Donnerstag, 8. November 1917

     

Anzeige im General-Anzeiger vom 8. November 1917Der Strafprozeß gegen die Leiterinnen eines hiesigen Kriegskinderheims, Margarete und Else K., wegen fortgesetzter gefährlicher Körperverletzung der ihnen anvertrauten Kinder hat Dienstag das Reichsgericht beschäftigt. Die hiesige Strafkammer hatte bekanntlich am 30. April d. J. beide Angeklagte verurteilt, und zwar Margarete K. zu 900 M., Else K. zu 300 M. Geldstrafe. Gegen dieses Urteil hatten sowohl die Angeklagten als auch die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Das Reichsgericht hat nun das Urteil aufgehoben und die Sache zur nochmaligen Verhandlung an das Landgericht Köln verwiesen.

Die Jungmannen haben der Landwirtschaft, wie allseitig anerkannt wird, gute Dienste geleistet. Immerhin mögen sich bei der Organisation noch Fehler herausgestellt haben. Diese zu beseitigen, wird das eifrige Bestreben der Leiter der Jungmannenhilfe sein. Der Winter soll dazu dienen, auf dem Gebiete der Wissenschaft das Versäumte nachzuholen. Daneben soll eine Vorbereitung für die kommende Hilfe im Frühjahr, Sommer und Hebst gehen. Militärische Hilfe wird im kommenden Jahre, wenn überhaupt, nur in den allerdringendsten Fällen gewährt werden können. Die Landwirte sollen sich daher jetzt schon mit dem Gedanken der Jungmannenhilfe vertraut machen und die Vertrauensleute der Kriegswirtschaftsstelle bereits jetzt davon in Kenntnis setzen, wie viele Jungmannen und zu welchen Arbeiten sie die Hilfe in Anspruch nehmen wollen. Die städtische Gartenverwaltung hat Herrn Prof. Fücht-Johann für die ihm unterstehenden Jungmannen ein Stück Land zur Verfügung gestellt, das im Winter unter sachkundiger Leitung bearbeitet wird, um so die Jungmannen in praktischer Arbeit zu unterrichten. K. W. B.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

     

Schöffengericht Bonn. […] Der 34jährige Händler Heinrich D. von hier hatte wegen Ueberschreitung der Höchstpreise für Marmelade einen Strafbefehl von 60 Mark erhalten. D. hatte vor jetzt einem Jahre im November und Dezember die Marmelade für 80 Pfg. pro Pfund in Bonn verkauft und machte geltend, es sei Marmelade erster Sorte gewesen, für die kein Höchstpreis bestanden und die er mit 60 Pfg. beim Fabrikanten in Oberbachem gekauft habe. Nach der Zeugenaussage des Fabrikanten war diese Marmelade angefertigt aus der Mischung von Rüben, Pflaumen, Aepfeln und Birnen. Hiernach gehörte sie keineswegs zur ersten, sondern zur fünften Marmeladensorte, die pfundweise für 35 und in größeren Mengen bis zu 30 Pfd. für 32 Pfg. verkauft werden darf nach der für Bonn bestehenden Verordnung. Das Gericht verwarf die Berufung des D. und erhöhte sein Strafmaß von 60 auf 100 Mark unter dem Hinweis, daß gegen derartige Wucherhandlungen mit größter Rücksichtslosigkeit vorgegangen werden müsse. – Ueber die 38jährige Ehefrau des Kaufmanns Jos. Ku. von hier, deren Mann seit drei Jahren im Felde ist, war eine Bestrafung mit zwei Wochen Gefängnis und 50 Mark verhängt worden wegen Ueberschreitung der Höchstpreise, indem sie am 10. Juli in ihrem Geschäfte für Himbeeren 1,20 Mark statt 85 Pfg. pro Pfund gefordert haben sollte. Die gestrige Beweisaufnahme ergab jedoch, daß die öffentliche Bekanntgabe dieser festgesetzten Höchstpreise erst unterm 10. Juli im Bonner General-Anzeiger erfolgt war, also an demselben Tage, an dem die Uebertretung begangen worden sein soll. Die Angeklagte behauptete, daß sie erst am Abend beim Durchlesen des General-Anzeigers Kenntnis von dieser Verordnung genommen und also nur in entschuldbarer Unkenntnis des Gesetzes gehandelt haben könne. Der Gerichtsvorsitzende Herr Geheimrat Dr. Winand vertrat den Standpunkt, daß es dem gewöhnlichen Staatsbürger nicht zugemutet werden könne, sich das Amtsblatt zu halten, um nachzusehen, ob eine einschlägige Verordnung für sein Geschäft darin enthalten sei; im allgemeinen seien diese Leute auf das ausgesprochene Lokalblatt angewiesen, und dies sei hierzulande der Bonner General-Anzeiger. Die Angeklagte Ku. erfuhr daher eine Freisprechung.
   Der 47jährigen Handelsfrau D. von hier war zu Last gelegt, daß sie am 16. Juli den Kopfsalat stückweise verkauft habe, während die Kriegsverordnung nur den Verkauf nach Gewicht zuließ. Die festgesetzte Strafe lautete auf 100 Mark. – Der Bierverleger Johann Be. von hier hatte gegen einen Strafbefehl von 50 Mark Einspruch erhoben. Er hatte bei letzterer 25 Mark für den Zentner Schneidkohl als Bezahlung angenommen, während der Höchstpreis auf nur 22 Pfennig stand. „Nicht nur dann macht man sich straffällig“, führte der Vorsitzende aus, „wenn man selber mehr verlangt als erlaubt ist, sondern auch dann, wenn man sich mehr gewähren läßt.“ Die Staatsanwaltschaft hielt das Strafmaß von 50 Mark für zu gering und beantragte eine Erhöhung auf 100 Mark. Das Gericht schloß sich diesem Antrage an.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Zur Gassperre. Zu den vielen Unzuträglichkeiten, die der Krieg für die Bürgerschaft im allgemeinen mit sich gebracht hat, ist nun auch noch die einschneidende Maßnahme der zeitweiligen Gassperre in Bonn getreten. Ob diese Maßnahme praktisch wirkungsvoll ist, kann bezweifelt werden. Die gewerblichen Kreise, die Gas zu Betriebszwecken benötigen, werden die versäumte Nachmittagszeit natürlich nachzuholen suchen und ihre Arbeitszeit zum Teil bis möglichst 11 Uhr abends ausdehnen, wobei sie außer dem Betriebsgas auch noch Leuchtgas in vermehrtem Maße verbrauchen. Die Gasmenge, die nachts in den Röhren steht und durch die völlige Absperrung erspart werden soll, dürfte nicht so bedeutend sein, als die Menge an Leuchtgas, die von den Gewerbebetrieben durch die Ausdehnung der Arbeitszeit nach Inkrafttreten der zeitweiligen Gassperre verbraucht wird. Andererseits bedeutet die Gassperre für viele gewerbliche Unternehmungen eine sehr empfindliche Betriebsstörung, und die Bürger, die Kranke im Hause haben oder aus anderen Gründen nachts Licht benötigen, sind durch diese sehr diskutierbare Maßnahme stark benachteiligt. In Düsseldorf ist die Presse öffentlich gegen die dort beabsichtigte Gassperre vorstellig geworden und hat es erreicht, daß die dortigen städtischen Lichtwerke vorläufig ihren Plan aufgeschoben haben. In Köln hat man von der Gassperre einstweilen überhaupt Abstand genommen, da man in den dortigen Fachkreisen von einer derartigen Maßnahme sich nur einen recht geringen Nutzen versprach. Wir möchten daher unseren Bonner städtischen Gaswerken empfehlen, sich mit den Kölner und Düsseldorfer Fachkollegen in Verbindung zu setzen, um vielleicht auch noch zu einem aufschiebenden Beschluß in der Frage der Gassperre zu gelangen. Man soll in dieser Zeit der wirtschaftlichen Not der Bürgerschaft das Leben nicht unbequemer machen, als es unbedingt notwendig ist. Namens mehrerer Gewerbetreibender.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)

    

Abgabe von gelben Erdkohlrabien zum Einkellern. Jedem Einwohner der Stadt Bonn wird auf Antrag sein Winterbedarf an gelbfleischigen Erdkohlrabien zum Einkellern überwiesen. Voraussetzung ist, daß gute trockene Kellerräume vorhanden sind. Bestellungen auf Erdkohlrabien sind bis zum 15. November 1917 schriftlich oder mündlich im städtischen Lebensmittelamt, Zimmer 12, anzubringen.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)