Montag, 4. Juni 1917
Schuhmode und wirtschaftliche Lage. Die Reichsbekleidungsstelle schreibt in ihren „Mitteilungen“: Die herrschende Knappheit an Schuhwaren gebietet uns, hierin, wie in allem was unsere Kleidung betrifft, möglichste Sparsamkeit. In krassem Gegensatz dazu steht die neue Schuhmode, die Leder zu Schuhen mit hohen Schäften verwendet. Eine solche Mode ist gänzlich unvereinbar mit den wirtschaftlichen Kriegszielen. Von der Einsicht der beteiligten Geschäftskreise darf man wohl erwarten, daß sie sich den gegebenen Verhältnissen anpassen und danach ihre Maßnahmen treffen werden. – Im Anschluß hieran sei das Tragen von Holzschuhen empfohlen, die sich schon vielfach trefflich bewährt haben. Der Holzschuh hat vor dem Lederschuh die größere Haltbarkeit voraus und bietet auch in gesundheitlicher Hinsicht mancherlei Vorteile. Der Fuß kann sich in Freiheit ausdehnen und wird nicht eingepreßt, wie es beim Lederschuh oftmals der Fall ist. Daher hat er keine der üblichen Krankheitserscheinungen, wie Verkrümmung der Zehen, Bildung von Hühneraugen und dergl. zur Folge. Man kann nur wünschen, daß der Holzschuh sowohl aus wirtschaftlichen wie gesundheitlichen Gründen größere Verbreitung finden möge, als bisher.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Vorträge. Im großen Saale der Lese versammelte am Samstag abend der Dichter Heinrich Lersch eine große Schar von Verehrern und Verehrerinnen um sich, die gerne dem Vortrage eigener Poesien des rasch berühmt gewordenen Kesselschmiedes vom Niederrhein lauschten. Trotz des ungelenken Vortrages übten die stark und unmittelbar empfundenen Gedichte von Arbeit und Liebe, von Sonntag und Werktag eine tiefe Wirkung aus. Man fühlte bei Stücken wie „Ein Narr erzählt in der Nacht“ oder „Was schafft Dir Deinen Schmerz“, daß Urgefühle heiß aus der Phantasie herausströmten, und bei den herb-realistischen Schilderungen des freudlosen Daseins von Arbeitern und Fabrikmädchen, daß hier ein Sohn des Volkes zum Volke redete. War der erste Teil des Vortragsabends aus der Gedichtsammlung „Abglanz der Lebens“ entnommen, die meist soziale Massengefühle zu poetischen Bildern formt, so kam im zweiten Teil der Sänger des Weltkrieges zu Worte. Aus dem Buche „Herz, aufglühe Dein Blut“, das sich den Kleistpreis errang, las der Dichter die schönsten Stücke, packende Visionen aus der Champagneschlacht, in eigenartiger, bildhafter Tonmalerei, die grausigen Artilleriekämpfe, das heldenhafte Sterben, die Totenklage um die gefallenen Kameraden mit einer unmittelbaren Eindringlichkeit schildernd, der sich kaum etwas anderes aus der Kriegspoesie unserer Tage an die Seite stellen läßt. Besonders starken Beifall erhielten einige der letzten Stücke, das Gedicht vom Eisernen Hauptmann, das die schweren Kämpfe der Kölner 65er bei Ripont besingt, und das wie eine Fanfare klingende: „Matrosen, U-Bootleute, macht frei das deutsche Meer!“
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Kaninchen-, Katzen- und Hasenfelle. Am 1. Juni ist eine Bekanntmachung in Kraft getreten, durch welche alle rohen und eingearbeiteten Felle von zahmen und wilden Kaninchen, sowie von Hasen und Hauskatzen jeder Herkunft und in jedem Zustande beschlagnahmt werden, soweit nicht ihre Zurichtung zu Pelzwerk (Rauchware) erfolgt ist oder ihre Verarbeitung in Zurichtereien, Färbereien oder Haarschneidereien bereits begonnen hat. Trotz der Beschlagnahme bleibt jedoch die Veräußerung und Lieferung der Felle in bestimmter Weise erlaubt. So darf der Besitzer eines Tieres, der Mitglied eines Kaninchenzucht-Vereins ist, das Fell binnen drei Wochen nach dem Abziehen an die Vereins-Sammelstelle und der Besitzer eines Tieres, der nicht Mitglied eines Kaninchenzucht-Vereines ist, das Fell binnen drei Wochen an einen beliebigen Händler veräußern. Den Händlern und Vereins-Sammelstellen sind bestimmte Wege für die Weiterveräußerung vorgeschrieben. Alle Vorräte an beschlagnahmten Fellen werden schließlich bei der Kriegsfell-Aktiengesellschaft in Leipzig vereinigt, die Felle, soweit sie für die Zwecke der Heeres- oder Marine-Verwaltung in Anspruch genommen werden, an die Kriegsleder-Aktiengesellschaft weitergeliefert und den übrigen Teil der Rauchwaren-Industrie und den Haarschneidereien zugeführt. Felle, deren vorschriftsmäßige Veräußerung unterlassen worden ist, sind, sofern ihr Vorrat eine bestimmte Höhe übersteigt, an das Leder-Zuweisungsamt der Kriegs-Rohstoff-Abteilung zu melden. Außerdem ist die Erlaubnis zur Verfügung über die beschlagnahmten Felle durch Händler, Vereins-Sammelstelle oder die besonders zugelassenen Großhändler von der Beobachtung einer Reihe von Vorschriften, insbesondere der Führung von Büchern und Listen abhängig gemacht. Gleichzeitig ist eine Bekanntmachung in Kraft getreten, durch die für rohe Kaninchen-, Hasen- und Katzenfelle Höchstpreise festgesetzt werden. [...]
Holzkohlen. Am 1. Juni 1917 ist eine Bekanntmachung in Kraft getreten, durch welche eine Bestandserhebung Holzverkohlungserzeugnissen und einigen anderen Chemikalien angeordnet wird. Die in der Bekanntmachung näher bezeichneten einzelnen Erzeugnisse sind, soweit der Vorrat eine bestimmte Menge überschreitet, bis zu 10. Juni an die Kriegs-Rohstoff-Abteilung des Königlich Preußischen Kriegsministeriums auf dort anzufordernden amtlichen Meldescheinen zu melden. Die Meldepflichtigen haben auch über die gemeldeten Gegenstände ein Lagerbuch zu führen. Der Wortlaut der Bekanntmachung ist an den öffentlichen Anschlagstellen und in den amtlichen Zeitungen einzusehen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)