Mittwoch, 18. April 1917

      

Anzeige im General-Anzeiger vom 18. April 1917Gegen den Lebensmittelankauf auf dem Lande. Man schreibt uns: In letzter Zeit hat der Ankauf der Lebensmittel auf dem Lande durch Händler und Verbraucher Umfang und Formen angenommen, welche geeignet sind, die allgemeine Versorgung der Bevölkerung in naher Zukunft direkt in Frage zu stellen und die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu schädigen. In Mengen deren Andrang die Eisenbahn kaum zu bewältigen imstande ist, strömt die großstädtische Bevölkerung aufs Land. Die Landleute werden aufgesucht und zur Abgabe von Lebensmitteln zuweilen unter Drohungen veranlaßt. Die Abgabe erfolgt vielfach unter Ueberschreitung der Höchstpreise. Aber auch abgesehen davon wird die geordnete Versorgung der Bevölkerung unmöglich, wenn solche Lebensmittel, die zur Verfügung der öffentlichen Hand abzuliefern waren, in immer größerem Umfange der Allgemeinheit entzogen werden. Dabei handelt es sich um außerordentliche Mengen. Aus eine Kreise sind nach den vorliegenden Nachrichten an einem einzigen Sonntage 700 Zentner Kartoffeln verbotener Weise ausgeführt worden, die der Kreis jetzt der auf seine Zufuhr angewiesenen städtischen Bevölkerung nicht mehr liefern kann; in großem Umfange erfolgt auch der verbotene Erwerb und die Ausführung von Fleisch und anderen Lebensmitteln. Es liegt auf der Hand, daß durch solchen Aufkauf der städtischen Bevölkerung in ihrer Gesamtheit nur Schaden erwächst. Was einzelne in dieser Weise erwerben oder sich durch Ankäufer erwerben lassen, bringt ihnen zwar einen Vorteil, der ihnen bei genügendem Vorrat für alle zu gönnen wäre. Da der gesamte Vorrat aber nur bei sorgsamer Erteilung für alle genügt, schädigt solches Vorgehen einzelner die große Zahl derjenigen, die sich solche Sondervorteile nicht verschaffen können oder wollen. Die Art und Weise, in welcher die Ankäufer neuerdings auftreten, lassen aber noch einen unverhältnismäßig höheren Schaden entstehen. Es ist festgestellt, daß das Publikum bei starkem Frost Kartoffelmieten aufgebrochen hat. Was von dem Inhalt nicht mitgenommen wurde, war so dem Verderben verfallen. Die jetzt aufgetauten Wintersaaten werden durch achtloses Betreten der Felder beschädigt oder vernichtet. Die gleiche Gefahr droht demnächst den mit Kartoffeln, Gemüse oder Sommergetreide bestellten Feldern.
   Es ist Pflicht der Behörden gegen diese Mißstände einzuschreiten. Dies ist der Zweck der von den Militärbehörden erlassenen Bekanntmachungen. Durch scharfe Kontrolle in den ländlichen Erzeugergebieten, in den Zugangsstraßen zur Eisenbahn und in dieser selbst sollten der Aufkauf und die Wegschaffung der Lebensmittel soweit sie der öffentlichen Bewirtschaftung unterliegen, verhindert werden. Lebensmittel, welche der Bekanntmachung zuwider eingekauft sind, verfallen der Beschlagnahme. Dabei wird jede kleinliche und schikanöse Belästigung des reisenden Publikums nach Möglichkeit vermieden werden. Von dem gesunden Sinn der Bevölkerung darf aber erwartet werden, daß sie sich schon von sich aus den Bestimmungen der Bekanntmachung unterwirft. Zum Wohle des Ganzen muß heute jeder die durch die Lage gebotenen Beschränkungen auf sich nehmen; niemand darf den Bestimmungen zuwider sich Vorteile verschaffen, welche die Versorgung der Allgemeinheit beeinträchtigen müssen.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

     

Ausländisches Mehl. Der Höchstpreis für ausländisches Weizen- und Roggenmehl an Verbraucher ist auf 2 Mark für das Pfund festgesetzt worden.

Der Bonner Wochenmarkt war gestern etwas besser beschickt als Ende der vorigen Woche. Im ganzen waren etwa 30 bis 35 Verkäuferinnen erschienen, darunter auch einige vom Lande. Spinat war wieder ziemlich viel vorhanden, ebenfalls Schwarzwurzeln und Feldsalat. [...] Seit einigen Tagen kommen auch wieder frische Blumen wie Veilchen, Tulpen und Hyazinthen auf den Markt, die flotten Absatz finden. Die Preise für diejenigen Waren, für die keine Höchstpreise festgesetzt sind, waren im allgemeinen unverändert. Der Verkauf war durchweg flott, besonders in Spinat, Feldsalat und Schwarzwurzeln.
   Der Großmarkt auf dem Stiftsplatz hatte gestern etwas bessere Zufuhren als am letzten Hauptmarkttage. Im ganzen waren etwa 20 Gemüsebauern erschienen; vorwiegend war Spinat sowie auch einige Körbe mit Gemüsepflanzen vorhanden. Der Spinat wurde wieder großenteils von der Stadtverwaltung Bonn aufgekauft.
   Der städtische Verkauf auf dem Wochenmarkt war gestern wieder recht lebhaft, besonders im Spinat und Fischen. Verkauft wurden außer Spinat noch Karotten, ausländische Zwiebeln, Breitlauch und Raps das Pfund zu 25 Pfg. [...]

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Duisdorf, 19. April. Der weiße Sonntag war für unsere Gemeinde ein Tag der Freude und Trauer. Am Morgen wurden 79 Kinder zur ersten hl. Kommunion geführt und nachmittags fand ein Begräbnis statt, wie ein ergreifenderes in unserer Gemeinde wohl noch nicht gehalten worden ist. Schon eine große Zahl von hiesigen Kriegern hat ihr Blut und Leben für Kaiser und Reich dahingegeben. Ihre Heldengräber liegen weit von hier nach den verschiedensten Richtungen der Windrose. Gestern nun haben wir zum ersten Male einen entschlafenen Helden in unserer Mitte dem Schoße der Erde übergeben. Es war ein Jüngling von 19½ Jahren, Karl Hermann Faßbender, der in einem Militär-Lazarett in Köln verschieden ist. Welcher Liebe und welch inniger Teilnahme der Verblichene sich erfreute, dafür legte Zeugnis ab der schier endlose Trauerzug, der sich zu unserem Kirchhof bewegte. Den Zug eröffnete der Kriegerverein; dann folgten eine Musikkapelle, der kath. Jünglings-Verein, über 60 weißgekleidete Mädchen und sämtliche Kommunionkinder. Ein Gesangchor, aus hiesigen Feldgrauen gebildet, sang unterwegs und auch am Grabe. Der Sarg wurde ebenfalls von hiesigen Soldaten getragen. Zu Kopf des Grabes nahm die Kriegerfahne Aufstellung und zu beiden Seiten weiß gekleidete Kinder. Kaum hatte Herr Vikar Decker die kirchliche Einsegnung vollzogen, da nahmen diese Kinder die Blumen aus ihren Körbchen und streuten sie über den Sarg. Alle Umstehenden waren tief ergriffen, und in vielen Augen perlten Tränen bei diesem Gruß der Kleinen. Der Gesangchor sang ein schönes Grablied, und die Musikkapelle spielte Trauerweisen. Ein prachtvoller Kranz vom Jünglingsverein wurde dem jungen Helden als letzter Gruß ins Grab geworfen. Die Kriegerfahne senkte sich dreimal zum Abschiedsgruß, worauf eine große Zahl von Kränzen am Grabe niedergelegt wurde. Möge der liebe Soldat sanft in unserer Mitte ruhen!

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und Fern.“)

      

Zur Lebensmittelversorgung in Bonn.
Mit der Verminderung der Brotration wird der Bevölkerung ein neues schweres Opfer auferlegt. Die Erhöhung der Fleisch- und Kartoffelmenge wird einigen Ausgleich schaffen. Die Schwere der neuen Last wird dadurch jedoch in vollem Umfange nicht behoben. Aber wir stehen vor einer harten Notwendigkeit, der wir nicht mehr ausweichen können. So ist für uns in der Volksernährung die letzte Entscheidung, in der wir ebenso wenig versagen dürfen, wie unsere Braven an der Front.
   In erster Linie wird nochmals ein warmer Appell an unsere Hausfrauen gerichtet, daß sie sich nunmehr mit den veränderten Verhältnissen gut abfinden und vor allen Dingen durch sparsame Brotverteilung dafür sorgen, daß in der ganzen Woche Brot auf dem Tische ist und nicht nur in den ersten Tagen der Woche. Die Ausgabe von 5 Pfund Kartoffeln nebst der entsprechenden Zulage für Schwerarbeiter ist bis auf weiteres gesichert. Die Fleischversorgung klappt in dieser Woche noch nicht ganz, weil die Zufuhr von Schlachtvieh nicht glatt geregelt werden konnte. Dafür werden am Mittwoch nur 100 Gramm Speck ausgegeben und als Zulage 125 Gramm Graupen.
   Die Gast- und Schankwirtschaften sowie die Krankenhäuser werden auf Grund ihrer Bezugscheine so weit wie möglich beliefert werden.
   Durch die wesentliche Erhöhung der Fleischversorgung muß in die Viehbestände schwer eingegriffen werden. Selbstverständlich werden von den Rindern die wirtschaftlich erforderlichen Zugochsen, Zugkühe und wertvolles Zuchtvieh sowie milchreiche und erkennbar tragende Kühe und Fersen geschont werden, ebenso Schafe wegen des hohen Wollbedarfs des Heeres und ihrer verhältnismäßig geringen Bedeutung für die Fleischversorgung.
   Dagegen wird in den Schweinebestand rücksichtslos eingegriffen werden. Jeder entbehrliche Scheffel Getreide aller Art, jede Kartoffel muß bis zur neuen Ernte der menschlichen Ernährung dienen. Es werden daher im wesentlichen nur Zuchtsauen und Eber, Ferkel und Läufer so lange durchgehalten, bis Weide und Grünfutter zur Verfügung stehen. Alle übrigen Schweine müssen dagegen in den nächsten Wochen zur Schlachtung gelangen.
   Mißstände, wie sie sich bei der Schweineschlachtung im Jahre 1915 ergaben, sind jetzt ausgeschlossen, da jedes geschlachtete Schwein für Heer und Stadtbevölkerung sachgemäße Verwendung finden kann. [...]
   Die städtische Schweinemast wird mit Rücksicht darauf, daß sie noch mit genügenden Futtermitteln versehen ist, aufrecht erhalten.
   Die Kriegsküchen haben sich mit ihrer Teilnehmerzahl auf der alten Höhe von 6.000 gehalten. [...]
   Die Saatkartoffel-Zufuhr ist in der letzten Zeit immer noch nicht befriedigend. Es ist jedoch zu hoffen, daß in den nächsten Tagen größere Sendungen eintreffen. Die in Frage kommenden Landwirte werden dann sofort benachrichtigt werden.
   In der Gemüseversorgung ist leider noch keine Besserung eingetreten. Durch die Neuregelung der Reichsgemüsestelle ist vollständige Freizügigkeit auf dem Gemüsemarkt eingetreten. Aus diesem Grunde mußte auch die bisher geübte Anordnung, daß in Bonn Händler Gemüse nur dann kaufen durften, wenn sie einen von der Stadt ausgefüllten Schein hatten, aufgehoben worden. Bei der Frage der Gemüseversorgung muß immer wieder darauf hingewiesen werden, daß der Gemüsebau eine große Mißernte infolge des kalten und anhaltend schlechten Wetters hatte. Es besteht jedoch Aussicht, in der nächsten Zeit größere Gemüsemengen aus Holland einführen zu können. [...]

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)