Freitag, 2. November 1917
Eine Totenfeier an den Kriegsgräbern auf dem Nordfriedhofe veranstaltete am gestrigen Allerheiligentage wieder der Bonner Kriegerverband. Die in Bonn stehenden Truppenteile, die Verwundeten, die Vertreter der Behörden und eine unübersehbare Menschenmenge nahmen daran teil. Als der einleitende Trauermarsch verklungen war, legten der Vorsitzende des Kreis-Kriegerverbandes, Herr Janssen, sowie Vertreter aller hiesigen Truppenteile Kränze nieder und widmeten dabei den gestorbenen Kriegern ehrende und dankende Worte. Die Bonner Liedertafel sang Lindpaintners wehmütige „Himmelssehnsucht“. Oberpfarrer Dechant Böhmer forderte in einer kurzen Ansprache auf, den für das Vaterland und jeden einzelnen von uns gefallenen Helden dankbar zu sein, aufs neue zu geloben, daß wir bis zum glorreichen Siege treu durchhalten und einig bleiben wollen. Streitigkeiten sollten jedenfalls bis nach dem Kriege zurückgestellt werden, jetzt gelte es nur, einen dauerhaften, ehrenvollen und glorreichen Frieden zu erzielen. Es folgten ein Trauermarsch der Musikkapelle und der von der Liedertafel gesungene Trauerchor „O wie sanfte selige Ruh“. Auch der zweite Redner, Herr Pfarrer Mühlhaupt, erinnerte an die Dankespflicht, die wir den gefallenen Kriegern schulden. Der Geist der Kameradschaft, der sie eine, möge unser ganzes Volk erfüllen und uns zu einem einigen Volk von Brüdern machen, damit ihr Blut nicht umsonst geflossen sei. Nachdem die Liedertafel noch „Selig sind die Toten“ vorgetragen hatte, schloß die ergreifende Trauerfeier mit den weihevollen Klängen eines niederländischen Dankgebetes.
Geflaggt haben wegen des glänzenden Erfolges unserer und der österreichisch-ungarischen Truppen wegen unseres Sieges in Italien alle öffentlichen und viele private Gebäude.
Einen schulfreien Tag hat heute die gesamte Bonner Schuljugend wegen unseres Sieges in Italien. Mögen die Italiener recht bald zu noch weiteren schulfreien Tagen Veranlassung werden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Aus dreijähriger französischer Gefangenschaft zurückgekehrt ist ein Sohn unserer Stadt, Herr Ingenieur Ernst Riefenstahl, Sohn des Bonner Universitätsrichters Geheimrat Riefenstahl. Der Heimgekehrte erzählt außerordentlich viel Interessantes aus seiner langen Leidenszeit. Er weilte zur Zeit des Ausbruchs des Krieges in Kamerun, wurde dort von Engländern gefangen genommen, die im allgemeinen menschlich verfuhren. Ganz anders war das Bild, als er nach Französisch-Dahomey abgeschoben wurde. Was die „ritterliche Kulturnation“ sich dort an viehischen Misshandlungen der armen deutschen Gefangenen – an Folter und Tortur – geleistet hat, übersteigt das Maß des Erfassens und erinnert an die finstersten Zeiten des Mittelalters. Herr Riefenstahl kam von Dahomey nach Marokko und dann nach Frankreich selbst. Die Behandlung war dort besser, wenn auch nicht im Entferntesten so, wie entsprechenderweise in Deutschland. Anspucken von Gefangenen, von „vornehmen Damen“, Bewerfen mit Schmutz, laute Beschimpfungen sind noch immer des Landes Brauch. Dabei hat der Franzose, insbesondere der französische Soldat, längst die Hoffnung aufgegeben, daß Deutschland militärisch niedergerungen werden kann. Man führt den Krieg nur weiter in de Hoffnung auf deutsche Uneinigkeit und neugestärkt durch die deutschen Friedensangebote.
Ueber Opfer und Pflichten des Krieges sprach Mittwochabend im Bürgerverein der Feld-Divisionspfarrer P. Kilian Müller. Gewiß lege der Krieg den Daheimgebliebenen große Opfer auf, die Familien, denen der Vater, der Gatte, der Sohn falle, brächten die höchsten Opfer, die er wohl zu würdigen wisse. Gemessen an den Opfern, den Leiden, Nöten und Entbehrungen an der Front und in den Kampfgebieten würden die Opfer in der Heimat klein. Im Anschluß an Gott sei das Leid geduldig zu ertragen. Aus den geringen Opfern der Heimat aber erwüchsen große Pflichten gegen die Kämpfenden, die täglich in Not und Tod ständen; die frisch blutend in langen Reihen auf den Verbandsplätzen liegen, die mit brechenden Augen noch mit letztem Gruß der Heimat gedächten, der Frau, der Mutter, der Kinder. Wie leiden nicht die Bürger im Kampfgebiet! Vertrieben durch berstende Granaten, durch Feuer und Schwert irrten sie, Weib und Kind, wenig bekleidet, weniges im Bündel, Hab und Gut hinter sich in Flammen aufgehend, über die Walstatt, oder von harten Kriegsnotwendigkeiten getrieben, zögen sie in langen Reihen bei Sturm und Regen, Eis und Schnee in fremde Gebiete. Das seien Opfer, Leiden, von denen hier keiner träume; hier, wo man im Wohlleben nur die kleinen Nadelstiche empfinde, die der Krieg austeile. Zu fern sei der Krieg; der rechte Geist fehle in der Heimat. Da würden denn die Klagen und das Jammern geboren, das denen an der Front den Kampf und die Not nur noch schlimmer mache. Scharf tadelte Redner die bösen zweifelnden Reden der Heimat, die Klagebriefe in das Feld. Dort sollten sie alle davon nichts wissen. Darum jetzt keine unnützen Reden. Der Soldat hat das letzte Wort. Unsere Feinde geben nicht nach, da müssen wir kämpfen bis zum guten Ende. Ein ehrenvoller Friede, ein siegreiches Ausgehen des Krieges, sie werden und sie müssen kommen zu uns. „Wir werden siegen, wenn jeder in der Heimat seine Pflicht tut; die Front tut sie.“
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Soldatenheim. Im Soldatenheim, Josefstraße 46, gab’s am verflossenen Sonntag unter Leitung des Ausschussmitgliedes Herrn Oberpostassistenten Großgarten einen schönen „Bunten Abend“. Das Quartett Berief brachte in gewohnt mustergültiger Weise prächtige Lieder zum Vortrag. Das gilt in besonderem Maße von dem Solo des Herrn Berief selbst. Sehr gut gefielen die schönen gesanglichen Darbietungen des Herrn P. Eisers aus Godesberg, den Frl Wally Borris am Klavier trefflich begleitete. Frl. Lenzen erregte mit ihren heiteren Vorträgen wieder wahre Lachsalven. Den Vogel schoß aber ab der Klavierhumorist Herr Koep. Besonders mit seiner Variete-Parodie. Zum Schluß unterhielt noch Herr Kretzschmar die Anwesenden mit vielen neuen wunderbaren und phänomenalen Zauberkunststückchen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)