Freitag, 1. Juni 1917

       

Anzeige im General-Anzeiger vom 1. Juni 1917Uboot-Spende. Am heutigen 1. Juni begeht das deutsche Volk mit seiner Flotte den Jahrestag unseres Seesieges am Skagerrak, wo die angeblich unüberwindliche englische Flotte zum erstenmal erfuhr, daß deutsche Seetüchtigkeit der englischen überlegen ist. Seit diesem glorreichen Tage ruht sie versteckt in ihren Schlupfwinkeln, sie wagt sich nicht mehr auf das offene Meer, das allen Menschen und Völkern in Zukunft freie Bahn geben soll zu friedlichem Handel und Verkehr. Unsere neue deutsche Seetechnik, die sich in unseren Ubooten verkörpert, zwingt die englische Flotte zu ruhmloser Untätigkeit; im Monat April allein versenkten unsere herrlichen Uboote 1.091.000 Tonnen Schiffsraum! Heute ist aber auch der Ehrentag unserer Uboot-Helden, heute will Alldeutschland zeigen, wie es seiner Söhne auf den Ubooten gedenkt und wie es ihnen in der Uboot-Spende dankt. Da wird niemand zurückbleiben wollen, jeder wird seine Gabe darbieten, damit unsere Uboot-Besatzungen wissen, daß das Herz des deutschen Volkes immer und immer bei ihnen ist.

Der Verein zur Bekämpfung der Tuberkulose hat gestern Nachmittag unter dem Vorsitz des Geheimrats Doutrelepont seine Hauptversammlung abgehalten. Wie der Schriftführer, Beigeordneter Dr. v. Gartzen, berichtete, war die Vereinstätigkeit im letzten Jahre beschränkt.
   [...] Beigeordneter Dr. v. Gartzen teilte mit, das die städtische Tageserholungsstätte bei Grau-Rheindorf auch im letzten Jahre nervenkranke Krieger aufgenommen habe. Die Absicht, im laufenden Jahre die Erholungsstätte wieder zu eröffnen, sei mit Rücksicht auf die Interessen der Heeresverwaltung und wegen der Ernährungsschwierigkeiten aufgegeben worden. Im vorigen Sommer habe über 700 erholungsbedürftigen Kindern aus Bonn ein Landaufenthalt verschafft werden können, ob man in diesem Sommer ebenso viele Kinder aufs Land schicken könne, sei noch nicht sicher. Ferner wurde mitgeteilt, daß die Abteilung für weibliche Lungenkranke im städtischen Pflegehause aus der Baracke in das feste Gartengebäude verlegt worden ist, daß dort nun zwei geräumige Zimmer mit je fünf Betten und große Liegehallen auf der Südseite des Gebäudes zur Verfügung stehen.

Gerüchte über die Verkürzung der Brotration ab 15. Juni sind, wie wir an maßgebender Stelle hören, frei erfunden und entbehren jeder Grundlage. Die Brotration wird nach wie vor auch weiterhin in festgesetzten Mengen geliefert werden. Das Kriegsernährungsamt wäre dankbar, wenn ihm die Verbreiter derartiger Nachrichten namhaft gemacht würden, damit gegen sie vorgegangen werden kann.

In „Groß-Bonn“ am Markt tritt von heute ab die Hellseherin Afra auf. Auch andere neue Varietékräfte sind für die erste Junihälfte wieder verpflichtet worden.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)

     

Vortrag Dr. Traub – Dortmund. Im Auftrag des Unabhängigen Ausschusses für einen deutschen Frieden (Ortgruppe Bonn-Godesberg) sprach Herr Dr. Traub aus Dortmund gestern im großen Saale des Bonner Bürgervereins über das Thema: Unser Wille zum Sieg. Eine nach Hunderten zählende Zuhörerschaft folgte mit großem Interesse den eindringlichen, warmen Ausführungen des Redners, die sich nach dem Gedankengang eines Wortes des Kirchenvaters Augustin gliederten: Im Notwendigen – Einheit, im Zweifelhaften – Freiheit, in Allem – Liebe.
  
De notwendige einheitliche Grundstimmung in unserer Zeit soll das unerschütterliche Vertrauen auf die Worte Hindenburgs und unseren endgültigen Sieg sein, und eine bewußte Ablehnung gegen alle Flaumacherei. Dabei sollen wir uns vor Augen halten, daß ein Verständigungsfriede, bei dem es weder Sieger noch Besiegte gibt, nur der Ausgangspunkt weiterer Kriege sein würde. Unsere politische Kraft müßte sich einheitlich auf eine Wirkung nach außen hin konzentrieren, statt sich, wie es leider geschehen ist, in Verfassungs- und Wahlangelegenheiten, Parteiinteressen und Privatphilosophie zu verzehren. Interessant war es, in diesem Zusammenhang zu erfahren, daß England nur ungefähr der Hälfte seiner Arbeiter das Wahlrecht zuerkennt, und auch in Amerika und Frankreich das demokratische Prinzip von den Führenden wohl theoretisch, jedoch nicht praktisch vertreten wird. Einigkeit sollte auch herrschen in der Beurteilung der Kriegsziele auf ethischem Gebiet. Sie heißen: Sieg der deutschen Arbeit, materieller und intellektueller Art, über den englischen Kapitalismus und das Recht, unser deutsches, geschichtlich nachweisbares Erbe anzutreten.
   Der zweite Teil. Im Zweifelhaften – Freiheit, behandelt die vielumstrittene Frage der praktischen Kriegsziele, klärte die Begriffe Annexionen und berechtigte Gebietserweiterung, stellte als wünschenswert den Besitz des nordfranzösischen Kohle- und Erzgebietes, Belgiens, Polens und der Ostsseeprovinzen hin und berührte ferner die Zukunftsmöglichkeiten unserer afrikanischen Kolonien. In Sinne des Kirchevaters empfahl der Redner Duldung und Ruhe in der Diskussion über alle diese Angelegenheiten. In allem aber möge sich die Liebe zum deutschen Vaterlande dartun, die wie ein frischer Brunnen durch die Oede der täglichen Sorgen und Kümmernisse rauschen möchte. Das gewaltige Heer der still Duldenden, Arbeitenden und Schweigenden bildet eine starke sittliche Kraft, eine unzerstörbare Mauer, gegen welche die unzufriedenen Schreier, die Streikenden und Selbstsüchtigen vergeblich anrennen.
   Dieser Wille zu einem ehrenvollen Sieg wird Deutschland in nicht ferner Zukunft einem Frieden entgegenführen, dessen wir uns vor künftigen Generationen nicht zu schämen brauchen. – Der Redner erntete oft rege Zustimmung und am Ende lebhaften Dank. Ein Telegramm an S. M. den Kaiser und an den Reichskanzler gaben lebhaftes Zeugnis von der freudigen Siegeszuversicht der Versammlung. In beiden Telegrammen wird das Vertrauen auf einen ehrenvollen und dauernden Sicherungsfrieden ausgesprochen. Die Stellung des Unabhängigen Ausschusses zum Kanzler hat sich gewendet, wie aus dem Wortlaut des Telegramms an den Reichskanzler zu ersehen ist:
   Eurer Exzellenz spricht eine von vielen Hunderten besuchte Versammlung von Mitgliedern und Freunden des Unabhängigen Ausschusses für einen deutschen Frieden in Bonn nach einem Vortrag des Abgeordneten Dr. Traub den ehrerbietigsten Dank für das in der Reichsstagssitzung vom 15. Mai d. J. abgelegte Bekenntnis zu einem starken und ehrenvollen deutschen Frieden aus. Sie hegt demnach die felsenfeste Ueberzeugung, daß die Reichsregierung in voller Uebereinstimmung mit der Obersten Heeresleitung nur einen Frieden schließen wird, der eine Mehrung deutscher Macht in Ost und West und Uebersee bringt und der die Bürgschaft für eine gesunde und glückliche militärische und wirtschaftliche Weiterentwicklung Deutschlands enthält.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

    

Vergnügungsfahrten sollte man in der jetzigen schweren Kriegszeit, wenn nicht ganz unterlassen, so doch auf das alleräußerste einschränken. Dahingehende Ermahnungen der Behörden und Verwaltungen vor Pfingsten haben, wie der allenthalben beobachtete starke Pfingstverkehr zeigte, keine besonders warme Aufnahme in der Bevölkerung gefunden. Das ist bedauerlich. Die Eisenbahnverwaltung erließ ihre Mahnung mit Rücksicht auf die außerordentliche Kohlenknappheit, sowie das Bedürfnis des Heeres und der Zivilversorgung. Es darf erwartet werden, daß für die weitere Dauer des Sommers die Vergnügungsfahrten mehr eingeschränkt werden, damit nicht unangenehme Zwangsmaßnahmen Platz greifen können. Es dürfte für die Bewohner unserer Gegen unschwer sein, auch ohne Benutzung von Verkehrsmitteln eine gesunde Erholung zu finden. Für sie dürfte daher auch wohl der bloße Hinweis auf die richtige Sachlage genügen, um sie zu veranlassen, der erwähnten Mahnung Folge zu leisten.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)