Donnerstag, 29. März 1917

     

Hülsenfrüchte dürfen auch zu Saatzwecken nur abgesetzt werden, wenn sie von der Reichshülsenfruchtstelle förmlich freigegeben sind, und zwar bedürfen dieser Freigabe auch diejenigen Mengen, welche sich bereits im Handel befinden. Alle Händler müssen deshalb derartige Anträge sofort bei der Reichshülsenfruchtstelle einreichen. An Höchstpreise ist das Gemüsesaatgut auch jetzt nicht gebunden. Es dürfen aber mit Hülsenfrüchtesaatgut zu Gemüseanbauzwecken nur diejenigen Händler verkaufen, welchen eine Erlaubnis zum Betriebe des Handels mit Sämereien erteilt ist oder die ohne besondere Erlaubnis den Handel mit Sämereien betreiben dürfen. Auch die Bestimmungen über Saatkarten gelten für Hülsenfruchtsaatgut. Nur wenn es sich um Mengen unter 125 Gramm handelt, kann das Gemüsesaatgut ohne Saatkarte abgegeben werden.

Hebung der Kaninchenzucht. Mit der demnächst erfolgenden Beschlagnahme der Kaninchenfelle und der Regelung des Verkehrs mit ihnen wird gleichzeitig der Zweck verfolgt, die Kaninchenzucht zu heben. Dementsprechend werden die Preise für Kaninchen verhältnismäßig hoch bemessen werden, um die Züchter zu einer pfleglichen Behandlung der Felle anzuhalten. Auch im Interesse der Volksernährung verdienen alle auf die Förderung und Verbesserung der Kaninchenzucht hinzielenden Bestrebungen Unterstützung. Bei einer zielbewussten Hebung dieser Zucht kann in absehbarer Zeit mit einer erheblich gesteigerten Erzeugung von Fleisch gerechnet werden.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

      

Ortsgruppe Bonn-Godesberg des „Unabhängigen Ausschusses für einen Deutschen Frieden“. Wir erhalten folgende Zuschrift: „In Bonn, wo, wie in der Umgebung schon längst eine Anzahl von Freunden des „Unabhängigen Ausschusses“ zu finden war, wurde in den letzten Wochen eine Ortsgruppe dieses großen über ganz Deutschland verbreiteten Ausschusses gegründet. Vertreter verschiedenster Parteirichtungen gehören ihr an. Die Bestrebungen jenes Kreises deutscher Männer gehen darauf aus, in allen Kreisen Verständnis für die Lebensnotwendigkeiten des Deutschen Volkes zu wecken, den Blick für die mit unserer üblen geographischen Lage zusammenhängenden Grundzüge einer Deutschen Auslandspolitik zu schärfen und den Willen zu einer würdigen Selbstbehauptung unseres Volkes während dieses Krieges wieder zu beleben, zu mehren und zu stärken. In der ersten Mitgliederversammlung vom 23. März legte Herr W. Bacmeister, Mitglied der nationalliberalen Fraktion des preußischen Abgeordnetenhauses in meisterhaften, packenden Mitteilungen „die politische Lage“ dar und erntete allgemeinen, überaus lebhaften Beifall für eine gediegenen Ausführungen. Die anschließende Aussprache war von größtem Interesse.
  
Am Freitag, den 30. März Abends 8 ½ Uhr findet im großen Saale des Bürger-Vereins die erste öffentliche Versammlung statt. In dieser Versammlung wird Herr Prof. Dr. Schlittenbauer, Mitglied der Zentrumsfraktion des bayrischen Landtages einen Vortrag „Auf der Höhe des Weltkrieges“ halten. Niemand verfehle zu kommen.
   Professor Schlittenbauer ist einer derjenigen deutschen Politiker, die seit langem für eine Form des U-Boot-Krieges eintraten, bei der die erhofften Wirkungen auch mit ziemlicher Sicherheit vorauszuberechnen waren. Auf dem Gebiete der landwirtschaftlichen und Ernährungsfragen genießt der Redner, der an der Seite Dr. Heims arbeitet, in Bayern das größte Ansehen. Er verfügt über treffliche historische und nationalökonomische Kenntnisse, weiß leichtfassliche, lichtvolle Darstellungen mit ernster Auffassung der Dinge zu verbinden und läßt, wo es nottut, auch die volkstümliche Rede und den Humor zu Worte kommen.
   Ein reger Besuch der Versammlung am Freitag den 30. März ist somit durchaus gerechtfertigt.
   Weitere Vorträge von Vertretern der übrigen politischen Parteien sollen folgen.

Schülerarbeiten im Hofgarten. Am Dienstag war der achte Arbeitstag und sämtliche Rasenflächen sind schon von der Laubdecke befreit. Da täglich nur nachmittags 3 Stunden gearbeitet wurde, haben die jungen Leute innerhalb 24 Stunden den ganzen Hofgarten gereinigt, eine schöne Leistung, wenn man bedenkt, daß das Laub noch sehr naß und in den Boden geregnet und getreten war. Aber nicht allein das Laub haben sie zusammengemacht, sondern auch noch auf Handkarren geladen und auf ein etwa 2 Kilometer entferntes städtisches Grundstück gefahren, was sonst mit dem Pferdekarren geschehen ist. Inzwischen haben sie noch abwechslungweise mit der großen Drummsäge Holzschneiden gelernt. Man sieht, daß bei richtiger Anstellung und gutem Willen auch unsere Jungen noch manches leisten können. Diese Woche werden sie im Umgraben, Rigolen und Spiralstechen unterrichtet. Eine zweite Kolonne hat gestern im Baumschul-Wäldchen mit der Arbeit begonnen.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

      

Soldatenheim. Der verflossene Sonntag sah wieder viele Feldgraue im Soldatenheim Gesellenhaus, Kölnstraße, da ihnen dort Allerlei und viel Schönes von den verschiedensten Kräften geboten wurde. Andächtig lauschten sie alle den herrlichen Liedern, welche Frl. Anny Ney mit ihrer wundervollen und kristallklaren Stimme sang und wobei sie Herr Kratzer am Klavier so gut zu unterstützen wußte. Nicht minder starken Eindruck machte das Auftreten der kleinen Heinemann, der Tochter des im Feldgrau steckenden Herrn Musikdirektors Heinemann, der die hinreißend gespielten Geigensolis seines Kindes in meisterhafter Weise auf dem Klavier begleitete. Die ernsten und heiteren Vorträge des Herrn Kuhlmann, waren Schlager, die durch die plastische Vortragsweise sofort zündeten. Als „humoristischen Vortragsmeister am Klavier“ bezeichnete sich Herr Edmund Saltin, ein Feldgrauer. Daß er wirklich ein Meister auf diesem Gebiete ist, das bewiesen seine mit starkem Beifall aufgenommenen Darbietungen. Der Dritte im Bunde war Herr Wallenfang, der auch mit einigen lustigen und köstlichen Gesangsvorträgen aufwartete. Seine Art des Vortags machte die ausgewählten Nummern besonders wirksam. Herr Däntler trug ein selbstverfasstes, von patriotischem Schwung durchwehtes Gedicht ausdrucksvoll vor. Zwei Theaterstückchen sorgten für weitere Ablenkung. „Der Vetter aus Bremen“, ein prächtiges heiteres Spiel, ward in vorzüglicher Weise von Frl. Elise Müller und den Herren Konrad Ritter und M. Däutler gegeben. Um die drastische und wirksame Aufführung des Einakters „Die Kaffeeschlacht oder Folgen der Emanzipation“ bemühten sich mit gutem Erfolg die Damen Lottner, Conrad und Lenzen. Alles in allem: der Abend, den der 1. Vorsitzende, Herr Kaplan Rütters, leitete, war schön und gefiel den Soldaten sehr gut.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)