Freitag, 11. Mai 1917
Der Verein Alt-Bonn hat gestern abend im Vortragssaale der Fortbildungsschule seine Hauptversammlung abgehalten. Nach dem Geschäftsbericht des Vorsitzenden, Professors Knickenberg, hat der Verein 209 Mitglieder. Oberbürgermeister Spiritus, der die Vereinsziele stets gefördert und unterstützt hat, ist im vorigen Jahre zu seinem silbernen Bürgermeisterjubiläum zum Ehrenmitglied ernannt worden. […]
Das Kleingeld kommt jetzt, da die Gefahr der Enteignung des Silber- und Nickelgeldes näher heranrückt, wieder allmählich zum Vorschein; die Kleingeldhamster schieben, um nicht als Volksverräter gebrandmarkt zu werden, ihre Vorräte an Kleingeld langsam ab. Ob sie damit wohl fertig werden, ehe ihre „schönen Nickel“ wertlos sind?
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Zerstörungswut Jugendlicher. Unsere prächtigen Rheinanlagen sind in letzter Zeit durch schulpflichtige Knaben schwer heimgesucht worden. Ueber hundert Laternenscheiben wurden im Laufe des verflossenen Winters zertrümmert und zwar nicht nur durch Steinwürfe, sondern auch durch Schüsse aus einem Teschin. Um der weiteren Zerstörung der Laternen Einhalt zu tun, sah sich die Stadtverwaltung genötigt, den größten Teil der Laternenköpfe abnehmen zu lassen. Auch die Rettungsringe am Rheinwerft sind vor der Zerstörungswut der Knaben nicht sicher. Nicht weniger als drei Stück wurden innerhalb kurzer Zeit abgerissen und in den Rhein geworfen. In einigen Fällen ist es glücklicherweise gelungen, die zerstörungslustigen Bürschchen auf frischer Tat abzufassen und zur Anzeige zu bringen. Auch Sträucher und Bäume werden fortgesetzt beschädigt. In der Schmuckanlage vor den klinischen Anstalten zwischen Theaterstraße und Wachsbleiche wurde sogar eine Birke aus dem Boden gerissen und an einem in voller Blüte stehenden wilden Aprikosenbaum mehrere starke Äste abgeknickt. Um weiteren Baumfrevel zu verhindern, hat sich die Gartenverwaltung genötigt gesehen, diese Anlagen der freien Benutzung zu entziehen und die beiden Abschlußtore geschlossen zu halten. Trotz allen Verbots treiben sich die Kinder bis zur späten Stunde in den Anlagen umher und gefährden durch Werfen mit Steinen die Spaziergänger. Dem einzigen Werftbeamten ist es natürlich nicht möglich, die mehrere Kilometer lange Rheinpromenade zu beaufsichtigen, da das wüste Treiben der Jugend immer an mehreren Stellen zugleich einsetzt. Es wäre zu wünschen, daß namentlich in den Nachmittags- und Abendstunden mehrere Hülfsbeamte zur Aufsicht dorthin beordert würden, da andernfalls unsere Rheinanlagen bald einen trostlosen Anblick bieten werden. m.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Nachrichten des städtischen Lebensmittelamtes.
Brotversorgung. Trotz mehrfacher Ermahnung ist Brot auf Brotkarten, die für eine spätere Zeit lauten, weiterhin abgegeben worden. Eine Bäckerei wurde deshalb geschlossen, Bäcker und Käufer angezeigt. Vor gleicher Maßnahme werden sich nun wohl Bäcker und Verbraucher durch strenge Beobachtung der erlassenen Bestimmungen schützen. […]
Knochensammlung. Da Knochen aller Art von Haushaltungen, Gastwirtschaften, Anstalten usw. an die Metzgergeschäfte bezw. den Schlachthof zurückgeliefert werden müssen, ist jede andere Verwendung von Knochen, soweit die Verordnung nicht Ausnahmen zuläßt, insbesondere auch die Abgabe der Knochen an Händler, verboten. Sollte die Durchführung der angeordneten Knochensammlung auf Widerstand stoßen, so wird der Bezug des Fleisches von der Rückgabe der Knochen abhängig gemacht werden. […]
Auf bloßen Füßen. Die Lehre, aus der Not eine Tugend zu machen, wird leider heute, in der Zeit der größten Not unseres Vaterlandes, noch von sehr weiten Bevölkerungskreisen zu wenig beachtet. Vielfach sind es gerade auch jene Schichten, die früher schon für manche Gewohnheiten des Volkes vorbildlich zu wirken sich berufen fühlten, die diese Pflicht heute vergessen. An sie ergeht daher auch in erster Linie der Ruf des Vaterlandes, nach Kräften mitzuwirken beim Durchhalten auf allen Gebieten. Die gegenwärtige Zeit lenkt den Blick von selbst auf ein Mittel, das bedauerlicherweise nur zu wenig Beachtung findet und doch von ganz hervorragender Bedeutung ist. Der Mangel an Schuhen und Strümpfen legt uns die größte Sparsamkeit im Gebrauch dieser Bekleidungsmittel auf. Die warme Witterung kommt uns da sehr zu Hülfe. Sie bietet den Eltern, deren Kinder beim Herumtollen auf der Straße ihre Sachen stark verschleißen, eine willkommene Gelegenheit, die Strümpfe und Schuhe der Kinder für die nasse und kalte Zeit aufzusparen. Alle Kinder sollten im Frühjahr und Sommer barfuß oder wenigstens ohne Strümpfe in Holzschuhen einherlaufen. Diese ebenso gesunde, wie sparsame Sitte, die auf dem Lande seit Menschengedenken geübt wird, sollte in den Zeiten der Lederknappheit ebenfalls in der Stadt und zwar allgemein Eingang finden. Auch die Kinder wohlhabender Eltern mögen sich zu dieser Sitte verstehen, da in ihrer unbeschränkten Durchführung auch ein wichtiges Erziehungsmoment auf sozialem Gebiet gegeben ist, ein Umstand, den wir in der heutigen schweren Zeit gewiß nicht außer Acht lassen sollten.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Lengsdorf: Der Vaterländische Frauenverein eröffnete am 3. Mai im Saale der Gastwirtschaft der Frau Witwe Rheindorf hierselbst einen Kriegskindergarten, wodurch den Müttern hiesiger Gemeinde Gelegenheit gegeben ist, sich den jetzt so dringenden Feldarbeiten oder andern notwendigen Beschäftigungen hinzugeben. Ein tägliches Schulgeld von 10 Pfg. wird erhoben, um wenigstens einen Teil des Kostenaufwandes zu decken. Allgemein wird diese zeitgemäße Einrichtung hier freudig begrüßt, und schon gleich bei der Eröffnung heute morgen fanden sich über 40 der Kleinen im neuen Kindergarten ein.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Von Nah und Fern“)