Sonntag, 19. August 1917
Warum müssen wir unsere Goldsachen den Goldankaufstellen verkaufen? Die Reichsbank muß als Unterlage für ihre mit der Kriegsdauer immer mehr anschwellenden Banknoten einen möglichst großen Goldbestand in ihren Kassen haben. Je stärker diese Deckung ist, desto größer ist der Kredit der Reichsbanknoten im In- und Auslande. Kann die Bank die notwendigen Lebensmittel und Rohstoffe für uns nicht mehr mit dem immer rückströmenden Gold bezahlen, so muß sie, da Gold allein in der ganzen Welt zum vollen Wert angenommen wird, ihre Goldbestände angreifen und allmählich aufzehren. Das aber wäre der Zusammenbruch unserer deutschen Volkswirtschaft. Darauf rechnen unsere Feinde. Ihre Tücke bekämpft und die Erfolge unserer Heere stärkt jeder, der seine goldene Uhrkette, seine goldene Brosche, seine goldenen Ohrringe usw. dem Goldschatz der Reichsbank zuweist. Den vollen Goldwert bezahlt ihm die Goldankaufstelle am Münsterplatz. Wenn jeder Deutsche auch nur 5 Gramm Gold dem Reiche zuführt, steht eine neue Milliarde als eine Armee gegen den Feind.
Verordnung des Gouverneurs. Der Gouverneur der Festung Köln hat eine Verordnung erlassen, wonach jede männliche und weibliche Person auf Anforderung der zuständigen Behörde im Bezirke ihres Wohnsitzes oder in der Nachbargemeinde gegen den ortsüblichen Lohn ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechend verpflichtet ist, Arbeiten zu übernehmen, die zur Vermeidung von Verzögerungen beim Beladen und Entladen von Eisenbahnwagen und zur Beschleunigung des Wagenumlaufs notwendig werden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
In Groß-Bonn tritt augenblicklich das Kunstschützenpaar Desterros, eine Dame und ein Herr, mit großem Erfolg auf. Namentlich verblüfft die Dame durch ihre Treffsicherheit. Sie schießt u. a. Gegenstände, die ihr Partner in der Hand oder gar im Munde hält, mit dem Gewehr oder mit der Pistole weg. Mit abgewandtem Gesicht durch einen Spiegel trifft sie sogar ihr Ziel. „Die gehört in die Front, die muß in den Schützengraben,“ hieß es allgemein im Zuschauerraum. […]
Der Bonner Wochenmarkt war gestern sehr gut beschickt. Der Verkauf war durchweg flott. An Obst waren Aepfel, Birnen, Pfirsiche, verschiedene Sorten Reineklauden und Pflaumen, Mirabellen, sowie Brüsseler Trauben zu 3 und 3,50 Mark und Brombeeren zu 1 Mark das Pfund reichlich zu haben. Gemüse dagegen weniger. […]
Auf dem Großmarkt auf dem Stiftsplatz waren in fast allen Marktprodukten die Zufuhren bei weitem nicht so groß, wie anfangs dieser Woche. An Gemüse war nur etwas Rot- und Weißkohl, Wirsing, Spitzkappus und Blumenkohl, an Obst einige Körbe mit Aepfel, Birnen, Pfirsichen und Pflaumen vorhanden. […] Der Verkauf war auch hier im allgemeinen flott.
Der städtische Verkauf auf dem Wochenmarkt hatte wieder recht regen Zuspruch, besonders in Obst, Einmachgurken und Rhabarber, worin große Mengen vorhanden waren. In Fischen war die Auswahl gestern nicht so groß wie sonst, verkauft wurden nur marinierte Bismarckheringe und geräucherte Schellfische. […]
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Eine gerechte Empörung bemächtigte sich am Freitag morgen eines sehr großen Teiles der Besucher des Wochenmarktes. Eine Gemüse- und Obsthändlerin, Frau Christgen, Bonn, Maargasse 6, hatte für Birnen sehr geringer Beschaffenheit mehr als den Höchstpreis gefordert. Eine wackere Bonner Hausfrau, deren es leider bisher nur wenige auf dem Wochenmarkt gab, machte einem Polizeibeamten davon Mitteilung. Als dieser die Frau C. zur Rede stellte, kam er aber gut an. Die Frau wollte durchaus nicht einsehen, daß sie im Unrecht war. Als die Umstehenden auf sie einredeten, rief sie ihnen zu: „Ihr müßt überhaupt nichts zu essen haben. Verhungern müßt Ihr.“ Der Beamte nahm der Frau, die durchaus nicht zum Höchstpreis verkaufen wollte, den Korb mit Birnen fort; allein die Frau entriß den Korb wieder und verkaufte schließlich zum Höchstpreise. Sie weigerte sich aber, der Frau, welche die Anzeige erstattet hatte, Birnen zu verkaufen und entriß dem Beamten die Wagschale mit Birnen, die dieser der Frau zuteilen wollte. Alle Umstehenden waren voll Empörung über dieses maßlose Benehmen, und wäre der Beamte nicht mit bewundernswerter Umsicht und Ruhe vorgegangen, man wüßte nicht, was noch geschehen wäre. – Der Fall wird sicherlich nicht bloß mit einem Strafbefehl von einigen lumpigen Mark abgetan werden, sondern für die Händlerin ein gerichtliches Nachspiel haben und hoffentlich einsichtige Richter finden. Das verlangt auch schon neben vaterländischen Gesichtspunkten die Rücksicht auf die übrigen Händler auf dem Wochenmarkte, die unter schwierigen Verhältnissen ihr Gewerbe heute nach den geltenden Bestimmungen gern und willig weiter ausüben und an der Versorgung der Bürgerschaft mithelfen. Die Behörde dürfte wohl Veranlassung nehmen, der Händlerin sofort den Handel zu untersagen, weshalb wir auch entgegen unserer sonstigen Gewohnheit den Namen der Händlerin der Oeffentlichkeit nicht vorenthalten haben.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)