Mittwoch, 4. April 1917
Die Nahrungsmittelversorgung.
Die Bestandsaufnahme des Brotgetreides am 15. Februar hat bekanntlich ein außerordentlich ungünstiges Ergebnis gehabt, so daß der Verbrauch an Brotgetreide eingeschränkt werden muß, um die Versorgung der Bevölkerung zwar knapp, aber doch unter allen Umständen zu sichern. Es wird daher vom 15. April ab 1. die tägliche Mehlration von 200 auf 170 Gramm herabgesetzt. [...], 2. Die Jugendlichenzulage von einem viertel Brot, die bisher an Kinder von 12 bis 17 Jahren geliefert wurde, muß fortfallen. [...] 3. Die Zulagen für Schwer- und Schwerstarbeiter werden um 25 v. H. gekürzt. 4. Die Selbstversorger dürfen nicht mehr 9 Kilogramm, sondern nur noch 6½ Kilogramm im Monat verbrauchen.
Diese sehr einschneidenden und an die Grenze des Möglichen gehenden Anordnungen, die unter allen Umständen bis 15. August d. J. in Kraft bleiben, werden nun durch folgende Zulagen in ihrer Tragweite abgeschwächt:
Zunächst wird auf den Kopf und die Woche ein halbes Pfund Fleisch mehr geliefert werden, für Kinder unter sechs Jahren ein viertel Pfund mehr. Schwer- und Schwerstarbeiter erhalten daneben auch die ihnen jetzt bereits zustehenden Zulagen. Dieses Fleisch wird außerordentlich billig abgegeben werden, so daß es tatsächlich als Brotersatz dienen wird. [...]
Sodann werden vom 16. April ab statt der bisherigen drei Pfund fünf Pfund Kartoffeln und für Schwer- und Schwerstarbeiter weitere fünf Pfund die Woche gegeben. Die Kartoffelzulage für die Schwer- und Schwerstarbeiter muß sich allerdings nach den Zufuhren richten und wahrscheinlich in den ersten Wochen nur drei Pfund betragen.
Alles in allem bedeuten diese Ernährungsmaßnahmen keine Verschlechterung, sondern eher eine Verbesserung in der Versorgung der Bevölkerung. [...]
Infolge der Herabsetzung der täglichen Mehlmenge muß in Bonn natürlich das vierpfündige Brot verschwinden. Das Brot wird vom 16. April ab 1500 oder 1600 Gramm wiegen, genau wird das Gewicht erst noch festgesetzt werden. An Zulagen sollen erhalten Schwerarbeiter wieder ein halbes, Schwerstarbeiter anderthalb, hoffende und stillende Frauen ein halbes Brot. Die Brotpreise werden noch bekannt gemacht. [...]
Zurzeit werden in Bonn als Kartoffelzusatz noch getrocknete Steckrüben abgegeben, merkwürdigerweise wird aber noch nicht einmal der zehnte Teil der ausgelobten Menge abgenommen. Das kann nur daran liegen, daß vielen Hausfrauen die Zubereitung nicht genügend vertraut ist. Es sei deshalb darauf hingewiesen, daß in allen Verkaufsstellen auch Kochanweisungen abgegeben werden. Die getrockneten Steckrüben sind, geeignet zubereitet, ein ganz ausgezeichnetes Gemüse, die Hausfrauen sollten sich daher in der heutigen Zeit eine so nahrhafte und wohlschmeckende Kost nicht entgehen lassen. Die Verkaufsstellen für getrocknete Steckrüben sollen noch vermehrt werden. [...]
Für das Osterfest wird der Bürgerschaft ein Osterei besonders bewilligt, so daß in dieser Woche zwei Eier für jeden verkauft werden. Näheres darüber wird noch bekannt gemacht. Auch die sog. städtischen Lebensmittel werden für nächste Woche etwas reichhaltiger ausgegeben, es wird auch dafür gesorgt werden, daß die Waren schon Freitag und Samstag dieser Woche für die nächste Woche gekauft werden können.
In wenigen Tagen wird eine Verordnung in Kraft treten, wonach in den Haushaltungen, Gastwirtschaften, Anstalten und sonstigen Betrieben alte Knochen gesammelt werden müssen. Die einzelnen Hausstände haben die Knochen dann den Metzgern, bei denen sie als Kunden eingetragen sind, zurückzuliefern, die Metzger bringen sie zum städtischen Schlachthof, wo eine Knochenentfettungsanstalt eingerichtet wird, um alles Fett aus den Knochen herauszuziehen. Selbst ausgekochte Knochen haben noch immer einen ganz erheblichen Fettgehalt, und wenn alle Knochen sorgfältig gesammelt und abgeliefert werden, wird es der Stadt möglich sein, etwa 1000 Kilogramm gutes Speisefett monatlich aus den Knochen zu gewinnen und der Bürgerschaft wieder zur Verfügung zu stellen. Jede Hausfrau und jede Köchin sollte sich also in dieser schweren Zeit der kleinen Mühe unterziehen, die Knochen zu verwahren und abzuliefern; denn letzten Endes kommt diese kleine Mühe der Fettversorgung des eigenen Haushalts wieder zugute. [...]
Die Teilnehmerzahl der Kriegsküchen ist in den letzten Wochen unverändert geblieben: 6700 Gäste hat der städtische Mittagstisch.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Keine Vergnügungsfahrten zu Ostern auf dem Rhein. In diesem Jahre finden keine Vergnügungsfahrten auf dem Rhein statt. Dies ist auf den Personenmangel der Schiffahrtsgesellschaften zurückzuführen. Bis Mitte Mai hofft man diesen Mangel behoben zu haben, sodaß der Sommerfahrplan in Kraft treten kann.
Kartoffelbau. Der zwischen dem Nordfriedhof und der Rheinuferbahn gelegene, etwa sechs Meter breite und sich in der Länge der ganzen Kirchhofsmauer hinziehende Landstreifen, der bisher als unbenutzter Fuhrweg brachliegt, soll jetzt landwirtschaftlich ausgenutzt werden: Dieses Grundstück, das Eigentum der Stadt Bonn ist und mehr als 1 Morgen groß ist, wurde in der letzten Woche mit dem Tiefpflug umgeworfen und soll in den nächsten Tagen mit Kartoffeln bestellt werden. Einen schmalen Weg für Fußgänger hat man liegen lassen.
Der Bonner Wochenmarkt war gestern wieder sehr schlecht beschickt. Im ganzen waren etwa 10 bis 12 Verkäuferinnen erschienen, darunter aber nur eine oder zwei vom Lande. Außer einigen Körben mit Spinat und etwas Wirsing war Gemüse überhaupt nicht vorhanden. Hauptsächlich kommen jetzt Schwarzwurzeln, rote Möhren, Karotten, Zwiebeln, Feldsalat und Sellerieknollen zum Verkauf. Aepfel werden des hohen Preises wegen nur selten gekauft. [...] Die Preise für diejenigen Waren, für die keine Höchstpreise festgesetzt sind, waren im allgemeinen dieselben wie die Ende der vorigen Woche. Der Verkauf war durchweg flott.
Auch auf dem Großmarkt auf dem Stiftsplatz waren gestern in fast allen Marktprodukten nur ganz geringe Zufuhren. Außer einigen Körben mit Spinat war auch hier an Gemüse nichts zu haben. Der Verkauf war im allgemeinen flott und der Markt um 8 Uhr früh wieder fast vollständig geräumt.
Der städtische Verkauf auf dem Wochenmarkt war gestern wieder recht lebhaft, besonders in Gemüse und Fischen. An Spinat war gestern ein ziemlich großer Vorrat vorhanden. Verkauft wurden außer Spinat noch rote Möhren, Karotten, ausländische Zwiebeln und Feldsalat. [...]
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Erhöhung des Gaspreises um 4 Pfg. Einen überraschenden Beschluß haben am Donnerstag die Stadtverordneten gefaßt: sie beschlossen eine Erhöhung des Gaspreises um 4 Pfennig für den Kubikmeter. Ueberraschend kommt dieser Beschluß deshalb, weil die Bürgerschaft darauf in keiner Weise vorbereitet war. Man ist gewohnt, daß Vorlagen von einschneidender Bedeutung auf der Tagesordnung verzeichnet werden, die nach den Bestimmungen der Rhein-Städte-Ordnung drei Tage vor der jeweiligen Sitzung des Kollegiums öffentlich bekannt gemacht wird. Ebenso ist es sonst Gepflogenheit, daß eine solche Vorlage eine gründliche Ausschußberatung erfährt. Beides ist bei dieser Gaspreiserhöhung nicht geschehen. Die Frage des Gasersparnispreises hatte in der Öffentlichkeit eine lebhafte Erörterung gefunden. Wollte man diese diesmal vermeiden? Es ist selbstverständlich, daß Mittel und Wege gefunden werden müssen, um angesichts der schweren Belastung unseres Etats durch die Kriegsausgaben einen finanziellen Ausgleich zu finden. Aber es will uns nicht richtig erscheinen, der Bürgerschaft jede Möglichkeit zu nehmen, sich darüber zu äußern, wenn solche Wege, wie die nicht gerade geringfügige Erhöhung des Gaspreises um 4 Pfennig pro Kubikmeter, bestritten werden. Es ist unseren Stadtverordneten doch nicht unbekannt, daß viele Bürger durch die Nahrungsmittelteuerung wie durch Verteuerung der Lebenshaltung überhaupt stark belastet werden. Für sie bedeutet jede weitere Belastung ihres Etats eine einschneidende Verschärfung des Lebenskampfes, die starke Erhöhung des Gaspreises wird daher begreiflicherweise in gar manchem Bonner Haushalt mit recht gemischten Gefühlen aufgenommen werden. Aus welchen Gründen man nicht an eine Erhöhung des elektrischen Strompreises herangetreten ist, dessen Verteuerung mehr von den Begüterten getragen würde, bedarf noch der Klarstellung. Mehrere Bonner Bürger.
Die Dienstbotenfrage beginnt sich auch in Bonn ganz eigenartig auszuwachsen. Die Möglichkeit, in Fabriken höhere Löhne zu erlangen, ist für viele Mädchen ein begreiflicher Anlaß, ihre Dienstmädchenstellungen zu verlassen. Auch die Ernährungsschwierigkeiten in den Haushaltungen ist für manches Mädchen Grund genug, aus seiner Stellung fahnenflüchtig zu werden. Viele Familien sind nun dazu übergegangen, statt der Mädchen Arbeitsfrauen in Ganz- oder Halbstagsdienst einzustellen, oder solche stundenweise zu beschäftigen. Da die Nachfrage recht stark ist, tritt nun die für manchen Haushalt unangenehme Unsitte auf, daß die Arbeitsfrauen die getroffenen Vereinbarungen nicht innehalten und oft ganz plötzlich von einem Haushalt in den anderen übertreten. Eine schärfere behördliche Regelung der Beschäftigung von sog. Stunden- und Monatsfrauen ist daher dringend geboten. Unsere Hausfrauen müssen gegen wortbrüchige Arbeitsfrauen ebenso geschützt werden, wie diese beanspruchen dürfen, in dieser schweren Zeit vor wirtschaftlicher Not bewahrt zu werden. Eine Hausfrau.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Sechste Kriegsanleihe. Allen, denen die Tagesarbeit keine Zeit läßt, in den üblichen Geschäftszeiten ihre Zeichnungspflicht zu erfüllen, bietet die Städtische Sparkasse Gelegenheit, nach Feierabend zu zeichnen oder Anteilscheine zu lösen. Sie öffnet ihre Schalter Mittwoch, 11. d. M., und Samstag, 14. d. M. , für Kriegsanleihezeichnungen auch abends von 7 bis 9 Uhr. Der arbeitenden Bevölkerung wird diese Einrichtung nicht weniger willkommen sein, wie die Zeichnungsmöglichkeit an einigen Sonn- und Feiertagsstunden. Von dieser Gelegenheit wurde auch bei der 4. und 5. Anleihe vielfach Gebrauch gemacht, besonders von Beamten, deren Zeit wochentags der Dienst vollständig in Anspruch nimmt. Da der vorletzte Sonntag vor dem Endtermin in die Ostertage fällt, so tritt der Karfreitag an seine Stelle. Das Nähere ist aus dem Anzeigenteil zu ersehen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)