Sonntag, 5. August 1917

     

Durch einen Dummejungenstreich wurden Freitag abend gegen 7 Uhr in der Colmantstraße die Fahrgäste eines Straßenbahnwagens und die Anwohner erschreckt. Eine kleine, eiförmige Büchse platzte neben dem fahrenden Straßenbahnwagen mit lautem Knall. Es stellte sich heraus, daß die Büchse mit Kalziumkarbid und Wasser gefüllt gewesen war und das durch die Verbindung beider Stoffe entstandene Azetylengas die Büchse gesprengt hatte. Von dem Schreck abgesehen ist niemand zu Schaden gekommen.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

     

Keine Beschlagnahme der häuslichen Gemüsevorräte. Aus unserem Leserkreis wird uns geschrieben: Von vielen Hausfrauen wird die Nachricht mit einem Seufzer der Erleichterung begrüßt worden sein, daß die Behörde nicht beabsichtigt, eine Beschlagnahme der eingemachten Gemüse in den privaten Haushaltungen zu veranlassen. Auch in Bonn haben viele Hausfrauen Vorräte an Gemüse und Obst angesammelt und sind noch ständig dabei, weitere Vorräte zu kaufen und zu konservieren. Infolge dieser Maßnahmen sind die Höchstpreise stark überschritten worden und die mittlere und ärmere Bevölkerung war deshalb kaum in der Lage, Gemüse und Obst bisher kaufen zu können. Es fragt sich nun, ob unser Städtisches Lebensmittelamt gewillt ist, im Herbst und Winter einen gerechten Ausgleich herbeizuführen. Wenn die Hausfrauen, die reiche Vorräte an Gemüse und Obst in konserviertem Zustande aufgestapelt haben, sich auch noch an dem Konsum der Städtischen Lebensmittel beteiligen, so ist die mittlere und ärmere Bevölkerung natürlich hinsichtlich der Rationierung der vorhandenen Mengen stark benachteiligt. Herr Beigeordneter Piehl, der bisher mit außerordentlicher Initiative sich der Nahrungsmittelorganisation angenommen hat, sei auf diesen Umstand rechtzeitig hingewiesen. Es dürfte zu überlegen sein, ob nicht im Herbst eine amtliche Bestandsaufnahme für Gemüse und Obst wie überhaupt der vorhandenen privaten Nahrungsvorräte vorgenommen werden soll, um diejenigen Familien, die über eine gewisse Menge hinaus Nahrungsmittelvorräte angesammelt haben, vom Bezug des Städtischen Lebensmittelamtes auszuschließen oder ihr Bezugsrecht entsprechend zu beschränken. Es geht nicht an, daß solche Familien, die infolge ihrer Vermögensverhältnisse in der Lage waren, im Laufe des Sommers für Obst, Gemüse usw. jeden verlangten Preis zahlen zu können, im Winter vor leiblicher Not bewahrt sind, während Handwerkerfamilien, Familien der mittleren und kleineren Angestellten und gewisse Arbeiterkategorien lediglich auf die Zuweisungen des Städtischen Nahrungsmittelamtes angewiesen bleiben und diese Zuweisungen, ihnen womöglich noch durch den Mitkonsum jener Familien beschränkt werden, die jetzt das Einmachen in großem Stil betreiben.

Der Bonner Wochenmarkt war gestern ziemlich gut beschickt. Der Verkauf war durchweg flott. An Gemüse war vorwiegend Wirsing, Rot- und Weißkohl, Spitzkappus, Schneidgemüse, Knollengemüse, hiesiger Blumenkohl und Spinat, sowie Salz-, Senf- und Essiggurken, grüne Bohnen, Tomaten, Möhren, Kohlrabien, Karotten, Kopf- und Endiviensalat, hiesige und pfälzische Zwiebeln, große Gurken, verschiedene Sorten Pilze, Rettiche, Meerrettiche usw. vorhanden. […] Obst war wieder reichlich zu haben, aber immer noch zu verhältnismäßig sehr hohen Preisen. […]
   Auf dem Großmarkt auf dem Stiftsplatz waren die Zufuhren in fast allen Marktprodukten etwas besser als anfangs der Woche. In Gemüse, wie Wirsing, Rot- und Weißkohl, Spitzkappus und Knollengemüse ließen die Zufuhren aber immer noch viel zu wünschen übrig. Obst und gelbe und grüne Bohnen waren dagegen reichlich vorhanden. […]
   Der städtische Verkauf auf dem Wochenmarkt hatte wieder recht regen Zuspruch, besonders in Fischen, Obst und Einmachbohnen. Einmachbohnen waren große Mengen vorhanden, so daß jeder 20 Pfund zum Höchstpreise von 40 Pfg. für das Pfund haben konnte. […]

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Bitte an das städtische Lebensmittelamt. In nicht mehr allzu langer Zeit wird die billige Fleischzulage wieder verschwinden und der vollen Brotration Platz machen. Im Interesse unseres stark angegriffenen Viehstandes ist dies nur zu begrüßen, aber der überwiegende Teil unserer unbemittelten Bevölkerung würde gerne den alten Zustand beibehalten. Der wahre Grund ist sehr einfach. Die Preise für die Fleischrationen der Reichsfleischkarte sind so hoch, daß besonders die kinderreichen Familien nicht in der Lage sind auch nur annähernd ihre Fleischkarten auszunützen, zumal wenn der Vater im Felde steht, oder ein den heutigen Verhältnissen entsprechend geringes Einkommen hat. Die Folge davon ist, auch wenn es hundertmal verboten ist, daß die armen Frauen den Metzgern gern die übrigen Fleischabschnitte schenken oder direkt an Besserbemittelte abgeben, um irgend eines kleinen Vorteils wegen. Diesem Zustande wäre leicht abzuhelfen und die Verbote könnten gespart werden, wenn man nach dem Muster eines ganzen Teils süddeutscher Städte verfahren würde. Dort kann Abteilung A und B die nicht verbrauchten Fleischabschnitte allwöchentlich, zum Teil auch zweimal monatlich, auf dem Lebensmittelamte abgeben und erhält dafür Haferflocken und Mehl. […] Ein kinderreicher Familienvater.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)

     

Amtliche Bekanntmachungen. Infolge der Neuregelung der Brotversorgung ist auch für Bonn der Erlaß neuer Bekanntmachungen notwendig geworden. Der Anzeigenteil dieser Nummer enthält diese neuen Verordnungen, nämlich:
   1. Verordnung über die Mehl- und Brotversorgung im Stadtteile Bonn.
   2. Verordnung über die Bereitung von Backware im Stadtteile Bonn.
   3. Verordnung über Höchstpreise für Brot und inländisches Mehl im Stadtteile Bonn.
   4. Verordnung über die Kontrolle des Mehlverbrauchs im Stadtteile Bonn.
   5. Verordnung über die Abgabe von Zusatzbrot der Schwerarbeiter und der hoffenden und stillenden Frauen im Stadtteile Bonn.
   6. Verordnung über die Gewährung einer Brotzulage an die landwirtschaftlichen Schwerarbeiter im Stadtteile Bonn.

Eine Erklärung zur Friedensfrage. 77 Professoren und Privatdozenten der Universität Bonn habne folgende Erklärung abgegeben. „Nachdem das Friedensangebot unserer Regierung abgelehnt und die kürzlich erfolgte Entschließung des Reichstages von einem englischen Staatsmann mit der Aufforderung beantwortet worden ist unsere Truppen auf das rechte Rheinufer zurückzuziehen, halten wir jedes weitere Friedensangebot von deutscher Seite für schädlich. Wir mißbilligen es, wenn eine politische Partei ihre Haltung in der auswärtigen Politik von innerpolitischen Zugeständnissen abhängig macht. Wir halten unverbrüchlich fest an der konstitutionell-monarchischen Grundlage des preußischen Staates und an dem förderativen Charakter des Deutschen Reiches. Wir vertrauen darauf, daß in dem Frieden den unser Kaiser dereinst in schließen hat, den Lebensbedingungen und den geographischen und militärischen Notwendigkeiten Deutschlands Rechnung getragen werde.“

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)