Dienstag, 15. Mai 1917
Jungmannenhilfe für den Gartenbau in Bonn. Es scheint noch nicht genügend bekannt zu sein, daß die Jungmannen der höheren Schulen nicht nur den eigentlichen Landwirten und Gemüsebauern der Vororte noch weitere Hilfskräfte zur Verfügung stellen können, sondern auch den Inhabern von Gärten innerhalb der eigentlichen Stadt zur Verfügung stehen, die Grasflächen und Zieranlagen zu Gemüseland umzuwandeln wünschen. Jetzt aber ist für alle derartigen Arbeiten die größte Eile geboten! Wer für längere Zeit oder auch nur für einzelne oder halbe Tage Hilfskräfte braucht, möge sich wenden entweder an den Städtischen Arbeitsnachweis der Hilfsdienststelle (Städtische Sparkasse, Fernspr. 4945) oder unmittelbar an die Vertrauensmänner Prof. Füchtjohann, Königstraße 71 (Fernspr. 2662, 3-5 nachm.) und Prof. Sadée, Moltkestraße 21 (Fernspr. Nr 2732, sicherste Sprechzeiten 1, 3, ½8 Uhr). Sachkundigen Rat für die Ausnutzung und Bearbeitung des Bodens gewährt die Städtische Gartenbauverwaltung, Rathausgasse 16 (Zeiten 12-1 und 6-6½ Uhr, Fernspr. 4814).
Wildgemüse und Feldschutz. Die Klagen der Landwirte und Gärtner über das Zertreten der bestellten Felder und die Beschädigung der Aussaat beim Sammeln des Wildgemüses mehren sich; Kinder, aber auch Erwachsene durchziehen gedankenlos die Felder, um ein Körbchen voll Vogelmiere zu sammeln, und verursachen dabei großen Schaden, der in gar keinem Verhältnis zu dem Gewinn steht. Zudem bieten ja auch die Oedländereien, Gräben und Hecken Gelegenheit zur Versorgung der Küche mit Wildgemüse, Brennesseln, Ampfer, Hopfen, Beinwurz, Ziegenfuß usw. Die Behörden handeln nur im Nutzen der Allgemeinheit, wenn sie jeden, der ein Stück fremden Ackers betritt, rücksichtslos zur Rechenschaft ziehen und empfindlich bestrafen.
Alles Gold fürs Vaterland!
Es dringt ein Ruf vom Fels zum Meere:
Gebt alles Gold fürs Vaterland,
Auf daß es wandle sich zur Wehre,
Damit wir weiter halten stand!
So öffnet freudig Eure Truhen
Und bringt den Schmuck ans Tageslicht.
Warum soll unbenutzt er ruhen?
Ihn gern zu opfern ist jetzt Pflicht.
Noch liegt in vielen heil’gen Schreinen
Manch Edelstein und Goldgeschmeid,
Gebt dies zur Hilfe für die Kleinen,
Zu lindern unverschuldet Leid!
Laßt dieses Wort nicht leer verhallen,
Ein jeder tue, was er kann!
Wenn dann die Friedensglocken schallen,
Hat mancher auch sein Teil getan. R.R.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Wirtshausschluß. Der Regierungspräsident hat genehmigt, daß Wirtschaften, in denen musikalische Veranstaltungen stattfinden oder auch Gesangs- und deklamatorische Vorträge und die bisher dem 10-Uhr-Schluß unterlagen, nach Einstellung dieser Darbietungen zu der genannten Zeit bis auf weiteres befugt sind, den reinen Wirtschaftsbetrieb bis zu der allgemeinen Polizeistunde um 11 Uhr fortzusetzen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Beuel, 14, Mai. Der gestrige kriegswirtschaftliche Vortragsabend im Katholischen Vereinshause wurde von Herrn Bürgermeister Breuer mit einer Ansprache, in welcher dieser die augenblicklichen, wichtigen und ernsten Zeitumstände besonders betonte, eröffnet. In einem einstündigen Vortrag erörterte Rechtsanwalt Klein II die Kriegslage in militärischer, politischer, finanzieller und wirtschaftlicher Beziehung. Der Redner betonte, daß das allen menschlichen und völkerrechtlichen Verpflogenheiten hohnsprechende Beginnen unserer Feinde seinen Ursprung in der Einkreisungspolitik und seine Fortsetzung in dem Hungerkrieg gefunden habe. Das ganze deutsche Volk sei sich darüber einig, daß die Schuld an dem entsetzlichen Kriege nur unsere Feinde treffe. Das Schwert sei uns in die Hand gedrückt worden, und das Schwert müsse auch die Entscheidung bringen. Es gelte deshalb durchzuhalten bis zum siegreichen Ende. – In einem weiteren Vortrage behandelte Dr. Rösing die gegenwärtigen Wirtschaftsverhältnisse. Der Redner meinte, daß die Gegensätze, die sich zwischen Stadt und Land gebildet hätten, sehr bedauerlich seien und unterdrückt werden könnten. Die Landwirtschaft habe voll und ganz ihre Pflicht getan. Um unser Vaterland vom Ausland unabhängig zu machen, sei es unsere Pflicht, für spätere Zeiten der Landwirtschaft größere Aufmerksamkeit zu widmen. Zum Schluß gab der Redner noch eine Anzahl praktischer Winke zum Anbau der Kartoffeln und Körnerfrucht, sowie zur Düngung des Bodens. Auch er schloß mit der Aufforderung, durchzuhalten bis zum siegreichen Ende.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und fern“)
Wegen Papier- und Leutemangels erscheint das halbe Blatt der Morgenausgabe in Zukunft mit der Hauptausgabe zusammen und gelangt nachmittags zwischen 6 und 7 Uhr zur Ausgabe.
Ein schweres Gewitter zog gestern abend über unsere Stadt. Es war von einem derart reichen Regen begleitet, daß die Kanäle kaum das Wasser zu fassen vermochten, sodaß in manchen Straßen Ueberschwemmungen entstanden und viele Keller unter Wasser gesetzt wurden. In Poppelsdorf führte das Wasser an Berghängen starkes Geröll mit sich, das sich in den Straßen festsetzte. An manchen Stellen war das Geröll so stark, daß die elektrische Straßenbahn festfuhr und durch den nachkommenden Sand vollständig festgeklemmt wurde, sodaß sie nicht vorwärts und nicht rückwärts konnte, bis nach Aufhören des Regens die Hemmnis beseitigt werden konnte. Die Feuerwehr wurde in einigen Fällen zu Hilfe gerufen, um der Wassermenge Abhülfe zu schaffen.
Ausnützung der heimischen Pflanzenwelt im Kriege. Es sei nochmals auf den Vortrag des Dr. Ernst Küster, Professor der Botanik an der Universität hingewiesen, in welchem heute abend ( 8½ im großen Hörsaal der Universität, Eingang neben Etscheid) jedermann über die eßbaren Wildgemüse unserer einheimischen Flora und deren Verwendung sich aufklären zu lassen Gelegenheit hat.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)