landgerichts bekämpfte und darzulegen suchte, daß nur das Schroten, nicht aber das Zerkleinern durch Quetschen verboten sei, wurde am 13. November vom Reichsgericht als unbegründet verworfen.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)