Dienstag, 1. Mai 1917

      

Anzeige im General-Anzeiger vom 1. Mai 1917Zum 25jährigen Bestehen der Bonner Zeitung sind uns gestern nachmittag noch eine Anzahl Glückwünsche zugegangen, u. a. vom Bonner Gesangverein und vom Beigeordneten Piehl. Herr Piehl schreibt:
  
„Aufrichtige Glückwünsche zum 25jährigen Bestehen. Möge auch in Zukunft jedes neue Betriebsjahr ein Jahr glücklichsten Erfolges sein, aufbauend auf vaterländischen und vaterstädtischen Geist, und segensreich für den Verlag und seine Mitarbeiter.“
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Die vereinigten deutschen Steingutfabriken sind gestern in Bonn zusammengetreten, um die Wirkung des vaterländischen Hilfsdienstes auf die Steingutindustrie zu beraten. Man einigte sich freiwillig dahin, die Absatzgebiete der einzelnen Fabriken möglichst zu beschränken, um dadurch im Interesse des Vaterlandes Transporte zu ersparen. Der Beschluß der Fabriken wird dem Kriegsamt übermittelt werden, um dessen Meinung über die beschlossene Maßnahme zu hören. Es handelt sich um sämtliche 35 deutsche Steingutfabriken.

Die Vorsteherin eines hiesigen Kriegskinderheims und ihre jüngere Schwester standen gestern vor der Strafkammer des Landgerichts unter der Anklage, an den Kindern mittels grausamer und das Leben gefährdender Behandlung Körperverletzung begangen zu haben. Zu der Verhandlung waren 36 Zeugen und Sachverständige geladen worden, davon 23 von der Verteidigung. Von den Zeugen wurde erzählt, daß Kinder, die sich beschmutzt hatten, mit der Hundepeitsche geschlagen, und, an den Beinen gehalten, mit dem ganzen Kopf in kaltes Wasser getaucht wurden, daß die Hauptangeklagte die Kinder über die Tischkante legte und mit der Hundepeitsche auf das entblößte Gesäß schlug, daß sie jeden Morgen bei ihrem Rundgang über alle Kinder, die das Bett genäßt hatten, Strafgericht mit der Peitsche gehalten habe, daß Kinder, auf ihrem Stühlchen oder auf einem Geschirr sitzend, bis zu drei Stunden mit einer Decke zugedeckt bleiben mußten, daß sie Kinder an den Beinen aus den Betten hob und mit der Hundepeitsche schlug, daß die Kinder Erbrochenes noch einmal essen mußten, daß selbst Säuglinge von etwa sechs Monaten, weil sie angeblich unsauber waren, mit der Peitsche geschlagen wurden. Der Gerichtsarzt, Geheimrat Ungar, erklärte, das Züchtigungsrecht se unzweifelhaft überschritten worden, auf keinen Fall hätten Säuglinge mit der Hundepeitsche geschlagen werden dürfen, es handele sich bei den verschiedenen Erziehungsmaßregeln um eine gesundheit-, zum Teil das Leben gefährdende Behandlung. Der Staatsanwalt betonte, die Hauptangeklagte habe durch ihr Verhalten den Stand der Kindergärtnerinnen herabgewürdigt und das Vertrauen der Eltern schnöde mißbraucht. Er beantragte gegen die Vorsteherin des Heims ein Jahr Gefängnis, gegen die Schwester 300 Mark Geldstrafe. Das Urteil lautete gegen die Vorsteherin 900 M., gegen ihre Schwester auf 300 M. Geldstrafe. Das Gericht hat, wie in der Urteilsbegründung ausgeführt wurde, daß es sich um eine gefährliche Körperverletzung, in verschiedenen Fällen auch um eine das Leben gefährdende Behandlung gehandelt habe, aber nicht um eine grausame Behandlung im Sinne des Gesetzes. Strafmildernd sei in Betracht gezogen worden, daß mit dem Heim dem Vaterland gedient werden sollte, daß die Vorsteherin zweifellos auch viel Gutes getan habe und daß ihr der Betrieb schließlich über den Kopf gewachsen sei.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)

         

Anzeige im General-Anzeiger vom 1. Mai 1917Vorführung wichtiger Kriegsgemüsearten. Mittwoch, den 2. Mai, werden der Universitätsprofessor Dr. E. Küster und Frau Dr. phil. G. Küster im Hörsaal XVIII. der Universität einige wichtige Arten von Kriegsgemüsen vorführen. Es finden um 4 Uhr, 4¼, 4½ , 4¾ und 5 Uhr je eine Demonstration statt, sodaß allen Hausfrauen, die für das wichtige Thema interessiert sind, Gelegenheit geboten ist, über die wichtigsten wildwachsenden Gemüsearten sich belehren zu lassen. Nach Beginn einer Demonstration bleiben die Türen des Hörsaales bis zum Beginn der nächsten geschlossen. – Bei der großen Bedeutung der Kriegsgemüse für die bürgerliche Küche wird die Vorführung hoffentlich sehr stark besucht werden. Eintritt frei.

Vom Lande schreibt man uns: In den letzten Tagen wurden schon große Mengen Zuckerrüben gesät. Die Landwirte sind verpflichtet worden, in diesem Jahre dieselbe Fläche mit Zuckerrüben zu bebauen, die sie auch im Jahre 1914 bestellt hatten. Die Hafersaat ist so gut wie beendet. – Große Sorgen macht den Landleuten augenblicklich die Futterfrage. Während man früher schon reichlich Grünfutter zur Verfügung hatte, ist in diesem Jahre noch kein Denken daran. Die letzten Tage herrschten richtig wachsbares Wetter, aber mit dem Kleeschnitt kann vor Ablauf von 14 Tagen nicht gerechnet werden. Die Milchleistung der Kühe ist infolge der Futterknappheit stark zurückgegangen und wird sich, da Kraftfutter nicht zur Verfügung steht, nicht eher wieder heben, bis Grünfutter gegeben werden kann.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

      

Hilfsdienstpflichtige für die freiwillige Krankenpflege. Der Bedarf an Hilfsdienstpflichtigen für die freiwillige Krankenpflege ist groß. Es werden noch gesucht: Pilger, Träger, Kaufleute, Köche und solche Personen, die sich für einen dieser Zweige für die freiwillige Krankenpflege ausbilden lassen wollen. Kosten entstehen diesen Personen durch die Ausbildung nicht. Melden können sich nur Nicht-Wehrpflichtige. Die in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, sowie in Kriegswirtschaftsbetrieben bereits tätigen Hilfsdienstpflichtigen können nicht angenommen werden. Die Meldungen sind zu richten an den Territorialdelegierten der freiwilligen Krankenpflege in Coblenz, Oberpräsidium, oder an den Vorstand eines Zweigvereins vom Roten Kreuz. Die Gebührnisse in der Etappe und in der Heimat sind reichlich bemessen.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)