Mittwoch, 4. Juli 1917
Stadtverordnetenwahlen. Die in diesem Jahre fälligen regelmäßigen Ergänzungswahlen zur Stadtverordnetenversammlung sollen, wie der Verfassungsausschuß der Stadtverordneten empfiehlt, nicht verschoben werden. Eine neue Wählerliste soll jedoch nicht aufgestellt, den Wahlen vielmehr auf Grund der Verordnungen über die Sicherstellung des kommunalen Wahlrechts der Kriegsteilnehmer die letzte endgültige Liste zugrunde gelegt werden.
37 verwundete Austauschgefangene, die bis vor kurzem in russischer Gefangenschaft waren und über Schweden in die Heimat befördert worden sind, sind gestern mittag in Bonn angekommen. Sie sind zur weiteren Behandlung und Pflege in hiesigen Lazaretten untergebracht worden.
Der Verein für deutsche Frauenkleidung und Frauenkultur hat, wie bereits berichtet, in diesen Tagen Martinsplatz 6 eine kleine feine Ausstellung eingerichtet, deren Besuch wir den Bonner Damen nochmal angelegentlich empfehlen möchten. Eine Unsumme praktischen Wissens und Könnens ist hier im Interesse einer zweckmäßigen und gesunden Frauenkleidung zusammengetragen. Besonders dem Gebiete der praktischen Berufs- und Arbeitskleidung aller Art hat hauptsächlich Fräulein Schwarz (Bonn) ein regelrechtes Studium gewidmet, dem man nicht nur hohe Anerkennung, sondern auch Bewunderung zollen muß. Wer vor dem Kriege gewagt hätte, das Tragen von Oberbeinkleidern für Frauen zu befürworten, der wäre unfehlbar allen möglichen Anfeindungen ausgesetzt gewesen. Und doch war es damals schon vernünftig und praktisch denkenden Frauen absolut klar, daß für die beruflich tätige Frau – an Eisenbahnerinnen, Schaffnerinnen, Industrieschwerarbeiterinnen dachte man damals noch gar nicht – die Rockhose und die halsfreie Bluse nicht nur vom praktischen, sondern auch vom hygienischen Standpunkte aus das einzig richtige sei. Wir sind hier weit entfernt, jener „Hosenmode“ irgendwie das Wort zu reden, die gerade in unserer Zeit angeblich zu Sportzwecken – es ist ja unbestreitbar, daß für den Sport das Beinkleid auch für Frauen das Zweckmäßigste ist – in Wirklichkeit aber nur, um aufzufallen, getragen wird. Auch da wird eben die Trägerin stets das Kleid durch ihr Benehmen adeln oder gemein machen, mag es nun ein Beinkleid oder auch nur das so beliebte „Dirndlgewand“ oder irgend ein anderes Kleid sein. Hier hat Fräulein Schwarz einen trefflichen Mittelweg gefunden: Arbeits- und Sportanzüge mit Rock und Beinkleid, letzteres stets aus einem leichten Stoff von der Farbe des Oberkleides, oft auch mit auswechselbaren hellen Blusen versehen, äußerst dezent und unauffällig in Farbe und Schnitt, aus nur guten Stoffen hergestellt, und dabei von gediegener Verarbeitung. Wir finden alle Arten Berufskleidung vertreten, z. B. einen einfachen blauen Mantel für Beamtinnen, leicht und auch sehr gefällig und kleidsam, verschiedene Schwesternkleider, Hauskleider aller Art, vom schlichten Blaudruckkleidchen bis zum „besseren“ Hauskleid, das durch allerlei Schmuckwerk einen freundlichen Eindruck machen will. Unter den Berufskleidern fällt vor allem ein Anzug für Schwerarbeiterinnen durch seine absolute Nurzweckmäßigkeit auf: ganz faltenlos und glatt, ist dieser Anzug nur bestrebt, in keiner Weise ein Hindernis oder gar eine Gefahr für seine Trägerin zu bieten. Es sei auch auf die beiden praktischen Anzüge (für Sommer und Winter) für Schaffnerinnen, die auch die leidige Mützenfrage geschickt lösen, und den bis ins kleinste sorgfältig ausstudierten Anzug für Bahnwärterinnen hingewiesen. Auch die sehr soliden Kleider für Land- und Gartenarbeit sind zu erwähnen, die durch eine Reihe praktischer Schürzen vervollständigt werden. Für die Hausfrau sind allerlei kleidsame Blusen und hübsche Kleider gedacht, darunter sehr hübsche Modelle von Fräulein Schwarz, und verschiedene Volkskunstarbeiten, wie z. B. Waldecksche Durchbruchstickereien, ein Flensburger Hauswebereikleid, dann eine ganze Reihe Kleider und Kinderkleidchen in Heidelberger Heimarbeit. In unserer Zeit der Stoffeinschränkung ist besonders die geschickte Resteverwendung zu allerlei Kindersachen bemerkenswert, die unsern Müttern lehrreiche Winke und Anregungen zu geben vermag. Reizende Häkelarbeiten, Krägelchen, Gürtel, Bänder und Stickereien vervollständigen die, wir betonen es im Interesse der guten Sache noch einmal, für Frauen aller Stände lehrreiche Ausstellung, der ein guter Erfolg sehr zu wünschen ist.
Für das städtische Lyzeum müssen, da die Schülerinnenzahl gestiegen ist, 60 neue Bänke angeschafft werden. Die Kosten betragen 5000 Mark.
Sammeln von Wildgemüse. Am morgigen Donnerstag findet unter Führung von Herrn Rektor Emons wieder eine Wanderung statt, um unsere Hausfrauen über Wildpflanzen, die sich zur Verwendung in der Küche eignen, zu belehren. Wie nützlich und nötig diese Belehrung bei den hohen Gemüsepreisen ist, braucht kaum betont zu werden, denn die Wildpflanzen liefern uns nahrhafte, wohlschmeckende und billige Gemüse. Unsere Hausfrauen werden daher im eigenen Interesse dringend gebeten, sich an der Wanderung recht zahlreich zu beteiligen. Die Wanderung beginnt nachmittags 5½ Uhr an der Haltestelle der Rheindorfer Straßenbahn Ecke Kölnstraße und Kaiser-Karl-Ring. Belehrende Hefte über Wildpflanzen und Pilze sowie deren Verwendung in der Küche werden in der Beratungsstelle der Hauswirtschaftlichen Kriegshilfe Am Hof 1 kostenlos abgegeben.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Der Bonner Wochenmarkt war gestern bei durchweg flottem Verkauf ziemlich gut beschickt. Vorwiegend war Grüngemüse, wie Wirsing, Schneidgemüse, Spitzkappus und Rübstiel, sowie Kopfsalat, Gurken, Kohlrabien usw. vorhanden. […] An Obst waren nur einige Himbeeren zu haben, sonst war auf dem ganzen Markt außer beim städtischen Verkauf kein Obst zu haben. Seit einigen Tagen kommen auch schon Pilze und unreife Baumnüsse zum Einmachen auf den Markt.
Auf dem Großmarkt auf dem Stiftsplatz waren die Zufuhren in fast allen Marktprodukten verhältnismäßig klein. […] Obst war auch nicht zu haben.
Der städtische Verkauf auf dem Wochenmarkt hatte wieder sehr regen Zuspruch. Hauptsächlich waren grüne Bohnen in großen Mengen zu haben. Außerdem wurden noch gelbe Bohnen, Wirsing, Schneidgemüse, Knollengemüse, Gurken, Kopfsalat, Zwiebeln, Suppengrün, Kirschen, Stachelbeeren, Johannisbeeren, Himbeeren, marinierte Bismarck-Heringe und geräucherte Schellfische verkauft.
Eine zweite Verkaufsstelle des städtischen Gemüse- und Obst-Verkaufs ist jetzt des großen Andranges wegen auf dem hiesigen Wochenmarkt eröffnet worden. Die Verkaufsstelle befindet sich in der Nähe der Marktbrücke und ist ebenfalls durch ein großes Schild „Städtischer Verkauf“ kenntlich gemacht.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)